Willkommen zum dritten Vote der Wettbewerbssaison 2019!
Beim Voting könnt ihr den einzelnen Abgaben zwischen 1 (nicht gut) und 10 (sehr gut) Punkte vergeben. Dabei sind auch halbe Punkte (wie 2.5) möglich. Wichtig ist dabei, dass ihr alle Abgaben bewertet. Da der Wettbewerb anonym ist, vergeben Teilnehmer beim Voten Punkte an alle Abgaben - auch an die eigene. Diese werden bei der Auswertung nicht beachtet. Stattdessen erhaltet Teilnehmer einen Punkteausgleich für ihre Unterstützung. Begründungen sind nicht verpflichtend.
Der Vote läuft bis zum Sonntag, den 28. April 2019, um 23:59 Uhr.
Verwendet bitte folgende Schablone für den Vote:
Abgabe 01: xx/10
Abgabe 02: xx/10
Abgabe 03: xx/10
Abgabe 04: xx/10
Abgabe 05: xx/10
Abgabe 06: xx/10
Zitat von AufgabenstellungEs war einmal in einem weitentfernten Land eine Aufgabenstellung, die da hieß: nehme ein allgemein-bekanntes Märchen und verfremde dies. Dabei ist es euch freigestellt, ob es aus seiner Zeit gerissen wird, aus einem anderen Blickwinkel geschrieben ist oder alles außer der Grundidee geändert wurde. Wichtig ist nur, dass das Ausgangsmärchen noch erkennbar ist.
Es war einmal, vor nicht allzu langer Zeit, da saß die
Geschäftsführerin eines DAX-Unternehmens auf dem Fensterbrett in
ihrem Büro und betrachtete die herunterfallenden Schneeflocken. Und
wie sie einige Momente darauf ihr iPhone X aus der rechten
Hosentasche zog und die fallenden Aktienkurse ihres Unternehmens
betrachtete, dachte sie sich: „Ach, hätte ich doch bloß eine
Mitarbeiterin, so rot wie überteuerte Mac-Lippenstifte und so
schwarz wie meine Echtleder-Gucci-Handtasche. Bestenfalls sollte ihre
Haut noch so weiß sein, wie der Schnee, der vor unserem Bürogebäude
hinabfällt. Oh man und wenn sie dann nicht nur die anderen
männlichen Mitarbeiter zu höherer Produktivität motiviert, sondern
selbst auch ordentliche Arbeit leistet, dann wäre das ein Traum.
Als hätte sie der
christliche Gott, an den sie eigentlich nicht glaubt, erhört,
meldete sich wenige Arbeitstage später die Personalabteilung bei ihr
und überbrachte ihr die Nachricht, dass eine gewisse Chantal Biele
soeben für ein Vorstellungsgespräch eingetroffen war und sie soll
die vielversprechendste Bewerberin seit Gründung des Unternehmens
gewesen sein. Die Geschäftsführerin freute sich, doch diese Freude
sollte nicht langwierig sein. Am selben Tag als Chantal eingestellt
werden sollte, setzte auch der Aufsichtsrat des Unternehmens eine
Besprechung an. Das Ergebnis dieser Besprechung war die Entlassung
der aktuellen Geschäftsführerin, welche somit nicht mal einen Tag
die Anwesenheit ihrer neuen Traum-Mitarbeiterin genießen konnte.
Schon wenige Tage
danach wurde die neue Geschäftsführerin in ihr Amt erhoben. Manche
glaubten, sie wäre ein erster kleiner Hoffnungsschimmer für das
Unternehmen, doch bei genauerem Betrachten konnte man ihre
Selbstverliebtheit und Arroganz erkennen. Sie legte einen großen
Wert auf ihr Instagram-Profil und schien sich damit zu
identifizieren.
Sie setzte sich also
an ihren explizit geforderten 19.000€ iMac Pro und besuchte
Instagram, während sie mit sich selbst sprach:
„Wie viele
Follower habe ich wohl heute dazubekommen? 103.000 Follower mehr, 129
Millionen sind es jetzt also. Ich bin eben einfach die
charismatischste und attraktivste Frau auf der Welt. Und bald werde
ich auch mehr Follower haben, als der Möchtegern-Kindermagnet
Cristiano Ronaldo.“
Etwa 251 Werktage
später, Chantal hatte sich inzwischen als Kollegin einen
ausgezeichneten Ruf gemacht, stieß die neue Geschäftsführerin bei
ihrer stündlichen Instagram-Tour an ihrem iMac Pro auf das
Instagram-Profil der jungen, attraktiven und auch beliebten Chantal.
Sie sah Bilder, die ihre Lippen, rot wie überteuerte
Mac-Lippenstifte, ihre Haare, so schwarz wie die Echtleder-Louis
Vitton-Handtasche auf einem ihrer Bilder und ihre schneeweiße Haut
zeigten:
„Wie viele
Follower habe ich wohl heute dazubekommen? 51.000 Follower mehr, 148
Millionen sind es jetzt also. Ich bin eben einfach die
charismatischste und attraktivste Frau auf der Welt. Warte! In den
Vorschlägen, das ist doch Chantals Profil! Das Profil wurde vor 3
Wochen erstellt und sie hat jetzt schon 39 Millionen Follower. Wie
hat sie das geschafft?!“
Und ihr Kopf ist so
rot geworden, er hätte glatt für die Herstellung einer Flasche
Ketchup herhalten können. Die eifersüchtige Geschäftsführerin
besuchte von diesem Tag an, während ihrer stündlichen Tour, nicht
nur ihr eigenes Instagram-Profil, sondern auch das der jungen Chantal
und mit jedem weiteren Follower dieser, wuchs auch der Hass der
Geschäftsführerin auf die junge, engagierte Mitarbeiterin. Sie
wandte sich wenige Tage darauf an ihren vertrauten IT-Bereichsleiter
und bat diesen ein gewisses Instagram-Profil zu hacken, alle Bilder
durch Beleidigungen und skandalöse Medien zu ersetzen und das
Anmelden anderer zu verhindern. Der Computertechniker merkte schnell,
dass dieses Konto der beliebten Chantal gehörte und konnte bei
diesem schönen Anblick keine einzige Beleidigung über seine
Tastatur bringen. Er entschied sich, er würde nur den Benutzernamen
ändern, Chantal könnte sich dennoch mit ihrer E-mailadresse
anmelden, und der Geschäftsführerin wird er sagen, er hätte ihr
Konto gelöscht und damit alles in seinen Möglichkeiten stehende
versucht.
Es vergingen erneut
einige Wochen, bis die eifersüchtige Geschäftsführerin den
Betrugsversuch ihres IT-Spezialisten bemerkte, da sie das
Instagram-Profil mit dem neuen Benutzernamen durch Zufall entdeckt
hatte. Das neuste Bild zeigte Chantal im Büro und so nutzte die
Geschäftsführerin dies als Grund für eine fristlose Kündigung der
jungen Schönheit. Die Gerüchte über die bekannte Influenzerin
brauchten nicht lange, um sich in den größten deutschen Firmen zu
verbreiten. Die nun arbeitslose Chantal schrieb hunderte Bewerbungen
im deutschen Raum, bekam jedoch Absagen durch und durch, da niemand
seine Firma in ein so schlechtes Licht stellen wollte.
Chantal Biele sah
sich gezwungen in die USA zu ziehen und bewarb sich diesmal, mit neu
errungener Motivation, nicht schriftlich, sondern wollte direkt im
offiziellen Firmensitz vorbeischauen. Die Firma war mit sieben
eingetragenen Mitarbeitern sehr klein, doch als Chantal das Gebäude
betrat, begrüßte sie eine viel intensivere Leere als erwartet. Sie
setzte sich im Übereifer an einen der sieben Bürotische und wollte
dort still warten, bis einer der Mitarbeiter erscheinen würde. Die
Materialien, die teilweise offen einsehbar waren, packten die junge
Dame mit der Zeit jedoch und so durchsuchte sie die Schubladen der
anderen Tische nach Papierblock und Stift. Die Firma schien sich mit
Aktienkursen zu beschäftigen und andere Firmen zu beraten, sowie mit
Anteilen zu handeln. Chantal, die auch bei der vorherigen Firma schon
mit Aktienkursen in Berührung kam, wollte diese Situation nutzen und
der neuen Firma beweisen, wie hilfreich und produktiv sie sein kann.
Nach einigen Stunden
wohlgetaner Arbeit machte sich Chantal vor Einbruch der Dunkelheit
auf und wollte sich in ihrer neuen amerikanischen Wohnung etwas Ruhe
gönnen. Sie ließ ihre Visitenkarte auf einem der Schreibtische
liegen und fuhr mit ihrem geleasten VW Polo nach Hause.
Ein wenig später
traten die sieben Mitarbeiter aus einem Konferenzraum in ihr Büro.
Sie schalteten das Licht an und brauchten nicht lange um zu bemerken,
dass irgendjemand in ihrem Büro gewesen war. Der erste sprach: „Wer
hat in meinen Unterlagen gewühlt?“ Der zweite: „Wer hat meinen
Computer-Bildschirm verdreht?“ Der dritte: „Wer hat mit meinem
Stift geschrieben?“ Der vierte: „Wer hat auf meinen Notizblock
gekritzelt?“ Der fünfte: „Wer hat meinen Bürotisch verschoben?“
Der sechste: „Wer hat meinen Bilderrahmen verstellt?“ Der
siebente: „Wer hat meinen kalten Kaffee getrunken?“ Dann sah sich
der erste um und bemerkte beim Untersuchen seines Stuhls, dass er
nach Frauenpärfum roch und fragte: „Wer hat auf meinem Stuhl
gesessen?“ Die anderen kamen gelaufen und bestätigten, dass ihre
Stühle ebenfalls nach Frauenparfüm rochen. Nur der siebente, der
wurde auf etwas weiteres aufmerksam. Auf seinem Tisch lag eine
Visitenkarte einer gewissen Chantal Biele. Das auf dieser
Visitenkarte abgedruckte Porträt zeigte ihr unglaublich schönes
Gesicht, ihre Lippen und ihre Haare, so besonders, wie sie nun eben
mal waren. Von unglaublicher Begeisterung bewegt, entschieden sich
die sieben Mitarbeiter Chantal Biele trotzdem erst am nächsten
Morgen anzurufen, damit sie nicht bei ihrem Schlaf gestört werden
würde. Als es Morgen war, erwachte Chantal und wartete nicht lange,
bis sie den wohl wichtigsten Anruf ihres bisherigen Lebens
entgegennahm: „Guten Tag, die Firma mit den sieben Mitarbeitern,
die sie gestern überraschend besuchten.“ - „Guten Tag, ich hoffe
sie können mir mein plötzliches Eingreifen in ihr Material
verzeihen.“, antwortete sie. „Wie hast du zu uns gefunden?“
sprachen die Mitarbeiter weiter. Da erzählte Chantal ihnen von der
Geschäftsführerin, die sie hacken lassen wollte und folgend einen
Grund suchte, um sie feuern zu lassen, und sie wäre daraufhin bis
nach Amerika gezogen, um eine neue Arbeitsstelle finden zu können.
Da sagten die Mitarbeiter: „Willst du dich in unserer Firma
engagieren, uns versorgen, präsentieren, recherchieren und immer
alles ordentlich und reinlich halten, dann wirst du bei uns
eingestellt und sollst immer eine tolle Arbeit haben, die nicht
schlecht bezahlt wird.“ - „Jaaa!“, sagte Chantal Biele und
arbeitete von diesem Tag an in der Firma der sieben Mitarbeiter. Die
ehemalige Geschäftsführerin der jungen Schönheit konnte sich
dennoch nicht von Chantals Instagram-Profil abwenden und hat wieder
einmal die Follower der beiden an ihrem iMac Pro vergleichen wollen:
„Wie viele
Follower habe ich wohl heute dazubekommen? 35.000 Follower mehr, 155
Millionen sind es jetzt also. Ich bin eben einfach die
charismatischste und attraktivste Frau auf der Welt. Warte! Chantal
hat jetzt schon 159 Millionen Follower. Wie hat sie das geschafft?!“
Und in diesem Moment
realisierte sie nicht nur, dass Chantal deutlich beliebter war,
sondern auch, dass sie in Amerika sowohl eine größere Fangemeinde,
als auch einen besseren Job finden konnte. „Nun aber“, sagte sie,
„werde ich mir irgendwas einfallen lassen, das sie zerstören
muss!“ und kombinierte alle ihre angelernten Kompetenzen, um
letztendlich einen Plan auszuführen, der Chantals Beliebtheit,
eingeschlossen ihres Instagram-Profils, zerstören sollte. Sie
recherchierte nach aktuellen Phishing-Seiten im Internet, die
besonders auf Instagram ihre Runden machten und wollte im nächsten
Schritt versuchen diesen Link an Chantal zu senden. Sie fand also
einen Link, der sehr überzeugend aussah und erstellte sich einen
Fake-Account auf Instagram, mit dem sie Chantal daraufhin
kontaktierte. „Hallo Chantal, ich verfolge schon länger dein
Profil und wollte dich gerne fragen, was ich an meinen Beiträgen
verbessern kann, um so erfolgreich zu werden wie du. Hier einer
meiner Beiträge“,
schrieb die Geschäftsführerin ihrer inoffiziellen Konkurrentin und
wartete nicht lange auf die Antwort. „Hallo Lydie, ich konnte mich
leider irgendwie nicht über deinen Link anmelden, aber grundsätzlich
solltest du einfach immer du selbst bleiben und die Hashtags nutzen,
die zu dir passen. Liebe Grüße, Chantal“, schrieb sie, als wäre
es selbstverständlich jedem seiner Follower persönlich zu
antworten. Nur wenige Minuten später freute sich die
Geschäftsführerin bereits, da Chantals Profil nicht mehr erreichbar
war. Sie erhoffte sich noch viel mehr von der Phishing-Seite und
wartete die nächsten Stunden gespannt ab. Zum Glück folgten auch
die sieben Mitarbeiter der jungen Schönheit bereits auf Instagram
und bemerkten noch am selben Tag die nahende Katastrophe, sprachen
Chantal darauf an und konnten letztlich zusammen mit Chantals
Informationen und ihren eigenen Computer-Kenntnissen das Profil
wiederherstellen. Die Geschäftsführerin, die sich in ihrer
Selbstverliebtheit einmal mehr bestätigen wollte, schaute, in der
Hoffnung weitere schlimme Dinge seien geschehen, nach Chantals
Instagram-Profil und sah erschrocken, dass es nun ohne jegliche
negative Auswirkungen verfügbar war und auch schon neue Bilder von
ihr veröffentlicht wurden. Der Vergleich der Follower erzürnte sie:
„Wie viele
Follower habe ich wohl heute dazubekommen? Keinen einzigen, es sind
2000 weniger Follower geworden. Chantals Profil ist bereits auf 165
Millionen gestiegen. UNGLAUBLICH!“
Sie musste sich so
stark wie nur möglich ihrem Temperament entgegenstellen, um nicht
viel mehr als ihren Aktenordner vom Schreibtisch zu stoßen. Sie gab
es auf. Für einen kurzen Moment, vielleicht auch einige Tage, gab
sie es auf die schönste Frau der Welt zu beneiden und attraktiver
sein zu wollen, als diese je sein könnte. Die nächsten Tage und
Wochen entwickelte sie Hass auf eine ganz neue Frau. Eine so
gebildete Frau, eine erfolgreiche Geschäftsführerin eben, musste
Nachrichten lesen und da stolperte sie über einen Artikel, der über
eine so schöne und beliebte andere Geschäftsführerin schrieb, dass
sie sich nicht zügeln konnte. Sie recherchierte, nahm sich die Frau
als neue Konkurrentin und wollte herausfinden, wer diese so von den
Medien vergötterte Frau sein soll. Das alles zog sich, bis sie in
einem Artikel am Ende des darauffolgenden Jahres das Instagram-Profil
der Geschäftsführerin fand, die ein kleines Unternehmen an die
wirtschaftliche Spitze Amerikas geführt haben soll. „Chantal
Biele, Geschäftsführerin und Mensch“, laß sie ihre „Biografie“
auf Instagram. Angeekelt von Chantals Bodenständigkeit, ihrer
Schönheit, ihrer Beliebtheit, began die Geschäftsführerin jedes
einzelne Dokument im Bürogebäude wie ein maschineller
Aktenvernichter zu zerkleinern, bis ihre Fingernägel abbrachen,
sodass sie nicht mehr nachwachsen konnten und die Blasen an ihren
Fingern Schmerzen verursachten, die auch der Hass auf Chantal nie
übertreffen konnte.
Es war ein sonniger Morgen, der perfekte Tag, um zusammen mit meinem Luxtra an den See zu fahren. Eine kühle Brise blies uns ins Gesicht, als wir uns an unserem Lieblingsplatz am Ufer niederließen, einem runden Felsen, der komplett von Wasser umspült wurde, den aber nur eine Fußlänge vom trockenen Festland trennte. Ich packte mein belegtes Brot aus und legte auch Luxtra etwas Futter hin. So saßen wir gemeinsam da und wollten einfach nur entspannen.
Unsere Ruhe wurde jedoch schnell gestört, als plötzlich Wasser direkt auf meinem Sandwich landete.
Ich schaute auf den See. Dort waren Karpador.
„Das gibt’s doch nicht“, schnaubte ich und aß weiter mein nun völlig durchnässtes Brot. Doch die dummen Fische hatten wohl noch nicht genug – eines der Karpador sprang aus dem Wasser und mir auf den Schoß. Auch ich sprang – nämlich schreiend auf die Füße – und ließ dabei mein Brot fallen, das leise platschend im See landete. Eines der Fischpokémon witterte seine Chance, schwamm hin und futterte es auf.
Das war zu viel! Diese dummen Pokémon konnten mir nicht meinen perfekten Tag ruinieren!
„Luxtra, Donnerblitz“, befahl ich meinem Partner, der daraufhin knurrend einen ordentlichen Teil des Sees schockte. Sofort stiegen die kampfunfähigen Fische zur Oberfläche. Ich zählte sie durch. Ganze sieben Karpador hatte mein Luxtra mit dieser einen Attacke gegrillt. Beachtlich.
Ich hatte das Gefühl, mein Pokémon nicht ausreichend gelobt zu haben. Als ich wieder daheim war, beschloss ich daher, ihm eine sichtbare Auszeichnung dafür zu verleihen, dass es unseren Tag gerettet hatte. Ich schnappte mir einen in einer Schublade verstaubenden alten Schal, den ich ihm um den Hals wickeln konnte. „Sieben mit einem Donner“, schrieb ich mit Filzstift darauf. Luxtra schnurrte und streckte stolz seinen Kopf in die Höhe.
Am Nachmittag hatte ich mich mit ein paar Freunden im Park verabredet, damit wir gemeinsam mit unseren Pokémon trainieren konnten. Luxtra freute sich schon darauf, den anderen seine tolle Auszeichnung zu präsentieren und konnte es kaum erwarten, dass wir losgingen.
Dort angekommen, rannte es sofort zu meinen Freunden hin und begrüßte deren Pokémon, ein Voltenso und ein Elezeba.
„So früh dran wie immer“, lautete die Begrüßung, die mir galt. So ehrlich wie immer. Es war schon zu einem Running Gag geworden, dass ich immer als Letzter aufkreuzte.
„Hey, was ist denn das?“, wurde ich dann gefragt, als sie den bekritzelten Schal bemerkten. „Hat Luxtra irgendwas gewonnen?“
Ich witterte meine Chance, so richtig gut dazustehen. „Ihr werdet es nicht glauben“, holte ich aus. „Wir waren heute am See und wurden von bösartigen Meeresungeheuern belästigt. Sieben an der Zahl! Doch mein treuer Freund hier hat sie mit einer einzigen Attacke alle beseitigt.“
Die beiden lachten. „Meeresungeheuer. Doch nicht etwa unglaublich fies dreinschauende Karpador?“
„Äh, nein, wie kommt ihr nur darauf?“, fragte ich ertappt. „Es waren wirklich echte Monster!“
„Na, wenn dein Luxtra so mächtig ist, dass es echte Ungeheuer mit einem Schlag beseitigen kann, dann solltet ihr vielleicht nicht länger warten und euch endlich um den Arenaorden kümmern, was?“
Ich schluckte. Eigentlich wollte ich ja schon länger zum Arenaleiter, es war ja auch nichts Neues mehr für mich, aber dann war ich doch immer etwas zu feige, es tatsächlich zu tun.
„Bevor du hier noch anwurzelst vor Schock über diesen unvorhersehbaren Vorschlag, bringen wir dich lieber gleich mal hin“, beschlossen sie herausfordernd. Ihre Pokémon schienen von der Idee ebenfalls überaus begeistert zu sein. Ich hatte wohl keine andere Wahl mehr.
„Alles klar. Da du schon fünf Orden besitzt, werden wir in einem Kampf drei gegen drei antreten“, erklärte der Arenaleiter. Dann trat er auf mich zu, ein großgewachsener, blonder Mann, gut fünfzehn Zentimeter größer als ich selbst. Er reichte mir die Hand und ich erwiderte die Geste. „Ich bin Talos, Arenaleiter mit Spezialität für Feuer-Pokémon. Sehr erfreut.“ Wir begaben uns an die entgegengesetzten Enden des Kampffeldes und meine Freunde winkten mir anfeuernd zu. Der Schiedsrichter ließ unser Duell beginnen.
„Los, Fiaro!“, rief ich mein erstes Pokémon auf das Kampffeld. Es war wohl nicht die beste Wahl gegen einen Trainer mit Feuer-Pokémon, aber es war auf jeden Fall sehr stark.
„Kokowei, du bist dran!“, rief der Arenaleiter und warf seinen Ball.
Ich war verwirrt. Kokowei? Warum würde ein Arenaleiter, der auf Feuer spezialisiert war, von allen Pokémon ausgerechnet Kokowei auswählen?
Aus dem Ball heraus kam eine riesige Palme. Eine wirklich riesige Palme. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
„Es überrascht jeden, wenn er dieses Pokémon zu sehen bekommt“, erzählte Talos, „ich habe es im Urlaub auf einer Südseeinsel gefangen. Es ist leider nicht vom Typ Feuer, aber deswegen nicht weniger feurig im Kampf.“
Bestimmt zählte er nun darauf, dass ich mich davon irritieren ließe, aber das konnte er vergessen. Ich musste konzentriert bleiben, und so befahl ich meinem Fiaro, Flammenblitz einzusetzen. Es hüllte sich in Feuer und rammte das Kokowei frontal, wovon dieses aber anscheinend nicht außerordentlich stark getroffen wurde. Hatte es etwa einen anderen Typ als sonst?
Das Kokowei setzte nun Samenbomben ein, denen mein Pokémon aber problemlos ausweichen konnte. Dafür griff es im Gegenzug selbst mit Sturzflug an, was das gegnerische Pokémon tatsächlich ins Wanken brachte. Danach schaffte es wieder etwas Abstand zu seinem Kontrahenten.
„Jetzt Drachenhammer!“, rief der Arenaleiter. Ich hatte noch nie von einer derartigen Attacke gehört und keine Ahnung, was nun kommen wurde. Das Kokowei ließ einfach seinen unglaublich langen Hals heruntersausen und rammte mein Fiaro damit geradewegs in den Boden. Da es durch die vorherigen Angriffe schon geschwächt war, konnte es nicht mehr weiterkämpfen. Ich lief zu ihm hin und gab ihm einen Beleber, bevor ich es in seinen Ball zurückrief. Es tat mir leid, dass es wegen meiner Unerfahrenheit gegen solch merkwürdige Pokémon so schnell besiegt worden war.
So einen Kampfstil hatte ich noch nie gesehen. Ich durfte mich davon aber nicht aus dem Konzept bringen lassen, also schickte ich mein nächstes Pokémon los, mein Stollrak.
„Eisenschädel“, befahl ich sofort, und mein Pokémon rannte los und stieß das Kokowei mit voller Wucht um. Erst wankte dieses von einem Bein auf das andere, der lange Hals schwang wild hin und her, und schließlich verlor es die Balance und stürzte wie ein gefällter Baum. Nun konnte es sich ebenfalls nicht mehr aufrichten, womit der Kampf wieder unentschieden stand.
Der Arenaleiter schickte nun auch sein zweites Pokémon in den Ring, wobei es diesmal tatsächlich eines war, das ich schon einmal gesehen hatte: Ein Gallopa. Er befahl ihm, gleich mit Agilität zu beginnen. Das Pferdepokémon rannte los und umkreiste dabei immer wieder mein Stollrak. Es war so schnell, dass es kaum zu erkennen war.
„Nitroladung“, rief Talos, woraufhin das Gallopa mein Pokémon unerwartet von der Seite traf. Stollrak war für derart geschwindigkeitsreiche Kämpfe nicht gemacht, wir mussten uns schnell etwas einfallen lassen, wie wir den Kampf zu unseren Gunsten wieder drehen konnten. Irgendwie mussten wir dieses Gallopa zum Stehen bringen. Dieses griff immer wieder aus verschiedenen Richtungen an und außer seiner Eisenabwehr hatte Stollrak dem nichts entgegenzusetzen.
„Ich habs!“, rief ich auf einmal aus. „Los, setz Felsgrab ein!“ Ich hoffte, dass mein Pokémon auch verstand, was genau ich damit bezwecken wollte. Und es tat es. Gutes, kluges Stollrak. Es warf seine Felsen nicht etwa dorthin, wo es dachte, dass das Gallopa gerade sein könnte, sondern dorthin, wo dieses durchkommen müsste. Das Feuer-Pokémon musste abbremsen und einen Moment lang innehalten, was Stollrak für ein weiteres Felsgrab nutzte. Das Pferdepokémon war nun von Felsen eingeschlossen und ein einfacher Steinhagel konnte es besiegen.
Der Arenaleiter musste nun auch dieses Pokémon zurückrufen und warf den Ball mit seinem letzten Pokémon, Flambirex. Ich beschloss, Stollrak auszutauschen, da es schon sehr geschwächt war und keine einzige Kampf-Attacke mehr ausgehalten hätte. Stattdessen war es nun an der Zeit für das erste Pokémon, mit dem mein Trainerdasein begonnen hatte, zu scheinen. Wortwörtlich.
Wenn wir kämpften, verstanden wir uns fast ohne Worte – abgesehen von den gelegentlichen Attackenbefehlen natürlich.
„Donnerblitz, dann -zahn!“, rief ich und Luxtra sprintete sofort los. Es lud den Donnerblitz in seinem Fell auf, den es dann sofort auf seinen Gegner richtete. Dieser sprang zur Seite, doch so flink wie mein Luxtra war er nicht, sodass der Donnerzahn sein Ziel nicht verfehlte. In feinen Funken sprang die Spannung, die sich von der ersten Attacke noch im Fell meines Pokémon befand, auf ihn über. Das Flambirex bewegte sich nur sehr ruckartig. Mein Plan war aufgegangen! Mein Luxtra punktete nicht nur durch seine Schnelligkeit, es hatte es auch gelernt, von seinem Donnerblitz nur so viel Energie abzugeben, dass es mit der verbleibenden Energie bei einer direkten Berührung schon fast mit Sicherheit eine Paralyse herbeiführen konnte.
Talos stand mit vor Staunen geöffnetem Mund da. Nachdem die ersten beiden Kämpfe für mich eher holprig gelaufen waren, hatte er wohl nicht erwartet, dass ich im dritten so schnell die Oberhand gewinnen würde.
„Wir sollten das schnell beenden“, sagte ich entschlossen zu meinem Pokémon. „Meinst du, du kriegst das hin, was wir geübt haben?“ Luxtra gab einen zustimmenden Laut von sich und spannte seine Muskeln an. Es sammelte die Spannung in seinem Fell, wie es das sonst bei seinen Donnerblitzen tat, doch anstatt sie sofort wieder freizulassen, sammelte es alles davon an. Dann sprintete es los.
Das Flambirex antwortete jedoch mit einem Flammenwurf, der mein Luxtra in seiner Bewegung stoppte. Es hustete kurz, konzentrierte sich dann aber wieder und startete denselben Angriff erneut. Es sprintete wieder los. Das Schweinepokémon warf ihm erneut Flammen entgegen, doch diesmal schaffte Luxtra es, darüber hinwegzuspringen. Es warf sich mit seinem gesamten Körper gegen das Flambirex. Dann gingen beide in die Knie.
„Du hast es geschafft!“, jubelte ich. „Du hast den Stromstoß wirklich toll hingekriegt.“ Dann hielt ich meinem Partner eine Tsitrubeere hin, die er genüsslich aufaß.
Meine Freunde kamen nun ebenfalls jubelnd auf das Kampffeld gerannt und warfen Konfetti auf mich – wo auch immer sie das auf einmal herzauberten. Ich hatte ja eine schräge Aktion vorhergesehen, aber das war selbst für ihre Verhältnisse sehr schräg.
Dann kam Talos zu mir her. „Das war wirklich beeindruckend“, sagte er. „Luxtra und du, ihr seid eine richtige Einheit. Ihr könnt es noch weit bringen.“ Dann fischte er sich einen Orden aus der Tasche und hielt ihn mir hin. „Das ist der Feuersturmorden. Eigentlich mag ich den Namen nicht, weil ich diese Attacke fast nie benutze, aber mein Vorschlag wurde abgelehnt. Wie dem auch sei, du hast ihn dir redlich verdient.“
Ich nahm den Orden entgegen und schaute ihn an. Er sah aus wie eine stilisierte Krone aus Flammen. Sehr cool. Als ich realisierte, was ich da in der Hand hielt, breitete sich ein fettes Grinsen auf meinem Gesicht aus. Ich hatte es geschafft! Vielleicht konnte ich es als Trainer doch noch zu etwas bringen.
Teil 1: Felinas Ankunft
Felina verließ den Bahnhof und blinzelte kurz, als sie in die pralle Nachmittagssonne trat, deren Licht zudem von den Steinen des Platzes reflektiert wurde. Sie ging ein paar Schritte und blieb dann stehen, als ihr klar wurde, dass sie eigentlich keine Ahnung hatte, wohin sie gehen wollte. Für einen Moment schaute sie sich um, dann ging sie wieder zurück zum Bahnhofsgebäude, zog ihren Gitarrenrucksack vom Rücken und stellte ihn mitsamt ihrer klobigen Sporttasche ab. Anschließend rutschte sie mit dem Rücken an der steinernen Außenwand des Bahnhofs hinunter, bis sie auf dem Boden saß.
Felina seufzte, schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Sie wusste nicht genau, wie sie sich fühlen sollte. Glücklich?
Sie öffnete die Augen und sah den Menschen zu, die über den Platz huschten, selten gemächlich, meistens hastig.
Und sie saß hier und verschwendete ihre Zeit. Sie hatte keine Arbeit. Kein Zuhause. Nicht mehr. Alles, was sie hatte, war ihre Freiheit, von der sie aber nicht wusste, was genau sie damit anfangen wollte.
Weil sie keine Ahnung hatte, was sie sonst tun sollte, nahm Felina ihre Gitarre aus dem großen Rucksack und fing an, Lemon Tree zu spielen. Sie versuchte zunächst, leise zu spielen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, vergaß diesen Vorsatz aber auf halber Strecke und sang zusätzlich mit.
Nachdem sie fertig war, begann sie mit einem Lied, das sie selbst geschrieben hatte. Diesmal sang sie von Anfang an mit und versank dabei so sehr in der Musik, dass sie kurz alles um sich herum vergaß. Sie hatte schon lange nicht mehr so befreit spielen können.
Als sie auch dieses Lied beendet hatte, hielt sie kurz inne, um sich umzuschauen. Ein paar Leute schienen eben noch in ihre Richtung geschaut zu haben, wandten sich nun aber wieder anderen Dingen zu. Lediglich eine Jugendliche mit rot gefärbten Haaren, die ein paar Meter entfernt auf einer Bank saß, machte keinen Hehl daraus, dass sie Felina beobachtete. Tatsächlich stand das Mädchen nun auf und ging zu ihr hinüber.
„Hi“, sagte die Rothaarige freundlich. „Schönes Lied. Selbst geschrieben?“
Felina nickte. „Freut mich, wenn es dir gefallen hat.“ Sie musterte ihr Gegenüber kurz. Das Mädchen trug ein ihr viel zu großes kurzärmeliges und rot-schwarz-kariertes Hemd, das beinahe lang genug war, um mehr von ihren Beinen zu bedecken als ihre Hotpants. Ihre Füße steckten in ausgelatschten Sandalen.
„Hat es.“ Das Mädchen streckte die Hand aus. „Ich bin übrigens Kounia.“
Felina zögerte kurz – der Name kam ihr seltsam vor –, dann ergriff sie Kounias Hand. „Felina“, sagte sie kurz, wobei sie versuchte, freundlich zu klingen. Sie glaubte nicht, dass es ihr richtig gelang, doch Kounia schien sich davon nicht stören zu lassen.
„Du kommst nicht aus Bremen, oder?“
Felina schüttelte den Kopf. „Nein, ich komme … Na ja, halt woanders her.“
„Dachte ich mir. Ich habe dich gesehen, als du den Bahnhof verlassen hast. Du hast verloren gewirkt.“
Felina biss sich auf die Lippe und sagte nichts. Kounia setzte sich neben sie.
„Ich versteh das“, sagte diese. „Hattest die Schnauze voll von Zuhause, oder?“
„Nicht wirklich“, entgegnete Felina. „Ich wollte nur … Ich weiß nicht. Ich wollte einfach weg.“ Sie griff in ihre Hosentasche, zog Zigaretten und Feuerzeug hervor und zündete sich eine Kippe an. „Auch?“, fragte sie an Kounia gewandt.
„Nein, danke. Ich rauche nicht.“
„Ich nach dem Ende der Packung wahrscheinlich auch nicht mehr“, sagte Felina. „Danach kann ich mir nämlich keine neuen mehr leisten.“ Es war seltsam, dass ihr der Gedanke an Geld bis gerade eben nicht in den Sinn gekommen war.
„Du suchst also einen Job?“, fragte Kounia.
„Eigentlich nicht“, gab Felina zurück und blies ein wenig Zigarettenrauch in die ohnehin schon stickige Sommerluft. Da kaum ein Wind ging, schien die kleine Rauchwolke ewig in der Luft zu hängen. „Vor einem Job bin ich ja unter anderem weggelaufen. Andererseits überlebe ich ohne vermutlich keine zwei Tage.“
„Wie wäre es dann mit einem Job, der dir Spaß macht?“, fragte Kounia. „Ich wüsste da vielleicht was.“
„Ich bin ganz Ohr“, sagte Felina und nahm wieder einen Zug von ihrer Zigarette.
„Ich habe da zwei Freunde, mit denen ich eine Band gründen wollte. Sozusagen.“
„Sozusagen?“
„Nun … Wir sind wie du. Wir haben es zuhause nicht mehr ausgehalten – aus verschiedenen Gründen – und sind dann irgendwann abgehauen. Du könntest mitmachen. Jemanden, der Gitarre spielen und singen kann, könnten wir gut gebrauchen.“
Felina sagte nichts. Stattdessen sah sie über den Platz und den Menschen zu, die immer noch geschäftig hin und her wuselten. An einem so warmen Tag wie heute so schnell zu rennen … Sie selbst saß ruhig hier, mit ihrer Gitarre. Aber so konnte es ja nicht ewig weitergehen. Sie wusste nicht einmal, wo sie die Nacht verbringen sollte.
„Habt ihr einen Platz, wo ich schlafen kann?“, fragte Felina.
„Ja. Wir schlafen alle in einer kleinen Hütte in einem Waldstück in der Umgebung“, sagte Kounia.
„Du verarschst mich“, sagte Felina.
„Nope. Wir haben uns da eingerichtet. Kein Strom, aber gemütlich. Und aus einem sauberen Bach in der Nähe kriegen wir Wasser.“
„Okay“, sagte Felina. „Du erwartest also, dass ich einer völlig Fremden zu einer einsamen Hütte in einem Wald folge?“
Kounia zuckte die Achseln. „Das ist deine Entscheidung. Wenn du dich dabei unsicher fühlst, will ich dich natürlich nicht drängen.“
Felina überlegte. In Horrorfilmen waren Leute schon wegen weitaus weniger dummen Aktionen gestorben. Andererseits schien Kounia ganz in Ordnung zu sein.
„Ach was soll’s“, sagte Felina und drückte ihre Zigarette auf dem Boden aus. „Ich komme mit.“
Kounia lächelte.
Sie fuhren – schwarz – mit einer Straßenbahn in die Nähe des Waldstücks nördlich der Stadt. Dort bot Kounia an, Felinas Sporttasche für sie zu tragen, und letztere nahm das dankend an.
Ihr Weg führte sie hinein in den Wald, zuerst auf befestigten Wegen, dann auf immer schmaleren Trampelpfaden, die nicht so wirkten, als ob sie oft benutzt würden.
Obwohl die Waldbäume einen schattigen Schutz vor der brennenden Sonne boten, war es im Wald immer noch sehr warm. Nach kurzer Zeit klebte Felinas schweißnasses T-Shirt an ihrem Körper, und ein kurzer Blick zu Kounia sagte ihr, dass es ihr nicht viel anders ging.
Ein allgegenwärtiger Geruch nach trockenem Laub und Holz hing in der Luft. Felina hatte auf dem Weg eigentlich wieder eine Zigarette rauchen wollen, aber in dieser Umgebung erschien ihr das unklug. Sie wollte nicht am Ende noch einen Waldbrand auslösen.
Um sich von dem Gedanken an eine Kippe abzulenken, fragte sie Kounia nach den beiden Freunden, die an der Hütte warten würden.
„Die beiden sind echt nett. Ich habe sie getroffen, als ich nach Bremen gelaufen bin. Zuerst Donkey, dann Henne. Das sind ihre Spitznamen.“
„Donkey?“, fragte Felina und unterdrückte ein Lachen.
„Er trägt gerne sein T-Shirt mit dem Esel der Demokratischen Partei. Daher der Name.“
„Okay, und Henne?“
„Kurzform für Hendrik. Er hat den Namen anfangs gehasst, aber jetzt ist es ihm egal.“
„Aha. Und ihr habt euch einfach so getroffen?“
„Jep. Ich hatte vor, zu trampen, aber mich wollte keiner mitnehmen. Die Leute sind halt Arschlöcher. Dann bin ich gelaufen und nach einem Tag schon fast wegen Dehydrierung zusammengebrochen. Aber dann bin ich Donkey begegnet und der hatte Wasser dabei. Dann sind wir zusammen weiter und sind schließlich hier im Wald Henne begegnet, der gerade unterwegs zu der Hütte war, weil ihm ein Landstreicher davon erzählt hatte. Er hat uns mitgenommen und nun wohnen wir seit ein paar Wochen dort.“
„Und was spielt ihr für Instrumente?“
„Ich Bassgitarre, Donkey Geige und Henne spielt eigentlich Schlagzeug, aber das ist in der Stadt bei einem Freund untergebracht. In der Hütte hat er Bongos.“
Felina runzelte die Stirn. „Und … diese Instrumente passen zusammen?“
Kounia zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Wir finden schon. Man muss sie nur richtig einsetzen.“
„Tretet ihr oft auf?“
„Noch nie. Wir sind derzeit eher so etwas wie Straßenmusikanten.“
„Okay … Als du von einem Job sprachst, hatte ich irgendwie an etwas … anderes gedacht.“
„Enttäuscht?“, fragte Kounia verschmitzt.
„Nein“, erwiderte Felina aufrichtig. „Nicht wirklich jedenfalls. Ich hatte mir halt nur was anderes drunter vorgestellt. Aber ich habe auch kein Problem damit, einfach auf der Straße zu spielen. Reicht denn, was ihr damit verdient?“
„Fürs Essen ja. Unterkunft ist ja quasi umsonst, Klamotten holen wir uns aus Altkleidercontainern, wenn wir sie brauchen. Wenn wir können, klauen wir aber auch Essen, das die Supermärkte wegschmeißen, dann können wir was für schlechte Zeiten sparen.“
„Verstehe.“ Felina seufzte. „Aber ist das nicht illegal?“
„Ja, und?“, fragte Kounia. „Es sollte illegal sein, Lebensmittel wegzuschmeißen, die vollkommen in Ordnung sind. Man muss halt nur aufpassen, dass man nicht erwischt wird.“
„Also scheiß auf die Regeln“, sagte Felina. „Gefällt mir.“
Sie gingen eine Zeit schweigend nebeneinander her. Felina hob einen niedrig hängenden Zweig von einem Baum an, der vor ihr den Weg kreuzte, und schlüpfte drunter durch.
„Woher kommt eigentlich dein Spitzname?“, fragte Felina.
„Hm?“, machte Kounia.
„Naja, du willst mir doch nicht sagen, dass ‚Kounia‘ dein richtiger Name ist, oder?“
„Ach“, winkte Kounia ab. „Das ist nicht so wichtig.“
Will sie nicht darüber reden?, fragte Felina sich, hakte aber nicht weiter nach.
„Wir sind übrigens fast da“, fuhr Kounia fort, vermutlich, um das Thema zu wechseln.
Ein paar Minuten später kamen sie auf eine Art Lichtung, auf der tatsächlich eine Holzhütte mit Wellblechdach stand. Sie hatte offenkundig nicht mehr als ein Erdgeschoss, wirkte aber relativ breit, sodass sie wohl mindestens Platz für zwei Wohnräume, ein Badezimmer und eine Küche bieten könnte. Die Hütte verfügte über mehrere Fenster, von denen ein paar aber mit Brettern zugenagelt worden waren. Als Felina genauer hinhorchte, hörte sie das anscheinend nur wenig entfernte Murmeln eines Baches und noch etwas anderes.
„Donkey spielt anscheinend Geige“, erklärte Kounia. Sie betraten die Hütte – die Tür war offen und das ramponierte Schloss vermittelte auch nicht den Eindruck, dass sie sich überhaupt schließen ließ, höchstens anlehnen. Innendrin roch es ein wenig muffig, und die Luft war aufgrund der sommerlichen Temperaturen ziemlich stickig.
Sie standen in einem großen Wohnraum mit zwei großen Matratzen auf dem Boden, auf denen löchrige Decken, ein Schlafsack und mehrere Kissen lagen. Neben den Matratzen an der Wand lehnte neben zwei Bongos eine Bassgitarre. In einer Ecke stand ein Kaminofen, auf dem offenbar auch gekocht werden konnte und von dem ein Rohr hoch oben durch die Decke verlief. Zusätzlich verfügte der Raum über eine kleine Kochnische mit Einbauschränken. Vielleicht war die Hütte mal ans Stromnetz angeschlossen gewesen und hatte außerdem fließend Wasser gehabt, auch wenn das heute bestimmt nicht mehr der Fall war. Auf dem Boden des Zimmers lagen außerdem ein paar Klamotten verstreut.
Kounia stellte Felinas Sporttasche auf den Boden und Felina tat es ihr gleich, indem sie ihren Gitarrenrucksack abstellte.
„Willkommen in unserem bescheidenen Heim“, sagte Kounia.
„Gemütlich“, sagte Felina, was durchaus ernst gemeint war. Es war zwar alles ein wenig unordentlich, aber nicht übermäßig dreckig, es roch nicht übel und im Großen und Ganzen erinnerte es sie an einen Unterschlupf, den sie sich als Kind gerne für sich vorgestellt, aber nie wirklich gehabt hatte.
Kounia führte Felina durch eine Tür in eine kleine Diele, von der drei Türen abgingen. Eine führte in ein Badezimmer, eine in eine winzige Abstellkammer und die dritte in ein weiteres Schlafzimmer, wo ebenfalls zwei Matratzen auf dem Boden lagen, ebenso wie ein großer Campingrucksack.
„Hier schläft Donkey immer. Du müsstest dir das Zimmer mit ihm teilen. Henne und ich schlafen im Wohnzimmer. Wobei … Also, wenn es dir lieber ist, können auch wir erst zusammen in einem Zimmer schlafen und Donkey und Henne …“
„Schon okay“, sagte Felina. „Macht mir nichts aus.“
„Gut. Möchtest du die beiden dann kennenlernen? Ich glaube, sie sind beim Bach.“
Sie verließen die Hütte und Kounia führte Felina zwischen ein paar Bäumen hindurch zu einer Stelle, wo der Wald ebenfalls nur sehr licht war und ein Bach, der nicht so breit war, dass man nicht hätte darüber springen können, sich durch den Waldboden zog.
Neben dem Bach auf einem Baumstumpf saß ein junger Mann mit blonden Haaren in kurzer Hose und rotem T-Shirt. Neben ihm stand ein anderer Jugendlicher mit braunen Haaren, der auf einer Geige spielte. Felina konnte das Stück nicht richtig zuordnen, aber es klang nach etwas Klassischem. Auf dem T-Shirt, das der Geigenspieler trug, war ein rot-blauer Esel mit vier weißen Sternen abgebildet. Das musste also Donkey sein, während der andere dann wohl Henne war.
Als Donkey auf die beiden aufmerksam wurde, hielt er mit dem Spielen inne. Auch Henne drehte sich um und sah Kounia mit dem Neuankömmling.
Kounia umarmte die beiden, wobei Felina auffiel, dass die Umarmung mit Henne ein wenig länger zu sein schien. Innerlich musste Felina grinsen. Die beiden schlafen zusammen in einem Zimmer, oder?
„Hi, Kounia“, sagte Henne, während Donkey schweigsam blieb. „Wer ist das?“
„Das ist Felina“, erwiderte Kounia. „Ich habe sie am Hauptbahnhof gefunden. Felina, das sind Henne und Donkey.“
Felina nickte den beiden knapp zu. „Ähm, hi“, sagte sie. „Freut mich, euch kennenzulernen.“
„Freut mich auch“, erwiderte Henne. Donkey schwieg immer noch, lächelte aber freundlich und nickte.
„Felina kann Gitarre spielen und singt schöner als eine Nachtigall“, erklärte Kounia. Felina hatte das Gefühl, bei diesen Worten ein wenig rot zu werden.
„Dann passt sie ja gut zu uns“, sagte Henne lächelnd. „Sie bleibt auch hier, nehme ich an?“
„Klar doch“, sagte Kounia. „Das heißt: Donkey, ist es okay, wenn sie bei dir im Zimmer schläft?“
„Ja“, sagte Donkey knapp. Seine Stimme war sehr leise, fast nur ein heiseres Flüstern. „Natürlich.“
„Super“, sagte Kounia. „Dann hätten wir das geklärt.“
Ein lautes Knurren ertönte.
„Ähm“, machte Felina, „Ich will nicht unhöflich sein, aber habt ihr was zu essen da?“
Ein wenig später saßen sie vor der Hütte im Gras und aßen aus bunten Schälchen einen Erbseneintopf aus zwei großen Konservendosen, den sie über dem Holzkamin erwärmt hatten. Weil dadurch die Hütte unerträglich warm geworden war, hatten sie sich entschieden, draußen zu essen.
Sie redeten dabei ein wenig darüber, warum sie von Zuhause weg waren – Felina erzählte, wie sie einfach nicht mehr zuhause, sondern frei hatte sein wollen, Henne hatte Stress mit seinen Eltern gehabt und Donkey, welcher der Älteste von ihnen war, hatte irgendwann in seinem Bürojob einen Burnout gehabt, nachdem er einfach seine Sachen gepackt hatte und verschwunden war. Nur Kounia hielt sich ein wenig bedeckt, was Donkey und Henne aber gewohnt zu sein schienen. Sie sagte lediglich, dass sie Probleme mit der Polizei gehabt hatte. Felina hätte zwar gerne gewusst, was für Probleme das gewesen waren, aber sie wollte Kounia nicht aushorchen, wenn diese es nicht von sich aus erzählen wollte. Am Ende des Tages zählte es vielleicht auch nicht viel.
Nach dem Essen spülten sie die Schälchen und ihre Löffel im nahen Bach aus, holten ihre Instrumente aus der Hütte und spielten ein wenig. Felina fühlte sich dabei so glücklich wie lange nicht mehr. Es erschien ihr seltsam und fast surreal, dass sie gestern noch zuhause gesessen und sich gelangweilt hatte, während sie heute mit neuen Freunden in einem Versteck saß, in dem sie tun und lassen konnten, was sie wollten.
Als es dunkel geworden war, gingen sie zurück in die Hütte. Kounia gab Felina ein Kissen und eine Decke, und Felina ging mit Donkey in ihr gemeinsames Zimmer. Sie legten sich beide jeweils auf eine Matratze und wünschten sich eine gute Nacht.
Die nächsten Wochen kamen Felina immer noch wie ein Traum vor, auch wenn sie sich mehr und mehr an ihr neues Leben gewöhnte. Morgens wuschen sie sich mit dem Wasser des Baches, um dann zu überlegen, was sie an diesem Tag machten. Oft fuhren sie in die Stadt, musizierten und kauften Essen von dem, was die Leute in Donkeys Geigenkasten warfen. Oder sie plünderten die Mülltonnen eines Supermarktes und liefen weg, sobald sie jemand bemerkte. Von einem Haufen Sperrmüll, den sie in einer Seitenstraße fanden, nahmen sie ein paar leichte und noch nicht ganz in sich zusammenbrechende Gartenstühle mit, die sie im Wald vor ihre Hütte stellten. Abends saßen sie dann in den Stühlen und redeten oder spielten sich gegenseitig etwas vor.
Felina stellte fest, dass Henne und Kounia sich immer näher zu kommen schienen. Sie fand das irgendwie niedlich.
Ob sie als Band wirklich was taugten, wusste Felina nicht, aber es war ihr eigentlich auch egal. Die Hauptsache war, dass es Spaß machte und sie zumindest nicht verhungern mussten. Es war ein ruhiges und relativ unbeschwertes, aber durchaus nicht langweiliges Leben. An einem Abend allerdings wurde dieses Leben jäh unterbrochen.
Teil 2: Der Besuch
Es war ein angenehm warmer Sommerabend, an dem die vier den Wald erkundeten. Sie hatten tagsüber in der Stadt gespielt – sie hatten dazu dieses Mal auch Hennes Schlagzeug aus dem Keller seines Freundes auf die Straße davor getragen – und waren dann im späten Nachmittag wieder zu der Hütte zurückgekehrt. Dort waren sie noch einmal zu viert durch den Wald gezogen, auf der Suche nach etwas, das sie vielleicht hatten gebrauchen können – es kam oft vor, dass Menschen aus den angrenzenden Stadtgebieten im Wald ihren Sperrmüll abluden. Mittlerweile hatten die vier neben den aus der Stadt stammenden Gartenstühlen auch einige bequemere Liegestühle im Wald gefunden, von denen sie zwei notdürftig repariert hatten. Außerdem hatten sie an einem Tag eine weitere Matratze gefunden, die nur ein wenig durchgelegen, sonst aber völlig in Ordnung schien.
Heute allerdings hatten sie nichts gefunden, das sie wirklich hatten gebrauchen können. Einzig Kounia hatte ein altes Seil mitgenommen, das sie an einem Reitweg gefunden hatte. Donkey hatte während des Ausflugs seine Geige dabeigehabt, weil er sich generell eher selten von seinem Instrument trennen wollte.
Als die vier kurz davor waren, die Lichtung mit der Hütte zu betreten, blieb Donkey als der Erste von ihnen stehen, um die drei hinter sich zurückzuhalten.
„Was ist?“, fragte Felina.
„Da ist Licht.“
Sie hielten alle inne und starrten auf die Hütte. Tatsächlich war hinter einem der Fenster der Lichtkegel einer Taschenlampe zu sehen.
„Verdammt“, machte Kounia. „Wer ist das?“
„Na ja“, flüsterte Henne. „Mir hat ein Landstreicher von der Hütte erzählt. Gut möglich also, dass noch andere davon wissen. Vielleicht also einfach jemand, der auch ein Dach über dem Kopf braucht?“
„Möglich“, sagte Felina, „aber wer auch immer das ist, hat eine Taschenlampe. Ich habe noch nie einen Landstreicher mit einer Taschenlampe gesehen. Ich meine, gut, ich habe auch generell noch nie einen Landstreicher gesehen, aber … Ihr wisst schon.“
„Was, wenn es die Polizei ist?“, fragte Kounia. „Ich meine, ich … Verdammt.“
Henne legte einen Arm um sie. „Keine Sorge“, flüsterte er, doch seine Stimme klang unsicher.
„Es gibt ein Problem“, sagte Donkey ruhig. „Jeder von uns hatte noch seinen Ausweis.“
Felina stieß ein Keuchen aus. „Die sind noch in der Hütte!“
„Ja“, sagte Donkey. „Wer auch immer da drin ist, wird sie zwar nicht gleich finden, aber irgendwann sicher.“ Es war merkwürdig; für gewöhnlich war er sehr still und relativ in sich gekehrt. Nun aber schien er von ihnen allen gerade deswegen am ruhigsten bleiben zu können.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Henne.
„Ich gucke, ob ich durchs Fenster etwas sehen kann“, antwortete Donkey. „Vielleicht ist unser Besuch ja harmlos.“
„Sei vorsichtig“, warnte Felina.
Donkey trat zwischen den Bäumen hervor und näherte sich geduckt der Hütte auf einer Seite, wo die Fenster zugenagelt waren. Als er beim Haus angekommen war, schlich er an der Hauswand entlang auf ein Fenster zu, aus dem hin und wieder das Licht einer Taschenlampe fiel.
Felina sah, wie Donkey eine kurze Zeit vorsichtig durch die trübe und schmutzige Glasscheibe lugte und sich schnell duckte, als das Licht wieder herausfiel. Für einen Moment verharrte der Lichtkegel. Felina und die anderen beiden traten jeweils hastig hinter einen Baum. Hatte sie jemand von drinnen gesehen?
Anscheinend nicht, denn bald war das Licht wieder verschwunden. Donkey spähte noch einmal durch das Fenster, dann kam er zurück zu Felina und den anderen.
„Es sind zwei“, sagte er. „Und ich habe gesehen, dass einer ein langes Messer hatte.“
Noch immer war seine Stimme ruhig.
Henne sog scharf die Luft ein. „Verdammt“, murmelte er, „das werden doch nicht …“ Er brach ab.
„Was?“, fragte Kounia. „Was wolltest du sagen?“
„Nun …“, sagte Henne. „Der Landstreicher hat gesagt, dass mal zwei flüchtige Straftäter in der Hütte gewesen seien. Einer von denen hatte ein langes Messer. Der Landstreicher hat sie selbst mal beobachtet, als er eigentlich hier übernachten wollte. Später hat er die beiden dann in einer Zeitung erkannt, hat er gesagt. Ich dachte, er redet Unsinn, weil … Na ja, er wirkte nicht ganz so, als hätte er noch alle Tassen im Schrank.“
„Offensichtlich hatte er das doch“, sagte Felina trocken. „Die beiden sind wieder hier. Was jetzt?“
„Wir können nicht riskieren, dass die unsere Ausweise mitnehmen“, sagte Donkey.
„Oder unsere Instrumente!“, fiel Kounia ein.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Henne. „Wir können doch nicht … Ich meine, einer von denen hat ein Messer. Und wir wissen nicht, ob der andere nicht auch …“
„Ich habe zumindest keine zweite Waffe gesehen“, sagte Donkey. „Aber das muss nichts heißen.“
„Moment mal“, sagte Felina. „Mir gefällt das gerade gar nicht, was ihr da redet. Wir sollten einfach die Polizei rufen.“
„Auf keinen Fall!“, zischte Kounia so laut, dass sie einen Moment selbst erschrak. Sie fuhr etwas leiser fort: „Ich meine, wenn die hier ankommen und wir müssen denen alles erklären, dann … Die werden uns mitnehmen. Uns verhören. Und ich … Bei mir geht das einfach nicht. Wirklich.“ Ihre Stimme klang flehend, so sehr, dass Felina fast ein schlechtes Gewissen bekam. Kounia hatte ihnen immer noch nicht erzählt, wovor sie eigentlich davonlief, aber sie klang aufrichtig verzweifelt.
„Okay“, sagte Felina daher und seufzte. „Wir rufen nicht die Polizei. Wir haben ja ohnehin alle kein Handy dabei, wenn ich mich recht erinnere. Und bis zum nächsten Telefon ist es mindestens eine Dreiviertelstunde. Was sollen wir stattdessen tun?“
„Ich hätte einen Plan“, sagte Donkey. „Aber er ist riskant.“
„Lass hören“, sagte Felina.
Einige Minuten später bezogen die vier alle Stellung. Felina und Kounia drückten sich an die Wand der Hütte, die Tür zwischen ihnen. jede von ihnen hielt ein Ende des Seils, das Kounia heute gefunden hatte. In dem wuchernden Gras vor der Hüttentür war der Strick selbst nicht zu sehen, besonders in der Dunkelheit. An Kounias Ende hatten sie zusätzlich eine große Schlinge in das Seil gebunden, die sich durch Ziehen am anderen Ende zuziehen ließ. Während Felina einfach ihr Ende des Seils nahm, fasste Kounia ihr Stück des Seils vor der Schlinge an.
Felina war sich ziemlich sicher, dass das im Grunde eine dumme Idee war. Aber jetzt war es zu spät, sich darüber Gedanken zu machen. Jetzt mussten sie das einfach durchziehen.
Das Licht in der Hütte war mittlerweile ausgegangen, ohne dass jemand herausgekommen war. Es schien ganz so, als würden sich die beiden Verbrecher in dem Haus schlafen legen. Vielleicht blieb auch einer von ihnen wach und passte auf. Es sollte aber, wenn alles glatt ging, keinen Unterschied machen.
Felina sah sich um und erspähte die dunkle Gestalt von Donkey zwischen den Bäumen. Sie hob einen Arm und gab ihm das Zeichen. Sogleich ertönte der Klang seiner Geige. Felina wusste nicht, welches Stück es war, doch es klang unheimlich und seltsam bedrohlich, insbesondere in der dunklen Stille des Waldes.
Für einen Moment hörte sie nur die Musik, dann bemerkte sie einen Lichtschimmer hinter einem der Fenster. Sogleich ertönten schwere Schritte und die kaputte Tür wurde aufgerissen.
Ein Mann, in der einen Hand die helle Taschenlampe, in der anderen ein langes Messer, stürmte hinaus. In dem Moment, in dem er durch die Tür kam, zogen Kounia und Felina das Seil straff. Als der Mann darüber stolperte, verbrannte der starke Zug am Seil den beiden die Handinnenfläche, doch sie ließen nicht los.
Der Mann stürzte und versuchte sich mit den Händen abzustützen, wobei ihm Taschenlampe und Messer aus den Händen flog. Als der Mann sich aufrappeln wollte, war Henne bereits bei ihm und zog ihm einen schweren Ast über den Kopf, den sie im Wald gefunden hatten. Der Mann stöhnte, fiel ins Gras und blieb liegen.
Henne stürzte zur Taschenlampe, schaltete sie aus und warf das Messer ein Stück weiter weg.
Donkey spielte noch immer auf seiner Geige.
Im nächsten Moment kam auch der zweite Mann aus der Hütte. Doch er war vorsichtiger als der erste und rannte nicht blindlings drauflos.
Aber sie hatten hierfür geplant. Henne knipste die Taschenlampe an und blendete den Mann, während Kounia die Ablenkung nutzte und ihm die Schlinge des Seils überwarf. Sofort zog Felina mit aller Kraft an dem Seil, sodass sich die Schlinge um die Beine des Mannes zusammenzog. Im nächsten Augenblick warf Kounia sich gegen den Mann und brachte ihn so ins Stolpern. Er fiel der Länge nach hin und fing sich nur mühsam mit den Händen ab. Unmittelbar danach erwischte Henne auch ihn mit seinem Ast, und wie der andere Mann blieb er regungslos im Gras liegen.
Felina keuchte. Ihre Handinnenfläche brannte, wo das Seil sich an der Haut gerieben hatte.
Donkeys Musik war verstummt, und er kam langsam auf sie zu. Henne leuchtete mit der Taschenlampe. Donkey kniete neben beiden Verbrechern nieder und untersuchte sie kurz.
„Sie sind am Leben“, sagte er. „Sie bluten, aber ihre Verletzungen scheinen nicht allzu schlimm.“
„Also weiter wie geplant“, sagte Kounia. „Oder?“
Donkey nickte.
Sie schoben die beiden Männer zusammen und fesselten sie so mit dem Seil, dass sie sich nicht befreien, aber ein wenig würden bewegen können. Das Messer platzierten sie in einiger Entfernung, aber so, dass die beiden es würden sehen und sich gegebenenfalls mit ein wenig Mühe dorthin bewegen konnten, wenn sie aufwachten.
Anschließend gingen die vier in die Hütte und packten eilig ihre Sachen zusammen. Sie hatten zwar die Verbrecher überwältigt, aber sie konnten unmöglich noch länger hierbleiben.
„Das ist so unfair“, murmelte Felina, während sie ein paar Klamotten in ihre Sporttasche warf. „Ich war hier so glücklich.“
Die anderen erwiderten nichts, und es war auch nicht notwendig. Sie alle würden diesen Ort vermissen, der ihre Zuflucht gewesen war.
Am nächsten Tag waren sie wieder in der Stadt. Sie hatten der Polizei anonym von Hennes Freund aus einen Tipp bezüglich der Straftäter gegeben, wohl wissend, dass damit ihr Versteck endgültig keines mehr sein würde. Ob die Verbrecher sich hatten befreien können oder die Polizei sie vorher erwischt hatte, wussten sie nicht. Es war ihnen eigentlich auch egal.
Stattdessen standen sie auf der Straße und gaben der Stadt Bremen gewissermaßen ihr Abschiedskonzert. Es war seltsam, zu wissen, dass dies vorerst das letzte Mal sein würde, dass sie hier auf der Straße standen. Nachmittags würden sie zum Bahnhof gehen und den nächstbesten Zug nehmen. Wohin, das spielte eigentlich keine Rolle.
Denn, dachte Felina halb ironisch, halb optimistisch, etwas Besseres als den Tod finden wir ja überall.
Es war einmal in einem Fanfiktion-Bereich eines Pokémon-Forums eine Moderatorin namens Cyndaquil. Diese hatte keine Nachfolgerin, wünschte sich aber dringlich eine, da sie demnächst ihren Rücktritt verkünden wollte. Eines Tages saß sie an einer Kurzgeschichte und betrachtete die Computertastatur von schwarzem Plastik. Draußen schneite es und die Schneeflocken tanzten vom Himmel. Sie war so tief in ihre Gedanken versunken, dass sie sich mit ihrem Glas Tomatensaft überkippte und drei Tropfen auf den weißen Teppich fielen. Als sie das sah, erwachte in ihr wieder der Gedanke an eine Nachfolgerin.
„Ach!“, seufzte Cyndaquil. „Hätte ich doch nur einen Nachfolgerin! Wunderschön wäre sie: so rot wie Tomatensaft, so weiß wie der Teppich und so schwarz wie Plastik!“
Einige Zeit später kam es tatsächlich, dass die Moderatorin ein Mitglied zur neuen Fanfiktion-Moderation ernannte. Diese war so weiß wie ein Teppich an ihrem Leibe, hatte Wangen so rot wie Tomatensaft und ihre Haare waren so schwarz wie Plastik. Die Moderatorin freute sich sehr über ihre Nachfolgerin Creon, denn bald darauf trat sie zurück.
Doch die böse Userschaft des Bereichs, eine sehr stolze und übermütige, die es nicht ausstehen konnte, ignoriert zu werden, fühlte sich hintergangen. Und so ging sie in das Wut- und Trauertopic und schrieb:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist der rechtmäßige Herrscher über dieses Fanfiktionland?“
„Werte Userschaft, Ihr seid die Mächtigste hier,
aber Creon ist tausend Mal kompetenter als Ihr!“
Da erschrak die böse Userschaft und wart gelb und grün vor Neid. Von Stund an, wenn sie Creon erblickte, kehrte sich ihr das Herz im Leibe herum, so hasste sie die neue Moderation fortan. Und der Neid und Hochmut wuchsen wie ein Unkraut in ihrem Herzen immer höher, dass sie Tag und Nacht keine Ruhe mehr fand. Da schrieb sie der Globalen Moderation eine Konversation und sprach:
„Bring die Moderatorin hinaus, ich will sie nicht mehr vor meinen Augen sehen. Du sollst sie absetzen und mir Farbe und Rang mitbringen.“
Die Globale Moderation zeigte der bösen Userschaft den Vogel, sodass sie kein Wort mehr mit der neuen Moderatorin sprach und sich damit erhoffte, dass Creon bald von selbst aufgeben würde. Nun war die arme Moderatorin in dem großen Bereich mutterseelenallein, und wart ihr so Angst, dass sie alle Buchstaben in den abgeschlossenen Fangeschichten ansah und nicht wusste, wie sie sich helfen sollte. Da fing sie an zu klicken und klickte sich über die sieben Wettbewerbsthemen und durch das Archiv, und die wilden Wortverbände sprangen an ihr vorbei, aber sie taten ihr nichts. Creon klickte, so lange ihre müden Finger noch konnten, bis es bald Abend werden wollte. Da sah sie einen kleinen Teilbereich und ging hinein. In den Sammlungen war es klein, aber so zierlich und reinlich, dass ihr nichts zu sagen ist. Erschöpft schrieb sie mit letzter Kraft Kommentare und Feedback und schlief dann vor ihrem Computer ein.
Als es ganz dunkel geworden war, kamen die sieben Autorinnen und Autoren Eagle, Flocon, Kiriki-chan, Lui, Mabus, Thrawn und Woxie heim, setzten sich an ihre Computer und sahen, dass ihnen jemand ein Kommentar hinterlassen hatte.
„Wer hat mein Gedicht gelesen?“
„Wer hat sich für meine Geschichte bedankt?“
„Wer hat einen Kommentar bei mir hinterlassen?“
Dann öffnete einer von ihnen seine Benachrichtigungen und las den Namen der Moderatorin. Die anderen kamen gelaufen und staunten. Gemeinsam warteten sie solange, bis Creon wieder online kam.
„Wie heißt du?“
„Ich bin Creon und seit Neustem Moderatorin.“
„Wie hat dich in unsere Sammlungen verschlagen?“
„Ich habe mich verlaufen.“
„Willst du unsere Sammlungen lesen, bedanken und kommentieren, so kannst du bei uns bleiben, und es dir an nichts fehlen!“
„Natürlich“, sagte die Moderatorin, „von Herzen gern!“
Und so las sie alle neuen Gedichte und Geschichten, bedankte sich für sie und kommentierte reichlich. Morgens schrieben die Autoren, abends kamen sie wieder und veröffentlichten ihre Werke, und da musste die Moderatorin bereit sein. Den ganzen Tag über war das Mädchen allein; da warnten die Autoren und sprachen:
„Hüte dich vor der bösen Userschaft! Die wird bald wissen, dass du dir deinen Moderatorenposten verdient hast! Lese ja gar nichts, was nicht von uns stammt!“
Die böse Userschaft aber, nachdem sie noch immer nicht Creons blaue Farbe und Moderatorenrang bekommen hatte, hegte einen Verdacht. Und da trat sie wieder in das Wut- und Trauertopic und schrieb:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist der rechtmäßige Herrscher über dieses Fanfiktionland?“
„Werte Userschaft, Ihr seid die Mächtigste hier.“
Da war sie zufrieden, denn sie wusste, dass das Wut- und Trauertopic niemals lügen würde. Die Moderatorin aber kam aus sich heraus und wurde immer kompetenter, und als sie sieben Monate im Amt gewesen war, war sie so sehr für den Posten geeignet, wie kein anderer.
„Aber Creon“, sprach das Wut- und Trauertopic, „bei den sieben Autorinnen und Autoren,
geschützt von den machtvollen Administratoren,
ist tausend Mal kompetenter als Ihr!“
Als sie das Wut- und Trauertopic so schreiben sah, zitterte und bebte sie vor Zorn.
„Creon muss abgeschafft werden“, rief sie, „und wenn es meinen eigenen Account kostet!“
Daraufhin schrieb die böse Userschaft in ihrem lichtlosen, einsamen Keller, wo außer Internettrollen niemand hinkam, eine deftige Kritik. Zu Beginn sah sie schön aus, nahezu wie ein positives Feedback, aber wer weiter voranschritt und las, der wurde in seinem Selbstwertgefühl erheblich beschädigt. Als die Kritik fertiggeschrieben war, ging die böse Userschaft über die sieben Wettbewerbsthemen in den allgemeinen Bereich und dann direkt rüber zum Thema, in dem man Anregungen, Feedback und Ideen teilen konnte. Dort kopierte sie ihre Kritik hinein und erwähnte Creon mit mehreren Highlights.
Die Moderatorin war sich unsicher, als sie eine Benachrichtigung bekam und schrieb:
„Ich darf eigentlich in keinem anderen Thema lesen, die sieben Autorinnen und Autoren haben es mir verboten!“
„Mir auch recht“, schrieb die böse Userschaft an Creons Pinnwand. „Mein Feedback will ich schon loswerden. Dann will ich’s dir hier schreiben!“
„Nein, ich darf nichts annehmen!“
„Fürchtest du dich etwa vor Kritik?“
Creon staunte über das zuerst positive Feedback und konnte nicht widerstehen, weiterzulesen. Kaum aber hatte sie die ersten Sätze hinter sich gelassen, so verschluckte sie sich plötzlich an der Kritik, hustete wild herum und verlor jegliche Motivation.
„Weiß wie ein Teppich, rot wie Tomatensaft, schwarz wie Plastik! Endlich habe ich es geschafft und du wirst abgesetzt!“
Nun war das Herz der bösen Userschaft zufrieden, soweit ein Herz voller Bosheit und Tücke und Schuld zufrieden sein konnte. Wie erschraken die sieben Autorinnen und Autoren, als sie sich abends an den Computer setzten und kein einziges Kommentar von der Moderatorin Creon verfasst wurde. Vergebens versuchten sie, sie wieder zu motivieren, doch Creon blieb inaktiv.
Da eilte ein junges Forenmitglied namens Raichu-chan, das sich in den sieben Wettbewerbsthemen verirrt hatte. Sie sah, wie Creon sich unmotiviert durch die Themen klickte und bat die Autorinnen und Autoren, ihr sie für Saisonpunkte zu überlassen. Die Autoren sprachen jedoch:
„Wir haben Saisonpunkte in Fülle und brauchen deine nicht! Und um alle Saisonpunkte in der Welt geben wir Creon nicht her!“
„So schenkt sie mir!“, bat Raichu-chan. „Ich kann nicht sein ohne Creon. Ich will sie aufs Höchste ehren und heilighalten. Sie soll schön in der rechten Leiste als Moderatorin eingetragen bleiben. Ich bitte euch darum!“
Da mussten die Autoren Tränen verdrücken und ließen Raichu-chan eine Konversation verfassen. Durch das Lob gewann die Moderatorin wieder an Motivation und da war sie mit einem Male wieder voller Energie, die sie in den Bereich stecken konnte. Geschwind kuschelte Raichu-chan sie mit der Forenfunktion und erzählte ihr alles. Creon nahm sie zu ihrer Mitmoderatorin, führte sie auch gleich in das Moderator-Dasein ein und regierte mit ihr gemeinsam den wohl schönsten Bereich des BisaBoards.
Viele Mitglieder aus dem gesamten Forum wurden geladen, als Raichu-chan in den Monatsveränderungen zur neuen Mitmoderatorin gekürt werden sollte. Darunter auch die böse Userschaft, die sich auf das Allerschönste putzte und in das Wut- und Trauertopic trat, um wieder zu fragen:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist der rechtmäßige Herrscher über dieses Fanfiktionland?“
Darauf antwortete das Wut- und Trauertopic:
„Böse Userschaft, Ihr seid die Mächtigste allhier,
aber die zwei Moderatorinnen sind tausendmal kompetenter als Ihr!“
Da wusste die böse Userschaft nicht, was sie vor Neid und Eifersucht sagen und anfangen sollte. Es wurde ihr ganz bange ums Herz und sie wollte erst gar nicht auf die Monatsänderungen klicken. Dann wollte sie aber doch, um die zu sehen, die kompetenter sei, als sie, und öffnete doch das Thema. Wie sie im Thema angekommen war, trat ihr Creon als die kompetenteste Moderatorin entgegen, die es jemals im Fanfiktion-Bereich gegeben hatte und da mochte sie vor Schrecken in die Erde sinken. Creon aber war nicht nur die Kompetenteste, sondern sie hatte auch ein großes, edles Herz, das die Untaten, die die böse Userschaft an ihr verübte, nicht selbst rächte. Es kam jedoch zu einem Forenbann.
Es war einmal ein kühler Herbsttag. An
diesem wehte der Wind durch die Baumkronen und lies immer mehr
Blätter zu Boden sinken. Da der Winter schon die Luft kühlte,
sollten die Bäume schnell kahl und ohne ein einziges Blatt zu sehen
sein.
An genau solch einen Tag, sollte ein
junger Mann seiner Mutter den Wunsch erfüllen, mal wieder nach
seiner schon alten und schwachen Großmutter zusehen. Er wusste das
es dieser meist nicht so gut ging und daher selbst nicht mehr so viel
erledigen konnte. Auch seiner Mutter ging es zu dieser Zeit nicht
gerade gut, da diese erst kürzlich stürzte und konnte daher nicht
selbst nach ihrer eigenen sehen. Aus genau diesem Grund bat sie ihren
Sohn, welcher aber lieber in seinem Zimmer lag und in einem seiner
lächerlichen Büchern las. Seine Mutter verlor daher schon fast
ihren Glauben, denn ihr Sohn schien sich einfach für nichts anderes
zu interessieren. Er war auch der einzige, welcher in diesem Haushalt
noch zu der Großmutter gehen konnte. Denn einen Vater gab es nämlich
nicht und auch niemand wollte über diesen sprechen. Ob dieser noch
lebte war dem jungen Mann daher unbekannt, aber er beschloss eines
Tages nicht länger danach zu fragen.
Als die Mutter es nun nach langem,
eindringlichem Reden geschafft hatte ihn zu überzeugen, um seiner
Großmutter den Korb mit den Lebensmitteln zu bringen, machte sich
dieser auch sofort auf den Weg.
So schnappte sich der große, schlanke,
leicht muskulöse Mann seinen roten Mantel, welchen er sich sofort um
hing und zog auch die dunkelrote, mit Pelz bestückte Kapuze über
seine halblangen blonden Haare.
>>Ich mache mich nun auf den
Weg... Ich beeile mich und bin auch vor Einbruch der Dunkelheit
wieder zurück... Das verspreche ich dir Mutter und ich werde auch
gut auf mich aufpassen<<, erklärte dieser seiner Mutter mit
einer ruhigen, jedoch leicht genervten Stimme.
Als er sah, das seine Mutter nickte, verließ er das gemütliche, warme Holzhaus und schloss die Türe hinter sich.
Kaum hatte er sein gewohntes Zuhause verlassen, wurde ihm auch schon, von dem starken Wind seine wunderschöne rote Kapuze vom Kopf geweht, da er aus genau dieser Richtung wehte, in welcher der blonde gerade sah.
Seufzend fuhr er durch seine halblange weiß-blonde Mähne und machte sich nun auch endlich auf den Weg.
Jedoch war er einer, welcher lieber,
sollte er einmal aus dem Haus gehen und von seinen Büchern ablassen,
streifte er lieber durch die Gegend, anstatt seine Arbeit zu
vollziehen. Vor allem da gerade auch noch Herbst war und die Welt
sich von seiner wohl kunstvollsten Seite zeigte, musste der junge
Mann welcher auf den Namen Aka hörte, einfach durch die so
wunderbare Gegend gehen, auch wenn er dadurch einen viel zu großen
Umweg machte.
So stapfte der so gemütliche Mann
durch die kunterbunte Mischung verschiedener Blätter und hielt immer
wieder einmal an um sich von den so wunderbaren Bildern der Natur
begeistern zu lassen.
Als er aber merkte, das der Tag zu dämmern begann und er immer noch nicht bei seiner Großmutter war, bekam er Schuldgefühle und er beruhigte sich mit leichtem ein und aus atmen, was sehr gut half.
Wie konnte er nur so sehr die Zeit vergessen und sich so in der Natur verlieren. Sofort drehte er sich nun in jede Richtung, doch zu seinem Bedauern, sah der Wald an jeder Stelle gleich aus und das machte es nun nicht wirklich besser für den Blond-haarigen.
>> Und was soll ich nun machen? Na toll... Das habe ich ja wieder sehr gut gemacht<<, murrte dieser nun vor sich hin und lies sich in das Laub fallen.
Er sah zu den Lebensmitteln, welche er seiner Oma hätte bringen sollen und schlug voller Wut auf den Boden, wodurch eine Ladung Blätter aufwirbelten und wieder langsam zu Boden sanken.
>> Na, wer hat sich denn hier in mein Territorium verirrt? Kann man helfen<<, hörte Aka nun eine ihm unbekannte, tiefe und raue Stimme sagen.
Sofort richtete sich dieser wieder auf und blickte in zwei goldbraune Wolfsaugen, welche zu einem jungen Mann seines Alters gehörten. Sofort begann er sein gegenüber zu mustern und wunderte sich über dessen Erscheinungsbild.
Denn dieser hatte braune lockige Haare,
welche ihm etwas ins Gesicht hingen und dadurch manchmal die Augen
leicht verdeckten. Auch war der Fremde sehr unordentlich gekleidet,
da dieser eine zerrissene ¾ Hose, mit Aufnähern trug, dazu noch
verschiedenfarbige Hosenträger in gelb und grün, welche so grell
waren, das diese Farben schon in den Augen schmerzten, sollte man
länger auf diese sehen und als Oberteil, hatte er ein weißes Hemd
an, welches auch schon geflickt und zerrissen war und unsauber in der
Hose steckte. Zu seinen Schuhen konnte man nicht viel sagen, da er
keine an hatte und Barfuß unterwegs zu sein schien.
Aki war verunsichert, vor allem die
Augen machten dem Blond-haarigen etwas angst, da er sich verlaufen
hatte, wusste er auch nicht, wo er sich befand und aus diesem Grund
überlegte er ob er den Fremden vielleicht doch um Hilfe bitten
sollte. Auch wenn er wusste, das dieser bei dessen Erscheinungsbild
vermutlich nicht helfen wollte und das obwohl er noch gerade eben
seine Hilfe angeboten hatte.
Nun drückte sich Aki vom Laubboden ab und stand wieder auf. Sein Rücken war voller Blätter des Laubbodens, auf welchen er bis eben noch gelegen hatte und nun stand er vor einer ihm völlig fremden Person. Doch die Unsicherheit wollte sich der junge Mann nicht anmerken lassen und schüttelte den Kopf.
>>Eigentlich nicht... Ich habe mich hier nur ausgeruht.. Ich werde wieder gehen,<< meinte Aki nun und wollte gerade seinen Korb aufheben, als der andere diesen ihm wegschnappte.
>>Hier sind ja gute Sachen zu
finden... Jeder der sich hier her begibt muss etwas abgeben... Sonst
wirst du hier sicherlich nicht mehr so leicht weg kommen mein guter
Freund,<< meinte der Braun-haarige zu seinem Gegenüber und sah
diesen mit seinen Wolfsaugen an.
Nun war Aki nur noch mehr verunsichert.
Was sollte dieser denn nun machen? Einfach gehen, war in diesem
Moment nicht wirklich eine gute Situation, da er nicht wusste ob der
Fremde wirklich eine große Gefahr darstellte oder nicht.
Mit langsamen Schritten trat er dem anderen entgegen und dieser ging aus Reflex nach hinten weg. Nun streckte der braun-haarige Mann seinen Arm nach vorne, in welchem er den Korb mit den Lebensmitteln hielt und ließ ihn auf den Boden fallen. Da sich Aki nicht näher hin gehen traute, krachte der Korb zu Boden. Jedoch wurde der Sturz abgefedert, da dieser durch die Blätter etwas weicher war als sonst.
>>Geh... Du musst umkehren und nach ca. 100 m rechts... Vielleicht sieht man sich wieder,<< meinte der Fremde und drehte sich um.
Nachdem Aki sich den Korb geholt hatte und anschließend wieder in die Richtung des Fremden sah, sah er nur noch einen pechschwarzen Wolf, in Richtung des Sonnenuntergangs rennen. Aus diesem Grund, konnte er den anderen auch nicht mehr nach dessen Namen fragen. Jedoch beschloss er ihn Shadow zu nennen. Da dieser so wie ein Schatten auftauchte und wieder verschwand.
Doch nun machte er sich schnellst
möglich in die Richtung die ihm genannt wurde und tatsächlich fand
er die kleine Waldhütte seine Großmutter. Es war ein sehr kleines
aber gemütliches Häuschen und wenn man den Rauch aus dem Kamin sah,
wusste man, das man mit einer Tasse Tee rechnen konnte, da sie diesen
gerade aufbrühte.
Etwas vorsichtig, klopfte er an die Tür und als er dann ein leises, aber freundliches herein vernahm, betrat er das Waldhäuschen.
Mit einem lauten knarren und quietschen öffnete er nun die Türe und sah seine Oma mit zwei Tassen Tee vor dem Kamin sitzen.
>>Komm herein... Ich habe schon lange auf dich gewartet und befürchtet du seist dem Wolf untergekommen.. Ich habe mir sorgen gemacht,<< meinte diese mit sehr besorgter Stimme und Aki schloss nun die Türe hinter sich.
Anschließend schüttelte er den Kopf
und lächelte. Er erklärte ihr nun was passiert war, woraufhin diese
zu lachen begann.
>>Ja.. dieser junge Mann sieht auch sehr oft bei mir vorbei und bringt mir Waldfrüchte oder Pilze. Er ist wirklich sehr freundlich. Aber jetzt setz dich her und trink den Tee, bevor er kalt wird,<< meinte sie.
Mit einem nicken Stimmte Aki dem zu, setzte sich zu seiner Großmutter und überreichte ihr den Korb mit den Lebensmitteln.
Diese bedankte sich und als es schon spät abends war, verließ der blonde junge Mann die gemütliche Holzhütte wider und machte sich auf den Weg nach Hause.
Zuhause angekommen, bekam er zwar
Ärger, von seiner Mutter, da er erst um 0 Uhr Nachhause kam. Aber
sie war froh, das es ihm gut ging.
Dennoch wurde weder der Pechschwarze Wolf, noch der fremde Mann seither wieder gesehen.
Es war einmal im Märchenland, da lebte ein junges und schönes Mädchen namens Rotkäppchen. Sie hieß so, weil sie eine rote Kappe trug wie ihre Mutter, Großmutter und viele andere Vorfahren es auch taten. Im Laufe der Zeit wandelte sich die rote Stoff. erst war es als Haarband, dann ein Kopftuch und heute eine coole Kappe.
Wieder einmal ging sie in den untoten Wald, die Bäume waren betoniert, die Blumen aus Plaste und der Gesang der Vögel kam aus Lautsprechern. Zeiten ändern sich nur mal, dagegen gibt es kein Mittel.
Die Navigationsapp empfahl ihr wieder einmal auf den rechten Weg zu bleiben,sonst wird das ungeheure geschehen.
Sie ignorierte diese Warnung, sie wanderte viel lieber auf den linken Wege umher.
Letztendlich spielte es keine große Rolle für sie, letztendlich führten alle Wege zu ihre Großmutter.
Sie wanderte durch diesen trostlosen Wald, im Hintergrund trällerte die Nachtigall, sie klang ein wenig synthetisch.
Irgendwann traf sie auf dem Wolf, jedenfalls das, was die Menschen heutzutage einen Wolf nannten.
Vor ihr stand ein reudiger schwarzer Vierbeiner mit einen humanoiden mechanischen Oberbau. Seine Augen leuchteten rot auf, seine Zähne waren so scharf und glänzend wie Silber.
Rotkäppchen wusste, dass er hungrig war, aber sie war vorbereitet.
Sie gab ihn ein wenig Frolic, historisches Hundefutter.
Der Wolf fraß das mit großen Vergnügen.
Sie ging weiter .
Ihre Großmutter lebte in einer hiesigen Villa, sie war reich, sehr reich sogar.
Leider war die Villa eine dementsprechend zur eine Festung ausgebaut.
Rotkäppchen nahm einfach die Hintertür und drang in das Schlafzimmer ein. Dort lag die Großmutter, sie starrte sie mit großen Augen und offenen Mund an.
Du lebst ja noch? Ich dachte, ich hätte dich ausgelöscht, sagte sie voller Kälte.
Mit kräftige Stimme sagte sie, ja, ich lebe noch.
Die Großmutter richtete ihren im Arm eingebaute Laserkanone auf ihre Enkelin.
Plötzlich erschien der Wolf und verschlang die Großmutter.
"Ich muss mich bedanken, Menschenkind. Du hast mich vor dem Tode bewahrt." sprach der Wolf mit künstliche Stimme.
"Das war doch nichts, Wolf!" sagte sie und nahm ihre Kappe ab, eine afrikanisch-asiatisches schönes Gesicht mit schwarzen Haaren kam zum Vorschein. ihr rechtes Auge war künstlich.
Der Wolf war schockiert, er dachte immer, dass Rotkäppchen blond und weiß war, aber das hatte er nicht erwartet.
"Ich bin Yeager, ich habe mich geirrt in dich, ich dachte, du seist wie deine Vorfahren. Sie löschten uns fast aus."
"Ich bin Maria, ich bin anders als die anderen."
Zeiten ändern sich nurmal.