"Zukunft ist die Zeit, in der man die ganze Vergangenheit kennen wird. Solange man die Vergangenheit nur teilweise kennt, lebt man in der Gegenwart."
- Gabriel Laub (1928-1998), Journalist und Satiriker
Herzlich willkommen zu meiner Pokémon-Fangeschichte "Lass der Zeit ihren Lauf"!
Die Geschichte, die ihr hier lesen werdet, ist beileibe nicht die erste, die ich je geschrieben habe, und sollte ich sie fertigstellen, wäre es auch nicht die erste vollständige. Streng genommen ist sie noch nicht einmal neu; ursprünglich hatte ich sie vor rund 10 Jahren angefangen zu schreiben. Fertig wurde sie damals nicht im Ansatz, doch die grundlegende Idee hat mich nicht mehr losgelassen, nachdem ich den ursprünglichen Entwurf letztes Jahr auf einer alten Festplatte wiederentdeckt habe.
Die Charaktere werde ich hinzufügen, sobald sie in der Geschichte auftauchen. Alle Charaktere, die erst im weiteren Verlauf der Geschichte auftauchen, sowie Detais, die innerhalb der Geschichte thematisiert werden, stehen in Spoilern. Lesen insofern auf eigene Gefahr.
Ich freue mich immer über ehrliche und konstruktiv formulierte Kritik! Ich mache mir keine Illusionen, ein besonders guter Autor zu sein, insofern möchte ich mich natürlich auch verbessern. Bei Fragen o.Ä. stehe ich natürlich gerne zur Verfügung.
Hauptcharaktere
Matthew
Matthew (25), der Protagonist der Geschichte, ist ein äußerst erfolgreicher Trainer aus der Johto-Region. Aufgrund seiner Kampfstärke arbeitet er mittlerweile für eine Einsatztruppe der Internationalen Polizei, die auf Einsätze im Zusammenhang mit besonders starken Trainern oder legendären Pokémon spezialisiert ist. Sein bester Freund ist sein Einsatzpartner Moe, dem er die Einladung zu dieser Position zu verdanken hat.
Mit rund 1,85 Metern Körpergröße und einer recht stämmigen Statur bildet er einen gewissen Kontrast zu seinem etwas kleiner gewachsenen, aber sportlichen Partner. Seine dunkelbraunen Haare trägt er meist mittellang, ab und zu kommen seine Naturlocken zum Vorschein.
In Kämpfen setzt Matthew hauptsächlich auf seine taktische Intuition, die Ausarbeitung langwieriger Strategien gehört hingegen nicht zu seinen Stärken. Außerhalb von Kämpfen versucht er oft, sich eine Strategie zurechtzulegen, handelt dann meist jedoch trotzdem impulsiv.
Moe
Moe (30) ist auf allen Missionen der Partner von Matthew. Auch er war in seiner Kindheit und Jugend Pokémon-Trainer, hatte sich aber aus eigenem Antrieb bei der Polizei beworben und wurde dort ausgebildet. In puncto Kampfstärke kann er Matthew nicht das Wasser reichen, macht dies jedoch durch besonnene und wohlüberlegte Planung sowie seine Erfahrung als Polizist wett. Er lernte Matthew bei einem Einsatz in der Orre-Region kennen.
Er ist rund einen halben Kopf kleiner als Matthew und deutlich schlanker, dadurch aber auch um einiges agiler. Er hat sehr kurze hellbraune Haare und dunkelgrüne Augen.
Seine Pokémon sind weniger auf den Kampf spezialisiert, sondern decken das sonstige Arbeitsumfeld bei den Einsätzen ab. Sein Partnerpokémon Geckarbor ist dabei wohl das beste Beispiel, da es zwar kaum Kampferfahrung, aber dafür einige andere Tricks auf Lager hat.
Zyrus
Zyrus ist der Anführer einer Organisation namens Team Galaktik und das Ziel des jüngsten Einsatzes des Duos. Gerüchten zufolge hat er es auf zwei legendäre Pokémon aus der Sinnoh-Region abgesehen, die er für seine Zwecke missbrauchen will.
Lucia
Lucia ist eine junge Trainerin, die in der Sinnoh-Region geboren wurde und dort auch aufgewachsen ist. Ursprünglich wollte sie Koordinatorin bei Pokémon-Wettbewerben werden, war jedoch nach der Machtübernahme durch Team Galaktik gezwungen, ihren Traum aufzugeben. Stattdessen wurde sie eine der Mitgründerinnen der Widerstandsbewegung.
Maike
Maike stammt aus der Region Hoenn, nahm allerdings in Sinnoh an einem großen Wettbewerb teil, wo sie auch Lucia kennenlernte. Im Chaos um die Machtübernahme des Team Galaktik konnte sie nicht in ihre Heimat zurückkehren, wodurch sie gezwungen war, in Sinnoh im Untergrund abzutauchen und von dort aus mit ihrer Freundin Lucia eine Widerstandsbewegung ins Leben zu rufen.
Kathryn
Kathryn arbeitet für das Team Galaktik als Pokémon-Verwalterin - ein Job, den sie nur angenommen hat, um nicht gezwungen zu sein, ihre Pokémon abzugeben. Sie sympathisiert heimlich mit der Widerstandsbewegung, konnte sich jedoch nie durchringen, selbst einzusteigen - nicht zuletzt, da sie genau weiß, was Team Galaktik auf lange Sicht gegen den Widerstand ausrichten kann.
Kevin
Kathryns Arbeitskollege, über den sie absolut nichts Gutes zu berichten hat. Offenbar ist er der Meinung, dass er bei ihr eine Chance hätte, in Wahrheit will Kathryn aber nur ihre Ruhe vor ihm haben...
Links zu den Kapiteln
Prolog (siehe unten)
Kapitel 1: Nicht so, wie es sein sollte
Kapitel 3: Vom Regen in die Traufe
Kapitel 4: Alles auf eine Karte
Kapitel 5: Ein außergewöhnlicher Fall
Kapitel 7: Mitgefangen, mitgehangen
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Prolog
Inmitten der Region Sinnoh erhebt sich ein gewaltiges Gebirgsmassiv, weitläufig bekannt als Kraterberg. Von fast jedem Punkt Sinnohs aus sichtbar, stellt dieser das unbestrittene Wahrzeichen der Region dar. Seine schiere Größe, das weit verzweigte Labyrinth aus Höhlen und Tunneln im Inneren und nicht zuletzt natürlich der Schleier des Unbekannten, der den Berg schon immer umgeben hatte, waren die Quellen unzähliger Legenden rund um diesen Ort geworden. Manch eine davon behauptet sogar, an diesem Ort seien Raum und Zeit verzerrt und Portale zu anderen Welten vorhanden...
Viele der Legenden waren selbstverständlich der Fantasie von Menschen entsprungen, denen die Wissenschaft vor hunderten, wenn nicht tausenden von Jahren keine Erklärungen für bestimmte Phänomene in der Umgebung des Bergmassives hatte liefern können. Mittlerweile war dies anders, was der Beliebtheit der alten Überlieferungen jedoch keinen Abbruch getan hatte. Doch trotz aller neuen Erkenntnisse und Untersuchungen der vergangenen Jahre waren die Geheimnisse des Kraterbergs noch immer nicht vollständig gelüftet.
Zyrus, der Anführer einer Gruppe namens Team Galaktik, war sich dessen durchaus bewusst. Schon in Kindheitstagen hatten ihn Mythen und Wissenschaft gleichermaßen fasziniert, und sein Traum war es schon immer gewesen, beides einmal vollkommen in Einklang zu bringen. Falls sich seine Theorie, die ihn hier in die Höhlen des Kraterbergs geführt hatte, bewahrheiten sollte, so wäre er seinem Traum einen großen Schritt näher.
Im Vergleich zu seinem eigentlichen Ziel wäre dies jedoch maximal ein kleiner Bonus.
Der Schein ihrer Taschenlampen warf bizarre Schattenspiele auf die Felsen, während sich Zyrus und seine drei engsten Vertrauten Meter um Meter durch die pechschwarzen Höhlengänge kämpften. Den bereits kartografierten Bereich des Labyrinths hatten sie lange hinter sich gelassen, doch gab es die eine Hoffnung, die die Gruppe weiter vorwärts schreiten ließ – falls es die in den Legenden erwähnte Ruine, Speersäule genannt, am Ende der schier endlosen Höhle wirklich gab, so musste sie einst auch errichtet worden sein, ergo musste es auch einen Weg dorthin geben. Die Aufzeichnungen darüber waren äußerst vage gewesen. Selbst mit allen Hinweisen, die er hatte finden können, hatte Zyrus den Ort nur grob abschätzen können. Irgendwann würden sie auf ihrer Suche umkehren müssen – ob meilenweit oder doch nur einen Katzensprung von ihrem Ziel entfernt, das würden sie dann wohl nie erfahren. Doch sollten sie die Ruine entgegen aller Befürchtungen wirklich finden, dann hätte sich jeder beschwerliche Schritt dieser Reise tausendfach gelohnt.
Die beiden Gestalten, die der kleinen Expeditionsgruppe im sicheren Abstand folgten, wollten ebenfalls diesen sagenumwobenen Ort erreichen. Sie hatten im Vorhinein jeden von Zyrus' Schritten beobachtet und wussten daher um sein Vorhaben – jenes Vorhaben, das sie um jeden Preis zu verhindern hatten, sollte es denn soweit kommen. Zyrus handelte nämlich nicht aus reiner Neugier oder im Dienste der Wissenschaft, sondern hatte allem Anschein nach vor, die Legendären Pokémon Dialga und Palkia, die an der Speersäule zu finden sein sollten, für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Die Internationale Polizei hatte ihn schon lange im Visier, war aber bislang nie in der Lage gewesen, ihm etwas strafrechtlich Relevantes nachzuweisen. Sollte sich bewahrheiten, was befürchtet wurde, dann zählte für die Polizei jede Sekunde. Aus diesem Grund waren zwei ihrer besten Agenten an seine Fersen geheftet worden – Matthew, ein talentierter Pokémon-Trainer mit einem starken Pokémon-Team, und sein Partner Moe, der sich schon in vielen schwierigen und gefährlichen Situationen durch besonnenes Handeln und strategisches wie taktisches Geschick hatte auszeichnen können. Sie gehörten zu einer Spezialeinheit, die meistens dann zum Zuge kam, wenn besonders starke Trainer oder Pokémon als Gegner zu erwarten waren – nicht zuletzt Legendäre Pokémon.
Gefühlt seit Stunden irrte die Gruppe um Zyrus nun schon durch den steinernen Irrgarten. Matthew hatte in der Dunkelheit sein Zeitgefühl völlig verloren, und je länger der Weg wurde, den sie schon zurückgelegt hatten, desto weniger erwartete er, dass noch etwas passieren würde.
Doch kaum dass er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, hörte er eine Frauenstimme im Tunnel rufen.
„Zyrus! Hier ist etwas!“
Vorsichtig schlichen die beiden Agenten um die vor ihnen liegende Tunnelbiegung, hinter der sich eine Höhle auftat, die zwar vielleicht subjektiv nicht besonders groß war, aber im Kontrast zu den engen Tunneln durch den dämmerigen Schein der Taschenlampen trotzdem eine beeindruckende Weite ausstrahlte. Am Übergang zur Höhle bezogen Matthew und Moe Stellung und beobachteten Zyrus und seine Begleiter, die offenbar etwas an der gegenüberliegenden Höhlenwand inspizierten. Auf Moes Schulter saß dessen Pokémon-Partner Geckarbor, ein etwa fünfzig Zentimeter langes reptilienartiges Pflanzenpokémon, und betrachtete ebenso interessiert die Vorgänge in der Höhle.
„Diese Tafel ähnelt der in der Ruine von Trostu“, hallte Zyrus' Stimme von den Felswänden. „Die steht bestimmt nicht nur zufällig dort.“
Mit seinem Fernglas hatte Moe mittlerweile einen Blick auf die Steintafel erhaschen können. Die Ähnlichkeit der Zeichnungen mit denen des Exemplars aus Trostu war tatsächlich nicht zu leugnen.
„Saturn, wenn ich bitten dürfte...“, fuhr Zyrus fort und trat ein paar Schritte von der Tafel zurück.
„Selbstverständlich“, antwortete sein Begleiter, der sogleich einen Pokéball von seinem Gürtel löste und in Richtung der Tafel warf. „Los, Toxiquak!“
Die gesamte Höhle wurde für einen Moment in rotes Licht getaucht, als der Ball von der Tafel abprallte und das Pokémon im Inneren freigab. Im schwachen Schein der Taschenlampen war nur eine humanoide Silhouette zu erkennen, die von Saturn zwar um einen guten halben Meter überragt wurde, aber mit ihren beiden scharfen Krallen an den Armen dennoch alles Andere als harmlos wirkte.
„Power-Punch!“, befahl Saturn seinem Pokémon und streckte seinen Arm in Richtung der Steintafel. Die rechte Klaue des Kampfpokémon begann erst schwach zu leuchten, doch binnen einiger Sekunden wurde der Schein immer heller, bis das Pokémon plötzlich aufsprang und mit dem vollen Schwung seines Körpers seine Klaue in die Steintafel rammte. Für einen Sekundenbruchteil schien die Tafel dem Schlag widerstehen zu können. Schlussendlich gab sie der geballten Kraft der Attacke jedoch nach und zerbrach in mehrere große sowie hunderte winzige Trümmer.
Moe musste sich merklich zurückhalten, nicht sofort aufzuspringen und sich die Vandalen persönlich vorzunehmen. In Anbetracht ihrer Mission musste er sich in Geduld üben. Stattdessen nahm er einen Notizblock aus seiner Westentasche und notierte sich die Uhrzeit und den Vorfall.
„Vandalismus und mutwillige Zerstörung von Kulturgut“, flüsterte Moe seinem Partner zu. „Wenn wir ihm sonst nichts nachweisen können, dann kriegen wir ihn wenigstens damit.“
Hinter der Steintafel kam tatsächlich ein weiterer Tunnel zum Vorschein, der allerdings kaum mehr als anderthalb Meter im Durchmesser maß. Zyrus musste sich bücken und in die Hocke gehen, um überhaupt hineinleuchten zu können. Nichtsdestotrotz zögerte er keine Sekunde, den Tunnel zu betreten, und wies seine Begleiter mit einer Handbewegung an, ihm zu folgen, zuerst die beiden Frauen, dahinter Saturn, der sein Pokémon wieder in den Pokéball zurückgerufen hatte.
Die beiden Polizisten gaben der Gruppe eine Minute Vorsprung, bevor sie sich selbst auf den Weg machten.
Diesmal war der Fußmarsch trotz der beengten Verhältnisse nur von kurzer Dauer. Schon nach wenigen Minuten war es Zyrus' Stimme, die die Stille durchbrach.
„Da vorne ist Licht!“
„Ist sie das?“, gab eine der Frauen aufgeregt zurück.
„Wir werden es gleich erfahren“, antwortete Zyrus ruhig. „Los, weiter!“
Matthew spürte, wie sein Herz in einer Mischung aus Anstrengung, Vorfreude und Nervosität heftiger zu schlagen begann. Es war beileibe nicht seine erste Mission, doch zur Routine waren sie für ihn noch lange nicht geworden. Der Gedanke, dass auch Moe diese Nervosität verspüren dürfte, beruhigte ihn allerdings gleichzeitig ein wenig. Etwas eiliger und hektischer als zuvor tastete er sich den Tunnel entlang, um wieder zu Team Galaktik aufzuschließen. Moe folgte ihm leise, immer darauf bedacht, seinem Geckarbor auf der Schulter genug Platz zur Felswand zu geben.
Schon nach wenigen Metern konnten auch die beiden Polizisten das Licht sehen. Es war definitiv kein Tageslicht, stattdessen erinnerte es Matthew ein wenig an Mondlicht, wenn auch mit einem deutlichen Stich ins Rötliche... Was auch immer es war, so eine Färbung hatte er noch nie zuvor in der Natur gesehen.
In der Ferne waren die Umrisse der vier Zielpersonen erkennen. Sie hatten den Tunnel offenbar mittlerweile verlassen und waren ins Licht getreten. Die leicht rötliche Färbung spiegelte sich auf ihren silbrig-weißen Uniformen. Ein paar Meter schlichen Matthew und Moe noch voran, bevor sie gerade noch außerhalb des Lichtscheins ihre Stellung bezogen. Von dort aus konnten sie nicht viel von dem erkennen, was sich außerhalb des Tunnels befand, aber zur Beobachtung der Vorgänge und zum Mithören reichte es aus.
Zyrus trat ein paar Schritte vom Eingang des Tunnels nach vorne und drehte sich dann zu seinen Begleitern um.
„Mars, Jupiter, Saturn...“, begann er zu seinen Begleitern zu sprechen. „Ich danke euch, dass ihr mich bis hierhin begleitet und unterstützt habt. Es war ein langer, schwerer Weg, und ohne euren Einsatz wären wir nie so weit gekommen.“
Er wandte sich wieder ab und sprach weiter.
„Ich wünsche mir, dass ich auch in der Zukunft, die wir hier und heute aufbauen wollen, diese Verlässlichkeit und Loyalität nicht vergesst und mir helft, den Traum unserer neuen Weltordnung, den Traum einer Welt ohne störende Emotionen, zur Realität werden zu lassen – ganz gleich, was auch passieren mag!“
Die rothaarige der beiden Frauen trat einen Schritt nach vorne auf Zyrus zu.
„Ich denke“, antwortete sie auf Zyrus' Ansprache, „ich spreche für jeden Einzelnen von uns, wenn ich sage, dass es uns eine Ehre war und sein wird, an deiner Seite deinen Traum zu unterstützen.“
„Ich kann Mars da nur Recht geben“, warf die Frau mit den violetten Haaren ein. „Und was auch passiert, wir werden an deiner Seite stehen!“
Saturn nickte nur schweigend.
„Nun gut“, murmelte Zyrus kaum hörbar. „Dann zeigt sich jetzt, ob meine Theorie auch bis hierhin korrekt war.“
Aus seiner Westentasche zog er ein Objekt, das von rot pulsierendem Licht eingehüllt war. Auf die Entfernung war nicht genau zu erkennen, um was es sich genau handelte, jedoch war dies nicht von Bedeutung. Zyrus hatte seine Absichten deutlich gemacht – mehr brauchten die beiden Polizisten nicht zu wissen. Moe gab seinem Partner das Zeichen, den Tunnel zu verlassen, und nahm einen seiner Pokébälle von seinem Gürtel in die Hand. Matthew tat es ihm gleich und trat auf die Lichtung, die sich vor ihnen aufgetan hatte.
Er hatte kaum genug Zeit, die unwirkliche Atmosphäre dieses Ortes auf sich wirken zu lassen. Das unnatürlich rote Licht strahlte vom Himmel herab, wenn man das surreale Gebilde aus blassroten und tiefschwarzen Wolken, die in komplexen Wirbeln verflochten waren, denn wirklich so nennen konnte. Vor ihnen lag eine Ebene aus Sandstein, auf der in scheinbar zufälligen Mustern meterhohe Säulen gen Himmel ragten – zumindest die, die im Laufe der Jahrhunderte noch nicht unter ihrem eigenen Gewicht zusammengebrochen waren.
Team Galaktik hatte die Anwesenheit der Neuankömmlinge offenbar noch nicht bemerkt, denn Zyrus fuhr unbeirrt fort.
„Dialga! Palkia! Zeigt euch!“, rief er in die Leere vor sich. „Mit eurer Hilfe werde ich-“
„Gar nichts werden Sie!“, warf Matthew mit erhobener Stimme dazwischen. Erschrocken drehten sich Zyrus' Begleiter um.
„Polizei? Hier?“, schrie Mars entsetzt.
„Das kann doch alles nicht wahr sein!“, seufzte Jupiter im frustrierten Tonfall.
„Immer mit der Ruhe“, erwiderte Zyrus sichtlich unbeeindruckt von der Situation. „Sie sind zwei, ihr seid drei. Schafft sie mir aus dem Weg.“
„Selbstverständlich“, antwortete Saturn knapp und nahm einen Pokéball zur Hand. „Los, Toxiquak!“, rief er, als er den Ball in Richtung der Polizisten warf. Mars und Jupiter folgten seinem Beispiel.
„Los, Skuntank!“
„Los, Shnurgarst!“
Neben Toxiquak erschienen aus den roten Lichtstrahlen der Pokébälle ein violettes Stinktier und ein kräftig gebautes Katzenpokémon. Beide reichten ihren Trainern etwa bis zur Hüfte. Das Knurren der drei Pokémon verband sich zu einem einschüchternden Kampfgebrüll, das die beiden Polizisten allerdings kaum beeindruckte. Sie hatten schon mit weitaus bedrohlicheren Pokémon zu tun gehabt. Nahezu zeitgleich warfen sie ihre eigenen Pokémon ins Kampfgeschehen.
„Los, Galagladi!“
„Los, Raichu!“
Auf Matthews Seite erschien ein menschenähnliches Pokémon mit langen, geschwungenen Klingen an seinen Armen und auf Moes Seite ein kleineres, oranges Pokémon mit kurzen Armen und Beinen sowie einem langen Schwanz, an dessen Spitze sich ein blitzförmiger Anhang befand. Matthews Galagladi hob seinen rechten Arm in eine defensive Position, während um Raichus Backentaschen kleine Blitze knisterten.
„Zwei gegen drei? Ist das nicht ein bisschen unfair?“, fragte Matthew seinen Partner spöttisch.
„Findest du?“, entgegnete Moe mit gespielter Überraschung, „Wir wollen es ihnen doch nicht zu leicht machen, oder?“
„Euch wird das Lachen noch vergehen!“, fauchte Jupiter ihnen entgegen. „Skuntank, Gifthieb!“
„Shnurgarst, Schlitzer!“
„Toxiquak, Durchbruch!“
Die drei Pokémon des Team Galaktik stürzten sich angriffslustig auf Raichu und Galagladi.
„Galagladi, Psychoklinge!“
„Raichu, Volttackle!“
Die Pokémon der Polizisten schlugen sofort zurück. Raichu hüllte sich in strahlend gelbe Blitze und rammte seinen Körper mit aller Macht gegen Skuntank, welches von der Attacke getroffen einige Meter über den rauen Boden rutschte, bevor es sein Gleichgewicht wiedererlangte. Galagladi hatte in der Zwischenzeit seine Klingen in eine rosane Aura gehüllt und ließ die Attacken von Shnurgarst und Toxiquak an seiner rechten Klinge abprallen, bevor es mit dem freien linken Arm zuschlug. Während Shnurgarst zwar einen Moment durch die Luft flog, sich jedoch noch im Flug wieder orientierte und sogar auf seinen Pfoten landete, wurde Toxiquak gegen eine nahe Säule geschleudert und brach dort entkräftet zusammen. Galagladi hatte seinen Fokus sogleich wieder auf das Katzenpokémon gerichtet, welches die Attacke offenbar deutlich besser überstanden hatte.
„Na los, Shnurgarst! Dunkelklaue!“, bellte Mars ihrem Pokémon zu, welches mit einer tiefschwarzen Aura um seine Pfoten herum wieder Galagladi angriff.
„Sehr gut! Jetzt Nahkampf!“, rief Matthew seinem Pokémon zu, das auf Shnurgarsts Angriff bereits vorbereitet war. Es wartete den Angriff des Katzenpokémon ab, um dann sofort aus nächster Nähe eine Serie aus Schlägen und Tritten auszuteilen. Shnurgarst war der Attacke hilflos ausgeliefert und sank sofort besiegt zu Boden, als Galagladi von ihm abließ.
Moes Raichu war derweil in einen hitzigen Schlagabtausch mit Jupiters Skuntank verwickelt, welches vergeblich versuchte, den blitzschnellen Bewegungen des Elektropokémon zu folgen.
„Sehr gut, Raichu! Beende es mit Donner!“
Auf das Kommando seines Trainers sprang Raichu mehrere Meter in die Luft, sammelte einen Moment lang Energie und ließ diese aus der Höhe als elektrische Entladung auf Skuntank einstürzen. Elegant landete Raichu nach seinem Sprung auf den Hinterpfoten direkt neben seinem Ziel, das noch einen Moment wie gelähmt stehenblieb, bevor es ebenfalls kampfunfähig zu Boden sank.
Hektisch verstauten die drei besiegten Trainer ihre Pokémon wieder in den Pokébällen.
„Das kann doch alles nicht wahr sein!“, fauchte Jupiter erneut. „Wir sind doch so weit gekommen!“
„Das macht nichts“, gab Zyrus ruhig zurück. „Ihr habt alles Notwendige getan.“
Erst jetzt bemerkten Matthew und sein Partner die beiden Wirbel aus Staub und Steinen, die sich in der Zeit am anderen Ende der Ebene gebildet hatten. Zunächst kaum kniehoch wuchsen diese binnen Sekunden immer weiter in die Höhe, sodass sie bald sogar die letzten noch stehenden Säulen überragten.
„Zyrus! Hören Sie auf damit und treten Sie zurück!“, rief Moe über den Lärm des wirbelnden Gerölls hinweg.
„Nicht notwendig“, antwortete Zyrus mit lauter Stimme, um die Geräusche um ihn herum zu übertönen. „Ich bin sowieso fertig.“
Im gleichen Moment rissen die Wirbel auf und schleuderten ihren Inhalt über die gesamte Ebene. Matthew und Moe hielten sich schützend die Arme vor das Gesicht, während Mars, Jupiter und Saturn hinter naheliegenden Säulen Deckung suchten. Erst nach einigen ewig erscheinenden Sekunden hatte sich der dichte Staub soweit gelegt, dass wieder etwas zu erkennen war. Noch bevor sich die beiden Polizisten den Sand aus den Augen gerieben hatten, begann Zyrus wieder zu sprechen.
„Darf ich vorstellen? Dialga, Herrscher über die Zeit, und Palkia, Herrscher über den Raum.“
Hinter Zyrus konnte Matthew zwei riesige Gestalten ausmachen, die langsam für ihn Form annahmen. Was er dort sah, raubte ihm den Atem.
Die zwei Kreaturen, die aus den Wirbeln erschienen waren, überragten Zyrus gut um das Doppelte. Das linke Pokémon hatte vier kräftige Beine, einen langen Hals und trug einen gezackten, metallischen Fächer auf dem Rücken seines stahlblauen Körpers. Das rechte Pokémon stand auf zwei massiven Füßen aufrecht daneben und streckte seine zwei klauenbewehrten Arme, an den Schultern durch eine Art Rüstung bedeckt, in Zyrus' Richtung.
Markerschütterndes Brüllen ließ die Erde erbeben, als Dialga und Palkia sich vor den Menschen aufbauten. Reflexartig schlug Matthew die Hände über seine Ohren und sah aus den Augenwinkeln, wie die anderen Trainer es ihm gleichtaten.
Zyrus hingegen trat selbstsicher auf die Riesen zu und hielt das rot leuchtende Objekt aus seiner Tasche in die Höhe. Ebenso rot leuchtende Ketten erschienen um die Hälse der Legendären und erstickten das Brüllen schlagartig.
Triumphierend wandte sich Zyrus den Polizisten zu.
„Falls Sie mich verhaften möchten, sollten Sie etwas gegen diese zwei Pokémon ausrichten können. Sie stehen jetzt unter meiner-“
„Achtung!“ Saturn rannte plötzlich auf ihn zu. Hinter dem Rücken des Anführers hatten Dialga und Palkia begonnen, ihre Kräfte für einen Angriff zu sammeln und warfen diesen mit geballter Macht auf die Menschen zu. Gerade rechtzeitig riss der Trainer seinen Anführer zu Boden, um der Attacke zu entgehen.
Den Polizisten blieb dazu keine Zeit.
Das Letzte, was Matthew sah, bevor ihm die Wucht des Angriffs das Bewusstsein raubte, war sein Galagladi, das sich in die Schussbahn warf, um seinen Trainer zu schützen...