Nєχт Gєηєяαтιση [Arbeitstitel]

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

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    Inhaltsverzeichnis

    LESEPROBE (AUSSCHNITT AUS EPISODE 3)
    1. EPISODE


  • Hi Luna Partner Evoli


    Coolio, jetzt komme ich mal dazu, eine Fanfiction von dir zu lesen! :D

    Für eine Pokémon-Shipping-Fanatikerin

    Das wusste ich noch gar nicht. Also, zumindest das Ausmaß war mir gar nicht bewusst bisher :O


    Aber jetzt zur Story:

    Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut, der ganze Text ließt sich sehr flüssig und es sind auch keine Fehler vorhanden. Du hast auf jeden Fall tolle Schreibfähigkeiten!


    Die Art, wie Gladio und das mysteriöse Mädchen (ihren Namen erfahren wir wahrscheinlich offiziell erst in einer späteren Story ^^) sich kennenlernen, war sehr originell und du hast sie sehr toll umgesetzt.

    Gladios coole und distanzierte Art kommt sehr authentisch rüber und auch das Mädchen ist ziemlich einzigartig. Bei ihr finde ich den Widerspruch zwischen der selbstgemachten, primitiven Kleidung und der fast schon förmlichen Sprechweise sehr interessant. :saint:


    Was ich persönlich witzig fand, war die Symbolik mit den Pfeilen, die sie immer auf Gladio abfeuert. Mich persönlich erinnert es ein wenig an die Pfeile, die der Liebesgott Amor immer auf Leute verschießt, damit sie sich verlieben. Das ist auf jeden Fall ein süßer und lustiger symbolischer Unterbau, der mir auch gut gefallen hat. :smile:


    GLG

    Emmi

  • Huhu Evoluna! ^-^


    Mit etwas Verspätung möchte ich dir jetzt auch endlich ein kurzes Feedback zu deiner Shipping-Geschichte schreiben. Das Shipping selbst ist im ersten Teil zwar noch gar nicht so präsent, aber bisher stehen ja auch eher nur die ersten Begegnungen der beiden Figuren im Vordergrund, insofern bin ich mal gespannt, was dahingehend noch passieren wird!


    Insgesamt mag ich vor allem den Aufbau deiner Geschichte. Als wiederkehrendes Motiv taucht der Pfeil auf, welcher die Begegnungen von Gladio und dem Mädchen jeweils einleitet. Auffällig ist, dass die Szenen dabei von Mal zu Mal vertrauter werden. Ist Gladio anfangs noch einigermaßen überrascht von dem Pfeil, der nur knapp an ihm vorbeirauscht, legt sich die Überraschung beim zweiten Mal schon ein wenig, bevor er den dritten Pfeil schließlich fast schon erwartet, wenn nicht herbeisehnt. Das finde ich sehr gelungen, weil es wunderbar verdeutlicht, dass sich Gladio und das Mädchen langsam aneinander gewöhnen und vielleicht auch schon ein bisschen annähern. Besonders gut gefällt mir dieser Aufbau vor dem Hintergrund, dass sich der Text in das Konzept einer Miniserie eingliedert. Gerade im filmischen Bereich wird ja doch auch ganz gerne mal mit solchen überdeutlichen Stilmitteln gearbeitet.

    Was mir auch noch gefallen hat, ist die Art, wie das Mädchen am Anfang vorgestellt wird. Dass zunächst nur ein Rascheln über Gladios Kopf wahrzunehmen ist, bevor das Mädchen plötzlich vor seine Füße fällt, habe ich als Anime-Umsetzung tatsächlich direkt vor Augen gehabt. Das trifft irgendwie genau diesen Pokémon-Humor, an den ich mich von früher noch erinnere. Auch deine sehr genauen Beschreibungen des Mädchens helfen auf jeden Fall dabei, dass man sich die Szene insgesamt sehr gut vorstellen kann!


    Ansonsten sind mir formal vor allem zwei kleinere Punkte aufgefallen, die deine Verwendung der wörtlichen Rede betreffen. Zum einen verwendest du im Text zwei unterschiedliche Arten von Anführungszeichen, was ich beim ersten Lesen doch etwas irritierend fand. Als Beispiel habe ich einfach mal dieses kurze Zitat herausgesucht:

    "Nein."

    „Wieso nicht?“

    Ich würde da am besten einfach nochmal über den Text schauen und mich dann konsequent für eine der beiden Varianten entscheiden. Standardmäßig würde man eher die zweite Variante verwenden, aber generell wäre es einfach gut, wenn da keine verschiedenen Varianten vermischt werden. ^^'


    Der zweite Punkt betrifft das Setzen von Zeilenumbrüchen bei wörtlicher Rede. Gewöhnlicherweise ist es so, dass man dann einen Zeilenumbruch setzt, wenn der Sprecher wechselt. An den allermeisten Stellen hast du das auch genauso gemacht; das waren nur ein, zwei Stellen, an denen das fehlte. Auch hierfür wieder ein kurzes Zitat:

    „Tut mir leid, aber ich habe jetzt keine Zeit dafür“, erwiderte er knapp und drehte sich schon um. „Soll das heißen, du läufst vor einem Kampf davon?“, entgegnete das Mädchen erstaunt.

    Die Idee hinter den Zeilenumbrüchen ist, dass man beim Lesen sonst intuitiv erstmal denkt, dass der zweite Teil der wörtlichen Rede weiterhin von der Person gesprochen wird, die auch schon den ersten Teil gesprochen hat. Wenn man dann am Ende liest, dass das jetzt von dem Mädchen gesagt wurde, ist man erstmal kurz irritiert und muss das mit der neuen Information nochmal neu lesen. Bei einem Zeilenumbruch weiß man direkt: Ah, hier spricht jetzt eine andere Person! ^^'


    Der erste Teil deiner Geschichte hat mir bis hierhin auf jeden Fall sehr gut gefallen. Ich bin gespannt, wie es dann weitergehen wird! ^-^


    Au revoir! :3

  • 1. EPISODE


    ALAIN


    "Professor, hier ist er!", rief der junge, dunkel gekleidete Trainer mit dem blauschwarz glänzenden Strubbelhaar. Inmitten einer frostigen Eishöhle betrachtete Alain ungläubig die sanft leuchtende Felswand vor sich. Ein silbern schimmernder Stein mit geheimnisvollem bunten Glitzern war darin eingelassen. Ehrfürchtig strich Alain mit den Fingerspitzen über den wunderschönen Kristall. Er war glatt und kalt, und doch fühlte er sich seltsam lebendig an. Das Energiemessgerät an Alains Handgelenk gab bei der Berührung ein Signal von sich. Der Messwert stand auf einem hohen Niveau und schwankte aufgeregt. Kein Zweifel, dies musste es sein.

    Seit drei Tagen durchsuchten sie nun bereits die Frosthöhle nach dem seltenen Nit, einem Mineral, aus dem Schlüssel-Steine angefertigt werden konnten und von dem vor kurzem Spuren in dieser Höhle entdeckt worden waren. In diesem Nit war eine unglaubliche Menge an Energie gespeichert, die sich vor langer Zeit an einigen Orten der Kalos-Region gebündelt hatte. Lange hatte man geglaubt, es gäbe einen Zusammenhang zwischen der Energie des Nits und dem Legendären Pokémon Xerneas, welches als Lebensspender verehrt wurde. Doch erst vor wenigen Wochen hatte sich dieser alte Mythos bestätigt.

    Alain hörte schnelle Schritte hinter sich und wandte sich um. Sein Lehrer, Professor Platan, bog um die Ecke und sein langer weißer Laborkittel wehte hinter ihm her.

    "Alain! Hast du ihn wirklich gefunden?", fragte der Professor und eilte zu seinem Assistenten. Er warf ebenfalls einen Blick auf den Energiesensor und nickte zufrieden. "Es ist also wahr. In der Frosthöhle befindet sich tatsächlich eine Quelle." Platan warf Alain einen anerkennenden Blick zu. "Gut gemacht. Das wird Combre sicherlich freuen."


    -----------------------------------


    Gedankenverloren starrte Alain aus dem Fenster auf die schneebedeckten Dächer Illumina Citys. Seine Hände umklammerten die dampfende Teetasse, die vor ihm auf dem Küchentisch stand. Er warf einen kurzen Blick auf seinen neuen Mega-Ring, den er seit gestern um sein Handgelenk trug. Der schillernde Stein in der Mitte glitzerte in der fahlen Wintersonne, die durch das Fenster schien. Er fühlte sich wohler damit, endich wieder einen Schlüssel-Stein zu tragen, und er musste Combre dankbar sein, dass dieser das Nit so schnell bearbeitet hatte.

    Nach der Schlacht gegen Team Flare vor knapp zwei Monaten war ein Großteil der existierenden Schlüssel-Steine verschollen. Flordelis und seine Handlanger hatten sie gestohlen und für ihre eigenen Zwecke - die Wiederbelebung der Ultimativen Waffe - missbraucht oder einfach zerstört. Auch Alain hatte seinen ehemaligen Mega-Ring verloren, und ohne diesen, der ihn schon seit Jahren begleitete, fehlte ihm schon beinahe ein Stück von sich selbst. Die Mega-Entwicklung zusammen mit seinem treuesten Freund, seinem Partner Glurak, war ein unentbehrlicher Teil seiner Reise als Pokémon-Trainer. Und doch war Alain nach all den Ereignissen unsicher geworden, ob er der Beherrschung dieses Phänomens noch würdig war.

    "Stimmt etwas nicht?" Professor Platan setzte sich Alain gegenüber an den Tisch und studierte das Gesicht seines Schülers aufmerksam. Dann deutete er auf den Mega-Ring. "Hast du ihn schon ausprobiert?", erkundigte er sich, als hätte er Alains Gedanken gehört. Alain schüttelte nur den Kopf.

    "Das dachte ich mir", verkündete der Professor. Dann fuhr er mit sanfter, aber eindringlicher Stimme fort: "Alain, du musst dir keine Vorwürfe machen. Flordelis hat dich und deine Stärke ausgenutzt, genauso wie die Mega-Entwicklung. Diese ganze Katastrophe war nicht deine Schuld. Im Gegenteil! Du hast dafür gekämpft, Team Flare aufzuhalten und Kalos zu retten, du hast Flordelis selbst besiegt." Alain wich immer noch dem Blick des Professors aus, und Platan seufzte leise.

    "Was hast du jetzt eigentlich vor?", wechselte er das Thema. "Jetzt, wo du deinen Schlüssel-Stein zurückbekommen hast, könntest du dich wieder deinem Training widmen."

    Alain zögerte. Ihm war klar gewesen, dass dieser Augenblick eines Tages kommen würde, doch er hatte dennoch keine Antwort auf die Frage.

    "Ich weiß es noch nicht. Vielleicht werde ich noch eine Weile hierbleiben", antwortete er schließlich.

    "Was wird aus deinem Kampf gegen Diantha?", hakte der Professor nach. "Mit deinem Sieg in der letzten Kalos-Liga hast du die Erlaubnis erhalten, den Champ herauszufordern. Und du weißt, mit einem Sieg über sie könntest du sogar der neue Champion von Kalos werden." Als Alain schwieg, fügte er hinzu: "Ich werde jedenfalls nicht zulassen, dass du den Rest deiner jungen Jahre hier im Labor vergeudest. Dass du all deine Träume aufgibst, die du einmal hattest. Du bist ein begnadeter Trainer, du kannst noch so viel erreichen. Und ich bin absolut sicher, dass du auch ein großartiger Champ werden könntest, wenn du deinem Herzen folgst."

    "Es ist... ich glaube nicht, dass ich schon bereit dafür bin", erwiderte Alain ausweichend. "Ich weiß noch nicht mal, ob Champ zu werden überhaupt mein Ziel ist." Endlich schaute Alain auf und begegnete dem sorgenvollen Blick des Professors. Er wusste selbst, dass es für ihn nicht ewig so weitergehen konnte wie gerade eben. Natürlich wollte er dem Professor keine Bürde sein, doch im Augenblick war er einfach ratlos, wohin er sonst gehen sollte.

    Mit der Enttarnung von Team Flares geheimen Plänen zur Zerstörung der Region, von denen er jahrelang nichts geahnt hatte, war Alain in ein tiefes Loch gefallen. Alles, wofür er in den letzten Monaten und Jahren gekämpft hatte, all seine Ziele und Überzeugungen hatten sich als ein einziges, von Flordelis erschaffenes Lügenkonstrukt herausgestellt. Unter seiner Anweisung hatte Alain die Mega-Entwicklung beherrschen gelernt, hatte die mysteriöse Energie erforscht, die mit diesem Phänomen zusammenhing, und jede Erkenntnis war unweigerlich Flordelis und damit Team Flare in die Hände gefallen. Sicher, wenn Alain gewusst hätte, was damit geschehen würde, oder wofür er da tatsächlich gearbeitet hatte, dann hätte er niemals eingewilligt. Dennoch ließ ihn das Gefühl nicht los, dass er eine Teilschuld an der Katastrophe trug, und dass es ohne seine Mitwirkung vielleicht nicht zu einer Zerstörung solchen Ausmaßes gekommen wäre. Obwohl er im Kampf gegen seinen früheren Auftraggeber alles getan hatte, um ihn aufzuhalten und Kalos vor der vernichtenden Macht des zornigen Zygarde zu retten, zweifelte Alain daran, dass er seine Fehler und seine Nachlässigkeit jemals wiedergutmachen könnte. Denn ohne seine Hilfe wäre Team Flare nie so mächtig geworden.

    Nach der Zerschlagung von Team Flare hatte er Zuflucht bei Professor Platan gefunden. Wie damals schon, als Alain noch jünger gewesen war, hatte er ihm nicht nur eine Unterkunft geboten und ihn unterrichtet. Das Labor war wieder ein Zuhause für Alain geworden - zumindest war es seit langem der einzige Ort, den er überhaupt als Heimat bezeichnen würde. Zusammen mit dem Professor hatte er sich auf die Suche nach dem Nit begeben, welches Combre, der Wissenshüter der Mega-Entwicklung, für die Herstellung von Schlüssel-Steinen brauchte, und vielleicht war dieser leuchtende Stein an Alains Handgelenk tatsächlich ein Hinweis, ein Symbol für einen Neuanfang. Doch Alain war sich nicht sicher, wovon.

    "Ich denke, eine Reise würde dir guttun", unterbrach Professor Platan Alains ruhelose Gedanken. "Erinnerst du dich an den Reisegutschein, den du für deinen Sieg in der Kalos-Liga gewonnen hast? Jetzt wäre doch eine passende Gelegenheit, ihn einzulösen."

    Alains Gesichtszüge verhärteten sich. Natürlich erinnerte er sich an den Gutschein für einen Flug in das berühmte Tropenparadies Alola. Eine äußerst beliebte Urlaubsregion mit malerischer Landschaft und lebendiger Kultur, und gleichzeitig auch der Ort, den Alain niemals freiwillig betreten hätte. Das hatte er dem Professor eigentlich auch schon ausführlich erklärt, aber anscheinend hielt dieser seinen Widerwillen nicht für besonders überzeugend.

    Dabei hatte Alain auch abgesehen von der vor allem im Sommer unerträglichen Hitze und den Touristenmassen einen guten Grund, nicht nach Alola fliegen zu wollen. Vor etwa acht Jahren hatte er bei einem tragischen Schiffsunglück seine Eltern und auch seine kleine Schwester verloren. Die Familie war zu einer Kreuzfahrt zu den Alola-Inseln aufgebrochen, doch aufgrund eines technischen Defekts war das Kreuzfahrtschiff durch eine gewaltige Explosion so geschädigt worden, dass es innerhalb von kurzer Zeit auf den Meeresgrund sank und sämtliche Passagiere mit sich riss. Kaum jemand von ihnen konnten gerettet werden, noch weniger überlebten diesen Unfall. Alains Familie gehörte nicht dazu. Er selbst war wundersamerweise von einem Rettungsboot gefunden und mitgenommen worden, doch von seinen Verwandten fehlte jede Spur.

    Dieser Verlust hatte Alain schwer getroffen. Dennoch setzte er seine Arbeit im Labor fort, schloss er seine Ausbildung ab, und eines Tages brach er zu einer Trainingsreise auf, gemeinsam mit seinem treuen Partner Glumanda. Es war nicht einfach gewesen, die Erinnerungen und den Schmerz hinter sich zu lassen, und ganz gelungen war es ihm nie. Vielleicht war seine emotionale Verwundbarkeit zur damaligen Zeit der Grund gewesen, warum er für Flordelis ein so leichtes Opfer gewesen war. Noch etwas, dass Alain Sorgen bereitete, denn er fürchtete, dass ihm so etwas noch einmal passieren könnte. Bis heute verfolgten ihn die Ereignisse des schicksalhaften Tages, störten seinen Schlaf und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.

    Jedenfalls kam eine Reise nach Alola für ihn nicht in Frage. Er schüttelte den Kopf und entgegnete kühl: "Ich sagte doch bereits, dass ich den Gutschein nicht haben will. Tun Sie damit, was sie wollen, ich habe kein Interesse daran."

    Nun schüttelte der Professor entschlossen den Kopf. "Ich will ihn nicht selbst einlösen, ich wünsche mir, dass du das tust! Seit Wochen bist du hier im Labor, stürzt dich auf die Arbeit, aber mir kannst du nichts vormachen. Ich kenne dich beinahe wie meinen eigenen Sohn, und ich habe gemerkt, dass du dich immer noch mit deiner Vergangenheit quälst. Du musst mal hier herauskommen, Alain."

    "Schön, aber nicht... dorthin." Die Finger des jungen Trainers umschlossen die Tasse mit dem mittlerweile kalten Tee nun noch fester. "Außerdem kann ich Michaela nicht allein lassen. Ich habe ihr versprochen, dass ich mich um sie kümmern werde."

    "Um Michaela brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Wie du weißt, geht es ihr bestens, und nach dem Sturz von Team Flare hat sie nichts mehr zu befürchten. Sie ist ein starkes Mädchen, vermutlich kommt sie besser mit den Ereignissen zurecht, als du es tust."

    Nun, zumindest mit dem ersten Teil des Satzes hatte der Professor Recht, das sah Alain ein. Seit seiner ersten Begegnung mit Michaela vor einigen Monaten hatte Alain eine Art Beschützerinstinkt für das junge Mädchen entwickelt, und bei ihren regelmäßigen Telefonaten vergewisserte sich Alain jedes Mal, dass sie wohlauf war. Er würde es nicht zugeben, aber sie erinnerte ihn sehr an seine eigene Schwester, die er damals verloren hatte, ohne etwas dagegen tun zu können. Vielleicht hatte er sich deshalb geschworen, nicht zuzulassen, dass jemand Michaela schadete... Doch damit war er bereits gescheitert. Es schien fast wie ein Fluch zu sein, dass den Menschen, die ihm am Herzen lagen, immer etwas zustoßen musste. Noch hatte es den Professor nicht getroffen, der für Alain mittlerweile wie ein Vater geworden war, doch vermutlich war es das Beste, wenn er sich tatsächlich von denjenigen fernhielt, die ihm wichtig waren.

    Als Professor Platan sah, dass Alain über seinen Vorschlag nachdachte, fuhr er mit sanfter Stimme fort: "Es wird Zeit, dass du dich mit der Vergangenheit auseinandersetzt, Alain. Du kannst nicht vor ihr fliehen, du kannst dich nicht vor ihr verstecken. Wenn du die Erinnerungen verdrängst, wirst du dich nie von deinem Trauma befreien können." Der Professor erhob sich, als wäre damit alles geklärt.

    "Professor...", hob Alain an, doch Platan legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und erklärte: "Ich werde dich nicht dazu zwingen, aber ich hoffe, dass du es dir überlegen wirst. Wenn du gerade nicht weißt, wohin dich die Zukunft führen soll, musst du zuerst mit der Vergangenheit abschließen. Und Alola ist der einzige Ort dafür."


    -----------------------------------


    Alain gab Acht, keine Geräusche zu verursachen, als er die Treppen von seiner Wohnung im Obergeschoss ins Labor hinunterstieg. Er durchquerte lautlos den Flur zum hinteren Bereich des Gebäudes, von dem ein großer, mit einer Glaskuppel überdachter Garten abging. Dort, wo tagsüber hinter jedem Busch und auf jedem Baum das Geraschel und die Rufe von Pokémon zu hören waren, blieb alles still. Die Dunkelheit kauerte sich in den Ecken, verschmolz mit den schemenhaften Umrissen der Pflanzen. Nur der Mond schlief nicht. Er blinzelte mit seinem silbernen Licht durch das Glasdach und wachte stumm über die schlafenden Pokémon.

    Alain fand zielstrebig seinen Weg durch die Bäume. Vor einem flachen Felsbrocken, der auf einer kleinen Anhöhe thronte, hielt er an und sah nach oben. Die Spitze des Felsens erhellte eine leuchtende Flamme, deren leises Knistern die Stille der Nacht durchbrach.

    Alain pfiff leise durch die Zähne, und der obere Teil des Felsens begann sich zu regen. Zwei saphirblau funkelnde Augen öffneten sich und ein langer Hals streckte sich in die Höhe. Dann entfalteten sich zwei mächtige Flügel vor ihm. Alain lächelte beim Anblick seines geliebten Pokémon. Das Glurak gähnte und entblößte dabei vier spitze Eckzähne. Es wandte sich seinem Trainer zu und stupste ihn sanft mit dem Kopf an, als wollte es sich erkundigen, ob mit ihm alles in Ordnung war. Alain tätschelte den Hals seines Partners und die beiden legten für einen kurzen Moment die Stirn aneinander. Es schien, als würde diese Geste ausreichen, dass Glurak verstand, was sein Trainer fühlte. Wie oft waren sie schon bei zahlreichen schwierigen Kämpfen in Gedanken völlig synchron gewesen, sodass es keine Worte gebraucht hatte, um sich zu verständigen. Alain kannte sein Glurak besser als jeder andere, und umgekehrt war es wohl genauso.

    Die beiden setzten sich nebeneinander auf den flachen Felsen, und Glurak legte fürsorglich einen Flügel um seinen Trainer, um ihn vor der kalten Winternacht zu schützen. Alain spürte die vertraute Wärme des Pokémon, und er merkte gleich, wie es ihn beruhigte, bei ihm zu sein.

    "Professor Platan will, dass wir zu einer Reise aufbrechen", begann Alain. Glurak stieß ein leises, überraschtes Schnauben aus. Als Alain zu seinem Partner aufblickte, sah er das aufgeregte Glitzern in Gluraks Augen und musste schmunzeln. Sein Pokémon hatte das Reisen und vor allem das Kämpfen immer geliebt, und Alain spürte ein leichtes Schuldgefühl bei dem Gedanken, dass er schon seit zwei Monaten nicht mehr mit Glurak gekämpft hatte. Natürlich war sein Pokémon von der Aussicht, das Training wieder aufzunehmen, vollkommen begeistert.

    Die Vorfreude in Gluraks Augen hielten Alain auf einmal davon ab, von seinen Zweifeln über die Reise nach Alola zu sprechen. Er brachte es nicht über sich, seinem Pokémon zu erklären, dass ihm die Kraft dafür fehlte, sich wieder an den Ort zu begeben, an dem er seine Familie verloren hatte. Sicher würde sein Pokémon ihn verstehen, auch wenn es damals noch gar nicht geboren worden war, aber Alain fühlte sich nicht wohl dabei, seine eigenen Ängste über die Wünsche seines Partners zu stellen. Er atmete tief durch und versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Letztendlich war sein Widerstand vermutlich albern. Wie der Professor schon gesagt hatte, würde Alain das Geschehene nicht rückgängig machen können. In dieser Hinsicht war Alola nicht anders als jeder andere Ort. Vielleicht sollte er es tatsächlich wagen.

    Alain wandte sich wieder seinem Pokémon zu und öffnete den Mund, um sich zu erklären, doch Glurak brummte nur beschwichtigend. Es spürte, dass sein Trainer eine Entscheidung getroffen hatte. Und das Band zwischen ihnen war so stark, dass Alain sich nicht vor seinem Pokémon rechtfertigen musste. Es würde ihm immer folgen, egal wohin.

    Glurak gähnte noch einmal und machte es sich wieder auf dem Felsen gemütlich, und Alain legte sich neben ihm auf den harten Stein. Der Mond leuchtete noch immer durch das Glasdach, eingerahmt von einem komplizierten, kunstvollen Muster aus Sternen. Auf einmal wurde Alain bewusst, dass auch diese Himmelskörper ihn stets begleiten würden. Er würde nicht viel zurücklassen, wenn er in eine fremde Region aufbrach. Was hatte er dann noch zu verlieren? Mit diesem beruhigenden Gedanken schloss Alain die Augen und war schon bald neben seinem Pokémon eingeschlafen.



    LILLY


    Die staubbedeckten Seiten der alten Bücher raschelten leise, als Lilly sie mit flinken Fingern durchblätterte. Die aufstiebenden Partikel kitzelten die Nase des blassen Mädchens und verfingen sich in ihrem langen, hellblonden Haar. Lilly wusste nicht mehr, wie viele Stunden sie schon wieder in der Bibliothek zugebracht hatte. Doch in jedem Buch, das sie überflog, entdeckte sie einen neuen unbekannten Begriff oder einen Namen, der ihr Interesse weckte, und dann durchstöberte sie erneut das Regal im zweiten Obergeschoss nach einem weiteren Band.

    "Lunala, der Mondbringer", murmelte Lilly gedämpft vor sich hin und kaute in Gedanken versunken auf ihrer Unterlippe. "Es heißt, Lunala sei eine Abgesandte des Mondes und ihr Körper berge unendliche Energie, die sie mit den Schutzpatronen Alolas teilte."

    Ein leiser Glockenschlag riss sie aus ihrer Versunkenheit. Erschrocken warf Lilly einen Blick zum Fenster, hinter dessen Scheibe sich bereits die Dämmerung niedergelassen und die Sonne hinter den Horizont gedrängt hatte, und anschließend auf die Uhr. Schon viertel vor neun Uhr - der Professor würde sich Sorgen machen, wo sie abgeblieben war. Hastig sprang Lilly auf, raffte ihre Habseligkeiten zusammen und stopfte die Aufzeichnungen, die über den gesamten Tisch verteilt waren, in ihre Tasche. Dann klappte sie die Bücher zusammen und stellte sie sorgfältig an den richtigen Platz im Regal.

    Sie huschte die Treppen hinab, verabschiedete sich kurz von der Bibliothekarin am Tresen und trat in die kühle Abendluft hinaus. Trotz ihrer Eile blieb sie einen Moment stehen und atmete tief durch. Der schwere Duft der blühenden Büsche am Straßenrand erfüllte noch immer die Luft, und aus den Kronen der hohen Palmen hörte sie das melodische Zwitschern einiger Pokémon. Während sie sich auf den Weg zum Stadtrand von Hauholi City begab, schweiften ihre Gedanken wieder ab und kehrten zurück zu den uralten Legenden, von denen sie in der Bibliothek gelernt hatte.

    Schon immer hatte sie sich für Mythen und Sagen interessiert, doch seit sie Wölkchen kennengelernt hatte, war sie noch begieriger, mehr über die Geschichte Alolas zu erfahren - und eines Tages hoffentlich auch über Wölkchens Herkunft. Das verspielte, harmlose Pokémon, das hauptsächlich aus einer kleinen Nebelwolke bestand, gab ihr immer noch zahlreiche Rätsel auf, und selbst mit Professor Kukuis Hilfe hatte sie noch nicht viel über diese bisher unbekannte Spezies herausgefunden. Sie wusste nur, dass Wölkchen offenbar Teil eines Forschungsprojektes der Æther Foundation gewesen war, und vermutlich wussten die dort arbeitenden Wissenschaftler ebenso wenig, woher Wölkchen gekommen war und was es mit diesem Pokémon auf sich hatte. Beim Gedanken daran, was diese Barbaren wohl mit ihm angestellt hätten, um das herauszufinden, lief Lilly ein kalter Schauer über den Rücken. Wenigstens war ihr kleiner Schatz nun vor diesen grausamen Experimenten sicher.

    Lilly erreichte die letzten Häuser der Stadt und folgte einem ungepflasterten Weg, der sich durch die dichte Vegetation am Stadtrand schlug. Nach ein paar hundert Metern strahlten ihr bereits die warmen Lichter des Pokémon-Labors entgegen, in dem sie vor einigen Monaten Zuflucht gefunden hatte, nachdem sie mit Wölkchen von Zuhause geflohen war. Seitdem lebte sie hier bei Professor Kukui, half ihm als Dank für seine Fürsorge bei seiner Forschungsarbeit und kümmerte sich nebenbei um Wölkchen. Trotz der dramatischen Umstände, wie sie hierher gekommen war, liebte Lilly ihre Arbeit bei Professor Kukui, doch sie wusste auch, dass sie nie Ruhe finden könnte, solange sie nichts über Wölkchens Vorgeschichte wusste. Lilly stieg die Stufen der Veranda nach oben und streckte die Hand nach dem Türgriff aus. Bevor sie eintrat, drehte sie sich noch einmal um und ließ den Blick über das Meer schweifen, das vor ihr in der Stille der hereinbrechenden Nacht ausgebreitet lag. Der silbern schimmernde Mond schwebte reglos darüber und schien sein Spiegelbild in den Wellen zu bewundern, während ihm die Sterne zu allen Seiten Gesellschaft leisteten. Lilly betrachtete ihn ehrfürchtig und stellte sich vor, dass Lunala von dort oben über sie und die gesamte Region wachte, und dass das Legendäre Pokémon sie auf all ihren Wegen begleiten würde. Sie merkte, wie sich ein Lächeln auf ihre Lippen schlich. Mit einem letzten Blick wandte sie sich ab und trat durch die Tür.



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  • Hallo,


    ich erinnere mich an das Serienkonzept und bin erfreut zu sehen, wie viel du an Rahmenhandlung mit erwähnst. So sollte es recht leicht fallen, sich mit der Prämisse um Alains Vergangenheit und Lillys aktueller Situation zurechtzufinden. Dass sich Alain nach den Ereignissen um Team Flare noch nicht für neue Kämpfe oder eine Reise bereit fühlt, ist ebenso nachvollziehbar, wie er nicht nach Alola möchte. Dass er dennoch über die Entscheidung nachdenkt, zeigt seine Reife und dass er nicht völlig stur einer Linie folgt und Entscheidungen abwägen muss. Auf das Treffen mit Lilly freue ich mich bereits.


    Wir lesen uns!

  • Hi Luna! ^-^


    Es ist an der Zeit, dass ich auch dein neues Kapitel kommentiere. :D

    Ich fand die erste Episode sehr toll und du hast einen richtig schönen Einblick in Alains Gefühlswelt gegeben! Ich erinnere mich noch an ihn aus der Mega-Entwicklungs-Miniserie, und ich finde, du hast die Kernpunkte seine Charakters sehr toll eingefangen. Gleichzeitig wird die Story mit mehr Hintergrund zu ihm und seinem Verhalten angereichert, was ich echt spannend finde. Ich hoffe sehr, dass er in Alola etwas mit der Vergangenheit abschließen kann. :O


    Deinen Schreibstil in dem Kapitel finde ich auch richtig supi, das war total professionell, finde ich! *-*

    Wenn ich bedenke, dass so ein tolles Kapitel der Stand deiner Fähigkeiten von vor fünf Monaten ist, wie stark sind deine Schreibkräfte dann jetzt erst... :O


    Mir hat es sehr gut gefallen, wie alle Hauptfiguren jetzt ihre eigene Verbindung mit der Alola-Region haben, und auch nicht alle positiv. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wie es ihnen allen dort ergehen wird.


    GLG

    Iluna