Aus einer sicheren Position sind alle unheimlich schlau und moralisch unverrückbar einzementiert.
Das stimmt. Und das gilt auch für alle die gesunden Menschen, ohne Vorerkrankungen, die auch vielleicht sogar das Glück haben und in der näheren Verwandtschaft/Bekanntschaft niemanden haben, der sich ernsthaft Gedanken machen muss. Und dann schreien die Leute nach Lockerungen, wie übertrieben doch alles ist und was danach sein soll? Hamsterkäufe werden vermischt mit nötigen Maßnahmen, anstatt das man sieht, dass ersteres a) nicht von der Politik verordnet wurde und sogar dagegen vorgegangen wird und b) das von jedem auch verurteilt wird, der die Sache so sachlich wie möglich versucht zu sehen. Nämlich anhand der Zahlen. Ich sehe keine Zahlen in deinem Beitrag. Hast du dich damit auseinander gesetzt, bevor du anderen Vorwürfe machst? Wenn du das alles als unnötig und vermeidbar ansiehst, dann musst du das doch wenigstens belegen können, was dich dazu bringt, die Prioritäten anders zu setzen.
Ja, es ist absolut scheiße und mal wieder gerade für die, für die es vorher auch nicht rosig war. Es sind ökonomisch schwache Menschen, Flüchtlinge, Rentner, Kranke, Kleinbetriebe, Kinder und Obdachlose, die es am härtesten erwischt. Und dagegen sollte noch mehr gemacht werden, als jetzt schon. Aber so ganz untätig sitzt man ja dann doch nicht rum und versucht, eine Balance zu finden. Dass wir hier mit keiner idealen Lösung rauskommen, liegt in der Natur der Sache. Die Situation ist komplex und weder möchte man die Wirtschaft und somit die Zukunft vieler Menschen opfern, noch möchte man Menschen opfern. Unterm Strich sollte die Tendenz aber wohl in die Richtung gehen, dass man erstmal keine Menschen opfert. Den Tod oder schwere gesundheitliche Konsequenzen können wir schlechter rückgängig machen als finanzielle Probleme. Persönlich weiß ich auch, wie es sich am Existenzminimum lebt und man überlegt, ob man sich die Woche Nudeln oder Brot leistet, aber ich weiß auch, dass man das eher überlebt als … nun als den Tod oder eben den Verlust eines anderen Menschen im schlimmsten Fall. Ich bevorzuge es in zwei Monaten mit mehr Menschen dazustehen als mit mehr finanzieller Sicherheit. Und ja, ich weiß, was es bedeutet und dass es auch eine belastende und furchtbare Situation ist. Eine, die es erlaubt, dass Menschen aufgrund von Existenzängsten in Tränen ausbrechen und wütend sein können. Und trotzdem bleibt es das kleinere Übel in der Situation.
Diese Energie, die Wut in uns erzeugt, kann man aber gut verwenden und sich fragen, wieso unser System so ist wie es ist und es erst eine solche Krise braucht, damit Veränderungen eintreten. Man sollte diese Energie auch speichern und definitiv mit bis in die nächsten Wahlen behalten. Nicht nach der Krise beruhigt den gewohnten Alltag starten, sondern sich gut daran erinnern, dass es jetzt viele Menschen gibt, denen es besser gehen könnte, wenn es z.B. schon lang ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe. Wenn geistige Störungen ernster genommen werden würden. Wenn das Rentensystem nicht jetzt erst Fragen aufwerfen würde. Und so weiter. Die moralische Verpflichtung, die ich jetzt vor allem sehe ist, dass die Leute, die aus dieser Sache gesund und finanziell abgesichert rauskommen, nicht vergessen, dass nicht jeder dieses Glück hat.