Kurz und schmerzlos
Mein Schreibstil identifiziert sich meistens dadurch, dass ich relativ kurze prägnante Texte schreibe. Geschrieben habe ich irgendwie schon immer, begonnen mit Romanen, die ich nach mehreren Kapiteln dann doch, wieso auch immer, verworfen habe. Damit ich nie wieder einen Text verwerfen werde, versuche ich jetzt möglichst kurze Texte zu perfektionieren und ihnen meinen persönlichen aussagekräftigen Touch zu geben.
Ich schreibe Texte nicht nur der Gestaltung wegen, manchmal gefallen mir die Inhalte so sehr, dass ich auch einen Prosatext mit großen Freuden hier veröffentlichen kann.
Disclaimer: Falls hier mal ein sensibler Text veröffentlich werden sollte, entspringt dieser rein meiner Fantasie und hat wahrscheinlich absolut nichts mit meiner Persönlichkeit zutun.
Meine favorisierten Werke habe ich für interessierte Leser mit einem Band der Schönheit gekennzeichnet.
#01
Prosa: Reizüberflutung (Kurzbeschreibung) |
Ich liege da, im Warmen. Es ist völlig lautlos um mich herum und ohne einen Moment ans Nachdenken zu verlieren, laufe ich dem Horizont entgegen. Ich spüre eine Veränderung, ein Kribbeln verbreitet sich in meinem Körper. Ich versuche einen weiteren Atemzug zu nehmen. Doch es geht nicht. Mein Körper wird schwerer und ich sinke herab. Eine ruhige Panik macht sich bemerkbar. Ich öffne meine Augen. Es ist schwarz. |
#02
Gedicht: Wie es ist zu schweben (Kurzbeschreibung) |
Ein weiterer Atemzug. Meine Lungen, voll von nichts. Ich schwebe in Gedanken Und mein Kopf denkt nur an dich. Schweb' vorbei an weißen Zwergen, Ziemlich weit entfernt von dir. Weiß nicht: Was soll ich noch denken? Spiel' für mich doch am Klavier. Hab die Melodie im Kopf, Werd' von keinem Lärm gestört. Wieso bist du nicht bei mir? Wieso hab' ich nichts gehört? Und der nächste Atemzug. Meine Lungen machen dicht. Und ich blicke tief ins Licht. Wieso spüre ich es nicht? Wieso macht es keinen Sinn? Warum weiß ich nicht wohin? Warum schweb' ich nur umher? Warum sehe ich nicht mehr? Doch jetzt fang' ich an zu spüren. Um mein Herz wird mir ganz warm. Und ich denke nur an dich. Mein letzter Herzschlag ist getan. Ja, jetzt bin ich gar nicht mehr. Nein, ich wusste nicht woher Ich all die Kräfte nehmen sollte Dich noch einmal anzusehen... |
#03
Drehbuch: Einmal vegetarischen Auflauf, bitte |
Milan: Klara, du müsstest es doch am besten wissen. Ohne sie läuft in meinem Leben nichts mehr, absolut nichts. Ich weiß nicht mal, ob ich es dann noch Leben nennen würde.
Klara: Aber du willst mir jetzt nicht weismachen, dass sie dir wichtiger ist als ich, oder? Milan: Nein, niemals. Ich doch nicht. Es ist nur so... weißt du... Ich glaube es ist eine Art Sucht, eine Abhängigkeit. Klara: Und weil du von ihr abhängig bist, soll ich mir jetzt unseren gemeinsamen Abend zerstören lassen? Milan den Rücken zu ihr drehend: Nein... Klara : Mein Schatz, ich stehe jetzt seit über einer Stunde in der Küche, um dir einen gesunden vegetarischen Auflauf zu kochen, der noch irgendwie essbar ist und du könntest mir mal etwas entgegenkommen und für diesen einen Abend auf deine blöde Tüte Gummibärchen verzichten. Milan: Aber... Klara unterbricht ihn: Und jetzt würde ich mich sehr freuen, wenn du schon mal den Tisch deckst. „Und wie hätte es anders sein können, Milan deckte den Tisch, wie gebeten, und versuchte den ganzen restlichen Abend ihr zuliebe kein einziges Wort mehr über seine tägliche Tüte Colafläschen zu verlieren.“ |
#04
Gedicht: Am Ende des Weges im Wald |
Man sagt, es sei am Ende des Weges im Wald Nichts, nur dunkel, windig und kalt Auch am helllichten Tag dunkel und leer Die Uhurufe sind alleine zu hören Und Menschen hört man schon lang nicht mehr Da erscheinen zwei Gestalten in des Gerüchtes Taverne Die Erste berichtet, sie besuchte die Ferne Des Waldes Ende hat sie gesehen Vor Schauer und Schock blieb sie fern davon stehen Der Zweite, ganz stolz und mit kräftiger Stimme: Er war ganz am Ende und besiegte die schlimme Angst, die alle fernhielt von dort Es war schrecklich und grässlich, Doch er lebte noch Hansi, ein Stammgast, trat durch die Tür Sagte den Beiden, sie könnten nichts dafür Eigentlich stand dort sein Haus im Sonnenschein Eine Lichtung war am Ende des Weges im Wald Und die Beiden waren doch nicht, was sie versuchten zu sein |
#05
Drabble: Versteckspiel |
Versteckend hinter Bäumen und hoffend nicht gefunden zu werden. Solche Momente stelle ich mir gerne vor, wenn ich an meine Kindheit zurückdenke. Aber was hat sich daran denn geändert? Was unterscheidet mich von meiner kleinen, kindlichen und unerfahrenen Version? Die Bäume. Ich sah lange Zeit den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich habe nicht gemerkt, dass ich selbst nur Teil eines Schauspiels war. Ich spielte mich selbst, ohne zu erkennen, wer ich wirklich bin. Ich habe mich versteckt vor der Realität, versteckt vor der Gemeinschaft und den anderen Menschen. Ich möchte gefunden werden, gefunden von den Menschen, die mich suchten. |
#06
Elfchen: Atemlos |
Schnappend Nach Luft In der Nichtigkeit Ich weiß nicht weiter Stille |
#07
Kurzgeschichte: Rot wie ein überteuerter Mac-Lippenstift |
Es war einmal, vor nicht allzu langer Zeit, da saß die Geschäftsführerin eines DAX-Unternehmens auf dem Fensterbrett in ihrem Büro und betrachtete die herunterfallenden Schneeflocken. Und wie sie einige Momente darauf ihr iPhone X aus der rechten Hosentasche zog und die fallenden Aktienkurse ihres Unternehmens betrachtete, dachte sie sich: „Ach, hätte ich doch bloß eine Mitarbeiterin, so rot wie überteuerte Mac-Lippenstifte und so schwarz wie meine Echtleder-Gucci-Handtasche. Bestenfalls sollte ihre Haut noch so weiß sein, wie der Schnee, der vor unserem Bürogebäude hinabfällt. Oh man und wenn sie dann nicht nur die anderen männlichen Mitarbeiter zu höherer Produktivität motiviert, sondern selbst auch ordentliche Arbeit leistet, dann wäre das ein Traum.
Als hätte sie der christliche Gott, an den sie eigentlich nicht glaubt, erhört, meldete sich wenige Arbeitstage später die Personalabteilung bei ihr und überbrachte ihr die Nachricht, dass eine gewisse Chantal Biele soeben für ein Vorstellungsgespräch eingetroffen war und sie soll die vielversprechendste Bewerberin seit Gründung des Unternehmens gewesen sein. Die Geschäftsführerin freute sich, doch diese Freude sollte nicht langwierig sein. Am selben Tag als Chantal eingestellt werden sollte, setzte auch der Aufsichtsrat des Unternehmens eine Besprechung an. Das Ergebnis dieser Besprechung war die Entlassung der aktuellen Geschäftsführerin, welche somit nicht mal einen Tag die Anwesenheit ihrer neuen Traum-Mitarbeiterin genießen konnte.
Schon wenige Tage danach wurde die neue Geschäftsführerin in ihr Amt erhoben. Manche glaubten, sie wäre ein erster kleiner Hoffnungsschimmer für das Unternehmen, doch bei genauerem Betrachten konnte man ihre Selbstverliebtheit und Arroganz erkennen. Sie legte einen großen Wert auf ihr Instagram-Profil und schien sich damit zu identifizieren.
Sie setzte sich also an ihren explizit geforderten 19.000€ iMac Pro und besuchte Instagram, während sie mit sich selbst sprach:
„Wie viele Follower habe ich wohl heute dazubekommen? 103.000 Follower mehr, 129 Millionen sind es jetzt also. Ich bin eben einfach die charismatischste und attraktivste Frau auf der Welt. Und bald werde ich auch mehr Follower haben, als der Möchtegern-Kindermagnet Cristiano Ronaldo.“
Etwa 251 Werktage später, Chantal hatte sich inzwischen als Kollegin einen ausgezeichneten Ruf gemacht, stieß die neue Geschäftsführerin bei ihrer stündlichen Instagram-Tour an ihrem iMac Pro auf das Instagram-Profil der jungen, attraktiven und auch beliebten Chantal. Sie sah Bilder, die ihre Lippen, rot wie überteuerte Mac-Lippenstifte, ihre Haare, so schwarz wie die Echtleder-Louis Vitton-Handtasche auf einem ihrer Bilder und ihre schneeweiße Haut zeigten:
„Wie viele Follower habe ich wohl heute dazubekommen? 51.000 Follower mehr, 148 Millionen sind es jetzt also. Ich bin eben einfach die charismatischste und attraktivste Frau auf der Welt. Warte! In den Vorschlägen, das ist doch Chantals Profil! Das Profil wurde vor 3 Wochen erstellt und sie hat jetzt schon 39 Millionen Follower. Wie hat sie das geschafft?!“
Und ihr Kopf ist so rot geworden, er hätte glatt für die Herstellung einer Flasche Ketchup herhalten können. Die eifersüchtige Geschäftsführerin besuchte von diesem Tag an, während ihrer stündlichen Tour, nicht nur ihr eigenes Instagram-Profil, sondern auch das der jungen Chantal und mit jedem weiteren Follower dieser, wuchs auch der Hass der Geschäftsführerin auf die junge, engagierte Mitarbeiterin. Sie wandte sich wenige Tage darauf an ihren vertrauten IT-Bereichsleiter und bat diesen ein gewisses Instagram-Profil zu hacken, alle Bilder durch Beleidigungen und skandalöse Medien zu ersetzen und das Anmelden anderer zu verhindern. Der Computertechniker merkte schnell, dass dieses Konto der beliebten Chantal gehörte und konnte bei diesem schönen Anblick keine einzige Beleidigung über seine Tastatur bringen. Er entschied sich, er würde nur den Benutzernamen ändern, Chantal könnte sich dennoch mit ihrer E-mailadresse anmelden, und der Geschäftsführerin wird er sagen, er hätte ihr Konto gelöscht und damit alles in seinen Möglichkeiten stehende versucht.
Es vergingen erneut einige Wochen, bis die eifersüchtige Geschäftsführerin den Betrugsversuch ihres IT-Spezialisten bemerkte, da sie das Instagram-Profil mit dem neuen Benutzernamen durch Zufall entdeckt hatte. Das neuste Bild zeigte Chantal im Büro und so nutzte die Geschäftsführerin dies als Grund für eine fristlose Kündigung der jungen Schönheit. Die Gerüchte über die bekannte Influenzerin brauchten nicht lange, um sich in den größten deutschen Firmen zu verbreiten. Die nun arbeitslose Chantal schrieb hunderte Bewerbungen im deutschen Raum, bekam jedoch Absagen durch und durch, da niemand seine Firma in ein so schlechtes Licht stellen wollte.
Chantal Biele sah sich gezwungen in die USA zu ziehen und bewarb sich diesmal, mit neu errungener Motivation, nicht schriftlich, sondern wollte direkt im offiziellen Firmensitz vorbeischauen. Die Firma war mit sieben eingetragenen Mitarbeitern sehr klein, doch als Chantal das Gebäude betrat, begrüßte sie eine viel intensivere Leere als erwartet. Sie setzte sich im Übereifer an einen der sieben Bürotische und wollte dort still warten, bis einer der Mitarbeiter erscheinen würde. Die Materialien, die teilweise offen einsehbar waren, packten die junge Dame mit der Zeit jedoch und so durchsuchte sie die Schubladen der anderen Tische nach Papierblock und Stift. Die Firma schien sich mit Aktienkursen zu beschäftigen und andere Firmen zu beraten, sowie mit Anteilen zu handeln. Chantal, die auch bei der vorherigen Firma schon mit Aktienkursen in Berührung kam, wollte diese Situation nutzen und der neuen Firma beweisen, wie hilfreich und produktiv sie sein kann.
Nach einigen Stunden wohlgetaner Arbeit machte sich Chantal vor Einbruch der Dunkelheit auf und wollte sich in ihrer neuen amerikanischen Wohnung etwas Ruhe gönnen. Sie ließ ihre Visitenkarte auf einem der Schreibtische liegen und fuhr mit ihrem geleasten VW Polo nach Hause.
Ein wenig später traten die sieben Mitarbeiter aus einem Konferenzraum in ihr Büro. Sie schalteten das Licht an und brauchten nicht lange um zu bemerken, dass irgendjemand in ihrem Büro gewesen war. Der erste sprach: „Wer hat in meinen Unterlagen gewühlt?“ Der zweite: „Wer hat meinen Computer-Bildschirm verdreht?“ Der dritte: „Wer hat mit meinem Stift geschrieben?“ Der vierte: „Wer hat auf meinen Notizblock gekritzelt?“ Der fünfte: „Wer hat meinen Bürotisch verschoben?“ Der sechste: „Wer hat meinen Bilderrahmen verstellt?“ Der siebente: „Wer hat meinen kalten Kaffee getrunken?“ Dann sah sich der erste um und bemerkte beim Untersuchen seines Stuhls, dass er nach Frauenpärfum roch und fragte: „Wer hat auf meinem Stuhl gesessen?“ Die anderen kamen gelaufen und bestätigten, dass ihre Stühle ebenfalls nach Frauenparfüm rochen. Nur der siebente, der wurde auf etwas weiteres aufmerksam. Auf seinem Tisch lag eine Visitenkarte einer gewissen Chantal Biele. Das auf dieser Visitenkarte abgedruckte Porträt zeigte ihr unglaublich schönes Gesicht, ihre Lippen und ihre Haare, so besonders, wie sie nun eben mal waren. Von unglaublicher Begeisterung bewegt, entschieden sich die sieben Mitarbeiter Chantal Biele trotzdem erst am nächsten Morgen anzurufen, damit sie nicht bei ihrem Schlaf gestört werden würde. Als es Morgen war, erwachte Chantal und wartete nicht lange, bis sie den wohl wichtigsten Anruf ihres bisherigen Lebens entgegennahm: „Guten Tag, die Firma mit den sieben Mitarbeitern, die sie gestern überraschend besuchten.“ - „Guten Tag, ich hoffe sie können mir mein plötzliches Eingreifen in ihr Material verzeihen.“, antwortete sie. „Wie hast du zu uns gefunden?“ sprachen die Mitarbeiter weiter. Da erzählte Chantal ihnen von der Geschäftsführerin, die sie hacken lassen wollte und folgend einen Grund suchte, um sie feuern zu lassen, und sie wäre daraufhin bis nach Amerika gezogen, um eine neue Arbeitsstelle finden zu können. Da sagten die Mitarbeiter: „Willst du dich in unserer Firma engagieren, uns versorgen, präsentieren, recherchieren und immer alles ordentlich und reinlich halten, dann wirst du bei uns eingestellt und sollst immer eine tolle Arbeit haben, die nicht schlecht bezahlt wird.“ - „Jaaa!“, sagte Chantal Biele und arbeitete von diesem Tag an in der Firma der sieben Mitarbeiter. Die ehemalige Geschäftsführerin der jungen Schönheit konnte sich dennoch nicht von Chantals Instagram-Profil abwenden und hat wieder einmal die Follower der beiden an ihrem iMac Pro vergleichen wollen:
„Wie viele Follower habe ich wohl heute dazubekommen? 35.000 Follower mehr, 155 Millionen sind es jetzt also. Ich bin eben einfach die charismatischste und attraktivste Frau auf der Welt. Warte! Chantal hat jetzt schon 159 Millionen Follower. Wie hat sie das geschafft?!“
Und in diesem Moment realisierte sie nicht nur, dass Chantal deutlich beliebter war, sondern auch, dass sie in Amerika sowohl eine größere Fangemeinde, als auch einen besseren Job finden konnte. „Nun aber“, sagte sie, „werde ich mir irgendwas einfallen lassen, das sie zerstören muss!“ und kombinierte alle ihre angelernten Kompetenzen, um letztendlich einen Plan auszuführen, der Chantals Beliebtheit, eingeschlossen ihres Instagram-Profils, zerstören sollte. Sie recherchierte nach aktuellen Phishing-Seiten im Internet, die besonders auf Instagram ihre Runden machten und wollte im nächsten Schritt versuchen diesen Link an Chantal zu senden. Sie fand also einen Link, der sehr überzeugend aussah und erstellte sich einen Fake-Account auf Instagram, mit dem sie Chantal daraufhin kontaktierte. „Hallo Chantal, ich verfolge schon länger dein Profil und wollte dich gerne fragen, was ich an meinen Beiträgen verbessern kann, um so erfolgreich zu werden wie du. Hier einer meiner Beiträge“, schrieb die Geschäftsführerin ihrer inoffiziellen Konkurrentin und wartete nicht lange auf die Antwort. „Hallo Lydie, ich konnte mich leider irgendwie nicht über deinen Link anmelden, aber grundsätzlich solltest du einfach immer du selbst bleiben und die Hashtags nutzen, die zu dir passen. Liebe Grüße, Chantal“, schrieb sie, als wäre es selbstverständlich jedem seiner Follower persönlich zu antworten. Nur wenige Minuten später freute sich die Geschäftsführerin bereits, da Chantals Profil nicht mehr erreichbar war. Sie erhoffte sich noch viel mehr von der Phishing-Seite und wartete die nächsten Stunden gespannt ab. Zum Glück folgten auch die sieben Mitarbeiter der jungen Schönheit bereits auf Instagram und bemerkten noch am selben Tag die nahende Katastrophe, sprachen Chantal darauf an und konnten letztlich zusammen mit Chantals Informationen und ihren eigenen Computer-Kenntnissen das Profil wiederherstellen. Die Geschäftsführerin, die sich in ihrer Selbstverliebtheit einmal mehr bestätigen wollte, schaute, in der Hoffnung weitere schlimme Dinge seien geschehen, nach Chantals Instagram-Profil und sah erschrocken, dass es nun ohne jegliche negative Auswirkungen verfügbar war und auch schon neue Bilder von ihr veröffentlicht wurden. Der Vergleich der Follower erzürnte sie:
„Wie viele Follower habe ich wohl heute dazubekommen? Keinen einzigen, es sind 2000 weniger Follower geworden. Chantals Profil ist bereits auf 165 Millionen gestiegen. UNGLAUBLICH!“
Sie musste sich so stark wie nur möglich ihrem Temperament entgegenstellen, um nicht viel mehr als ihren Aktenordner vom Schreibtisch zu stoßen. Sie gab es auf. Für einen kurzen Moment, vielleicht auch einige Tage, gab sie es auf die schönste Frau der Welt zu beneiden und attraktiver sein zu wollen, als diese je sein könnte. Die nächsten Tage und Wochen entwickelte sie Hass auf eine ganz neue Frau. Eine so gebildete Frau, eine erfolgreiche Geschäftsführerin eben, musste Nachrichten lesen und da stolperte sie über einen Artikel, der über eine so schöne und beliebte andere Geschäftsführerin schrieb, dass sie sich nicht zügeln konnte. Sie recherchierte, nahm sich die Frau als neue Konkurrentin und wollte herausfinden, wer diese so von den Medien vergötterte Frau sein soll. Das alles zog sich, bis sie in einem Artikel am Ende des darauffolgenden Jahres das Instagram-Profil der Geschäftsführerin fand, die ein kleines Unternehmen an die wirtschaftliche Spitze Amerikas geführt haben soll. „Chantal Biele, Geschäftsführerin und Mensch“, laß sie ihre „Biografie“ auf Instagram. Angeekelt von Chantals Bodenständigkeit, ihrer Schönheit, ihrer Beliebtheit, began die Geschäftsführerin jedes einzelne Dokument im Bürogebäude wie ein maschineller Aktenvernichter zu zerkleinern, bis ihre Fingernägel abbrachen, sodass sie nicht mehr nachwachsen konnten und die Blasen an ihren Fingern Schmerzen verursachten, die auch der Hass auf Chantal nie übertreffen konnte.
#08
(abstraktes) Gedicht: In einer Nacht |
In einer Nacht können sich Welten verschieben, wie Steine zum Sand. Und meine Perspektive schwebt von innen nach außen, von der Mitte zum Rand, wie ein Schloss aus Wolken. Und auch wenn wir das nicht wollten, so glitten unsere Ansichten aneinander vorbei wie zwei Kometen im Nichts der Zeit. Und kein Ort fühlt sich mehr an, als wäre er geborgen oder sicherer als die Zuflucht im Nirgendwo. Und irgendwo fang ich an zu suchen, nach einem Raum voll Licht, der mehr strahlt als ich. Ich suche nach einem Sinn, den ich fühlen will, in jeder Sekunde meiner Existenz. Ich möchte leben und irgendwann nicht mehr, Zufriedenheit über mich ergehen lassen müssen und Unglücklichkeit genießen. Ich will Steine gießen, Pflanzen werfen und mich selbst nie verlieren. In einer Nacht, die viel mehr sein kann als das, sei die Unendlichkeit nur ein Tropfen auf das Heiß. In dieser Nacht ist der Abschied viel mehr als es heißt ein Abschied zu sein. Und kein Abschied wäre ein Leben ohne Tag. |