Von Kolonialismus zur Dekolonialisierung?

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  • Habe ich auch garnicht.

    Du hast impliziert, dass man nur "bestimmte" Statuen angreifen dürfe und das ich hinter so einer Aussage stehen würde.

    Dass sie überall stehen und er war mitverantwortlich für die deutschen Kolonien in Afrika. Dennoch stehen die Statuen schon lange bei uns und nicht wenige. Anscheinend sind nur bestimmte Statuen angreifbar?

    Und komm mir jetzt nicht mit "ich hab ja nur eine Frage gestellt", warum das "Fragen stellen" schon enorm gefährlich ist, haben wir schon im Sexualitäts-Topic breit erklärt

  • Die Konsequenzen der negativen Taten dieser Personen halten aber bis heute vor. Dein Beitrag liest sich so, als wäre die Vergangenheit abgeschlossen, und als könne man sie in einem Vakuum betrachten. Das ist aber nicht der Fall. Unter anderem deswegen gehen die Leute auf die Straßen, demonstrieren, und zerstören dabei eben zum Teil auch diese Statuen – weil die portraitierten Leute bis heute gefeiert werden, obwohl die katastrophalen Konsequenzen ihrer Taten für viele Menschen immer noch bittere Realität sind. Du lässt die Ursache-Wirkung dieser Realität vollkommen außer acht. Aber ja, die Bevölkerungsgruppen, die seit Jahrhunderten systematisch diskriminiert und auf offener Straße ermordet werden, sollen doch „bitte erstmal nachdenken, bevor sie öffentliches Eigentum zerstören“, … lol.

    Natürlich tun sie das. Das Problem ist halt, dass die Konsequenzen der positiven Taten dieser Personen auch bis heute vorhalten und eine einseitige Betrachtung deshalb absolut unangemessen ist. Sich völlig auf die negativen Konsequenzen ihrer Handlungen zu versteifen, lässt daher ebenso, wenn nicht mehr, Ursache-Wirkungs-Relationen außer acht. Der Mann da aus England hat nicht nur mit Sklaven gehandelt, er hat auch Krankenhäuser und Schulen unterstützt. Kolumbus hat durch seine "Entdeckung" Amerikas zwar mittelbar sicherlich zum Tod von Millionen native americans beigetragen, er hat aber halt auch den Grundstein etwa für die Vereinigten Staaten gelegt, einem Staat, in dem heute über 300 Millionen Menschen im großen und ganzen sehr gut leben können. Der Extremfall Robert Koch hat in Afrika zwar ein paar Menschenexperimente durchgeführt - aus heutiger Sicht sicherlich verachtenswert. Er hat aber halt auch den TBC-Erreger entdeckt und damit dafür gesorgt, dass die Tuberkulose, also eine Krankheit an der vor 100 Jahren noch 1/7 aller Deutschen gestorben ist, hierzulande mittlerweile fast ausgerottet ist. Mit anderen Worten: Bei allen von diesen Personen kann man den Punkt machen, dass die positiven Taten der Personen überwiegen und eine Ehrung deshalb angebracht ist. Das mag bei Colston schwierig zu vertreten sein, bei Kolumbus dagegen deutlich eher, bei Robert Koch kann ich beim besten Willen nicht verstehen, wie man überhaupt zu einem anderen Ergebnis kommen kann.


    Noch einmal anders ausgedrückt: Du hast halt genau so wenig wie ich eine Ahnung, wie die Welt ohne die Taten dieser Personen ausgesehen hätte. Wir wissen nicht, dass die negativen Aspekte überwiegen. Deswegen ist es überaus angebracht, sich kritisch mit den Auswirkungen dieser Taten auseinanderzusetzen. Wenn man aber dabei Rosinenpickerei betreibt, nur die moralischen Maßstäbe der heutigen Zeit anlegt und den Handelnden alle Probleme der Welt anhängt, verlassen wir irgendwann den Bereich der historischen Aufarbeitung und begeben uns in den Bereich der politischen Propaganda.


    Das Nazi-Regime war damals, 1933, auch etwas "vollkommen normales", gegen das niemand was gesagt hätte.

    (Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass wenn Hitler nicht Polen und Frankreich überfallen hätte, dass niemand den Juden zur Hilfe geeilt wäre, weil niemand etwas davon mitbekommen hat)

    Aber Jahre später hat man dann die damals "heutigen, moralischen Maßstäbe" gesetzt und das gesamte Nazi-Regime daran kritisiert (zurecht) und die Menschen für die Taten, die sie damals begangen haben, bestraft. Obwohl sie "damals" vollkommen normal waren.


    Also entweder darf man alle historischen Personen anhand der "modernen, moralischen Maßstäbe" bewerten oder gar keine


    Das ist teilweise tatsächlich nicht falsch und ja auch ein Hauptaspekt, warum die Verurteilungen der NS-Verbrecher in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen auch unter ideologisch völlig unbescholtenen Juristen bis heute durchaus umstritten sind. Ex-post ein Völkerstrafrecht einzuführen und Menschen danach zu bestrafen, stößt sich sehr mit den rechtsstaatlichen "nulla poena"-Geboten. Man konnte sich aber halt immerhin darauf berufen, dass es damals eben mit dem Völkerbund schon eine internationale Instanz gab, die das Ziel hatte, den Frieden zu wahren und Angriffskriege zu unterbinden. Nach dem Krieg von 1914-1918 war es erklärtes oberstes Ziel der Staatengemeinschaft, einen weiteren solchen Krieg zu verhindern. Es lässt sich nun kaum bestreiten, dass die Nazis da gegen gewisse Grundentscheidungen der Weltgemeinschaft eklatant verstoßen haben. Letztlich erfolgte die Bestrafung aufgrund von Völkergewohnheitsrecht, das zwar - problematischerweise - nicht kodifiziert, wohl aber in den Grundzügen zwischen den Staaten anerkannt war.


    Das sah zur Zeit der Kolonialisierung aber halt noch ziemlich anders aus. Da war die oberste Instanz in Europa wohl der christliche Glaube, und der sieht nun einmal in der damaligen Lesart die Bekehrung von Ungläubigen vor. Kriegerische Handlungen waren absolut üblich und weit verbreitet. Und das halt nicht nur in Europa, kriegerische Handlungen bis hin zu großen Feldzügen waren nun einmal auch in Amerika, Afrika und Asien absolut normal.


    Vereinfacht gesagt waren die moralischen Maßstäbe der Weimarer Zeit unseren deutlich näher, und dementsprechend leichter kann eine Beurteilung zumindest angenähert an unsere heutigen Maßstäbe erfolgen. Überzeugte Kolionalisten aus den 1960er-Jahren sind sicherlich noch einmal kritischer zu bewerten als solche aus dem 18. Jahrhundert. Aber tatsächlich ergeben sich noch viel später, auch heute noch, ganz ähnliche Probleme. Die "Mauerschützen" aus der DDR sind so ein Klassiker, wo eine Verurteilung auch unbedingt zu kritisieren ist. Wenn man sein ganzes Leben lernt, dass auf der anderen Seite der "Klassenfeind" sitzt und "Deserteure" nun einmal den Tod verdienen, ist es sehr schwer, dagegen aufzubegehren. Das driftet jetzt aber Richtung offtopic.


    Karl Marx' Vorstellungen des Kommunismus haben auch nichts mit Terrorregimen mit Überwachung und Unterdrückung zu tun

    Stimmt. Und genau deswegen habe ich das Beispiel gewählt, um zu illustrieren, dass die heutige Nachwirkung einer Person halt nicht unbedingt auch ein Totschlagkriterium für die historische Bewertung der Person ist. Denn eine Kausalität wirst du letztlich nicht bestreiten können.

  • Stimmt. Und genau deswegen habe ich das Beispiel gewählt, um zu illustrieren, dass die heutige Nachwirkung einer Person halt nicht unbedingt auch ein Totschlagkriterium für die historische Bewertung der Person ist. Denn eine Kausalität wirst du letztlich nicht bestreiten können.

    Karl Marx hat aber nicht gesagt, dass kommunistische Staaten nur dann funktionieren, indem man die Bevölkerung unterdrückt, die freie Meinung einschränkt und die (ganze) Bevölkerung einsperrt, wenn sie den Staat in Frage stellen.

    Zu dieser "Erkenntnis" "mussten" die damaligen kommunistischen Staaten kommen, da sonst die Macht der Staatsführer in Frage gestellt worden wäre und somit sie ihre Macht(positione) verloren hätten.


    Die Taten von Edward Colston (der Sklavenhandel) mögen damals total normal gewesen sein und dass er Schulen und Krankenhäuser unterstützt hat mag was gutes gewesen sein. Das ändert jedoch nichts daran, dass dieses Geld durch Sklavenhandel entstanden ist.

    Damals mag seine Persona "ehrenhaft" gewesen sein, sodass sie mit einer Statue (die Jahrhunderte später scheinbar noch steht) geehrt wurde.

    Aber aus heutiger Sicht und in einer aufgeklärten, Toleranten Gesellschaft gehört es sich mMn nicht, dass ein Sklaventreiber/-händler mit einer Statue geehrt wird, weswegen man auch hinterfragen sollte, ob so eine Statue noch zeitgemäß ist.

    Denn dass man die Nazizeit und deren Denkmäler neu bewertet und entsprechend entfernt steht ja außer Frage, auch wenn es "damals normal" war. Und selbiges sollte auch beim Thema Rassismus und den Statuen von Sklavenhändlern gelten

  • Kolumbus hat durch seine "Entdeckung" Amerikas zwar mittelbar sicherlich zum Tod von Millionen native americans beigetragen, er hat aber halt auch den Grundstein etwa für die Vereinigten Staaten gelegt, einem Staat, in dem heute über 300 Millionen Menschen im großen und ganzen sehr gut leben können.

    Du meinst dieselben USA, in denen aktuell fast 2.5 Millionen Menschen (fast 1% aller Erwachsenen) - große Teile davon BIPoC - aktuell im Gefängnis sitzen und dort teilweise bis heute Sklavenarbeit verrichten dürfen? Zu nicht unerheblichen Teilen für geringe Verbrechen (oder das massive Verbrechen arm zu sein und etwaige Bußgelder nicht zahlen zu können), für die weiße Menschen nicht einmal angegangen werden.

    Dieselbe USA, in der bis heute 6.6 Millionen indigene Menschen leben, die oft kein Zugang zum Land ihrer Vorfahren haben? Teilweise in Reservationen, in denen sie nicht einmal Zugang zu sauberem Wasser oder Verlässlicher elektrischer Versorgung haben.

    Dieselbe USA, in der knappe 40% der Bevölkerung systematisch auf jeder Ebene des Staates diskriminiert werden - so sehr, dass sie teilweise Angst haben, auf die Straße zu gehen? Große Teile davon Nachfahren von Menschen, die dorthin gezwungen wurden.

    Dieselbe USA, in der Frauen oftmals keinen Zugang zu effektiven Verhütungsmethoden haben und in einigen Staaten selbst bei Lebensgefahr durch Schwangerschaften gezwungen werden können?

    Dieselbe USA, in der 8-10% der massiven Bevölkerung keinen Zugang zu ärztlicher Versorgung haben, weil sie sich diese finanziell nicht leisten können?

    Dieselbe USA, in der für viele Menschen ein Jobverlust unerträgliche Armut, bis zum Verlust einer Behausung bedeuten kann, weil all diese Dinge oftmals nicht gestellt werden können?

    Dieselbe USA, die bis heute andere Länder unter vagen Vorwänden kolonialisiert, um sich den eigenen Zugriff, auf etwaige vorhandene Rohstoffe zu sichern?

    Meinst du die USA?


    Weil wenn du die meinst: Ja, sorry, aber die Existenz dieses Landes als "positive Folge" zu sehen, ist schon sehr vage. Übrigens auf einem Land, wo bis die Europäer kamen teilweise sehr stabile, sehr fortschrittliche Gesellschaften existierten.


    Und nein, gut Leben und die USA sind so zwei Sachen, die nicht zusammenpassen. Den große Teile der Bevölkerung in den USA sind systematisch unterdrückt. Zugang zu grundlegenden, eigentlich laut Menschenrechten jedem zustehenden Ressourcen ist für viele Menschen dort eingeschränkt. Demokratie in dem Sinne gibt es dort schon lange nicht mehr (einige Leute zweifeln an, dass es die nach Ankunft der Europäer dort je gab). Und vieles davon hat mit direkten Folgen des Kolonialismus zu tun.


    Karl Marx hat aber nicht gesagt, dass kommunistische Staaten nur dann funktionieren, indem man die Bevölkerung unterdrückt, die freie Meinung einschränkt und die (ganze) Bevölkerung einsperrt, wenn sie den Staat in Frage stellen.

    Um genau zu sein, hat er das genaue Gegenteil gesagt. Es gibt nicht umsonst massive Spannungen zwischen Tankies und dem Rest des sozialistischen Spektrums. Stalinismus und Maoismus stehen so konträr den eigentlichen sozialistischen Theorien gegenüber, das man kaum davon sprechen kann, dass sie dieselben Ideologien sind.


    Marxismus baut zentral darauf auf, dass Demokratie stärker auszubauen, als es zur damaligen Zeit (oder eigentlich auch noch heute) der Fall ist. Marxismus war anti-autoritär. Leninismus hat ein "Na ja, eventuell braucht man am Anfang einen autoritären Staat, um das System umzustellen". Und dann kam Stalin mit: "I AM THE BIG DICTATOR! YEAAAAAAH!" Aber selbst Lenin - der autoritärer eingestellt war, als Marx - konnte Stalin nicht leiden, weil er ihm zu autoritär war und er (wie Geschichte zeigte berechtigte) Angst hatte, dass eine Regierung unter Stalin autoritär wird.

  • Das Problem ist halt, dass die Konsequenzen der positiven Taten dieser Personen auch bis heute vorhalten und eine einseitige Betrachtung deshalb absolut unangemessen ist.

    Du wirfst hier einen Haufen Dinge durcheinander. Nochmal: Die Realität ist, dass von Rassismus betroffene Menschen in Protesten Statuen von Tätern zerstören. Wieso sollten heute von Rassismus betroffene PoCs sich darum kümmern, dass irgendein von weißen gefeierter Typ früher weißen Kindern die Schule finanziert hat? Die positiven Handlungen mögen für weiße Leute bis heute nachwirken, aber halt eben nicht für die Leute, deren Familien versklavt und ermordet wurden und die bis heute an den Folgen des institutionalisiertem Rassismus leiden, den genau diese „Wohltäter“ damals in die Wege geleitet haben. Du sitzt hier mit nem Hintern voll Privilegien in einem post-kolonialistischen Industriestaat in deinem Armstuhl und wirfst von massivem Rassismus betroffenen Leuten vor, dass sie die Täter nicht genug wertschätzen, die die sie unterdrückende Klasse damals auf ach so humanistische Weise unterstützt haben. Weil sie offenbar nicht genug „nachdenken“ und es nicht „differenziert betrachten“. Wtf?


    Deine Karl-Marx-Analogie ist btw absoluter Unsinn, da Marx kein Täter war. Das wäre nur dann eine angemessene Analogie, wenn es hier um die Zerstörung von Denkmälern von Charles Darwin gehen würde, weil der die Evolutionstheorie begründet hat, deren Verzerrung zu rassistischem Gedankengut geführt hat.


    Ansonsten tust du die ganze Zeit so, als gäbe es immer nur einen Zeitgeist, und als hätte damals niemand auf der Welt gewusst oder überhaupt geahnt, dass Sklaverei etwas schlechtes ist. Das ist so als würde man in 100 Jahren, wenn Fleischesserei endlich abgeschafft wurde, sagen, es hätte ja keiner geahnt oder überhaupt ahnen können, dass Fleisch zu essen unmoralisch oder schlecht für die Umwelt wäre. Hätte uns doch wer gewarnt, huh? Sklavenhalterei war damals auch schon umstritten, und wurde nicht erst plötzlich nach ihrer Abschaffung moralisch verwerflich.

  • (Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass wenn Hitler nicht Polen und Frankreich überfallen hätte, dass niemand den Juden zur Hilfe geeilt wäre, weil niemand etwas davon mitbekommen hat)

    Ich meine ja durchaus, aber denkst du, sie hätten sofort etwas getan, wenn sie es wussten? Und ich bin mir sicher, dass sie es wussten.

    Ich denke dieses "zu Hilfe eilen" ist sehr viel schwieriger, als du es dir hier vorzustellen scheinst.


    Auch nach dem Sozialsozialsmus, passierten und passieren Genozide und viele, viele andere schwere Menschenrechtsverbechen. Denen eilt(e) (leider) auch niemand zur Hilfe, weil man keinen Krieg gegen diese Länder riskieren wollte und will.

    Auch gibt es immer noch genügend Diktaturen und Regime oder religiös fanatische Terrorgruppen, die Gewalt über andere ausüben. Ob das nun Völkermorde in Ruanda waren, Verbrechen an den Kurden und oder in Tibet oder im Nahen Osten oder in Nordkorea ist etc.


    Wenn du entscheidest anderswo einzufallen, um Opfer von Menschenrechtsverbrechen zu Hilfe zu eilen, riskierst du mit einer aktiver Handlung gegen dieses Land einen Krieg gegen dein eigenes.

    Das macht normalerweise niemand, der bei Verstand ist. Zudem sehen wir ja an den USA wie erfolgreich und "ehrlich" diese Befreiungshilfen im Nahen Osten und anderwo waren.


    Tl;dr: Es ist viel einfacher gesagt als getan.

    Wenn Länder nicht zuerst angegegriffen werden oder selbst stark involviert sind, weil es Teile ihrer eigenen Bevölkerung betrifft, nehmen sie für gewöhnlich die Menschenrechtsverbrechen anderer Staaten "hin", um nicht als Folge ihrer Einmischung im schlimmsten Fall selbst weggebombt zu werden.


    Natürlich tun sie das. Das Problem ist halt, dass die Konsequenzen der positiven Taten dieser Der Extremfall Robert Koch hat in Afrika zwar ein paar Menschenexperimente durchgeführt - aus heutiger Sicht sicherlich verachtenswert. Er hat aber halt auch den TBC-Erreger entdeckt und damit dafür gesorgt, dass die Tuberkulose, also eine Krankheit an der vor 100 Jahren noch 1/7 aller Deutschen gestorben ist, hierzulande mittlerweile fast ausgerottet ist. Mit anderen Worten: Bei allen von diesen Personen kann man den Punkt machen, dass die positiven Taten der Personen überwiegen und eine Ehrung deshalb angebracht ist. Das mag bei Colston schwierig zu vertreten sein, bei Kolumbus dagegen deutlich eher, bei Robert Koch kann ich beim besten Willen nicht verstehen, wie man überhaupt zu einem anderen Ergebnis kommen kann.

    Bloß sind Statuen etwas Physisches und die kann man leicht wieder zerstören.

    In Wien wurden ja bisher auch einige Straßennamen umbebannt, weil sie nach Nazi-Verbrechern benannt waren.


    Wissen ist dafür etwas, zu dem abertausende Menschen beigetragen haben. Am Ende ist es doch egal wie sie hießen und ich schätze so etwa 98 % der Menschen, die zu wissenschaftlichen Entdeckungen beitrugen, bekommen nunmal auch keine Huldigung in den Geschichtsbüchern.

    Du erhältst heutzutage höchstens ein Zitat in einer wissenschaftlichen Publikation, die außerhalb deiner Fachkreise auch kaum einer kennt. Früher ist dafür überhaupt niemand auf all die Wissenschaftler*innen, die nie geehrt wurden, aufmerksam geworden.

    Dann muss man einem Robert Koch auch nicht extra huldigen und ihn verehren. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind sozusagen ein "Projekt" der gesamten Menschheit und das über Jahrtausende hinweg, nicht nur ein paar einzelner Westler in der Neuzeit.

    Ich hasse diese "Genie-Huldigungen" mittlerweile nur noch, die bisher immer betrieben wurden und speziell, wenn pretentious Leute ihre ugly cries von "heute gibt es keine Genies mehr sowie damals!!1" loslassen, will man sich doch einfach nur übergeben. 😅🤦🏼‍♀️

    Dafür wurden ja Zitier-Regelungen in der Wissenschaft eingeführt, damit dein Name wenigstens irgendwo erscheint und nicht wieder ein Einzelner all die Loorbeeren einsammelt.

  • Die Statuen sind mir tbh ziemlich egal. Mir sind egal, ob die stehen oder in irgendwelchen Seen versenkt werden. Und ich kann durchaus verstehen und sehe es unter Umständen auch als gerechtfertigt an, nicht erst eine grosse gesellschaftliche Debatte und einen politischen Prozess zu veranstalten, wenn es darum geht, solche Statuen zu entfernen.


    Wenn ich mir die Statuen in Zürich oder St. Gallen so anschaue, so sind die meisten von Reformatoren wie Zwingli oder alten Bürgermeistern, die irgendetwas für die Stadt gemacht haben. Und wenn ich mir diese Statuen anschaue, so ist stiftet dies Identität. Ich weiss, dass Teile von dem, wie ich bin, von wie mein Umfeld ist, diesen Personen zu verdanken ist. Und da ich in einem guten Umfeld lebe, finde ich auch die Statuen, die mich an deren Erschaffern erinnern, gut.

    Aber genauso wird es sich auch umgekehrt verhalten, wenn das eigene Umfeld nicht gut ist. Man wird sich die Statuen anschauen und denken "dieser Idiot ist zumindest in Teilen für mein Leiden verantwortlich" und man fühlt Wut oder was auch immer jedes Mal, wenn man die Statue ansieht. Ich kann absolut nachvollziehen, dass man diese so schnell es geht entfernen will. Nennen wir dies der Einfachheit halber negative Identitätsstiftung.


    Für die meisten Statuen wird beides zutreffen. Es gibt zahlreiche Leute, die ersteres fühlen, und zahlreiche Leute, die letzteres fühlen. Es ist somit ein Abwägen zwischen der positiven und negativen Identitätsstiftung. Und ab diesem Punkt wird die Sache eine politische: Es müssen die positive und negative Identitätsstiftung bewertet werden. Was mich ein wenig stört, ist, dass die Selbstjustiz der Protestierenden für diesen Vorgang nicht die nötige Zeit einräumt. Ich kann es ihnen aber kaum vorwerfen, dass sie zu diesem Mittel greifen und ich bin froh, sind es "nur" die viel symbolträchtigeren Statuen und nicht die Autos und Geschäfte von Leuten, die unter der Wirtschaftskrise leiden.

  • Nein. Ich meine dieselbe USA, die die erste moderne, rechtsstaatliche Demokratie waren und bis heute trotz nicht zu verleugnender Probleme sind.

    Dieselbe USA, die seit der Einführung des World-Happiness-Reports durchgehend einen der ersten 20 Plätze einnehmen - wohlgemerkt selbst unter Trump in den letzten Jahren noch.

    Dieselbe USA, die Jahrzehnte lang als "Leader of the free world" agiert hat und unter anderem eine stabile Demokratie in Deutschland installiert hat, für die ich ausgespochen dankbar sind.

    Dieselbe USA, die nach ihrer Gründung fast 200 Jahre lang als "sicherer Hafen" für Auswanderer fungiert hat, die sich aufgrund religiöser oder persönlicher Verfolgung dort niedergelassen haben.

    Dieselbe USA, die als Motor der Weltwirtschaft erheblichen Anteil daran hatte, uns in eine moderne Welt zu katapultieren und unseren Alltag deutlich zu erleichtern.

    Dieselbe USA, die durch ihre Geldmengen und ihre Wirtschaftskraft nachweislich dafür sorgt, dass der Wohlstand nicht nur in den USA, sondern der ganzen Welt stetig ansteigt - lebten im 19. Jahrhundert noch 80% der Welt in absoluter Armut, sind es heute noch 8%.


    Ganz ehrlich, Rosinenpickerei betreiben kann ich selbst.


    Noch einmal, es gibt kein schwarz und weiß, die Fakten in unseren Beiträgen sind zwar bei dir wie üblich maßlos überdramatisiert, aber im Grunde nachweisbar und richtig. Die Kunst liegt halt darin, das gegeneinander abzuwägen. Nicht nur auf der Ebene des Systems, sondern natürlich auch auf der von Personen. Das habe ich oben mehrfach herausgestellt und ich bin dazu absolut bereit. Aber wenn du deine Fakten so darstellst und - das unterstelle ich jetzt einmal - systematisch alles Negative betonst und alles Positive unter den Tisch fallen lässt, hat das wohl leider keinen Sinn. Du betreibst hier Geschichtsrevisionismus in Reinform. White man bad. Black man good. Red man also good. Super.

    Und nein, gut Leben und die USA sind so zwei Sachen, die nicht zusammenpassen. Den große Teile der Bevölkerung in den USA sind systematisch unterdrückt. Zugang zu grundlegenden, eigentlich laut Menschenrechten jedem zustehenden Ressourcen ist für viele Menschen dort eingeschränkt. Demokratie in dem Sinne gibt es dort schon lange nicht mehr (einige Leute zweifeln an, dass es die nach Ankunft der Europäer dort je gab). Und vieles davon hat mit direkten Folgen des Kolonialismus zu tun.

    Lol. Um mal ganz direkt nachzufragen: Wie oft warst du schon in den USA? Und woher beziehst du deine Quellen?


    Jetzt mal ganz im Ernst, zu behaupten, dass die USA (Weithin anerkannt als die Wiege der modernen Demokratie) nie eine Demokratie war, ist in den Bereich der Verschwörungstheorien zu verweisen. Woher kommt dieses gefestigte, antiamerikanische Weltbild denn? Die USA haben einige Demokratiedefizite, aber dennoch sind sie keinesfalls eine Diktatur, Grundrechte und Wahlrecht werden gewährleistet.

    Das klingt irgendwie schon sehr nach dem Kram, den die verbittertsten Bernie-Sanders-Anhänger so verbreiten, wenn der Tag lang ist. Er selbst würde wohl nicht zustimmen. Es klingt aber, und das ist gefährlicher, auch nach dem Blödsinn, der so auf Russia Today verbreitet werden würde und letztlich dazu dienen soll, unsere westlichen Gesellschaftsmodelle zu unterminieren. Leider sind die aber das Beste, was wir uns bis jetzt an Regierungsformen ausgedacht haben, und bei allen Vollzugsdefiziten halte ich so eine Grundlagenkritik daher kaum für angebracht.


    Du wirfst hier einen Haufen Dinge durcheinander. Nochmal: Die Realität ist, dass von Rassismus betroffene Menschen in Protesten Statuen von Tätern zerstören. Wieso sollten heute von Rassismus betroffene PoCs sich darum kümmern, dass irgendein von weißen gefeierter Typ früher weißen Kindern die Schule finanziert hat? Die positiven Handlungen mögen für weiße Leute bis heute nachwirken, aber halt eben nicht für die Leute, deren Familien versklavt und ermordet wurden und die bis heute an den Folgen des institutionalisiertem Rassismus leiden, den genau diese „Wohltäter“ damals in die Wege geleitet haben.

    Ich werfe da nichts durcheinander. Auch das kannst du so nicht einfach behaupten. Sicherlich sind PoCs im Vergleich zu weißen in den USA oft benachteiligt. Allerdings muss man schon auch anmerken, dass eine der Hauptkritiken im Startpost ist, dass die Reservate von Eingeborenen manchmal kein fließendes Wasser haben. Meines Wissens hat von den indigenen Stämmen im Amazonas auch kein einziger fließendes Wasser, und die Gesundheitsversorgung dürfte im Busch auch noch deutlich schlechter sein. Kolonialismus als etwas absolut negatives darzustellen, dürfte deswegen auch in diesen Fällen nicht gerechtfertigt sein. Auch PoC in Großbritannien sitzen in einem post-kolonialistischen Industriestaat und profitieren nicht unerheblich von seiner Existenz. Sie sitzen in einem Industriestaat, der nicht selten das Ziel von anderen PoC ist, die Lebensgefahren auf sich nehmen, um zu uns zu kommen. Und das liegt sicher nicht nur am Kolonialismus und Neokolonialismus, sondern nicht unerheblich auch an kriegerischen Auseinandersetzungen und Diktaturen, die es auch ganz ohne Zutun der Europäer gegeben hätte, weil Menschen eben so sind. SDein ad hominem kannst du also stecken lassen. Auch hier bewegen wir uns nun einmal in Grauzonen.


    Noch einmal: Niemand von uns weiß, wie es ohne die Interventionen der Europäer heute auf der Welt aussehen würde. Sie sind deswegen garantiert kritisch zu würdigen. Verbrechen gegen die indigenen Bevölkerungen anzuerkennen ist richtig, und dass man auf gleichberechtigte Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen hinarbeiten muss ergibt sich schon aus den Menschenrechten. Aber es hier wie Alaiya so darzustellen, als wäre überall auf der Welt bis 1500 Friede, Freude, Eierkuchen gewesen, was die Europäer allein ruiniert haben ist so einfach nicht richtig. Tut mir Leid.



    Deine Karl-Marx-Analogie ist btw absoluter Unsinn, da Marx kein Täter war. Das wäre nur dann eine angemessene Analogie, wenn es hier um die Zerstörung von Denkmälern von Charles Darwin gehen würde, weil der die Evolutionstheorie begründet hat, deren Verzerrung zu rassistischem Gedankengut geführt hat.

    Meinetwegen ziehe ich die Karl-Marx-Analogie damit zurück. Hast du an der Stauffenberg-Analogie auch etwas auszusetzen oder darf ich den grundlegenden Punkt so beibehalten?


    Ansonsten tust du die ganze Zeit so, als gäbe es immer nur einen Zeitgeist, und als hätte damals niemand auf der Welt gewusst oder überhaupt geahnt, dass Sklaverei etwas schlechtes ist. Das ist so als würde man in 100 Jahren, wenn Fleischesserei endlich abgeschafft wurde, sagen, es hätte ja keiner geahnt oder überhaupt ahnen können, dass Fleisch zu essen unmoralisch oder schlecht für die Umwelt wäre. Hätte uns doch wer gewarnt, huh? Sklavenhalterei war damals auch schon umstritten, und wurde nicht erst plötzlich nach ihrer Abschaffung moralisch verwerflich.

    Ich habe nie behauptet, dass es nur einen Zeitgeist gibt. Tatsächlich bin ich eigentlich mit dem Punkt eingestiegen, dass Moral ziemlich wandelbar ist. Dennoch wirst du nicht bestreiten können, dass Sklaverei zumindest bis ins 18., wenn nicht bis ins 19. Jahrhundert gesellschaftlich überwiegend akzeptiert war - übrigens nicht nur in europäischen Gesellschaften. Das Argument mit dem Fleischessen bestätigt daher eigentlich eher meinen Punkt, finde ich. Das ist so eine Sache, die zwar umstritten ist, aber gesellschaftlich überwiegend akzeptiert ist. Ich persönlich esse kein Fleisch, du wenn ich deinen Beitrag richtig verstehe auch nicht. Dennoch ist das nun einmal nur ein Thema, und es ist heutzutage ziemlich normal, Fleisch zu essen. Damals war es ziemlich normal, Sklaven zu besitzen. Ich halte es aber nun einmal für falsch, Helmut Kohl allein deswegen nicht zu ehren, weil sein Lieblingsgericht pfälzer Saumagen war. Und genau so falsch wäre es halt, Statuen von Thomas Jefferson abzureißen, weil er Sklaven gehalten hat.



    Die Taten von Edward Colston (der Sklavenhandel) mögen damals total normal gewesen sein und dass er Schulen und Krankenhäuser unterstützt hat mag was gutes gewesen sein. Das ändert jedoch nichts daran, dass dieses Geld durch Sklavenhandel entstanden ist.

    Damals mag seine Persona "ehrenhaft" gewesen sein, sodass sie mit einer Statue (die Jahrhunderte später scheinbar noch steht) geehrt wurde.

    Aber aus heutiger Sicht und in einer aufgeklärten, Toleranten Gesellschaft gehört es sich mMn nicht, dass ein Sklaventreiber/-händler mit einer Statue geehrt wird, weswegen man auch hinterfragen sollte, ob so eine Statue noch zeitgemäß ist.

    Denn dass man die Nazizeit und deren Denkmäler neu bewertet und entsprechend entfernt steht ja außer Frage, auch wenn es "damals normal" war. Und selbiges sollte auch beim Thema Rassismus und den Statuen von Sklavenhändlern gelten

    Ich werde hier nicht groß über Edward Colston diskutieren, weil ich über ihn einfach nicht genug weiß. Ich stimme dir zu, dass sich die historische Bewertung da auch danach richten sollte, dass er überhaupt erst durch den Sklavenhandel zum Philanthropen werden konnte. In der Pauschalität alle "Statuen von Sklavenhändlern" zu entfernen, halte ich aber nicht für richtig. Denn dann würde man halt zum Beispiel auch die ersten acht US-Präsidenten allesamt nicht mehr würdigen können, obwohl sie zweifelsfrei ziemlich großes vollbracht haben.

  • Was mich ein wenig stört, ist, dass die Selbstjustiz der Protestierenden für diesen Vorgang nicht die nötige Zeit einräumt.

    Diese Statuen werden seit JAHREN schon kritisiert. Wieso wartet man eigentlich dauernd ab, bis alles eskaliert und beschwert sich dann, dass "nicht genug Zeit zum Reagieren" gegeben wurde, obwohl diese Dinge immer wieder über Jahren hinweg für Unruhe gesorgt haben?

  • Weil der Rechtsstaat eine der grössten Errungenschaften der modernen Gesellschaft ist und Selbstjustiz diesen in jedem Fall unterminiert. Nur weil etwas seit Jahren kritisiert wird, heisst es nicht, dass diese Kritik den Kritikern das Recht gibt, durchzugreifen. Wenn ich seit Jahren kritisiere, dass ich Steuern zahlen muss, dann gibt dies mir nicht das Recht, diese nach 10 Jahren nicht mehr zu zahlen, "die Regierung hätte genug Zeit gehabt, zu reagieren". Klar ist dieses Beispiel in Hinsicht auf die Ethik und Moral Tag und Nacht zur Situation mit den Statuen. Aber das Prinzip ist halt dasselbe. Ich bin absolut überzeugt, dass entsprechende Statuen nach diesen gewaltigen Protesten innert maximal einem Jahr entfernt wären, auf einem ganz legalen, rechtsstaatlichen Weg. Dass dieser Prozess nicht zu Ende laufen kann, stört mich.


    Aber, wie ich auch erwähnt habe, ich kann nachvollziehen, dass man als Betroffener nicht warten möchte, ich finde es auch nicht besonders schlimm, gerade bei Statuen. Aber ich finde den Prozess prinzipiell falsch.


    Kurzer Edit: Man könnte sicherlich das Argument machen, dass der Bürger ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat hat und im Sinne von zivilem Ungehorsam oder Widerstand unter Berufung auf Naturrechte tätig werden darf, auch wenn er gegen die geltende Rechtsordnung verstösst. Ich glaube aber kaum, dass Statuen in England oder auch den USA einen Umstand darstellen, der die den geltenden Rechtsnormen überstehenden Naturrechte verletzt.

  • TheTic

    Das Ding an den USA ist, was viele Menschen verärgert, ist ihre immense Heuchlerei und Doppelmoral. Sie erlauben es sich als Moralizer in der Welt aufzuspielen und zu bestimmen, was denn nun ein 3. Welt-Land und was ein Shit Hole Country sei, dabei sind sie es mit ihrem Krankenkassensystem etc. selbst.


    :ugly: :

  • TheTic: Woher meine Anti-US (USA sind noch immer nicht ganz Amerika, wobei ich gegenüber vielen amerikanischen Staaten, die ALLE auf Kolonialismus und zu großen Teilen auf Sklaverei errichtet wurden, für die bis heute keine Reperationen gezahlt wurden) kommt? Hmm, vielleicht weil ich sehr viele Artikel von Politik-Wissenschaftlern aus den USA lese, die seit Jahrzehnten vor einem Zerfall der amerikanischen Demokratie warnen. Vielleicht, weil ich viele Freund*innen in den USA habe, die nur allesamt zu marginalisierten Gruppen zählen, teilweise sogar unter Trump des Landes fliehen mussten, weil sie nicht mehr sicher gewesen sind. Vielleicht, weil ich die aktuellen politischen Ereignisse, die letzten Endes nur widerspiegeln, was seit über einem Jahrhunderten in Regelmäßigen Abständen passiert, Vielleicht auch einfach, weil meine Perspektive sich nicht ausschließlich auf weiße, mittelständige cis Personen bezieht, sondern auf das Gesamtbild. Ach ja, und vielleicht auch, weil ich eine Weile in den USA gelebt habe und gesehen habe, wie höllisch es dort sein kann - während ich wohlgemerkt relativ privilegiert dort leben konnte und nicht einmal Miete zahlen musste, weil ich bei einem sehr reichen Freund untergekommen war.


    Ich empfehle den Podcast "Scene on Radio" vom Politik- und Geschichtsdepartment der Duke University, der in Zusammenarbeit mit vielen international anerkannten Politik-, Geschichts- und Sozialwissenschaftlern produziert wird. Vor allem empfehle ich dir Staffel 4 "The Land that never was" setzt sich wunderbar damit auseinander, wie sich die USA zwar als Demokratie und "freies Land" inszeniert haben, dies aber für einen großen Teil der Bevölkerung nie waren, und wie vieles davon auf Kolonialismus und Sklaverei zurückzuführen ist.


    Buxi: Würdest du wirklich ein Land als Rechtsstaat bezeichnen wollen, in dem seit mehr als hundert Jahren regelmäßig Menschen durch verschiedene Staatsorgane ohne Verhandlung, ohne Richtspruch, ohne Grundlage ermordet werden einfach auf Basis ihrer Hautfarbe? Wenn ja, finde ich deine Definition von Rechtsstaat sehr seltsam.


    Denn genau das passiert und ist der Grund für diese Proteste. Es ist nicht das erste Mal, dass es solche Proteste gibt. Und leider bin ich nicht optimistisch genug, um zu glauben, dass es das letzte Mal ist. Nicht nachdem die Regierung bereits angedeutet hat, militärische Gewalt verwenden zu wollen, um die Proteste niederzuschlagen - es teilweise sogar bereits dank der stark militarisierten Polizei tut.

  • Ich werfe da nichts durcheinander. Auch das kannst du so nicht einfach behaupten.

    Ich behaupte es aber trotzdem, und kann es auch noch genauer ausführen:


    Stellen wir uns mal die USA vor, nur anders. Stellen wir uns vor, sie hätten Trilliarden an Dollar als Reparationen an die Hinterbliebenen des Sklavenhandels ausgeschüttet; stellen wir uns vor, PoC wären in Amerika vollkommen gleichberechtigt und es gäbe keine Diskriminierung. Stellen wir uns vor, sie währen durchschnittlich genauso reich wie nicht PoC, es gäbe universelle Health Care, ein faires Wahlsystem, ein faires Repräsentationssystem, sie wären schulisch nicht benachteiligt und wären nicht auserkorenes Ziel von Polizei und Justiz. Und stellen wir uns vor, es gäbe genauso viele Statuen für die Kolonialisten wie für die Opfer von Kolonialismus. Wie du hoffentlich merkst, befinden wir uns schon von Punkt 1 an sehr weit entfernt von den realen USA – es wäre eine USA, die ihre Vergangenheit aufgearbeitet hat und ihr bestes tut, die negativen Konsequenzen für Nachfahren auszugleichen. Das läge selbstverständlich im Bereich des theoretisch Möglichen für das Land, wenn man bedenkt, dass es eines der reichsten der Welt ist – man müsste es nur wollen.


    Stellen wir uns jetzt vor, in dieser idealen Version der USA würden ein paar Leute rumlaufen und gezielt Statuen von Kolonialisten kaputthauen.

    Dann könnte man deine Argumentation anwenden. Dann könnte man diskutieren, ob das nicht doof ist, die Statuen zu zerstören, weil man den damaligen Zeitgeist bedenken muss, und man könnte argumentieren, dass ja (mittlerweile) jeder gleich von den Folgen des Kolonialismus profitiert. Selbst in dieser Parallelwelt wäre deine Argumentation aber bestenfalls umstritten.


    … Aber wir leben nicht einmal in dieser Realität. Es ist eine Scheinrealität. Und selbst wenn es diese Realität geben würde, dann wäre es doch sehr unwahrscheinlich, dass Leute, denen es gut geht, in einem aufgearbeiteten Land durch die Straßen ziehen und ihre Zeit damit verschwenden, irgendwelche Statuen zu köpfen. Das heißt: Selbst in einer unrealistischen Scheinwelt wäre deine Argumentation vollkommen hypothetisch.


    Nun mag man sich fragen, wie es kommt, dass du (und viele, viele andere) aus der Perspektive einer Scheinwelt heraus argumentierst, anstatt aus der Perspektive der echten Welt heraus. Cue in: A buttload of privilege. Ja, den Ad-Hominem lasse ich nicht stecken, denn er beschreibt, was hier vor sich geht. Aus allen Perspektiven der Welt suchst du dir eine aus, in der der Kolonialismus differenziert abgewägt werden muss, ohne dabei zu berücksichtigen, dass die negativen Konsequenzen des Kolonialismus für die Betroffenen ausgeglichen werden könnten, wenn man denn wollte. Man will aber nicht, und daher wird protestiert. Deswegen erübrigt sich jede Diskussion um das Thema, ob die Statuen stehen bleiben sollten oder nicht; Wenn man will, dass sie stehen bleiben, dann sollte man die Leute, die sie niederreißen, vielleicht einfach nicht unterdrücken. Weil die Leute, die sie niederreißen, zwar unter den negativen Konsequenzen der Taten der Portratierten leiden, aber an den positiven Konsequenzen nicht angemessen beteiligt werden. Nur so eine Idee zum Differenziert-Drüber-Nachdenken.

  • Ich bin absolut überzeugt, dass diese Statuen nach diesem gewaltigen Protesten innert maximal einem Jahr entfernt wären, auf einem ganz legalen, rechtsstaatlichen Weg.

    Und davon überzeugen dich die zig vorherigen Proteste, die selten was gebracht haben? Und ja, nach diesen "gewaltigen" Protesten kann das passieren. Aber es hat auch Gründe, wieso es dann ausgerechnet nach diesen Protesten passiert. Sie verlaufen nicht mehr ganz so ruhig wie die vorherigen. Ich rechtfertige hier btw. nicht die Selbstjustiz. Ich finde nur die Logik ignorant, dass man es immer wieder so verdreht, als ob alle miteinander ruhig reden und reflektieren wollen und die Demonstranten die sind, die dem entgegenstehen. Das ist einfach menschlich nicht in Ordnung so zu argumentieren. Gerade die Statuen sind ein ziemliches gutes Symbol dafür, wie sehr Proteste in der Vergangenheit ignoriert wurden, denn wir haben nicht nur die Statuen, die man noch irgendwie in eine Grauzone argumentieren könnte, sondern auch welche, die während den civil rights-Bewegungen auch gezielt errichtet wurden, um die "weiße Macht" zu demonstrieren. Was wohl auch erklärt, wieso wir die meisten kritisierten Statuen im Süden haben (https://www.splcenter.org/data-projects/whose-heritage). Wenn man sich alleine anschaut, wann der Bau dieser Statuen oft geboomt hat:


    (Quelle: https://www.npr.org/2017/08/20…-white-supremacist-future)


    Hier muss man sich nicht fragen, ob es fair ist, dass man diese Personen nun rückblickend beurteilt, weil viele Statuen errichtet wurden, als der Ruf nach Gleichberechtigung und Menschenrechten laut wurde. Zusätzlich gehen anscheinend sehr viele Steuergelder in den Erhalt dieser, somit zahlst du teilweise als Geschädigter sogar noch ein, damit das Symbol deiner Unterdrückung weiter hübsch aussieht [Quelle].


    Ansonsten zum Argument, dass es zur Geschichte gehört: Ja, und deswegen sollte man die Namen niemals unter den Teppich kehren. Auch nicht die positiven Aspekte. Aber um Geschichte aufzuarbeiten und positive Aspekte zu verstehen, auch, in welchem Kontext sie entstanden sind, braucht man keine Statuen, die zig andere Menschen daran erinnern, wie ihre Vorfahren gefoltert, versklavt und misshandelt wurden. Dafür haben wir Bildung, Museen und andere Möglichkeiten, in denen alles in Kontext gesetzt und erklärt wird. Ich verstehe hier nicht, wie man seine Prioritäten in einer Gesellschaft setzt. Wenn wir wissen, dass etwas damals Unrecht war, dann müssen wir doch nicht stumpf daran festhalten, dass es damals doch voll okay war? Wir leben nach wie vor in heute und nehmen unsere Umgebung in der Gegenwart wahr. Man kann nicht einfach sich 2-3 Statuen rauspicken und argumentieren, dass das nicht ausreichend reflektiert wurde, sondern sollte auch verstehen, dass hier ein großes, negatives Gesamtbild Menschen, die bis heute noch an den Folgen zu leiden haben, vorgesetzt wird. Statuen, die dem KKK als Vorbild dienen, Statuen, die bei rechtsextremen Demonstrationen als "empowering"-Symbol genutzt wurden, weil sie es zulassen. Weil die Geschichte dieser gewürdigten Personen auch Menschen heute erlaubt, zu sagen, dass das wohl so auch "voll klar geht", sonst würde ja nicht diese Statue hier rumstehen um vom Staat beschützt werden. Statuen, zu Personen, die nichts anderes gemacht haben, als sich für das Recht des Südens einzusetzen, Sklaverei weiter zu betreiben. Und davon gibt es nun mal nicht wenige. Der Aufruhr hier sollte nicht sein, wieso die gewaltsam entfernt werden, sondern wieso die überhaupt stehen dürfen.


    Edit: Eigentlich wollte ich noch den Artikel, aus dem die Grafik ist, mit reinpacken. Hier gibt es eine Liste mit aufgestellten Monumenten und anderen "würdigenden" Dingen, die bestimmte, fragwürdige Personen ehren. Außerdem wird die Sachlage in den USA zu dieser Thematik besser beleuchtet, als ich das jetzt in meinem Beitrag tun konnte. Zumindest warum das nicht einfach ein isoliertes Problem ist, sondern mit dem ganzen systemischen Rassismus zusammenhängt.

    whoseheritage_splc.pdf

  • Hmm, vielleicht weil ich sehr viele Artikel von Politik-Wissenschaftlern aus den USA lese, die seit Jahrzehnten vor einem Zerfall der amerikanischen Demokratie warnen.

    Also stimmst du zu, dass deine Behauptung, dass es in den USA seit der Ankunft der Europäer nie Demokratie gegeben hat, Blödsinn war? Denn wo nichts ist, kann ja auch nichts zerfallen.Dann würde ich den Vorwurf der Verschwörungstheorie auch zurücknehmen, denn dass die Demokratie in den USA tatsächlich Probleme hat - vom Gerrymandering über den Ausschluss schwarzer Wähler durch Ausweiserfordernisse bis hin zum Wahlmännerprinzip, durch das die Mehrheitsentscheidung nicht unbedingt auch gewinnen muss - ist absolut klar. Dennoch sind die USA nun mal kein reiner, böser, diktatorischer Unrechtsstaat, sondern eher eine Demokratie mit Defiziten.


    A buttload of privilege. Ja, den Ad-Hominem lasse ich nicht stecken, denn er beschreibt, was hier vor sich geht.

    Gut, da du den nicht stecken lassen kannst, ist die Diskussion mit dir für mich an dieser Stelle beendet. Ich habe das mit Alaiya schon mal ellenlang ausdiskutiert und halte es für müßig, das jetzt noch einmal mit dir zu tun. Das kommt halt immer nur von Leuten, die mit sachlichen Argumenten nicht weiterkommen und deshalb ihren Gegenüber wegen angeblicher "Privilegien" aus der Diskussion hinausdrängen wollen. Dazu passt es dann auch, dass du mir das Leben in einer Scheinwelt unterstellst, die du dann auch noch in deinem Beitrag aufbaust, weil ich nie auch nur annähernd etwas davon gesagt habe. Und dann stellst du fest, dass mein Argument in deiner hypothetischen Scheinwelt keinen Sinn ergibt, weil es das halt auch gar nicht kann, weil ich mich auf unsere, reale Welt bezogen habe. Darüber solltest du dann vielleicht mal differenziert nachdenken.


    Bastet unten: Nur um das klarzustellen, ich fühle mich nicht wirklich beleidigt - ich bin in diesem Fall schließlich privilegiert. Übrigens hauptsächlich deshalb, weil ich eben in Deutschland und nicht in den USA lebe und unsere Demokratie zweifelsfrei deutlich besser funktioniert. Ad-hominem ist halt bloß keine vernünftige Grundlage für eine sachliche Diskussion und wenn man nicht auf sachlicher Ebene diskutieren kann, braucht man meiner Ansicht halt gar nicht zu diskutieren. Erst dann nicht, wenn der ganze folgende Beitrag keinen einziges meiner Argumente anspricht, sondern mir eine "Scheinwelt" in den Mund legt, von der ich noch nie etwas gehört habe.

  • Also stimmst du zu, dass deine Behauptung, dass es in den USA seit der Ankunft der Europäer nie Demokratie gegeben hat, Blödsinn war? Denn wo nichts ist, kann ja auch nichts zerfallen.

    Ich wiederhole meinen Rat: Hör die Staffel 4 von Scene on Radio an. Dort gehen Historiker*innen und Politikwissenschaftler*innen mehrere Stunden lang darauf ein, warum ihrer Meinung nach die USA nie echte Demokratie umgesetzt hat.


    Ja, es sind insgesamt über 10 Stunden Podcast. Aber 10 Stunden, die sich lohnen.


    Und ein halb stehendes Haus kann dennoch zusammenfallen.

  • Naja kommt drauf an. Natürlich darf eine ethnische Gruppe nicht vom Staat privilegiert werden. Sollte dass in den USA wirklich der Fall sein, muss man wirklich von System-Rassismus sprechen. Allerdings ist es doch sehr schwer solche Dinge aus der Ferne zu beurteilen. Stimme aber zu, dass es das Ziel aller freien und fortschrittlichen Gesellschaftne sein sollte, dass alle die gleichen Chancen haben. Aber was ist wenn ich als Privatperson durch Talent und Fleiß es zu Reichtum bringe und meine Kinder dadurch automatisch bessere Chancen haben durch Privatschulen etc als Beispielsweise ein Kind von mittellosen Afroamerikanern aus der Bronx? Haben ich oder meine Kinder uns dann irgendeines Verbrechens schuldig gemacht? Wenn man die Medien verfolgt kriegt man leider den Eindruck.


    2. Müssen wir stark aufpassen, dass sowas nicht kippt. Es gibt beispielsweise an Amerikanischen Unis die sogenannte Affermative Action nach der eine bestimme Anzahl von Afro-Amerikanern auf jeden Fall angenommen muss, auch wenn weiße oder Asiaten bei den Tests besser abschneiden und bessere Noten haben. Viele Asiatische Amerikaner haben bereits gegen diese unfaire Praxis geklagt und das ist auch meiner Meinung nach das Gegenteil einer farbenblinden Gesellschaft. Es sollte nur die Qualifikation des jeweiligen Studenten zählen und nicht seine Hautfarbe!


    In England hat ein dunkelhäutiger Rapper namens Anthony Joshua dazu aufgerufen, keine Geschäfte mehr von Weißen zu besuchen!! Stellt euch mal vor eine weiße Berühmtheit würde das gleiche über Schwarze sagen. Das ist absolute Doppelmoral die man leider auch in den Antworten hier wieder sieht.Anthony Jo

  • 2. Müssen wir stark aufpassen, dass sowas nicht kippt. Es gibt beispielsweise an Amerikanischen Unis die sogenannte Affermative Action nach der eine bestimme Anzahl von Afro-Amerikanern auf jeden Fall angenommen muss, auch wenn weiße oder Asiaten bei den Tests besser abschneiden und bessere Noten haben. Viele Asiatische Amerikaner haben bereits gegen diese unfaire Praxis geklagt und das ist auch meiner Meinung nach das Gegenteil einer farbenblinden Gesellschaft. Es sollte nur die Qualifikation des jeweiligen Studenten zählen und nicht seine Hautfarbe!

    Das ist aber ein unglücklich gewähltes Beispiel, wenn du zur Vorsicht aufrufen möchtest. Ethnische Minderheiten erfahren schon von früh auf auch im Schulsystem eine Benachteiligung. Die Noten bei den Aufnahmetests können somit auch diese Benachteiligung widerspiegeln. Wie gehst du also sicher, dass von Anfang an tatsächlich die Qualifikation gezählt hat, nicht die Hautfarbe? Wenn die Hautfarbe dafür gesorgt hat, dass man überhaupt erst schlechter qualifiziert ist? Das ist halt wieder so ein Punkt: Hätten wir nicht ein systemisches Problem mit Rassismus, würden solche Universitäten auch nicht auf die Idee kommen, dass sie etwas kompensieren müssen. Dementsprechend würde ich sagen, dass das Problem auch hier zuerst an der Wurzel (dem Rassismus) gepackt gehört, bevor man Symptome kritisiert. Oder beschwerst du dich auch über alle Universitäten, die nicht beachten, dass bestimmte Minderheiten es schwerer haben, die gewünschten Qualifikationen zu erreichen, obwohl die Personen geeignet wären?


    Das ist absolute Doppelmoral die man leider auch in den Antworten hier wieder sieht.

    Bitte Beispiele ausführen, eventuell liegt nur ein Missverständnis vor und du wirfst Usern Doppelmoral vor, ohne darauf einzugehen.