[MD] Die Legende des Dämons

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • Danke Rusalka für deine lieben Kommentare, die mittlerweile meine Aktivität wieder anfachen :) Ich habe tatsächlich bis Kapitel 32 schon die Geschichte geschrieben, weswegen ich die kommenden viel eher posten kann als wenn ich einer Schreibblockade stecke. Ich hoffe, du wirst weiter Spaß haben mit der Legende :)



    27
    Drei Legendäre Erkunder


    Pompei stellte sich als ein Camerupt mittleren Alters heraus. Groß, breit und schwer grinste er Alakrates entgegen, als dieser mit Jimmy und Ironhard im Schlepptau an ihn herantrat. Die schlotartigen Höcker, aus denen es leicht qualmte, waren ziemlich verwittert und auch das kräftige rote Fell hatte einen gewissen Graustich. Auch ihm wuchs ein Bart, ein kleiner roter am Kinn mit melierten Spitzen.


    Während sie sich ihm näherten, erhaschte Jimmy einen Blick auf das Dorf. Wie er von Weitem schon erkannt hatte, waren es schlichte Steinhütten mit einem Strohdach und nur wenige Pokémon bildeten diese Gemeinschaft. Die Erwachsenen von ihnen standen mit gespannten Gesichtern nahe einem kleinen Feuer, über das ein Topf voll brodelnden Wassers zwischen zwei Holzgestellen hing. Die Kinder hingegen rannten begeistert auf Alakrates zu, der den Sack in die Höhe hielt, bevor dieser gänzlich zerrissen werden konnte. Aus der Ferne wirkten die Pokémon relativ gesund, doch als Jimmy einen genaueren Blick auf sie erhaschen konnte, sah er, dass sie allesamt mager wirkten und nicht sonderlich gepflegt waren. Einzig das Leuchten ihrer Augen vermittelte einen lebhaften Eindruck und Jimmy erkannte, dass dieses Leuchten einzig Alakrates galt, während sie die Erkunder interessiert und auch argwöhnisch musterten. Alakrates selber schien davon keine Notiz zu nehmen, denn er trat mit einem breiten Grinsen an Pompei heran, während die Kinder ihm begeistert folgten und den Erkundern neugierige Blicke zuwarfen.

    „Ich sehe, ihr wartet mit dem Essen, bis ich da bin, das ist aber nett!“

    „Wir warten darauf, dass du uns hilfst, das Essen zuzubereiten, das du uns mitbringst“, sagte Pompei und lächelte, während Alakrates herzhaft auflachte. Er schritt dann an Pompei herbei und legte den Sack auf einen kleinen morschen Tisch, der zwischen zwei der Steinhütten.

    „Das sind übrigens Gäste, beziehungsweise, Patienten von mir“, erklärte er, indem er auf Jimmy und Iro wies. „Es stört euch nicht, wenn sie sich für die nächsten Tage zu uns gesellen?“

    „Keineswegs!“, nickte Pompei freundlich, richtete sich auf und trat auf die Erkunder zu. Alakrates öffnete derweil den Sack, aus dem eine Vielzahl von Lebensmittel kullerte. Eine Melone drohte, auf den Boden zu fallen und zu zerschellen, doch Alakrates hielt diese mit einem Schnippen seiner Finger in der Luft, während er für die anderen etliche Utensilien, von Kochmesser bis Waagen, aus seinem Stirnjuwel hervorzauberte.

    „Es kommt nicht oft vor, dass wir Gäste empfangen können, da sich viele gar nicht hierher verirren“, sagte Pompei. „Was führt euch hierher?“

    „Wir-“, wollte Jimmy erklären, doch Iro, der einen Blick auf ein paar der Pokémon geworfen hat, die am Feuer warteten, brummte laut und schob sich an ihm vorbei.

    „Sieh an, so schnell sieht man sich wieder!“


    Jimmy blickte genauer hin um zu erkennen, wen Iro da ansprach. Es waren das Nidorino, das Skunkapuh und auch das Pionskora, die ihn und Iro zuvor angegriffen hatten. Argwöhnisch, aber durchaus weniger feindselig begegneten sie nun dem Blick des Impergators.

    „Wir werden uns nicht dafür entschuldigen, dass wir euch daran hindern wollten, zum Riesenvulkan hochzulaufen!“, erwiderte das Nidorino, doch sein Blick war mehr entschuldigend, als Iro empört die Fäuste reckte.

    „Wir haben nicht gesehen, dass euer Freund schwer krank war“, sagte das Pionskora mit betretenem Blick.

    „Ich hoffe, eurem Freund geht es gut!“, sagte das Skunkapuh eindringlich.

    „Oh?“, rief Pompei überrascht aus und näherte sich der Gruppe. „Ihr seid euch schon begegnet?“

    „Wenn diese Sophie sich nicht eingemischt hätte, hätten wir uns sogar schon ‘nen Kampf geliefert“, brummte Iro, der das Nidorino nicht aus den Augen ließ. Pompei betrachtete es mit scharfem Blick.

    „Wir dachten halt, dass sie zum Riesenvulkan hinauf wollten“, nuschelte es als Entschuldigung.

    „Nun, Nino“, sagte Pompei beflissen. „So wie sich das aber anhört, bist du direkt zum Angriff übergegangen, nicht wahr?“

    „Ich …“, wollte Nino erwidern, doch Pompei wandte sich an das Skunkapuh und das Pionskora.

    „Puah? Sora? Wieso habt ihr ihn nicht davon abgehalten?“

    „Wir … also …“, stammelte die Skunkapuh namens Puah.

    „Na, na, Pompei!“, rief Alakrates munter während er dabei zusah, wie die anderen Pokémon emsig Gemüse klein schnitten und bereits Reis in den Kochtopf waren. Er trat nun an die anderen heran und blickte Nino, Puah und Sora der Reihe nach an.

    „Gewiss habt ihr nur Ausschau halten wollen, ob sich Unerwünschte nähern richtig? Es ist zwar ein sehr löblicher Gedanke, stets dabei wachsam zu sein, doch wie ihr schon sagtet: sie hatten einen Kranken bei sich und es war nicht nett, sie-“

    „Schon gut, Al, wir verstehen schon!“, sagte Nino gereizt. „Nächstes Mal sind wir aufmerksamer, versprochen!“

    „Das will ich aber auch meinen“, sagte Alakrates im strengen Ton, zwinkerte aber dann lächelnd. Nino warf seinen beiden Freundinnen einen Blick zu, welche nickten, und zusammen liefen sie in Richtung des Vulkans.

    „Ihr denkt aber dran, dass es gleich Essen gibt?“, sagte Pompei hastig, doch schon waren die drei außer Hörweite, worauf er resigniert den Kopf schüttelte.


    „Für diese drei stellt es die größte Aufregung dar, den Aufgang zum Riesenvulkan im Blick zu behalten und gegeben falls Alarm zu schlagen.

    „Was soll das heißen?“, fragte Jimmy, doch weil sein Magen in dem Moment laut knurrte und der von Iro im Kanon folgte, lächelten Pompei und Alakrates nachsichtig.

    „Trinkt erstmal einen Tee“, sagte das Simsala munter und kehrte wieder zum Tisch zurück. Mit zwei Tassen in der Hand näherte er sich der Feuerstelle, schöpfte mit einem Löffel heißes Kochwasser in die Tassen und warf dann getrocknete Blätter in diese hinein. Dankbar nahmen Jimmy und Iro diese an und nippten an dem heißen Getränk.

    Sofort hielt Jimmy inne. Der Tee schmeckte scheußlich und ihm ein Blick in die Tasse offenbarte ihm eine weiß-grüne trübe Flüssigkeit. Jimmy hielt sich mit seiner Abscheu zurück, doch Iro würgte laut und unüberhörbar und zog sich sofort die missbilligenden Blicke der anderen auf sich.

    „Entschuldigung“, sagte Jimmy kleinlaut, während er Iro einen finsteren Blick zuwarf. Pompei lächelte schief.

    „Es tut uns auch leid, dass wir euch keinen besseren Tee kochen können. Wir müssen sparsam mit dem Wasser umgehen, das wir für den restlichen Monat haben.“

    „Wieso?“, fragte Iro und Jimmy hätte sich in dem Moment auf die Stirn schlagen können vor Verlegenheit. Endlich dann schien Iro sich dessen bewusst zu werden, wie es um die Dorfbewohner stand, und auch er ließ leicht verlegen den Kopf sinken. Pompei aber schüttelte den Kopf:

    „Ich kann mir vorstellen, dass ihr anderes gewohnt seid, für uns ist es der Alltag, ganz gleich, wie sehr Alakrates und Sophie uns helfen. Wo steckt sie eigentlich überhaupt?“

    „Sie ist oben geblieben, um nach dem Freund der beiden zu sehen. Aber vielleicht kommt sie nachher noch herunter …“, sagte Alakrates, dessen Finger nervös zuckten.

    „Wie … wie geht es Tony?“


    „Ihr geht es nachwievor schlecht“, sagte Pompei traurig. Alakrates zuckte kaum merklich, als Pompei ihm in die Augen sah.

    „Könntest du gleich nach ihr sehen?“

    „Ich …“, sagte Alakrates fahrig und sein Blick huschte zu den Pokémon, die sich mittlerweile am Feuer versammelt hatten und darauf warteten, dass das Essen fertig wurde. Dann seufzte Alakrates und holte aus seinem Stirnjuwel mehrere Tücher und ein paar Handschuhe hervor, die er zuvor schon getragen hatte. Er stand auf, wickelte sich die Tücher um seinen Mund und schritt dann zu einer Hütte, deren Eingang von einem alten zerschlissenen Tuch bedeckt wurde.

    „Was hat das zu bedeuten?“, sagte Iro und blickte von der Hütte zu Pompei, der besorgt aussah.

    „Alakrates ist … speziell“, erklärte er den Erkundern.

    „Er ist zwar ein begnadeter Heiler und vermutlich der beste auf der Welt, doch er hat unerklärlicherweise eine sehr große Angst davor, sich selbst anzustecken. Wir kennen ihn nicht anders“.

    „Deswegen diese Tücher?“, fragte Jimmy. Pompei nickte.

    „Er war schon so seltsam, als er vor fünfundzwanzig Jahren damit angefangen hat, uns zu helfen. Bisher aber scheint es sehr gut geklappt zu haben, dass er bei der Behandlung unserer Kranken seine Maske angehabt hat. Krank geworden ist er nicht einmal.“

    „Aber so schnell steckt man sich doch nicht an“, erwiderte Jimmy skeptisch. Pompei schmunzelte.

    „Wir haben etliche Male versucht, ihm zu erklären, dass er keinen Grund hat, derartig übervorsichtig zu sein. Einige Kinder haben ihn schon als Mumie bezeichnet, so gewickelt wie er immer wieder aussieht.“

    Pompei lachte schallend auf. Jimmy und Iro blickten sich verwirrt an.


    „Jedem das seine, sage ich da immer. Es ändert nichts an der Tatsache, dass er uns in den letzten Jahrzehnter eine sehr große Stütze war. Ich glaube sogar fast, dass unser Dorf nicht mehr existieren würde, wenn es ihn und ein paar andere nicht gegeben hätte. Und seit Sophie bei ihm in die Lehre gegangen ist, erscheint sie uns allen als ein weiterer Lichtschein.“

    „Ist sie nicht seine Tochter? Es klingt bei dir, als wäre Alakrates vorher allein für euch verantwortlich gewesen“, fragte Jimmy überrascht, während er gegen den Würgreflex ankämpfte, den er bei einem weiteren Schluck des teeartigen Getränks bekam. Pompei warf einen Blick zur Hütte, in die Alakrates verschwunden war. Dann senkte er die Stimme: „Sie ist eigentlich seine Ziehtochter, die er vor drei Jahren bei sich aufgenommen hat. Sie ist nämlich als Waise auf die Insel gekommen, das arme Mädchen.“

    „Oh …“, sagte Jimmy und Beklommenheit machte sich in ihm breit. Doch Pompei lächelte sanft.

    „Dass sie Alakrates und damit auch uns hilft, hat sich für alle als wahrhafter Segen erwiesen. Wenn sie mit ihm hier ist, hilft sie bei der Versorgung und Behandlung der Kranken und für die Kinder singt sie dann.“

    „Sie singt?“, sagte Iro überrascht, der sich seinen rechten Arm rieb. Jimmy vermutete, dass er dessen wieder erlangte Freiheit noch immer wie einen unerwarteten Schatz ansah.

    „Und das kann sie ziemlich gut!“, sagte Pompei mit einem anerkennenden Nicken. „Sie singt Kränkliche in einen erholsamen Schlaf und ihr Gesang lässt die Stimmung allgemein heben. Denn wie ihr vielleicht sehen könnt, gibt es nicht viel hier zu tun, außer auf das nächste Essen zu warten, dem Wellengang des Meeres von der Klippe aus zuzusehen oder sich nicht von unserer Armut und unserem Elend unterkriegen zu lassen.“

    Pompei sprach die Worte beinahe gelassen, als würde es ihn nicht groß kümmern. Doch in Jimmy machte sich ein schlechtes Gewissen breit. Er und Iro würden die Gastfreundschaft der Dorfbewohner in Anspruch nehmen und vermutlich eine Art Belastung darstellen.

    „Ich hoffe, es ist für euch in Ordnung, eine Hütte zu teilen? Wir haben leider nicht viele …“, sagte Pompei besorgt und abermals spürte Jimmy einen tiefen Stich, als er schuldbewusst dem Camerupt in die Augen blickte.

    „Tut mir leid … vermutlich machen wir es euch nicht leichter …“, murmelte Jimmy, doch Pompeis Augen weiteten sich.

    „Na, na! Dass wir euch hier begrüßen dürfen, erfüllt uns mit Ehre, und auch mit Stolz! Vermutlich sind wir die einzigen auf dieser Insel, die euch ohne Weiteres aufnehmen würden!“

    „Wieso? Was ist mit den Einwohnern von Villbénie?“, fragte Iro erstaunt. Pompei blickte ihn belustigt an.

    „Ihr habt doch Mauer gesehen, die diese Ödnis von der anderen Seite trennt?“

    „Schon“, antwortete Jimmy. „Doch man hat uns erzählt, das sei hauptsächlich zum Schutz vor Banditen, die sich auf dieser Seite herumtreiben würden.“

    „Ich verstehe“, sagte Pompei und ein schwaches Lächeln fuhr über seinen breiten Mund. „Zur Abwechslung werden wir mal als was Harmloseres dargestellt?“

    „Wie meinst du-“, sagte Jimmy, doch in dem Moment näherten sich ihnen Alakrates und eine Absol. Deren langes weißes Haar fiel stumpf über eines ihrer eingesunkenen Augen und auch ihr Gang wirkte etwas zittrig. Doch wie Alakrates‘ Augen trotz seines Alters Kraft ausstrahlten, so lag ein lebendiger Funke in der Absol, die sich neben sie gesellte, während Alakrates zum Essenstopf hinüberging, um die sich eine schwatzende Essensschar versammelt hatte. Währenddessen streifte er sich Handschuhe und Schal von seinem Körper ab und verstaute diese wieder in seinem Stirnjuwel

    „Tony!“, sagte Pompei erfreut und blickte sie mit glänzenden Augen an. „Geht es dir besser?“


    „Den Umständen entsprechend“, sagte Tony lächelnd. Jimmy hörte ein leises Krächzen in ihrer Stimme und fühlte sich unweigerlich an Max erinnert.

    „Dank Al natürlich. Er hat mir gegen meinen Husten und Fieber einen zwar scheußlichen, aber wirkungsvollen Trank gegeben. Wie Sophie Arien singen werde ich zwar nicht können…“, und sie senkte verschwörerisch die Stimme, sodass Pompei stirnrunzelnd sich konzentrieren musste, ihr zuzuhören.

    „Aber unter uns: Wer mich singen hört, wird glauben, das Unglück schlage tatsächlich zu. Eine Krankheit wie meine macht da wohl keinen Unterschied, nicht wahr?“

    Pompei und sie brüllten auf vor Lachen, während Jimmy und Iro verdutzt neben ihnen saßen. Beklommen sah Jimmy Tony dabei zu, wie sie darauf anfing, heftig zu husten und sich von ihnen wegdrehte.

    „Meine Stimme“, krächzte sie und blickte erst wieder zu ihnen, als sie aufgehört hatte. Sie sprach nun etwas leiser als vorher, als sie sich den Erkundern wandte.

    „Ich sollte sie nicht so beanspruchen, sonst kann ich überhaupt niemanden mehr mit meiner Stimme beunglücken. Ihr beide könnt euch daher glücklich schätzen, mich in diesem Zustand zu treffen. Ihr seid die Erkunder, von denen Al mir eben erzählt hat?“

    „Es sind die einzigen Neuzugänge in unserer heutigen Gemeinschaft, Tony“, sagte Alakrates, der mit vielen neben ihm her schwebenden Schalen zu ihnen gekommen war. Jede der Schale flog zu einem anderen des Sitzkreises. Als Jimmy in seine Schale blickte, erkannte er eine gute Portion Reis sowie eine kleine Menge an gekochtem Gemüse und kleingeschnittenem Obst auf de. Auch bei den anderen waren die Schalen großzügig gefüllt.

    „Für Nino, Sora und Puah habe ich auch schon Portionen bereit gestellt“, sagte Alakrates zu Pompei, während er sich mit gewissem Abstand zu Tony auf den Boden setzte. „Wenn sie nachher zurückkommen, können sie diese nehmen.“

    „Du denkst wieder mal an alles“, sagte Pompei mit einem dankbaren Nicken. Tony schenkte derweil wieder ihre Aufmerksamkeit den Erkundern.

    „Also? Was verschlägt euch denn in diese einsame Ecke? Sightseeing könnt ihr wohl nicht betreiben, oder? Wie ist euer Name eigentlich?“

    Na, na, Tony, nun belagere sie doch nicht so. Lass sie doch erstmal was essen.“

    Tony beugte sich herunter, nahm einen großen Bissen von ihrer Schale und blickte dann wieder mit vollem Mund zu Pompei auf: „Pfie fkönnen uch fo rewen!“


    Pompei lächelte belustigt. Jimmy und Iro taten derweil auch einen Bissen und erst dann erklärten sie in Kürze, weswegen sie auf die Ascheninsel gekommen waren. Dabei stellten sie sich auch vor.

    „Ich hoffe, euren Freund Max lernen wir auch noch kennen“, sagte Tony interessiert. „Es kommt nicht oft vor, dass sich Erkunder gerade hierher verirren.“

    „Haben wir überhaupt gesagt, dass wir Erkunder sind?“, sagte Jimmy und blickte dabei Alakrates erstaunt an. „Dazu sind wir glaube ich gar nicht gekommen, oder?“

    „Da ihr um euren Freund besorgt wart, ist das auch nur verständlich gewesen“, sagte Alakrates milde lächelnd, während er einen weiteren Bissen tat.

    „Aber ein Blick auf euch sowie den Zustand eures Freundes hat mir verraten, dass ihr weit gereist und viel erlebt haben müsst. Weshalb sonst hätte Max am Heißkalt-Fieber leiden und Iro hier einen im Gips eingewickelten Arm haben können, wenn dies nicht durch große Abenteuer in der ganzen Welt erklärbar wäre?“

    „Al hat einen Blick für sowas, ihm entgeht nichts“, sagte Tony besserwisserisch grinsend. Alakrates nickte.

    „Außerdem strahlt ihr, jetzt wo ich mir euch so ansehe, einen ähnlichen Glanz wie jene Erkunder aus, die vor so vielen Jahren hier auf der Insel gelandet waren. Pompei, du erinnerst dich an sie?“

    „An Knuddeluff und Plaudagei? Wie könnte ich dieses Duo je vergessen?“, lachte das Camerupt rührselig lächelnd bei dieser Erinnerung. Doch Alakrates schüttelte den Kopf.

    „Fast zeitgleich mit ihnen waren noch zwei andere dagewesen. Diese meinte ich.“

    „Ah, dann meinst du gewiss Axelot und Stahlard. An die kann ich mich auch sehr gut erinnern.“


    Iro, der gerade eine Hand voll Essen zum Maul führen wollte, hielt augenblicklich inne. Langsam ließ er die Hand sinken und starrte Pompei und Alakrates an. Den beiden entging dieser Blick nicht und sie blickten verdutzt zu Iro.

    „Der General war ebenfalls auf dieser Insel?“, sagte Iro und Jimmy hörte, wie die Knöchel seiner Faust knackten.

    „General? Ich weiß nicht, ob er tatsächlich einer ist, sprechen wir von demselben Pokémon?“, sagte Pompei sichtlich interessiert

    „Ein Impergator wie ich, nur mit einer blauen Färbung?“

    „Dann sprechen wir in der Tat von dem selbigen, doch dass ihr ihn kennt, wundert mich schon.“

    „Wir sind ihm ein paar Mal begegnet“, erklärte Jimmy, ganz darauf bedacht, nicht zu erwähnen, dass Iro seinen gebrochenen Arm durch den General erhalten hatte. Und er erinnerte sich auch an die Worte, die am Klarbach gesagt wurden. Axel und dem General zufolge waren sie einst angesehene Erkunder, auf einer Stufe mit Knuddeluff und Alakrates.

    „Ob wir wirklich gleichauf miteinander waren, kann ich jetzt nicht sagen“, sagte Alakrates, als Jimmy ihm von dieser Erzählung berichtet hat.

    „Wir alle haben unterschiedliche Wege genommen. Knuddeluff hat, glaube ich, als einziger von uns dreien den des Erkunders beibehalten, während Stahlard recht früh seinen Platz in der Regierung gefunden hat und ich bewusst hiergeblieben bin, um für das Dorf und Villbénie zu sorgen.“

    „Wieso dann seid ihr-?“

    „Zur gleichen Zeit auf der Insel gewesen?“, sagte Alakrates milde lächelnd, während er sich an einem Schluck des Teegetränks genüsslich tat.


    „Drei verschiedene Gründe über dieselbe Ursache, wie ich denke: Der Riesenvulkan.“

    Bei der Erwähnung des Namens wandten sich Jimmy und Iro um und blickten in Richtung des Vulkans, der sich wie ein drohendes Mahnmal über sie in den Himmel erhob.

    „Der Ausbruch vor dreißig Jahren war … verheerend“, sagte Pompei tonlos. Mit beklommenen Blick wandte sich Jimmy ihm zu, während Iro immer noch angespannt und interessiert den Vulkan betrachtete.

    „So viel Zerstörung … so viele Tote … und all das hätte man vermeiden können …“, seufzte Pompei. Alakrates‘ und Tonys Miene verfinsterten sich ebenso.

    „Hätte man das?“, fragte Jimmy verdutzt trotz allem unguten Gefühls. Hastig versuchte er, sich zu erklären: „Ich meine, wenn ein Vulkan ausbricht, kann man das nicht verhindern, oder?“

    „Wenn es ein natürlicher Ausbruch gewesen wäre, hättest du durchaus Recht, Jimmy“, nickte Pompei. „Gewiss hätte das Dorf sich besser vorbereiten können, wenn die Anzeichen für einen bevorstehenden Ausbruch deutlich gewesen wären. Doch so plötzlich und provoziert wie dieser eine an jenem Tag war, hatte keiner sich darauf vorbereiten könne.“

    „Tja …“, sagte Tony düster. „Man hätte besser eine Mauer dafür gebaut, dass keiner auf den Vulkan steigt. Keiner hätte dann den Wächter derartig zur Weißglut getrieben.“


    Tony war verdutzt über den Blick, den Jimmy ihr zuwarf. Auch Iro drehte sich so hastig zu ihr um, dass ein Rücken leicht knackte. Auch Pompei und Alakrates entging diese Wirkung nicht und nicht weniger verdutzt blickten sie die Erkunder an.

    „Der Wächter?“, fragte Jimmy perplex und warf zwischen Tony und dem Riesenvulkan Blicke hin und her. „Etwa … ein Wächter aus der Legende?“

    „Ihr kennt die Legende von den Sieben Wächtern?“

    Alakrates und Pompei stellten diese Frage mit dem gleichen Ausdruck in ihren Gesichtern. Interesse, Sorge und auch Misstrauen. Jimmy ahnte sofort, dass sich ein dunkler Schatten zu dem Gespräch gesellt hatte. Doch er nickte zaghaft, um diese Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Nachdenklich nahm Alakrates einen weiteren Schluck.

    „Nun, ich vermute, wir hätten uns obgleich des Zustandes eures Freundes früher oder später kennengelernt, nicht wahr?“

    „Wie?“, sagte Jimmy verwirrt.

    „Tut mir leid, wenn ich voreilig eine Annahme treffen sollte, aber bestimmt geht auch ihr dieser Legende auf den Grund, oder?“, fragte Alakrates mit einer Falte zwischen seinen grauen Augenbrauen. Jimmy warf Iro einen fragenden Blick zu, der ihn stumm erwiderte. Doch ohnehin kam es ihm nicht in den Sinn, vor den Dorfbewohnern zu lügen, allein um ihre Gastfreundlichkeit zu erwidern. Daher nickte er. Alakrates und Pompei musterten sie scharf, dann aber lächelten sie sanft.

    „Es ist gut, dass ihr uns jeweils schon begegnet seid. Dann können wir euch direkt davon in Kenntnis setzen, dass es allen strengstens untersagt ist, den Wächter des Riesenvulkans aufzusuchen.“

    „Aber … wieso?“, fragte Jimmy entsetzt. Doch der überraschte Blick, den Tony und Pompei ihm zuwarfen, sprach Bände.

    „Habt ihr uns eben nicht zugehört? Eben weil es irgendwelche Schatzjäger damals gewagt haben, Heatran, also den Wächter, zu stören, hat dieser den Vulkanausbruch überhaupt erst verursacht! „

    „Das war der Wächter?“, fragte Iro zornig und seine Faust ballte sich. „Entgegen seiner Aufgabe, die Vulkane der Welt zu überwachen, hat er den Riesenvulkan zum Ausbruch gebracht?“


    „Es war seinerseits eine Warnung, und wir können von Glück reden, dass es nur eine Hälfte der Ascheninsel getroffen hat“, sagte Pompei ernst. „Wenn der Riesenvulkan zur Gänze ausbricht, würde das bedeuten, dass auch die Vulkane weltweit ausbrechen würden. Es wäre eine verheerende Katastrophe, die kein Pokémon zu verantworten bereit ist. Niemand zuvor hat den Wächter gestört, weswegen wir vor dreißig Jahren zu nachlässig waren. Aber heute und auch in Zukunft werden wir darauf achten, dass niemand zum Vulkan hinaufsteigt. Das ist das, was Nino, Puah und Sora mit vollstem Eifer tun, versteht ihr?“

    „Haben sie uns deswegen angegriffen, als wir nahe der Kreuzung waren, wo ein Weg hinaufführte?“, fragte Jimmy und reges Verständnis machte sich in ihm breit. Auch Iro sah er an, dass dieser in seiner Grimmigkeit über diesen Angriff etwas besänftigt war. Pompei nickte: „Alle drei sind freundliche Pokémon, sie nehmen diese Aufgabe, die sie sich selbst aufgetragen haben, sehr ernst. Und sie sind zu dritt auch sehr gut darin, auch wenn kaum jemand sich bis in die Ödnis verirrt. Nur einmal haben sie einen Priester aus Villbénie davon abhalten müssen, zum Gipfel des Vulkans zu pilgern.“

    „Villbénie scheint nicht mitzuhelfen, diesen Weg zu überwachen, oder? Dabei wäre es doch auch in deren Interesse …?“, setzte Jimmy an, doch bei dem mitleidigen Blick, den Pompei und Tony ihm zuwarfen, verstummte er.


    „Diese Villas“, lachte Tony verächtlich, „halten sich sowieso zu fein für so etwas. Man könnte meinen, sie haben diese riesige Mauer erbaut, um andere generell davon abzuhalten, in die Ödnis und dann zum Vulkan hinauf zu ziehen. Doch mittlerweile wissen wir es besser: Vielmehr halten sie uns davon ab, nach Villbénie zu ziehen.“

    „Was?“, rief Jimmy schockiert und blickte Pompei an, der traurig nickte.

    „Aber wieso? Wissen die nicht, wie schlecht es euch …“, doch Jimmy verstummte mit peinlich gerötetem Gesicht.

    „Sprich es ruhig aus: Uns geht es relativ dreckig“, sagte Tony gerade heraus. „Aber das ist in Ordnung, wisst ihr, wir haben uns damit abgefunden. Doch die Villas denken, dass wir Unglück heraufbeschwören. Weil es angeblich jemand von uns war, der den Wächter damals erzürnt hat, halten sie großen Abstand zu uns. Sie errichteten die Mauer, um tatsächlich dafür zu sorgen, dass das Unglück nicht auch noch zu ihnen herüberschwappt. Und während deren Seite floriert, leben wir im Elend … Verzeihung“, sagte sie mit Blick auf Pompei, der sie streng ansah. „Wir leben hier in allergrößter Bescheidenheit. Aber auch nur dank Alakrates."

    „Wieso, was …?“, fragte Jimmy überrascht und blickte das Simsala an, welches verhalten schwieg. Es war dann Pompei, der fortfuhr.


    „Der Ausbruch von vor dreißig Jahren machte offenbar eine sehr große Runde in der Welt. Oder zumindest groß genug, dass einige bekannte Namen sich auf den Weg gemacht haben, sich ein Bild vor Ort zu machen. Alakrates war der erste von diesen Namen, die hier auf der Insel gelandet sind. Recht früh hat er unser Leiden erkannt und dieses mit seiner Kenntnis schnell gelindert. Dann kamen Knuddeluff und Plaudagei und auch sie haben tatkräftig beim Wiederaufbau geholfen, jedenfalls so gut sie es konnten, denn wir hatten kaum Material, um diese Hütten zu bauen. Und dann letzten Endes landeten Stahlard und Axelot auf dieser Insel. Doch vielmehr waren sie am Wächter interessiert. Sie wollten ihn herausfordern, entweder um Ruhm durch einen Sieg über den Wächter einzufahren oder um den Wächter eine Art gerechte Rache zukommen zu lassen? Ich bin mir sicher, dass es eines von diesen Dingen war.

    Zum Glück befanden sich zu dem Zeitpunkt, also vor fünfundzwanzig Jahren, auch Knuddeluff und Alakrates auf dieser Insel. Knuddeluff hat Stahlard daran gehindert, zum Vulkan hinaufzusteigen, und-“

    „Er hat sich mit ihm duelliert?“, rief Iro dazwischen. Ein Glimmen lag in seinen Augen, was, wie Jimmy wusste, nur eines bedeuten konnte.

    „Das hat er“, sagte Alakrates nun. „Ich bin nicht direkt eingeschritten, als ich Zeuge dessen wurde. Ich war fasziniert davon, wie beide einander ebenbürtig waren. Ein Faustschlag nach dem anderen folgte und die Luft hat gebebt, sage ich euch. Ich nehme an, Nino hat euch bei einer Senke getroffen, wo der Weg zum Vulkan hinaufführte? Das war jener Ort, an dem Knuddeluff und Stahlard sich gerauft hatten. Ich vermute, wenn dieser Kampf noch länger gedauert hätte, wäre die ganze Ödnis in zwei gespalten worden.“

    Jimmy pfiff begeistert und Iro zitterte vor Anspannung. Gewiss überraschte es ihn, dass der sonst so gutmütige Gildenmeister Knuddeluff sich als eine Art Naturgewalt herausstellte. Jimmy stellte sich vor, wie Iro ihn zum Kampf herausfordern würde, sobald sie in die Gilde zurückkehrten.


    „Bevor es aber tatsächlich dazu kam, habe ich den Kampf vorzeitig beendet. Es hat eine Weile gedauert, diese Streithähne zu beruhigen, doch irgendwann haben wir uns drei darauf geeinigt, dass wir die Sache auf sich beruhen lassen sollen. Stahlard hat Verständnis für die Situation der Dorfbewohner gezeigt und hat versprochen, dass er seine Kontakte zur Regierung nutzen würde, um Hilfe zukommen zu lassen.“

    „Und kam sie auch?“, fragte Jimmy. Alakrates lachte.

    „Ich bin Stahlard nur einmal begegnet, doch sofort habe ich ihn als ein Pokémon erkannt, das zu seinem Wort steht. Und tatsächlich kam wenige Wochen darauf ein Schiff der Regierung mit Hilfsgütern auf der Insel an. Neben Verpflegung und Essen waren auch einige Baumaterialien dabei und zusammen mit Knuddeluff haben die meisten der heutigen Hütten gebaut.“

    Mit breitem Lächeln wies Alakrates auf das gesamte Dorf.

    „Und jeden Monat kommt ein weiteres, kleines Schiff im Auftrag der Regierung und versorgt das Dorf mit Essensrationen.“

    „Für die Bewohner von Villbénie stellt es wohl ein Zeichen dar, dass wir diese Hilfsbedürftigkeit nach dem von uns heraufbeschworenen Unglück verdient haben“, sagte Pompei traurig, doch Tony lachte gehässig auf.

    „Sollen die doch das denken, während sie in ihrem Reichtum ersticken. Dafür lässt Al sie ordentlich büßen!“

    Bei den Worten ließ Alakrates mit geschlossenen Augen leicht den Kopf sinken.

    „Was meinst du?“, fragte Jimmy.


    „Al lässt sie ordentlich zahlen, wenn er sie behandelt. Und von dem Geld kauft er dann immer sehr viel an Essen und Versorgung ein. Nicht aber, um sich den Wanst vollzustopfen, wie diese Villas es tun, sondern um uns damit zu helfen. Stehen im Dorf notdürftige Reparaturen an, besorgt er aus der Stadt das nötige Material. Auch Medizin besorgt er gegeben falls aus der Apotheke. Wenn er dann mal zum Schein sehr fein essen geht, ist das seine wohlverdiente Belohnung für all die Arbeit, die er leistet, nicht wahr, Al?“


    „Stolz bin ich deswegen gerade nicht“, sagte Alakrates knapp und blickte wieder zu den Erkundern auf. „Doch ich habe mehrmals versucht, Villbénie davon zu überzeugen, dass das Dorf seine Hilfe gut brauchen könnte. Es gibt zwar solche wie Yorkshire, die Empathie zeigen, aber der größte Teil der Bewohner ist derartig borniert und hochnäsig geworden, das kann ich nicht länger mitansehen!“

    „Und so funktioniert es aus recht gut!“, pflichtete ihm Tony bei. „Das Geld, dass du deinen Patienten abknöpfst, investierst du wieder in die Geschäfte, um für uns Wolle, Baumaterial und so weiter zu beschaffen. Und du hältst Villbénie auf die Art als zahlungskräftiger Kunde am Leben!“

    „Trotzdem wünschte ich, ich müsste dieses Schauspiel nicht machen … Sophie bin ich nicht gerade ein Vorbild dadurch.“

    „Sie hat doch auch vollstes Verständnis dafür!“, rief Tony erbost. „Du tust für jene, die Hilfe dringend nötig haben, wahrhaft Großartiges, und das weiß deine Tochter auch, Al!“

    „Dennoch!“, erwiderte Alakrates scharf. „Sie soll es nicht zum Vorbild nehmen, andere zu täuschen, obwohl sie im Herzen gute Pokémon sind. Mir tut es bei Yorkshire jedes Mal leid, ihm diese hohe Summe an Geld abzunehmen, da er so oft auf Augentropfen angewiesen ist. Und er zeugt aufrichtige Empathie euch gegenüber!“

    „Dann ist er eben der einzige Unschuldige unter Verbrechern!“, rief Tony. „Und wenn diese feinen, schnöseligen Pinkel glauben-“


    „Ich denke, es ist genug“, sagte Pompei sanft, aber in seiner Stimme lag eine gewisse Kraft. Jimmy bemerkte, wie die anderen Dorfbewohner, nachdem sie mit dem Essen fertig waren, nun aufmerksam ihrem Gespräch lauschten. Tony räusperte sich und dann hustete sie wieder.

    „Ich glaube …“, sagte sie matt. „Ich lege mich wieder was hin. Ich habe mich zu sehr aufgeregt über diese Villas.“

    Zittrig stand sie auf und verbeugte sich vor Jimmy und Iro. „Hoffentlich könnt ihr uns die Tage was von euren Erkundungen berichten, wenn ihr hierbleibt. Wir hören ja so selten von Pokémon, die von außerhalb kommen. Danke fürs Essen, Al!“

    Und damit ging sie wieder zurück in die Hütte. Auch Pompei und Alakrates erhoben sich und entfernten sich, scheinbar im Vier-Augen-Gespräch vertieft.


    „Was hältst du davon?“, fragte Jimmy, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die anderen Dorfbewohner sich mit anderen Dingen beschäftigen und wieder in ihre Hütten zurückkehrten.

    „Offenbar haben wir Alakrates unterschätzt“, sagte Iro mit anerkennenden Nicken.

    „Das stimmt“, sagte Jimmy, doch meinte er etwas Anderes. Iro schien erst zu verstehen, nachdem er einen Blick mit ihm getauscht hatte.

    „Wegen des Wächters? Das ist in der Tat schwierig. Wenn wir nicht hinaufdürfen …“

    „Und wenn wir dies entgegen des Verbots täten …“, sagte Jimmy leise und mit dunkler Vorahnung. Iro nickte knapp.

    „Würden wir es quasi riskieren, dass nicht nur die ganze Ascheninsel, sondern auch die ganze Welt durch Vulkanausbrüche zerstört wird, wenn wir den Wächter erzürnen.“


  • Hallo,


    es ist interessant, nun auch die andere Seite der Ascheninsel kennenzulernen. Auf diese Weise stellt sich Alakrates als überaus großzügig gegenüber den Armen heraus, auch wenn das nicht immer mit sauberen Taktiken einher geht. In der Not müssen aber wohl schwierige Entscheidungen getroffen werden. Jedenfalls steht es fast außer Frage, dass Jimmy und Iro selbstständig zum Riesenvulkan aufbrechen werden, speziell in Hinblick auf ihre bisherigen Abenteuer. Sie scheinen sich dessen aber mehr als bewusst zu sein, dass das für Probleme sorgt und der Kapitelabbruch an dieser Stelle ist perfekt, um über die Situation reflektieren zu können.


    Wir lesen uns!


  • 28

    Des Wächters Sohn



    Part I: Marg


    Max fühlte sich, wäre er verprügelt worden. Sein Körper schmerzte durchgehend und es forderte größere Anstrengungen als sonst, seine Glieder zu bewegen. Und dennoch stellte er direkt fest, dass er diesen Zustand um einiges angenehmer empfand als jenen, dem er zuvor unterlegen war. Der permanente Schwindel war verschwunden. Auch seine Stirn fühlte sich einigermaßen wieder normal an und auch nahm er seine Umgebung wieder viel deutlicher wahr. Während des Fiebers hatte er alles wie durch Wasser mitbekommen und auch seine Glieder sowie seine Nase waren wie betäubt. Nun aber atmete er wieder in vollen Zügen die Luft um sich ein und nahm den Geruch von Holz und sauberer Bettwäsche wahr. Zwar zuckten kurz andauernde Wellen von Schmerzen durch seinen Körper bei jeder Bewegung, doch Max richtete sich unter Ächzen und Stöhnen auf und sah sich um.


    Er befand sich in einem kleinen Zimmer, das spärlich und doch gemütlich eingerichtet war. Ein kleiner Holztisch mit Stuhl sowie ein Schrank waren die einzigen Möbel, die dieses füllten. Eine kleine Topfpflanze gab dem Zimmer, dessen kalkweißen Wände kahl waren, einen kleinen Hauch von Behaglichkeit. Max lehnte sich an das Kopfende des Bettes und dachte an die Momente, die er phasenweise durch sein Fieber mitbekommen hatte. Er erinnerte sich, wie er aus der Gilde geschlichen war, nachdem er gehört hatte, wohin Jimmy und Iro aufgebrochen waren. Er hatte sich bis zum Strand gekämpft und war dort wohl zusammengebrochen. Danach haben Lichtblitze wie Momentaufnahmen seine Wahrnehmung begleitet. Er hat einen verschwommenen Blick auf einen Hafen werfen können, einen schönen und auch traurigen Gesang gehört und etwas von einem Kampf gespürt. Danach hat seine Wahrnehmung komplett ausgesetzt. Erst, als er etwas heißes seine Kehle hinabtröpfeln spürte, kehrte das Leben in ihm zurück. In den kurzen Sekunden, in denen jede Zelle seines Körpers voller Energie war, hatte er Jimmys Stimme hören können und auch er selber konnte, wenn auch krächzend, seine Stimme benutzen. Er wusste nicht mehr, was er gesagt hatte, denn er war, so glaubte er, wieder ohnmächtig geworden. Hatte er sich zu dem Zeitpunkt schon in diesem Zimmer befunden? War es ein Zimmer im Haus von diesem Alakrates, von dem Palimpalim in der Gilde erzählt hatte? Als Max sich im leeren Zimmer umblickte, kehrten mehr Einzelheiten in seine Erinnerung zurück. Er befand sich schon in diesem Zimmer, als er vorübergehend bei Bewusstsein war. Und auch mehr Pokémon befanden sich hier, darunter auch Jimmy und Iro. Offenbar hatten sie es wohl geschafft, Alakrates aufzusuchen. Sie wären nicht von seiner Seite gewichen, hätten sie ihn nicht in den fähigen Händen dieses Heilers gewusst. Und so sauber, wie diese Bettwäsche war, gab sie dem Zimmer den Eindruck, als würde ein Arzt unter hygienischen Bedingungen seine Patienten sicher versorgen.


    Und gerade, als Max versuchte, sich an mehr Details seines Aufenthalts zu erinnern, ging die Tür auf. Eine kleine schlanke Gestalt, die nur etwas größer als Jimmy zu sein schien, trat ein. Sie hatte grünes Haar, dass ihr geschmeidig über die rechte Schulter fiel, und ihre blauen Augen leuchteten auf, als sie Max erblickte.

    „Ah, sehr gut, du bist endlich wach geworden!“

    Sie nahm sich den Stuhl und stellte ihn an die Seite des Bettes. Nachdem sie sich gesetzt hatte, musterte sie ihn aufmerksam.

    „Wie fühlst du dich, Max?“

    „Woher-?“, fragte Max, doch das Mädchen, das aussah, als wäre sie nur wenige Jahre jünger als er oder Jimmy, lachte amüsiert.

    „Jimmy und Ironhard haben sich mir und meinem Vater, ich meine Alakrates, vorgestellt.“

    „Und wo sind sie, ich meine-“

    „Vater hat sie nach unten ins Dorf gebracht und ich bin hier geblieben, um nach dir zu sehen, wenn du aufwachen solltest.“

    „Oh, ich verstehe“, sagte Max. Gerne würde er jetzt Jimmy oder Iro sehen, doch damit würde er sich wohl gedulden müssen.


    „Mein Name ist übrigens Sophie“, erklärte die junge Frau und hielt ihm eine weiße Hand hin, die aus dem Ärmel eines dunkelgrauen Frackes herausragte. Max nahm sie und sie schüttelten die Hände.

    „Deine beiden Freunde haben viel auf sich genommen, um dich hierher zu bringen; unter anderen auch dich selbst“, sagte sie und Max hörte einen Anflug von Missbilligung in ihrer Stimme. Sophie musterte ihn eine Weile, dann seufzte sie und wandte sich dem Tisch zu. Das, was Max für eine dekorative grüne Vase gehalten hatte, flog mit einem Aufleuchten des Juwels, das sich auf ihrer Stirn befand, in ihre Hände. Jetzt aus der Nähe erkannte Max eine schlammig grüne Flüssigkeit im Inneren der Glasflasche und ihm stockte kurz der Atem, als Sophie im diese hinhielt mit der Bitte, diese in einem Zug zu trinken.

    „Muss ich?“, fragte er wenig begeistert von der Idee. Sophie schmunzelte.


    „Wenn du schneller zu deinen Freunden im Dorf stoßen willst, dann wird dir dieser Aufpäppel-Trank dabei behilflich sein. Und auch deine Arme werden schneller wieder wachsen …“, und ihr Blick glitt dabei kurz auf Max‘ Arme, an denen sich noch immer die kläglichen Überreste seiner ehemaligen Laubklingen befanden. Max schluckte, setzte die Flasche an den Mund und kniff die Augen zusammen. Wie ihm geheißen wurde trank er die Flasche in einem Zug aus, während die Flüssigkeit unangenehmerweise nach Schlamm und Moor schmeckte. Er hustete, als er endlich fertig war und zufrieden nahm Sophie ihm die Flasche wieder aus der Hand und ließ sie sachte auf den Tisch schweben.


    „Vater würde mir die Hölle heiß machen, wenn ich mich nicht um seine Patienten kümmern würde“, sagte sie gelassen.

    „Alakrates ist also dein Vater?“, sagte Max und konnte seine Überraschung nicht gut verbergen, denn er erinnerte sich an Lapras‘ Worte sowie an seine kurze Wachphase und wusste nun, dass Alakrates ein Simsala war. Und Sophie war eine ganz andere Pokémon-Art, auch wenn er die nicht kannte. Sophie blickte ihn scharf an und ihre Miene wurde seltsam steif. Dann aber lächelte sie sanft, während sie aus dem Fenster blickte, durch das ein klarer blauer Himmel zu erkennen war.

    „Mein Adoptiv-Vater“, sagte sie. „Und gleichzeitig ist er auch mein Mentor, was die Heilung von Pokémon betrifft. Dafür helfe ich ihm ab und an im Haus oder kümmere mich um seine Patienten in seiner Abwesenheit.“

    Sie machte eine kurze Bewegung mit der Hand. Max spürte, wie er sanft nach vorne gedrückt wurde und das Kissen in die Höhe gehoben wurde. Er hörte, wie es scheinbar von Geisterhand aufgeschlagen wurde und wieder sanft zwischen ihm und das Kopfende glitt. Sanft wurde Max wieder auf das Kissen gedrückt, das sich nun viel weicher und willkommen heißend anfühlte.

    „Danke“, sagte er und blickte Sophie an.

    „Keine Ursache“, sagte sie mit einem Lächeln. „Das ist schließlich mein Job.“

    „Den machst du gut“, sagte Max und fühlte sich etwas komisch, aus so einer banalen Sache eine Besonderheit zu machen. Doch dafür, dass scheinbar Alakrates mithilfe von Sophie ihn vor dem nahenden Tod bewahrt haben, schien er nicht genug Dankbarkeit ausdrücken zu können. Schnell stellte er fest, dass Sophie sehr aufmerksam war, denn sie musterte ihn interessiert, als würde sie seinen Gedankengang erahnen.


    „Ich habe mich gefragt“, begann sie langsam und biss sich auf die Lippen. „Woher du das Heißkalt-Fieber bekommen haben magst. Jimmy und Ironhard haben nichts darüber gesagt, bevor mein Vater sie ins Dorf gebracht hat. Was wir beide direkt erkannt haben, war, dass ihr Erkunder seid. Das stimmt doch, oder?“

    „Ja“, sagte Max matt und wägte sofort ab, wie viel er erzählen sollte. Er beschloss abzuwarten, ob Sophie vielleicht mehr Fragen dazu stellte.

    „Nur zum Verständnis, falls das für Alakrates relevant sein sollte: Wart ihr in letzter Zeit in Gebieten mit größerer Temperatur-Schwankungen unterwegs?“

    „Ja. Eine heiße Wüste und kurz darauf ein Schneegebiet, nur um dann wieder durch eine Wüste zu laufen“, sagte Max. Er spürte nun bei den Worten, was für eine Reise er, Jimmy und Iro bereits zurückgelegt hatten, und fragte sich direkt auch, wieviel sie noch zu gehen hatten im Rahmen ihres Auftrags. Und er hoffte auch, dass Sophie nicht nach diesem Hintergrund fragte.

    „Ah, das würde erklären, weswegen du das Fieber hattest. Heiß, kalt und dann wieder heiß. Es ist nur zu erwarten, dass ein Pflanzen-Pokémon wie du besonders empfindlich reagiert …“


    Abermals vollführte sie eine Bewegung mit der Hand. Dieses Mal aber führte Sophie sie an das Stirnjuwel, das in einem hellblauen Licht aufleuchtete. Und erstaunt sah Max dabei zu, wie sie einen reichlich beschriebenen Notizblock sowie einen Stift herausholte und etwas aufschrieb. Dieselbe Bewegung war dazu nötig, diese beiden Dinge in das Juwel verschwinden zu lassen.

    „Wie hast du das gemacht?“, fragte Max interessiert. Sophie lächelte.

    „Ich bin teils ein Pokémon des Typs Psycho und diese können in ein Juwel dieser Art“ – und sie deutete auf ihre Stirn – „etliche Dinge verschwinden lassen und diese wieder auch herausholen. Es ist wie ein transportables Lager für allerlei Gegenstände, das sich sehr leicht bedienen lässt.“

    „Beeindruckend!“, sagte Max und Sophie lächelte mit leicht erröteten Wangen.

    „Ihr scheint wohl oft große Touren zu unternehmen, nicht wahr? Ironhard sah ziemlich angeschlagen aus, wortwörtlich, wenn man seinen Arm betrachtet.“


    „Könnte dein Vater ... Alakrates, meine ich, sich mal diesen Arm ansehen? Es wäre für Iro eine große Sache, diesen wieder zu benutzen“, sagte Max zaghaft und sah erstaunt, wie Sophie nun breiter lächelte.

    „Schon erledigt“, sagte sie mit einem Zwinkern. „Das war für meinen Vater eine Leichtigkeit. Solange sich dein Freund in den nächsten Tagen nicht überanstrengt und seinen Arm schont-“

    Max schnaubt unwillkürlich, worüber Sophie kicherte.

    „Es stimmt also, was Jimmy sagte? Dass sich Ironhard bei sowas gerne taub stelle?“

    „Wenn du wüsstest; setze ihm ein Pokémon vor, das etwas nach großer körperlicher Kraft aussieht, und Iro fordert es sofort zum Kampf auf.“

    „Hm, verstehe“, sagte Sophie, mehr in Gedanken verloren als tatsächlich mit Max zu sprechen. Sie blickte hinaus aus dem Fenster und Max sah ihr schweigend dabei zu, bis er sich nach ein paar Momenten zu Wort meldete.

    „Wann kann ich die beiden sehen?“

    „Sobald du dich wieder topfit fühlst. Wie fühlt sich dein Körper an?“

    Max wollte lügen, da er unbedingt wieder Jimmy und Iro sehen wollte. Doch er spürte, dass Sophie ihm auf die Schliche kommen würde. Er besann sich daher auf die Wahrheit.

    „Als wäre ich verprügelt worden“, nuschelte er in seine Decke hinein. Sophie betrachtete ihn eine Weile interessiert, holte abermals Block und Stift aus ihrem Juwel hervor und machte sich Notizen.

    „Wenn du gehen kannst, ohne zu zittern, kann ich dich in das Dorf bringen. Dort kannst du dann Jimmy und Ironhard wiedersehen“, sagte sie lächelnd und stand auf. Max spürte Vorfreude in sich aufsteigen und stieß die Decke von sich. Er war kurz davor, vom Bett aufzuspringen, doch etwas hielt ihn zurück. Er begegnete Sophies Blick, die nahe vor seinem Bett stand.

    „Versuch es ruhig“, ermutigte sie ihn. „Ein leichter Schwächeanfall nach so einem Fieber ist normal. Erst wenn es nach mehreren Schritten immer noch anhält, solltest du dir etwas Zeit nehmen, um dich auszuruhen.“


    Max nickte und sammelte seine Kraft in den Beinen. Er richtete sich auf und fiel tatsächlich etwas vornüber. Sophie fing ihn auf und für so eine kleine junge Frau war sie doch erstaunlich kräftig. Doch ein leichtes Aufleuchten ihres Juwels verriet ihm, dass sie ihre Kraft zum Teil auch aus ihren Psycho-Kräften bezog. Dennoch war er dankbar, dass sie ihn stabilisierte und er sich in Ruhe daran gewöhnen konnte, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Als er dann auch mehrere Schritte im Zimmer tat, spürte er immer mehr Kraft in seinen Beinen und Füßen. Zwar schmerzten noch immer seine Glieder, doch war er froh, tatsächlich und im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf den Beinen zu sein.

    „Das sieht sehr gut aus“, sagte Sophie zufrieden, während sie ihn beobachtete.

    „Ich koche dir noch einen Tee gegen deine Gliederschmerzen und dann können wir gleich aufbrechen.“


    Sie schritt auf die Tür zu und trat in einen geräumigen Eingangsbereich. Als Max ihr folgte, konnte er einen Blick auf einen bequem gestalteten Wohnbereich und einen Arbeitstisch erhalten, auf dem etliche Papiere und Arbeitsinstrumente ausgebreitet waren. Während Sophie in einer Nische Teewasser aufkochte, sah sich Max den Arbeitstisch genauer an. Die Apparaturen würde er so schnell nicht bedienen können, so kompliziert sahen sie aus. Und auch die Papiere beschrieben irgendwelche Formeln, die aber ebenso hochkomplex wirkten. Sophie trat an ihn heran und belustigt sah sie dabei zu, wie Max versuchte sich einen Reim auf die Notizen zu machen.

    „Ich verstehe … absolut gar nichts hiervon“, sagte Max in einem Ton, als würde er eine aussichtslose Schlacht aufgeben. Sophie lächelte ihm aufmunternd zu.

    „Wenn es dich tröstet, ich verstehe auch noch nicht alles davon. Ich bin erst seit zwei Jahren bei meinem Vater in der Lehre und in diesem ersten Jahr lernst du seine Handschrift zu entziffern.“

    Sie nahm ein Blatt und hielt es Max unter die Nase. Sofort erkannte er, was sie meinte.

    „Lass einen Arzt nie einen Brief schreiben“, sagte sie lachend und Max stimmte mit in dieses ein. Sie warf ihren Kopf zurück und sah aus dem Fenster.


    Als Max sie dann anblickte, erkannte er dann bestürzt, wie ihre Fröhlichkeit einer Grimasse wich. Ohne ein Wort zu sagen schritt sie auf die Tür und stieß diese auf. Max legte die Notizen wieder auf den Tisch und folgte ihr bis zum Rahmen der Tür, vor der Sophie stand, das Gesicht von ihm abgewandt. Max sah nach draußen.

    Drei Gestalten näherten sich dem Haus. Eine von ihnen sah in ihrer Stämmigkeit wie ein Bulle auf zwei Beinen aus, doch als sie näherten, hatte dessen Gesicht etwas schweinsartiges, wie das Gesicht eines Floinks, das Max nur einmal im Leben bisher gesehen hatte. Die Gestalt ganz rechts wirkte dagegen ziemlich schmal und sein flammenfarbener Körper lief nach oben zusammen und mündete in einer Schnauze, aus der in kurzen Abständen eine lange Zunge schoss, die einer Stichflamme ähnelte. Während die Körper der massigen und der schmalen Gestalt in Flammenfarben – also meist in Rot und Gelb – gehalten waren, schien der Körper der dritten Gestalt in ihrer Mitte von echten Flammen umgeben zu sein. Um seinen Bauch züngelnd und auch von seinem breiten Kopf, der tief über den rot glühenden Augen lag, strahlte diese dritte Gestalt gegen die kühle Winterluft eine enorme Hitze aus, obwohl sie sich einige Schritte vom Haus entfernt befanden.

    Die Mienen dieser drei Gestalten verhießen allesamt nichts Gutes. Max hatte genug Kriminelle gesehen, die mit List und Tücke ihn, Jimmy und Iro hereinzulegen versucht hatten. Auch diese drei strahlten einen düsteren Glanz aus. Und auch Sophie schien dieser Ansicht zu sein, denn als sie zu den drei sprach, war ihre Stimme hart: „Was wollt ihr hier?“

    „Aber, aber, Sophie!“, sagte die dritte Gestalt mit dem Flammenkörper. „Wie oft habe ich dir gesagt, dass du alte Bekannte nicht so grüßen sollst?“

    „Und wer ist das denn?“, sagte die zweite, schmale Gestalt in einem argwöhnischen Ton, nachdem sie Max ins Visier genommen hatte. Das dritte Pokémon lächelte höhnisch:

    „Hast du endlich einen Freund, oder, Sophie?“

    Er lachte, doch war es ein gehässiges Lachen.

    „Ach, was rede ich? Die einzigen, die mit dir reden mögen, sind entweder jene armen Trottel aus dem Dorf, dein Vater oder dessen Patienten. Wer würde sich konkret mit dir um deinetwillen befassen?“

    Das erste, bullig erscheinende Pokémon und das schmale lachten. Sophie lief rosa, doch behielt sie die Fassung: „Ich habe euch gefragt, was ihr hier wollt. Mein Vater ist gerade nicht ansprechbar!“

    „Liegt er im Bett, Sophie?“, sagte das Flammenpokémon gehässig. „Ist er hingefallen und hat sich sämtliche Gliedmaßen gebrochen? Bei seiner Statur würde mich das nicht wundern“, und wieder lachten seine beiden Kumpane zu seinen beiden Seiten auf.

    „Pass auf, was du sagst“, zischte Sophie, doch das Flammenpokémon legte nach. „Willst du uns etwa drohen, Sophie? Ich bin mal gespannt, ob auf der noch was folgt …“

    Erwartungsvoll blickten die drei Pokémon Sophie an. Als sie sich jedoch nicht rührte und nichts sagte, brüllten sie wieder auf vor Lachen.


    „Habe ich es mir doch gedacht. Du bist viel zu sehr Papis liebes kleines Mädchen, oder?“, sagte das Flammenpokémon erneut. Nun fiel sein Blick auf Max, denn dieser trat nun an Sophies Seite. Max spürte Zorn in sich hochkochen. Er wollte auch schon was sagen, doch Sophie zischte ihm kaum merklich zu: „halt dich da raus!“

    „Du scheinst neu hier zu sein, oder? Dein Gesicht habe ich noch nie zuvor gesehen, weder unten bei denen im Dorf oder in Villbénie …“

    „Vielleicht ist es ja ein Pokémon von außerhalb, Marg“, sagte das schmale Pokémon. Das Pokémon namens Marg grinste höhnisch.

    „Dann weißt du wohl nicht, wer wir sind, oder? Das da sind Rex“ – er deutete auf die bullige Gestalt mit der Schweinsschnauze – „und Anton“, und er wies auf die schmale Gestalt, die abermals eine schnelle lange Zunge zeigte.

    „Und mein Name ist Marg. Das solltest du dir gut merken, denn wenn wir uns das nächste Mal begegnen, wollen wir mit dem Respekt begrüßt werden, der uns zusteht. Wie sieht es also aus, Sophie?“

    Marg wandte sich wieder an Sophie, die mit zusammengepressten Lippen den Blick erwiderte.

    „Wollen wir es nicht noch einmal versuchen? Dann kannst du es gleich diesem Neuling vormachen, wie er uns das nächste Mal begrüßen sollte.“

    Max warf einen Blick auf Sophie, die Marg mit tiefstem Abscheu betrachtete. Dann, zu seiner Verwunderung, verbeugte sie sich kaum merklich.

    „Was ist euer Begehr?“, presste sie mit erkennbarem Widerwillen aus ihren Lippen hervor. Marg lächelte zufrieden.


    „Na also, geht doch. Und ich glaube, du weißt sehr gut, weswegen wir hier sind. Wie ich hörte, war dein alter Herr wieder einkaufen? Wir sind gekommen, um unseren Anteil abzuholen.“

    „Dann müsst ihr wiederkommen, wenn Alakrates da ist. Er ist gerade unterwegs.“

    „Zu schade“, sagte Marg sarkastisch. „Dabei nehmen wir gerne an seinen weisen Worten teil, nicht wahr, Jungs?“

    Rex und Anton kicherten vergnügt. Marg schüttelte den Kopf und blickte Sophie mit Augen an, die trotz seines Flammenkörpers kalt waren.

    „Du bist doch angeblich seine Schülerin, oder? Dann solltest du doch das können, was er kann, oder?“

    Sophie sagte kein Wort, sie hielt dem Blick des Magmars stand. Dann seufzte dieses und schnippte mit einer krallenbesetzten Hand.

    „Rex, alter Junge, wie wäre es, wenn du ihn für uns holst?“


    „Geht klar, Chef!“, sagte Rex, schlug seine groben Fäuste gegeneinander und trat dann auf Sophie los. Max konnte sich nicht mehr halten und trat mit erhobener Laubklinge ihm entgegen … so glaubte er es jedenfalls. Doch er musste zu seiner Bestürzung erkennen, dass sein Arm noch immer klingenlos war. Rex staunte, ehe er dann in ein röhrendes Lachen ausbrach und mit einem dicken Arm Max zur Seite schlug. Er spürte die Wucht gegen seine Rippen und ihm blieb fast die Luft weg.

    „Max!“, schrie Sophie und trat eiligst an ihn heran, um zu sehen, ob er sich verletzt hatte. Rex indes trat nun auf das Haus zu und er hatte seine klobige Hand auf die Tür gelegt und sie aufgerissen. Dann brauste aus dem Inneren des Hauses ein starker Sturm, der Rex von den Füßen riss und ihn nach hinten warf. Laut krachte er auf dem Boden und im Türrahmen erschien ein Simsala. Das musste Alakrates sein, dachte sich Max, doch er spürte Unbehagen in sich, als das alte bärtige Gesicht sah. Jede Falte hob sich scharf von seiner Haut ab und kalte Wut lag in den blaugrauen Augen.


    „Papa“, hauchte Sophie und Max hörte, wie Erleichterung und auch Angst in ihrer Stimme lagen. Doch Alakrates nahm zuerst keine Notiz von ihnen. Mit einem Löffel in der Hand schritt er auf Marg und seine Kumpane zu und hielt ihn wie ein Schwert von sich gestreckt. Anton zuckte erschrocken zusammen, als würde er nun das Schlimmste befürchten. Doch Marg blieb gelassen und sah mit dem Anflug eines schwaches Lächeln Alakrates an.

    „Ah, du lässt dich also doch noch blicken?“

    Alakrates blieb nur wenige Schritte vor Marg stehen und drohend hob er den Löffel auf dessen Augenhöhe.

    „Papa nicht!“, rief Sophie ängstlich aus, doch Alakrates schien nur einen kurzen Blick für sie und Max übrig zu haben. All seine wütende Aufmerksamkeit galt dann wieder dem Magmar.

    „Wenn ihr es noch einmal wagen solltet, Sophie derartig zu drangsalieren …!“, zischte er leise und zitterte mit dem Löffel. Marg setzte zu einem gehässigen Lächeln an.

    „Du weißt, was mein Vater tun wird, wenn du mir wehtust, Opa?“

    „Glaubst du, das würde mich kümmern?“, sagte Alakrates und ließ den Löffel nicht sinken. „Ich habe dich schon einmal gewarnt, Marg! Lass Sophie, das Dorf und Villbénie in Ruhe! Auch du hast Grenzen, die du besser nicht überschreitest!“


    „Dann gib mir das, wofür ich hergekommen bin, und ich wir ziehen wieder davon“, sagte Marg ruhig, doch als er Alakrates‘ zornigem Blick begegnete, wirkte er dann doch unsicher darüber, ob Alakrates seine Drohung doch wahr machen würde. Dieser schnippte mit seiner freien Hand, worauf dann wenige Sekunden später ein prall gefüllter Sack aus dem Haus schwebte. Rex, der sich mitterweile wieder aufgerafft hatte, nahm den Sack an und blickte in dessen Inhalt. Er nickte Marg und Anton zu, worauf sie Alakrates wortlos den Rücken kehrten und wieder den Weg gingen, auf dem sie gekommen waren.


    Alakrates blickte ihnen grimmig solange nach, bis sie gänzlich verschwunden waren, dann wandte er sich mit einem tiefen Atemzug Sophie und Max zu, der mit schmerzenden Gliedern immer noch auf dem Boden lag.

    „Geht es euch beiden gut?“, fragte Alakrates nun wesentlich sanfter. Max und Sophie, die flach atmete, nickten. Sie legte dann eine Hand auf seine Brust und ließ ihr Juwel leuchten. Erst spürte Max eine kalte Welle durch seine Lunge fahren, die aber direkt warm wurde. Der Schmerz durch den Schlag, den Rex ihm verpasst hatte, war verschwunden und dankbar richtete er sich auf.


    „Kommt mit, ihr beiden“, sagte Alakrates, der mit Sorge Max und Sophie beobachtet hatte. „Wir gehen zurück ins Haus.“

  • Hallo,


    es musste ja so kommen, dass in Alakrates' Abwesenheit Störenfriede auftauchen. Offenbar noch dazu der Sohn des Wächters, der sich aufgrund der alten Geschichten wohl wichtiger zu machen scheint, als er ist und das könnte noch böse enden.

    Jedenfalls ist das ein schönes Kapitel, in dem Sophie viel Aufmerksamkeit erhält und sich entfalten kann. Anhand der Beschreibung und des Gesangs im vorhergehenden Kapitel wäre Meloetta nicht abwegig. Mir gefallen die Interaktionen mit Max und ihre herzensgute Art scheint in jedem Wort durch. Ob ihr Gesang womöglich beim Wächter hilfreich sein wird? Die Spannung nimmst langsam zu!


    Wir lesen uns!

  • Rusalka Es musste ja ein Antagonist eingeführt werden ;) Kannst jedenfalls dich drauf einstellen, dass Marg so richtig als Papa-Söhnchen rüberkommt, ganz nach "Wenn mein Vater davon hört ..."


    Dir und sowie allen anderen Lesern und Leserinnen wünsche ich ein frohes Osterfest! :D




    Part II: Die Bitte


    Als sie wieder eintraten, stieß der Teekessel unter einem schrillen Geräusch Dampf in die Luft. Rasch ging Sophie zum Kessel und während das Schrillen erstarb, führte Alakrates Max auf ein weiches Sofa rechts vom Eingang.

    „Wer waren diese Pokémon?“, sagte Max, als er sich hingesetzt hatte und Sophie den Tee servierte.


    „Das waren Marg und seine Kumpane“, sagte Alakrates, der mit gerunzelter Stirn an seinem Tee schlürfte. „Die Unruhestifter der Ascheninsel könnte man sagen.“

    „Immer, wenn sie vom Riesenvulkan herabsteigen, suchen sie entweder das Dorf, Alakrates oder auch Villbénie auf und verlangen eine große Essensration“, sagte Sophie hastig. „Seit fast dreißig Jahren schon geht das so. Und wenn sie nicht direkt das bekommen, was sie wollen, drohen sie mit Margs Vater.“

    Sie setzte das letzte Wort mit ihren Fingern in Anführungszeichen. Max verstand nicht, was sie meinte und warf einen fragenden Blick auf Alakrates, der aber einen entschuldigenden Blick auf Sophie warf.

    „Ich hätte wissen sollen, dass sie heute zu mir kommen, Sophie! Es tut mir leid, dass du dich ihnen zuerst alleine stellen musstest!“


    Max war überrascht, wie Alakrates daraus einen richtigen Vorwurf sich selbst gegenüber zu machen schien. Sophie aber schüttelte den Kopf: „Ich bin kein kleines Kind mehr, Papa. Ich kann auch gut mit ihnen selbst fertig werden. Wenn ich doch nur die Gelegenheit hätte, sie für all diese Schikanen büßen zu lassen … und allein war ich auch nicht“, und sie blickte mit einem schwachen Lächeln auf Max. Auch Alakrates wandte sich an ihn: „So wie es ausgesehen hat, hast du dich ebenso gegen diese Rüpel zur Wehr setzen wollen, nicht wahr?“

    Alakrates blickte kritisch auf Max‘ Arme, die noch immer klingenlos waren.

    „Er war sehr mutig! Sehr beeindruckend war es von ihm!“, sagte Sophie mit leuchtenden Augen, bevor Max sich irgendwie beklommen wegen seiner mangelnden Abwehr fühlen konnte. Er lächelte ihr dankbar zu und auch Alakrates nickte anerkennend: „Danke dir, dass du auch Sophie beschützen wolltest!“

    Bevor Max etwas erwidern konnte, hörten sie von außen eine Art Beben und dann Gepolter an der Tür.

    „Mach Platz, Zwerghand, wir passen nicht beide durch!“

    „Du bist der Breite von uns, Hohlbirne!“


    „Jimmy! Iro!“, sagte Max, erfreut und belustigt zugleich, als er seine beiden Freunde in den Eingangsbereich des Hauses purzeln sah. Als Jimmy Max als erster erblickte, stieß er einen Freudenschrei aus und rannte auf Max zu, während sich Iro allmählich aufrappelte. Max schloss den Schimpansen fest in die Arme und als Iro dann sich ihnen näherte, schlug er breit grinsend in dessen Faust ein.

    „Wieder auf den Beinen, im wahrsten Sinne des Wortes?“

    „Wie fühlst du dich, Max?“

    „Es ging mir schon besser, aber immerhin besser als zuvor! Dank euch!“, sagte Max grinsend und blickte seine beiden Freunde mit glühenden Augen an, worauf beide verlegen lächelten. Dann aber wandten sie sich mit verärgerten Blicken Alakrates zu.

    „Du hättest uns vorher sagen können, was Sache ist“, sagte Iro. Jimmy nickte eifrig.

    „Kaum, dass Nino, Puah und Sora dir berichtet haben, dass irgendso ein Marg zu deinem Haus unterwegs ist, bist du einfach teleportiert.“

    „Und so wie du geguckt hast“, fügte Iro hinzu, „hätte man meinen können, dass der Weltuntergang bevorstünde.“


    „Verzeiht bitte“, sagte Alakrates, wobei er aber auch einen Blick auf Sophie warf. „Es ist nur, dass mit Marg und seinen Kumpanen nicht zu spaßen ist. Man sollte sich, sobald es geht, nicht mit ihnen befassen, bevor noch größere Schwierigkeiten entstehen.“

    „Wir sind vorhin beinahe einem Magmar und zwei anderen Pokémon über den Weg gelaufen“, erklärte Jimmy aufgeregt. „War einer von denen vielleicht dieser Marg?“

    Als Alakrates nickte, schnaubte Iro. Sophie warf ihm einen empörten Blick zu, der Iro nicht entging.

    „Also bitte“, sagte er. „Die drei sahen nicht gerade danach aus, als könnten sie irgendetwas reißen. Selbst mit meinem Zahnstocher-Arm würde ich die problemlos schlagen können. Und vor denen habt ihr Angst?“

    Immer noch blickte Sophie Iro empört an, doch Alakrates lächelte nur. Er ließ sich in seinen Schaukelstuhl herabsenken und blickte die Erkunder ernst an.


    „Es sind weniger die Fähigkeiten dieser drei Rüpel als ihre andere Art von Macht, die nicht nur mir, sondern auch allen anderen auf der Ascheninsel Sorgen bereiten.“

    „Was für eine wäre-?“, fragte Jimmy, doch Sophie unterbrach ihn, nachdem auch sie sich wieder gesetzt hatte.

    „Angst. Das ist es, worin Marg und seine Kumpane gut sind. Sie drohen mit schwerwiegenden Konsequenzen, wenn ihnen nicht das gegeben wird, was sie wollen.“

    Als Jimmy und Iro irritiert Max anblickten, erklärte er, was vorgefallen war. Dabei achtete er auf Sophies Reaktion, die steinern war; er wollte nicht, dass sie selber kein allzu schreckliches Gefühl dabei verspürte, wenn Max berichtete, wie sie selber machtlos gegen Marg, Rex und Anton war. Jimmy und Iro hörten aufmerksam zu und sie verstanden immer mehr, doch noch immer lag Skepsis in Iros Gesicht.

    „Wieso lässt ihr euch all das gefallen? Gerade du, Sophie, hast – denke ich – genug Kraft, um es mit allen dreien aufzunehmen.“

    Sophies Gesicht färbte sich in einem leichten Rosa und sie ließ verlegen lächelnd den Blick senken. Doch Alakrates ernste Miene wurde nicht lockerer.

    „Das Problem ist, dass Marg der Sohn Heatrans, dem Wächter der Vulkane, und ihm damit direkt unterstellt ist.“


    Beim Klang des Namen Heatran klingelten Max‘ Erinnerungen wie Alarmglocken, sodass er tatsächlich aufzuckte. Während Alakrates und Sophie ihn milde überrascht anblickten, erinnerte sich Max, dass er schon von Arktos diesen Namen gehört hatte. Und wie Alakrates es direkt gesagt hat, handelte es sich bei Heatran um einen der Wächter. Rasch tauschte er Blicke mit Jimmy und Iro und er musste überrascht feststellen, dass sie diese Neuigkeit fast gar nicht erstaunte.

    „Wir wissen es schon etwas länger; man hat es uns im Dorf erzählt“, erklärte Jimmy. Alakrates indessen beobachtete Max neugierig, während Sophies Blick zwischen den Erkundern hin und her huschte.

    „Im Dorf schon“, sagte Alakrates, „habe ich die Vermutung gehabt, dass ihr der Legende der Wächter auf der Spur seid, was mir dann Jimmy und Ironhard dann bestätigt haben. Da du nicht dabei warst, überrascht dich diese Neuigkeit daher ziemlich, was man auch sehen konnte. Ich habe den beiden schon direkt darauf erklärt, dass eure Unternehmung leider hier auf der Insel ein Ende finden muss.“

    „Wie meinst du das?“, wollte Max wissen, der nun eine seltsame Anspannung spürte. Doch es war Jimmy, der antwortete: „Wir können nicht zu dem Wächter hoch, Max. Wir würden es riskieren, dass die ganze Welt untergeht.“


    Nun waren Jimmy und Iro an der Reihe, zu erklären, was sie im Dorf erfahren hatten. Max merkte nicht, wie er während der Erzählung seinen Halt auf dem Sofa gesucht hatte. Es war für ihn unbegreiflich, dass der Wächter die Hälfte einer Insel zerstört hat, nur weil er einmal gestört wurde. Und während er dabei aus dem Fenster blickte und dabei die Ödnis jenseits von Alakrates‘ Haus deutlicher wahrnahm als zuvor, stieg auch Angst in ihm hoch. Nach dreißig Jahren sah diese Seite der Insel immer noch so tot und lebensfeindlich aus. Wie groß wohl diese Macht sein musste, die vom Wächter Heatran ausging, dass alle Pokémon einen neuen Ausbruch derartig fürchteten.

    „Eines der ganz wenigen Dinge, die das Dorf und Villbénie gemeinsam haben“, sagte Alakrates düster. „Die anderen wären die die Geschichte bis vor dreißig Jahren und die Tatsache, dass sie sich auf derselben Insel befinden.“

    „Und dass Marg gleichermaßen beides terrorisiert“, fügte Sophie mit grimmiger Miene hinzu. Alakrates nickte ernst.


    „Habe ich es eben richtig gehört?“, meldete sich Jimmy. „Dieser Marg ist der Sohn des Wächters?“

    „Wie man es nimmt“, sagte Alakrates seufzend. „Mehr wurde er, so denke ich, von ihm erschaffen, um dafür zu sorgen, dass sich kein Pokémon mehr ohne ausdrückliche Erlaubnis dem Eingang in den Riesenvulkan nähert.“

    „Erschaffen? Also quasi ein Teil des Bewusstseins in einen neuen Körper gelegt?“, fragte Jimmy und Max wusste, dass er an Mew und Celebi dachte.

    „Die Möglichkeit lässt sich nicht ausschließen, aber letztlich ist es nicht von Bedeutung, auf welche Art Marg erschaffen wurde. Er hat zumindest ein deutliches Bewusstsein darüber entwickelt, wer er ist und worin seine Aufgabe besteht, und daraus zieht er sein Selbstbewusstsein, das mittlerweile manische Züge angenommen hat. Er hält sich nun selbst für eine Art Gottheit, der man Tribut zollen soll. Und er hat auch in Rex und Anton, die zuvor ein Teil der Dorfgemeinschaft waren, begeisterte Anhänger gefunden.“


    „Anhänger“, flüsterte Sophie verächtlich. „Du hast mir erzählt, sie wollen nur davon profitieren, dass sich Marg auf Kosten aller satt frisst.“

    „Sie sind mit dem Hunger und dem Elend, die das Dorf trotz aller Hilfe umfassen, nie sonderlich gut umgegangen“, seufzte Alakrates und klang dabei sogar traurig. Er ließ sich Zeit, während die Erkunder darauf warteten, dass er fortfuhr.

    „Marg hat sehr früh erkannt, dass er für sich und seine angeblichen Freunde gewisse Vorteile daraus erzielen kann, dass er des Wächters Sohn ist. Allein, um das Dorf und Villbénie daran zu erinnern, dass er und der Wächter noch immer auf der Insel sind, begibt er sich in regelmäßigen Abständen zu beidem und verlangt nach Essen für sich und seine Kumpane, die aufgrund ihrer eigenen Vorteile nichts dagegen unternehmen.

    „Und das, nachdem sie selber es wissen müssten, was es heißt zu hungern …“, sagte Sophie mit unterdrückter Wut, die Max und augenscheinlich auch Jimmy und Iro teilten.


    „Ich denke“, sagte Alakrates ruhig. „Dass es etwas Gutes hat, dass Rex und Anton vom Dorf stammen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie Marg hin und wieder davon unterrichten, wie es für sie war. Es setzt, denke ich, nur voraus“, sagte er rasch, als er Sophies skeptischem Blick begegnete, „dass Marg sich auch dafür interessiert und auch zu Herzen nimmt.“

    „Die Frage ist nur“, sagte Sophie düster, „ob etwas, das erschaffen wurde, wirklich auch ein Herz hat …“

    „Soweit wir wissen …“, begann Jimmy, doch als er Iro bemerkte, wie er ihm einen warnenden Blick zuwarf, verstummte dieser. Max aber dachte darüber nach, was das Simsala gesagt hatte.


    „Alakrates?“

    „Ja, Max?“

    „Könnte Marg vielleicht dafür sorgen, dass wir mit dem Wächter reden können? Es ist wichtig, dass wir das tun.“

    Die Ruhe, die in Max‘ Stimme gelegen hat, breitete sich nun im gesamten Raum aus. Er spürte, wie Jimmy und Iro ihm verblüffte Blicke zuwarfen, doch Max blickte dem Simsala in die blau—grauen Augen, die ihn scharf musterten.

    „Max“, begann Sophie und es hätte nicht deutlicher sein können, dass auch sie zwischen Verblüffung und Entsetzen schwankte. „Hast du deinen Freunden zugehört? Es ist für alle verboten, sich dem Riesenvulkan zu nähern. Die Katastrophe, die andernfalls entstehen würde, wäre zu …“

    „Und was ist so wichtig, dass gerade euch dreien eine Ausnahme gewährt werden sollte?“, sagte Alakrates, der nicht den Blick von ihm abwandte.

    Max holte tief Luft und sammelte seine größte Entschlusskraft: „Jimmy, Iro und ich befinden uns zurzeit auf einer Mission, die beinhaltet, dass wir die Wächter aufsuchen müssen.“


    Alakrates hob die Brauen: „Du meinst alle Wächter, aus der Legende?“

    Max nickte und er verlieh seiner Stimme Nachdruck: „Ursprünglich kamen wir wegen meiner Krankheit hierher und ich dachte schon, es würde einen großen Umweg für unser Unternehmen bedeuten. Doch nun eröffnet sich uns die Möglichkeit, mit unserer Aufgabe einen Schritt weiterzukommen.“

    „Indem ihr über Marg mit dem Wächter in Verbindung treten könnt?“, schloss Alakrates. Sein Blick wurde eine Spur schärfer: „Was gedenkt ihr mit dem Wächter zu tun?“

    „Wir wollen nur mit ihm reden. Es gibt etwas, wovon wir ihn in Kenntnis setzen müssen.“

    „Ihr wollt also ihn nicht zum Kampf herausfordern wie jene, die sich mit dem Ruhm des Sieges über einen Wächter rühmen wollen?“, sagte Alakrates und Max nickte.

    „Wir suchen nicht den Kampf, doch werden wir uns wehren, wenn wir angegriffen werden!“


    Alakrates schien in Überlegungen vertieft und Max hielt es für ratsam, seinem prüfenden Blick stand zu halten. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Sophie immer wieder ihn, Jimmy, Iro und Alakrates anblickte, als wollte sie erfahren, was als nächstes passieren würde.

    Das Simsala legte nun die Kuppen seiner langen Finger aneinander und der perlartige Glanz seiner Augen hatten die Wirkung, als würden sie Max durchleuchten, dazu entschlossen, eine Lüge zu entdecken. Als er dann tief einatmete, faltete er die Hände zusammen. Sein Ausatmer dann schien in der Stille im Raum wider zu hallen.


    „Der einzige, dem Marg in irgendeiner Art und Weise Respekt zollt, bin ich. Es liegt also an mir, den Kontakt zwischen ihm und euch herzustellen …“

    Er blickte Max und dann Jimmy und Iro sehr lange an, die alle drei nervös schluckten.


    „Ich werde es mir überlegen, Team Mystery“, sagte er in einem eher sachlichen Ton und stand auf. Er blickte Max eindringlich an.

    „Ich verordne ohnehin zwei volle Tage Ruhe für dich und für den Arm deines Freundes“, sagte und deutete auf Iros verheilten rechten Arm.

    „Ich werde euch danach meine Antwort mitteilen.“


    Etwas im Alakrates‘ Tonfall ließ Max deutlich spüren, dass er in dem Punkt nicht mit sich verhandeln ließe. Doch er spürte, dass der Ausblick auf ein eventuelles Gespräch mit dem Wächter genug für den Anfang war. Max gab dies dann mit einem Nicken zum Ausdruck.

    „Ich danke euch. Es ist ein sehr heikles Thema und ich möchte das gut durchdenken, ehe ich mich entscheide“, sagte Alakrates und lächelte sanft.


    „Jetzt, wo du wach bist, Max, wie wäre es, wenn du mit Jimmy und Ironhard ins Dorf heruntergeht? Pompei und die anderen sind sicherlich gespannt darauf, euch als Trio kennenzulernen. Sophie, Liebes? Wärst du so gut und begleitest sie?“

    Sophie nickte, auch wenn sie immer wieder einen abschätzenden Blick auf die Erkunder warf. Sie standen und Sophie begleitete sie zur Tür. Max war der letzte, der durch diese trat. Er wollte sich bei Alakrates für alles bedanken, was er für ihn und seine Freunde getan hat. Doch verdutzt stellte er fest, dass Alakrates nicht nur ihm, sondern auch allen anderen dreien einen gedankenverlorenen Blick zuwarf. Max sprach seinen Dank aus, doch Alakrates erwiderte nicht. Mit unsicherem Gefühl schloss Max dann die Tür


  • Hallo,


    mir ist erst jetzt wirklich aufgefallen, dass das Pokémon-Dorf im Vergleich zu Villbénie keinen richtigen Namen hat. Ist das so beabsichtigt oder wird das später noch ein Thema?

    Jedenfalls mochte ich Jimmys und Iros Auftritt in Alakrates' Haus mit ihren neckischen Beschimpfungen. Dass beide durch Meinungsverschiedenheiten öfters aneinandergeraten und Max den Ruhepol bildet, macht die Gruppendynamik sehr abwechslungsreich. Ich habe nur das Gefühl, dass Reden bei Marg und dem Wächter wohl nicht den Erfolg haben wird, den sie sich erhoffen. Wer weiß, ob sich da zu einem späteren Zeitpunkt nicht noch jemand Weiteres aus Rache einmischen wird.


    Wir lesen uns!