Lass der Zeit ihren Lauf

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Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • "Zukunft ist die Zeit, in der man die ganze Vergangenheit kennen wird. Solange man die Vergangenheit nur teilweise kennt, lebt man in der Gegenwart."

    - Gabriel Laub (1928-1998), Journalist und Satiriker


    Herzlich willkommen zu meiner Pokémon-Fangeschichte "Lass der Zeit ihren Lauf"!


    Die Geschichte, die ihr hier lesen werdet, ist beileibe nicht die erste, die ich je geschrieben habe, und sollte ich sie fertigstellen, wäre es auch nicht die erste vollständige. Streng genommen ist sie noch nicht einmal neu; ursprünglich hatte ich sie vor rund 10 Jahren angefangen zu schreiben. Fertig wurde sie damals nicht im Ansatz, doch die grundlegende Idee hat mich nicht mehr losgelassen, nachdem ich den ursprünglichen Entwurf letztes Jahr auf einer alten Festplatte wiederentdeckt habe.


    Die Charaktere werde ich hinzufügen, sobald sie in der Geschichte auftauchen. Alle Charaktere, die erst im weiteren Verlauf der Geschichte auftauchen, sowie Detais, die innerhalb der Geschichte thematisiert werden, stehen in Spoilern. Lesen insofern auf eigene Gefahr.


    Ich freue mich immer über ehrliche und konstruktiv formulierte Kritik! Ich mache mir keine Illusionen, ein besonders guter Autor zu sein, insofern möchte ich mich natürlich auch verbessern. Bei Fragen o.Ä. stehe ich natürlich gerne zur Verfügung.




    Hauptcharaktere


    Matthew

    Matthew (25), der Protagonist der Geschichte, ist ein äußerst erfolgreicher Trainer aus der Johto-Region. Aufgrund seiner Kampfstärke arbeitet er mittlerweile für eine Einsatztruppe der Internationalen Polizei, die auf Einsätze im Zusammenhang mit besonders starken Trainern oder legendären Pokémon spezialisiert ist. Sein bester Freund ist sein Einsatzpartner Moe, dem er die Einladung zu dieser Position zu verdanken hat.

    Mit rund 1,85 Metern Körpergröße und einer recht stämmigen Statur bildet er einen gewissen Kontrast zu seinem etwas kleiner gewachsenen, aber sportlichen Partner. Seine dunkelbraunen Haare trägt er meist mittellang, ab und zu kommen seine Naturlocken zum Vorschein.

    In Kämpfen setzt Matthew hauptsächlich auf seine taktische Intuition, die Ausarbeitung langwieriger Strategien gehört hingegen nicht zu seinen Stärken. Außerhalb von Kämpfen versucht er oft, sich eine Strategie zurechtzulegen, handelt dann meist jedoch trotzdem impulsiv.


    Moe

    Moe (30) ist auf allen Missionen der Partner von Matthew. Auch er war in seiner Kindheit und Jugend Pokémon-Trainer, hatte sich aber aus eigenem Antrieb bei der Polizei beworben und wurde dort ausgebildet. In puncto Kampfstärke kann er Matthew nicht das Wasser reichen, macht dies jedoch durch besonnene und wohlüberlegte Planung sowie seine Erfahrung als Polizist wett. Er lernte Matthew bei einem Einsatz in der Orre-Region kennen.

    Er ist rund einen halben Kopf kleiner als Matthew und deutlich schlanker, dadurch aber auch um einiges agiler. Er hat sehr kurze hellbraune Haare und dunkelgrüne Augen.

    Seine Pokémon sind weniger auf den Kampf spezialisiert, sondern decken das sonstige Arbeitsumfeld bei den Einsätzen ab. Sein Partnerpokémon Geckarbor ist dabei wohl das beste Beispiel, da es zwar kaum Kampferfahrung, aber dafür einige andere Tricks auf Lager hat.


    Zyrus

    Zyrus ist der Anführer einer Organisation namens Team Galaktik und das Ziel des jüngsten Einsatzes des Duos. Gerüchten zufolge hat er es auf zwei legendäre Pokémon aus der Sinnoh-Region abgesehen, die er für seine Zwecke missbrauchen will.




    Links zu den Kapiteln


    Prolog (siehe unten)

    Kapitel 1: Nicht so, wie es sein sollte

    Kapitel 2: Weit hergeholt

    Kapitel 3: Vom Regen in die Traufe

    Kapitel 4: Alles auf eine Karte

    Kapitel 5: Ein außergewöhnlicher Fall

    Kapitel 6: Viel zu riskant

    Kapitel 7: Mitgefangen, mitgehangen

    Kapitel 8: Nur Glück


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    Prolog


    Inmitten der Region Sinnoh erhebt sich ein gewaltiges Gebirgsmassiv, weitläufig bekannt als Kraterberg. Von fast jedem Punkt Sinnohs aus sichtbar, stellt dieser das unbestrittene Wahrzeichen der Region dar. Seine schiere Größe, das weit verzweigte Labyrinth aus Höhlen und Tunneln im Inneren und nicht zuletzt natürlich der Schleier des Unbekannten, der den Berg schon immer umgeben hatte, waren die Quellen unzähliger Legenden rund um diesen Ort geworden. Manch eine davon behauptet sogar, an diesem Ort seien Raum und Zeit verzerrt und Portale zu anderen Welten vorhanden...


    Viele der Legenden waren selbstverständlich der Fantasie von Menschen entsprungen, denen die Wissenschaft vor hunderten, wenn nicht tausenden von Jahren keine Erklärungen für bestimmte Phänomene in der Umgebung des Bergmassives hatte liefern können. Mittlerweile war dies anders, was der Beliebtheit der alten Überlieferungen jedoch keinen Abbruch getan hatte. Doch trotz aller neuen Erkenntnisse und Untersuchungen der vergangenen Jahre waren die Geheimnisse des Kraterbergs noch immer nicht vollständig gelüftet.

    Zyrus, der Anführer einer Gruppe namens Team Galaktik, war sich dessen durchaus bewusst. Schon in Kindheitstagen hatten ihn Mythen und Wissenschaft gleichermaßen fasziniert, und sein Traum war es schon immer gewesen, beides einmal vollkommen in Einklang zu bringen. Falls sich seine Theorie, die ihn hier in die Höhlen des Kraterbergs geführt hatte, bewahrheiten sollte, so wäre er seinem Traum einen großen Schritt näher.

    Im Vergleich zu seinem eigentlichen Ziel wäre dies jedoch maximal ein kleiner Bonus.


    Der Schein ihrer Taschenlampen warf bizarre Schattenspiele auf die Felsen, während sich Zyrus und seine drei engsten Vertrauten Meter um Meter durch die pechschwarzen Höhlengänge kämpften. Den bereits kartografierten Bereich des Labyrinths hatten sie lange hinter sich gelassen, doch gab es die eine Hoffnung, die die Gruppe weiter vorwärts schreiten ließ – falls es die in den Legenden erwähnte Ruine, Speersäule genannt, am Ende der schier endlosen Höhle wirklich gab, so musste sie einst auch errichtet worden sein, ergo musste es auch einen Weg dorthin geben. Die Aufzeichnungen darüber waren äußerst vage gewesen. Selbst mit allen Hinweisen, die er hatte finden können, hatte Zyrus den Ort nur grob abschätzen können. Irgendwann würden sie auf ihrer Suche umkehren müssen – ob meilenweit oder doch nur einen Katzensprung von ihrem Ziel entfernt, das würden sie dann wohl nie erfahren. Doch sollten sie die Ruine entgegen aller Befürchtungen wirklich finden, dann hätte sich jeder beschwerliche Schritt dieser Reise tausendfach gelohnt.


    Die beiden Gestalten, die der kleinen Expeditionsgruppe im sicheren Abstand folgten, wollten ebenfalls diesen sagenumwobenen Ort erreichen. Sie hatten im Vorhinein jeden von Zyrus' Schritten beobachtet und wussten daher um sein Vorhaben – jenes Vorhaben, das sie um jeden Preis zu verhindern hatten, sollte es denn soweit kommen. Zyrus handelte nämlich nicht aus reiner Neugier oder im Dienste der Wissenschaft, sondern hatte allem Anschein nach vor, die Legendären Pokémon Dialga und Palkia, die an der Speersäule zu finden sein sollten, für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Die Internationale Polizei hatte ihn schon lange im Visier, war aber bislang nie in der Lage gewesen, ihm etwas strafrechtlich Relevantes nachzuweisen. Sollte sich bewahrheiten, was befürchtet wurde, dann zählte für die Polizei jede Sekunde. Aus diesem Grund waren zwei ihrer besten Agenten an seine Fersen geheftet worden – Matthew, ein talentierter Pokémon-Trainer mit einem starken Pokémon-Team, und sein Partner Moe, der sich schon in vielen schwierigen und gefährlichen Situationen durch besonnenes Handeln und strategisches wie taktisches Geschick hatte auszeichnen können. Sie gehörten zu einer Spezialeinheit, die meistens dann zum Zuge kam, wenn besonders starke Trainer oder Pokémon als Gegner zu erwarten waren – nicht zuletzt Legendäre Pokémon.


    Gefühlt seit Stunden irrte die Gruppe um Zyrus nun schon durch den steinernen Irrgarten. Matthew hatte in der Dunkelheit sein Zeitgefühl völlig verloren, und je länger der Weg wurde, den sie schon zurückgelegt hatten, desto weniger erwartete er, dass noch etwas passieren würde.

    Doch kaum dass er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, hörte er eine Frauenstimme im Tunnel rufen.

    „Zyrus! Hier ist etwas!“

    Vorsichtig schlichen die beiden Agenten um die vor ihnen liegende Tunnelbiegung, hinter der sich eine Höhle auftat, die zwar vielleicht subjektiv nicht besonders groß war, aber im Kontrast zu den engen Tunneln durch den dämmerigen Schein der Taschenlampen trotzdem eine beeindruckende Weite ausstrahlte. Am Übergang zur Höhle bezogen Matthew und Moe Stellung und beobachteten Zyrus und seine Begleiter, die offenbar etwas an der gegenüberliegenden Höhlenwand inspizierten. Auf Moes Schulter saß dessen Pokémon-Partner Geckarbor, ein etwa fünfzig Zentimeter langes reptilienartiges Pflanzenpokémon, und betrachtete ebenso interessiert die Vorgänge in der Höhle.

    „Diese Tafel ähnelt der in der Ruine von Trostu“, hallte Zyrus' Stimme von den Felswänden. „Die steht bestimmt nicht nur zufällig dort.“

    Mit seinem Fernglas hatte Moe mittlerweile einen Blick auf die Steintafel erhaschen können. Die Ähnlichkeit der Zeichnungen mit denen des Exemplars aus Trostu war tatsächlich nicht zu leugnen.

    „Saturn, wenn ich bitten dürfte...“, fuhr Zyrus fort und trat ein paar Schritte von der Tafel zurück.

    „Selbstverständlich“, antwortete sein Begleiter, der sogleich einen Pokéball von seinem Gürtel löste und in Richtung der Tafel warf. „Los, Toxiquak!“

    Die gesamte Höhle wurde für einen Moment in rotes Licht getaucht, als der Ball von der Tafel abprallte und das Pokémon im Inneren freigab. Im schwachen Schein der Taschenlampen war nur eine humanoide Silhouette zu erkennen, die von Saturn zwar um einen guten halben Meter überragt wurde, aber mit ihren beiden scharfen Krallen an den Armen dennoch alles Andere als harmlos wirkte.

    „Power-Punch!“, befahl Saturn seinem Pokémon und streckte seinen Arm in Richtung der Steintafel. Die rechte Klaue des Kampfpokémon begann erst schwach zu leuchten, doch binnen einiger Sekunden wurde der Schein immer heller, bis das Pokémon plötzlich aufsprang und mit dem vollen Schwung seines Körpers seine Klaue in die Steintafel rammte. Für einen Sekundenbruchteil schien die Tafel dem Schlag widerstehen zu können. Schlussendlich gab sie der geballten Kraft der Attacke jedoch nach und zerbrach in mehrere große sowie hunderte winzige Trümmer.

    Moe musste sich merklich zurückhalten, nicht sofort aufzuspringen und sich die Vandalen persönlich vorzunehmen. In Anbetracht ihrer Mission musste er sich in Geduld üben. Stattdessen nahm er einen Notizblock aus seiner Westentasche und notierte sich die Uhrzeit und den Vorfall.

    „Vandalismus und mutwillige Zerstörung von Kulturgut“, flüsterte Moe seinem Partner zu. „Wenn wir ihm sonst nichts nachweisen können, dann kriegen wir ihn wenigstens damit.“

    Hinter der Steintafel kam tatsächlich ein weiterer Tunnel zum Vorschein, der allerdings kaum mehr als anderthalb Meter im Durchmesser maß. Zyrus musste sich bücken und in die Hocke gehen, um überhaupt hineinleuchten zu können. Nichtsdestotrotz zögerte er keine Sekunde, den Tunnel zu betreten, und wies seine Begleiter mit einer Handbewegung an, ihm zu folgen, zuerst die beiden Frauen, dahinter Saturn, der sein Pokémon wieder in den Pokéball zurückgerufen hatte.

    Die beiden Polizisten gaben der Gruppe eine Minute Vorsprung, bevor sie sich selbst auf den Weg machten.


    Diesmal war der Fußmarsch trotz der beengten Verhältnisse nur von kurzer Dauer. Schon nach wenigen Minuten war es Zyrus' Stimme, die die Stille durchbrach.

    „Da vorne ist Licht!“

    „Ist sie das?“, gab eine der Frauen aufgeregt zurück.

    „Wir werden es gleich erfahren“, antwortete Zyrus ruhig. „Los, weiter!“

    Matthew spürte, wie sein Herz in einer Mischung aus Anstrengung, Vorfreude und Nervosität heftiger zu schlagen begann. Es war beileibe nicht seine erste Mission, doch zur Routine waren sie für ihn noch lange nicht geworden. Der Gedanke, dass auch Moe diese Nervosität verspüren dürfte, beruhigte ihn allerdings gleichzeitig ein wenig. Etwas eiliger und hektischer als zuvor tastete er sich den Tunnel entlang, um wieder zu Team Galaktik aufzuschließen. Moe folgte ihm leise, immer darauf bedacht, seinem Geckarbor auf der Schulter genug Platz zur Felswand zu geben.

    Schon nach wenigen Metern konnten auch die beiden Polizisten das Licht sehen. Es war definitiv kein Tageslicht, stattdessen erinnerte es Matthew ein wenig an Mondlicht, wenn auch mit einem deutlichen Stich ins Rötliche... Was auch immer es war, so eine Färbung hatte er noch nie zuvor in der Natur gesehen.

    In der Ferne waren die Umrisse der vier Zielpersonen erkennen. Sie hatten den Tunnel offenbar mittlerweile verlassen und waren ins Licht getreten. Die leicht rötliche Färbung spiegelte sich auf ihren silbrig-weißen Uniformen. Ein paar Meter schlichen Matthew und Moe noch voran, bevor sie gerade noch außerhalb des Lichtscheins ihre Stellung bezogen. Von dort aus konnten sie nicht viel von dem erkennen, was sich außerhalb des Tunnels befand, aber zur Beobachtung der Vorgänge und zum Mithören reichte es aus.

    Zyrus trat ein paar Schritte vom Eingang des Tunnels nach vorne und drehte sich dann zu seinen Begleitern um.

    „Mars, Jupiter, Saturn...“, begann er zu seinen Begleitern zu sprechen. „Ich danke euch, dass ihr mich bis hierhin begleitet und unterstützt habt. Es war ein langer, schwerer Weg, und ohne euren Einsatz wären wir nie so weit gekommen.“

    Er wandte sich wieder ab und sprach weiter.

    „Ich wünsche mir, dass ich auch in der Zukunft, die wir hier und heute aufbauen wollen, diese Verlässlichkeit und Loyalität nicht vergesst und mir helft, den Traum unserer neuen Weltordnung, den Traum einer Welt ohne störende Emotionen, zur Realität werden zu lassen – ganz gleich, was auch passieren mag!“

    Die rothaarige der beiden Frauen trat einen Schritt nach vorne auf Zyrus zu.

    „Ich denke“, antwortete sie auf Zyrus' Ansprache, „ich spreche für jeden Einzelnen von uns, wenn ich sage, dass es uns eine Ehre war und sein wird, an deiner Seite deinen Traum zu unterstützen.“

    „Ich kann Mars da nur Recht geben“, warf die Frau mit den violetten Haaren ein. „Und was auch passiert, wir werden an deiner Seite stehen!“

    Saturn nickte nur schweigend.

    „Nun gut“, murmelte Zyrus kaum hörbar. „Dann zeigt sich jetzt, ob meine Theorie auch bis hierhin korrekt war.“

    Aus seiner Westentasche zog er ein Objekt, das von rot pulsierendem Licht eingehüllt war. Auf die Entfernung war nicht genau zu erkennen, um was es sich genau handelte, jedoch war dies nicht von Bedeutung. Zyrus hatte seine Absichten deutlich gemacht – mehr brauchten die beiden Polizisten nicht zu wissen. Moe gab seinem Partner das Zeichen, den Tunnel zu verlassen, und nahm einen seiner Pokébälle von seinem Gürtel in die Hand. Matthew tat es ihm gleich und trat auf die Lichtung, die sich vor ihnen aufgetan hatte.

    Er hatte kaum genug Zeit, die unwirkliche Atmosphäre dieses Ortes auf sich wirken zu lassen. Das unnatürlich rote Licht strahlte vom Himmel herab, wenn man das surreale Gebilde aus blassroten und tiefschwarzen Wolken, die in komplexen Wirbeln verflochten waren, denn wirklich so nennen konnte. Vor ihnen lag eine Ebene aus Sandstein, auf der in scheinbar zufälligen Mustern meterhohe Säulen gen Himmel ragten – zumindest die, die im Laufe der Jahrhunderte noch nicht unter ihrem eigenen Gewicht zusammengebrochen waren.

    Team Galaktik hatte die Anwesenheit der Neuankömmlinge offenbar noch nicht bemerkt, denn Zyrus fuhr unbeirrt fort.

    „Dialga! Palkia! Zeigt euch!“, rief er in die Leere vor sich. „Mit eurer Hilfe werde ich-“

    „Gar nichts werden Sie!“, warf Matthew mit erhobener Stimme dazwischen. Erschrocken drehten sich Zyrus' Begleiter um.

    „Polizei? Hier?“, schrie Mars entsetzt.

    „Das kann doch alles nicht wahr sein!“, seufzte Jupiter im frustrierten Tonfall.

    „Immer mit der Ruhe“, erwiderte Zyrus sichtlich unbeeindruckt von der Situation. „Sie sind zwei, ihr seid drei. Schafft sie mir aus dem Weg.“

    „Selbstverständlich“, antwortete Saturn knapp und nahm einen Pokéball zur Hand. „Los, Toxiquak!“, rief er, als er den Ball in Richtung der Polizisten warf. Mars und Jupiter folgten seinem Beispiel.

    „Los, Skuntank!“

    „Los, Shnurgarst!“

    Neben Toxiquak erschienen aus den roten Lichtstrahlen der Pokébälle ein violettes Stinktier und ein kräftig gebautes Katzenpokémon. Beide reichten ihren Trainern etwa bis zur Hüfte. Das Knurren der drei Pokémon verband sich zu einem einschüchternden Kampfgebrüll, das die beiden Polizisten allerdings kaum beeindruckte. Sie hatten schon mit weitaus bedrohlicheren Pokémon zu tun gehabt. Nahezu zeitgleich warfen sie ihre eigenen Pokémon ins Kampfgeschehen.

    „Los, Galagladi!“

    „Los, Raichu!“

    Auf Matthews Seite erschien ein menschenähnliches Pokémon mit langen, geschwungenen Klingen an seinen Armen und auf Moes Seite ein kleineres, oranges Pokémon mit kurzen Armen und Beinen sowie einem langen Schwanz, an dessen Spitze sich ein blitzförmiger Anhang befand. Matthews Galagladi hob seinen rechten Arm in eine defensive Position, während um Raichus Backentaschen kleine Blitze knisterten.

    „Zwei gegen drei? Ist das nicht ein bisschen unfair?“, fragte Matthew seinen Partner spöttisch.

    „Findest du?“, entgegnete Moe mit gespielter Überraschung, „Wir wollen es ihnen doch nicht zu leicht machen, oder?“

    „Euch wird das Lachen noch vergehen!“, fauchte Jupiter ihnen entgegen. „Skuntank, Gifthieb!“

    „Shnurgarst, Schlitzer!“

    „Toxiquak, Durchbruch!“

    Die drei Pokémon des Team Galaktik stürzten sich angriffslustig auf Raichu und Galagladi.

    „Galagladi, Psychoklinge!“

    „Raichu, Volttackle!“

    Die Pokémon der Polizisten schlugen sofort zurück. Raichu hüllte sich in strahlend gelbe Blitze und rammte seinen Körper mit aller Macht gegen Skuntank, welches von der Attacke getroffen einige Meter über den rauen Boden rutschte, bevor es sein Gleichgewicht wiedererlangte. Galagladi hatte in der Zwischenzeit seine Klingen in eine rosane Aura gehüllt und ließ die Attacken von Shnurgarst und Toxiquak an seiner rechten Klinge abprallen, bevor es mit dem freien linken Arm zuschlug. Während Shnurgarst zwar einen Moment durch die Luft flog, sich jedoch noch im Flug wieder orientierte und sogar auf seinen Pfoten landete, wurde Toxiquak gegen eine nahe Säule geschleudert und brach dort entkräftet zusammen. Galagladi hatte seinen Fokus sogleich wieder auf das Katzenpokémon gerichtet, welches die Attacke offenbar deutlich besser überstanden hatte.

    „Na los, Shnurgarst! Dunkelklaue!“, bellte Mars ihrem Pokémon zu, welches mit einer tiefschwarzen Aura um seine Pfoten herum wieder Galagladi angriff.

    „Sehr gut! Jetzt Nahkampf!“, rief Matthew seinem Pokémon zu, das auf Shnurgarsts Angriff bereits vorbereitet war. Es wartete den Angriff des Katzenpokémon ab, um dann sofort aus nächster Nähe eine Serie aus Schlägen und Tritten auszuteilen. Shnurgarst war der Attacke hilflos ausgeliefert und sank sofort besiegt zu Boden, als Galagladi von ihm abließ.

    Moes Raichu war derweil in einen hitzigen Schlagabtausch mit Jupiters Skuntank verwickelt, welches vergeblich versuchte, den blitzschnellen Bewegungen des Elektropokémon zu folgen.

    „Sehr gut, Raichu! Beende es mit Donner!“

    Auf das Kommando seines Trainers sprang Raichu mehrere Meter in die Luft, sammelte einen Moment lang Energie und ließ diese aus der Höhe als elektrische Entladung auf Skuntank einstürzen. Elegant landete Raichu nach seinem Sprung auf den Hinterpfoten direkt neben seinem Ziel, das noch einen Moment wie gelähmt stehenblieb, bevor es ebenfalls kampfunfähig zu Boden sank.

    Hektisch verstauten die drei besiegten Trainer ihre Pokémon wieder in den Pokébällen.

    „Das kann doch alles nicht wahr sein!“, fauchte Jupiter erneut. „Wir sind doch so weit gekommen!“

    „Das macht nichts“, gab Zyrus ruhig zurück. „Ihr habt alles Notwendige getan.“

    Erst jetzt bemerkten Matthew und sein Partner die beiden Wirbel aus Staub und Steinen, die sich in der Zeit am anderen Ende der Ebene gebildet hatten. Zunächst kaum kniehoch wuchsen diese binnen Sekunden immer weiter in die Höhe, sodass sie bald sogar die letzten noch stehenden Säulen überragten.

    „Zyrus! Hören Sie auf damit und treten Sie zurück!“, rief Moe über den Lärm des wirbelnden Gerölls hinweg.

    „Nicht notwendig“, antwortete Zyrus mit lauter Stimme, um die Geräusche um ihn herum zu übertönen. „Ich bin sowieso fertig.“

    Im gleichen Moment rissen die Wirbel auf und schleuderten ihren Inhalt über die gesamte Ebene. Matthew und Moe hielten sich schützend die Arme vor das Gesicht, während Mars, Jupiter und Saturn hinter naheliegenden Säulen Deckung suchten. Erst nach einigen ewig erscheinenden Sekunden hatte sich der dichte Staub soweit gelegt, dass wieder etwas zu erkennen war. Noch bevor sich die beiden Polizisten den Sand aus den Augen gerieben hatten, begann Zyrus wieder zu sprechen.

    „Darf ich vorstellen? Dialga, Herrscher über die Zeit, und Palkia, Herrscher über den Raum.“

    Hinter Zyrus konnte Matthew zwei riesige Gestalten ausmachen, die langsam für ihn Form annahmen. Was er dort sah, raubte ihm den Atem.

    Die zwei Kreaturen, die aus den Wirbeln erschienen waren, überragten Zyrus gut um das Doppelte. Das linke Pokémon hatte vier kräftige Beine, einen langen Hals und trug einen gezackten, metallischen Fächer auf dem Rücken seines stahlblauen Körpers. Das rechte Pokémon stand auf zwei massiven Füßen aufrecht daneben und streckte seine zwei klauenbewehrten Arme, an den Schultern durch eine Art Rüstung bedeckt, in Zyrus' Richtung.

    Markerschütterndes Brüllen ließ die Erde erbeben, als Dialga und Palkia sich vor den Menschen aufbauten. Reflexartig schlug Matthew die Hände über seine Ohren und sah aus den Augenwinkeln, wie die anderen Trainer es ihm gleichtaten.

    Zyrus hingegen trat selbstsicher auf die Riesen zu und hielt das rot leuchtende Objekt aus seiner Tasche in die Höhe. Ebenso rot leuchtende Ketten erschienen um die Hälse der Legendären und erstickten das Brüllen schlagartig.

    Triumphierend wandte sich Zyrus den Polizisten zu.

    „Falls Sie mich verhaften möchten, sollten Sie etwas gegen diese zwei Pokémon ausrichten können. Sie stehen jetzt unter meiner-“

    „Achtung!“ Saturn rannte plötzlich auf ihn zu. Hinter dem Rücken des Anführers hatten Dialga und Palkia begonnen, ihre Kräfte für einen Angriff zu sammeln und warfen diesen mit geballter Macht auf die Menschen zu. Gerade rechtzeitig riss der Trainer seinen Anführer zu Boden, um der Attacke zu entgehen.

    Den Polizisten blieb dazu keine Zeit.

    Das Letzte, was Matthew sah, bevor ihm die Wucht des Angriffs das Bewusstsein raubte, war sein Galagladi, das sich in die Schussbahn warf, um seinen Trainer zu schützen...

  • Hallo,


    der Auftakt der Geschichte gefällt mir gut. Grundsätzlich hältst du dich dabei recht genau an die Story der Spiele, schmückst sie aber nach eigenem Interesse weiter aus und dabei behältst du eine äußerst gute Balance zwischen Geschichtsverlauf und weiterführenden Beschreibungen. Dadurch wird das Lesen sehr angenehm und zumindest ich fühlte mich gut in die Handlungen der Charaktere hineinversetzt. Der kleine Schlagabtausch war für die Zeitgewinnung in Ordnung und letztendlich war eh zu erwarten, dass Zyrus die Legendären beschwört. Ich bin gespannt, was aus den Protagonisten und ihren Pokémon wird und in welche Richtung das alles geht.


    Wir lesen uns!

  • KAPITEL 1

    Nicht so, wie es sein sollte


    Haben Sie noch Fragen?“

    Kommissar LeBelle sah Matthew und Moe mit seinem gewohnt undurchschaubaren Blick an, nachdem er das Missionsbriefing abgeschlossen hatte. Das kollektive Kopfschütteln seiner beiden Agenten quittierte er mit einem kurzen Nicken, bevor er den Raum verließ.

    Matthew blätterte noch einmal durch die Unterlagen, die ihnen zum bevorstehenden Auftrag übergeben worden waren, und überflog kurz die Steckbriefe der Zielpersonen, bevor er die Mappe wieder schloss.

    Klingt auf jeden Fall interessant“, murmelte Moe leise vor sich hin. „Endlich mal wieder ein Verrückter mit Weltherrschaftsplänen. Hatten wir schon 'ne Weile nicht mehr.“

    Nicht wahr?“, antwortete Matthew, der bereits von seinem Platz aufgestanden war und den Weg zur Tür eingeschlagen hatte. „Ich freu' mich schon drauf. In Sinnoh war ich ewig nicht mehr. Wer weiß, wenn wir die Mission schnell abschließen, können wir vielleicht ein paar Tage dort Urlaub machen.“

    Eins nach dem Anderen“, erwiderte Moe. „Erst einmal müssen wir herausfinden, wie viel an den Plänen dieses Team Galaktik wirklich dran ist. Die Mitglieder scheinen nicht unbedingt besonders stark zu sein, aber wenn sie wirklich an Legendäre Pokémon gelangen sollten, wird die Mission definitiv kein Spaziergang.“

    Matthew nickte. „Du hast ja Recht. Aber vergiss nicht, dass wir einen Trumpf noch in der Hand haben, falls wirklich Legendäre Pokémon ins Spiel kommen sollten.“ Demonstrativ klopfte er mit dem Zeigefinger auf den violett-weißen Ball an seinem Gürtel. „Der hat mir schon immer Glück gebracht. Das wird schon werden.“


    Das Erste, was Matthew spürte, als sein Bewusstsein zu ihm zurückkehrte, waren seine pochenden Kopfschmerzen. Er war kaum in der Lage, seine Augen zu öffnen, und erst einige betont ruhige Atemzüge später ließen die Schmerzen zumindest soweit nach, dass er die Lider einen kleinen Spalt öffnen konnte.

    Verschwommene grüne Schemen dominierten sein Sichtfeld. Langsam richtete er seinen Oberkörper auf und versuchte, sich ein Bild seiner Umgebung zu machen. Mit der Zeit klarte seine Sicht auf und ließ ihn Objekte erkennen – hauptsächlich Bäume und Büsche. Ein paar vorsichtige Bewegungen seiner Gliedmaßen teilten ihm mit, dass er zwar entkräftet, aber offenbar unverletzt war.

    Mit einem Mal kamen auch seine Erinnerungen zurück – Zyrus, der Kampf auf der Speersäule, Dialga und Palkia... Die Mission!

    Erschrocken versuchte er, mit einem Satz auf die Beine zu kommen, doch sofort brachen diese wieder zusammen. Ein weiterer Versuch ließ ihn einige Schritte zu einem niedrigen Ast taumeln, an dem er Halt fand. Erneut zwang er sich zu einigen ruhigen Atemzügen. Hektik brachte ihn jetzt nicht weiter.

    Einige Meter entfernt sah er Moe liegen. Er hatte das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt, aber sein Brustkorb hob und senkte sich langsam, und auf den ersten Blick sah auch er nicht verletzt aus. Geckarbor hingegen war bereits wieder wach und versuchte vorsichtig, eine Reaktion von seinem Trainer zu erhalten. Ein erleichtertes Seufzen entfuhr Matthew, als er die Beiden beobachtete. Als er sich jedoch mit langsamen Schritten in ihre Richtung bewegte, erblickte er etwas abseits ein weiteres Pokémon – Galagladi.

    Vor seinem inneren Auge blitzte die Erinnerung an Dialgas und Palkias Attacken auf, die Galagladi abgefangen hatte. Mit einem Mal wich seine kurze Entspannung blankem Entsetzen. Ein angstvolles „Oh nein...“ hauchte über seine Lippen, bevor er zu seinem Pokémon rannte, so schnell ihn seine wackeligen Beine trugen. Er fiel neben Galagladis Kopf auf die Knie und legte seine Hand auf die Schulter des verletzten Pokémon. Auf seinem Handrücken spürte er den schwachen Atem, der Galagladis Mund entströmte. Es war nicht der Atem eines bloß kampfunfähigen Pokémon, das merkte er sofort. Er durfte keine Zeit verlieren! Im Pokéball war Galagladi erst einmal sicher, aber wenn seine Verletzungen nicht bald behandelt würden...

    Er nahm hastig Galagladis Pokéball zur Hand. „Danke für alles“, flüsterte er, bevor sich das Pokémon im roten Lichtschein auflöste. Mit zittrigen Händen befestigte er den Ball wieder an seinem Gürtel und hastete hinüber zu Moe, der mittlerweile ebenfalls aufgewacht war.

    „Moe! Alles okay bei dir?“, rief Matthew ihm entgegen.

    „Es geht schon“, antwortete Moe mit schwacher Stimme. „Wo sind wir?“

    Matthew blickte sich im Rennen hektisch um. Er konnte zwischen den dichten Bäumen nichts erkennen, was ihm einen Hinweis hätte geben können.

    „Ich weiß es nicht“, plapperte er unruhig. „Wie dem auch sei, bleiben können wir hier nicht. Wir müssen dringend ein Pokémon-Center finden! Galagladi hat offenbar die volle Wucht der Attacken von Dialga und Palkia abbekommen und ist schwer verletzt...“

    Moe hatte sich mittlerweile vom Boden erhoben und vor Matthew aufgebaut. Demonstrativ griff er die Schultern seines Kollegen, um dessen hektische Bewegungen einzuschränken. „Ganz ruhig“, begann er mit ruhiger, aber bestimmter Stimme zu sprechen. „Wir brauchen einen Bezugspunkt, wenn wir aus dem Wald rausfinden wollen. Wir schlagen jetzt eine feste Richtung ein, bis wir irgendetwas finden, das uns weiterhilft.“

    Ohne eine größere Sprechpause wandte er sich seinem Partnerpokémon zu. „Geckarbor, du schaust nach, ob du von den Baumwipfeln aus etwas sehen kannst.“

    Das kleine grüne Geckopokémon sprang sogleich von Moes Schulter an den Stamm eines Baumes und kletterte mit schwindelerregender Leichtigkeit in die Baumkrone hinein.

    „Und du, Matthew, nimmst deinen PokéCom zur Hand und siehst nach, wo genau wir sind.“

    Der PokéCom! Den hatte Matthew völlig vergessen. Aus seiner Jackentasche kramte er das kleine elektronische Gerät, kaum größer als seine Hand. Auf dem Touchscreen wählte er aus den verschiedenen Programmen die Karte aus und wartete einige quälend lange Sekunden, bis die Umgebungsdaten aus dem Speicher abgerufen waren.

    „Laut Karte sind wir im Ewigwald. Die nächste Stadt ist Ewigenau, dort entlang“, fasste er hastig zusammen, bevor er das Gerät wieder in der Tasche verschwinden ließ. In Momenten wie diesen war Matthew sehr dankbar, dass sein Partner auch in solch kritischen Situationen durch sein Training immer den Überblick behielt und wusste, was zu tun war. Wie befohlen schlug er mit eiligen Schritten die angezeigte Richtung ein. Moe nickte nur und warf einen Blick in die Baumkronen zu Geckarbor, das bereits Matthews Weg folgte, bevor er sich selbst auch in Bewegung setzte.


    Es dauerte nicht lange, bis die beiden Agenten den Waldrand erreichten und dort auf einen Pfad trafen, der allem Anschein nach direkt nach Ewigenau führte. Moe hatte mittlerweile die Führung übernommen, immer darauf bedacht, seinen Partner nicht abzuhängen. Anders als sein Kollege war Matthew es nicht gewohnt, längere Strecken am Stück rennend zurückzulegen. Zwar gab ihm die brennende Sorge um Galagladis Gesundheit die Kraft zum Weiterlaufen, aber völlig konnte er seine Erschöpfung und seine schmerzenden Muskeln auch nicht ausblenden.

    Als er endlich das Stadttor Ewigenaus sehen konnte, wich seine Angst einem kleinen Schimmer Hoffnung. In nahezu jeder größeren Stadt gab es mindestens ein Pokémon-Center am Stadtrand. Sie würden es schaffen. Nur noch ein paar hundert Meter...

    Ein geradezu militärisch gebrülltes „Halt!“ riss Matthew aus seinen Gedanken. Als er vom Boden aufblickte, sah er zwei Personen in einigen Metern Entfernung auf dem Weg stehen. Beide trugen Uniformen des Team Galaktik und waren offensichtlich auf die beiden Agenten fokussiert.

    Moe und Matthew bremsten ihre eiligen Schritte und kamen vor den beiden Männern zum Stehen.

    „Was haben wir denn hier?“, begann der größere der beiden. „Ganz schön mutig, so offen mit Pokébällen hier herumzulaufen!“

    „Wir haben keine Zeit für sowas“, flüsterte Matthew seinem Partner zu. „Kannst du das übernehmen?“

    Moe nickte nur und löste einen Pokéball von seinem Gürtel. „Ich komme nach, sobald ich kann.“

    Die beiden Galaktik-Mitglieder hatten offensichtlich etwas gegen diesen Plan, denn als Matthew versuchte, in einem großen Bogen weiterzurennen, ließ der größere der beiden von Moe ab und nahm die Verfolgung auf.

    „Stehengeblieben! Los, Trikephalo!“

    Der Pokéball des Mannes traf einige Meter vor Matthews Füßen den Boden und gab ein menschengroßes, dreiköpfiges Drachenpokémon mit ausgefransten schwarzen Flügeln frei, das sich ein gutes Stück über dem Boden schwebend Matthew in den Weg stellte. Nur weil dieser im Bremsen stolperte, verfehlte der schnappende Schlag eines der kleineren Köpfe des Monsters Matthews Arm. Sein Sturz endete unsanft im Gras am Wegesrand. Instinktiv rollte Matthew sich zur Seite, um aus der unmittelbaren Reichweite seines Gegners herauszukommen, und griff nach einem seiner eigenen Pokébälle.

    „Los, Brutalanda!“, rief er, als er den Ball zumindest grob in Trikephalos Richtung warf. Aus Matthews Pokéball materialisierte sich ein kräftiger vierbeiniger Drache mit roten Schwingen. Im Angesicht seines Gegners gab Brutalanda ein durchdringendes Brüllen von sich, das Trikephalo für einen Augenblick zusammenzucken ließ.

    Mit einem eigenen Drachenpokémon an seiner Seite sah Matthew die besten Chancen, diesen Kampf schnell zu beenden. „Drachenklaue!“, befahl er Brutalanda, welches sogleich einen Satz in Trikephalos Richtung machte und mit seiner feurig glühenden Klaue ausholte.

    „Trikephalo, Drachenpuls!“, rief Matthews Gegner als Antwort. In Trikephalos seitlichen Mäulern sammelte sich Energie in zwei weiß leuchtenden Sphären, doch bevor das Pokémon seine Attacke tatsächlich ausführen konnte, wurde es von Brutalandas Klaue getroffen und mehrere Meter durch die Luft geschleudert.

    „Verdammt!“, entfuhr es Trikephalos Trainer. Er hob seinen linken Arm an sein Kinn und sprach in sein Armband, offenbar eine Art Funkgerät. „Ich brauche Verstärkung am Stadttor. Dringend!“

    Matthew wagte es, einen Blick hinter sich zu werfen, wo Moe in einen Kampf gegen ein weiteres Exemplar des dreiköpfigen Drachen verwickelt war. Seine Wahl war auf Stahlos gefallen, eine riesige, aus metallischen Felsen zusammengesetzte Schlange. Er schien seinen Kampf gut im Griff zu haben, daher wandte sich Matthew wieder seinem eigenen zu.

    Trikephalo war zwar sichtlich mitgenommen von Brutalandas Treffer, doch hatte sich bereits wieder in Angriffsposition begeben. Das Leuchten in seinen Mäulern hatte nicht nachgelassen und ließ einige blaue Blitze aus den Energiesphären zucken. Mit einem Mal riss es die Mäuler auf und schoss all seine gesammelte Energie in einem gleißend blauen Strahl auf Brutalanda. Mit kräftigen Flügelschlägen versuchte Matthews Pokémon, sich aus der Schussbahn zu begeben, doch reichte seine Reaktionszeit dafür nicht aus. Auch wenn der Energiestrahl es nur an der Flanke traf, so brachte er das kräftige Drachenpokémon soweit ins Straucheln, dass es sich nicht mehr in der Luft halten konnte und seitlich zu Boden fiel.

    „Sehr gut! Noch einmal Drachenpuls!“, befahl Matthews Gegner, woraufhin Trikephalo erneut Energie in seinen Mäulern sammelte. „Brutalanda! Noch einmal Drachenklaue!“, hielt Matthew dagegen.

    Brutalanda hatte sich mittlerweile wieder aufgerichtet und erhob sich in die Luft. Seine Klaue wurde wieder vom feurig roten Schein eingehüllt, doch im Gegensatz zum letzten Angriff verharrte das Drachenpokémon in seiner Position und fixierte mit seinem Blick den Gegner. Erst als Trikephalo wieder seine Mäuler aufriss, schnellte Brutalanda in die Höhe, sodass der Drachenpuls ins Leere ging. Sofort hatte es wieder den dreiköpfigen Drachen anvisiert und stürzte sich mit dem gesamten Schwung seines Sturzfluges auf sein Ziel. Diesmal wurde Trikephalo zu Boden geschleudert und blieb regungslos liegen.

    Matthew seufzte erleichtert und wollte sein Drachenpokémon gerade zurückrufen, als dieses aus heiterem Himmel von gleich drei Energiestrahlen hinterrücks getroffen wurde und neben Trikephalo auf dem Boden aufschlug.

    „Brutalanda!“, schrie Matthew entsetzt und blickte erschrocken in die Richtung, aus der die Attacken gekommen waren. Diesmal stand er nicht einem der dreiköpfigen Drachen gegenüber, sondern gleich einem ganzen Schwarm. Hastig rief er Brutalanda in den Pokéball zurück und rannte zu Moe, dessen Stahlos offenbar mittlerweile auch überwältigt worden war.

    Einer der neu hinzugekommenen Männer, dessen Uniform sich durch einen goldenen Grundton vom Silber seiner Begleiter abhob, trat vor die beiden Polizisten.

    „Nicht nur mutig, sondern auch noch dreist“, begann er mit bestimmter Stimme zu sprechen. „Einfach offen mit Pokémon herumzulaufen und sich Befehlen zu widersetzen war euch wohl noch nicht gut genug, was?“

    „Was soll das hier werden?“, erwiderte Matthew zornig. „Ein tätlicher Angriff am helllichten Tage? Wie tief kann man sinken?“

    Seine Antwort schien Matthews Gegenüber zu erstaunen. „Eine große Klappe hat er auch noch? Hat dir denn niemand jemals Manieren beigebracht?“

    Die Fassungslosigkeit über die Worte des Mannes ließen zusammen mit seiner Angst um Galagladis Wohlbefinden die Wut in Matthew überkochen. Hätte Moe nicht in weiser Voraussicht seinen Arm festgehalten, so hätte dieser seinem Gegenüber einen Faustschlag direkt ins Gesicht verpasst.

    „Na, wenigstens einer von euch ist vernünftig“, fuhr der Mann mit überheblicher Stimme fort. „Also seid brav, ergebt euch und kommt ohne irgendwelche Sperenzien mit aufs Revier.“

    Moe stutzte ob dieser Formulierung sichtlich. Irgendetwas war hier faul.

    „Ich glaube, die Situation ist eher genau umgekehrt“, erklärte er in einem selbstsicher gespielten Tonfall. „So wie ich das sehe, sollten Sie eher uns aufs Revier folgen.“

    Der Uniformträger hob als Antwort die Augenbrauen und blickte Moe tief in die Augen. „Soll das ein Witz sein? Wenn ja, spar' dir das für jemand Anderen auf.“ Sein Tonfall wurde ernster. „Jetzt her mit euren Pokébällen, sonst...“ Der Mann gähnte kurz. „...sonst muss ich...“ Seine Augenlider senkten sich langsam. „...muss ich...“

    Auch Matthew und Moe wurden mit einem Mal von Müdigkeit übermannt und sanken unvermittelt zusammen mit den anderen anwesenden Galaktik-Mitgliedern bewusstlos zu Boden.

  • Hallo,


    die Einleitung ist schon fast etwas ironisch, als Matthew noch über Urlaub in Sinnoh gescherzt hat. An der Aufwachszene hat mir besonders die Dynamik zwischen Orientierungsfindung und der Wiederfindung der Erinnerungen gefallen. So wirkt das alles sehr nachvollziehbar und die beiden Charakteren ergänzen sich durch ihre Charakterzüge entsprechend. Die Dynamik ist auch beim anschließenden Kampf wieder zu sehen und du schaffst eine ausgewogene Linie zwischen Action und ausführlicher Beschreibung. Bleibt nur die Frage, warum Team Galaktik nun als Polizei agiert. Ich hatte zwar schon vermutet, dass irgendetwas nicht stimmen wird, aber ob da ein Dimensionswechsel mitspielt?


    Wir lesen uns!


  • KAPITEL 2

    Weit hergeholt


    Ungläubig starrte Matthew die pechschwarze Kreatur an, die gerade sein gesamtes Pokémon-Team mit Leichtigkeit überrannt hatte. Nicht den Hauch einer Chance hatte es ihm gelassen, selbst eine Attacke einzusetzen. Matthew hatte von der Macht gehört, die den Legendären Pokémon nachgesagt wurde, aber dieses Monster hatte seine Vorstellungen noch einmal bei Weitem übertroffen. Nie zuvor hatte er in seinen zehn Jahren als Trainer eine derart vernichtende Niederlage einstecken müssen.

    Aus dem Schatten, den der gewaltige drachenartige Vogel warf, ertönte ein boshaftes Lachen. „Beeindruckend, nicht wahr? Die Verwandlung in ein Crypto-Pokémon bringt erst die wirkliche Kampfkraft zum Vorschein. Keine unnützen Emotionen wie Mitgefühl, nur blinde, konzentrierte Wut! Sicher, dass du nicht interessiert bist?“

    Als würde ich meine Pokémon jemals so einer Behandlung unterziehen!“, brüllte Matthew wutentbrannt zurück. „Pokémon sind doch nicht bloß Kampfmaschinen oder Mittel zum Zweck!“

    Das sehe ich anders“, antwortete die Stimme selbstsicher. „Ich dachte mir fast, dass du nicht überzeugt sein würdest. Ach, was für eine Verschwendung von Talent.“

    Das gigantische Crypto-Pokémon landete auf dem Boden der Arena. Selbst sitzend hing sein Kopf noch doppelt so hoch wie Matthews.

    Du wärst erstaunt, was die Crypto-Verwandlung alles bewirkt“, ergänzte der kleinwüchsige Mann, der mittlerweile aus dem Schatten seines Pokémon getreten war. „Dieses Exemplar konnten wir nicht einmal mit unseren besten Pokébällen fangen. Keiner war seinen Kräften auch nur im Ansatz gewachsen.“

    Mit einem Mal wurde Matthew hellhörig. Wenn dieses Pokémon nicht in einem Pokéball gefangen wurde, dann...

    Ein kurzer Griff in seine Umhängetasche brachte einen kleinen Beutel zutage, seinen Glücksbringer, den er immer mit sich trug. Hektisch löste Matthew den Knoten an der Öffnung und ließ den Inhalt in seine Handfläche fallen.

    Aber das macht nichts, es gehorcht mir trotzdem bedingungslos“, fuhr der Mann mit seinem Monolog fort. „Es war zwar ein ganz schöner Aufwand, seinen Willen zu brechen, aber es hat sich gelohnt.“

    Matthew drückte einen kleinen Knopf an der Vorderseite des winzigen, weiß-violetten Balls in seiner Hand, und binnen eines Augenblicks wuchs dieser auf die Größe eines Apfels.

    Sie sagten, kein Ball hat funktioniert?“, fragte er rhetorisch und wandte sich dem Crypto-Pokémon zu. „Wie wäre es mit diesem hier?“, fügte er noch hinzu, bevor er seinen Glücksbringer auf den gigantischen Vogel schleuderte.


    Als Matthew dieses Mal aus seiner Ohnmacht wieder zu sich kam, war es ein gleißender Lichtschein, der ihn daran hinderte, seine Augen zu öffnen. Erst als seine erhobene Hand einen Schatten auf sein Gesicht warf, war er in der Lage, etwas zu erkennen.

    Über ihm befand sich nicht etwa wieder ein Dach aus Blättern, sondern ein steinernes Gewölbe. Das blendende Licht stammte von einer kaltweißen Leuchtstoffröhre, die über dem Feldbett hing, auf dem er zu seiner Verwunderung lag. Nur ein paar Meter entfernt schlief Moe tief und fest, ebenfalls auf eine einfache Liege gebettet. Vor der schmucklos weiß verputzten Wand dahinter war ein einsamer metallischer Vitrinenschrank aufgestellt. Bis auf einige große Gläser, die Matthew schon einmal in einigen alten Apotheken gesehen hatte, konnte er hinter den Glasscheiben allerdings nichts erkennen.

    Dem Fußende seines Feldbettes gegenüber befand sich ein kleiner Schreibtisch aus einfachem Holz, an dem eine junge Dame mit schulterlangen dunkelblauen Haaren vor einem Laptop saß und konzentriert den Bildschirm beobachtete. Erst als Matthew seinen Oberkörper aufrichtete und sein Bett ein leises Quietschen von sich gab, bemerkte sie offenbar, dass er erwacht war, und stand von ihrem Platz auf.

    „Ah, du bist wach! Sehr schön!“, begann sie mit froher Stimme zu sprechen, während sie an Matthews Seite trat. Sowohl ihr freundliches Lächeln als auch ihre Kleidung – keine Uniform des Team Galaktik – waren für Matthew eine sehr willkommene Abwechslung von all den anderen Charakteren, mit denen er heute zu tun gehabt hatte. Dennoch regte sich Misstrauen in seinem Hinterkopf – was, wenn sie doch für Team Galaktik arbeitete und ihn nur in Sicherheit wiegen wollte?

    Da dem logischen Teil seines Bewusstseins allerdings kein guter Grund einfiel, warum Team Galaktik sich so einen Aufwand machen sollte, beschloss er, einfach das Beste zu hoffen und dem Auftreten der jungen Dame Glauben zu schenken. Nichtsdestotrotz brauchte er jetzt erst einmal Informationen.

    „Wo sind wir hier?“ war daher Matthews erste Frage.

    „Im Untergrund von Sinnoh“ kam postwendend als Antwort. „Um genau zu sein in einem Versteck der Widerstandsbewegung gegen Zyrus.“ Die junge Dame ging neben dem niedrigen Bett in die Hocke. „Ich bin übrigens Lucia. Ich hab' euch hierher gebracht, als ihr euch mit der Stadtwache angelegt habt. Mann, war das spannend! Ich hab's schon lange nicht mehr erlebt, dass jemand die Wachen so fertiggemacht hat wie ihr!“

    Während Lucia freudig weiterplapperte, wuchs in Matthews Kopf die Verwirrung. Stadtwachen? Ausgerechnet auch noch von Team Galaktik? Widerstandsbewegung gegen Zyrus?

    „Moment“, unterbrach er Lucias Monolog. „Das ging mir jetzt alles etwas zu schnell. Nur dass ich das richtig verstanden habe...“ Matthew atmete einen Augenblick durch, bevor er mit seiner eigenen Zusammenfassung begann. „Team Galaktik sorgt hierzulande für Recht und Ordnung, gegen den Anführer gibt es eine Widerstandsbewegung, und wir befinden uns in einem Versteck derselben. Ist das soweit korrekt?“

    Aus seinen Worten war deutlich die Ungläubigkeit über das soeben Gesagte zu hören. Lucia wiederum schien dies eher zu verwirren. „Äh, ja, das ist der Stand der Dinge“, antwortete sie genauso ungläubig wie Matthew. „Hast du denn noch nie etwas von der Widerstandsbewegung erfahren? Du bist doch offensichtlich ein Pokémon-Trainer, also musst du entweder zu Team Galaktik gehören oder zu uns. Und da du dich mit den Galaktikern angelegt hast...“

    „Darum geht es mir gerade gar nicht“, warf Matthew ein. „Ich bin eher überrascht, dass es gegen Zyrus eine eigene Widerstandsbewegung gibt.“

    Die Antwort schien Lucia zu überfordern. Lange suchte sie nach Worten, bis sie endlich etwas erwidern konnte. „Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber bei den meisten Pokémon-Trainern ist Zyrus nicht gerade beliebt. Natürlich regt sich da Widerstand, wenn er einem die Pokémon wegnehmen will!“

    Matthew versuchte verzweifelt, die Informationen, die er von Lucia bekam, mit seinen eigenen in Einklang zu bringen. Entweder hatten die beiden Agenten bei der Beobachtung Zyrus' in den letzten Wochen allerhand übersehen, was allerdings in Anbetracht der massiven Vorwürfe schwer vorstellbar war, oder es handelte sich um eine völlig andere Person gleichen Namens, die zufälligerweise auch ein Team Galaktik unter sich hatte... Nein, auch das ergab nicht wirklich Sinn.

    „Es tut mir leid, aber irgendwie kann ich das alles gerade nicht so richtig glauben. Ich meine, wir beide haben Zyrus die letzten Wochen auf Schritt und Tritt überwacht. Wir hätten das doch mitbekommen, wenn er im großen Stil Pokémon von anderen Trainern geklaut hätte.“

    Lucia sah in an, als hätte er gerade versucht, ihr weiszumachen, dass Wailord fliegen können.

    „Seid ihr euch sicher, dass ihr die richtige Person beobachtet habt?“, fragte Lucia in einer Mischung aus Skepsis und immer größer werdender Verwirrung. „Vielleicht erzählst du am Besten erstmal, wer ihr seid, wo ihr herkommt und wie ihr es geschafft habt, so lange eure Pokémon zu behalten.“

    Auch diesen letzten Kommentar konnte Matthew nicht entschlüsseln, doch er erkannte, dass weitere Fragen seinerseits momentan wohl nicht weiterhalfen.

    „In Ordnung“, seufzte er und atmete tief ein.

    „Mein Name ist Matthew, und das ist mein Kollege Moe. Wir sind...“ Er suchte nach einer Formulierung, die nicht zu viele unnötige Informationen enthielt. „Wir gehören zur Internationalen Polizei und wurden angewiesen, Zyrus und dessen Aktivitäten zu beobachten. Es wurde vermutet, dass er vorhätte, Dialga und Palkia zu beschwören, um die Weltherrschaft an sich zu reißen.“

    „Genau!“, unterbrach Lucia ihn plötzlich. „Aber das ist doch schon Jahre her!“


    Über eine Minute starrte Matthew nur ins Leere, bis sein Kopf all die Gedanken und Informationen sortiert hatte, die nach diesem einen kurzen Satz über ihn hereingebrochen waren. In seinem logischen Gedächtnis ergab plötzlich alles einen Sinn – die Mission war gescheitert, Zyrus' Plan war aufgegangen, und in den folgenden Jahren hatte er alles übernommen. Sein emotionales Gedächtnis war hingegen nicht in der Lage, eine angemessene Reaktion auf diese neue Erkenntnis zu finden, und flutete seinen Körper stattdessen mit allen möglichen Gefühlen gleichzeitig – Angst, Trauer, Verwirrung, nicht zuletzt Übelkeit. Erst als sich Lucias besorgtes Gesicht in sein Blickfeld schob, übernahm das rationale Denken wieder die Kontrolle über ihn.

    „Ich... ich glaube, das muss ich erst einmal verarbeiten“, brachte er nur monoton über die Lippen. Lucia nickte und und ging langsamen Schrittes in Richtung der Tür. „Ich werde den Anderen Bescheid sagen, dass du wieder wach bist. Wenn du etwas brauchst, ruf' mich einfach.“ Leise schloss sie hinter sich die Tür, nachdem sie den Raum verlassen hatte, und ließ Matthew mit seinen Gedanken alleine.

    Erst einmal musste er mehrfach tief durchatmen, um zumindest die Anspannung in seinem Körper etwas zu reduzieren. Mit jedem Atemzug ließ auch die Übelkeit etwas nach und lenkte ihn weniger von den tausenden Eindrücken ab, die er zu verarbeiten hatte.

    Ihre Mission war fehlgeschlagen. Zwischen dem Kampf auf der Speersäule und ihrem Erwachen im Ewigwald waren mehrere Jahre vergangen. Das Letzte, an das er sich hatte erinnern können, waren die Attacken von Dialga und Palkia gewesen. Hatten sie die beiden Polizisten wirklich für mehrere Jahre außer Gefecht gesetzt? Wie waren sie von der Speersäule in den Wald gekommen?

    Eine vertraute männliche Stimme in Matthews Ohr riss den kaum enden wollenden Strom an Gedanken in seinem Kopf ab.

    „Was ist denn mit dir passiert, Matthew? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!“

    Matthew wandte seinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam. Moe war mittlerweile ebenfalls aufgewacht und blickte seinen Partner überrascht an.

    Matthew atmete noch einmal tief durch, bevor er auf Moes Frage antworten konnte. „Nicht ganz. Aber es kommt nah 'ran.“


    Moe lauschte Matthews Zusammenfassung seiner Erkenntnisse aufmerksam, ohne sichtbar eine Miene zu verziehen. Matthew beneidete seinen Kollegen um dessen Fähigkeit, auch in Anbetracht solch einer Situation stoisch die Ruhe zu wahren. Als er seine Ausführungen beendet hatte, wartete er ungeduldig auf irgendeine Reaktion seines Gegenüber.

    „Nun denn“, begann Moe nach einer Weile. „Damit können wir noch nicht viel anfangen. Wir sollten noch einmal mit dieser Lucia sprechen, vielleicht erfahren wir ja noch ein paar interessante Dinge, die uns weiterhelfen.“

    Er ließ seinen prüfenden Blick durch den kargen Raum schweifen. „Vielleicht kann sie uns ja auch helfen, unsere Pokémon wieder fit zu machen.“

    „Hoffentlich“, antwortete Matthew hörbar erschrocken. „Wenn das alles so stimmt, wäre es keine gute Idee, einfach in einem Pokémon-Center aufzukreuzen – vorausgesetzt, es gibt überhaupt noch welche.“

    In diesem Moment öffnete sich die Tür und Lucia betrat den Raum, begleitet von einer weiteren jungen Dame. Sie war etwas größer als Lucia und trug ihre hellbraunen Haare offen bis knapp über ihre Schultern.

    „Ah, sehr schön, du bist auch wach!“, begann Lucia mit der gleichen frohen Stimme, die schon Matthew begrüßt hatte. Auch das freundliche Lächeln hatte sie wieder aufgesetzt – diesmal löste es bei Matthew aber kein so angenehmes Gefühl aus wie letztes Mal.

    „Du musst Lucia sein“, entgegnete Moe mit entgegenkommender Stimme. „Mein Name ist Moe, meinen Partner Matthew hast du ja bereits kennengelernt.“ Er stand von seinem Bett auf und ging mit ausgestreckter Hand auf Lucia zu. Sie erwiderte die Geste freudig.

    „Freut mich, dich kennenzulernen! Das hier ist Maike, die Leiterin unserer Gruppe.“ Sie zeigte mit einer kurzen Handbewegung auf ihre Begleiterin, die Moe und Matthew ebenfalls die Hand schüttelte, wenn auch erheblich weniger enthusiastisch und mit deutlich ernsterem Gesichtsausdruck.

    „Ich will nicht unhöflich sein“, warf Matthew ein, „aber drei unserer Pokémon sind verletzt und müssen dringend behandelt werden! Könnt ihr uns helfen?“

    „Oh, natürlich!“, platzte es aus Lucia heraus. „Tut mir leid, das habe ich ganz vergessen! Schwester Joy hat nebenan ein Krankenzimmer für Pokémon. Es ist vielleicht kein vollwertiges Pokémon-Center, aber für den Moment sollte es reichen.“

    Sie trat einen Schritt auf die beiden Polizisten zu, um ihre Pokémon in Empfang zu nehmen, und verschwand dann wieder durch die Tür. Die Erleichterung, dass Galagladi nun hoffentlich in Sicherheit war, ließ Matthew geradewegs wieder rückwärts auf seine Liege fallen.

    Maike stand weiterhin neben der Tür und musterte die beiden Neuankömmlinge. „Lucia hat mir grob berichtet, was passiert ist“, begann sie zu sprechen. „Kommt mal mit, ihr beiden. Ich glaube, wir haben einiges zu bereden.“


    Nachdem Maike die Gruppe in einen benachbarten Raum geführt hatte, der offenbar als ein Besprechungszimmer diente, hörte sie aufmerksam den Ausführungen der beiden Polizisten zu, die von vereinzelten Ergänzungen durch Lucia erweitert wurden. Diesmal beschrieben Matthew und Moe ihre Mission, ohne etwas zu verheimlichen – in Anbetracht der Umstände war dies jetzt auch nicht mehr nötig.

    Ähnlich wie Moe nahm Maike die Informationen offenbar unbeeindruckt zur Kenntnis. Nachdem die Erläuterungen zu einem Ende gekommen waren, begann Maike mit einer Zusammenfassung der Ereignisse der vergangenen Jahre.

    „Nachdem Zyrus Dialga und Palkia vor rund zehn Jahren erfolgreich unter Kontrolle gebracht hatte, hat er nach und nach die Ordnungskräfte aller Regionen ausgeschaltet und mithilfe seines Teams eigene Polizeitruppen aufgestellt. Um zu verhindern, dass sich ihm Pokémon-Trainer entgegenstellen, hat er ein Verbot verhängt, Pokémon zu trainieren, wenn man nicht Team Galaktik angehört. Diejenigen, die sich nicht daran gehalten haben, hat er rigoros verhaften lassen, wenn sie nicht vorher vor ihm in den Untergrund geflohen sind. Allerdings hat er in den letzten fünf Jahren sehr aktiv nach solchen Trainern suchen lassen. Außer uns hier gibt es offenbar nicht mehr viele, und von denen, die er erwischt hat, hat man nie wieder etwas gehört...“

    Matthew nahm einen Hauch von Unsicherheit in Maikes Stimme wahr, den sie aber gleich darauf wieder überspielte.

    „Wie dem auch sei, so sieht es aus“, fuhr sie fort. „Es wird immer schwieriger, die Widerstandsbewegung aufrechtzuerhalten. Insofern kommen uns zwei derart starke Trainer wie ihr sehr gelegen. Wie wäre es also, seid ihr dabei?“

    Matthew hatte mit einer solchen Frage bereits gerechnet. Er warf Moe einen flüchtigen fragenden Blick zu, den dieser nur mit einem Nicken quittierte.

    Ihm sollte es recht sein, auch wenn er sich das mit dem Urlaub in Sinnoh doch etwas anders vorgestellt hatte. Auf diese Art und Weise hatten die beiden Agenten zumindest ein paar Ansprechpartner in ihrer momentanen Situation und mussten sich nicht alleine durchschlagen. Zudem konnten sie vielleicht auf diesem Weg genauer herausfinden, wie sie hierher gekommen waren. Er erhob sich von seinem Stuhl und streckte Maike seine Hand entgegen.

    „Auf gute Zusammenarbeit!“

    Seine Stimme klang vermutlich erheblich enthusiastischer, als er tatsächlich war, aber das war ihm lieber, als jetzt noch Zweifel aufkommen zu lassen. Maike erwiderte die Geste und konnte sich ein kurzes Lächeln, das über ihr Gesicht huschte, nicht verkneifen.

    „Ich bin froh, euch dabeizuhaben. Kommt mit, ich zeige euch, was wir hier in den letzten Jahren aufgebaut haben.“

  • Hallo,


    die Erwähnung des Urlaubs gegen Ende passt tatsächlich recht gut, da Matthew ohnehin nichts gegen die aktuelle Situation machen kann und der Blick nach vorne frei bleibt. Generell gefällt mir die Herangehensweise, dass die Agenten gleichzeitig gefasst bleiben, aber berunruhigt sind. So plötzlich in eine Widerstandsbewegung geworfen zu werden ist sicherlich nicht angenehm, ihr Verhalten unterstreicht aber ihren Status als kompetente Agenten. Die kurzen Einleitungen zu Beginn mag ich übrigens, da sie aufschlussreiche Begebenheiten aus der Vergangenheit erzählen. Das lockert die Geschichte auf und schafft weiteres Wissen, etwa über den Meisterball und das wohl enthaltene Lugia.


    Wir lesen uns!

  • KAPITEL 3

    Vom Regen in die Traufe


    Während des Rundgangs dachte Matthew viel darüber nach, was er aus der ganzen Situation machen sollte. Die Tatsache, dass sie in einer völlig fremden Zeit gestrandet waren, musste er wohl oder übel erst einmal hinnehmen, aber wie sollte es nun weitergehen? Sollte er nun den Rest seines Lebens dem Widerstand gegen ein Regime widmen, das er nicht einmal wirklich kannte? Gab es vielleicht eine Chance, das Ganze rückgängig zu machen, wieder in die Zeit zurückzukehren, aus der sie kamen? Rein logisch sollte es doch möglich sein, oder etwa nicht?

    Die einzelnen Räume, durch die Maike die beiden Polizisten führte, nahm Matthew nur oberflächlich wahr. Insgesamt schienen außer ihnen beiden und den beiden jungen Damen noch etwa zehn Personen anwesend zu sein, die meisten von ihnen ebenfalls Trainer, soweit er dies erkennen konnte. Die meisten von ihnen hatten sich in der Mensa zum Essen versammelt, als Maike ihren Rundgang dort beendete.

    „Um diese Zeit essen wir immer hier“, erklärte sie den beiden Polizisten. „Holt euch gerne was aus der Küche und setzt euch dazu, dann unterhalten wir uns weiter.“

    Ein paar Minuten später setzten sich Matthew und Moe mit an den Tisch.

    „Schon beeindruckend, dass ihr das alles so lange geheimhalten konntet“, bemerkte Moe anerkennend. „Wie habt ihr das geschafft?“

    „Naja, kaum jemand traut sich freiwillig zu der alten Villa im Ewigwald“, antwortete Maike lapidar. „Die meisten Leite ignorieren sie einfach, und selbst wenn jemand hierher kommt, stolpert er wohl kaum über unser Versteck im Untergrund. In der allergrößten Not können wir uns immer noch ins Gebirge zurückziehen und es so aussehen lassen, als sei der Ort verlassen.“

    Matthew nickte anerkennend. „Ihr habt wohl echt an alles gedacht.“

    „Wir können es nur hoffen“, erwiderte Maike leise. „Die Galaktiker suchen oft nach solchen Verstecken. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir keine Patrouille im Wald sichten. Zur Sicherheit haben wir unseren Rückzugsort im Gebirge soweit ausgestattet, dass wir notfalls jederzeit dort weitermachen könnten.“

    „Wenn ich fragen darf“, warf Moe ein, „wie geht ihr eigentlich genau gegen Team Galaktik vor, und wie können wir euch da behilflich sein?“

    Matthew bemerkte einen subtilen Unterton in Moes Stimme. Es war nicht bloß eine Frage aus Neugier, die er stellte. Auch ihm war nicht verborgen geblieben, dass ein Dutzend Trainer für eine regionsweite Widerstandsbewegung doch etwas wenig war.

    „Nun“, gab Maike zurück, „in erster Linie bieten wir Trainern eine Zuflucht, damit sie nicht für Team Galaktik arbeiten oder sich von ihren Pokémon trennen müssen. Wir stehen auch im engen Kontakt zu Gruppen in anderen Regionen und tauschen uns über alle Informationen aus, die wir über Zyrus bekommen. Einige Galaktiker spionieren sogar für uns oder helfen uns, gefangene Trainer wieder zu befreien.“

    Wirklich überzeugend fand Matthew diese Antwort nicht. Möglicherweise verschwieg Maike ihnen einige Details, immerhin waren sie erst seit ein paar Stunden hier, hatten eine geradezu fantastische Hintergrundgeschichte aufgetischt und könnten natürlich einfach Spitzel für Team Galaktik sein. Auf der anderen Seite wollte er sie aber auch nicht zwingen, mehr zu erzählen. Offenbar hatten sie keine Wahl, als abzuwarten und das Vertrauen der jungen Dame zu gewinnen, wenn sie mehr erfahren wollten.

    Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Person, die auf ihren Tisch zuhielt. Es handelte sich um einen jungen Mann mit kurzen dunkelblauen Haaren. Er hatte ein sehr ernstes Gesicht aufgesetzt und war deutlich auf Maike fixiert.

    „Maike, das solltest du dir ansehen“, sage er nur leise, bevor er sich wieder umdrehte. Maike sah ihm einen Moment lang verwirrt hinterher, bevor sie sich vom Tisch erhob und die beiden Polizisten mit einer Geste anwies, ihr zu folgen.


    „Das gefällt mir gar nicht“, murmelte Maike, während sie das geschäftige Treiben auf den Bildern der Überwachungskamera musterte. Rund zwei Dutzend Galaktiker waren im Ewigwald aufgetaucht und hatten sich rund um den Pfad zur alten Villa verteilt, einige von ihnen hielten kleine elektronische Geräte in ihren Händen. Etwas entfernt standen vier dunkle Kastenwagen im Schatten der Bäume.

    „Was haben die denn diesmal vor?“, fragte Lucia unsicher. Sie hatte sich ebenfalls mit zu der kleinen Gruppe gesellt.

    „Ich weiß es nicht“, gab der junge Mann zurück, der Maike informiert hatte. „Erst waren es nur eine Handvoll, wie bei einer Patrouille, aber mit der Zeit kamen immer mehr. Ob sie uns wohl entdeckt haben?“

    „Das glaube ich nicht“, antwortete Maike, den Blick weiter auf den Bildschirm fixiert. „Wenn dem so wäre, würden sie hier nicht einfach herumstehen. Trotzdem, sag den Anderen Bescheid, dass die Galaktiker hier sind und sie sich bereithalten sollen, Max.“

    Der junge Mann nickte nur kurz und verließ den Raum. Matthew und Moe beobachteten stumm das Geschehen vor der Villa und warteten auf eine Reaktion, eine Anweisung, irgendetwas, um die nervenaufreibende Anspannung im Raum zu lösen. Einer der Galaktiker in der Kamera rief seine Kollegen herbei und gestikulierte in Richtung des Gebäudes. Ein weiterer löste einen Pokéball von seinem Gürtel und hielt ihn in der Hand, während der erste ihm offenbar noch Anweisungen gab. „Verdammt!“, fluchte Maike leise. „Wir sollten zur Sicherheit besser...“

    Ihren Satz beendete sie nicht mehr, denn der Mann mit dem Pokéball hatte denselben mittlerweile in die Luft geworfen und sein Pokémon freigelassen. Die Silhouette erkannte Matthew sofort – ein schlangenartiger Körper, zusammengesetzt aus vielen großen Felsen...

    Noch bevor er irgendetwas sagen konnte, kam Maikes Stimme zurück.

    „Raus hier!“

    Eine Sekunde brauchte Matthew noch, um die Situation gänzlich zu erfassen, bis er hinter den Anderen her aus dem Raum hetzte. Mittlerweile hatten die Wände zu beben begonnen, ein dumpfes Grollen über ihren Köpfen nahm beängstigend an Lautstärke zu, bis plötzlich mit einem ohrenbetäubendem Bersten die Decke des Konferenzzimmers einbrach. Matthew konnte sich kaum auf den Beinen halten, als eine halbe Tonne lebenden Stahls durch das entstandene Loch stürzte.

    „Alle okay?“, rief Lucia über den chaotischen Lärm.

    „Nichts passiert!“, gab Maike lautstark zurück. „Alles gut!“, ergänzte Matthew, während er nach einem Pokéball griff. Moe tat es ihm gleich und wandte sich Maike zu. „Bring die Anderen hier raus, wir halten euch den Rücken frei!“

    Auch Lucia hielt einen Pokéball in ihrer Hand. Sie warf Maike einen vielsagenden Blick zu, den diese mit einem Augenblick des Innehaltens erwiderte. Schlussendlich nickte sie nur und rannte den Gang entlang zu den anderen Trainern.

    Die gigantische Stahlschlange hatte sich mittlerweile aus dem für sie viel zu kleinen Zimmer befreit und war in den Korridor durchgebrochen. Die Polizisten hatten keine Zeit mehr zu verlieren. Matthew warf seinen Pokéball auf Stahlos zu. „Los, Skelabra!“

    Der Pokéball öffnete sich noch in der Luft und gab mit einem strahlend roten Lichtschein das Pokémon frei. Knapp über dem Boden schwebend erschien ein geisterhaftes Wesen, dessen Körper an einen Kronleuchter erinnerte und mit hellblauen Flammen gesäumt war. Auch Moe warf sein Pokémon in den Ring, eine menschengroße, aufrecht stehende Schildkröte, aus deren Panzer zwei silberne Kanonenrohre ragten. Zusammen füllten die beiden Pokémon fast die ganze Breite des Korridors aus.

    „Flammenwurf!“, rief Matthew seinem Pokémon zu. Ein Strahl lodernden Feuers brach aus Skelabras Körper und schoss mit tödlicher Präzision auf Stahlos zu. In der engen Umgebung hatte das riesige Pokémon keine Chance, dem Angriff auszuweichen. Der Treffer brachte seinen Körper zum Glühen, während es versuchte, mit hektischen Bewegungen Platz zu schaffen.

    Moe war dies jedoch gar nicht recht. „Turtok, Hydropumpe!“, befahl er seinem Pokémon, das seine Kanonenrohre auf seinen Gegner richtete und einen kraftvollen Wasserschwall aus jedem der beiden Rohre schoss. Laut zischend verdampfte ein Teil der Wassermassen, als er auf den glühenden Stahl traf. Ein letztes Mal bäumte Stahlos sich auf, bevor sein Körper laut krachend auf dem Boden aufschlug.

    Zeit, um ihren Sieg zu feiern, hatten die drei Trainer nicht, denn mittlerweile war eine Gruppe von Galaktikern in den Korridor eingedrungen. Der Besitzer des Stahlos war offenbar unter ihnen, denn es verschwand nach kurzer Zeit in dessen Pokéball.

    „Hier ist es zu eng für uns drei!“, rief Moe seinen beiden Mitstreitern zu. „Geht nach oben und kümmert euch um die Nachhut! Ich komme hier unten schon zurecht!“

    Matthew nickte kurz und warf einen Blick hinüber zu Lucia, die bereits den Korridor entlanglief. Eilig rief er sein Pokémon in den Ball zurück und folgte ihr zu einer Leiter, die in einem dunklen Schacht nach oben führte. Die Falltür, die den Schacht verschloss, führte in einen kleinen Raum, der früher wohl als Lager gedacht gewesen war. Lucia verlor keine Zeit und führte Matthew mit schnellen Schritten durch eine schmale Holztür aus dem Gebäude heraus. Durch die wuchernden Büsche neben der Villa konnten sie die restlichen Galaktiker erkennen, noch ein knappes Dutzend, dazu einige Trikephalo sowie eine Handvoll zylindrischer Stahlpokémon, die Matthew als Bronzong identifizierte.

    „Wie gehen wir vor?“, flüsterte Lucia.

    „Ich glaube, ein offener Angriff ist am wirkungsvollsten“, antwortet Matthew leise. „Sie haben ihre Pokémon schon draußen, wenn wir entdeckt werden, bevor wir selbst kampfbereit sind, sind wir erledigt.“ Er beobachtete die Situation noch eine kurze Weile, bevor er Lucia wieder ansprach. „Bereit?“

    „Bereit.“

    Mit den Pokébällen in ihren Händen traten die beiden Trainer in das Sichtfeld der Galaktiker.

    „Skelabra, los!“

    „Togekiss, du bist dran!“

    Neben Skelabra erschien ein schneeweißer Vogel, kaum kleiner als seine Trainerin, und schwebte elegant auf die Trikephalo zu. „Die übernehme ich!“, rief Lucia Matthew zu, der sich wiederum auf die Bronzong fokussierte. „Hitzewelle!“, befahl er seinem Pokémon, das seine Flammen diesmal in einem breiten Strom auf seine Gegner herabregnen ließ. Einige der Bronzong gingen sofort zu Boden, während die anderen die Attacke offenbar besser überstanden und sich schnell wieder aufrappelten.

    „Steinhagel!“, bekam Matthew als Antwort. Aus dem Boden um die Kämpfer erhoben sich faustgroße Felsen in die Luft und stürzten rund um Skelabra wieder herab. Einigen der Felsen konnte Matthews Pokémon ausweichen, doch die meisten trafen ihr Ziel und setzten ihm sichtlich zu.

    Lucia schien trotz der massiven Überzahl ihrer Gegner die Situation gut im Griff zu haben. Ihr Togekiss erfasste die Trikephalo mit gleißendem Licht und schleuderte sie quer über den Pfad, noch bevor sie eine Chance hatten, selbst eine Attacke loszulassen. Matthew wandte sich also wieder seinen Gegnern zu, die mittlerweile um eine Schar schwarzer, vierbeiniger Pokémon mit geschwungenen Hörnern und einem grimmigen Gesicht ergänzt wurden. Ausgerechnet Pokémon der Typen Feuer und Unlicht waren für Matthews Feuergeist besonders schwierige Gegner, doch darum konnte er sich jetzt keine Gedanken machen. „Spukball!“, rief er Skelabra zu. Vor dem Körper des Pokémon formte sich eine dunkle halbtransparente Sphäre, die plötzlich wie eine Kanonenkugel auf eines der Bronzong zuschoss. Die Wucht des Aufpralls stieß das Stahlpokémon einen guten Meter zurück, bevor es zu Boden taumelte.

    „Hundemon, Finsteraura!“, hörte Matthew einen der Galaktiker rufen. Die neu hinzugekommenen Pokémon schleuderten von ihren Hörnern aus Klingen aus dunkler Energie in Skelabras Richtung. Die Schnelligkeit der Angriffe gab Skelabra keine Chance zum Ausweichen. Es wurde von der dunklen Energie mitgerissen und gegen die Fassade der alten Villa geschleudert. Noch bevor es von dort zu Boden stürzte, verschwand es wieder in Matthews Pokéball.

    Lucia hatte mittlerweile auch ihr Pokémon wechseln müssen und sah sich nun selbst einer Horde Bronzong gegenüber. Mittlerweile kämpfte an ihrer Seite ein Tornupto, ein etwa menschengroßes Pokémon, das Ähnlichkeiten mit einem aufrecht stehenden Dachs hatte und aus dessen Nacken spitze Flammen loderten.

    Diesmal nahm Matthew gleich zwei Bälle zur Hand. Normalerweise hätte er gegen eine Armee von Feuer- und Stahlpokémon sein Brutalanda in den Kampf geschickt, doch... Nun, er konnte nur hoffen, dass seine beiden verletzten Pokémon in Sicherheit waren. Mit zwei Pokémon gleichzeitig sollte er bessere Karten haben. Einen kurzen Moment hielt er noch inne, um Kraft zu sammeln, bevor er seine Pokémon in den Kampf schickte. „Los, Iksbat und Porygon2!“

    Vor Matthew baute sich eine tiefviolette Fledermaus mit vier Flügeln auf, die fast die Länge von Matthews Armen erreichten. Etwas hinter dem Flugpokémon versteckt machte sich das andere Pokémon kampfbereit, das entfernt einer Ente ähnelte, aber von einer unnatürlichen Farbgebung und bizarr-rundlichen Proportionen geprägt war. Iksbat schwang sich gleich mit blitzschnellen Flügelschlägen hoch in die Luft, während Porygon2 nahe bei seinem Trainer blieb.

    „Iksbat, greif die Hundemon mit Luftschnitt an!“, rief Matthew in die Höhe. „Porygon2, Spukball auf Bronzong!“

    Die Meute an Hundemon wurde von oben mit weißen Klingen aus komprimierter Luft bombardiert, während Porygon2 eine dunkle Sphäre auf Bronzong abschoss, die jedoch wirkungslos am Schutzschild seines Gegners verpuffte. Iksbats Luftschnitte hingegen scheuchten die Meute aus Hundemon auf und verhinderte so einen koordinierten Angriff. Bronzong ging nach der abgewehrten Attacke nun selbst zum Angriff über und schoss einen konzentrierten Strahl gleißenden Lichts auf Porygon2, das die volle Wucht der Attacke abfing, um seinen Trainer zu schützen, der sonst genau in der Schussbahn gestanden hätte. Mit aller Kraft stemmte es sich gegen die geballte Energie, bis der Angriff abbrach und Matthews Pokémon eine Chance zum Kontern hatte. Den zweiten Spukball konnte das Stahlpokémon nicht mehr parieren und ging zu Boden.

    „Sehr gut! Jetzt nimm dir die Hundemon mit Triplette vor!“

    Iksbats Bombardement hatte eine Staubwolke aufgewirbelt, in der die Silhouetten der gegnerischen Pokémon für das menschliche Auge nur schwer zu erkennen waren. Für Porygon2 war dies jedoch kein Hindernis, denn als künstlich erschaffenes Pokémon musste es nicht auf seine Augen vertrauen, um sein Ziel zu finden. Zwei Sekunden lang verharrte es regungslos, während in seinem digitalen Gehirn Millionen von Rechenvorgängen verarbeitet wurden. Drei knisternde Sphären in Rot, Blau und Gelb formten sich vor seinem Kopf und schossen mit messerscharfer Präzision in den aufgewirbelten Staub, aus dem eines der Hundemon auf sie zusprang. Seine Angriffslust wurde ihm jedoch zum Verhängnis, denn alle drei Kugeln trafen es mit voller Wucht und warfen es zurück in den Staub, wo es entkräftet liegenblieb.

    Die Galaktiker blieben jedoch nicht untätig, als ihre Pokémon nach und nach besiegt wurden. Die nächste Angriffswelle bestand aus einer Schar kleiner, schlanker Pokémon, die Matthew als Snibunna erkannte. Während die übrigen Hundemon weiterhin Flammenwürfe in den Himmel schossen, um Iksbats Angriffe aus der Luft zu kontern, stürzten die Neuankömmlinge mit blitzschnellen Sprüngen aus verschiedenen Richtungen auf Porygon2 zu. An ihren Klauen, mit denen sie zum Schlag ausholten, bildeten sich eisblaue Wolken, die im schwachen Sonnenlicht wie Diamanten funkelten. Auch wenn es ein beeindruckender Anblick war, durfte Matthew aber keinesfalls unaufmerksam werden.

    „Schutzschild!“, rief er seinem Pokémon zu, kurz bevor die eisigen Fäuste auf es einschlugen. Der kleine Körper des Normalpokémon wurde von einer silbrig leuchtenden Schicht überzogen, welche die Angriffe der Snibunna nicht zu durchdringen vermochten. Ein zweites Mal würde der Trick wahrscheinlich nicht funktionieren, aber für den Augenblick hatte Porygon2 damit das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Die folgende Triplette traf eines der Snibunna hinterrücks und stieß es einige Meter in Richtung der Hundemon.

    Iksbat hatte derweil massive Schwierigkeiten, den fortlaufenden Attacken der Hundemon weiter standzuhalten. Die ständigen Ausweichmanöver hatten an seinen Kräften gezehrt und seine Bewegungen verlangsamt, und so war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis einige der Feuerattacken trafen. Verzweifelten Blickes flatterte es in Matthews Richtung, wo es sogleich von den Snibunna ins Visier genommen wurde. Mit ihren Klauen schleuderten sie messerscharfe Eiskristalle auf ihr Ziel. Der ersten Salve konnte Iksbat noch ausweichen, doch die sogleich folgende zweite traf – jedoch nicht Iksbat, sondern Porygon2, das seinem Teampartner zur Hilfe eilen wollte. Sein mutiger Einsatz blieb jedoch vergebens, denn der dritte Angriff der Eispokémon raubte ihm die letzte Kraft, sodass Iksbat dem abschließenden Flammenwurf der Hundemon schutzlos ausgeliefert war. Bevor die lodernden Flammen jedoch ihr Ziel trafen, hatte Matthew seine beiden verletzten Pokémon schon zurückgerufen.

    Lucia und Matthew standen nun mit dem Rücken zur Fassade der alten Villa. Aus der Tiefe war noch der Lärm eines andauernden Pokémon-Kampfes zu vernehmen – Moe war also offenbar noch nicht geschlagen. Lucia hingegen hatte ihr Pulver verschossen, und auch Matthew hatte nur noch ein einziges kampfbereites Pokémon.

    Eines, das er schon lange nicht mehr hatte kämpfen lassen.

    Eine vertraute Angst stieg in seinem Körper auf. Er erinnerte sich noch genau an den Tag, als er sie das letzte Mal verspürt hatte, als er das letzte Mal einer vergleichbaren Übermacht hatte trotzen müssen. Mit zittrigen Fingern tastete er an seinem Gürtel nach seinem letzten Pokéball. Anders als die meisten anderen Exemplare hatte dieser zwei kleine Erhebungen auf seiner Oberfläche. Matthews Anspannung ließ für einen Augenblick etwas nach, als er seinen Glücksbringer ertastete. Mit einem tausendmal geübten flinken Handgriff löste er den Ball aus der Halterung und hielt ihn einen Augenblick in seiner Hand fest. Einen Moment lang, der ihm wie eine Ewigkeit vorkam, zögerte er noch, dachte darüber nach, ob es doch irgendeine Alternative gäbe, irgendeinen anderen Weg, die Situation zu seinen Gunsten zu wenden. Doch es half alles nichts, er fand keinen anderen Ausweg, erst recht nicht in so kurzer Zeit.

    Für einen Augenblick hatte Matthew ein Gefühl, als wolle sein Glücksbringer ihn ermutigen und in seiner Entscheidung bestärken, bevor er zu seinen Gegnern aufsah und den Ball in die Höhe schleuderte.

  • Hallo, Naturematthe ^^


    Eine sehr schöne Fanfiction, freut mich, dass du so aktiv daran schreibst. Sinnoh ist sowieso eine interessante Region, schön, dass es dich dorthin verschlagen hat, wenn auch etwas anders als gewohnt. Die Tags verraten den Kniff an der Geschichte zwar schon, aber wer schaut auch auf die Tags. Eigentlich ist das mit der Zeitreise ein angenehmes Setting, vor allem nur 10 Jahre in die Zukunft. Zwar hat sich manches geändert, aber es ist zum Glück kein so großer Bruch, dass sich die Protagonisten überhaupt nicht mehr zurecht finden könnten. Ziemlich stark fand ich die Szene beim Betreten von Ewigenau, bei der ich als Leser komplett nachvollziehen konnte, was Moe und Matthew gerade denken und ab wann es ihnen dämmert, dass hier etwas nicht stimmt. Zumindest an der Stelle, an der Team Galaktik plötzlich mit Trikephalo kämpft, ist es klar, wo man sie doch sonst nur mit Pokémon wie Glibunkel, Zubat und Charmian kämpfen sieht.


    Die Handlung klingt bis jetzt ganz interessant, Cliffhanger am Ende des Kapitels scheinst du zu mögen. Im Moment geht alles ziemlich Schlag auf Schlag, verbunden mit einigen recht ausführlichen Kampfszenen. Ich hoffe, es kommen auch noch ein paar ruhigere Passagen und Charaktermomente, aber ich denke mal schon. Was mir bei den Kämpfen jedenfalls auffällt, ist, wie gut du die Pokémon-Lore einbaust. Zum Beispiel dass einige der Bronzong von der Hitzewelle stärker Schaden nehmen als andere, offenbar hat ein Teil von ihnen die Fähigkeit Hitzeschutz. Solche Kleinigkeiten sind toll, wenn sie eingebaut werden.


    Eine kleine Kritik hätte ich noch, und zwar finde ich es immer etwas schwierig, wenn in einer Pokémon-Welt Tiervergleiche angestellt werden. Man neigt wohl intuitiv dazu, aber streng genommen existieren dort ja gar keine Enten, Schlangen und Fledermäuse, oder? Außer natürlich, in deiner Welt ist das trotzdem der Fall, das ist selbstverständlich dir als Autor überlassen. Im Gegenzug schaffst du es ziemlich gut, den Meisterball zu beschreiben, ohne den Begriff zu verwenden, und jeder weiß trotzdem (bzw. es erschließt sich nach und nach beim Lesen), was gemeint ist. Ich bin gespannt, was mit diesem nun passiert :)

    Und plötzlich schien ein neuer Kontinent

    am Horizont, wir sind noch lange nicht am End’!
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  • KAPITEL 4

    Alles auf eine Karte


    Die erste Welle der Galaktiker hatte Moe noch gut unter Kontrolle bringen können. Die sintflutartigen Wasserattacken seines Turtok hatten im engen Flur, in dem er kämpfte, sehr effektiv verhindert, dass seine Gegner ihm zu nahe kamen. Die Galaktiker hatten jedoch bald ihre Strategie angepasst und Pokémon des Typs Elektro gegen ihn eingesetzt, die Turtok deutlich schneller auf die Bretter schicken konnten als umgekehrt. Raichu konnte zwar für eine Weile mit seiner Fähigkeit Blitzfänger den Spieß umdrehen, trotzdem war das Kräfteverhältnis zu Ungunsten seines Teams weiterhin sehr unausgeglichen. Auch Raichu war bald am Ende seiner Kräfte, ohne dass der Nachschub an Pokémon für die Galaktiker zu versiegen schien.

    Sein Partnerpokémon Geckarbor war in dem ganzen Chaos nicht von der Seite seines Trainers gewichen, doch konnte es im Kampf nicht viel ausrichten. Moe war sich dessen nur zu gut bewusst, zudem bestand die Gefahr, dass es hier von einer gegnerischen Attacke getroffen und verletzt werden konnte.

    „Geh mal nach Matthew schauen!“, wies er das kleine Pflanzenpokémon an, während er sein nächstes Pokémon kampfbereit machte. Äußerlich ließ er sich nicht anmerken, dass er seinen Partner damit nur aus der Gefahrenzone bringen wollte. Geckarbor machte sich auch gleich auf den Weg, erst an der felsigen Wand entlang, dann die Leiter hinauf, über die Matthew und Lucia verschwunden waren. Bald schon war sein Weg jedoch durch eine Falltür versperrt, die so schwer war, dass das kleine Pokémon sie nicht aus eigener Kraft anheben konnte. Immer wieder verlor es den Halt an der felsigen Oberfläche des Schachts, während es verzweifelt seinen Körper gegen das Hindernis presste. Wenn es die Tür doch nur einen kurzen Moment weit genug aufbekäme...

    Plötzlich kam ihm eine Idee. Mit den Vorderbeinen klammerte es sich an der obersten Sprosse der Leiter fest und bereitete eine Attacke vor. Mit allem Schwung, den es irgendwie aufbringen konnte, hämmerte es seinen Schweif von unten gegen die Tür. Immerhin ein Stück weit flog sie nun auf, gerade genug, dass Geckarbor sich mit einem Ruckzuckhieb hindurchquetschen konnte. Mit einem dumpfen Knall fiel die schwere Konstruktion zurück in ihren Rahmen und wirbelte den herumliegenden Staub in der kleinen Kammer auf. Einen Moment lang sah sich das Pflanzenpokémon in der neuen Umgebung um, bis es eine offene Tür entdeckte, die nach draußen führte. Aus dem Schutz des Gebüschs konnte es für einen Augenblick die Situation betrachten.


    Einige für Matthew quälend lange Augenblicke vergingen, bis der geworfene Ball den Zenit seiner Flugbahn erreichte und sich mit einem scharfen Zischen öffnete. Ein Wirbel aus gleißend weißem Licht entsprang dem Pokéball und begann, eine Silhouette zu formen, deren Größe jedes andere anwesende Pokémon winzig erscheinen ließ. Bald waren ein langer Hals und zwei massive Schwingen zu erkennen, bevor die Helligkeit des Wirbels nachließ. Sanft landete der drachenartige Gigant auf der Erde, und für einen Moment schien es, als sei jedes Geräusch im gesamten Wald verstummt. Die Stille wurde jedoch vom ohrenbetäubenden Ruf des silbrig-weißen Riesen unterbrochen, und ein einziger Schlag seiner Flügel entfachte einen stürmischen Windstoß.

    Lucia und die anwesenden Galaktiker hielten den Atem an. Mit einem derartigen Anblick hatten sie offenbar nicht im Ansatz gerechnet. Matthew musste diesen kurzen Moment der Ablenkung ausnutzen.

    „Ich brauche deine Hilfe, Lugia!“

    Mehr als das brauchte er nicht zu sagen. Zwischen den Flügeln seines Pokémon formte sich ein kreisender Luftstrom, der schlagartig in einem fokussierten Strahl auf die anwesenden Pokémon zuschnellte. Das erste getroffene Snibunna flog mehrere Meter durch die Luft, bevor es kampfunfähig auf dem Boden aufschlug.

    Die Galaktiker waren jedoch nicht lange in ihrem Staunen gefangen und gaben ihren Pokémon bald wieder Befehle. Die Snibunna stürzten sich mit ihren eisigen Klauen auf ihren Gegner, doch ihre Attacken gingen ins Leere, als Lugia sich für seine Größe überraschend behände in die Luft schwang. Aus der Höhe nahm es nun die restlichen Hundemon ins Visier und jagte ihnen eine druckvolle Wassersäule entgegen, die mit den Feuerpokémon kurzen Prozess machte. Die Snibunna hatten mittlerweile ihre Taktik geändert und bombardierten Lugia vom Boden aus mit ihren Eissplittern. Trotz des Typennachteils zeigten die Angriffe jedoch nicht viel Wirkung, nicht zuletzt, da viele der Eissplitter auf die lange Distanz einen Großteil ihrer Kraft verloren. Die Luftstöße, die nach und nach die Angreifer ausschalteten, verschärften die Situation für die Galaktiker nur weiter.

    Staunend beobachtete Matthew vom Boden aus das Schauspiel, das sich ihm bot. Er hatte das legendäre Pokémon schon einige Male kämpfen sehen, der Faszination eines solchen Kampfes tat dies jedoch keinen Abbruch. Seine Anspannung wich einem Schimmer Hoffnung, dass Lugia vielleicht wirklich den Kampf noch herumreißen und ihnen so eine Möglichkeit zur Flucht geben konnte.

    Für Siegesfreude war es aber definitiv noch zu früh, denn der nächste Schwung an gegnerischen Pokémon ließ nicht lange auf sich warten. Ein Schwarm großer rabenartiger Pokémon stieg zu Lugia auf und griff aus kurzer Distanz aus allen Richtungen an. Einzelne Attacken konnte Lugia mit Luftstoß abwehren, anderen konnte es durch elegante Flugmanöver ausweichen, doch die schiere Menge der Angriffe sorgte für einen stetigen Strom an Treffern, die an den Kräften des legendären Pokémon zehrten. Trotz Allem fiel eines der Kramshef nach dem anderen den mächtigen Attacken zum Opfer, und Lugia sank langsam und kontrolliert in Richtung des Bodens, um neue Kraft zu sammeln.

    Die besiegten Kramshef waren seitens der Galaktiker nicht mehr durch neue Pokémon ersetzt worden. Offenbar hatten sie ihr Pulver für den Moment verschossen. Die Erleichterung, die in Matthew aufstieg, ließ ihn einen Moment lang zusammensacken. Dies war vielleicht ihre Chance für die Flucht! Sie mussten sich nur beeilen, bevor weitere-

    „Palkia, Raumschlag!“

    Zwei Worte, gesprochen von einer vertrauten Stimme, rissen Matthew aus seinen Gedanken. Noch bevor er ganz begriffen hatte, was die Worte bedeuteten, sah er, wie Lugia wie von einer mächtigen, unsichtbaren Faust getroffen gegen die Fassade der alten Villa geworfen wurde. Das alte Gemäuer konnte der vollen Wucht des riesigen Vogels nicht standhalten und brach an der Aufschlagstelle ein. Auf dem entstandenen Trümmerfeld blieb Lugia von einer Staubwolke umgeben ohnmächtig liegen.

    Ein verzweifelter, angsterfüllter Ruf nach seinem Pokémon war alles, was Matthew über die Lippen brachte.

    „Lugia!

    Instinktiv hob Matthew die Hand, in de er immer noch den violett-weißen Ball hielt, und rief das legendäre Pokémon zurück. Als er sie wieder senkte, entglitt der Ball seinen schweißnassen Fingern, fiel zu Boden und kullerte ins nahegelegene Gebüsch. Starr vor Schreck war er jedoch nicht imstande, ihn zurückzuholen, stattdessen starrte er nur die Kreatur an, der selbst Lugia nicht hatte standhalten können, das rund vier Meter hohe legendäre Pokémon Palkia. Ohne jede Gegenwehr wurde er von einigen Galaktikern zu Boden geworfen und dort festgehalten. Er konnte nicht mehr viel sehen, doch hörte er die Schritte, die auf ihn zukamen.

    „Ach, dich kenne ich doch“, begann die vertraute Stimme zu sprechen. „Ich vergesse nie ein Gesicht.“

    Ein Paar Handschellen schloss sich eng um Matthews Handgelenke, bevor er unsanft an den Schultern gepackt und ruckartig aufgerichtet wurde. Er hatte die Stimme des Mannes, der vor ihm stand, offenbar richtig erkannt.

    Zyrus.

    „Ich glaube, bei unserem letzten Treffen konnten wir uns gar nicht richtig vorstellen“, fuhr der Anführer des Team Galaktik fort, seinen Blick auf Matthews Gesicht fixiert. „Meinen Namen wirst du sicherlich noch kennen, aber wie sieht es mit deinem aus?“

    Matthews Blick wich dem seines Gegenübers aus und antwortete nicht. Zyrus quittierte die Reaktion nur mit einem Schulterzucken. „Durchsucht ihn“, befahl er seinen Untergebenen, „und seht euch ein wenig um. Wenn er hier ist, kann sein Kollege wohl nicht weit sein.“

    Während die Galaktiker all seine Taschen leerten und seinen Gürtel konfiszierten, konnte Matthew einen kurzen Blick auf Lucia erhaschen. Sie war faktisch in der gleichen Situation wie er, leistete jedoch sichtlich mehr Widerstand. Zyrus begutachtete interessiert die Ausrüstung, die bei der Durchsuchung zum Vorschein kamen, und ließ sich den Dienstausweis des Polizisten reichen, als dieser in einer Westentasche entdeckt wurde.

    „Matthew also“, las er trocken vor, als er das Dokument musterte. „Internationale Polizei, Spezialeinheit eins-fünf-null.“ Mit einer lockeren Handbewegung warf er es über seine Schulter. „Nun denn, Matthew. Danke erst einmal, dass du mir ein legendäres Pokémon mitgebracht hast. Hatte mich schon gewundert, wo das Biest steckt. Ach, und da ist ja auch dein Kollege.“

    Auf der Lichtung vor der Villa erschien Moe, ebenfalls mit Handschellen gefesselt und im festen Griff mehrerer Galaktiker. Seine Kleidung war gezeichnet von Staub, Schrammen und Brandspuren, die von den heftigen Kämpfen unter der Erde zeugten.

    Zyrus wandte sich seinen Helfern zu. „Räumt hier auf und schafft die drei weg. Gruppe Zwei, durchsucht den Untergrund und findet den Rest.“

    Unsanft wurden Matthew, Moe und Lucia zu den geparkten Wagen geschleppt und in den Innenraum eines der Fahrzeuge geworfen. „Es tut mir leid...“, flüsterte Matthew noch, bevor sich die Türen mit einem lauten Knall schlossen.


    Erst staunend, dann entsetzt hatte Geckarbor aus den Büschen Lugias Kampf und Niederlage beobachtet. Es wagte kaum zu atmen, um nicht entdeckt zu werden. Hilflos musste es mit ansehen, wie erst Matthew und Lucia sowie später auch sein Trainer von den Galaktikern gefangen genommen und weggeschleppt wurden. Erst als die meisten Galaktiker verschwunden waren, kroch es vorsichtig aus seinem Versteck und sah sich um.

    Ein paar Meter entfernt lag am Rand des Gebüschs eine Kugel, etwa so groß wie ein Tennisball. Die Form erinnerte Geckarbor stark an einen Pokéball, doch die sonst rot gefärbte Hälfte war hier dunkelviolett und mit zwei helleren Erhebungen sowie einer kurzen weißen Zickzacklinie verziert. Was das auch immer für ein Ball war, er sah wichtig aus, also hob Geckarbor ihn vom Boden auf und kroch zurück in die Büsche.

    Den Wagen, in dem sein Trainer abtransportiert worden war, hatte das kleine Pflanzenpokémon längst aus den Augen verloren. Vom Boden aus würde es ihn wohl auch nicht wiederfinden, doch aus den Baumwipfeln heraus bestand zumindest eine vage Chance, abgesehen davon, dass dort die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, deutlich geringer war. Bei dem Versuch, auf den nahen Baum zu klettern, merkte es jedoch, dass dieses Vorhaben mit dem Ball in seinen Pfoten kaum zu bewerkstelligen war. Zurücklassen wollte es seinen kleinen Schatz aber auch nicht ohne Not, daher sah sich Geckarbor einen Augenblick um, ob es nicht irgendetwas gab, das ihm weiterhelfen könnte. Draußen im Wald fand es nichts Hilfreiches, weswegen es beschloss, sich im Inneren der Villa noch einmal umzusehen.

    Die Tür, durch die Geckarbor nach draußen gekommen war, stand weiterhin offen, und auch in dem kleinen Raum mit der Falltür hatte sich offenbar nichts verändert. Zwischen Kartons, Holzkisten und alten Elektrogeräten lagen im Raum verteilt diverse Gegenstände auf dem Boden sowie in den Regalen. Aufmerksam studierte Geckarbor die Objekte, bis sein Blick über einen kleinen ledernen Beutel in einem der Regale schweifte, groß genug, dass der violett-weiße Ball hineinpassen sollte. Geschwind kletterte Geckarbor an den Regalbrettern hinauf, immer darauf bedacht, möglichst nicht zu viel Lärm zu machen. Der Beutel war zwar mit matten, unebenen Metallplättchen gefüllt, doch diese lagerte das kleine Pokémon kurzerhand in eine Porzellanschüssel um, die einige Bretter weiter unten stand. Der kleine Beutel war schon um einiges besser zu tragen als der glatte Ball, aber das Grundproblem war dadurch noch nicht gelöst. Eine Art Trageband musste her, doch woher nehmen und nicht stehlen?

    Während Geckarbor sich mit seiner neuen Errungenschaft vertraut machte, bemerkte es nicht, dass sich ihm jemand näherte. Ein plötzliches unnatürliches Geräusch, eine Mischung aus einem fröhlichem Quieken und einer elektrischen Entladung, ließ das kleine Pokémon zusammenfahren. Reflexartig sprang es auf und schlug mit seinem Schweif hinter sich. Es merkte, wie sein Schweif etwas durchdrang und von stechenden Stromstößen getroffen wurde. Mit dem Schwung seines Angriffs drehte Geckarbor sich um, bevor es auf dem Boden der Kammer landete, und stand dem Neuankömmling nun von Auge zu Auge gegenüber.

    Ungefähr auf der Höhe des Regalbrettes, von dem das Pflanzenpokémon heruntergesprungen war, schwebte ein kleines oranges Wesen, dessen Körper von einer hellblauen Aura umgeben war, und grinste Geckarbor verspielt an. Bevor es am Regal entlang zu dem Pflanzenpokémon herabglitt, brachte es noch den kleinen Lederbeutel mit, der in der Hektik auf dem Regalbrett liegen geblieben war. Mit einem Seufzer der Erleichterung nahm Geckarbor ihn entgegen und musterte das fremde Pokémon eingehend, das wiederum mit seinen großen weißblauen Augen neugierig zurückstarrte. Feindlich gesinnt schien es zumindest schon einmal nicht zu sein.

    Mit einigen Gesten und Geräuschen versuchte Geckarbor, seinem Gegenüber zu erklären, was vorgefallen war und wonach es gerade suchte. Das orange Pokémon nickte verständnisvoll und schwebte hinauf zu einem der oberen Regalbretter. Nur einen kurzen Moment später fiel Geckarbor eine Rolle rotes Geschenkband vor die Füße. Das Pflanzenpokémon rollte sich ein Stück des Bandes ab und zog einmal kurz und kräftig daran. Offenbar war es stabil genug, um als Tragegurt zu dienen. Einen kurzen Zerschneider und einen Knoten später hatte es den kleinen Lederbeutel wie eine Art Umhängetasche um seinen Körper gelegt. Das fremde Pokémon bejubelte das erfolgreiche Bastelprojekt mit einem britzelnden Quieken, und auch Geckarbor konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen.

    Mit einem Mal schwebte das orange Pokémon auf die halboffene Tür zu, die sich am anderen Ende der Kammer befand, und wies Geckarbor mit einigen Gesten an, ihm zu folgen. Hinter der Tür befand sich ein großer Saal mit einer langen Speisetafel, die offenbar seit Jahrzehnten nicht mehr abgestaubt worden war. Durch die kleinen Fenster des Saals verteilte sich ein wenig Sonnenlicht im Raum, genug, dass man etwas erkennen konnte, doch der dichte Wald hinter dem Gebäude und der Schmutz auf den ewig nicht gereinigten Scheiben schluckten so viel davon, dass einige Bereiche trotzdem dunkel blieben. Geckarbor erblickte im Halbdunkel einige alte Haushaltsgegenstände und Dekorationen, die zum Teil ordentlich auf dem Tisch platziert und zum Teil anscheinend wahllos auf dem Fußboden verteilt waren. Einer der Haushaltsgegenstände, ein alter Tischventilator, hatte es dem anderen Pokémon offenbar angetan, denn nach einem Moment des Musterns verschwand es im Gehäuse des Gerätes, das auf einmal zu leuchten begann. Sekunden später erhob sich das kleine orange Pokémon wieder – seine hellblaue Aura war jedoch einem kräftigen Gelb gewichen und es trug über seinem Kopf einen Rotor, der sich unentwegt drehte und eine sanfte Brise durch den staubigen Saal blies.

    Geckarbor traute einen Moment lang seinen Augen nicht, bevor die Verwunderung einer Bewunderung für die Fähigkeiten des unbekannten Pokémon wich, das mit seinem neu gewonnenen Antrieb ein paar Runden quer durch den Saal schoss, bevor es sich wieder neben dem Pflanzenpokémon niederließ. Mit einigen hektischen Gesten wies es Geckarbor an, sich an den beiden Fortsätzen seitlich an seinem Rotor festzuhalten. Etwas zögerlich umklammerten seine grünen Hände das fremde Pokémon, verstärkten jedoch schlagartig ihren Griff, als es plötzlich wie vom Blitz getroffen nach vorne schnellte und in hoher Geschwindigkeit durch die beiden Türen nach draußen in den Wald schoss. Bald gewann das ungewöhnliche Gespann an Höhe und erreichte den Luftraum über den Baumwipfeln. In einiger Entfernung war die Stadt zu erkennen, die Matthew und Moe zu erreichen versucht hatten. Nachdem Geckarbor ein paarmal tief durchgeatmet hatte, um sich von dem erneuten Schreck zu erholen, zeigte es mit seiner Nasenspitze mehrfach in die Richtung der Stadt, als wollte es seinem Reitpokémon eine Richtung vorgeben. Eine andere Stadt konnte es in der Umgebung nicht erkennen, daher konnte es nur hoffen, dass die beiden Polizisten dorthin gebracht worden waren. Sein neu gewonnener Freund verstand offenbar, was es meinte, und beschleunigte flink in die vorgegebene Richtung, während sich über seinem Kopf rasend schnell der kleine Rotor drehte.

  • Hey Naturematthe,

    wie putzig ist denn bitte dieses Gespann aus Geckarbor und Rotom? Jetzt stelle ich mir bildlich dieses Geckarbor vor, das hoch in der Luft versucht sich gut an dem Ventilator festzuhalten, während es seinen Kopf in die Richtung der Stadt bewegt. Die Idee ist schon toll und lässt mich mit einem Grinsen zurück. Mit Rotom kann man sicher viel anstellen, von daher es es eine gute Wahl als Partner-Pokémon, um die Rettungsaktion von Matthew und Moe (und noch weiteren Widerstandsleuten?) anzugehen. Ohnehin fand ich den Perspektivwechsel zu Geckarbor sehr gelungen. Bisher war es, obwohl immer mit dabei, nicht wirklich im Zentrum der Erzählung, aber nun bekommt es Gelegenheit für einen eigenen Auftritt. Gerechnet hatte ich damit nicht wirklich, aber es passt ziemlich gut und lockert die Erzählung auf, dass du immer mal wieder die Perspektive wechselst. Außerdem gelingt es dir, wie ich finde, bis jetzt auch ganz gut, dass die Pokémon tatsächlich wie Pokémon handeln und denken (und nicht wie verkappte Menschen). Natürlich mit einer guten Portion Instinkt für das, was den Plot vorantreibt, aber eigentlich schon im Rahmen. Einen Tischventilator hätte ich gefühlsmäßig nicht im Inventar eines Herrenhauses wie der Alten Villa, die in einem schattigen Wald steht, vermutet, das ist dann doch sehr praktisch, dass so einer zufällig da steht. Von einem Rotom hätte ich eigentlich anfangs gedacht, dass es noch ein wenig mehr zu Streichen aufgelegt wäre, aber scheinbar ist das bei diesem nicht der Fall.


    Ich mutmaße mal stark, dass die beiden sich nun wirklich an die Aufgabe machen, die menschlichen Protagonisten wieder aus den Fängen von Team Galaktik zu befreien. Die Alternative wäre wohl gewesen, dass sie sich aus eigener Kraft befreien müssten, und da finde ich es mit dieser Hilfe von außen auf jeden Fall angenehmer (es lässt die Hauptfiguren nicht so übermächtig wirken) und es interessiert mich auch mehr, wie sie es wohl schaffen. Wahrscheinlich haben süße Pokémon auch einfach einen Grundsympathiebonus und man fiebert mehr mit ihnen mit. Aber ich greife vorweg, all das ist ja noch gar nicht passiert.


    Zu den Kampfszenen hatte ich mich ja letztes mal geäußert, sie sind auch in diesem Kapitel ganz gut gelungen, vor allem der Auftritt von Zyrus war sehr eindrucksvoll und stark, aber ich bin froh, dass es dann zu etwas anderem überging. Und wegen der Tiervergleiche im Pokédex, daran hatte ich auch gedacht, aber meinen Gedanken hast du jetzt eigentlich schon vorweggenommen.


    Bleib dran, ich bin gespannt, was du dir als nächstes ausgedacht hast.

    Und plötzlich schien ein neuer Kontinent

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  • Hallo,


    zuerst einmal: Wegen mir musst du nicht extra Rückblenden einbauen, also kein Grund zur Entschuldigung. Wenn es im Kontext passt, bin ich natürlich gespannt darauf, mehr zu erfahren.

    Allzu lange hat der Widerstand gegen Team Galaktik selbst mit Lugia nicht angedauert. Hier fand ich gut, dass du relativ schnellen Prozess mit der Situation gemacht hast und Zyrus sehr neutral aufgetreten ist. Immerhin war sein Auftauchen auch sehr überraschend und mehr wäre nicht notwendig gewesen. Ich bin dementsprechend gespannt, wie mit den nun Gefangenen weiter verfahren wird.


    Noch besser fand ich allerdings die Art und Weise, wie du die Pokémon darstellst. Das fing schon mit Geckarbor an, das sich seinen Weg durch die Falltür nach draußen suchte und dabei sehr eigenständig agierte. Gerade weil das oft bei Pokémon vernachlässigt wird, dass sie ja auch selbstständig Aufgaben erledigen können, bin ich umso begeisterter, dass du dich damit auseinandergesetzt hast. Selbiges gilt für die Suche und den schnellen Zusammenbau einer Tasche für den Meisterball. Ich schätze mal, dass hier aber auch die Arbeit bei der Internationalen Polizei geholfen hat, dass Geckarbor überhaupt so weit dachte, selbst etwas zu basteln.

    Die Begegnung zwischen Geckarbor und Rotom war angenehm geschrieben und man merkt, dass sich die beiden schnell verstanden haben. Auch hier, gute Selbstständigkeit der Pokémon und nach dem regelrechten Abflug muss sich jetzt erst noch herausstellen, welches Abenteuer die beiden erleben.


    Wir lesen uns!

  • KAPITEL 5

    Ein außergewöhnlicher Fall


    Gelangweilt starrte Kathryn aus dem offenen Fenster ihres kleinen Büros hinab auf das geschäftige Treiben auf den Straßen Ewigenaus. Es war ein Dienstag wie viele andere auch – nicht dass sich die Wochentage untereinander für sie besonders unterschiedlich angefühlt hätten. Den Bericht über die neu von Team Galaktik erbeuteten Pokémon hatte sie längst fertiggestellt, und viel mehr gab es für sie hier auch nicht zu tun. Ehrlich gesagt hatte sie den Job beim Team Galaktik auch nur angenommen, um dem Schicksal vieler anderer Trainer zu entgehen, die vom Team Galaktik aufgegriffen und von ihren Pokémon getrennt worden waren. Um genau diese Pokémon kümmerte Kathryn sich in ihrem Beruf – so ziemlich die einzige Art und Weise, wie sie die Arbeit für Zyrus mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte. Doch was sollte sie sonst tun?

    Ihr Blick schweifte über eine Zeichnung, die sie im Laufe des Vormittags angefertigt hatte. Sie hatte an ihrem Computer ein wenig in der Pokémon-Datenbank des Teams gestöbert und war dabei auf eine Liste von Pokémon gestoßen, nach denen gefahndet wurde. Ein paar davon waren ihr gleich ins Auge gefallen – einige sehr kleine, aber Berichten zufolge äußerst mächtige Pokémon, deren Fähigkeiten wohl mit denen der Legendären Pokémon vergleichbar waren. Besonders das feenartige Pflanzenpokémon mit dem Zwiebelkopf hatte es ihr angetan, und so hatte sie begonnen, es mit Bleistift zu Papier zu bringen. Irgendwann hatte sie jedoch auch daran die Lust verloren, sodass das Bild halbfertig auf ihrem Schreibtisch liegen geblieben war.

    Das Geräusch der sich öffnenden Bürotür riss Kathryn aus ihren Gedanken.

    „Hey, Katie! Na, ist dir auch so langweilig heute?“

    Kathryn seufzte nur und rollte mit den Augen, als sie die Person erkannte, die das Büro betreten hatte.

    „Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass du gefälligst anklopfen sollst, Kevin!“, gab sie genervt zurück. „Was willst du?“

    Ohne eine Miene in seinem aufgesetzt grinsenden Gesicht zu verziehen setzte sich der junge Mann auf eine freie Ecke des Schreibtisches. Anders als sie selbst trug er eine Uniform und Abzeichen des Team Galaktik. Ehrlich gesagt war es ihr sehr recht, dass sie im Innendienst keine so engen Vorschriften zur Kleidung hatte.

    „Ich wollte nur mal hören, was du so machst“, begann er zu erklären. „Heute ist ja echt nix los, da wollte ich nicht alleine im Büro sitzen. Und du doch bestimmt auch nicht, oder, Katie?“

    Mit offensichtlichem Desinteresse wandte sich Kathryn ihrem Bildschirm zu, ohne auf die Andeutungen ihres ungebetenen Gastes einzugehen.

    „Ist ja schon irgendwie blöd, dass wir hier rumsitzen müssen, während die Kollegen von der Sicherheit draußen Spaß haben“, fuhr Kevin unbeirrt fort. „Die Stadtwache hat ja heute offenbar einen auf den Deckel bekommen, wohl von ein paar verirrten Trainern, die sich mit ihnen angelegt haben. Ich hab's leider nur erzählt bekommen, aber der Kampf soll ziemlich heftig gewesen sein. Und angeblich sind die Typen nach dem Kampf einfach wie vom Erdboden verschwunden!“

    „Aha“, murmelte die junge Dame abwesend, während sie versuchte, zumindest ansatzweise beschäftigt zu wirken – nicht dass es ihren Gast gestört hätte, wenn dem wirklich so wäre, das wusste sie aus monatelanger Erfahrung, die sich nun einmal mehr bestätigte.

    „Ach, und ich hab heute im Funknetzwerk ein illegales Gerät gefunden, das sich vormittags wie aus dem Nichts eingeloggt hat. Steinaltes Modell, so zehn, zwölf Jahre würde ich schätzen. Wer benutzt heute noch sowas? Naja, die Kollegen vom Sicherheitsdienst fahnden jetzt danach. Bestimmt hoffen sie, dass es was mit dem Widerstand zu tun hat oder so...“

    Kevins Geschwafel ging Kathryn zwar tierisch auf die Nerven, aber in ihrer Rolle als Pokémon-Pflegerin und -Verwalterin hatte sie oft mit Pokémon von Widerstandskämpfern zu tun, daher interessierten sie solche Neuigkeiten durchaus. Gerne hätte sie ein wenig mehr erfahren, aber da das bedeutet hätte, Kevin noch länger reden zu lassen....

    Durch das offene Fenster drang der Lärm startender Motoren in das kleine Büro. Kevin sprang gleich auf und lief zum Fenster, um zu beobachten, was los war.

    „Oh, die Zugriffsstaffel rückt aus! Vielleicht haben sie wirklich was gefunden! Sorry, aber ich muss los, nicht dass ich gebraucht werde und dann nicht da bin...“

    Als wenn du zu irgendwas zu gebrauchen wärst, murmelte Kathryn stumm. Egal, ihr war jeder Grund recht, dass Kevin sie in Ruhe ließ.

    „Ich hol' dich nachher zum Mittagessen ab!“, fügte Kevin noch schnell hinzu, bevor er aus dem Büro stürmte. Kathryn quittierte sein Angebot nur mit einem Stöhnen, als sich die Tür schloss. Warum musste sich die größte, unattraktivste Nervensäge der gesamten Organisation ausgerechnet an sie heranmachen?

    Mit einem letzten Seufzen wandte sie sich wieder ihrem Computer zu. Wenn tatsächlich ein Einsatz gegen den Widerstand stattfand, würde sie später doch noch etwas zu tun haben. Zumindest die Datensätze für eventuelle neue Pokémon konnte sie schon einmal vorbereiten, dann hatte sie später mehr Zeit für die Neuankömmlinge. Wenn sie schon nichts dagegen tun konnte, dass die Pokémon in die Hände des Teams fielen, dann konnte sie es ihnen wenigstens etwas angenehmer machen.


    Das Klingeln ihres Telefons riss Kathryn aus ihren abschweifenden Gedanken. Nach ihren Vorbereitungen hatte sie noch etwas in der Datenbank gestöbert und dabei wohl völlig die Zeit vergessen. Hastig griff sie nach dem Hörer. Das Display zeigte einen internen Anruf an.

    „Ja, Kathryn hier?“

    „Moin, John hier aus der Verwaltung. Haben ein paar Pokémon, die eingesammelt wurden, die sollst du dir mal anschauen.“

    „Alles klar, danke.“

    „Kein Ding, tschau!“

    Kathryn stellte den Hörer wieder auf die Station und stand von ihrem Stuhl auf. Als sie die Bürotür öffnete, erblickte sie im Flur wenig überraschend ihren Lieblingskollegen.

    „Ach, da bist du ja, Katie! Wollte dich gerade abholen!“

    „Ach, wie blöd!“, antwortete sie Kevin mit aufgesetzt enttäuschtem Blick. „Ich hab leider gerade 'nen Anruf bekommen und muss dringend los. Sorry, heute nicht!“

    Ohne ihm noch Zeit für einen einzigen Satz zu geben, lief sie an ihm vorbei den Flur entlang zu den Aufzügen. Ihr falscher Gesichtsausdruck wich einem ehrlichen Grinsen, als sie ihm den Rücken zuwandte. So sehr sie es hasste, ihn zu sehen, so sehr liebte sie es einfach, die Nervensäge stehen lassen zu können.

    Die Trainingsräume lagen aus statischen Gründen im Keller des Gebäudes, rund zehn Etagen tiefer als Kathryns Büro. Nur wenige Mitarbeiter hatten Zugang dorthin, namentlich diejenigen, die sich um die neuen Pokémon kümmerten. Das Ausbildungszentrum für Pokémon des Team Galaktik lag in der Stadt Schleiede auf der anderen Seite des Kraterbergs, während in Ewigenau der Fokus auf Verwaltungsaufgaben sowie der Erfassung von Häftlingen und sonstigen Abweichlern lag.

    In der Mitte des Lagerraums, den sie im Keller betrat, stand eine kleine Metallkiste mit Rollen. Das lieblos aufgeklatschte Etikett zeigte neben Datum und Uhrzeit den Ort der Beschlagnahme, die Alte Villa im Ewigwald. Unter dem Deckel der Kiste verbargen sich neben rund einem Dutzend Pokébälle drei Gürteltaschen, zwei Jacken, diverse Ausrüstungsgegenstände sowie Ausweispapiere. Die meisten Sachen interessierten Kathryn nicht weiter, also nahm sie einen der Pokébälle zur Hand und holte sich aus einem Schrank neben der Tür ein kleines Gerät, mit dem sie die Pokébälle auslesen konnte. Die meisten Pokémon sollten ohne Probleme in die Trainingsräume passen, aber bevor sie die Bälle öffnete, sollte sie doch sichergehen, dass sie nicht etwa den eines Stahlos oder Wailord in der Hand hatte.

    Das Display des kleinen Lesegerätes zeige an, dass die eingesammelten Pokémon allesamt kaum bei Kräften waren, offenbar war es bei dem Einsatz also zu Kämpfen gekommen. Nichtsdestotrotz ergaben die Daten, dass einige der Pokémon extrem gut trainiert waren – besser als die mancher hochrangiger Mitglieder bei Team Galaktik. Die Trainer dieser Pokémon waren ganz offenbar keine dahergelaufenen Amateure wie die meisten Widerständler, die den Galaktikern in die Hände fielen. Was würde Team Galaktik mit so starken Pokémon wohl alles anrichten können?

    Kathryns Neugier war jetzt definitiv geweckt. Sie trat noch einmal an die Metallkiste heran und nahm die Ausweise zur Hand. Sie ähnelten in ihrem Aufbau den Dienstausweisen der Galaktiker, waren jedoch statt silbrig-weiß in einem dunklen Blau gehalten und wiesen anstelle des Team-Galaktik-Wappens eines auf, das Kathryn zwar entfernt bekannt vorkam, aber erst durch den darunter aufgedruckten Schriftzug seine Zuordnung verriet. Offenbar gehörten die Ausweise zur Internationalen Polizei, einer Organisation, die seit Jahren schon nicht mehr existierte. Warum sollte jemand so etwas noch mit sich herumtragen?

    Die anderen Gegenstände in der Kiste erinnerten stark an die Ausrüstung der Wachleute des Teams. Von Taschenlampen über Notizzettel und Handschellen bis hin zu Mobiltelefonen war alles dabei, was Kathryn dort erwartet hätte, doch die hier liegenden Exemplare waren völlig andere und zum Teil viel ältere Modelle. Spontan konnte sie sich keinen Reim auf all das machen, also legte sie die Ausrüstungsgegenstände zurück in die Kiste und wandte sich wieder den Pokébällen zu. Zum einen hatte sie schließlich noch etwas Arbeit vor sich, bis sie alles erfasst hatte, zum anderen mussten die Pokémon dringend wieder zu Kräften kommen.


    Als sie etwas später in ihr Büro zurückkehrte, fand sie in ihrem E-Mail-Postfach eine Nachricht aus der Sicherheitszentrale mit dem vorläufigen Einsatzbericht und der Bitte, die erfassten Pokémon dort einzutragen. Kathryn war etwas überrascht, dass er so schnell bei ihr eingetroffen war, normalerweise dauerte es mehrere Stunden, bis der erste Bericht an sie herausgegeben wurde. Das Gefühl in ihr, dass dieser Fall alles Andere als normal war, wurde immer weiter bestätigt, auch dann, als sie das Dokument öffnete und ihr erster Blick auf das groß und unterstrichen gedruckte Wort „DRINGEND“ fiel.

    Eilig überflog Kathryn die Zusammenfassung am Anfang des Berichtes. Von heftigem Widerstand war dort die Rede, drei Personen waren festgenommen worden, einige mehr auf der Flucht. Ein Absatz war jedoch fett gedruckt worden: „Einer der Festgenommenen hat ein Legendäres Pokémon im Kampf eingesetzt. Die Sicherstellung des Legendären Pokémon wurde noch nicht bestätigt. Die Suche läuft noch.“

    In einem Punkt war sich Kathryn absolut sicher – die Pokémon, die sie vorhin katalogisiert hatte, waren stark gewesen, aber legendär ganz bestimmt nicht. Wenn sich der Autor des Berichts nicht massiv geirrt hatte, dann musste das Legendäre Pokémon irgendwie entkommen sein. Viel bedeutsamer war jedoch, dass offenbar ein Trainer jahrelang mit einen solchen Pokémon unter dem Radar des Team Galaktik geflogen sein musste, wenn er erst jetzt gefunden worden war. Und wenn es wirklich so war, dann steckte die betreffende Person jetzt in noch größeren Schwierigkeiten als schon die normalen Trainer, die sich dem Team widersetzten.

    Hochkonzentriert las sie den Bericht weiter, bis sie den Abschnitt mit den festgenommenen Personen erreichte. Wie eingangs erwähnt handelte es sich um drei Personen – eine Frau und zwei Männer. Erstere wirkte in der Beschreibung relativ normal – eine Trainerin namens Lucia, nach der wegen illegalen Besitzes von Pokémon und Widerstands gegen das Team gefahndet wurde, so wie viele andere Festgenommene auch. Über die beiden Männer standen hingegen einige interessante Details im Bericht, so etwa, dass ihre Ausweispapiere sie als ehemalige Mitglieder der Internationalen Polizei identifiziert hatten, die allerdings schon seit rund zehn Jahren für tot erklärt waren.

    Die Geschichte wurde für Kathryn immer verwirrender, gleichzeitig aber auch immer spannender. Was es auch immer mit diesen Leuten und ihren Pokémon auf sich hatte, sie musste dem auf den Grund gehen. Hastig pflegte sie ihre Aufzeichnungen in den Bericht ein und schickte ihn zurück an den Absender, nicht ohne sich allerdings vorher ein Exemplar auszudrucken, das sie mit nach Hause nehmen konnte. Um die erbeuteten Pokémon wollte sie sich auch noch in Ruhe kümmern, schließlich gehörte es zur Standardprozedur, dass sie diese auch einmal aus den Bällen holte, bevor sie im Lager verschwanden. Solange sie die Bälle aber nicht ins Lager brachte, hatte sie im Prinzip alle Zeit der Welt, sich darum zu kümmern – und um die hundert Fragen, die der Bericht aufwarf. Das hieß, sofern ihr Lieblingsbesucher, der natürlich just in dem Moment ihr Büro betreten musste, sie überhaupt arbeiten ließ. Sie musste nicht einmal in Richtung der Tür blicken, um sicherzugehen, dass er es tatsächlich war.

    „Hey, du hast ja schon den Bericht vom Einsatz heute! Lass mal sehen!“

    Kevins Hand griff schwungvoll nach den Papieren, die auf Kathryns Schreibtisch lagen, erreichte diese aber nicht mehr, bevor Kathryn sie selbst zur Seite genommen hatte.

    „Erstens: Anklopfen!“, blaffte sie ihre ungebetenen Gast genervt an. „Zweitens ist der Bericht noch nicht freigegeben, also Finger weg. Und drittens hab' ich zu tun, also raus hier.“

    Lässig ließ Kevin sich in den Stuhl gegenüber von Kathryns Platz fallen. „Ach komm schon, Katie, was bist du denn heute so schnippisch? Lass deinen lieben Kollegen doch-“

    „Welchen Teil von 'raus hier' hast du nicht verstanden?“, unterbrach Kathryn ihn barsch, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Hast du nix zu tun?“

    „Danke, dass du fragst“, antwortete Kevin in völliger Ignoranz ihres Tonfalls. „Ich bin für heute so gut wie fertig, da wollte ich dir gerne Gesellschaft leisten. Ich weiß doch, wie ungern du alleine bist.“

    Er stand von seinem Stuhl auf und ging auf Kathryn zu. Seine rechte Hand griff nach den langen dunkelblonden Haaren seiner Kollegin, wurde jedoch von einer schlagenden Bewegung ihres Armes gestoppt. Am liebsten hätte Kathryn ihre Hand gleich weiter quer durch sein Gesicht befördert, aber so viel Selbstbeherrschung hatte sie gerade noch übrig, um nicht völlig auszurasten. Einen einzigen unmissverständlichen Blick schenkte sie ihrem Kollegen und zeigte nur wortlos zur Tür, während sie mit der anderen Hand nach dem Telefon griff.

    Kevin hatte jetzt offenbar eingesehen, dass er hier nichts für ihn Positives mehr erreichen würde, und schlurfte langsam zur Tür. „Meine Güte, ich wollte halt nur nett sein“, murmelte er, bevor er den Raum verließ.

    Fast eine ganze Minute brauchte Kathryn, um ihre Konzentration wiederzufinden. Sie fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis er „zufällig“ bei einem tragischen Unfall die Treppe herunterstürzen würde, während sie genauso zufällig in der Nähe war. Ob sie dann wohl auf Notwehr würde plädieren können?

    Egal. Eins nach dem anderen.

    Viel Zeit lag nicht mehr zwischen ihr und dem wohlverdienten Feierabend. Ein paar Kleinigkeiten hatte sie noch zu erledigen, aber dann würde sie einmal kurz zurück ins Lager gehen und sich die erbeuteten Sachen noch einmal genauer ansehen.


    Kurz nach 16 Uhr verließ Kathryn das Team-Galaktik-Gebäude mit ihrer Handtasche über der Schulter. Neben dem ausgedruckten Bericht hatte sie sich auch die beiden Polizeiausweise aus dem Lager mitgenommen, um zu Hause noch ein paar Nachforschungen anzustellen. Ihre Wohnung lag am Stadtrand in Richtung des Ewigwaldes, etwas mehr als einen Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Sie genoss es sehr, dass sie nach der Arbeit im Büro auf dem Heimweg immer etwas frische Luft schnappen konnte.

    Die Straßen und Wege im Zentrum Ewigenaus wurden durch den einsetzenden Feierabendverkehr langsam voller, doch nachdem sie die Innenstadt hinter sich gelassen hatte, setzte eine gewisse Einsamkeit ein, die ihr aber alles Andere als unrecht war. Nicht zuletzt musste sie dadurch weniger auf Passanten achten, wenn sie ihre Gedanken schweifen ließ.

    Neben der Straße, die zum Ewigwald führte, lag eine kleine Parkanlage mit einem Teich, der wohl früher einmal bei Anglern sehr beliebt gewesen war. Diese Zeiten waren freilich vorbei, seit man als Normalsterblicher keine Pokémon mehr fangen durfte. Heute war der See zugewachsen und der Holzsteg, der sich über die Wasseroberfläche spannte, war so marode, dass jedes Betreten zur Gefahr werden konnte. Für Kathryn bedeutete der Weg durch den Park in erster Linie eine praktische Abkürzung auf dem Heimweg, denn in seinem jetzigen Zustand taugte der Park nicht mehr recht zur Entspannung. Zwischen den wuchernden Büschen lag allerhand Unrat, von weggeworfenen Plastikbechern über Glasflaschen bis hin zu alten Elektrogeräten, ohne dass sich irgendjemand darum kümmern wollte.

    Kathryn wurde durch ein plötzliches lautes Rascheln im Gebüsch hinter sich aus ihren Gedanken gerissen und fuhr unwillkürlich zusammen. Als sie sich umdrehte, sah sie jedoch nichts, was auf eine Bedrohung hingedeutet hätte. Vielleicht hatte sich nur ein Pokémon im Busch versteckt und dabei Lärm gemacht.

    Wobei... Der alte Ventilator hatte vorhin noch nicht dort gelegen.

    Vorsichtig schlich sie auf das alte Elektrogerät zu. Im Gebüsch neben sich hörte sie immer wieder Äste knacken. Ihre Hand ruhte zur Sicherheit auf einem ihrer Pokébälle in der Handtasche. Jeden Moment rechnete sie damit, von einem Pokémon im Gebüsch angesprungen zu werden.

    Dass es allerdings der Ventilator sein würde, der plötzlich zum Leben erwachte, wäre ihr nicht in den Sinn gekommen. Erschrocken stolperte sie drei Schritte rückwärts, bis sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Völlig perplex beobachtete sie, wie sich der Ventilator leise surrend in die Luft erhob. Sie dachte nicht einmal daran, ein Pokémon kampfbereit zu machen, nicht zuletzt, weil das spukende Elektrogerät in eine ganz andere Richtung als ihre flog – ganz abgesehen davon, dass sie keinerlei Erfahrung in Kämpfen gegen Haushaltshelfer hatte. Erst als sie ein Gesicht an der Unterseite des Gerätes erkennen konnte, wurde ihr klar, dass in dem Ventilator ein Rotom steckte – ein seltenes Geistpokémon, das mit Vorliebe in solche Geräte schlüpfte. In der Alten Villa im Ewigwald sollte angeblich eines leben, doch was machte ein Exemplar hier draußen im Park?

    Von Kathryn unbemerkt hatte sich ein weiteres Pokémon aus dem Gebüsch geschlichen. Sie bemerkte es erst, als sie ihren Blick von Rotom abwendete und wieder auf den Weg richte. Das zweite Pokémon kroch auf seinen vier kurzen Beinen in Rotoms Richtung und hob sich mit seinem hellgrünen Hautton kaum von dem moosigen Kiesweg ab. Um seinen Körper gebunden trug es eine Art Tasche sowie ein schmales Halsband, somit konnte es eigentlich kein wildes Pokémon sein.

    Kathryns Neugier war geweckt. Sie ging in die Hocke und versuchte, die Aufmerksamkeit des kleinen Pokémon zu erlangen.

    „Hey du! Komm mal her! Ich tu' dir nix!“

    Das Pokémon sah sie aus ein paar Metern Entfernung mit seinen großen gelben Augen an. Sein Blick wirkte nicht direkt ängstlich oder scheu, sondern eher... vorsichtig? Misstrauisch? Falls es das war, hatte Kathryn definitiv die passende Antwort zur Hand. Aus ihrer Tasche kramte sie eine kleine Metalldose mit aufgeschraubtem Deckel, in der sie selbstgemachte Knurspe aufbewahrte, eine Art Süßigkeit für Pokémon, die früher in der Sinnoh-Region Kultstatus genossen hatten. Vorsichtig fischte sie ein Exemplar aus der Dose und hielt es dem kleinen Pokémon mit ausgestrecktem Arm hin. Einen Moment lang beobachtete es die Leckerei und überlegte wohl, ob es dem Angebot trauen sollte, doch noch bevor es die Gelegenheit hatte, sich zu entscheiden, schoss wie aus dem Nichts der fliegende Ventilator an Kathryns Hand vorbei und schnappte sich den Knursp selbst. Diese Lösung sagte dem Geckopokémon offenbar gar nicht zu, denn es beschwerte sich lautstark zischend und wild zappelnd bei Rotom, das wiederum mit einem geradezu kichernd klingenden Britzeln antwortete.

    Kathryn konnte sich ob der Situation ein kurzes Lachen nicht verkneifen. „Hey, keine Sorge, ich hab' genug!“ Sogleich landete ein weiterer Knursp in ihrer Hand, während sie mit einem Auge Rotom beobachtete, um zu verhindern, dass es den gleichen Trick noch einmal versuchte. Auch das kleine grüne Pokémon wollte offenbar diesmal kein Risiko eingehen und schnappte sich eilig die Süßigkeit. Im Vorübergehen fiel Kathryn jedoch ein kleiner metallischer Anhänger an seinem Halsband auf. Die Pokémon beim Team Galaktik trugen keine solchen, und auch für die sonstigen Pokémon der Mitarbeiter, darunter auch ihre eigenen, war es nicht üblich. Während das Geckopokémon an seinem Knursp knabberte, konnte sie einen genaueren Blick erhaschen.

    Sie erkannte das Symbol sofort. Es war das gleiche, das auch auf den Ausweisen der Gefangenen prangte.

    Heute war vielleicht wirklich ihr Glückstag.

    „Hör mal...“, begann sie zu dem Pokémon zu sprechen. „Ich glaube, ich weiß, wo du hingehörst.“ Sie zog einen der Ausweise aus ihrer Tasche und hielt ihn dem Pokémon hin. Vorsichtig, geradezu ehrfürchtig, nahm es den Ausweis entgegen und klappte die Innenseite auf. Dort befand sich das Foto des Inhabers, den Kathryn auf etwa Anfang dreißig schätzte. Ihre Vermutung, dass zwischen den Gefangenen und dem Pokémon eine Verbindung stand, bestätigte sich sogleich, als das Geckopokémon hastig quietschend auf das Foto tippte und Kathryn dabei in die Augen sah, als spräche es mit ihr.

    „Tut mir leid, ich kann dich leider nicht verstehen“, sagte sie leise, „aber ich weiß, wo der Mann auf dem Foto ist. Ich helfe dir, ihn wiederzusehen, das verspreche ich!“

    Sie hatte keine Ahnung, ob das Pokémon sie wohl besser verstehen konnte als umgekehrt, aber aus dem auf sie fixierten Blick schloss sie, dass zumindest der Kern ihrer Botschaft durchgedrungen war.

    „Kommt erst einmal mit, ihr beiden“, fuhr sie fort und klopfte einladend auf ihre Schulter. Das kleine Pokémon verstand die Geste sofort und klammerte sich dort fest. Rotom wiederum schwebte etwa auf Kopfhöhe neben ihr. „Ich wohne gleich da drüben, da könnt ihr euch erst einmal stärken.“

  • Hallo,


    ich hab mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass du mehrere neue Charaktere vorstellst. Kathryn wirkt mit ihrer Art sympathisch und ihre Situation ist nicht gerade einfach, um weiterhin mit Pokémon arbeiten zu können. Dass sie sogar einen Job bei Team Galaktik angenommen hat, zeigt aber, wie viel Herz sie in ihre Arbeit mit den Pokémon stecken möchte. Ihre Beziehung zu Kevin könnte sich tatsächlich noch als besonders herausstellen, wenn er versucht sich zu bessern. Zuletzt war die Szene mit Rotom und Geckarbor niedlich aufgezogen und zumindest eine kleine Gewissheit, seinen Trainer wiederzufinden, ist nun da.


    Wir lesen uns!


  • KAPITEL 6

    Viel zu riskant


    Kathryn spürte vom Kopf bis zu den Zehenspitzen die Nervosität, die sie am nächsten Morgen zu ihrem Arbeitsplatz begleitete. Sie hoffte inständig, dass sie in der Lage sein würde, nach außen hin möglichst normal zu wirken und ihren Mitarbeitern nicht gleich einen Hinweis zu geben, dass mit ihr heute etwas nicht stimmte. Sie bereute es fast ein wenig, dem kleinen Pokémon – ein Geckarbor, wie sie später herausgefunden hatte – ein derart gewichtiges Versprechen gegeben zu haben, dessen Umsetzung auf so vielen Faktoren beruhte, die schon bei der kleinsten Abweichung alles Weitere zum Scheitern verurteilen konnten. Den ganzen Abend hatte sie sich den Kopf zerbrochen, wie sie den beiden Pokémon helfen konnte, und hatte mit ihnen diesen Plan erarbeitet, der alles Andere als sicher war und auf hunderte Arten und Weisen schiefgehen konnte. Dass dieser Plan überhaupt hatte zustande kommen können, war in erster Linie der Tatsache zu verdanken, dass Geckarbor offenbar genau verstehen konnte, was sie ihm erklärt hatte, möglicherweise dank seines Trainings bei der Polizei.

    Als sie durch die Eingangspforte des Team-Galaktik-Gebäudes trat, hielt sie ihre Handtasche enger am Körper als sonst. Der Inhalt war faktisch der selbe, mit dem sie am Vorabend nach Hause gegangen war, doch die Erkenntnisse und Entscheidungen jenen Abends hatten all dem ein ganz anderes Gewicht gegeben. Dieser Mittwoch würde definitiv nicht so werden wie jeder andere auch, das war sicher.

    Unbehelligt erreichte sie ihr kleines Büro und ließ sich in ihren Drehstuhl fallen. Der Computer auf ihrem Schreibtisch schien an diesem Morgen besonders lange zum Hochfahren zu benötigen, was nicht gerade förderlich für ihren Gemütszustand war. Sie musste dringend noch einige Sachen abklären, bevor sie zur Tat schreiten konnte. Nach einigen quälend langen Sekunden erschien auf ihrem Bildschirm nun auch endlich das Dokument, das sie benötigte – Kevins Einsatzplan, den er ihr wie jede Woche unaufgefordert zugeschickt hatte, meist verbunden mit einer Einladung zum gemeinsamen Essen nach der Arbeit. Die letzten zwei Dutzend Male hatte sie die Mails einfach ungelesen in den Papierkorb verfrachtet, der nicht automatisch geleert wurde – genau das erwies sich heute als wahrer Glücksfall, denn der Plan bestätigte, was sie die ganze Zeit vermutet hatte: Kevin hatte heute Fahrdienst bei den Gefangenentransporten.

    Ihr Blick schweifte zur Uhr. Normalerweise kam Kevin etwa um diese Zeit-

    „Guten Morgen, Katie!“

    Wie befürchtet betrat ihr Kollege just in diesem Moment das Büro, natürlich ohne anzuklopfen. Jeden Tag aufs Neue ging er ihr damit tierisch auf die Nerven, aber heute war sie ausnahmsweise einmal dankbar, dass sie sich zumindest darauf verlassen konnte.

    „Ach, gut dass ich dich sehe!“, antwortete sie äußerlich fast enthusiastisch, jedoch gleichzeitig mit einem leichten Würgereiz im Hals. So hohl, wie sie ihren Gegenüber einschätzte, würde er ihr die gespielte Freude aber ohne Zweifel abkaufen. „Sag mal, du hast doch Fahrdienst heute, wenn ich mich nicht irre. Wann fährst du denn die drei Gefangenen von gestern nach Schleiede rüber?“

    Wie immer, wenn es den Anschein hatte, dass sie sich mit ihm unterhalten wollte, setzte sich Kevin auf die Tischkante und grinste sie an. „Heute Mittag um halb eins geht es los. Ich bin leider erst spät am Abend wieder da, also können wir erst morgen was zusammen machen.“

    „Sag mal“, antwortete Kathryn mit der besten Imitation einer verführerischen Stimme, die sie trotz ihrer tiefen Abneigung gegen ihn hinbekam, „könntest du mich auf dem Weg vielleicht in Elyses absetzen?“

    Die Bitte verfehlte ihre Wirkung nicht, denn auf Kevins Gesicht war eindeutig abzulesen, wie sehr er sich solch eine Anfrage erhofft hatte. „Das ist zwar eigentlich gegen die Vorschriften“, entgegnete er, „aber für dich mache ich da doch gerne eine Ausnahme! Dann sehen wir uns um viertel nach zwölf auf dem Parkplatz?“

    „Alles klar!“, gab Kathryn halb freudig, halb erleichtert zurück. Mit seiner Aussage hatte Kevin gleich zwei ihrer größten Hürden genommen. Zum einen konnte sie sich sicher sein, dass auch die richtigen Gefangenen im Transporter saßen, zum anderen war sie nun auch mit an Bord desselben. Fehlten nur noch die Pokémon und die Ausrüstung. „Wir sehen uns dann nachher, ich hab jetzt erstmal noch zu tun.“

    Kevin nickte nur kurz und erhob sich von seinem Platz. Geradezu tänzerisch stolzierte er durch den Raum zur Tür und ließ Kathryn wieder alleine.

    Bis zur Abfahrt blieb ihr noch genug Zeit, alles vorzubereiten, doch insgeheim wünschte sie sich, die Zeit würde schneller vorübergehen als normalerweise. Jeden Moment fürchtete sie, dass ihre Fassade bröckeln und sie sich verraten würde, auch wenn vielleicht objektiv kein Grund zu dieser Annahme bestand. In einem Punkt war sie sich jedoch absolut sicher – zum Hobby würde sie die Befreiung von Gefangenen auf keinen Fall machen.


    Pünktlich wie vereinbart erschien Kevin auf dem Parkplatz im Innenhof hinter dem Team-Galaktik-Gebäude, als Kathryn ihn dort bereits erwartete. All ihre Vorbereitungen waren abgeschlossen, und in ihrer Handtasche hatte sie alles untergebracht, was wichtig war und irgendwie hineingepasst hatte. Alles Weitere lag nun an ihren beiden „Komplizen“ Rotom und Geckarbor, die jeweils ihre eigenen Rollen in ihrem Vorhaben hatten. Nach ihrem Gespräch mit Kevin hatte sie den beiden Pokémon, die außerhalb des Gebäudes gewartet hatten, noch ein paar kurze Hinweise gegeben und konnte nur darauf hoffen, dass keine Missverständnisse entstanden waren.

    Und natürlich, dass ihr waghalsiger Plan nicht an irgendwelchen Details scheiterte.

    Was genau Kevin ihr gerade in der Zwischenzeit erzählte, bekam sie gar nicht mit. Ihre unregelmäßigen zustimmenden Laute reichten offenbar aus, ihn am Reden zu halten. Verdacht schöpfen würde er wahrscheinlich sowieso nicht, so wie sie ihn kannte. Nichtsdestotrotz versuchte sie mehr oder minder erfolgreich, ihre Nervosität auch vor ihm zu verbergen, als sie zu ihm ins Cockpit des Transporters stieg. Hoffentlich würde er wenigstens die Finger bei sich behalten.

    „Also dann, auf nach Elyses!“, sprach Kevin fröhlich, als er den Motor des Wagens startete. „Hatte ich dir eigentlich schon erzählt, wie...“

    Kathryn war sich nicht sicher, was sie im Moment schwerer ertragen konnte – die Nervosität oder Kevins Anwesenheit? In jedem Fall sprach es nicht gerade für ihn, wenn ihr diese Entscheidung so schwer fiel und sie für beides ein baldiges Ende herbeisehnte.


    Nach einer knappen Viertelstunde Fahrt erreichte der Transporter den Stadtrand von Ewigenau. Vor ihnen ragte nun der Gipfel des Kraterbergs mit seinen schier unüberwindbar scheinenden Felsen in die Höhe. Viele Jahrhunderte lang war er nur über unbefestigte Pässe sowie die endlosen Höhlen im Inneren zu überwinden gewesen, doch nach seiner Machtübernahme hatte Team Galaktik einen Tunnel quer durch den Berg graben lassen, um seine beiden Hauptgebäude in Ewigenau und Schleiede miteinander zu verbinden. Dass die Unberührtheit des Kraterbergs neben einer religiös anmutenden Bedeutung für die Bevölkerung Sinnohs auch für eine einzigartige Pokémon-Fauna in den Höhlen verantwortlich war, hatte für Team Galaktik keinerlei Rolle mehr gespielt.

    Rechts und links der Straße, die zum Tunnelportal führte, waren die Felsen von Dutzenden Löchern, Höhlen und Rissen gesäumt, die einen Vorgeschmack auf das Innere des Kraterbergs gaben. Viele waren durch Erosion entstanden, andere wiederum waren von wilden Pokémon oder vereinzelt von Menschen gegraben worden. Viele Trainer hatten früher mit wechselndem Erfolg versucht, sie zu erkunden, oft in der Hoffnung, dort seltene Pokémon zu finden.

    Früher zumindest.

    Kathryns Augen schweiften hektisch über die vorbeihuschende Landschaft. Das Tunnelportal war nicht mehr weit, viel Zeit hatte sie nicht mehr für ihr Vorhaben. Sie spürte ihren Herzschlag bis in ihre schweißbenetzte Stirn und musste sich geradezu zwingen, ruhig zu atmen. Wie in Zeitlupe schien sich der Wagen auf das Gebirgsmassiv zuzubewegen, langsam, doch unaufthaltsam flossen die Sekunden dahin, die sie noch von ihrer letzten Chance trennten. Einen Moment lang schloss sie die Augen, um sich vielleicht ein wenig wieder zu beruhigen, doch es half nicht. Im Gegenteil ließ ihre Anspannung wieder nach, als sie die Augen wieder aufschlug, denn am Straßenrand erblickte sie einen kleinen silbernen Ventilator.

    Rotom und Geckarbor waren also in Position.

    Als der Transporter die Stelle passierte, konnte Kathryn eine winzige, blau leuchtende Wolke erkennen, die dem Ventilator entwich und unter dem fahrenden Wagen verschwand. Kaum zwei Sekunden später fiel völlig unvermittelt der Motor aus und brachte das Gefährt etwas unsanft zum Stehen.

    „Was ist denn jetzt los?“, fragte Kevin genervt. „Auf einen Motorschaden hab ich jetzt ja gar keine Lust.“ Vergeblich versuchte er einige Male, den Motor über die Zündung wieder zu starten, doch der Anlasser gab nur ein müdes Knattern von sich. „Ich seh' mir das mal an, vielleicht ist es ja nur eine Kleinigkeit“, murmelte er noch, bevor er seinen Gurt löste und aus dem Wagen stieg. Kathryn folgte ihm einige Sekunden später, jedoch nicht bevor sie sich an seinem Schlüsselbund zu schaffen gemacht und mehrere seiner Schlüssel abgelöst hatte. Beim Aussteigen ließ sie diese unauffällig am Straßenrand fallen, wo sie sofort von einer kleinen grünen Hand in die Büsche gezogen wurden. Kevin wiederum hatte mittlerweile die Motorhaube angehoben und blickte ratlos den Motorblock an, der immer wieder komische pochende und kratzende Geräusche von sich gab, als hätte er ein Eigenleben entwickelt. Mit der Taschenlampe in der Hand schob Kathryns Kollege einige Kabel zur Seite und versuchte, irgendwie kompetent zu wirken.

    Natürlich waren all seine Versuche, die Ursache für das merkwürdige Verhalten zu finden, zum Scheitern verurteilt, das wusste Kathryn genau. Bald würde der Motor wieder laufen, als wäre nichts gewesen, aber für den Moment würden sie nirgendwo hinfahren.


    Im pechschwarzen Inneren des fensterlosen Gefährts hatte sich die gesamte Fahrt über kaum ein Laut geregt. Lucia, Moe und Matthew saßen am Boden der Ladefläche des Transporters und hatten sich mit dem Rücken an die Außenwände gelehnt. Verglichen mit den Standards bei der Internationalen Polizei war dieser Gefangenentransport alles Andere als sicher. Nicht einmal Sitze, geschweige denn Sicherheitsgurte, gab es für die Insassen. Stattdessen waren sie wie Entführungsopfer einfach auf die Ladefläche geworfen worden.

    Als Einzige der drei Insassen hatte Lucia beim Verladen noch protestiert, während Moe den Anweisungen der Wachmänner am Gefängnis mit stoischer Ruhe gefolgt war und Matthew die Behandlung resigniert über sich hatte ergehen lassen. Im Laufe der Fahrt hatten die drei sich nichts mehr zu erzählen, was nicht schon am Vorabend gesagt worden war, und so hatten sie sich stumm ihrem Schicksal ergeben.

    Zyrus hatte sie nach ihrer Gefangennahme noch persönlich in ihrer Zelle besucht, in erster Linie, um Matthew über Lugia auszufragen – offenbar hatten die Galaktiker es an der Alten Villa nicht finden können, was in der Flut niederschmetternder Wendungen an diesem Tag zumindest den Ansatz einer guten Nachricht darstellte. Was nun aber vor ihnen lag, wusste keiner von ihnen. Zyrus hatte nur erwähnt, dass sie wohl im Hauptgefängnis andere Befragungsmethoden zur Verfügung hätten – nicht gerade eine angenehme Vorstellung.

    Der Ruck einer plötzlichen Bremsung brachte die drei Trainer schlagartig aus dem Gleichgewicht und ließ sie aus ihren sitzenden Positionen an den Wänden der Kabine zu Boden taumeln. Langsam schob Matthew sich an der Wand hinauf in eine aufrechte Position, was mit hinter dem Rücken gefesselten Händen alles Andere als einfach war. Jeden Moment rechnete er damit, dass sich der Wagen wieder in Bewegung setzen würde, und lehnte sich vorsichtshalber in der Ecke der Kabine, in der er die Fahrt über auch schon gesessen hatte. Von draußen konnte er dumpfe Stimmen hören, konnte aber nichts von dem verstehen, was dort gesagt wurde. Angekommen sein konnten sie auf keinen Fall schon, denn die Strecke nach Schleiede war definitiv um einiges länger, als es die gefahrene Zeit hergab.

    Das Klacken eines Verriegelungsmechanismus hallte von den blanken Metallwänden durch die Leere des Laderaums. Hatten sie vielleicht eine Art Knotenpunkt erreicht, an dem sie jetzt umgeladen werden sollten? Matthew trat einen Schritt von der Wand weg und nahm eine aufrechte Haltung ein. Den Wachen, die er draußen erwartete, wollte er trotz aller Widrigkeiten mit dem letzten Bisschen Würde gegenübertreten, das er noch hatte. Langsam öffneten sich ein Flügel der Heckklappe und ließ Sonnenlicht durch einen Spalt in die finstere Kabine strömen. Nach der langen Zeit der Dunkelheit brauchten die drei Insassen mehr als nur einen Moment, um sich wieder an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen.

    Das Erste, was Matthew sah, war kein Wachmann vom Team Galaktik, auch keine hohe Mauer oder gar Zyrus höchstpersönlich. Stattdessen war es eine auslaufende Berglandschaft, durch die sich eine breite, menschenleere Straße zog.

    Das Zweite war ein wohlbekanntes Geckarbor.

    Unbändige Freude, Erleichterung und Hoffnung überkam den jungen Trainer, und hätte er sich nicht in letzter Sekunde zusammengerissen, wäre ihm wohl ein Freudenschrei entglitten. Was das genau zu bedeuten hatte, dass Geckarbor hier war, darüber konnte er nur spekulieren, doch er glaubte nicht daran, dass es etwas Schlechtes war.

    Das kleine grüne Pflanzenpokémon gestikulierte stumm, um die drei Trainer zum Aussteigen zu bewegen. Moe ergriff als Erster die Initiative und sprang vorsichtig von der Ladekante herunter, hinter ihm Lucia und zu guter Letzt weit weniger elegant Matthew. Nahezu unhörbar schloss Geckarbor die Tür wieder und drehte den Schlüssel herum.

    Der Wagen stand halb im Portal eines Tunnels, der durch den Felsen vor ihnen führte. Von der anderen Seite des Wagens hörte Matthew zwei Stimmen miteinander diskutieren, ein Mann und eine Frau, wie es schien. Er konnte sie nicht sehen, und die einsetzende Felswand gab ihnen einen optimalen Sichtschutz gegenüber dem Fahrerhaus. Geckarbor hatte mittlerweile die Führung ergriffen und die Gruppe auf eine Höhle unweit des Tunnelportals aufmerksam gemacht. Mit eiligen, aber vorsichtigen Schritten tasteten sich die drei Trainer über die unebenen Felsen, immer darauf bedacht, trotz ihrer gefesselten Hände nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Matthew wagte es kaum, zu atmen, bis sie den Höhleneingang erreicht und sich sicher außer Sicht begeben hatten. Sogleich machte Geckarbor sich an den Handschellen seines Trainers zu schaffen, bis sich diese mit einem leisen Klicken öffneten. Matthews und Lucias folgen kurz darauf, bevor das Pflanzenpokémon die Höhle noch einmal kurz verließ, um die Schlüssel wieder dort abzulegen, wo es sie erhalten hatte.


    Verzweifelt schob Kevin Kabel zur Seite, drehte an irgendwelchen Schrauben und rüttelte an jedem Rohr, das er irgendwie finden konnte. Es war wie verhext – alles schien an seinem Platz zu sein, doch der Motor tat trotzdem nicht seinen Dienst. Auch Kathryns Vorschläge, woran es denn noch liegen könnte, halfen alle nicht. Minute um Minute verstrich, ohne dass irgendein Fortschritt zu erkennen war.

    „Verdammt nochmal, das kann doch nicht sein! Wenn das so weitergeht, muss ich gleich die Kollegen anrufen“, fluchte er vor sich hin, als mit einem Mal der Motor wieder zu laufen begann, als sei nie etwas gewesen. Kevin schüttelte nur ungläubig den Kopf und schlug die Motorhaube wieder zu. „Mann, die alten Kisten kann man echt vergessen. Hoffen wir, dass er jetzt bis Schleiede fährt, ohne einen Mucks zu machen.“

    Kathryn nickte nur zustimmend und lief zur Beifahrerseite des Transporters. Auf dem Boden fand sie die Schlüssel, die sie vorhin dort „verloren“ hatte – anscheinend war die Aktion wieder Erwarten erfolgreich über die Bühne gegangen. Als letzte Amtshandlung musste sie die Schlüssel wieder am Bund befestigen, bevor Kevin irgendetwas merkte.

    „Oh, ich hab' meine Taschenlampe vorne vergessen!“, log sie ihren Kollegen an, während sie ins Cockpit kletterte. „Kannst du die eben noch mitbringen?“

    Kevin machte auf der Stelle kehrt und lief wieder nach vorne. Mehr Zeit brauchte Kathryn nicht, denn mit zwei Handgriffen hingen alle Schlüssel wieder an ihrem Platz.

    „Ach sorry, hab sie doch hier, brauchst nicht weitersuchen!“, rief sie nach vorne. Kevin rollte nur mit den Augen und stieg auch wieder in den Wagen.

    „Na, das war ja mal was“, begann er seine nächste Tirade, die er nach Kathryns Erfahrung wohl den Rest der Fahrt nach Elyses durchhalten würde. Doch ausnahmsweise würde er damit diesmal nicht in der Lage sein, ihre Laune zu vermiesen. Zu groß war die Erleichterung, dass sie das Gröbste überstanden hatte. Die paar Minuten mit ihm würde sie bestimmt auch noch durchhalten.


    Regungslos verharrten die drei Pokémon-Trainer mit Geckarbor im Schutz der Höhle, bis die Geräusche des abfahrenden Transporters in der Ferne verklungen waren. Als die unerträgliche Spannung endlich vorbei war, musste sich Matthew erst einmal setzen. Geckarbor war mit einem fröhlichen Quietschen in Moes Arme gesprungen und hatte sich eng an seinen Trainer geklammert. Auch in Moes Gesicht und Stimme war die Freude über das unverhoffte Wiedersehen nicht zu übersehen. „Mensch, Kumpel, ich bin so froh, dich wiederzusehen!“, murmelte er mit wackliger Stimme zu dem Pokémon in seinen Armen. „Großartige Arbeit, Partner.“

    Einige Augenblicke lang verharrte Geckarbor bei seinem Trainer, bevor es auf den Boden sprang und einige Schritte in Richtung des Höhleneingangs lief. Dort war mittlerweile auch Rotom angekommen, welches Geckarbor ebenfalls in seine kurzen grünen Arme schließen wollte – dabei vergaß es jedoch, dass sein Freund ohne seinen Ventilator keine feste Form hatte, und so fiel es einfach hindurch zu Boden. Keiner der Anwesenden konnte sich in der gelösten Stimmung bei dem Anblick ein Lachen verkneifen, nicht einmal der sonst so ernste Moe.

    Das verdutzte Pflanzenpokémon rappelte sich langsam wieder auf und wandte sich dann Matthew zu. Es streifte seine improvisierte Umhängetasche ab und reichte sie seinem Gegenüber, der sie kurz von außen musterte.

    „Nicht schlecht, Kumpel“, bemerkte Moe lobend. „Hast du die ganz alleine gemacht?“

    Mit stolzgeschwellter Brust nickte Geckarbor seinem Trainer zu, der ihm anerkennend den kleinen Kopf tätschelte. Matthew hatte währenddessen das Zugband an der Oberseite des Beutels gelöst und den Inhalt in seiner Handfläche fallen lassen. Neben einem gefalteten Blatt Papier kam ein kleiner weiß-violetter Ball zum Vorschein. Eine ganze Sekunde dauerte es, bis er begriff, was er da gerade in der Hand hielt. Hätte er nicht schon auf dem Boden gesessen, wäre er wohl spätestens jetzt dorthin gesunken. Seine Finger schlossen sich fest um den Meisterball, während Tränen der Erleichterung in seinen Augen aufstiegen. Moe ging neben seinem Kollegen in die Hocke und legte seine Hand auf dessen Schulter.

    „Schau mal einer an“, sagte er leise. „Der bringt dir ja wirklich Glück.“

    Matthews leises Schluchzen mischte sich mit Gelächter, das ihn als Antwort auf Moes Spruch überkam. Normalerweise hätte er ihn gar nicht als so lustig empfunden, doch im Durcheinander seiner Emotionen konnte er das kaum kontrollieren.

    „Hier ist noch ein Brief“, flüsterte Matthew, als er sich wieder halbwegs gesammelt hatte. „Kannst du den mal vorlesen? Ich kann noch nicht viel erkennen.“

    Moe nickte und winkte Lucia heran, die etwas verloren ein paar Schritte abseits stand und die Szene beobachtete. „Ihr zwei seid mir ja einer“, murmelte sie, während sie ihr gewohntes Lächeln wiederfand. „Aber auf den Brief bin ich auch mal gespannt.

    Moe faltete das Papier auf und hielt es in die Sonnenstrahlen, die vom Höhleneingang bis zu ihm vordrangen.

    „Hallo Lucia, Matthew und Moe“, begann er vorzulesen. „Wenn ihr das hier lest, dann seid ihr wohl erfolgreich aus dem Transporter entkommen. Ich habe eure Pokémon, die Team Galaktik erbeutet hat. Folgt der Karte unten und wartet dort auf mich. Und grüßt Rotom und Geckarbor von mir!“

  • Hallo,


    ich mach mir gern Gedanken um Charaktere, also kein Problem, wenn meine Erwartungen nicht eintreffen. Zumindest hat Kathryn ja nun eine gute Gelegenheit gefunden, um Kevin etwas auszunutzen. Dass Geckarbor mitspielt, um seinen Trainer zu retten, ist zu erwarten gewesen, aber dass selbst Rotom ganz problemlos seinen Part spielen konnte, hat mich durchaus überrascht. Die Aktion ging gut über die Bühne, etwas zu problemlos vielleicht sogar, aber zumindest sind die drei Gefangenen nun wieder frei. Gefallen hat mir die kleine komödiantische Einlage seitens Geckarbor und Rotom. Ich glaube wirklich, dass da eine eigene Reihe witzig wäre.


    Wir lesen uns!

  • Hallo Naturematthe,


    jetzt habe ich alle bisherigen Kapitel von "Lass der Zeit ihren Lauf" gelesen. :smile:


    Die Handlung finde ich sehr originell und spannend erzählt. Die Idee, die Geschichte quasi "nach" dem Sieg des Schurken erst zu beginnen, ist definitiv ein Ansatz, den ich noch in keiner Pokémon-Geschichte gelesen habe. Auch die weitere Entwicklung der Geschichte hat mich immer wieder überrascht. Nachdem Moe und Matthew in der neuen Zeit gelandet waren, dachte ich, sie schließen sich jetzt in aller Ruhe dem Widerstand an - und zack waren sie gefangen genommen! Auch, dass Geckarbor so eine große Rolle spielen würde und die ganze Figur von Kathryn sind alles echt interessante Entwicklungen. Ich freue mich darauf zu lesen, wie es wohl weitergehen wird.


    Die Charaktere finde ich auch sehr interessant. Matthew und Moe sind cool, und gerade, dass Geckarbor nicht nur ein Pokémon, sondern ein eigenständiger Charakter ist, kam überraschend! Damit nutzt du die Tatsache, dass du eine Pokémon-Geschichte schreibst, echt aus, finde ich.

    Kathryn ist bisher meine Lieblingsfigur, weil sie moralisch im Zwiespalt steht. Einerseits arbeitet sie für die Antagonisten, aber will andererseits auch Pokémon helfen. Damit steht sie von allen bisherigen Figuren ziemlich genau in der Mitte, was ihre weiteren Entscheidungen sehr spannend für mich macht. :saint:


    Dein Schreibstil ist mir auch positiv aufgefallen. Bei Pokémon-Geschichten ist es für mich persönlich immer schwer zu entscheiden, wie genau und ausführlich die einzelnen Pokémon beschrieben werden sollen. Gerade, weil bei Pokémon-Kämpfen meist mehrere auf einmal rauskommen. Ich fand es sehr interessant zu sehen, wie prägnant du jedes Pokémon in ein bis zwei Sätzen beschreiben konntest. :thumbup:


    Das war mal alles, was mir zu den bisherigen Kapiteln aufgefallen ist.


    Man liest sich!


    Rainbow Piepi


  • KAPITEL 7

    Mitgefangen, mitgehangen


    Mittlerweile waren seit der überraschenden Flucht aus dem Gefangenentransport mehrere Stunden vergangen, in denen die drei Pokémon-Trainer in erster Linie durch die Höhlen und Tunnel des Kraterbergs geirrt waren. Der Weg zu dem unterirdischen See, der als Treffpunkt im Brief beschrieben wurde, war nicht schwer zu finden gewesen, doch in der Dunkelheit, die nur von einem schwachen Schein erhellt wurde, der von Rotoms Körper ausging, war die kleine Gruppe auf dem unebenen Felsengrund nur langsam voran gekommen, ganz zu schweigen von der Erschöpfung, die sie zusätzlich ausgebremst hatte.

    Die Entscheidung, den Anweisungen im Brief zu folgen, hatten Lucia, Matthew und Moe recht schnell gefällt. Einerseits hatte niemand von ihnen einen besseren Vorschlag vorgebracht, anderseits war die Aussicht, ihre Pokémon zurückzubekommen, das sowieso eher unwahrscheinliche Risiko wert, dass sie in eine Falle gelockt würden.

    Die Reste von Matthews überschwänglicher Erleichterung und Freude, die sich trotz aller Strapazen noch gehalten hatten, mischten sich nun, da sie erneut zum Nichtstun verdammt waren, mit der Ungewissheit und Anspannung zu einer tiefen Unruhe, die seinen ganzen Körper im Griff hielt und ihn trotz aller Erschöpfung und seiner schmerzenden Füße immerfort auf und ab gehen ließ, während er über den winzigen Ball in seiner rechten Faust streichelte. Lucia hingegen hatte es sich auf einem Felsen nahe des Wassers so bequem wie eben möglich gemacht und ihren erschöpften Gliedern eine wohlverdiente Ruhepause gegönnt, während Moe seine Position auf einem Plateau innerhalb der Höhle bezogen hatte, von dem aus er beide Tunnel, die zum See führten, im Blick behalten konnte. Wie lange sie dort verharren würden, darüber wussten die drei freilich genauso wenig wie über die Person, auf die sie hier warteten, oder über deren Motive, ihnen zu helfen.

    Nach einigen Minuten rastlosen Schlenderns nahm Matthews Erschöpfung überhand, und da neben Lucia noch genug Platz war, ließ er sich ebenfalls auf dem Felsen nieder.

    „Sag mal, Lucia, hast du eine Idee, wo die Anderen aus dem Widerstand sein könnten?“, fragte er sie mit verhaltener Stimme, die nur schwach von den blanken Felswänden widerhallte.

    Lucia nickte ihm beschwichtigend zu. „Sobald wir unsere Sachen wiederhaben, gehen wir ins neue Versteck.“ Das selbstsichere Lächeln in ihrem Gesicht war für Matthew ein willkommener Kontrast zu seiner eigenen Anspannung. „Maike hat die Widerstandsbewegung bald ein Jahrzehnt gegen die Galaktiker verteidigt, sie hat also mehr als ein paar Asse im Ärmel, wenn es drauf ankommt. Und als Pokémon-Trainerin kann ihr kaum einer das Wasser reichen, glaub' mir.“

    „Das klingt so, als würdet ihr euch schon lange kennen“, bemerkte Matthew neugierig.

    „Oh ja“, gab Lucia zurück. „Ursprünglich waren wir Gegner in einem großen überregionalen Wettbewerb hier in Sinnoh. Maike stammt nämlich nicht von hier, sondern aus Hoenn, und hängt in erster Linie wegen Zyrus' Machtübernahme hier fest.“

    „Und dann habt ihr euch beim Widerstand wiedergetroffen?“, hakte Matthew nach.

    „Nicht ganz“, antwortete Lucia ihm. „Wir haben damals sozusagen zusammen den Widerstand gegründet, nachdem Zyrus uns das Wettbewerbsfinale versaut hat.“

    Als Reaktion auf Matthews stutzigen Gesichtsausdruck musste Lucia breit grinsen. „Maike nimmt sowas ziemlich ernst“, schob sie noch hinterher, bevor Matthew sich von ihrem Grinsen anstecken ließ.

    Eine fremde Stimme riss die beiden schlagartig aus ihrem Gespräch.

    „Lucia? Matthew? Moe?“

    Erschrocken hielt Matthew den Atem an und zog reflexartig seinen Kopf ein. Moe blickte sich von seinem Aussichtspunkt vorsichtig in der dunklen Kammer um, immer darauf bedacht, sich nicht durch hektische Bewegungen zu verraten. In einem der Höhlengänge konnte er den schwachen Schein einer Taschenlampe erahnen, vermutlich kam von dort auch die Stimme.

    „Seid ihr da?“, hallte es erneut von den Felswänden, diesmal deutlich präsenter als zuvor. Matthew warf Lucia einen fragenden Blick zu, doch sie zuckte nur vorsichtig mit den Schultern. Sie kannte die Stimme nicht – anders als offenbar Geckarbor, das mit flinken Sätzen von Moes Schulter in die Richtung des Lichtes eilte und der ankommenden Person voller Freude in die offenen Arme sprang.

    „Geckarbor! Schön, dich wiederzusehen!“, rief sie lachend und drückte das kleine Geckopokémon an sich. „Gut hast du das gemacht!“

    „Dann nehme ich an, dass du unsere rätselhafte Retterin bist?“, fragte Moe aus dem Schatten heraus, der ihn vor den Augen der Unbekannten verbarg. Mittlerweile hatte sich auch Rotom zu Geckarbor gesellt, sodass das Gesicht der jungen Dame im Lichtschein des Geistpokémon zu erkennen war.

    „Wenn das hier dein Geckarbor ist, dann ja“, kam postwendend als Antwort. „Mein Name ist Kathryn. Ich habe eure Sachen dabei, wie versprochen.“

    Der Schein der Taschenlampe schweifte durch die Dunkelheit, bis er auf Moe traf, der gerade von seinem Felsen herunterkletterte. Kathryn stellte ihre Tasche langsam auf den Felsboden ab und trat ein paar Schritte zurück, um jeden Zweifel an ihrer Ungefährlichkeit zu zerstreuen.

    „Vielen Dank“, sprach Moe mit freundlicher Stimme, während er sich der Tasche näherte. „Ich bin übrigens Moe, aber das hast du dir ja wahrscheinlich schon gedacht.“ Er streckte der jungen Dame seine Hand entgegen, die diese noch etwas zögerlich schüttelte.

    „Mein Name ist Lucia“, gab sich die Rebellin zu erkennen, die nun auch in den schwachen Schein der Taschenlampe getreten war. „Und ich bin Matthew“, gab der Polizist hinterher, der Lucias Beispiel gefolgt war. „Danke für deine Hilfe, Kathryn.“

    „Gern geschehen“, antwortete Kathryn ihm lächelnd. „In der Tasche sollte alles sein, was euch die Galaktiker abgenommen haben. Bedient euch.“

    Matthew ließ sich das nicht zweimal sagen. Hastig kramte er in der Tasche, bis er seinen Gürtel in der Hand hielt. Zwar hingen seine Pokébälle nicht mehr daran, doch seine Ausrüstung war noch da, und beim Wühlen hatte er einige Bälle in der Tasche gespürt. Nach und nach fand er drei von ihnen, in die sein Name eingraviert war, und eine kurze Überprüfung mit seinem PokéCom bestätigte, dass sich seine Pokémon Iksbat, Skelabra und Porygon2 darin befanden, zwar verletzt und geschwächt, aber in Sicherheit. Einen Moment hielt Matthew die drei Bälle dankbar in seinen Händen fest, bevor er sich seinen Gürtel umschnallte und sie an ihren gewohnten Plätzen an seiner Hüfte befestigte. Der Meisterball, in dem Lugia schlummerte, folgte sogleich, doch er komplettierte die Sammlung nicht – die zwei leeren Plätze erinnerten Matthew schmerzlich daran, dass weder Galagladi noch Brutalanda wieder bei ihm waren. Er konnte nur hoffen, dass sie bei der Flucht des Widerstands nicht zurückgelassen worden waren.

    Lucia hatte mittlerweile ihre Pokébälle gefunden und angelegt. Die Erleichterung, wieder mit ihrem Team vereint zu sein, konnte Matthew zweifelsfrei in ihrem Gesicht lesen. Umgekehrt fiel ihr sofort auf, dass bei ihm etwas nicht stimmte.

    „Deine beiden fehlenden Pokémon sind bestimmt im neuen Versteck“, beschwichtigte sie ihn und versuchte, ihren Worten durch ihr Lächeln Glaubwürdigkeit zu verleihen. „Maike lässt niemanden zurück, auch keine Pokémon.“ Matthew nickte nur kurz als Antwort und rang sich mühevoll zu einem zumindest etwas positiveren Gesichtsausdruck durch.

    Nachdem auch Moe seine Ausrüstung zusammen hatte, wandte er sich wieder Kathryn zu. „Mal ganz nebenbei, wie konntest du uns überhaupt befreien? Und wie bist du an unsere Sachen gekommen?“

    „Ich arbeite bei Team Galaktik“, antwortete sie postwendend. „Ich bin unter Anderem für die Verwaltung und Betreuung erbeuteter Pokémon zuständig.“

    „Gut, das erklärt einiges“, stellte Moe fest. „Aber wenn du zu Team Galaktik gehörst, warum hilfst du uns dann?“

    Kathryn zögerte eine Weile, bevor sie antwortete. „Ich arbeite eigentlich nur für die Galaktiker, weil ich meine Pokémon nicht hergeben wollte. Mit meinem Job kann ich vielleicht ein bisschen von dem wiedergutmachen, was Zyrus den Pokémon-Trainern antut, aber glücklich bin ich mit der Situation ganz und gar nicht.“

    Während ihrer Antwort hatte Kathryn ihren Blick abgewandt, und ihre Stimme hatte merklich an Selbstsicherheit verloren. Matthew hätte ihr gerne auch ein paar Fragen gestellt, doch offenbar war das Thema für die junge Dame alles Andere als angenehm.

    „Ich verstehe“, antwortete Moe interessiert. „Bitte entschuldige, dass ich dich so mit Fragen gelöchert habe.“

    „Schon okay“, erwiderte Kathryn verständnisvoll und richtete ihren Blick wieder auf die drei Trainer. „Aber wenden wir uns lieber den wichtigen Dingen zu.“ Sie trat einen Schritt auf Matthew zu. „Deinen PokéCom solltest du am Besten ausschalten. Wenn ich den Bericht richtig gelesen habe, ist Team Galaktik über ihn auf euch aufmerksam geworden.“

    Ein Schauer fuhr durch Matthews Körper, als ihm klar wurde, dass er durch seine Achtlosigkeit beinahe schon wieder seine Freunde in Gefahr gebracht hätte. Hastig löste er die Verkleidung des Akkufachs und verstaute das elektronische Gerät in Einzelteilen in seiner Tasche.

    „Ich gehe davon aus, dass euer Verschwinden mittlerweile bemerkt wurde“, fuhr Kathryn fort. „Ihr solltet am Besten erst einmal untertauchen.“

    „Dann sollten wir zum neuen Versteck gehen“, warf Lucia ein. „Kathryn, du solltest auch mitkommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass du unserer Leiterin ein paar Fragen beantworten könntest.“

    Moe setzte zu einem Widerwort an, entschied sich jedoch gegen eine Äußerung. Die Geste war Matthew jedoch nicht entgangen, und auch wenn er die volle Bedeutung nicht herauslesen konnte, so doch zumindest das Grundsätzliche. War es wirklich eine gute Idee, jemand Fremden einfach so mitzunehmen? Andererseits hatte Lucia vielleicht auch einen Plan, den sie nicht kannten.

    Anscheinend war aber auch Kathryn selbst von der Idee nicht allzu angetan. „Wenn es denn sein muss...“, murmelte sie. „Aber ich kann nicht lange bleiben, sonst merken die Galaktiker, dass ich etwas mit eurer Flucht zu tun habe.“

    Lucia nickte enthusiastisch. „Besprich das am Besten mit unserer Leiterin, wenn wir im Versteck sind. Wir sollten uns aufmachen, bevor wir noch entdeckt werden!“


    Nach einem langen Fußmarsch, der in den felsigen Tunneln oftmals eher einer Kletterpartie glich, erreichten die vier Trainer ein Portal, das sie wieder ins Freie führte. Die warme Nachmittagssonne erleuchtete eine mit Gras und Blumen überwucherte Gebirgslandschaft, die in der Ferne in einen dichten Wald mündete. Etwa auf halber Strecke war eine breite Straße zu erkennen, die durch einen Tunnel einem Ausläufer des Bergmassivs schnitt und sich fast schnurgerade quer durch die Bergwiesen fortsetzte. Unweit des Höhlenausgangs ragte ein altes Holzschild aus dem Boden, auf dem die Reste einer Aufschrift zu erkennen waren. Neugierig trat Matthew ein paar Schritte auf das Schild zu und versuchte, die Worte zu entziffern.


    Ro...e 216 ...ater...g – Bli...ch

    ...ee der ...är... ...orau...


    Lucia ging zügigen Schrittes weiter den Kiespfad entlang, der am Hang des Kraterbergs langsam Richtung Tal führte und dort in eine grob gepflasterte Straße mündete. Moe und Matthew folgten ihr mit kurzem Abstand, während Kathryn sich ihnen immer noch sichtlich widerwillig anschloss.

    „Unten im Tal ist ein Zugang zu den Untergrundhöhlen“, erklärte Lucia ihrer Reisegruppe leise. „Wenn wir einmal dort unten sind, ist es nicht mehr weit.“

    „Ich bin ja ganz froh, dass es nicht so kalt ist“, warf Matthew ein, „aber ich hatte diesen Teil der Region ganz anders in Erinnerung.“ Er holte ein paar Schritte zu Lucia auf. „Weißt du, was hier passiert ist?“

    „Nicht genau“, antwortete die Trainerin. „Am See der Stärke soll früher ein Legendäres Pokémon gehaust haben, dem man nachgesagt hat, dass es auch für den ewig währenden Schneesturm in der Gegend verantwortlich sei. Zyrus hat ja die meisten Legendären Pokémon eingefangen, und seitdem ist hier kein Schnee mehr gefallen.“

    „Das würde zumindest Sinn ergeben“, gab Matthew zurück. „Schon beeindruckend, zu was die Legendären Pokémon in der Lage sind.“

    „Du musst es ja wissen“, lachte Lucia. „Ich bin froh, dass du auf unserer Seite bist. Einen Trainer, der es nicht nur mit einem Legendären Pokémon aufnehmen kann, sondern selbst eines besitzt, will ich nicht als Feind haben!“

    Matthew wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, hielt jedoch einen Moment inne und entschied sich doch dagegen. Im Moment war es ihm doch lieber, das Thema nicht weiter auszubreiten. Praktischerweise erschien in diesem Moment in seinem Blickfeld der Eingang zu einem alten Minenschacht, der auf Lucias Beschreibung der Untergrundhöhlen sehr gut passte. Lucia lief zielstrebig durch das hölzerne Portal, während Matthew und Moe erst einmal ihre Köpfe einziehen mussten, um unter dem schon merklich durchgebogenen Querbalken hindurchzupassen. Kathryn hatte dieses Problem nicht, und schon wenige Augenblicke später war die kleine Gruppe in den verwinkelten Gängen des unterirdischen Labyrinths verschwunden.


    Eine knappe Stunde Fußmarsch und gefühlte einhundert Abzweigungen später traten die vier Trainer wieder hinaus ins Tageslicht, diesmal jedoch durch einen offensichtlich nachträglich gegrabenen Schacht, der mitten in einem Wald aus dem Boden kam. Lucia warf einige flüchtige Blicke zwischen den Bäumen hindurch, um zu sehen, ob die Luft rein war, und führte ihre Begleiter anschließend an die Oberfläche.

    Durch die Bäume konnte man am Waldrand einige Häuser erkennen, Lucia schlug jedoch eine völlig andere Richtung ein und wies die Anderen an, ihr zu folgen und möglichst ruhig zu sein. Ihr Weg führte sie zu einem Gebäude, das nicht allzu weit von den Häusern entfernt im Wald versteckt lag. Es schien sich um ein sehr altes Gebäude zu handeln, die einst filigranen Verzierungen und Malereien an den Wänden ließen eine Art Tempel vermuten. Vorsichtig schlichen die vier Trainer um das Gebäude herum, bis Lucia plötzlich stehenblieb und begann, in ihrer Tasche zu wühlen. Sie zog einen kleinen Gegenstand heraus und schob diesen durch einen Riss im Mauerwerk des Tempels. Ein leises Klimpern war zu hören, das nach einem kurzen Augenblick in einem dumpfen Aufprall endete.

    Entgegen Matthews Erwartungen öffnete sich jedoch nicht plötzlich eine verborgene Tür, um den Neuankömmlingen Einlass zu gewähren, sondern erst eine quälend lange Minute später erhob sich eine unter dem Waldboden verborgene Luke vor ihren Füßen mit leisem metallischen Knarren. Ein junger Mann streckte seinen Kopf durch die Öffnung und wies die Trainer mit einer Geste an, ihm die Leiter hinunter zu folgen, die unter der Luke versteckt war. Lucia kletterte zuerst hinunter, dahinter Kathryn, Matthew und zuletzt Moe und Geckarbor. Rotom hingegen schoss wie ein Blitz den Schacht hinunter und erreichte das Ende der Leiter vor allen Anderen.

    Am Fuße der Leiter stand Maike schon bereit, um sie in Empfang zu nehmen. Lucia hatte kaum die Leiter verlassen, da hatte Maike schon ihre Arme um sie geschlungen.

    „Lucia! Ich bin so froh, dass es dir gutgeht!“, flüsterte Maike erleichtert. „Wie konntet ihr entkommen?“

    Inzwischen hatte auch der Rest der Gruppe den Boden erreicht. Moe schob Kathryn, die sich etwas im Hintergrund aufhielt, vorsichtig in Maikes Richtung. „Das war vermutlich ihr Verdienst“, antwortete Moe an Lucias Stelle.

    Maike löste ihre Umarmung und musterte die junge Dame eingehend. „Vielen Dank dafür. Wie heißt du?“

    „Mein Name ist Kathryn. Ich bin...“ Für einen Moment suchte die junge Trainerin nach den richtigen Worten. „Ich arbeite im Team-Galaktik-Gebäude in Ewigenau, deswegen konnte ich ein paar Fäden ziehen.“

    „Ich verstehe“, gab Maike zurück. „Du hast uns wirklich aus der Patsche geholfen. Mein Name ist Maike. Wir gehören zum Widerstand gegen Zyrus, aber das weißt du wahrscheinlich schon.“

    Kathryn nickte kurz. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Widerstand einmal persönlich treffe. Unverhofft kommt oft, was?“

    Maike musste kurz lachen. „So ist das manchmal. Jetzt mach es dir aber erst einmal bequem und erzähl uns genau, wie du den Ausbruch geschafft hast.“

    „Das ist sehr freundlich“, antwortete Kathryn verlegen, „aber ich muss dringend wieder los. Wenn ich morgen nicht auf der Arbeit bin, schöpfen die Galaktiker garantiert Verdacht, dass ich etwas mit dem Ausbruch zu tun hatte.“

    „Das geht leider nicht“, erwiderte Maike postwendend. „Du bleibst bis auf Weiteres hier.“


    Ein erstauntes Raunen ging durch die Runde der Anwesenden. Lucia trat neben Maike und sprach leise zu ihr.

    „Maike, was soll das? Sie hat uns geholfen!“

    „Das weiß ich doch“, flüsterte Maike zurück. „Aber wir können nicht ausschließen, dass die ganze Aktion inszeniert war, um uns aufzuspüren. Und solange wir da keine Gewissheit haben, können wir sie nicht aus den Augen lassen.“

    Nun trat Kathryn verärgert einen Schritt nach vorne. „Sehe ich so aus, als würde ich freiwillig mit den Galaktikern gemeinsame Sache machen?“

    „Nun“, konterte Maike, „du arbeitest wortwörtlich für sie.“

    „Ja, aber nur, weil ich es muss!“

    „Das sagst du, aber wie kannst du es beweisen?“

    Kathryn setzte zu einer Antwort an, seufzte dann aber nur resigniert.

    „Bitte nimm es nicht persönlich“, fügte Maike in deutlich ruhigerem Tonfall hinzu. „Ich kann nicht riskieren, noch mehr Leute zu verlieren, nur weil mich mein Gefühl getäuscht hat.“

    „Ich muss Maike zustimmen“, warf Moe ein. „Das Risiko ist zu groß.“

    In Kathryns Gesicht war die Frustration über die Entscheidung nicht zu übersehen. „Nur dass ihr es wisst, ich bin deswegen noch lange keiner von euch. Wenn es hart auf hart kommt, solltet ihr nicht auf mich zählen.“

    „In Ordnung“, antwortete Maike leise. „Mir wäre es anders natürlich lieber, aber ich kann deine Entscheidung nachvollziehen. Tut mir leid, dass du da reingeraten bist.“

    „Das hoffe ich doch“, murmelte Kathryn kaum hörbar, bevor sie mit zügigen Schritten dem schwach beleuchteten Gang ins Innere des Gebäudes folgte. Die Anderen warfen sich noch ein paar kurze Blicke zu, bevor sie sich der jungen Trainerin anschlossen.

  • Hallo,


    ich war überrascht, wie schnell ich wieder in die Geschichte reingekommen bin. Das spricht definitiv für deine Erzählkunst, viele relevante Plotpunkte erneut aufzugreifen, um Zusammenhänge herstellen zu können. Nach der Flucht erst einmal zum nächsten Unterschlupf zu gelangen war durchaus spannend zu lesen, da ich mit einigen Hindernissen gerechnet hatte. Die blieben zwar aus, allerdings muss nun mit Kathryn als eigentlich unbeteiligte Person ein weiterer Faktor beachtet werden. Ich kann mir vorstellen, dass ihr Verschwinden nicht unbemerkt bleibt und es bald wieder zu Problemen kommt. Danke übrigens, dass Geckarbor und Rotom wieder im Rampenlicht stehen können.


    Wir lesen uns!


  • KAPITEL 8

    Nur Glück


    Das neue Versteck der Widerstandsbewegung war mit dem vorherigen in keinster Weise zu vergleichen. Anstelle von Neonröhren erleuchteten vereinzelte Laternen und Fackeln die große Halle, in der sich Kathryn, Matthew und Moe wiederfanden. An einer Wand waren provisorische Waschnischen eingerichtet, eine Ecke des Raumes war mit Schlafsäcken und Luftmatratzen zugestellt, und auf einem großen Felsen in der Mitte brodelte ein großer Kochtopf über einem gasbetriebenen Kochfeld. Einige einfache Klapptische mit passenden Stühlen waren rund um die Kochstelle verteilt. Maike nahm sogleich eine der Sitzgruppen in Beschlag.

    „Setzt euch doch“, bat sie die drei Trainer, die auf den anderen Stühlen Platz nahmen. „Es gibt gleich Essen, bis dahin könnt ihr mir schon einmal berichten, was passiert ist.“

    Als Maike sich umschaute, bemerkte sie gleich, dass Matthew etwas auf dem Herzen hatte. Es fiel ihr nicht schwer, den Grund für seine Sorge zu erraten.

    „Zunächst einmal kann ich euch beruhigen, euren verletzten Pokémon geht es gut.“ Als Maike sah, wie sich Matthews Gesichtszüge schlagartig entspannten, konnte sie ein kurzes Lächeln nicht unterdrücken. „Sie sind noch geschwächt, aber spätestens in ein paar Tagen sind sie wieder auf dem Damm. Schwester Joy hat auf der unteren Ebene ihr Krankenzimmer eingerichtet, dort kann sie sich auch um eure anderen Pokémon kümmern.“

    Erwartungsvoll lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. „Alles klar, dann erzählt mal.“

    Moe ergriff als Erster das Wort. „Team Galaktik hat uns nach eurer Flucht aus dem Ewigwald überwältigt und eingesperrt. Wir sollten tags darauf wohl in ein anderes Gefängnis verlegt werden, doch auf dem Weg hielt der Wagen plötzlich an und wir konnten fliehen. Kathryn hat uns über Geckarbor einen Hinweis dagelassen, wo wir sie treffen können.“

    Er warf Kathryn, die ihm gegenüber saß, einen kurzen Blick zu. „Den Rest kannst du bestimmt besser erklären als ich.“

    Kathryn nickte und begann, ihre Seite der Geschichte zu erzählen.

    „Ich bin bei Team Galaktik für die Pokémon verantwortlich, die von anderen Trainern beschlagnahmt werden. Nachdem euer Versteck im Ewigwald ausgehoben wurde, sollte ich die Pokémon katalogisieren, die euch abgenommen wurden. Da einige sehr starke Exemplare dabei waren und im Bericht zu dem Einsatz von einem Legendären Pokémon die Rede war, habe ich-“

    „Moment“, warf Maike ein. „Ein Legendäres Pokémon?“

    Ein Schauer fuhr durch Matthews Körper. Maike wusste ja gar nichts davon, dass er Lugia bei sich hatte, insofern war es wohl am Besten, wenn er gleich die Wahrheit erzählte.

    „Ja, das stimmt“, erklärte er der noch sichtlich überraschten Trainerin. „Ich habe das Legendäre Pokémon Lugia bei mir. Die Galaktiker hatten uns schon so gut wie geschlagen, da war es meine letzte Chance, noch etwas Zeit herauszuschlagen.“ Beschämt senkte er seinen Kopf. „Leider hatte Zyrus da auch noch ein Wörtchen mitzureden, gegen Palkia konnte Lugia dann auch nichts mehr ausrichten.“

    Maike und Kathryn brauchten offenbar einige Augenblicke, um diese Information zu verarbeiten. Moe nutzte die Zeit, um an Matthews Erklärung anzuknüpfen.

    „Wie gesagt, wir arbeiten für die Internationale Polizei und sind als Sondereinheit auf Fälle spezialisiert, in die besonders starke Trainer oder eben Legendäre Pokémon involviert sind. Mit Matthew haben wir einen Trainer, der nicht nur Erfahrung im Umgang mit Legendären Pokémon hat, sondern selbst auch eines bei sich hat. Das ist in solchen Missionen natürlich ein großer Vorteil.“

    Kathryn sah nun völlig verwirrt aus. „Internationale Polizei? Sondereinheit? Ich glaube, ihr müsst mir das alles noch einmal in Ruhe erklären.“


    Es dauerte eine ganze Weile, bis alle Anwesenden auf dem aktuellen Stand waren und Kathryn die Zeitreise der beiden Polizisten verstanden hatte. In der Zwischenzeit war das Essen fertig geworden, sodass die Besprechung bei einem Teller Curry fortgesetzt werden konnte.

    „Eines steht fest“, murmelte Kathryn noch leicht ungläubig. „Mit Lugia steht Matthew auf der Abschussliste von Team Galaktik definitiv jetzt ganz oben.“ Etwas lustlos stocherte sie in ihrem Essen herum. „Eine Sache verstehe ich nur nicht. Wenn du Lugia beim Kampf dabei hattest, warum war es dann nicht bei den konfiszierten Pokémon?“

    „Das ist eine gute Frage“, bemerkte Matthew. „Ich war der festen Überzeugung, dass mir Lugia zusammen mit meinen anderen Pokémon weggenommen wurde, aber Geckarbor hatte den Ball offenbar bei sich.“

    „So geschickt, wie sich Geckarbor beim Ausbruch angestellt hat, kann ich mir vorstellen, dass es den Ball vielleicht im Chaos der Festnahme an sich genommen hat und damit abgehauen ist“, warf Kathryn ein.

    „Das würde mich nicht wundern“, antwortete Moe mit einem zufriedenen, fast stolzen Grinsen. „Den kleinen Bengel darf man nicht unterschätzen.“

    „Das kann man wohl sagen“, gab Matthew lachend zurück und machte sich weiter über seine Curryportion her. Im Vergleich zu den paar Brocken Brot, die Moe und er von den Galaktikern bekommen hatten, kam ihm das Essen hier wie das reinste Festmahl vor.

    „Stärkt euch heute erst einmal tüchtig, morgen besprechen wir das weitere Vorgehen“, erklärte Maike. „Nehmt ruhig reichlich, an Vorräten mangelt es uns nicht.“


    Inzwischen war es Nacht geworden und die Mitglieder der Widerstandsbewegung hatten sich zu Bett begeben. Matthew, Moe und Lucia hatte sich zwischen dem Abendessen und dem Zubettgehen noch mit Schwester Joy um ihre Pokémon gekümmert. Für die Ärztin war es eine ziemliche Überraschung gewesen, dass sie es plötzlich mit einem Legendären Pokémon zu tun hatte, doch trotz alledem hatte sie auch Lugia gut versorgen können. Stahlos, Brutalanda und insbesondere Galagladi waren noch sichtlich angeschlagen und noch lange nicht kampffähig, aber alleine die Tatsache, dass Galagladi wieder bei Bewusstsein und auf dem Weg der Besserung war, erfüllte Matthew mit großer Erleichterung.

    Trotz alledem und der Tatsache, dass er in der Gefangenschaft bei Team Galaktik kaum geschlafen hatte, fand Matthew an diesem Abend einfach keine Ruhe. Zu viele Gedanken schwirrten in seinem Kopf herum ohne dass sein von Müdigkeit geplagtes Bewusstsein in der Lage war, sie einzufangen und zu ordnen. Unter normalen Umständen hätte er seine Jacke angezogen und wäre ein paar Schritte an der frischen Luft spazieren gegangen, aber selbst das war ihm verwehrt. Nichtsdestotrotz erhob er sich nach dem geschätzt dreiunddreißigsten Wechsel der Liegeposition von seinem Nachtlager, um sich wenigstens in der großen Halle ein wenig die Beine zu vertreten.

    Die anderen Trainer schienen alle tief und fest zu schlafen, lediglich Maike war nicht bei ihnen, sondern saß nahe der Treppe im Schein einer Laterne an eine Säule gelehnt und hielt Wache. Sie bemerkte Matthew sofort, als dieser in ihre Richtung schlich, obwohl er sehr darum bemüht war, keine Geräusche zu machen, die die Schlafenden hätten wecken können. Während er sich näherte, stand Maike auf und kam ihm ein paar Schritte entgegen.

    „Na, kannst du nicht schlafen?“, fragte sie mit leiser Stimme.

    „Leider nicht“, flüsterte Matthew zurück. „Etwas dagegen, wenn ich dir einen Moment Gesellschaft leiste?“

    „Ach i wo“, antwortete Maike. „Wollen wir uns setzen?“ Ohne Matthews Antwort abzuwarten, ließ sie sich wieder an der Säule nieder und streckte die Beine aus. Matthew nahm in gleicher Manie neben ihr Platz.

    „Ihr zwei habt ja einiges durchmachen müssen in den letzten Tagen... oder zehn Jahren, wie man es nimmt.“ Weder in ihrer Stimme noch in ihrem vom Schein der Laterne schwach beleuchteten Gesicht war Maikes sonst so stoische Art zu erkennen, im Gegenteil wirkte sie sehr entspannt, ja fast ein wenig fröhlich. Ihr entging nicht, dass Matthew nicht so richtig zu wissen schien, wie er darauf reagieren sollte, und sie daher verlegen anzustarren begann.

    „Ach so, du kennst mich ja noch nicht so lange“, flüsterte sie lachend. „Diese todernste Miene, die ich im Widerstand manchmal aufsetze, gehört einfach zu einem Anführer dazu, glaube ich.“ Sie stupste Matthew mit ihrem Ellenbogen an. „Entspannen Sie sich, Herr Wachtmeister!“

    Auf Maikes ironische Ansprache hin konnte sich auch Matthew ein Lächeln nicht mehr verkneifen. „Danke“, antwortete Matthew erleichtert. „Deine gute Laune ist echt ansteckend.“

    „Was meinst du, wie ich die Truppe in den letzten zehn Jahren bei Laune gehalten habe?“, erwiderte Maike amüsiert. „Eigentlich weiß so ziemlich jeder von uns, wie ich eigentlich ticke. In meiner Rolle als Anführerin muss ich aber doch etwas ernster sein.“

    Matthew nickte ihr zustimmend zu. „Es ist nicht leicht, in so eine Rolle zu schlüpfen und sie glaubwürdig zu spielen, das merke ich immer wieder.“ Sein Blick schweifte hinüber in den Schlafbereich. „Moe hat das auch viel besser drauf als ich. Gut, er hat auch einiges mehr an Erfahrung als Polizist.“

    „Wie lange bist du denn schon dabei?“, fragte Maike neugierig.

    „Knapp drei Jahre“, antwortete Matthew.

    „Und dann wirst du schon auf solche Einsätze geschickt?“, hakte Maike verwundert nach.

    Matthew ließ den Blick verlegen zu Boden sinken. „Na ja“, erklärte er, „streng genommen ist Moe derjenige, der bei den Einsätzen das Sagen hat. Er ist seit über zehn Jahren bei der Polizei und wurde speziell für schwierige Missionen ausgebildet. Ich hingegen wurde rekrutiert, weil ich mir einen Namen als extrem starker Pokémon-Trainer gemacht habe.“

    „Das ist ziemlich beeindruckend“, bemerkte Maike anerkennend, „wenn selbst die Polizei deinen Fähigkeiten vertraut.“

    „Das ist es ja gerade“, erwiderte Matthew zerknirscht. „Alles, was die Polizeiarbeit betrifft, hat nur Moe selber im Blick. Ich bin nur derjenige, der die gegnerischen Pokémon in Schach hält. Und so gesehen wurde ich auch nur rekrutiert, weil ich zufällig ein Legendäres Pokémon besitze.“

    „Das wollte ich dich sowieso die ganze Zeit schon gefragt haben“, warf Maike ein. „Wie kam es, dass du Lugia fangen konntest? Ich habe immer gehört, dass Legendäre Pokémon nur mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung oder massiver Gewaltanwendung gefangen werden können. Letzteres kann ich mir bei dir beim besten Willen nicht vorstellen.“

    „Das ist eine ziemlich lange Geschichte“, murmelte Matthew nervös.

    „Also ich habe die ganze Nacht Zeit, sie zu hören“, gab Maike aufmunternd zurück. Wieder wirkte ihre fröhliche Art auf Matthew ansteckend, sodass er nach einmal tief Durchatmen begann, die Geschichte zu erzählen.

    „Es war einige Jahre nach meinem ersten Sieg in der Johto-Liga. Ein Mann namens Phrenos lud mich zu einem angeblichen Turnier in der Orre-Region ein, und naiv, wie ich war, bin ich natürlich hingefahren, ohne vorher irgendwelche Nachforschungen anzustellen. Es stellte sich heraus, dass er nur starke Trainer auf seine private Insel locken wollte, um sie mithilfe sogenannter Crypto-Pokémon zu schlagen und ihre Pokémon auch in solche umzuwandeln.“

    „Crypto-Pokémon?“, hakte Maike interessiert nach.

    „Pokémon, die all ihrer Emotionen beraubt und nur noch auf Kampfkraft getrimmt wurden“, fasste Matthew kurz zusammen. „Ein schrecklicher Anblick, wenn man sie kämpfen sah. Man hatte das Gefühl, dass jedes räuberische Pokémon in der Natur bei der Beutejagd mehr Mitleid hatte als alle Crypto-Pokémon zusammen.“

    Matthews Beschreibung der Crypto-Pokémon hatte Maike offenbar sehr bewegt, denn sie hatte in der Zwischenzeit ihre Knie bis unter das Kinn herangezogen und mit beiden Armen eingeklammert. „Das ist ja wirklich schrecklich!“, flüsterte sie ungläubig. Matthew nickte nur beschwichtigend und fuhr fort.

    „Nachdem Phrenos mich in seine Falle gelockt hatte, habe ich es irgendwie geschafft, sein Team aus Crypto-Pokémon zu besiegen. So viel Kraft diese armen Kreaturen auch hatten, Kampftaktik gehörte wahrlich nicht zu seinen Stärken. Dann aber hat er ein siebtes Pokémon herbeigerufen, Crypto-Lugia.“

    „Herbeigerufen?“

    „Selbst Phrenos war es nicht gelungen, Lugia mit normalen Pokébällen zu fangen, aber irgendwie hat er es geschafft, es trotzdem zu einem Crypto-Pokémon umzuformen und seinem Willen zu unterwerfen. Gegen das Monster, das er damit erschaffen hatte, waren meine Pokémon natürlich chancenlos.“

    „Und wie hast du es dann trotzdem geschafft, Lugia zu fangen?“

    „Das war streng genommen reines Glück. Professor Lind aus meiner Heimat hatte mir nach meinem ersten Ligagewinn einen der Prototypen des sogenannten Meisterballs anvertraut. Der Ball war entwickelt worden, um jedes Pokémon mit absoluter Sicherheit einfangen zu können. Das Projekt wurde aber eingestellt, als die Entwickler erkannten, was dieser in den falschen Händen für Schaden anrichten könnte. Die existierenden Prototypen wurden dann an die leitenden Professoren der einzelnen Regionen verteilt, um sie im Falle eines Falles zur Verfügung zu haben, doch Professor Lind hat ihn stattdessen an mich weitergegeben.“

    „Dann muss er dir ja sehr vertraut haben“, bemerkte Maike. „Und du hast den Ball offenbar weise eingesetzt.“

    „Das hoffe ich zumindest“, erwiderte Matthew. „Schlussendlich konnte ich Phrenos außer Gefecht setzen, nachdem ich Lugia gefangen hatte, und ein Professor aus der Orre-Region war in der Lage, die Crypto-Pokémon wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen. Er hat sich auch darum gekümmert, dass die gestohlenen Pokémon soweit möglich ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden konnten. Lugia wiederum habe ich zurück in die Freiheit entlassen, doch es wollte nicht gehen.“

    „Wahrscheinlich hat es erkannt, dass du ein guter Mensch bist, und wollte sich damit revanchieren.“ Maike nickte Matthew bei ihrer Antwort anerkennend zu, doch Matthew wandte seinen Blick beschämt ab.

    „Ich hatte halt einfach nur Glück“, murmelte er. „Hätte Professor Lind irgendjemandem sonst den Meisterball gegeben, wäre ich gegen Phrenos einfach untergegangen. Und hätte er sich nach seinem Sieg nicht verplappert und mir verraten, dass er Lugia nicht fangen konnte, hätte mir der Ball auch nichts genützt.“

    Maike rückte ein Stück an Matthew heran und legte ihren Arm um seine hängenden Schultern.

    „Du musst das anders herum sehen“, erwiderte sie. „Deine Siege in der Johto-Liga hast du dir hart erarbeitet, da war kein Glück im Spiel. Genau das wusste der Professor auch, als er dir den Ball gegeben hat. Er hätte ihm gar niemand Anderem geben können als dir. Er wusste genau, dass du ihn gut nutzen würdest, und das hast du getan.“ Sie holte ihren Arm hinter Matthews Kopf hervor und hob vorsichtig dessen Kinn an. „Und soviel Glück könnte ein Mensch gar nicht haben, um so viele Missionen zu überstehen wie ihr beiden, wenn ihr kein perfektes Team abgeben würdet.“

    Über Matthews Gesicht huschte nun doch wieder ein Lächeln. „Danke dir. Du hast ja eigentlich recht“, gab Matthew zu.

    „Und uneigentlich nicht?“, gab Maike lachend zurück.

    Matthew ließ sich erneut von ihrem Lachen anstecken. „Ist ja gut, du hast recht. Ich musste es bloß mal wieder von jemandem hören.“

    „Glaub mir, ich weiß, was du meinst“, fügte Maike hinzu. „Mit meiner Rolle als Anführerin des Widerstands geht es mir ähnlich. Aber damit brauche ich dich jetzt nicht zu langweilen.“

    „Ach i wo“, erwiderte Matthew. „Jetzt bin ich dran mit Zuhören.“

    „Das ist lieb gemeint, aber ist schon gut“, antwortete Maike. „Lass dir einfach gesagt sein, dass auch ich mehr als einmal an meiner Eignung als Anführerin gezweifelt habe und meine Argumente fast die gleichen waren.“ Ein vielsagendes Grinsen huschte über ihr Gesicht. „Und ich habe damit mindestens so viel Erfahrung wie als Anführerin einer Widerstandsbewegung.“

    Matthew nickte ihr verständnisvoll zu. „Danke in jedem Fall, dass du dir meine Sorgen angehört hast.“

    „Glaub mir, auch darin habe ich mittlerweile Übung.“ Langsam stand Maike wieder vom Boden auf. „Und jetzt geh lieber schlafen, sonst bist du morgen völlig übermüdet. Wir können morgen jede gute Idee brauchen, die uns einfällt.“

    „Was ist mit dir?“, fragte Matthew, während er sich neben der jungen Dame erhob.

    „Mein Bruder löst mich in zwei Stunden ab, dann lege ich mich auch hin.“

    „Alles klar“, murmelte Matthew müde. „Dann schlaf gut, wenn du soweit bist.“

    „Du auch, danke“, flüsterte Maike ihm hinterher, während er zurück in den Schlafbereich schlich. Ein paar Minuten lang musste er noch seine Gedanken sortieren, nachdem er sich in seinem Schlafsack eingerollt hatte, doch bald danach glitt sein Bewusstsein ins Reich der Träume ab.

  • Hallo,


    dass diese Szene ihr eigenes Kapitel erhalten hat, empfinde ich in vielerlei Hinsicht gut. Lugias Herkunft wurde zwar bereits durch eine Rückblende eines früheren Kapitels etwas erklärt, allerdings war es für das Verständnis sinnvoll, die aktuell handelnden Personen darüber aufzuklären. Zudem ist nach den sich überschlagenden Ereignissen etwas Ruhe durchaus angebracht, um sich wieder gegenseitig aufzubauen. Immer auf der Flucht zu sein schlaucht auf Dauer sicherlich und die Moral muss für die noch kommende Mission schließlich hoch gehalten werden, damit alle in bester Verfassung sind. Ich freue mich daher schon zu sehen, wie es weiter geht.


    Wir lesen uns!