Das Unterforum verdient mal ein neues Topic und da ist ein Trope, beziehungsweise eine ganze Ansammlung an Tropes, die mich seit einer Ewigkeit stören. Sie alle drehen sich um Intelligenz und das scheinbar gestörte Verhältnis von Autor*innen zu diesem Thema.
Mich stört häufig mal der Umgang damit, weil Intelligenz nicht selten aufgesetzt, einseitig und klischeehaft wirkt und so, als wollte sich die*r Autor*in selbst ein bisschen auf die Schulter klopfen, um ehrlich zu sein, obwohl das heutzutage / in neueren Werke imo teilweise schon echt besser wurde. Um einiges, zumindest in einigen Werken.
Was mich am meisten stört ist, dass es oft unecht und "tacked on" an einem Charakter wirkt und dies bei (meiner Meinung nach) schlechter geschriebenen Beispielen die eine Eigenschaft ist, die ihn zu großen Teilen als Menschen ausmacht.
Das, und dass es einen Rattenschwanz von Klischees nach sich zieht, die intelligente Menschen oftmals mit der Sozialkompetenz und einem EQ von -50, die schlimmsten Beispiele besitzen eine fast roboter/alienartige Persönlichkeit, sind antisoziale Nerds und werden als sehr unattraktiv dargestellt.
Ich schreib mal meine Gedanken zu verschiedensten Themen und Klischees auf, die damit in Zusammenhang stehen und ihr könnt dazu was ergänzen, eure Gedanken beisteuern oder whatever.
- Es gibt diesen Trope des Genius Asshole. Solche Charaktere wie Dr. House waren anfangs imo noch lustig, bis dieses Verhalten von Staffel zu Staffel soziopathischer wurde und da stellt man sich die Frage: Wieso geben sich andere Menschen ständig mit seinem Bullshit ab? Das Umfeld ist wohl kaum selbst auf den Kopf gefallen und es wäre nicht so, als könnte sie ohne dem einen Arschloch nicht überleben.
- Nur weil ein Charakter Fachwissen eins zu eins auswendig lernt und runterratscht, ist er nicht gleich hochbegabt. Nur weil ein Charakter ein lebendiges Lexikon ist, ist er nicht gleich "der Intelligente der Gruppe". Nachschauen gehen kann ich auch, dafür brauch ich keine kalorien- und sauerstoffbetriebene Wikipedia neben mir stehen.
Und im Gegenzug dazu: Das wird uns zwar von der Gesellschaft und dem Schulsystem so eingebläut, aber ungebildete Menschen, oder solche mit schlechten Noten, sind nicht gleich dumm.
Auch wird immer so getan, als wäre die mathematisch-logische Intelligenz jeder anderen Form von Intelligenz überlegen und achja: IQ Tests sagen in Wahrheit sehr wenig über eine Person aus.
Gerade in dieser Weise klischeehaftere Werke stellen es so dar, als wären andere Formen von Intelligenz gar nicht vorhanden oder nicht der Rede Wert.
Common Sense und street smart zu sein ist Intelligenz, Empathie (nicht Mitgefühl an sich, sondern im Sinne von: sich in den Kopf eines anderen hineinzudenken) ist Intelligenz, Intuition ist Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und "Ressourcefulness" ist eine eigene Art von Intelligenz ... das könnte man noch auf einige andere Eigenschaften ausweiten, und fast jeder Mensch hat in sich alle Formen, eben in unterschiedlicher Gewichtung und Ausprägung.
- Gebt den Charakteren zumindest ein paar subtilere Eigenschaften, die auf Intelligenz hindeuten.
Zum Beispiel:
x die Fähigkeit zwischen den Zeilen zu lesen und Botschaften zwischen den Zeilen zu verpacken, ist ein recht subtiles, aber sehr klares Zeichen dafür, dass sich in oberen Gefilden die Zahnräder drehen.
x viele intelligente Menschen sind gute Beobachter*innen. Bloß in unterschiedlichen Bereichen, manche eher auf menschlicher Ebene, manche eher auf Maschinen und co. bezogen, manche konzentrieren sich auf andere Formen von Details.
x intelligente Menschen denken vielleicht auch, aber in einem nicht so extremen Maße in einem Entweder-Oder-Schema und können besser differenzieren, oder Abstufungen erkennen. Sie haben häufig nicht bloß den einschienigen "Train of Thoughts".
x vor allem akademisch intelligente Menschen sind sehr neugierig, haben verschiedene Interessen, sie können komplexe Sachverhalte verständlich erklären und sich ihrem Publikum anpassen. Sie können ihr Wissen ebenfalls umsetzen und es kreativ anwenden, nicht bloß auswendig lernen und es dir wieder vor die Füße werfen.
x das gilt natürlich nicht für alle, aber im Großen und Ganzen gilt, dass intelligente Menschen gerne Ironie und Sarkasmus verwenden, da dies auch eine Form von Empathie ist. Beides erfordert die Fähigkeit sich in andere hineinzuversetzen und viele intelligente Menschen haben auch Freude an Wortspielen und Banter and the like.
x intelligente Menschen sind sehr gut darin sich und andere zu reflektieren und Situationen zu evaluieren. Besonders Menschen mit einer gut ausgeprägten Intuition können solch eine Evaluation rasch treffen und ihre Gefühle sowie ihren Common Sense aufeinander abstimmen, um eine Entscheidung zu treffen.
- Nur weil jemand ein Pretentious Asshole ist, mit großen Worten daherkommt und dir auf die Nase bindet, dass er Klassiker der Weltliteratur liest, bedeutet das nicht, dass man einem intelligenten Menschen gegenübersteht.
Im Gegenteil, viele wollen hinter der heißen Luft verbergen, dass sie genauso "durchschnittlich" sind wie andere auch. Was solche Charaktere auch öfters tun, ist es Klassiker oder Philosoph*innen zu zitieren und dann von der Narrative dafür bejubelt zu werden. Please. Stop.
Btw: intelligente Menschen schmeißen oft nicht mit mehr Fachbegriffen und "großen Worten" um sich als nötig, sondern schaffen es komplexe Sachverhalte in normaler Alltagssprache zu erklären und die Informationen auf das Nötigste zu beschränken, sodass es für viele verständlich ist.
- Auch intelligente Menschen haben Aussetzer, sagen mal was Dummes, tun was Dummes aus Angst, Sorge, Zorn oder anderen, emotionalen Gründen. Oder einfach nur, weil sie im Alltag im "Autopiloten" sind.
Ich verstehe nicht wieso man Angst davor hat Charaktere auch menschlicher zu schreiben und Fehler begehen zu lassen, bloß un deren Intelligenz hochzuhalten.
Menschen sind keine Roboter oder Spielecharaktere mit gewissen Stats und sich immer wieder wiederholenden Handlungen.
- Charaktere am Kampffeld, die "brawn but no brain" sind, sind oftmals unrealistisch, weil die gar nicht so viel Glück haben können, dass sie bisher noch nicht das Zeitliche gesegnet hätten.
Lasst den Trope bitte sterben. Bitte. Vor allem in Kombination dazu, wenn jemand anderes das Denken übernimmt und es ein "Brawn and Brain"-Duo in Reinform wird. ^^'
- Man kann Menschen nicht zu 100 % lesen, auch wenn man noch so gut darin ist Mimik und Körpersprache zu lesen. Es gibt keine menschlichen Lügendetektoren, die fehlerlos funktionieren (und mechanische auch nicht) und es gibt kein Handbuch dafür, dass jene Körpersprache immer auf X zurückzuführen sein muss. Das ist Pseudopsychologie und lässt die gesamte Individualität eines Menschen aus.
- Da das irgendwie schon seit langem ein beliebtes Klischee ist ... nein, intelligente Frauen oder Bücherwürmer sind nicht automatisch Mauerblümchen und auch nicht gleich krankhaft schüchtern. Und sie sind auch nicht "anders als alle anderen Frauen".
- Nein, Athlet*innen und anderwertig sportliche Menschen sind nicht automatisch dumm. Das eine sagt sehr wenig über das andere aus und nein, auch Aussehen steht in keinerlei Korrelation zur Intelligenz einer Person. Genauso wenig wie Extro- oder Introversion, oder die sozialen Fähigkeiten eines Menschen etwas über dessen Oberstübchen aussagen.
- Hochbegabte Kinder sind emotional gesehen trotzdem Kinder, egal wie viel sie von irgendwelchen Fachthemen verstehen, und viele verwenden bloß deshalb hochgestochenes Vokabular, weil sie von Erwachsenen ernstgenommen werden wollen.
Allgemein haben es manche hochbegabte Kinder schwer, weil sie oft bei den meisten Gleichaltrigen, aber auch bei den Älteren, nicht so richtig reinpassen ... das heißt aber nicht, dass sie sich alle so roboterhaft und altklug benehmen wie es oft dargestellt witd.