Die Farben der anderen Welt
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Hallo, HeldenVonHait !
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Eigentlich gibt der Titel der Geschichte "Der Pakt mit dem Teufel" ja schon recht deutlich darüber Auskunft, worum es geht. Interessanterweise wird das aber erst zum Ende wirklich aufgelöst. Hm ... es ist ungewöhnlich (im positiveren Sinne), dass die Überschrift eine Erwartungshaltung erzeugt, die am Ende weder ganz gebrochen noch ganz erfüllt wird, sondern dass die Geschichte einfach einen anderen Aspekt bedient.
Die Geschichte selbst erstreckt sich ja über einen längeren Zeitraum. Dass du dabei die Daten als Überschriften für die Unterabschnitte benutzt ... letztlich stört mich so etwas in einem Fließtext immer ein wenig, auch, wenn es interessant ist, dass diese speziellen Zeitpunkte ja eine besondere Bedeutung haben müssen. Sonst wären sie so wohl nicht erwähnt worden. Andererseits ... also zu einem Tagebuchstil würde das schon passen, und ein wenig geht das Ganze ja in diese Richtung ... ich bin da etwas zwiegespalten, muss ich sagen. Eine Anmerkung aber noch zu diesen Unterüberschriften: Im Letzten Teil sagt Melnik, er habe Sara seit ca. einem Monat nicht gesehen, laut Datum sind es aber nur 6 Tage. Ist das ein Tippfehler? Oder ein Hinweis darauf, dass Melnik sich an einem "Ort" aufgehalten hat, wo die Zeit anders vergeht?
Ansonsten ist das eine schöne Charakterisierung der beiden Protagonisten, finde ich. Nicht nur, weil es die Grenzen von dem, was viele "Gut" und "Böse" nennen aufweicht oder die Gegner eines Konfliktes in einer alltäglicheren Umgebung zeigt. Auch die Beziehung der beiden ist schön dargestellt und obwohl es etwas seltsam ist, dass sie so gar nicht zu reden scheinen, kann man sich ein gutes Bild von ihnen machen.
Was ich noch merkwürdig fand, ist Melniks Verhalten am Ende. Er scheint Sara ja lieb gewonnen zu haben, hat nicht umsonst solange gezögert, seinen Auftrag auszuführen. Aber am Ende geht er doch ein wenig zu kalt über ihren Tod hinweg. Du erwähnst zwar, dass ihre Dämonengestalt es für ihn einfacher mache, sich zu distanzieren, aber so schnell ... und selbst wenn, würde er dann nicht nach ihrem Tod deutlichere Anzeichen von Bedauern zeigen? (ein bisschen erinnert er mich da ja an das Letzte Einhorn in "Zwei Herzen" ...)
Wie dem auch sei, schön, dass du hier etwas veröffentlicht hast - hoffentlich schreibst du bald mehr!
~Sheo
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Danke dir für deinen Kommentar!
Ich versuche mal wenig zu meinen Plänen zu verraten. Einer der Sachen die ich aber sagen kann ist, dass Melnik noch öfter vorkommen wird, es sollte nur so etwas wie eine Einführung sein. Die Idee und die Handlung waren wie sein Charakter eigentlich nur bei den Haaren herbei gezogen, mehr oder weniger improvisiert. Der einzige, zumindest kleine Einfluss, war John Constantine von DC Comics. Wobei ich aber zugeben muss, dass ich über diese Figur so gut wie gar keine Ahnung habe, außer, dass er einen mantel trägt, raucht und zaubert.
Ich werde natürlich noch weiter auf Melnik eingehen in weiteren Geschichten, in welchen er einen Teil darstellt.
Ich gehe auf seinen Pakt ein, auf Teufel selbst, auf die Daten eventuell auch - die waren eigentlich mehr experimentell, ich weiß nicht ob ich dieses Schema beibehalten werde oder nicht.Ich war nicht sicher ob ich diese Überschriften als solche benutze oder in Sätze einbaue wie "Ein paar Tage später...", etc.
Eine Anmerkung aber noch zu diesen Unterüberschriften: Im Letzten Teil sagt Melnik, er habe Sara seit ca. einem Monat nicht gesehen, laut Datum sind es aber nur 6 Tage. Ist das ein Tippfehler?
Nein, ich denke eher, dass ich mich einfach blöd ausgedrückt habe.
Nun war es schon einen ganzen Monat her seit er sie das erste Mal getroffen hatte.
In dem Satz wollte ich auf das Datum 27.10. eingehen, der Tag an dem sie das erste Mal miteinander gesprochen hatten.
WIE GEHABT!
Die Charaktere mit dem Namen Melnik und dem Namen Teufel wurden somit schon einmal vorgestellt.Weitere Charaktere mit eigenen Geschichten oder auch im Bezug auf diese Beiden folgen in "Kürze"
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Hier eine neue Kurzgeschichte, dieses Mal etwas dystopischer (glaube ich)
Diese hat wie man vielleicht merkt, nichts mit der ersten Geschichte "Ein Pakt mit dem Teufel" zu tun.
Immerhin war er glücklich mit diesem Job, mehr brauchte es doch nicht, oder?
Er fuhr mit seinem Auto durch das gesamte Ödland, welches Deutschland nun überzog, und brachte seine Ware hin und her.
Grenzen gab es keine mehr, höchstwahrscheinlich fuhr er auch durch die Niederlande, Frankreich, Österreich, Schweiz.
Das Fahrerhaus war sein Zuhause.
Der saure Regen hatte über das letzte Jahrhundert, welches der Mensch unter der Erde verbrachte, jegliches Leben auf der Erde ausgelöscht und durch neues ersetzt.
Die Bäume waren keinen falls mehr die Bäume die man früher gekannt hatte, wenn sie sich denn mal zeigten.
Tiere konnte man die Wesen die hier herum liefen nicht mehr nennen. Es waren fiese Kreaturen die nach dem Leben aller Wanderer die hier nur versuchten entlang zu kommen trachteten.
Zum Glück saß Cecil in seinem geräumigen Fahrerhaus des alten LKWs, welcher sich wie durch ein Wunder wieder reparieren ließ als er das Ding in einem alten Werk in München hervor gegraben hatte.
Der Stoffsitz hatte sich gut erhalten und auch das Plastik war noch da. Dadurch, dass die Halle in der er stand isoliert war hatte sich auch nicht mehr als Flugrost auf der Karosse gebildet.
In München war er einer der Personen die nach dem dunklen Jahrhundert mit aus dem Bunker gekrochen sind. Das ganze war jetzt schon geschlagene zehn Jahre her.
Was hatte er in der Zeit gemacht?
Er ist gefahren.
Immerhin war er nun endlich frei, konnte die Welt sehen, warum sollte er also nicht gleich drauf los?
Aber was war passiert?
Warum hatte der Mensch sich im Dunklen versteckt?
Die Antwort war ganz einfach. Vor über hundert Jahren begann der apokalyptische Krieg der sie dort hinunter trieb.
Ein Krieg der sich über die ganze Welt zog bis hin zum nuklearen Schlag.
Cecil war damals nicht dort, er konnte nicht wissen wie sich der dritte Weltkrieg abgespielt hatte. Es interessierte ihn auch herzlich wenig.
Er wusste nur, dass Deutschland zu Anfang des Krieges Gelder darein gesteckt hat diese Bunker zu bauen.
Wichtig war aber das hier und jetzt. Das was die letzten Jahre über passiert war.
Zehn Jahre in denen sich neue Strukturen aufgebaut haben. Die Grenzen waren nicht mehr wichtig, Ethnizitäten machten nichts aus.
Sie befanden sich in einer fremden Welt und versuchten zu überleben.
Cecil nannte diese Zeit das Jahrhundert nach dem Bunker. Und das vergangene Jahrhundert das der Apokalypse. Ja, Menschen starben, da führte kein Weg drum herum, auch jetzt nicht mehr.
Aber die Bunker hatten sich bekriegt. Die Front auf Höhe der A7 zwischen den Parteien Stuttgart und München, wo er ja immerhin auch Teil nahm.
Jahrelang bekriegten sie sich inmitten der Bunker oder oben auf der Oberfläche.
Leute starben durch die Radioaktivität, durch Hetzjagden auf Mutanten und am Hungertod.
Die Menschheit hatte ein schweres Schicksal ereilt und die wenigen die die Apokalypse überlebt hatten waren nun hier und versuchten sich gegen die Natur zu wehren.
Cecil hatte eine CD in das Radio eingelegt und ließ die Musik trällern.
Ein automatisches Getriebe, mit Schaltung konnte er kaum fahren. Man hatte ihm ja nie die Chance gegeben mit der Kupplung zu üben.
Innerhalb des Fahrerhauses, direkt hinter den zwei Stoffsitzen, war eine große Matratze. Dort konnte er sich zum Schlafen hinlegen. Seinen kleinen Colt hatte er aber immer Griffbereit, genauso versuchte er immer zu einer Gegend mit Menschen zu kommen.
Einfach in der Prärie stehen bleiben konnte gefährlich werden. Nicht wegen der Kreaturen, eher wegen der Banditen.
Vor allem Postautos waren bei ihnen beliebt. Mitunter befanden sich hier richtige Schätze.
Und dazu noch das Geld welches man Cecil für den Transport übergab. Hunderte von Spielchips, wenn nicht gar Tausende, befanden sich in einer kleinen Tasche unter dem Beifahrersitz.
Die Währung der heutigen Zeit waren Spielchips. Welcher Marke sie angehörten war egal, Hauptsache sie hatten die richtige Farbe.
Am wertvollsten waren Grüne, diese mussten dann aber die richtige Marke haben um viel Wert zu sein. Danach kamen die Blauen, dann die Schwarzen, Rote und zu guter Letzt Weiße.
Das Herstellen von Spielchips war illegal, genauso das zerstören ebenjener. Zwar gab es keinen festen Markt, aber dennoch könnte dieser ja zusammen brechen.
Nein, das einzige was passieren würde, wäre das irgendwer Reich wäre und andere Leute damit bereichert, dass er ihre Sachen kauft.
Die CD sprang wieder zurück auf das erste Lied, alles begann von vorne. Seufzend trat Cecil die Bremse und hielt an.
Dauerfahrt auf Neutral stellen und die Handbremse anziehen. Dann kurz zur Seite greifen und einer der Hüllen vom Beifahrersitz nehmen. Dann schnell die CD wechseln und schon trällerte jemand anderes zum Klang von Instrumenten los.
The Jazz Experience stand auf der Hülle. Abgebildet war ein Mann mit Saxophon. Genauso klang auch die Musik. Ein Gemisch aus Blues und Soul untermalt von Piano- und Trompetenklängen.
Saxophon, Cello, bei einem Lied sogar eine Violine. Die Texte waren englisch, aber Cecil verstand sie. Meist ging es um die unwiderstehlichen Frauen ihrer Zeit.
Wie verrückt sie doch waren, wie viel mehr sie als so manche Seemänner rauchen und trinken konnten. Einfach unglaubliche Texte.
Der Klang dieser Lieder war wundervoll, sie zogen direkt in Cecils Knochen hinein.
Die Ohren waren dieser Musik egal, es ging nicht darum gehört zu werden. Diese Musik wollte gefühlt werden.
Natürlich ließ es ihn nicht tanzen, er war ja schließlich durchgehend auf der Arbeit.
Aber die Frage war wie lange er noch auf der Arbeit bleiben würde. Diesel ging mit der Zeit aus und man hatte keine Ahnung wie man das Zeug über die Ozeane und Meere bringen sollte.
Cecil musste auch bald wieder tanken.
Er hoffte bald in einer Kolonie an zu gelangen, am Besten sogar eine Stadt.
Der Motor schrie wieder auf, der Dackel fing wieder an zu wackeln. Die Fahrt ging weiter.
Die Steppe zog vor ihm immer weiter und verabschiedete sich langsam in einem sandigen Ödland. Überall waren trockener Boden und riesige Dünen kleiner Steine.
Früher war dies die dritte Bundesstraße, das war an den Straßenschildern zu erkennen.
Vor Cecil war ein kleiner Ort.
Godenau.
Früher war hier wie er schon erfahren hat, wie in ganz Deutschland, ein schönes grünes Land.
Überall standen Bäume, die Hügel waren mit Sträuchern und Büschen versehen und Felder mit verschiedenstem Gut ließ seine Ernte blühen.
Auf einer der nun sandigen Hügel neben der Straße waren ein paar Häuser.
Rechts der einstigen Bundesstraße befand sich ein Rastplatz für LKWs.
Direkt an den Schienen, ein langgezogenes Haus.
Davor waren ein paar Autos, Geländewagen.
Auf der Terrasse saßen ein paar Personen und spielten mit Karten.
Die grünen Wolken hatten sich verzogen. Ohne Mitleid brachen heiße Sonnenstrahlen auf sie herab. Cecil fuhr vor.
Die drei Personen die hier saßen blickten zu ihm hoch und betrachteten das Geschoss.
Vier Meter hoch, zwei Meter fünfundfünfzig in der Breite und eine Länge von ungefähr zehn Metern. Cecil sprang aus dem Fahrerhaus.
Die vier Stufen benutzte er meist nur um aufzusteigen. Hinunter konnte man fallen.
Er ging um die weiße Karosse herum und sah zu den drei Typen.
Aus dem Fenster lugte eine Frau, unter den Arm ein Topf geklemmt. Mit der anderen Hand hielt sie einen Löffel den sie langsam kreisen ließ.
„Die Post ist da.“, sagte Cecil zu ihnen.
Einer der Männer war etwas angespannt, hatte seine Hand schon heimlich auf den Griff seines Revolvers gelegt.
Der Andere konnte seine Schrotflinte sofort greifen und Cecil eine Ladung verpassen.
„Die Post ist da?“, fragte der Dritte.
„Ja, ein Paket.“, antwortete Cecil ihm.
Der Dritte sah zu seinem Kameraden mit dem Revolver und nickte einmal.
Auf das Signal hin stand dieser auf und ging von der Terrasse herunter zu Cecil.
„Und woher weißt du, dass die Post hier her soll?“, fragte der Dritte.
„Brinken?“, hakte Cecil nach.
„Ja.“, antwortete sein Gegenüber.
Brinken war der Name der damaligen Raststätte.
„Was ist die Ware?“, nun stand auch der Mann mit der Schrotflinte auf.
„Kondome.“, rief Cecil zu ihnen herüber.
Die drei Gestalten fingen an zu lachen und legten ihre Waffen nieder.
„Ah, Kondome!“, rief der scheinbare Anführer.
„Los, holt sie her!“, rief er dann.
Es war ein Befehl an seine zwei Schergen, dass sie Cecil zur Ladebordwand folgen sollten um das Paket entgegen zu nehmen.
Ja, mittlerweile war dies keine normale Raststätte mehr. Postmänner wie Cecil konnten hier nicht einfach her kommen um die Nacht nach getaner Arbeit zu verbringen.
Das hier war nun ein Puff.
Ohne einer der Frauen innerhalb des Lokals zu kaufen oder eine warme Mahlzeit von der Köchin anzunehmen durftest du hier nicht bleiben.
Die Frauen würden dann mitkommen in die Autos. Die Kondome waren hierbei Pflicht. Der Inhaber konnte sich nicht erlauben einer seiner kostbaren Waren schwanger werden zu lassen.
Cecil ließ die Bordwand mit einer Apparatur hinunter fahren und senkte die Hebebühne daraufhin. Er sprang dann hinauf und suchte das Paket auf dem Brinken stand.
Dieses warf er dann einer der Schergen zu und sprang hinterher.
„Willste ne Bezahlung?“, ächzte der Inhaber.
„Kommt auf die Bezahlung an.“
„Einer der Weiber kann dir einen blasen wenn du das willst. Mehr aber nicht.“
„Ich will nur Bares.“, Cecil fuhr die Bordwand wieder hoch und ging in Richtung des Fahrerhauses.
„Hab keine Chips.“, rief der Inhaber dann.
Cecil ignorierte ihn. Es wäre nichts weiter als eine Art Trinkgeld gewesen.
Seine Bezahlung für die Lieferung hatte er schon lange bekommen. Postmänner waren nur schwer zu finden. Zumindest Gute.
Die meisten nahmen das Paket an, nahmen dann noch die Bezahlung und verkauften das Zeug irgendwo auf dem Schwarzmarkt.
Für Cecil ging es nun weiter.
Der nächste Kunde war in Pattensen, also einfach der Bundesstraße hinauf folgen.
Richtung Norden.
Aus Godenau fuhr er raus. Cecil war wohl einer der wenigsten der noch die alten Karten benutzte um sich zurecht zu finden. Unter seiner Matratze hatte er einen ganzen Stapel von Landkarten.
München, Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Hildesheim.
Und genau dort befand er sich jetzt, im Landkreis Hildesheim. Dem deutschen Flachland im Norden über dem Harz.
Bundesstraße 3 Richtung Hannover. In alten Handbüchern zu dem Beruf eines Kraftfahrers hatte er gelesen, dass ungerade Zahlen von Nord nach Süd führten und gerade von West nach Ost.
Das ganze auch umgekehrt.
Wobei es auch dreistellige und zweistellige Autobahnen und Bundesstraßen gab.
Außerdem hatte er das bisher nur für Autobahnen in Erfahrung gebracht, er wusste nicht ob es bei Bundesstraßen genauso war.
Heute war es die Dritte, bis nach Hannover. Dort dann auf die sechste.
Autobahnen konnte man kaum befahren, ein Ort an dem viele Banditen ihre Quartiere aufgestellt hatten. Dazu noch die angeblichen Mautstellen die den Verkehr nutzten um sich zu bereichern.
Natürlich waren Gauner überall zu finden, Autobahnen zogen sie aber förmlich an.
Der nächste Ort war nicht weit entfernt, vielleicht einen Kilometer.
Dehnsen, aber diesen durchquerte er einfach nur.
Links von ihm war gleich zu Beginn des kleinen Dorfes eine alte Tankstelle. Der Ort war etwas größer als Godenau es war.
Aber er war genauso verkommen.
Am Ende des Dorfes war dann ein großes Firmengelände, aber tummelte sich hier dieses mal niemand herum.
Cecil hätte versuchen können aus der Tankstelle etwas raus zu holen, aber sicherlich hatte man diese schon leer gezapft.
Irgendwo musste sich doch etwas zum Saufen für seinen Tank finden. Die meisten Autos die man heute noch nutzte fuhren mit Benzin, kein Diesel.
Irgendwie hatten sich die Vielfresser durchgesetzt nachdem der Mensch aus den Bunkern wieder hervor gekrochen war.
Vielleicht ja im nächstgrößeren Ort.
Hinter Dehnsen führte die Straße hoch, davor war eine Abzweigung.
Eigentlich war es unglaublich, dass man den Asphalt noch sehen konnte und, dass er sich über ein Jahrhundert hinweg gegen jegliches Wetter durchgesetzt hatte.
Brüggen stand auf einem Schild in Form eines Pfeiles. Dort wollte er nicht hin.
Es ging geradeaus, weiter Richtung Norden.
Sein Dackel begleitete ihn, auch wenn er nicht echt war. Wenigstens etwas Gesellschaft in diesem trostlosen Leben als Postmann.
Aber er war es ja der die Welt unbedingt erkunden wollte.
Cecil sah nach rechts. Der Fluss der sich dort befand war über die Ufer getreten.
Trotz der anhaltenden Dürre konnten sich die Gewässer durchsetzen.
Klimawandel nannten sie es früher.
Treibhauseffekt.
Davon hatte er keine Ahnung, ihm war es auch egal. Das einzige was Cecil wusste war, dass die Welt nicht mehr so funktionierte wie sie damals funktioniert hatte.
Bäume warfen keine Setzlinge mehr um sich fortzupflanzen, sie wuchsen einfach und lebten ewig. Das Wetter hielt sich an keinen Rhythmus mehr. Heute war es heiß, morgen schneite es vielleicht wieder.
Genauso hielt es sich auch mit Flüssen und Bächen auf. Polarkappen gab es zwar noch, diese waren aber Aussagen nach zur Folge nur noch sehr klein.
Wobei wieder andere sagten sie waren gänzlich dahin geschmolzen.
Dritte berichteten dann von einer bevorstehenden Eiszeit und vierte meinten das alles wäre nicht real, wodurch sich das sinnlose Wetter erklärte.
Aber es gab keinen Sinn mehr, das war die wohl bittere Wahrheit.
Jahreszeiten gibt es nun nicht mehr.
Das Wetter tat was es wollte, aber genauso hatte der Mensch es sich ja nun geformt.
Die Welt war gestorben, sie hatten sie damals schlussendlich getötet. Der letzte Gnadenstoß, welcher nunmehr als eine neue Realität dargestellt wurde.
Das Zeitalter nach dem Bunker.
Ja, so nannte er es und so würde er es auch immer nennen. Wie auch sonst?
Cecil griff nach einer Packung aus Kunststoff und Metall und klappte diese auf. Einst sollten die Verzierungen Flugzeuge darstellen, aber leider war das Objekt in die Jahre gekommen.
Ein kleiner Haken drückte sich zurück als Cecil mit dem Daumen auf eine Art Knopf presste.
Die Schatulle in seiner Hand sprang auf und drei Zigaretten kamen zum Vorschein.
Wenigstens ein paar Gestopfte hätte er sich eben an dem Puff erschnorren können.
Seufzend holte er einer der letzten Stummel aus dem kleinen Kästchen und steckte sich ihn in den Mund. Gas war wertvoll, ein Feuerzeug wollte er nicht benutzen.
Also drückte er den Zigarettenanzünder des LKWs ein und wartete bis dieser glimmend hervor sprang.
Die glimmenden Stäbe konnte er dann nutzen um das Krebsfördernde Stäbchen in seinem Mund zu entfachen. Ein Zug und wieder Ausatmen.
Durch das ständige Rauchen war der Innenraum seines Fahrerhauses teils schon vergilbt.
Viel schlimmer konnte es aber nicht mehr werden, also warum aufhören?
Außerdem war die Radioaktivität sicherlich noch nicht aus allem heraus gezogen.
Alleine Fukushima, Hiroshima, Nagasaki und Tschernobyl strahlten noch weitere Jahre.
Es war wie ein Zuschussgeschäft. Nachdem die ersten nuklearen Köpfe eingeschlagen waren, weiß Gott wo und wer als erstes geschossen hatte, addierte sich die Radioaktivität miteinander.
Die alten Punkte der atomaren Tests und Explosionen bekamen Zuwachs, strahlten also weiter. Und das verteilte sich nun auch noch weiter über die Welt.
Dazu kamen die anderen Sprengköpfe und Splitter die noch immer auf der ganzen Welt verteilt waren.
Also warum sollte das Rauchen denn das tödlichste sein wenn sogar die Luft verpestet war und man durch reines Atmen sterben durfte?
Für Cecil ging es nun an Banteln vorbei. Ein weiterer Ort der ihn nicht interessierte auf seiner Reise. Glücklicherweise führte die Bundesstraße gar nicht hindurch, sondern war direkt daneben.
Also musste er nicht einmal hinein fahren.
In der anderen Richtung, gegenüber von Banteln, war Eime. Genauso ein uninteressanter Ort.
Für Cecil ging es weiter geradeaus. Ihn interessierten nur die Orte in denen Kunden auf ihre Bestellungen warteten.
Seine Blase fing an zu drücken.
Eigentlich könnte er ja einfach anhalten und irgendwo in das nächste Gebüsch pinkeln. Bei der braunen Farbe die die Blätter hier schon angenommen hatten würde das nicht auffallen.
Farben hatte diese neue Welt ganz viele.
Während die Blätter vieler Bäume früher Grün waren und erst zum Herbst hin die Farbtöne des späte Jahres annahmen gab es nun überall viele verschiedene Farben.
Einmal war er die siebte Autobahn entlang gefahren, durch Hessen.
Dies war jedes Mal ein Höllenritt.
Hinauf kam man nur schleppend, hinunter stand er größtenteils auf der Bremse.
Wenn es dort oben im Gebirge fror und die Straßen glatt waren gab es kaum noch eine Chance dort heil irgendwie raus zu kommen.
Vor allem weil die Straßen durch die zur Seite geschobenen PKWs eng war.
Doch der Anblick lohnte sich immer wieder.
Die Blätter der Bäume glänzten in allen Farben des Regenbogens und zogen mit natürlicher Schönheit an.
Immer wieder betörte ihn auch die Aussicht in dieser unvermeidbaren Hölle.
Stand man ganz oben konnte man hinunter sehen, über ein weites Land.
Von dort oben sah man alle vier Jahreszeiten. Der Winter am Ende der Strecke, der anbahnende Sommer im Osten. Irgendwo herrschte schon wieder Frühling, anderswo Herbst.
Die Gesetze der damaligen Natur gab es nicht mehr. Und dennoch war es Cecil keine wirklich fremde Welt, auch wenn ihm im Bunker immer wieder von der Hölle über ihnen erzählt wurde.
Blaue Ozeane, ein wundervoller Himmel, grüne Wiesen und volle Sandstrände.
Die alte Welt glich ihren Erzählungen nach wie ein Paradies. Es hörte sich an wie ein Ort an den der Mensch eigentlich gehörte.
Nicht dort unten hin in ihr eigens geschaufeltes Grab aus dem sie sich nun heraus gegraben hatten. Die Menschheit hatte ein weiteres Mal die Apokalypse überstanden, genauso wie die ganzen Jahrhunderte davor.
Wie eine Zecke saugte dieses Volk sich an der Oberfläche des Planeten fest und versuchte ihr Blut zu trinken bis es keines mehr gab.
Die Welt hatte sich aber ebenfalls an den Umstand der Apokalypse gewöhnt.
Flora und Fauna wurden angepasst und über hundert Jahre hinweg rehabilitierte dieser Himmelskörper zu einem wundersamen Ort.
So und nicht anders stellte Cecil sich den Himmel vor. Dies war seine Welt, die einzige die er kannte. Nein, sie war nicht fremd.
Dem Volk der Menschen war sie fremd.
Aber ihm als einzelne Person nicht.
Natürlich hatte Cecil auch Religionsunterricht. Deshalb stellte er sich diese Welt nach dem Bunker auch als den Himmel vor.
Wie Jesus Christi stand die Menschheit wieder auf und wandelte ein letztes Mal auf der Oberfläche. Und das hier, diese Welt, dieser Ort, das war für ihn die Himmelfahrt.
Der letzte Schritt zu Gott.
Aber wirklich gläubig war Cecil nicht.
An einen Gott glaubte er nicht. Für ihn stellte das Christentum genauso wie jegliche andere Religion eine Art Ideologie dar.
Er wollte sich aus Angst vorm Tod nicht panisch an irgendeine Idee klammern um dieser zu entkommen. Wenn der Tag kommen würde wusste Cecil, dass er dem Tod mit einem Lächeln gegenüber trat.
Ihm war egal was danach kam.
Für ihn war es dann ja auch vorbei, was interessierte ihn daraufhin noch die Welt?
Nein, er würde nicht wiedergeboren werden. Er ging auch nicht in das Nirwana ein, kam nicht in den Himmel, noch in die Hölle.
Er war nicht mehr als ein Stück Papier welches seinen Weg aus über verschiedene Tische zog.
Manche schrieben darauf, andere rissen es ein, tränkten es in Wasser.
All das bis es seinen letzten Zweck erfüllen würde und in das Feuer geworfen wurde damit andere sich an dem Licht und der Wärme ergötzen könnten.
Nichts als Asche blieb.
Ein paar Erinnerungen daran was auf diesem Stück Papier stand, wie es aussah und wer darauf geschrieben hatte.
Aber es war weg, einfach nicht mehr da.
All das Geschriebene konnte nun nicht mehr gelesen werden. Natürlich könnte man versuchen diesen Zettel zu ersetzen, ein neues Blatt nehmen und versuchen es nachzustellen.
Die Worte neu schreiben, die Risse neu ziehen, die Ecken verbrennen und die Fasern aufweichen.
Aber es war nicht mehr das gleiche Blatt.
Darüber zu diskutieren was nach dem Tod dann endlich kommen würde ergab aber leider auch nur so viel Sinn wie darüber nachzudenken was der Sinn des Lebens war.
Niemand könnte erklären was die Logik dahinter war, dass die Menschen diesen Planeten noch immer nutzen durften.
Das Leben hatte sich hier immerhin weiter entwickelt, sich den neuen Umständen angepasst und etwas völlig Unbekanntes geschaffen.
Plötzlich gab es Hunde mit sechs Beinen, Vögel die größer waren als so mancher Elefant und Wesen die zuvor noch Pflanzen gefressen hatten wollten nun die Knochen anderer Lebewesen aussaugen. Es ergab einfach keinen Sinn.
Das musste es auch nicht.
Nichts musste zwingend einen Sinn haben. Aber leider lag auch dies in der Natur des Menschen. Diese individuelle Art des Lebens hat sich eine Intelligenz erbaut um damit in allem was auch nur ansatzweise existierte einen Sinn zu verleihen. Dinge die man nicht erklären konnte waren dann nicht mehr normal.
Passte irgendwas nicht ins Muster war es sonderlich, man hinterfragte es und versuchte es zu verstehen.
Ja, die gesamte Sprache der Mathematik war lediglich eine Erfindung des Menschen um damit Dinge erklären zu können.
Würde außerirdische Lebensform diesen Planeten erreichen würde sie weder das Verhalten der Menschheit, noch ihre Sprachen oder Erfindungen verstehen.
So etwas wie Mathematik oder Physik gab es nur hier, nirgendwo anders.
All das was sie sich erdacht haben, die Erfindungen, die Sprachen, die Formeln und jede Gestik die als gesellschaftlich angesehen wurde.
Das existierte nur in den Köpfen der Menschen.
Wenn Aliens kamen würden sie uns studieren, genauso wie wir Menschen es mit Tieren taten.
Wir stellten Verhaltensmuster auf, versuchten sie zu verstehen, analysierten alles bis ins kleinste Detail. Auch jetzt da sie wieder aus dem Bunker in diese fremde Welt getreten waren taten sie dies und versuchten aufs Neue den Sinn zu finden.
Eigentlich waren wir Aliens.
Wir waren die Außerirdischen die hier nicht hingehörten. Dabei war es egal ob wir von oben kamen oder von unten.
Dies war nicht unsere Welt.
Und auch die Welt die wir als unsere angesehen hatten war nicht die unsere nur weil wir meinten sie zu verstehen.
Dieses Volk das sich Menschheit nannte hatte kein Zuhause. Es gab keinen Ort an den sie gehörten.
Deswegen, so dachte Cecil zumindest, glaubten sie auch an übernatürliche Wesen und erfanden Geschichten zu ihnen.
Egal ob es der Sohn des Schöpfers war, welcher durch unnatürliche Vorgehensweisen andere Menschen heilte, oder die Schlange die man an Beiden Enden gepackt hatte um ein Gleichgewicht für die Welt darzustellen.
Und nun waren sie hier.
Alles war unbekannt und musste erklärt werden.
Warum hatte dieses Wesen vier Arme?
Wofür waren die fünf Augen?
Warum waren diese Wesen so aggressiv?
Nichts ergab Sinn, also musste Alles aufs neue angesehen werden.
Bis ins kleinste Detail beschaute man die Innereien von erlegten Viechern.
Cecil war das egal.
Er wollte nicht verstehen.
Wofür auch?
Er fuhr immer weiter, sicherlich würde er bald in Pattensen ankommen.
Der nächste Ort auf der Strecke war Elze. Eine kleine Stadt, eher ein großes Dorf. Die Bundesstraße führte in einem Bogen Richtung Westen einfach drum herum, also musste er auch dieses nicht zwingend durchfahren.
Ebenfalls westlich von Elze kreuzte die dritte Bundesstraße die erste. Hier war er schon öfters lang gefahren. Das Problem war, dass die Brücke der B1 eingestürzt war. Glücklicherweise hatte man die Trümmer schon beiseite geräumt, für Cecil stellte dies gerade auch kein wirkliches Problem da. Wenn er aber dort entlang wollte und der ersten Bundesstraße folgen musste um seine Kunden zu erreichen musste er schon mitten in Elze abfahren und durch den Kreisel auf die Hauptstraße fahren. Danach ging es dann irgendwann in die Sehlder Straße bis auf die dritte Bundesstraße. Dort war die Bundesstraße nicht baulich getrennt, wodurch er auf die linken Spuren fahren konnte um irgendwann wieder auf die erste Bundesstraße zu fahren.
Elze hatte von der dritten Bundesstraße auf seiner Spur vier Einmündungen. Von Süden kommend war die erste direkt hinter der Geraden vor der Umgehung. Danach kam die Abzweigung auf die Sehlder Straße, dann die Kreuzung mit der ersten Bundesstraße und zu guter Letzt die einmündende Wülfinger Straße.
Diese war nach dem nächsten Ort seines Weges benannt worden. Die Straßenschilder hingen noch immer, dadurch kannte Cecil ihre Namen.
Die dritte Bundesstraße nutzte er am Meisten.
Dadurch kannte er auch jegliche Ortschaften und Straßennamen. Innerhalb der letzten Jahre hatte er sie sich eingeprägt.
Was sollte er alleine auch sonst machen?
Auf den Kasten seines LKWs hatte er mit Farbdosen auch den Schriftzug „B3 Express“ gesprüht, damit jeder wusste welches sein Gebiet ist. Dort waren dann auch seine meisten Aufträge.
Hin und wieder ging es dann auch in andere Richtungen. Berlin wurde angefahren, Frankfurt an der Oder, Amsterdam, Wien.
Eigentlich war er überall, hier aber am liebsten.
Cecil trat aufs Gas.
Sein LKW schaffte erstaunliche Geschwindigkeiten. Auf der Anzeige wurden ganze 90km/h angezeigt bevor das Potential gänzlich ausgeschöpft war.
Für jemanden der der zuvor noch nie auch nur irgendeine andere Geschwindigkeit als vielleicht 15km/h beim Rennen kannte war dies ein unglaubliches Gefühl.
Kein Mensch war so schnell wie er.
Manchmal sah er andere die schneller waren, da waren es aber kleine Autos, nicht so groß wie seiner. Sie rasten mit Geschwindigkeiten an ihm vorbei die er zuvor für unmöglich gehalten hatte.
Selbst sein LKW sagte nach einiger Zeit der Höchstgeschwindigkeit er sei zu schnell.
Ein Warnsignal mit Piepen zur Untermalung.
Meistens traute er sich kaum über die 60km/h rüber. Diese waren Büchern zur Folge auch die Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen.
Auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen mit zwei Spuren und baulicher Trennung waren es dann sogar ganze 80km/h.
In Ortschaften galten 50km/h oder was die Schilder vorgaben.
Oft genug hatte er schon die Schilder mit der Zahl 120 gesehen und sich nicht vorstellen können was für ein Rausch das wohl sein müsste.
Über Zahlen konnte Cecil den ganzen Tag nachdenken. Die Maße seines LKWs, die Geschwindigkeiten, das Gewicht und die Stärke.
So stark wie 430 Pferde und ganze 5000 Umdrehungen die Minute.
Worauf das bezogen war wusste er nicht, aber die Zahl alleine und das in nur einer Minute.
Alles schien so unglaublich, so unnatürlich.
Aber da wollte er genauso wenig den Sinn sehen wie in jeglichem anderen.
Auch Wülfingen ließ Cecil nun hinter sich.
Die Ortschaft war ebenfalls klein, nichts besonderes. Die Tankstelle hinterm Ortseingang kannte er, sie war schon leer.
Immer wieder wenn er an Tankstellen vorbei fuhr die er schon kannte musste Cecil enttäuscht seufzen. Es war schade, dass Pipelines ebenfalls eigentlich keinen Sinn mehr ergaben.
Kraftstoff kam unter keinen Umständen mehr hier an. Es war zum Heulen.
Vielleicht sollte Cecil diese Chance ja nutzen und weiter hinaus fahren. Einen LKW mit Tank, Dieselkraftstoff transportieren.
Eigentlich keine schlechte Idee. Aber hatte er sich zu sehr an seine Umgebung gewöhnt.
Im Seitenspiegel bewegte sich etwas.
Cecil sah genauer hin, direkt in die Ferne ganz weit hinter ihm.
Dort waren mehrere schwarze Punkte die Staubwolken hinter sich herzogen. Auch er zog eine große hinter sich her, aber diese waren größer und mit mehr Kraft aufgewirbelt.
Die fremden Objekte näherten sich ihm mit hoher Geschwindigkeit.
Schon wieder Banditen.
Cecil trat aufs Gaspedal.
Zum Glück kannte er seine Strecke und die Umgebung. Sicher kam er leicht hier weg.
Die schnellen Autos kamen nun noch näher. Dabei hatte Cecil schon eine Geschwindigkeit von 80km/h auf dem Tacho stehen.
Er trat weiter auf das Gaspedal, drückte es rein bis es knackte.
Kick-Down!
Der Motor brüllte noch mehr auf und die erbrachte Leistung ließ den LKW wie ein Blitz auf die 90km/h schießen.
Doch die Zecken näherten sich noch immer.
„Verdammte Wichser!“, fauchte Cecil laut.
Fünf Stück waren es.
Zum Glück waren es nur Kleine Autos, eines nicht einmal halb so lang wie sein Ungetüm.
Sie konnten also nicht viel machen.
Cecil griff zur Seite und nahm ein Scharfschützengewehr ohne Visier.
Lediglich Kimme und Korn.
Das Fenster auf der Fahrerseite fuhr automatisch nach Knopfdruck runter. Cecil streckte den Lauf seines Gewehres aus dem Fenster und gab eine Ladung ab.
Er hatte das Gewehr selbst modifiziert sodass er sowohl hohe Reichweite und Präzision hatte als auch eine Art Streuschuss.
Die Patronen hatte er hierfür selbst erarbeitet.
Alles in einem Marke Eigenbau.
Die Angreife ließen nicht nach. Höchstens ein paar Kratzer bekam die gepanzerte Karosse ab.
Cecil holte seinen Lauf wieder ein und legte das Gewehr über das Lenkrad.
Sein Straßenschiff kam ins Schwanken, er konnte nicht schießen und fahren, doch blieb ihm nicht viel übrig.
Durch die Beifahrertür schoss eine Art Stange, dessen Spitze sich wie ein Haken weitete.
Mit Harpunen konnten diese Banditen ihm doch etwas anhaben. Doch Cecil wollte sich nicht geschlagen geben.
In der Nähe war die Zuckerfabrik, er musste lediglich die nächste Abfahrt runter fahren und dann noch ein paar Kilometer aushalten.
Postmännern wurde immer geholfen wenn sie sich einer Kolonie näherten, vor allem jetzt wo man ihn angriff.
Doch von vorne näherten sich mit einem Mal ebenfalls Kraftfahrzeuge.
Motorräder düsten mit wildem Summen auf ihn zu und Salven von Maschinengewehren prasselten auf ihn ein.
Cecil erkannte sofort, dass dies Gummigeschosse waren. Sie prallten an der Frontscheibe ab.
Diese Gauner hatten es also nicht auf seine Fracht sondern auf den LKW selbst abgesehen.
Cecil sah wieder in die Seitenspiegel. In seinem Aufbau steckten die Haken und das fünfte Auto hatte sich bestimmt in die Ladebordwand gehangen. Nun begannen die fünf Autos zu bremsen. Cecil drückte wieder durch.
Kick-Down!
Irgendwie musste das doch funktionieren.
Die Leben dieser Typen waren ihm egal, er hielt weiter auf die Motorradfahrer zu. Sollten die doch ausweichen wenn sie Angst hatten.
Unter diesem Asphaltdampfer würden sie zerquetscht werden. Doch er wurde langsamer, das Bremsen war trotz des ganzen Staubs auf der Straße zu stark.
Sicherlich fuhren diese Typen mit einem tiefen Profil um einen großen Griff in den Straßen zu erzeugen. Das hatte Cecil nicht.
Die Motorräder wichen aus, auf die staubige Wüste um sie herum.
Hier war nichts als rissiger Boden und dieser dritten Bundesstraße. Nun war Cecil kurz vor der Brücke die über eine andere Straße führen würde, welche dann bis nach Nordstemmen zur Zuckerfabrik ging.
Alleine die Abfahrt konnte ihm helfen. Wieder prasselten Gummigeschosse auf seine Tür ein. Die Typen ließen nicht locker.
Wie von einer Biene gestochen riss Cecil das Lenkrad nach links und krachte die Abfahrt hinunter. Am Ende der Abfahrt riss er das Lenkrad dann nach rechts und bremste stark. Die kleinen Autos wurden durch die Luft und gegen Wände geschleudert, zwei rissen gänzlich ab. #
Dann wieder, Kick-Down!
Der LKW beschleunigte nun wieder, doch war er sehr langsam geworden. Einer der Autos hinter ihm kuppelte sich ab. Es gab nun nur noch einen der bremste. Doch dauerte es eine Zeit bis Cecil wieder in voller Fahrt war.
Die Beifahrertür wurde aufgerissen.
Cecil richtete den Lauf seines Gewehres in diese Richtung und schoss als er einen Mann dort sah. Dieser hatte sich sofort geduckt nachdem er den Lauf gesehen hatte und damit überlebt.
Dann streckte er den Kopf wieder hinauf.
Cecil bremste wieder stark und schüttelte den Mann fast ab.
Doch er rettete sich in das Fahrerhaus.
Nun waren diese Banditen schon soweit gekommen, dass sie bei ihm drin waren.
Als wenn sie diesen Plan ausführlich entwickelt hätten griff der Typ gezielt nach dem Schlüssel im Zündschloss und zog diesen heraus.
Der LKW verstummte, die Lenkung gab nach, das Gaspedal reagierte nicht mehr. Nun war es vorbei. Cecil entspannte sich.
Vor ihm lagen Kurven.
Er konnte bremsen um sich zu retten, aber dann würden sie ihn sowieso töten.
Also wartete er noch ab.
Einfach dort gegen einen Baum und dann in die Grube runter.
Einfach so...
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Hier ein ReUpload der ersten Kurzgeschichte.
Dann ist der Startpost nur für Links gedacht
Der Pakt mit dem Teufel
20:48 Uhr am Samstag 27.10.
So langsam machte der kommende November sich bemerkbar.
Über den Ständen des Oktobermarktes der über eine Strecke von fast dreihundert Metern lang war hing ein buntes Lichtermeer von Laternen. Weißer Dampf stieg von den Imbissbuden an den Hauswänden hinauf und durch die Girlanden hindurch in den Himmel empor.
Zahllose Massen an Menschen trieben sich zwischen den Verkaufsständen herum. Der Markt war so aufgebaut, dass an den Seiten der Straße mehrere Stände entlang der Hauswände waren und auch in der Mitte sich welche befanden.
Am frühen Nachmittag hatte es in dieser Gegend geregnet, mittlerweile verzog sich sogar langsam der Graupel. Broschüren und Werbeblätter klebten an dem nassen Asphalt. Melnik wehte der Wind um die Ohren. Die Kälte biss durch seine Jeans in die Waden.
Ihm gegenüber stand eine junge Frau mit langen rotbraunen Haaren. Sie lagen glatt an ihrem Kopf herunter. Ihr Gesicht und der Pony versteckten sich hinter einer großen Kamera die sie in ihren Händen hielt. Unter der dicken Jacke die sie trug verbarg sich ihr zierlicher Körper, fast zwei Köpfe kleiner als Melniks.
Sein kurzes braunes Haar und der starre Blick der wie angetrocknet vorne an seinem Kopf hing hatte ihren Blick gefangen. Der Dreitagebart und die grauen Augen mit der blassen Haut im Einklang ließen ihn mit schon wenig Vorstellungsvermögen einer wandelnden Leiche gleichen.
Das Portrait dieses Mannes wirkte durch die Linse der Kamera gar apokalyptisch und machte aufgrund dessen ein perfektes Bild für die neue Kollektion der Frau. Passender Weise nannte sie diese nämlich „Die moderne Endzeit“.
Die Frau nahm die Kamera herunter als Melnik das Klicken vernommen hatte und sie ansah. Die Zeit schien still zu stehen in diesem Moment wo ihre Blicke einander das erste Mal trafen. Sie präsentierte ihm ihr schmales Gesicht mit der leicht spitzen Nase und den verhältnismäßig großen Augen.
„Schöner Mantel.“, sagte sie zu ihm damit die Situation nicht zu peinlich angehaucht war.
Melnik hatte sich diese junge Frau schon oft ins Visier genommen und war deswegen die letzten Tage hier her auf den Oktobermarkt gekommen. Einfach nur damit er ihr eventuell auffiel.
„Ja, schöner Mantel.“, wiederholte er fast still.
08:26 Uhr am Dienstag 30.10.
Die Frau hieß Sara. Heute war der vierte Tag an dem Sie sich mit Melnik treffen wollte. Er kam seinem Ziel dadurch immer näher. Langsam ließ sie ihn immer weiter in ihr Leben hinein.
Er griff in seine Manteltasche und kramte eine Schachtel Zigaretten hervor. Sara ließ auf sich warten. Also dachte er daran noch einer dieser Teufelsstangen zu vernichten.
Er nahm die Zigarette in den Mund und knipste das Feuerzeug an. Die Luft die er durch den Tabak und die am Ende tanzende Flamme an sog war heiß. Den ersten Zug paffte er also nur. Beim Zweiten mischte sich der heiße Rauch mit der kalten Luft und füllte seine Lunge. Durch die Nase stieß er sie wieder heraus.
Ein weiteres Mal knipste Saras Kamera. Dieses Mal glich ihre Verabredung einem wilden Stier, der sogleich mit der Hufe scharren würde. Mittlerweile machte sie die Bilder ihres persönlichen Ghuls aber nicht für die Ausstellung, als mehr nur für sich.
Die Kamera sank wieder und das liebliche Gesicht kam erneut zum Vorschein. Melniks Knie wurden weich wann immer sie dies tat und er in ihre unberührte Jugendlichkeit sah. Ein Schauder lief ihm in Anbetracht der unantastbaren Schönheit den Rücken herunter, dabei waren die Beiden im gleichen Alter, knapp Mitte zwanzig.
„Gehen wir?“, fragte Sara ihn.
Ihre Stimme war zart und still. Es klang wenn sie sprach ein wenig so als würde sie heiser durch ein Rohr sprechen und ihre Lippen bewegten sich kaum. Melnik nickte ihr zu.
Daraufhin gingen die Beiden los um den vorletzten Tag des Oktobermarktes auf diesem zu verbringen, auch wenn sie dies die Tage davor genauso getan hatten. Eigentlich redeten sie kaum miteinander. Ihr Austausch fand auf einer viel mehr spirituellen Ebene statt und dennoch verstanden sie einander prächtig. Er folgte ihr während sie Fotos schoss. Natürlich verließen sie die Straße mit dem Markt auch und wagten sich in dunklere Gassen um Schnappschüsse perfekter Szenen für die Ausstellung zu ergattern.
Heute war der erste Tag an dem sie weiter gingen. Wortlos führte Sara ihre Begleitung durch die Straßen bis zu einem Atelier. In eben diesem war auch die junge Fotografin angestellt. Ihre Chefin und zwei andere Künstler waren ebenfalls vor Ort. Auch hier verstand man sich miteinander ohne miteinander zu sprechen. Simple Gesten wie das Nicken zu Begrüßung oder die Wegweisung mit dem gesamten Arm reichten aus um sich verständlich auszudrücken.
Sara schlenderte mit Melnik rechts herum. Der Weg führte an Malereien vorbei, welche von einem ihrer Kollegen angefertigt wurden. Auf ihnen waren Menschen zu sehen, obskur gezeichnet und scheinbar dabei zu sterben. Mit „Zerstöre mich“ hatte der Maler den Selbstmord von Evelyn McHale in ein völlig neues Licht gebracht.
Anstelle des verbeulten Autodaches lag sie auf einem gespannten Tuch aus Seide und ihr roter Rock und die Jacke bestanden aus den schönsten Rosen die man sich erdenken konnte. Zu ihren Füßen hatte der Künstler das Empire State Building als eine Art Dorn und von der Spitze lief das Blut der Toten. Am ersten Mai 1947 hatte sie sich von diesem in den Tod gestürzt.
Auf dem Foto, welches ein Fotografiestudent vier Minuten nach ihrem Tod geschossen hatte, sah die junge Frau aus als wäre ihr Körper absolut unberührt von der Tragödie. Die Beine waren überkreuzt, das Gesicht friedlich und ein Arm in vollkommener Ruhe angewinkelt. Viel mehr sah sie aus als würde sie schlafen.
Aber um sie herum sah man dennoch die zerstörerische Kraft die sie mit ihrem Sturz hervor gebracht hatte. Das Metall der Limousine war gebogen wie Laken die sie präsentieren wollten und Glassplitter lagen herum.
Den Berichten zur Folge fiel ihr Körper aber auseinander als man sie bewegen wollte. Die inneren Organe waren Nichts mehr als ein Haufen Brei der flüssig in den gebrochenen Knochen umher schwappte.
Den Titel hatte der Künstler bewusst gewählt. Evelyns Wunsch war es, dass ihr Körper der Öffentlichkeit und vor allem ihrer Familie nach dem Akt des Suizids vorbehalten wurde. Ihr Wunsch war nie in Erfüllung gegangen.
Sara führte Melnik weiter in Richtung ihrer Ausstellung, auch wenn alles hier ein wenig von der modernen Endzeit handelte. Fast schon wie als hätte man ihn gekrönt stand sein Bild, welches Sara zu aller Erst von ihm geschossen hatte, wie auf einem Podest an einer dünnen Wand in der Mitte des Raumes. Es war das größte Bild in ihrer gesamten Kollektion und fiel dementsprechend auf.
Nun stand das Modell, welches sich bereit erklärt hatte seine Seele für dieses Bild zu verkaufen, direkt davor. Melnik war nicht sicher ob er dies bereuen musste oder gut dabei weggekommen war.
Sein Blick fiel auf Sara, welche ihn förmlich anstarrte.
15:18 Uhr am Sonntag 04.11.
Sara öffnete die Tür für Melnik. Er durfte sie endlich zuhause besuchen. Das Hochhaus in dem sie wohnte lag genau in der Straße in welcher auch der Oktobermarkt gewesen war. Das ganze lag ungefähr einen halben Kilometer von dem Atelier entfernt in dem sie arbeitete.
Ein Hund mit schlappen Ohren kam ihm entgegen. Sara hatte kurz von diesem erzählt, ein Basset den sie Peterson nannte. Mittlerweile mochte Melnik Sara schon irgendwie, aber sein Ziel durfte er dennoch nicht aus den Augen verlieren.
„Komm rein.“, sprach ihre heisere Stimme.
Melnik tat was sie verlangte und betrat die Wohnung. Sie befand sich im sechsten Stock. Innen streichelte er Peterson, dieser wendete sich ihm aber schnell ab. Sein Interesse war schneller verschwunden als es aufgekommen war. Sara und Melnik umarmten einander nicht, irgendwie passte es nicht. Sie sahen einander nur für einen Augenblick an bevor er seinen Mantel an einen Haken hing.
„Ich mag deinen Mantel.“, sprach Sara während sie mit der Hand über das schwarze Fließ strich.
Melnik lächelte lediglich, er wusste das immerhin. Sie erwähnte es jeden Tag einmal, es war fast eine Tradition geworden. Genauso wie die plötzlichen Schwächeanfälle wenn er sie sah. Seine Knie waren sobald die Tür geöffnet war wieder am zittern gewesen.
Die Beide traten aus dem kleinen Flur nach links in eine genauso kleine Küche. Diese Wohnung war keinesfalls für zwei Personen gedacht. Es war schon unbegreiflich wie Sara mit einem Hund hier leben durfte. Sie setzte Wasser zum Kochen auf. Am Vortag, als sie sich getrennt hatten mit Wangenküssen, hatte sie ihm einen Tee versprochen. Auf dem kleinen Tisch, der an der Wand befestigt war sodass man ihn einklappen konnte, war ein Teller mit Keksen. Melnik saß auf einem Hocker an diesem Klapptisch.
Das schwache Licht der einzigen Glühbirne die den Raum erleuchtete flackerte etwas. Sara saß dem jungen Mann gegenüber und lehnte sich mit den Ellenbogen auf den Tisch um ihren Kopf abzustützen. Sie lächelte ihn an.
Melnik versank förmlich in den fast nicht normal geweiteten Pupillen. Ihre Iris war hellgrün, fast schon giftig wirkend. Als das Wasser fertig war tischte sie den Tee auf. Feinster Sencha aus Fernost, gekauft in einem edlen Teezubehörladen.
Der fast durchsichtige Dampf sammelte sich in dem freien Raum zwischen der Wasseroberfläche und dem Rand der Tasse und bündelte sich dann um leicht wie eine Feder hinauf zu tänzeln. Er beobachtete wie das Wasser in seinem gasförmigen Zustand vor Saras Gesicht hin und her schwankte und aufgrund der Atmung auch vor und zurück.
Seine Nase erfüllte ein blumiger Geruch mit einem Beisein von Apfel. Melnik wusste nicht genau was er tun sollte und vor Allem wie es weiter gehen sollte. Er bekam einfach nicht das was er von ihr wollte und noch dazu fiel es ihm immer schwieriger dies zu wollen.
Er und Sara schwiegen einander weiter an, fragten kurze Fragen die nicht von Bedeutung waren und kein längeres Gespräch entfachen würden. Es blieb zum Großteil so still wie immer. Dennoch verstanden sie einander fast perfekt.
19:24 Uhr am Mittwoch 21.11.
Melnik griff in seine Tasche und kramte nervös seine Zigaretten hervor. Zitterig steckte er sich eine in den Mund, was nicht bloß aufgrund der Kälte so war. Den ersten Zug paffte er, der zweite wärmte ihn wieder von innen.
Melnik stand an einer Busstation, grundlos und auf Nichts wartend. Ihm gegenüber war die Straße in der Sara wohnte. Bald war ein Monat verstrichen und er hatte es immer noch nicht geschafft. Die erste Zigarette war schnell dahin, eine nächste folgte sogleich. Die Leute mieden ihn, seine Ausstrahlung beunruhigte sie. Um Melnik war ein relativ großer Bogen entstanden. Als er die dritte Zigarette aus der Schachtel entnahm stoppte er kurz. Zum Kettenraucher wollte er eigentlich nicht werden, auch wenn er nicht wirklich viel Angst um seine Gesundheit hatte. Der Gedanke an Sara ließ ihn aber erschaudern und er knipste sein Feuerzeug erneut an. Dieses Mal sog er sogar die gesamte Hitze des ersten Zuges in sich hinein und spürte wie die Spitze seiner Zunge fast verbrannte. Schnell blies er den Rauch wieder in die Luft.
Heute musste es geschehen, er musste endlich Alles in Taten umsetzen was er sich vorgenommen hatte. Es war genug Zeit verstrichen, zu viel sogar. Sein Ziel lag zum Greifen nah, die ganze Zeit schon. Aber er hatte ja warten müssen und wollte, dass sie es aus sich raus lässt, dass sie ihm gibt was er von ihr brauchte! Die Geduld die er gezeigt hatte plagte ihn nun und die Nähe die er zu ihr aufgebaut hatte stand all dem im Weg. Doch es gab kein Entrinnen, dem musste er sich stellen oder die Konsequenzen mit sich selbst ausfechten. So oder so konnte es für einen von ihnen nicht enden, warum sollte er dann also nicht alles zu seinem Vorteil machen?
Melnik trabte los, einfach über die Straße hinweg. Hupende Autos bremsten scharf oder wichen aus, andere ignorierten ihn einfach und fuhren weiter auf ihn zu. Keiner erwischte den Draufgänger und es passierte auch Niemandem etwas. Es war als würde eine seltsame Macht ihn schützen und leiten. Doch kein Schutzengel hätte ihn dort hingebracht, nicht unter diesen Umständen. Widerwillig setzte Melnik einen Fuß vor den anderen und warf den Stummel seiner Kippe beiseite. Das Haus in dem Sara saß und gerade vielleicht zu Abend aß war nur wenige Meter entfernt.
Entschlossen betrat er das Gebäude durch die Glastüren. Die Fliesen an den Wänden und auf dem Boden waren im Erdgeschoss als auch sonst überall eingerissen und der gesamte Zustand dieser Örtlichkeit ließ zu Wünschen übrig. Mit Graffiti hatte man hässliche Schriften an die Wand gesetzt, Zahlen, Buchstaben und Pseudonyme derer die sich trauten sich ein solches zu geben. Das Ansehen unter Kollegen der Straßenbanden war dann natürlich gesteigert und man nannte sich im Augenschein von Gegnern krass, wenn nicht sogar am krassesten. Im Treppenhaus roch es nach Urin und die Neonröhren flackerten wie die Glühbirne in Saras Küche.
Melnik nutzte den engen Aufzug, welcher nach jedem erreichten Stockwerk einmal polterte. Die Türen musste man selbstständig öffnen und schließen, was diesen Schauort zu einem beliebten Ort für Selbstmorde machte. An den Scharnieren und der Seite einer Tür klebte sogar noch etwas angetrocknetes Blut. In einer Ecke lag ein volles Kondom herum, zusammengeknotet natürlich. An den Holzwänden waren billige Nachrichten mit den Handy oder Wohnungsnummern der ansässigen Huren. Schmutzige und vergeblich lustige Sprüche waren neben Zeichnungen von Penissen hier zu finden. Der Spiegel an der Wand gegenüber der Türen war zerkratzt und ein paar Risse zogen von einem kleinen Punkt in der Ecke über ihn.
Mit einem starken Ruckeln blieb der Aufzug im sechsten Stockwerk stehen und Melnik trat heraus. Über eine weitere Tür gelang er aus dem Treppenhaus in einen langen Gang. Der Teppich hier war rot und an einigen Stellen dunkler. Die Tapete war teils von den Wänden gezogen oder bekritzelt.
Die erste Wohnung hatte keine Tür. Man konnte durch den kurzen Flur hinein sehen, direkt in die Mitte des Schlafzimmers wo eine Matratze lag. Bei seinem diesmaligen Besuch war die wohnhafte Frau gerade nicht am Arbeiten wie sie es sonst immer mal tat.
Im Türrahmen der nächsten Wohnung stand eine rauchende Diva mit langem Glimmstängel. Sie war dünn, blass, hatte volle Lippen und einen Leberfleck neben dem Auge, wobei das auch die übertrieben aufgetragene Schminke sein konnte. Ein flauschiger Schal lag über ihre Schultern. Eine Matratze lag an die Wand gelehnt in dem Flur und ein dickerer Typ saß hinter einem Tisch in dem nächsten Türrahmen.
„Brauchste Stoff?“, fragte er mit kratziger Stimme als Melnik vorbei ging.
Die nächste Wohnung gehörte Sara, schnell eilte er zu der Tür und klopfte an. Melnik stellte sich so vor die Tür, dass sie ihn durch den Spion sehen konnte. Kurze Zeit später hörte man wie sie den Schlüssel im Schloss der Tür drehte und schon ließ sie ihn herein.
Als sie ihm öffnete betrat er schnell die Wohnung. Für ihn war es kaum verständlich wie eine solche Blüte wie sie in einer solchen Mülldeponie hauste. Wieder sahen sie einander an, wortlos und sie lächelte. Melnik brachte es nicht über das Herz, sein Ziel musste noch etwas länger warten.
16:32 Uhr am Dienstag 27.11.
Melnik saß wieder bei Sara in der Wohnung. Nun war es schon einen ganzen Monat her seit er sie das erste Mal getroffen hatte. Sie saß vor ihm und lächelte wieder mit großen Augen. Ein weiteres Mal beobachteten sie sich nur. Sein Herz schlug stark und es fiel ihm fast schwer zu atmen. Melnik hatte schnell festgestellt, dass Sara mehr als einen Antagonisten in seiner Geschichte darstellte. Sie war in sein Leben getreten und wurde zu einem Schlüsselcharakter. Sie war dabei ihn zu verändern und das war das Schlechteste was passierte.
Der gesamte Prozess hielt sich daran auf, dass er sich an ihr aufhielt. Es durfte so nicht weiter gehen, er musste dem Ganzen ein Ende setzen. Der Wasserkocher war fertig, der Schalter klackte um und es war aus. Die Wortlosigkeit gefielt Melnik eigentlich. Sara stand auf um die Tassen zu befüllen. Er wartete einen Augenblick bevor er etwas tat.
„Wir müssen sprechen. Richtig reden, miteinander.“, sagte der junge Mann zu Sara.
Diese blieb einen Moment ruhig und bewegte sich kein Stück, es war als hätten diese Worte in ihr unglaubliche Gefühle geweckt. Ihre Ausstrahlung war mit einem Mal düster und nicht mehr so reizend wie zuvor. Mit einem Mal war Melnik ganz wohl dabei sich von ihr zu distanzieren.
So zierlich wie sie war war es auch leicht ihre Schale und vor allem sie zu brechen.
„Warum tust du mir das an?“, Sara klang leicht weinerlich.
Der junge Mann bekam es ein Stück weit mit der Angst zu tun. Er stand auf und ging in den Flur während sie noch dort stand. Ein wenig drehte sie sich weg, sodass ihm ihr Rücken zugewandt war. Melnik zog sich seinen Mantel an und griff zu einer versteckten Innentasche.
„Teufel schickt mich.“, erklärte er.
Es war wieder still. Langsam drehte Sara ihren Kopf zu ihm. Ihr Hals streckte sich leicht und verrenkte sich sogar so sehr, dass sie geradewegs über ihre Schulter blicken konnte. Ihre Augen waren aufgerissen und wirkten deshalb um einiges größer als normal. Die Wangenknochen waren angespannt, sie biss sich auf die Zähne. Es sah ein wenig so aus als würde ihr Gesicht langsam faltig werden. Die Arme und jeder einzelner Finger war ausgestreckt.
Während Sara sich langsam umdrehte und Melnik mit ihrem Blick fast durchbohrte wuchsen ihre Gliedmaßen und sie knallte mit dem Rücken gegen die Decke. Auch ihr Hals war in eine unermessliche Länge gewachsen und die glatten Haare fielen an dem angespannten Gesicht vorbei in die Lehre. Mit sehr langsamen Bewegungen streckte sie die dürren Finger nach Melnik aus um ihn zu greifen. Sara war wütend und traurig. Sie hatte diesem Mann vertraut und er hatte das ausgenutzt. Das sollte er zu spüren kriegen, doch aus irgendeinem Grund wollte sie ihm aber auch nicht schaden. Sie atmete schwer während ihre Haut immer mehr auf Spannung geriet und die Knochen in die Länge wuchsen. Ihre Muskeln zerrten sich und sie wurde immer dürrer.
Das war sein Ziel, Melnik hielt noch etwas inne. Er musste es tun, das war der Deal damals. Er lebt in seinem Schutz und jagt dafür die Dämonen die ihn einst heimgesucht haben.
Aus der Innentasche zog der junge Mann eine Schusswaffe und richtete sie auf Saras Kopf.
„Warum tust du mir das an?“, wiederholte sie mit ihrer Stimme. Doch dahinter hallte noch eine weitere Stimme, grausig anzuhören. Sie kratzte an der zarten und drang durch die Risse hervor, fast unverständlich. Melnik drückte ab und eine Kugel bohrte sich durch Saras Kopf.
Die Patrone blieb in Diesem stecken und Sara taumelte sofort leblos zurück. Ihr Körper hörte schlagartig auf zu wachsen und regte sich nicht ein Stück. Der junge Mann machte kehrt und steckte sich eine Zigarette an, jetzt konnte sie ja nichts mehr dazu sagen. Peterson tippelte von der Seite an. Ihm tat der Hund leid, also beugte er sich zu ihm nieder und begann den Kopf zu streicheln.
So war der Deal.
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Big Time Uff
Hat das Thema aus dem Forum Sammlungen nach Bibliothek verschoben.