Charakterdesigns
Was sagt es aus?
Was sticht uns ins Auge?
Ihr könnt diesen langen Text lesen oder gleich auf die Fragen unten eingehen / einfach euren Senf und euer Ketchup posten. xD
Wie wichtig ist euch das Charakterdesign? Was empfinden Menschen überhaupt als ästhetisch, gutaussehend, aufregend, kreativ ...? Let's discuss.
Für viele visuell orientierte Menschen wie mich entscheidet der erste Eindruck vom Stil und Charakterdesign darüber, ob sie Interesse an dem Anime haben.
Dabei kann man im Design ebenfalls davon ausgehen, dass auch der persönliche Geschmack der*s Zeichner*in eine Rolle spielt und wir am Ende einen Charakter so zu sehen bekommen, wie er der*m Mangaka gefällt und wie er uns gefallen könnte.
Dazu werden erstmal etliche Skizzen gezeichnet, die im Endprodukt ein wenig anders aussehen könnten.
Während man die Frage oben nicht allgemeingültig beantworten kann, da Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, gibt es einige Kniffs, die beim Zuschauer oft gut ankommen.
Symmetrie sieht im Gesicht des Charakters schön aus (es sei denn, es handelt sich um Narben oder Augenklappen etc, die aufregend, attraktiv und kreativ aussehen können), in seinem restlichen Design jedoch wirkt zu viel Symmetrie langweilig. Deshalb sieht die Kleidung und Frisur auf beiden Seiten oft nicht komplett identisch aus. Das Design wird dann durch Details an der Kleidung oder einer kleinen Haarsträhne etc. aufgepeppt. Daher sehen selbst Schul- oder Militärsuniformen manchmal nicht vollkommen gleich aus, selbst wenn sie das für die entsprechende Schulstufe oder militärischen Rang müssten.
Haar- und Augenfarben und Farben in der Kleidung zum Beispiel haben auf uns einen psychologischen Einfluss und diese entscheiden, wie unser unterbewusster, erster Eindruck des Charakters ausfällt. In manchen Genres, zB. Mahou Shoujo, weiß di*er Zuschauer*in oft bereits, welche Haarfarben für welchen Charaktertyp steht.
Von einem ästhetischen Standpunkt aus gesehen sollten natürlich keine Farben zusammenfallen, die direkt auf der gegenüberliegenden Seite des Farbkreises liegen etc, allerdings muss das wohl so manchen Japanern erst gesagt werden ...
An sich sehen so gut wie immer alle Hauptcharaktere in irgendeiner Weise (sehr) gut aus, sie besitzen schöne Gesichtszüge, sind oft natürlich schlank / normal und fallen auf: sie besitzen oftmals ein aufregenderes Design als Charaktere im Hintergrund etc... Denn ein*e Mangaka oder ein Studio kann nicht seine Zeit damit verschwenden jede Figur, die sich im Hintergrund bewegt, oder jede Person hinter dem Thresen, die für zehn Sekunden zu sehen ist und dem Protagonisten bloß den Preis nennt, auszuarbeiten.
Zudem haben wir über Jahrzehnte der Animation eine cinematische, universielle Sprache in visuellen Medien und in der Animation erlernt, sodass wir anhand des Designs sofort verstehen, ob wir nun einem wichtigen Charakter begegnen.
Wir verstehen bei vielen Charakteren auf den ersten Blick ebenso, welche Grundcharakterzüge ihnen zugeschrieben werden sollen (dazu unten mehr).
... Und wir verstehen, welchen Stil der Anime darstellen möchte.
Wie vielen bewusst sein dürfte, kommt bei Moeanime das typische Kindchenschema zum Einsatz, um die Charaktere niedlich und beschützenswert darzustellen.
Dabei handelt es sich meistens um Mädchen, aber nicht immer. Viele männlichen Charaktere vom Studio KyoAni (zB Akihito aus Kyoukai no Kanata) entsprechen ebenfalls diesem Schema.
Dieser Stil kann dazu dienen, einen besonders fröhlichen und niedlichen Anime zu erschaffen oder um einen starken Kontrast zu düsteren Geschichten mit Horrorelementen (zB. Madoka Magica, Made in Abyss) aufzubauen, in dem man die Charaktere noch viel mehr beschützen möchte.
In Shoujoanimes sehen Charaktere jedes Geschlechts oft etwas fragiler und "edler" oder süßer aus. Auch sehen die männliche Charaktere, die für Reverse Harem und Otome Games designt sind, anders aus als in einem Shounen oder Seinen. Selbst androgyne / femininere, männliche Hauptcharaktere in Shounen werden anders aussehen, als in Animes, die auf eine weibliche (und heterosexuelle~) Zielgruppe zugeschnitten sind.
Shounenanimes stellen Charaktere entweder etwas realistischer dar oder entwerfen die verrücktesten und abgedrehsten Designs. Männliche Charaktere werden oft recht muskulös dargestellt, obwohl man heute (2010+) auch eher bei manchen Animes dazu übergeht diese dennoch realistischer darzustellen.
Dabei kommt es beim Design eben nicht bloß auf die Gesichtszüge an, sondern auch auf den Körperbau. So manche Animes leiden nicht nur unter dem Same Face-Syndrom, sondern auch darunter, dass viele Charaktere eines Geschlechts denselben Körperbau (oder eine begrenzte Möglichkeit dessen) haben.
So sehen die Charaktere von K-On ziemlich gleich aus, was allerdings (unter anderem) mit dem fehlenden Detailreichtum simpler Zeichenstil zusammenhängt. In einem realistischen Stil existieren schlicht und einfach mehr Details, mit denen man arbeiten und einen Charakter individualisieren kann.
Beim Design muss di*er Mangaka natürlich einen Balanceakt zwischen einer klaren "Botschaft" und einem langweiligen Klischee beschreiten. Der Charakter soll individuell und einzigartig aussehen, aber in seinen Gesichtszügen, Kleidungs- und Haarstil ein wenig von dem widerspiegeln, wer er ist.
Dabei sind Klischees im besten Falle langweilig und geben dem Charakter nichts Neues und keine Individualität, im schlimmsten Fall beleidigt ein bestimmtes, stereotyp negativ behaftetes Aussehen gewisse Bevölkerungsgruppen. So hab ich öfter gehört, dass ein schwarzer Charakter bei The Promised Neverland durch ihr Design sehr negativ auffiel, was dadurch etwas gerettet wurde, dass andere schwarze Charaktere nicht demselben Stereotyp entsprachen.
Da dies den meisten Menschen klar ist, komme ich auf die eher langweiligen Klischees zurück: Man denkt sofort, man habe den Charakter schon dutzenden Male, nur ganz leicht oder gar nicht abgewandelt, gesehen. Man geht auch davon aus, dass sich der Charakter in seiner Persönlichkeit gar nicht vom dem Klischee, dem er entspricht, unterscheiden wird. Sprich: Viele verlieren das Interesse, noch bevor der Anime es überhaupt gewinnen konnte.
Dabei kann man auch mit Klischees spielen und diesen einen Grund oder Hintergrundgeschichte geben. Das Bekannteste, dass schwarz immer reinböse und weiß immer reingut bedeutet, ist ein solch altes Klischee aus der High Fantasy, das es bei vielen Zuschauer*innen nur noch ein müdes Augenrollen hervorruft, wenn man ihm wieder mal komplett unverändert begegnet.
Auch bei anderen Details muss di*er Mangaka einen Balanceakt beschreiten und sich überlegen, was man darstellen möchte.
Besonders wichtig ist es für viele Mangaka wohl, dass dein Charakterdesign deinen Namen trägt und man auf einen Blick ganz genau weiß, aus welchem Anime der Charakter stammt.
Viele wollen zudem ästhetisch schöne Charaktere erschaffen und viele Zuschauer*innen wollen diese sehen.
Ist die Geschichte kein Ecchi oder ein Anime mit viel Fanservice, sollten die Charaktere jedoch nicht sehr sexualisiert dargestellt sein. Zumindest nicht die Hauptcharaktere. Mir ist in Shounen-Anime aufgefallen, dass das Mädchen mit den unglaubwürdig großen Brüsten nie das "Main Girl" oder anderwertig Teil der Hauptgruppe ist. Man vergleiche zB. Morgiana aus Magi mit ein paar anderen Frauen dort.
Wenn wir noch ein bisschen genauer auf die Kleidung eingehen, so können wir viel mehr als nur ein paar Kernpersönlichkeitszüge erkennen. Wir können auf dem ersten Blick feststellen, in welchem Setting und in welcher Epoche wir uns befinden, ob der Charakter arm oder reich ist, ob er aus derselben Kultur stammt wie die anderen etc... und an Uniformen kann man ebenso so manches ablesen.
Und zwar ist das kein Muss, aber Kleidung kann auch praktische Funktionen erfüllen.
In Attack on Titan ist die Ausrüstung Teil des Designs und auch, wenn man die Waffen (gleich dazu) betrachtet, weiß man, sie gehören zu Attack on Titan. Frauen und Männer tragen hier dieselbe Uniform, die in world in erster Linie praktischen Nutzen erfüllt, und so könnte man noch einige andere Animes als Beispiel anbringen.
Waffen sind hierbei, wir bereits genannt, oft ganz klar Teil ein wichtiger Teil des Designs und sollten sowohl ihre Funktion in der Story erfüllen, zum Charakter und dessen Design und Persönlichkeit passen und ebenso den nötigen Wiedererkennungswert erfüllen.
Man muss auch bedenken, dass Merchandise verkauft werden soll. Je individueller, besser und kreativer die Waffe (oder ein anderer, persönlicher Gegenstand) aussieht, desto eher erinnert man sich an sie und desto lieber wird sie gekauft. Man sollte die Waffe ansehen und sofort wissen, in welchen Anime und zu welchem Charakter sie gehört. Bei vielen Magical Girl-Serien jedoch reicht es schon aus sie dem Anime zuordnen zu können, da die Mädchen oft dieselben Accessoires und Waffen besitzen und sich diese, wenn die es tun, nur leicht voneinander unterscheiden.
Ein weiterer, wichtiger Teil des Charakterdesigns, ist seine Mimik und Körpersprache. Ein gutes Design bringt uns nichts, wenn jeder steif wie eine Schaufensterpuppe dasteht. Bewegung und Mimik geben dem Charakter Lebendigkeit und ebenfalls wieder Individualität. Auch hier sollte man aufpassen nicht ins Klischee zu verfallen und dennoch etwas über ihn auszusagen. Würde ich darauf näher eingehen, müsste ich wohl ein eigenes Thema eröffnen.
In einem Nebensatz sei noch erwähnt, dass die Stimme ebenfalls sehr wichtig ist und in den ersten Sekunden des Animes darüber mitentscheidet, wie wir einen Charakter wahrnehmen. Deshalb werden Synchronsprecher in Japan auch so hoch angesehen. In erweiterten Sinne könnte man behaupten, die Stimme sei Teil des Charakterdesigns.
Fragen
Wie wichtig ist euch das Charakterdesign?
Was mögt ihr, was spricht euch an? Gebt auch Beispiele an. :)
Welche Kleidungsstile gefallen euch? Welche Haarfarben gefallen euch?
Welche Designs mögt ihr nicht?
Von welchen Klischees habt ihr die Nase gestrichen voll?
... und was euch alles noch einfällt.