Hallo und herzlich willkommen zum Vote der ersten Runde des Saisonfinales 2019!
Beim Voting könnt ihr den einzelnen Abgaben zwischen 1 (nicht gut) und 10 (sehr gut) Punkte vergeben. Dabei sind auch halbe Punkte (wie 2.5) möglich. Wichtig ist dabei, dass ihr alle Abgaben bewertet. Da der Wettbewerb anonym ist, vergeben Teilnehmer beim Voten Punkte an alle Abgaben - auch an die eigene. Diese werden bei der Auswertung nicht beachtet. Stattdessen erhaltet Teilnehmer einen Punkteausgleich für ihre Unterstützung. Begründungen sind nicht verpflichtend. Am Ende des Saisonfinales werden die Punkte aus den einzelnen Runden zusammengezählt - die besten Vier kommen dann in die Finalrunde.
Der Vote läuft bis zum Sonntag, den 24.11., um 23:59 Uhr.
Edit: Verlängert bis zum Sonntag, den 1.12., um 23:59 Uhr.
Verwendet bitte folgende Schablone für den Vote:
Zitat von AufgabenstellungDie Meere - sie bedecken siebzig Prozent der Fläche unseres Planetens, wenn das Museum in Graphitport City nicht lügt. Da ist es kein Wunder, dass sie seit jeher die Fantasie der Menschen angeregt haben, als Urgewalt, als unüberwindbar scheinendes Hindernis, hinter dem sich vielleicht unbekannte Länder verbergen oder aber als ein Ort, den es noch in seiner Tiefe zu erforschen gilt. Eure Aufgabe in diesem Wettbewerb ist es, eine Geschichte zu schreiben, in der ihr euch mit dem Meer befasst - ob ihr dabei von mystischen Seekreaturen erzählt, ein U-Boot tauchen lasst oder aber die Pläne irgendwelcher Gruppen erzählt, die das Meer um jeden preis vergrößern wollen (warum auch immer man auf so eine Idee kommt), ist dabei ganz euch überlassen!
Tosend schließen sich die Fluten über mir. Das Wasser umschlingt mich, drückt mich nach unten oder zieht mich nach oben – ich kann es nicht sagen, denn ich habe schon längst jegliche Orientierung verloren. Überall um mich herum sehe ich nur Blau. Das Meer kämpft erbarmungslos gegen mich, versucht mir die Luft aus den Lungen zu drücken.
Ich bin gefangen in dem Sog. Es ist kein Wirbel, er hält mich nicht an einer Stelle, er drückt mich weg. Weit weg. So lange, bis ich die Luft nicht mehr halten kann und Wasser schlucke.
Hustend schrecke ich hoch. Wie immer sitze ich eine Minute lang im Bett und versuche, wieder zu Atem zu kommen, ehe ich auch nur einen klaren Gedanken fassen kann. Seit ich die sichere Umgebung der Farm in der Nähe von Ohana verlassen habe, kommen immer wieder dieselben Albträume davon, wie ich unter Wasser in einem Sog gefangen bin und mich nicht befreien kann. Natürlich weiß ich, was sie bedeuten. Es sind Schuldgefühle, die sich immer weiter verstärken, seit ich auf mich selbst gestellt bin.
Ich habe viele schlimme Dinge gemacht in meinem alten Leben, aber diese letzte Mission war das Schlimmste. Wir waren so kurz davor, es zu schaffen. Wir sind immer noch kurz davor.
Nein!, rufe ich mich zur Ordnung. Nicht wir, sie. Ich gehöre nicht mehr zu ihnen. Aber werde ich wirklich jemals komplett von ihnen gelöst sein? Werde ich irgendwann aufhören, mich für alles, was sie tun, selbst verantwortlich zu machen?
Ich weiß es nicht, aber ich muss einen ersten Schritt machen. Ich muss mich meinen Albträumen stellen. Ich habe keine andere Wahl, wenn ich irgendwann mit der Vergangenheit abschließen möchte.
Es ist kurz vor vier, aber die Sonne schiebt sich schon langsam über den Streifen, der Himmel und Wasser trennt. Irgendwo dort hinten ist es. Entschlossen blicke ich auf den PokéNav, den Marianne mir zum Geburtstag geschenkt hat. Die Koordinaten sind bereits eingegeben. Tammy, mein Lapras schaut mich fragend an, wartet, dass ich zu ihr komme. Aber ich kann noch nicht. Ich muss erst meine Angst vor den Wellen besiegen, bevor ich mich auf eine stundenlange Reise über das Meer machen kann, bei der mir nichts als Rettung bleibt außer meinem treuen Pokémon.
Ich vertraue Tammy. Ich habe sie mit der Flasche aufgezogen und sie hat eine solche Verbindung zu mir aufgebaut, dass ein Auswildern unmöglich war. Aber auch wenn sie mir jeder Zeit das Leben retten würde, kann ich nicht einfach so gehen. Das Wasser ist nicht mein Feind. Ich muss mich nur noch davon überzeugen, mir das auch zu glauben.
Langsam gehe ich auf den Rand des Meeres zu. Tammy kommt in meine Richtung, um mich auf ihren Rücken zu lassen, aber ich schüttle den Kopf. Ich kann es ihr nicht erklären, aber ich hoffe, sie versteht es dennoch.
Ich zucke zusammen, als das Wasser meine nackten Zehen berührt. Ich war seit Jahren nicht mehr am Meer. Seit ich zurückgelassen wurde. Seit sich mein Leben verändert hat. Ich habe nicht erwartet, dass es so viele Erinnerungen aufwühlen würde.
Eine Welle umspielt meine Knöchel, als ich mich dazu zwinge, noch einen Schritt zu machen. Ich hatte eigentlich nie viel mit Wasser zu tun. Nicht bis zu dieser letzten Mission. Aber genau daran ist so viel geknüpft, dass es mich fast anstrengt. Meine Tante wählte mich aus. Alles was sie gesagt hat, war: „Du lernst tauchen.“ Und ich war so aufgeregt. Das Meer war so unendlich weit. Im Wasser war man schwerelos.
Noch ein Schritt. Ich war so stolz, ausgewählt worden zu sein.
Noch ein Schritt. Ich hatte so hart dafür gearbeitet.
Noch ein Schritt.
Ich zucke kurz zusammen, als das Wasser meinen Bauch berührt. Es ist trotz der frühen Stunde nicht kalt, aber gleichzeitig auch nicht warm.
Ich spüre ihn wieder, den Druck auf meinen Schultern. Genau wie damals, als ich die erste Tauchstunde nahm. Er wog schwerer als die Ausrüstung. Heute kam der Druck, weil ich keine Ausrüstung dabeihabe. Und weil ich in das Territorium so vieler legendärer Pokémon eindringe. Manchmal habe ich das Gefühl, sie alle nehmen mir übel, was ich getan habe. Manchmal glaube ich, dass Arceus mich verlassen hat.
Ein leiser Schrei reißt mich aus meinen dunklen Gedanken. Tammy kommt auf mich zugeschwommen, sie spürt, dass es mir nicht gut geht.
„Alles in Ordnung“, sage ich beschwichtigend und streichle ihren Hals, obwohl ich mir nicht einmal sicher bin, ob ich mir selbst glaube. Aber eines weiß ich: Arceus hat mich nicht verlassen. Tammy ist der Beweis dafür. Wenn der Gott der Pokémon böse auf mich wäre, hätte er nicht zugelassen, dass ich ein so wundervolles Pokémon an meiner Seite habe. Wenn er mir also verzeihen konnte, vielleicht könnte ich das dann auch.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln, nicke Tammy zu, verstaue den PokéNav in der Tasche, die ich um ihren Hals gebunden habe, und tauche unter, ehe ich es mir anders überlegen kann. Ich stehe. Ich bin nur in die Knie gegangen, aber ich spüre dennoch die Panik in mir aufsteigen. Ich halte es keine zwei Sekunden unter Wasser aus, ehe ich auftauche und schwer atmend Luft hole.
Und während ich da stehe, die Augen geschlossen, die aufgehende Sonne auf meinem Gesicht und den leichten Zug der Wellen an meinen Beinen spürend, erkenne ich plötzlich, was mir solche Angst macht. Ich hatte mich damals auf die Tauchstunden gefreut, weil ich im Meer schwerelos war. Ich habe Angst, gefangen zu sein. Ich habe Angst, die Freiheit zu verlieren.
Ob dieser Erkenntnis kann ich nicht anders als lachend den Kopf zu schütteln. „Ich helfe dir!“, rufe ich auf das Meer hinaus. Auch wenn die ersten Häuser recht nah am Strand stehen, ist es mir egal. Er muss es wissen.
„Ich helfe dir“, flüstere ich noch einmal, mehr zu mir, um mir Mut zu machen, nehme die Arme über den Kopf und springe in die Fluten. Ich tauche etwa fünf Meter, ehe ich wieder auftauche. Tammy ist die ganze Zeit nicht von meiner Seite gewichen. Ich kann nicht sagen, dass meine Angst weg ist, aber ich weiß jetzt, dass der Weg, den ich gehe, genau der richtige ist. Ich muss wenigstens versuchen, das Unrecht wieder gut zu machen, was durch mich entstanden ist.
Ich rufe Tammy zu mir und klettere auf ihren Rücken. Es wird ein langer Tag werden, eine lange Reise. Die Tasche, aus der ich den PokéNav wieder herausziehe, beinhaltet genug Proviant für zwei Tage. Wir müssen den Weg ja auch wieder zurück. Aber ich weiß, dass Tammy kein Problem damit hat. Die Seen und Flüsse, in denen sie bisher schwimmen musste, sind zu klein für sie. Endlich kann sie sich einmal wirklich auspowern.
Die Sonne scheint auf meinen Rücken; langsam färbt sich der Himmel wieder orange. Um uns herum ist seit Stunden nichts als Wasser, eine unendliche Weite, die mir noch immer etwas suspekt ist. Es ist etwas anderes, diese Strecke auf dem Rücken eines Lapras anstatt auf einem stattlichen Schiff zurückzulegen.
Laut meinem PokéNav ist es nun nicht mehr weit, aber ich bedeute Tammy dennoch anzuhalten. Es ist nun zwei Jahre her, dass ich zuletzt hier war, aber wenn ich mich an die Stelle erinnern kann, können sie das auch. Zwar wurden alle, die mit mir im Wasser waren und gesehen hatten, dass der Tempel tatsächlich hier verborgen war, auch mit mir gefangen genommen, aber das heißt nicht, dass sie nicht zurückgekehrt sind. Oder dass der Rest der Gruppe die Suche aufgegeben hatte.
Ich fische einen Pokéball aus der Tasche. „Zed, ich brauche deine Hilfe!“
Mit kräftigen Flügelschlägen schwebt ein wunderschönes Schwalboss vor mir in der Luft – ein weiteres Pokémon, dass sich nach seiner Aufzucht nicht von mir hatte trennen können. Inzwischen kann ich mir ein Leben ohne die beiden aber auch gar nicht mehr vorstellen. Vor allem nachdem ich in einer starken Gemeinschaft aufgewachsen bin, übermannt mich die Einsamkeit manchmal zu sehr, sodass ich nur zu dankbar dafür bin, Pokémon an meiner Seite zu haben.
„Bitte Zed, flieg so leise wie möglich in die Richtung und schau, ob dort ein Schiff zu sehen ist.“ Ich deute nach vorne, dorthin, wo die Sonne heute Morgen aufgegangen ist. „Es sind etwa zehn Kilometer. Schaffst du das?“
Zed scheint mir zuzunicken und macht sich dann auf den Weg. Er ist definitiv kräftig genug für die Strecke. Ich hoffe nur, dass er sich nicht verirrt.
Das Warten ist bis jetzt das Schlimmste an meiner Reise. Zum Einen habe ich Angst um Zed und zum anderen, weiß ich nicht, was ich tun werde, wenn er zurückkommt. Entweder er hat ein Schiff entdeckt, dann kann ich nicht gehen. Es könnte ein Wachposten der Internationalen Polizei sein. Es könnte aber auch die Rote Lore sein. Dann habe ich ein Problem. Oder Zed hat nichts entdeckt. Dann habe ich keine Ausrede, nicht zu gehen. Dann muss ich mich der Vergangenheit stellen. Und ich habe keine Idee, wie genau ich das machen soll. So weit habe ich bisher noch nicht gedacht.
Um mich abzulenken, starre ich auf das Wasser. Es ist seltsam, dass mir der kontinuierliche Wellengang in dieser Wartezeit doch etwas Ruhe schenken kann. Der Ozean ist riesig. Ich weiß noch nicht einmal, ob er da ist, wenn ich komme.
Als Zed zurückkommt, sieht er etwas müde, aber auch glücklich aus. Ich glaube, es hat ihm gefallen, sich so zu verausgaben. Er setzt sich neben mich auf Tammys Panzer und ich kann nicht anders, als ihm über sein Gefieder zu streicheln. Ich bin so froh, dass er unbeschadet zurückgefunden hat.
„Und?“, frage ich dann.
Zed sieht mich an und schüttelt dann den Kopf.
„Danke schön. Das hast du gut gemacht.“ Ich lasse das Lob einen Moment wirken, ehe ich wieder Zeds Pokéball zücke. „Jetzt solltest du dich ausruhen.“ Und mit diesen Worten rufe ich ihn in seinen Pokéball zurück. Damit bin ich wieder mit Tammy und dem Ozean alleine.
Wir legen die letzten Kilometer zurück, während die Sonne hinter uns untergeht. Die ersten Sterne funkeln bereits am Himmel, als mein PokéNav mir anzeigt, dass wir unser Ziel erreicht haben.
Bevor ich wirklich darüber nachdenke, ziehe ich die Taucherbrille aus der Tasche und lasse ich mich von Tammys Rücken gleiten. Sie sieht mich besorgt an, merkt aber schnell, dass ich das freiwillig tue. Mein Herz beginnt trotzdem zu rasen. Hier draußen, Stunden von der nächsten Küste entfernt, ist es doch etwas anderes als am Strand von Ula-Ula. Aber ich muss das machen.
Ich wasche die Gläser der Taucherbrille, setze sie auf, hole tief Luft und tauche unter. Ich darf nicht zu lange zögern, sonst würde mich meine Angst überwältigen. Allerdings gelingt es mir kaum, mich unter Wasser zu orientieren, ehe sie es doch schafft und ich wieder an die Wasseroberfläche muss. Dieses Mal jedoch nicht, weil ich Angst vor der Strömung habe. Ich habe Angst, dass Tammy verschwindet. Dass ich wieder auftauche und allein gelassen werde. Mein Verstand weiß, dass Tammy das niemals tun würde, aber mein Herz rast dennoch. Diese Leute waren meine Familie. Familie geht über alles, haben sie gesagt. Und dann ließen sie mich einfach zurück. In der ersten Zeit war das für mich schlimmer als all die Verbrechen.
Als ahnt sie, was mir solche Angst einjagt, kommt Tammy zu mir geschwommen und reibt ihren Kopf an meiner Wange. Und ich bin ihr unendlich dankbar dafür. Sie gibt mir die Kraft, diese Reise zu überstehen.
Ich muss noch ein paar Meter schwimmen, so viel konnte ich erkennen, als ich unter Wasser war. Es war zwei Jahre her, aber jede Felsformation hat sich in mein Gedächtnis gebrannt, so oft hatte ich diese letzte Mission vor meinem inneren Auge abgespielt.
Bald bin ich an der richtigen Stelle angekommen. „Wünsch mir Glück“, flüstere ich zu Tammy, die weiterhin an meiner Seite geblieben ist. Dann versuche ich es noch einmal. Tief einatmen und einfach abtauchen in diese unendliche Weite.
Sein Tempel ist noch genauso schön, wie ich ihn in Erinnerung habe. Vielleicht sogar noch schöner, jetzt da ich ihn in dem Wissen betrachten kann, dass ich nicht hier bin, um ihn zu zerstören. Keine zwei Meter von der Stelle, an der ich mich befinde, hat mich damals dieser Sog erfasst. Inzwischen bin ich mir sicher, dass er es war. Heute halte ich Abstand, um ihn nicht zu verärgern. Und um mich selbst zu schützen.
Ich warte so lange, wie ich den Atem halten kann, kämpfe gegen das Bedürfnis, früher aufzutauchen. Aber er kommt nicht. Als ich mich schließlich an Tammys Panzer aus dem Wasser ziehe, ergreift mich die Enttäuschung. All der lange Weg für nichts. Aber er hat schließlich keinen Grund, sich mir zu zeigen. Er schuldet mir gar nichts.
Ich bedeute Tammy, sich umzudrehen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie es schafft, die ganze Nacht über zu schwimmen. Vielleicht müssen wir uns mehr Zeit lassen. Zumindest scheint der Mond hell genug, um uns den Weg zu leuchten.
Ich betrachte die helle Spiegelung des Mondlichts, als sich das Wasser vor uns zu kräuseln beginnt. Tammy bleibt instinktiv stehen und ich halte den Atem an. Aus den mondbeschienenen Wellen taucht ein grau-blauer Kopf mit spitz zulaufender Schnauze auf. Ich neige den Kopf, um meine Demut auszudrücken.
„Taniwha“, flüstere ich. „Es tut mir leid. Bitte lass es mich wieder gut machen.“
Als ich wieder hochsehe, schaut mir das legendäre Pokémon ruhig in die Augen. Ich kann keinerlei Hass in seinem Blick erkennen, was dazu führte, dass sich mein Herz gleich etwas leichter anfühlt. Er hört mir zu.
Lächelnd blicke ich ihn an. „Ich will dir helfen, deinen Tempel zu beschützen.“
Wie bin ich im Meer gelandet?
Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist die Schneewüste aus dem Norden. Dann wilde Tiere. Dann nichts. Jetzt … das Meer.
Meine Sinne sind taub. Die Wogen peitschen gegen meinen Körper, doch ich fühle nur sanfte Wellen, die mich hin und her wiegen. Ich schmecke Sand und Salz und Trockenheit. Meine Augen brennen und ich erkenne nur das gleißende Licht der Sonne. Oder sind es die Monde? Wer kann das schon sagen.
Ich lasse mich treiben. Ich fühle mich ruhig, entspannt. Vor dem Untergehen habe ich lange meine Angst verloren. Damals, als ich unterging. Ich habe damals erkannt, dass ich keine Luft mehr brauche, sobald das Brennen in meinen Lungen einmal nachgelassen hat.
Warum bin ich auf einmal so müde? Im Schlafen kann ich nicht mehr treiben.
Wassertropfen auf meinem Gesicht. Ich schaue hin. Ein kleiner Fisch treibt an der Oberfläche entlang und hebt seinen Kopf aus dem Wasser. Sollten Fische das überhaupt tun? Doch diese Frage scheint ihn nicht zu beschäftigen, denn er hebt seinen Kopf immer weiter und weiter, getragen von einem unwirklich langen Hals. Dann wirft er sich über mich, umschlingt meinen Körper mit seinem. Wie ein Seil wickelt er sich um mich, fesselt mich, sodass ich mich nicht mehr bewegen kann. Ich werde gern umarmt. Ich würde die Umarmung erwidern, doch ich kann nicht. Stattdessen sinke ich. Die Welt um mich herum wird langsam dunkler.
Ich atme tief ein, mit jedem Atemzug gelangt ein bisschen mehr Wasser in meine Lungen. Es kratzt in meinem Hals, doch es fühlt sich gut an. Meine Lungen sind zum Bersten voll, doch es fühlt sich gut an.
Und plötzlich dieses Leuchten. Wie Blitze erhellt es meine Umgebung, taucht sie für den Bruchteil einer Sekunde in ein kaltes Violett, durchfährt dabei auch meinen Körper mit einer angenehmen Wärme. Und dann verschwindet es wieder. Nur ein Glitzern bleibt, verteilt im Wasser, das mich umgibt, als schwebte ich inmitten eines Sternenhimmels.
Ich bin allein. Aber das ist egal, denn das Wasser ist bei mir. Ich brauche nichts.
Erst jetzt realisiere ich, dass die Umarmung der Gestalt, die mich in ihr Reich bringen wollte, nachgelassen hat. Ich kann mich frei bewegen. Doch warum sollte ich das tun? Die Meeresoberfläche hat mir nichts zu bieten, und die Tiefen haben keinen Reiz. Ich treibe mit den Strömungen. Hier bin ich frei.
Ein lautes Geräusch, wie das Gebrüll einer wilden Bestie, reißt mich aus meiner angenehmen Einsamkeit. Ich spüre einen Sog. Dann spüre ich nichts mehr. Dann falle ich.
Über mir ist nur der endlose Himmel, blendend hell, überwältigend.
Ich richte meinen Blick auf die Welt unter mir. Ich werde aufgefangen werden von der Wüste. Dort ist Sand, endloser Sand, nichts als Sand.
Etwas erhebt sich aus dem immergleichen Boden. Es streckt sich mir entgegen, wie eine Säule aus Wüstensand. Der Sand streckt seine Finger aus. Es ist keine Säule mehr, es ist ein Arm, eine Hand, die nach mir greift.
Ich kann nichts tun. Ich werde nicht mehr lange allein sein.
Die Hand umfasst mich fest. Ich wehre mich nicht.
Sie legt mich auf den Boden. Sanft deckt sie mich mit einem Schleier aus Sand zu.
Ich bin müde. Ich werde jetzt schlafen.
Spiegelglatt ruht der rosafarbene Ozean, den heute nicht eine einzige Welle trübt. Darüber, ebenso strahlend rosa, der endlose Himmel. Still. Wolkenlos. Die Horizontlinie vollkommen verschluckt von der makellosen Ruhe.
Ausgerechnet ich bin es nun, der dieses perfekte Bild stört, als ich schwungvoll und grazil durch die Wasseroberfläche breche. Meine orange-rot schillernden Flossen einmal mehr zu Flügeln umfunktioniert, steige ich höher und höher. Tropfen, die ich unbewusst abschüttle, fallen hinunter und trüben den Meeresspiegel noch weiter. Ich schlängle mich unbeirrt weiter durch das Nicht-Wasser.
Wir, die Lufinar, gehören eigentlich nicht in diese obere Welt. Selten passiert es, dass einer von uns sich hinauswagt, um die andere Seite zu erkunden. Bei mir ist es eine Mischung aus Interesse und dem Bedürfnis nach Stille und Einsamkeit. Meiner Familie reicht es, den Geschichten zu lauschen, die ich von meinen Ausflügen mit nach Hause nehme.
Wann immer sich die Dunkelheit hinabsenkt, versammeln wir uns alle um den leuchtenden Stein im Zentrum unserer Gemeinschaft. Dann erzähle ich von den Dingen, die ich erfahren habe. Das dünne, klare Nicht-Wasser, in dem das Schweben nur mit körperlicher Anstrengung möglich ist. Das große Strahlen, das hier unten verschwommen zu uns hinabschimmert und sich dort oben als ein großes, kreisrundes und vor allem warmes Objekt entpuppt. Mehrmals versuchte ich, es zu erreichen, doch wie es scheint, muss es wohl unendlich weit weg sein. Vielleicht sogar über der Himmelsoberfläche. Ich frage mich, wie tief das Nicht-Wasser wohl sein mag.
Doch heute entdecke ich etwas, das eine größere Faszination in mir auslöst als alles, was mir zuvor begegnet ist. Ich habe mich auf meiner Reise durch den Himmel in Gedanken verloren und bin weit, weit von zuhause weggeschwebt, noch weiter, als ich es jemals vorgehabt hätte. Das große Strahlen ist gerade dabei, hinter dem Horizont im Meer zu versinken, und während es dies tut, bricht sich sein Licht in einem sonderbaren Kristallgebirge, das auf dem Wasser zu treiben scheint. Eine Strömung des Nicht-Wassers trägt Kälte in meine Richtung, deren Ursprung ich mir nicht erklären kann. Ich gleite um die glitzernden Zacken herum, um sie näher zu betrachten. Ich tauche ironischerweise gar wieder hinab in die untere Welt, wodurch ich feststellen kann, dass die Berge tiefe Wurzeln schlagen, dabei allerdings nicht bis zum Boden reichen. Schließlich nehme ich all meinen Mut zusammen und berühre den Kristall sanft mit meiner empfindlichen Schnauzenspitze. Ein wohliges Frösteln fährt durch meinen Körper, und tief in mir erkenne ich, dass das Gebirge ganz und gar aus Wasser besteht. Wasser in fester Form.
Ich lasse mich auf einem der Berge nieder. Es ist das erste Mal, dass meine Beine in der Umarmung des Nicht-Wassers das Gewicht meines Körpers tragen, und schon nach wenigen Schritten überkommt mich die Müdigkeit. Ich lege mich auf den Boden und ruhe. Träume.
Alles ist still.
Anemonia war ein wunderschönes Dorf. Manami – wie sie sich jetzt nannte – war früher öfter hier gewesen. Als der kleine Fischerort ihr neues Zuhause geworden war, hatte sie anfangs Angst gehabt, dass irgendjemand sie erkennen würde, doch mit kürzerem Haar, weitaus ärmlicheren Kleidern als früher und einem für gewöhnlich ungepflegten Äußeren schien niemand hier an das Mädchen erinnert zu werden, das die Tochter der nunmehr toten Kaiserin war.
Sie lebte hier ein einfaches Leben in einer kleinen Hütte und verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten. Wenn jemand Leute fürs Fischen, Ausbessern eines Bootes oder handwerkliche Arbeiten an einem Haus anheuerte, war sie stets eine der ersten, die ihre Dienste anboten.
Sie selbst hatte kein Boot, aber dafür die Freundschaft sehr vieler Wasserpokémon. Die Corasonn in der Umgebung Anemonias mochten sie besonders, was auf Gegenseitigkeit beruhte: Manami liebte ihr schönes Rosa und ihr verschiedenfarbiges Glitzern, wenn das Licht auf ihre Arme fiel. Manchmal fragte sie die Corasonn, ob diese sie zu den von Strudeln umgebenen Inseln im Meer zwischen Anemonia und Oliviana bringen würden. Dann schlossen sich die Corasonn zu einer schwimmenden rosafarbenen Plattform zusammen, auf der Manami und ihr engster Freund, ein Togetic namens Kouki, über das Meer und durch die gefährlichen Strudel getragen wurden. So konnte Manami regelmäßig schauen, ob auf den Strudelinseln noch alles in Ordnung war.
An einem Tag half Manami dem alten Fischer Yamato, ein paar Schäden an seinem Boot auszubessern, das an einem Steg im Hafen lag. Während der Fischer vorne im Boot saß und die Segel flickte, ersetzte Manami eine morsch gewordene Sitzbank durch eine neue. Kouki flog ausgelassen umher. Seine weiße Haut strahlte gleißend im Licht der Sonne.
Yamato schaute kurz, wie sie die alten Holzstücke der Sitzbank herauslöste und die rostig gewordenen Nägel herauszog. „Gut machst du das“, sagte er und nähte weiter einen Flicken auf ein Loch in seinem schmutzigen Segel.
„Du hast es mir beigebracht“, erwiderte Manami und wischte sich ein wenig Schweiß von der Stirn. Das stimmte tatsächlich – als sie neu in dem Dorf gewesen war, hatte sie viel von Yamato gelernt, was Arbeiten an einem Boot betraf.
„Stimmt wohl“, lächelte der alte Fischer. Ihm fehlten ein paar Zähne. „Hast du eigentlich schon das Neueste gehört?“
„Das käme drauf an, was das Neueste ist“, sagte Manami, auf ihre Arbeit konzentriert.
„Heute waren ein paar Leute von den Verteidigungsstreitkräften hier“, sagte der Fischer. „Sie waren kurz im Rathaus und sind dann wieder gegangen. Offenbar haben sie nur die Nachricht überbracht, dass es ab sofort per kaiserlichem Dekret verboten ist, sich den Strudelinseln zu nähern.“
Manami hätte sich beinahe mit dem Hammer auf die Hand statt auf den Nagel gehauen. Kouki unterbrach seine Flatterei und landete neben ihr, beinahe wie um sie zu beruhigen.
„So“, machte sie, während sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.“
„Ja“, fuhr Yamato fort, „und da frag ich mich schon: Warum? Ich meine, diesen verfluchten Strudeln will eh keiner zu nahe kommen, der nicht auf dem Meeresgrund verrotten will.“ Sein Lächeln bekam etwas Maliziöses.
„Ja, das ist merkwürdig“, bestätigte Manami. „Aber er wird wohl seine Gründe haben.“
„So wie du?“, fragte Yamato.
Manami hielt inne. „Wie meinst du das?“
„Ich weiß, dass du öfter zu den Inseln rausfährst. Die Corasonn tragen dich.“ Die Stimme des Fischers klang nicht misstrauisch, aber sein Grinsen dabei war irgendwie merkwürdig. Als wisse er …
„Ich mag es dort“, sagte Manami, auch wenn sie wusste, dass das eine ziemlich schlechte Erklärung war. „Ist so schön still.“
Yamato schüttelte den Kopf. „Am kaiserlichen Hof lernt man wohl nicht, wie man gut lügt.“
Manami legte ihren Hammer weg. Kouki flatterte auf ihren Schoß. „Du weißt davon?“
„Ich wusste es, seit du hier aufgekreuzt bist. Ich kannte dich ja von früher.“
„Du kanntest mich von früher?“, echote Manami.
„Du warst noch sehr klein, also wirst du dich wohl nicht erinnern. Du bist mit deiner Mutter am Strand gewesen. Ich war zufällig an dem Tag auch da. Du bist hingefallen und hast geweint. Da habe ich eine schöne rosafarbene Muschel aufgehoben, die am Strand lag, und dir geschenkt. Du hast aufgehört zu weinen, und deine Augen haben aufgeleuchtet. Und jetzt, nach all den Jahren, habe ich dich einfach an diesen Augen wiedererkannt. Strahlend blau, wie das Meer.“ Er schien in Gedanken versunken. „Auch wenn sie jetzt viel trauriger aussehen.
Manami ballte die Hände zu Fäusten, während Kouki sie ansah, als wollte er sie trösten. „Warum hast du bis jetzt nichts gesagt?“
„Du wolltest untertauchen. Sah nicht wirklich einen Grund dazu.“
„Und warum jetzt?“
„Weil ich annehme, dass du kurz davor bist, etwas sehr Dummes zu tun.“
„Und das wäre?“
„Auf die Strudelinseln zu fahren, obwohl es verboten ist.“
Manami schloss die Augen und streichelte mit einer Hand über Koukis Kopf.
„Ich mein nur“, sagte Yamato und kratzte sich an der Nase, „dein Leben hier scheint mir doch recht in Ordnung – also, in Anbetracht von … allem. Du hast Leute und Pokémon, die dich mögen, du kommst über die Runden – warum all das wegwerfen, um sich mit dem neuen Kaiser anzulegen? Rache?“
Manami schüttelte den Kopf. „Nein. Ich würde mich zwar gerne an Noboru rächen, und es gibt keinen Menschen auf dieser Welt, den ich mehr hasse als ihn. Aber darum geht es nicht.“
„Worum dann?“
„Das kann ich dir nicht sagen.“
Yamato schwieg für einen Moment. „Es ranken sich viele Legenden um die Strudelinseln“, sagte er dann. „Als ich noch jung war, gerieten mein Vater und ich draußen auf dem Meer in einen Sturm. Es donnerte und blitzte und wir hatten unsere liebe Not, das Boot vor dem Kentern zu bewahren. Und dann sah ich es.“
Manami spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam.
„Eine riesige Kreatur“, fuhr der alte Fischer fort. „Nur für einen Augenblick im Licht eines Blitzstrahls erkennbar. Sie schwebte vor der finsteren Wolkendecke. Kurz darauf löste sich der Sturm auf. Mein Vater hatte nichts gesehen, aber ich schon. Ich habe es nie vergessen. Und über die Jahre, die ich all das Seemannsgarn hörte, das die Leute erzählen – nun, ich konnte mir ein wenig was zusammenreimen.“
Kouki fiepte kurz.
„Aber natürlich“, schloss Yamato, „sollte das letzte Mitglied der rechtmäßigen Kaiserfamilie viel mehr über all das wissen, was in unserer Region so vor sich geht.“
Manami stand auf. „Ich kann dir wirklich nichts dazu sagen.“
„Das brauchst du auch gar nicht“, erwiderte Yamato achselzuckend. „Ich will nur wissen, ob die Sache es wirklich wert ist, dass du dein Leben dafür riskierst.“ Er seufzte. „Noboru – dieser neue Kaiser gefällt mir nicht. Er hat sich zwar um die Bevölkerung gekümmert, aber seit er an der Macht ist, wurden die Verteidigungsstreitkräfte massiv aufgestockt. Wenn ein Herrscher zu viele Soldaten um sich schart, kann das eigentlich nur zwei Dinge bedeuten: Tyrannei oder Krieg.“
„Beides schließt sich nicht aus“, sagte Manami ruhig. Kouki zappelte ein wenig auf ihrem Schoß.
„Nein“, stimmte Yamato zu, „das tut es nicht.“
Manami stand auf, Kouki immer noch in ihren Armen.
„Du gehst?“, fragte Yamato.
Manami nickte. „Ich sollte mich darauf vorbereiten, längere Zeit auf den Inseln zu verbringen“, sagte sie.
„Ich kann dich also nicht umstimmen?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Würde es sich nicht von selbst lösen?“, fragte Yamato. „Er kann doch unmöglich ein solch mächtiges Wesen unter seine Kontrolle bringen.“
„Nein, das kann er sicher nicht“, antwortete Manami und kletterte auf den Steg, wo sie sich noch einmal umdrehte. „Aber er kann es sehr wütend machen.“
In ihrer Hütte packte Manami zwei große Seesäcke mit Vorräten zusammen, die sie auf den Strudelinseln brauchen würde, während Kouki sie neugierig beobachtete. Jetzt, wo der Kaiser sein Auge auf die Inseln gerichtet hatte, sollte sie so oft und so lange wie möglich da sein. Wenn ihr das Proviant ausging, würde sie nach Anemonia fahren und einfach welches stehlen, das hatte sie bereits geplant. Aber vielleicht würde das nicht notwendig werden – an den Tagen, an denen sie die Inseln besucht hatte, hatte sie sich auf einer von ihnen bereits eine Felsenhöhle ausgesucht und diese bei ihren Besuchen immer mal wieder mit haltbarem Essen aufgefüllt. In der Nähe dieser Höhle entsprang zudem eine Süßwasserquelle.
Sie sah sich noch einmal in der Hütte um, die ein einfaches Zuhause gewesen war. Ein paar Muschelketten, die Manami irgendwann mal gebastelt hatte, bildeten an einer Wand hängend die einzige Dekoration. Irgendwie versetzte es ihr einen Stich, das Wenige hier zurückzulassen. Vielleicht, weil Yamato Recht hatte: Sie war in Anemonia trotz allem wirklich glücklich gewesen.
Sie verließ ihre Hütte, die ziemlich am Rande des kleinen Fischerdörfchens lag und ging zum Strand, wo sie ins Wasser stieg und nach den Corasonn rief.
Schon bald hatten sich die rosafarbenen Pokémon um sie gesammelt, und Manami stieg auf ihre Rücken – vorsichtig, um die Korallenarme der Corasonn nicht zu beschädigen. Kouki flatterte auf ihre Schulter und fiepte zärtlich. Das munterte sie ein wenig auf.
„Los“, flüsterte sie den Corasonn zu, die sogleich losschwammen.
Es war Wochen später, als Manami eines Morgens fünf Schiffe durch ihr Fernrohr sah. Es waren eindeutig Kriegsschiffe, und ihre Besatzung bestand vermutlich aus erfahrenen Matrosen und Soldaten, die allesamt über Pokémonpartner verfügten. Sicherlich waren Pokémon darunter, die die Macht hatten, die Strudel aufzulösen. Manami wusste, dass es Pokémon gab, die das konnten, auch wenn es für die großen Strudel, wie sie um diese Inseln auftraten, sicher mehrere brauchte. Vermutlich würden dann die Soldaten die Inseln erkunden.
Was konnte sie selbst tun? Sie hatte sich mit vielen Pokémon in der Gegend angefreundet, die ihr helfen würden, wenn es zu einem Kampf kam, aber würden sie diese kleine Flotte aufhalten können?
Sie mussten es versuchen. Wenn der Kaiser den Wächter der Meere provozierte, wären die Folgen für die gesamte Welt nicht abzusehen. Und wenn er ihn gar unter seine Kontrolle brächte, dann gäbe es wohl nichts auf den Meeren, das sich ihm noch würde entgegenstellen können. Und die Herrschaft über die Meere, das wusste Manami von ihrer Mutter, bedeutete die Herrschaft über die Welt, die zu den größten Teilen aus Meer bestand.
Manami ging an den Strand und rief einige Kingler herbei. Sie sagte ihnen, dass sie sich den Schiffen da draußen entgegenstellen würde und dass sie ihre Hilfe brauchte, falls sie scheitern sollte. In diesem Fall gab es nur noch eine Möglichkeit, den Vormarsch der kaiserlichen Truppen aufzuhalten: Die Eingänge in die Höhlen, welche die Strudelinseln verbanden, zum Einsturz zu bringen. Die Kingler verstanden und trippelten seitwärts von dannen.
Danach rief Manami die Corasonn herbei. Einige von ihnen bildeten wieder eine schwimmende Insel, die anderen schwammen los, um alle Pokémon zu versammeln, die sie finden konnten. Manami war sich nicht sicher gewesen, ob die Pokémon auf sie hören würden, aber offenbar spürten sie, was für eine Gefahr ihnen drohte.
Kurze Zeit später saß sie auf ihrer kleinen Insel aus Corasonn, Kouki auf ihrer Schulter, und wartete unmittelbar vor einem der Strudel auf die Schiffe. Erst noch weit entfernt, näherten sich die Schiffe mit unglaublicher Geschwindigkeit und waren bald so nahe, dass die Besatzung in der Lage sein musste, Manami zu sehen.
Schließlich fuhren zwei mächtige Schlachtschiffe links und rechts an ihr vorbei. Neben diesen monströsen Schiffen kam Manami sich winzig vor.
Während die Schiffe vorbeifuhren, schrie von einem ein uniformierter Mann herunter: „Per kaiserlichem Dekret ist es verboten, sich diesen Inseln zu nähern! Verschwinde auf der Stelle, oder wir stellen dich unter Arrest!“
„Der Kaiser hat mir gar nichts zu befehlen!“, rief Manami zurück. Der Schreihals gab ihr keine Antwort, sondern schrie seinen Leuten ein „Beidrehen!“ zu. Die von dem Schiff ausgehenden Wellen brachten Manamis kleine Corasonn-Insel heftig zum Schwanken, als es gefährlich nahe bei ihr zum Stehen kam. Ein Beiboot wurde herabgelassen, und vier Männer in Uniform kamen auf sie zugerudert. Drei von ihnen hatten ein Karnimani, dabei, das Pokémon des vierten Mannes war allerdings nirgendwo zu sehen.
Als sie schon fast bei Manamis Insel waren, schossen plötzlich Fangarme aus dem Wasser, griffen den Rand des Beibootes und brachten es zum Kentern. Die Männer und die Karnimani fielen ins Wasser. Manami erhob sich und trat an den Rand der Corasonn-Insel.
„Die Strudelinseln stehen unter meinem Schutz und dem Schutz der Pokémon!“, rief sie so laut, dass jeder an Deck der beiden Schiffe es würde hören können. „Der Kaiser wird nie auch nur einen Fuß auf sie setzen!“
Sie senkte die Stimme und flüsterte den Corasonn zu: „Es ist soweit.“
Eines der Corasonn löste sich aus dem verband und tauchte ins Wasser ab, um all den Pokémon, die in der Tiefe des Meeres warteten, das Signal zum Angriff zu geben. Doch im nächsten Moment sprang etwas aus dem Wasser und landete mit einem Brüllen auf den Corasonn. Manamis kleine Insel schwankte erneut und beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren und wäre ins Wasser gefallen. Das, was nun vor ihr stand, war ein Tyracroc – vermutlich das vierte Pokémon der Männer aus dem Beiboot, das nicht bei ihnen gewesen, sondern im Wasser herangeschwommen war.
Das Tyracroc schoss einen Wasserstrahl aus seinem Mund, dem Manami durch einen Sprung entgehen konnte.
„Kouki!“, rief sie. Kouki verstand sofort und beschwor aus dem Nichts eine Vielzahl wunderschön bunt leuchtender Blätter hervor, die es auf das Wasserpokémon feuerte. Dieses sprang zur Seite, doch die Blätter änderten die Richtung und trafen es schließlich hart in der Flanke. Das Tyracroc taumelte und stürzte ins Wasser.
Als wäre das eine Art Signal gewesen, schossen plötzlich überall aus dem Meer Wasserstrahlen, die auf die beiden großen Schlachtschiffe gerichtet waren. Das mit Hochdruck verspritze Wasser ließ die hölzernen Außenseiten der Schiffe splittern.
Natürlich nahm die Besatzung das nicht einfach so hin. Wasserpokémon sprangen von den Relings der beiden Schiffe und tauchten ab, um sich mit den wilden Pokémon unter Wasser einen Kampf zu liefern. Außerdem zuckten Blitze und Feuerstöße von der Reling ins Wasser und auf Manamis kleine Insel zu.
„Kouki, du musst sie blenden!“, rief Manami und duckte sich unter einem Feuerball weg, der in ihre Richtung flog.
Kouki schwebte schnell in die Luft, zwischen den beiden Schiffen, und fing an, auf eine zauberhafte und blendende Art zu leuchten. Manami kniff ihre Augen zusammen und bedeckte sie zusätzlich mit den Händen, doch selbst dadurch konnte sie noch den grellen Schein sehen, den Kouki abfeuerte. Sie hörte Schreie und Pokémonrufe und öffnete ihre Augen erst, als das gleißende Licht nachgelassen hatte.
Kouki war wieder neben ihr, und die Angriffe hatten nachgelassen. Sein Zauberschein war verheerend für alle, die direkt in ihn hineinsahen.
Mittlerweile schienen die beiden Schlachtschiffe Schlagseite bekommen zu haben. Rettungsboote wurden zu Wasser gelassen, und Pokémon wie Menschen sprangen in sie oder ins Wasser. Unter der Wucht der immer noch aus dem Wasser kommenden Attacken ruderte die Besatzung der beiden Schiffe zurück zum Rest der Flotte. Drei Schiffe waren noch übrig, doch sie kamen nicht näher, sondern drehten bei.
Manami wartete darauf, was sie tun würden. Es dauerte sehr lange (oder kam es ihr nur so vor?), bis sie sich entschieden hatten. Sie drehten ab und entfernten sich.
Manami atmete erleichtert auf. Kouki quietschte fröhlich.
„Wir haben sie verjagt, Kouki“, sagte Manami und streichelte ihrem Togetic über den Kopf. „Zumindest fürs Erste.“