Neurodiversität
Wir haben zwar sowohl ein Topic über psychische Krankheit wie auch eines über Autismus, aber beides ist sehr überholt, was dieses Thema betrifft und nicht wirklich passend dort darüber zu reden.
Da ich in einem anderen Topic letztens angesprochen habe, dass bei mir meine Psychiaterin und meine Therapeutin den großen Verdacht hegen, ich könnte AD(H)S haben und wir viel darüber gesprochen haben, und wie dies bei mir aussieht, hab ich mich entschlossen ein Topic zu eröffnen. Ich hab auch sehr lange gebraucht das anzusprechen, da ich mich nicht selbst diagnostizieren wollte etc.
Bevor ich das Topic starte, muss man natürlich dazusagen:
Internet-Selbsttests und Selbsteinschätzungen sind eine Orientierung, ersetzen jedoch keine Gespräche und Diagnosen mit / von Fachärzt*innen!
Allerdings muss auch gesagt werden, dass Diagnosen, fachliche Begleitung, Hilfen und anderes nicht zwingend von Nöten sind, wenn kein Leidensdruck, wie es genannt wird, herrscht oä.
Man kann Neurodiversitäten selbstverständlich nicht "wegtherapieren". Therapien helfen bloß dabei mit ihnen umzugehen und sie in den Alltag zu integrieren, wenn das erwünscht sein sollte.
Ich hab mich auch nun stärker für diese Themen interessiert, als es zuvor schon der Fall war, aber ich will hier vor allem auf das Wichtigste eingehen, damit ihr hier kein Essay aus 5.000 Worten lesen müsst.
Ich werde im Startpost auch etwas mehr über ADHS reden, weil man sich selbst halt doch noch am besten kennt. ^^
Unter Neurodivergenzen fallen vor allem (dabei können einige dieser überlappen, was natürlich sehr individuell ist) ...
- Autismus-Spektum-Störung (ASD: Autism-Spectrum-Disorder), wird nach den alten Termina noch als Störung bezeichnet
- Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts-Störung (AD(H)S), wird ebenfalls noch als Störung bezeichnet; auf Englisch ADHD genannt. D steht hierbei für Disorder.
- Hypersensibilität
- Dyspraxie (Koordinationsstörung)
- Legasthenie (Lese- und Rechtschreibschwäche)
- Dyskalkulie (Rechenschwäche)
- Prosopagnosie (Gesichtsblindheit)
- Tourette-Syndrom
Wissenswertes (relativ) kurz gefasst
Neurodiversität, oder auch Neurodivergenz genannt, ist ein Sammelbegriff für neurologische Unterschiede im Vergleich zu neurotypischen Personen.
Für diese Neurodiversitäten bestehen Prädispositionen, also Veranlagungen, die angeboren sind und sich nicht ändern oder umkonditionieren lassen.
Diese umfassen zum Beispiel die Denk- und Handlungsweisen einer Person, die Art wie Sinneseindrücke und Informationen aus der Umwelt aufgenommen und nach außen hin vermittelt werden, Interessen etc...
Dabei ist Neurodiversität ein sehr moderner Begriff, der sich selbst in Fachkreisen erst langsam durchsetzt.
Wichtig hierbei zu erwähnen ist, dass Neurodiversitäten weder eine psychische Krankheit noch eine geistige Behinderung sind!
Anmerkung: Dies ist das offizielle Symbol für Neurodiversität:
Verwendet bitte keine Puzzleteile, da diese bedeuten, dass dir quasi ein Stück fehlt, und mit einer sehr zwielichtigen Organisation namens Autism Speaks in Verbindung gebracht werden.
Eine Neurodiversität an sich bedeutet auch nicht zwingend, dass ein Kind oder Erwachsener im Alltag "nicht normal funktionieren kann" und sie sagt nichts oder nicht viel über die Intelligenz, persönliche Reife oder bestimmte Charakterzüge und Ansichten einer Person aus.
Auf manche trifft es natürlich zu, dass sie Unterstützung benötigen, aber die meisten neurodiversen Menschen sind im Alltag kaum von neurotypischen Personen zu unterscheiden. Vor allem wenn man sie nicht besser kennenlernt.
Hierbei existieren sehr viele Vorurteile und Fehlannahmen, die hauptsächlich durch fiktive Medien wie auch durch Dokumentationen geprägt wurden, die vor allem in früheren Jahrzehnten wieder ein sehr einseitiges Bild von ADHS und Autismus zeigten. Dabei wurden immer neurodiverse Menschen hergenommen, die sehr stark auf Unterstützung angewiesen waren.
Dabei ist anzumerken, dass es natürlich diese Arten von Menschen gibt, wie sie Rain Man, Sheldon Cooper etc. darstellen oder extrem anstrengende und reizbare Kinder mit ADHS, wie sie das Klischee darstellt, aber die wenigsten Menschen, die eine oder mehrere Formen der Neurodiversität aufweisen, sind auf den ersten Blick derart auffällig.
Daher sind viele Menschen der Annahme, dass Kinder mit ADHS einfach bloß laut und quirlig seien und Kinder mit Autismus entweder wie Rain Man oder Sheldon Cooper sein müssen.
Dabei sind fast alle diese Beispiele und Darstellungen männlich, weswegen Mädchen und nicht-binäre Menschen, die als weiblich gelesen werden, sehr viel seltener diagnostiziert werden.
Bei Erwachsenen werden Neurodiversitäten sehr leicht übersehen, und wieder: vor allem bei erwachsenen Frauen, und weiblich Gelesenen, werden diese selten diagnostiziert.
Das hängt unter anderem auch damit zusammen, dass Mädchen und Frauen oftmals sehr viel mehr Energie darin investieren gewisse Charakteristika und Verhaltensweisen zu maskieren, und häufig, aber natürlich nicht immer, auch andere Interessen als ihre Hyperfixations oder Spezialinteressen entwickeln als es Buben und Männer, und als männlich gelesene und sozialiserte Personen, tun.
Viele wissen es bis in ihr Erwachsenenalter oft nichtmal selbst und wurden bisher von ihrem Umfeld vielleicht als exzentrisch, nerdig oä. beschrieben, oder als Menschen, die sich oft und extremer als andere, neurotypische Personen in ein Interesse hineinsteigern, und unter Umständen sozial etwas seltsam, oder viel häufiger als andere geistig abwesend und "in ihrer eigenen Welt" wirken.
Die meisten Menschen mit ADHS oder ASD lernen natürlich auch damit umzugehen.
So schauen Menschen mit Autismus anderen in die Augen, selbst wenn es ihnen unangenehm ist und lernen zumindest bis zu einem gewissen Grad Sarkasmus zu lesen oä.
Personen mit ADHS wenden sehr viel mehr Energie als andere darauf auf, um sich auf etwas konzentrieren, das nicht gerade ihre Hyperfixations entspricht, und müssen oft eisernen Willen aufbringen, um etwa in der Schule in diesen Fächern nicht durchzufallen, und investieren ebenso sehr viel Energie dahinein sich zumindest nach ihren eigenen, besten Möglichkeiten zu organisieren, Zeitpläne und tägliche Abläufe einzuhalten.
Sowohl Personen mit ASD, sowohl solche mit ADHS, lernen häufig in ihrer Kindheit und Jugend bereits, dass sich nicht jeder für ihre Spezialinteressen interessiert, und eventuell auch wie man dennoch Freundschaften mit anderen, speziell mit neurotypischen Personen, schließt.
Auf der anderen Seite bedeutet das natürlich nicht, dass neurotypische Menschen alle gleich und deren Gehirne "standardisiert" seien oä.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ADHS und ASD sowie Hypersensibilität
Die wichtigsten Gemeinsamkeiten
Die auffälligste Gemeinsamkeit ist wohl, dass sowohl Personen mit ADHS sowohl jene im Autismus-Spektrum, sehr oft "Hyperfixations" entwickeln und sich hyperfokusieren können. Das bedeutet nun nicht bloß, dass man aufmerksam an einer Sache arbeiten kann oder ein gewisses Interesse entwickelt, sondern geht weit darüber hinaus, und sie müssen sich häufig sehr zusammenreißen, damit sie nicht andauernd über ihre neue Obsession reden.
Das Vorurteil besagt zwar, dass sich Menschen mit ADHS gar nicht konzentrieren können, was natürlich nicht der Wahrheit entspricht. Hierbei geht es mehr um eine Regulation der Aufmerksamkeit auf eine gewisse Sache, Interesse und Tätigkeit.
Sowohl Personen mit ADHS wie auch solche mit ASD zeigen häufig eine Dyspraxie, sprich eine schlechtere Koordination als andere Menschen.
Oft fällt es sowohl Menschen mit ADHS wie auch solchen mit ASD, oft schwer ihre eigenen Gefühle zu erkennen und zu kommunizieren, und fühlen sich auch durch manchmal äußere Sinneseindrücke und Informationsüberfluss überfordert, was oft sehr erschöpfend sein kann.
Dies trifft auch auf Menschen mit Hypersensibilität zu, welche in erster Linie eine verstärkte und sensiblere Wahrnehmung von Sinneseindrücken betrifft.
Diese teilen sie mit einigen Personen mit ADHS und ASD, weshalb einige eine sehr starke Abneigung oder Vorliebe gegen oder für bestimmte Düfte, Geräusche oder Texturen von Kleidung oder etwa auch Essen entwickeln.
Die wichtigsten Unterschiede
Personen mit ADHS oder Hypersensibilität haben weniger bis keine Probleme damit Mimiken, Absichten anderer und deren Stimmungen zu lesen, zwischen den Zeilen zu lesen, mit Sarkasmus umzugehen, Sinnbildliches zu erfassen und zu lügen, wie neurotypische Personen auch.
Menschen mit ADHS unterbrechen andere zum Beispiel eventuell häufiger als sie es tun sollten, oft einfach nur aus reinem Enthusiasmus heraus, aber sie lernen und wissen an sich von selbst, dass sie es nicht sollten, sowie andere soziale Regeln bzw. lernen diese sozialen Regeln sowie neurotypische Kinder.
Das Einhalten fällt oft schwerer, vor allem wenn man sich gerade begeistert oder das Gegenteil: die Energie zum Fokusieren aufgebraucht sind.
Ein weiterer Unterschied besteht wohl darin, dass Menschen im Autismusspektrum oft Sicherheit in klaren Strukturen, Ordnung, Organisation und Regeln finden, während Menschen mit ADHS oft große Probleme damit haben sich zu organisieren, Strukturen im Alltag beizubehalten und sich von wiederkehrenden Abläufen und zu strikt strukturierten Plänen oft gelangweilt bis eingeengt fühlen.
Diese Merkmale dürften wohl die bedeutendsten Unterschiede darstellen, wobei das natürlich nicht bedeutet, dass Menschen im Autismusspektrum tatsächlich "roboterhaft" und ohne Empathie oder jeglichen Sinn für Humor seien oder jeden Kontakt zu anderen Menschen nicht brauchen oder sogar hassen würden, wie sie oft von Medien dargestellt werden.
Ein paar Diskussionsanregungen
Das reale Leben
Wie sehr habt ihr euch bisher mit diesem Thema befasst? War euch der Begriff Neurodiversität bzw. Neurodivergenz bisher bekannt?
Wurde bei euch oder jemanden, den ihr kennt, ein ähnlicher Verdacht gestellt? Wenn ja wie und weshalb?
Welche Vorurteile habt ihr bisher geglaubt oder glaubt ihr noch?
Medien-Darstellungen
Wie gefällt euch die Darstellung von Neurodiversitäten in Medien? Welche kennt ihr bzw. welche sind euch im Gedächtnis geblieben?
Welche Charaktere könnt ihr nicht leiden oder empindet sogar ihr als schädliche Darstellung?
Gibt es welche, die ihr mögt und auch als positive Darstellung empfindet?