Fanfiction x Pixel Art: Feuer und Eis

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Kelly klappte ihr kleines blaues Notizbuch zu, lehnte sich gegen die raue Rinde des alten Baumes und schloss kurz die Augen. Wie sie es auch drehte und wendete, sie konnte sich nicht wirklich entscheiden.

Sie schlug die Augen wieder auf. Vor ihr lag eine weite, grasbewachsene Klippe, hinter der der blaue Ozean im Sonnenlicht glitzerte. Eine starke Meeresbrise frischte auf und ließ die Blätter des Baumes rascheln. Es war ein Ort, an den Kelly gerne kam, wenn sie über irgendetwas nachdenken wollte. In letzter Zeit war sie oft hier gewesen.

Es hatte inzwischen auch keinen Sinn mehr, wieder in das Notizbuch zu schauen, denn Kelly kannte ohnehin schon auswendig, was sie dort hineingekritzelt hatte.

Und bald lief die Zeit ab.

Ein Geräusch riss Kelly aus ihren Gedanken. Schritte näherten sich von hinten dem Baum, und Kelly spähte kurz um den Stamm herum.

„Oh, du bist’s“, sagte sie wenig euphorisch.

„Freust dich ja offenbar sehr, mich zu sehen“, gab ihre Freundin Norah trocken zurück und setzte sich neben sie, ebenfalls an den Baum gelehnt.

Kelly seufzte. „Ich kann mich immer noch nicht entscheiden. Die Idee mit der Liste war gut, aber ... Ich weiß es immer noch nicht.“

Frustriert warf Kelly ihr Notizbuch neben sich auf den Boden.

Norah zuckte die Achseln. „Alle sagen, am Ende weiß man das sowieso.“

„Ja, vielleicht …“, gab Kelly zurück, ohne wirklich davon überzeugt zu sein. „Was machst du eigentlich hier?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln.

„Ich wollte gucken, wo du bist. Außerdem wollte ich zeichnen üben.“ Norah setzte sich ein wenig gerader hin und zog selbst ein Notizbuch hervor. Im Gegensatz zu dem von Kelly war es rot.

Norah hatte offenbar ein kleines Wäldchen in einiger Entfernung als Motiv gewählt und fing bald an, Linien auf das weiße Papier zu zeichnen. Kelly sah kurz zu, dann ging ihr Blick wieder aus Meer hinaus, bis Kelly sie anstupste.

„Guck mal“, sagte sie und zeigte in die Richtung des Wäldchens, das sie zu zeichnen begonnen hatte.

Ein Junge und ein Mädchen, beide vielleicht ein paar Jahre älter als sie, waren zwischen den Bäumen hervorgetreten und stellten sich in einer Entfernung von etwa zwanzig Metern voreinander auf. Zwischen ihnen ragten hier und da einige Felsen aus dem Klippengras.

„Sind das Trainer?“, fragte Kelly.

„Glaub schon“, antwortete Norah. „Vielleicht wollen sie hier gegeneinander kämpfen.“

Wie um sie zu bestätigen, zogen beide Trainer jeweils einen Pokéball hervor und warfen ihn vor sich auf den Boden. Aus dem des Jungen erschien ein auf zwei Beinen stehendes und gewaltiges Pokémon, das über komplett weißes Fell verfügte. An seinem Kinn schien eine Art Bart aus Eiszapfen zu hängen. Die mächtigen Pranken dieses Pokémon wirkten überaus furchteinflößend.

„Was ist das für ein Pokémon?“, fragte Norah.

„Moment“, sagte Kelly und blätterte in ihrem Notizbuch, wo sie Informationen zu mehreren Pokémon notiert und mit einem Bild versehen hatte. Schließlich fand sie, was sie gesucht hatte. „Das ist ein Siberio“, sagte sie. „Ein Pokémon aus der Einall-Region.“

„Was kann es?“

„Es hat den Typ Eis. Es kann seinen eigenen Atem gefrieren lassen. Damit bildet es Reißzähne, die es dann im Kampf einsetzt.“

„Und das andere Pokémon?“, fragte Norah. Erst jetzt fiel Kellys Blick auf das Pokémon der Trainerin. Ihr Herz machte kurz einen Hüpfer. „Oh, das ist die Weiterentwicklung von Hopplo“, sagte sie aufgeregt und blätterte in ihrem Notizbuch. „Moment, sie heißt … Na, wo steht es …“ Verwirrt starrte sie auf die Seiten. Sie hätte schwören können, sich bei ihrem Eintrag zu Hopplo neben den Bildern seiner Weiterentwicklungen auch deren Namen notiert zu haben, doch diese fehlten. „Ich hab wohl vergessen, die Namen der Entwicklungen aufzuschreiben“, seufzte Kelly.

„Hm“, machte Norah nur.

So oder so war die Ähnlichkeit zu Hopplo allerdings gut sichtbar. Es lief auch auf zwei Beinen und hatte weißes, an manchen Stellen orangenes bis rotes Fell. Es war allerdings ein bisschen größer und wirkte auch leicht kräftiger als seine Vorentwicklung, wenngleich es immer noch agil und beweglich schien. An seinen Füßen sprühte gelegentlich Feuer hervor, das das Klippengras in unmittelbarer Nähe verschmoren ließ.

„Nie und nimmer hat das eine Chance“, sagte Norah. „Guck dir mal an, wie winzig es ist!“

Kelly verstand, was sie meinte. Das Feuerpokémon ging vielleicht einem Kind wie ihnen fast bis zur Schulter, aber im Vergleich zum großen Siberio war es geradezu mickrig.

„Aber es hat den Typvorteil“, sagte Kelly. „Feuer schmilzt Eis.“

Im nächsten Moment schoss das Feuerpokémon los. Die Befehle der Trainerin drangen entgegen des Meerwindes nicht zu Kelly und Nora durch, doch sie konnten sehen, wie das Pokémon schnell um das Siberio herumraste, hochsprang und es mit zwei gezielten Tritten in seinem Rücken traf.

Das Siberio machte unter der Wucht der Attacke einen Stolperer nach vorne, fing sich aber wieder, drehte sich um und spie aus seinem Mund einen Wirbel aus Schnee und Eis, der so kräftig war, dass das Feuerpokémon davon weggeweht wurde. Es purzelte über den Boden, rollte sich aber ab und kam wieder auf die Füße. Viel schien ihm die Attacke nicht ausgemacht zu haben.

Das Feuerpokémon hüllte sich in Flammen und stürmte erneut auf das große Siberio zu – diesmal sogar noch schneller. Das Eispokémon wurde an der Brust getroffen und geriet wieder ins Taumeln. Indes hielt sein kleiner Gegenspieler keineswegs inne, sondern bereitete sich auf einen neuen Angriff vor.

In diesem Moment bildeten sich aber plötzlich überall in der Luft Eiszapfen, die auf das Feuerpokémon herabschossen und es so dazu zwangen, seinen Angriff abzubrechen und stattdessen auszuweichen. Vor einem Eiszapfen konnte es nur knapp davonspringen, verlor aber bei der Landung das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.

Es schien fast, als habe das Siberio nur auf diesen Moment gewartet. Mit einem Satz war es bei seinem Gegner und schlug mehrmals mit seinen mächtigen Pranken nach ihm. Das Feuerpokémon flog durch die Luft und traf auf einen im Boden steckenden Eiszapfen, der unter ihm zerbrach.

Danach rührte es sich nicht mehr.

„Wow“, sagte Norah. „Das war brutal.“

„Das arme“, meinte Kelly. Sie wusste, dass Pokémonkämpfe mitunter heftig sein konnten, aber es nahm sie schon mit, zu sehen, wie ein kleines Pokémon von einem größeren so fertiggemacht wurde – auch wenn am Ende alle Verletzungen im Pokémon-Center geheilt wurden.

„Aber es war ja abzusehen, oder?“, fragte Norah. „Ich meine, so klein, wie …“

„Warte!“, sagte Kelly. „Da passiert was!“

Das am Boden liegende Feuerpokémon hatte plötzlich zu leuchten begonnen. Kelly und Norah konnten nicht genau sehen, was passierte, zu hell war das Licht, in dem die Gestalt des Pokémon unterging.

Nach wenigen Sekunden verblasste das Licht wieder. Was nun aber zu sehen war, war nicht mehr das relativ kleine Feuerpokémon. Es hatte noch etwas an Größe zugenommen, auch wenn es immer noch kleiner war als das große Siberio. Flammen züngelten um verschiedene Stellen seines Körpers: Um die Ohren, seinen Hals, seine Füße. Obwohl es einen Hauch an Niedlichkeit bewahrt zu haben schien, wirkte es doch ein wenig furchteinflößend, als es eine Kampfstellung einnahm, die an einen Boxer erinnerte.

„Es hat sich weiterentwickelt“, sagte Kelly ungläubig.

„Wow, ich habe so was noch nie gesehen“, flüsterte Norah.

Weiter kamen sie nicht, denn offensichtlich ging der Kampf weiter. Das frisch weiterentwickelte Pokémon hüllte sich in Flammen und stürzte auf seinen Gegner zu, der anfing, wild um sich zu schlagen. Das Feuerpokémon blockte allerdings die Schläge und ging zugleich zum Gegenangriff über. Mit harten und flammenden Tritten setzte es seinem Kontrahenten zu, der diesem Ansturm nicht standhalten konnte. Das Siberio knickte ein, bevor es von einem weiteren Tritt umgeworfen wurde. Es versuchte noch, sich mit einer Pranke wieder aufzustützen, diese rutschte aber weg und anschießend blieb es reglos liegen.

„Es hat es geschafft!“, rief Kelly. Sie ertappte sich dabei, instinktiv für das Feuerpokémon Partei ergriffen zu haben.

„Wenn es sich nicht entwickelt hätte, hätte es schlecht ausgesehen“, sagte Norah. „Aber so … Wie es das Siberio im Nahkampf fertig gemacht hat, war echt heftig.“

Die beiden Trainer riefen ihre Pokémon zurück, schüttelten einander die Hände und verschwanden wieder in dem kleinen Wäldchen, aus dem sie gekommen waren. Sie hinterließen eine Fläche mit im Boden steckenden Eiszapfen, die allmählich schmolzen und zahlreichen Stellen, an denen das Gras verbrannt worden war.

Norah setzte ihren Stift wieder auf das Papier. „Ich guck mal, ob ich den Kampf aus dem Gedächtnis in etwa hinkriege.“

Kelly hörte das Kratzen des Stiftes und nahm ihr eigenes Notizbuch, um sich noch einmal die eingeklebten Fotos der beiden Pokémon anzusehen.

„Ich wähle dich, Hopplo!“