Becoming Charlie

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    Wer bin ich?

    Charlie fühlt sich weder als Frau noch als Mann. Doch was ist Charlie dann? Die Coming-of-Age-Serie "Becoming Charlie" begleitet Charlie (Lea Drinda) auf der Suche nach der eigenen Identität.
    (offizielle Kurzbeschreibung)


    In Becoming Charlie geht es um die titelgebende Hauptperson Charlie, die als Frau geboren wurde, sich aber im Verlauf der Miniserie mit der eigenen Geschlechtsidentität auseinander setzt. Dabei ist die Ausgangslage schon generell wahnsinnig schlecht. Charlie lebt mit der eigenen Mutter in einer Wohnung der Tante in einem Plattenbau, leidet unter den Geldproblemen und Kaufsucht der Mutter und führt eine heimliche Affaire mit einer schwangeren Freundin. Musik spielt in Charlies Leben eine große Rolle und Charlie selbst schreibt Rap-Texte, mit denen Gefühle und Erlebnisse in Worte gefasst werden. Als Charlies Tante dann auch noch zur Tilgung der Schulden der Mutter Charlies angespartes Geld nimmt und Charlie selbst in der Hausverwaltung mitarbeiten lässt, führt das zu einigen interessanten Begegnungen.


    Die Serie ist eine eigene Produktion des ZDFs mit einigen deutschen Schauspielern, die der ein oder andere bereits kennt. Die Rolle des besten Freundes Nikolas wird von Danilo Kamperidis gespielt, der ebenfalls schon in der erfolgreichen Netflix-Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" im Hauptcast vertreten war. Katja Bürkle, die Charlies Tante Fabia spielt, war seit 2008 immer mal wieder im Tatort und anderen Kriminalserien zu sehen, genauso wie auch die Schauspielerin von Charlies Mutter, Bärbel Schwarz. Mit Lea Drinda hat man sich für Charlie allerdings eine noch recht junge und neue Schauspielerin in die Hauptrolle geholt.

    Das Drehbuch wurde von Lion H. Lau geschrieben, ebenfalls eine nicht-binäre Person ohne Pronomen. Dabei wurden eigene Erfahrungen mit in das Drehbuch eingebaut.


    Neben einer nicht-binären Hauptperson passiert auch sonst viel Queerness in der Serie. Charlies Tante steckt selbst durch ihre Optik ein bisschen zwischen den Geschlechtern und führt eine homosexuelle Beziehung, eine weitere homosexuelle Beziehung anderer Charaktere kommt im Laufe der Serie ebenfalls noch dazu. Charlie lernt ebenfalls im Verlauf der Serie eine Person in einer Poly-Beziehung kennen und seine heimliche Affaire ist ebenfalls nicht hetero.

    Es werden Pronomen in der Serie thematisiert, sowie die Gefahren des Brüste abbindens mit Frischhaltefolie. Auf Binder wird allerdings nicht eingegangen, stattdessen wird die Möglichkeit, sich die Brüste mit dehnbarem Tape (zum Beispiel Kinesiotape) abzubinden vorgestellt, die auch generell in Trans- und nicht-binären Gemeinschaften mehr Anklang findet.


    Man kann sich alle 6 Folgen der Miniserie in der ZDF-Mediathek kostenlos ansehen, im Fernseher wird sie am 24.5.2022 ab 20:15 auf dem Sender ZDF neo komplett ausgestrahlt.


    Wie findet ihr die Serie generell?

    Wie findet ihr die Darstellung verschiedener Arten der Queerness in der Serie?

    Ist der Umgang mit dem Thema nicht-binär in euren Augen gelungen oder eher nicht? Was daran fandet ihr gut umgesetzt, was eher nicht?

    Würdet ihr euch eine zweite Staffel wünschen? Wenn ja, was würdet ihr gerne darin sehen?

  • Ich werde dann auch direkt mal meinen eigenen Eindruck der Serie schildern. Vorneweg: Ich werde auf einige Punkte recht genau eingehen, also werden logischerweise Spoiler enthalten sein. Lest den Beitrag nicht, wenn ihr die Serie noch spoilerfrei sehen wollt.


    Kommen wir also zur Serie.

    Fangen wir allgemein an. Die Serie ist wahnsinnig dramatisch einfach schon aus dem generellen Umfeld und der Lebensrealität von Charlie heraus. Grade in der ersten Folge dachte ich mir "oh wow, nichts an Charlies Leben läuft wirklich gut, da sind deutlich mehr Probleme als die Identifikation vorhanden" und das zeigt sich auch durch den Rest der Serie. Man braucht bei einigen Charakteren definitiv Zeit, um mit ihnen warm zu werden, das ist aber nichts wirklich schlechtes. Es wird auch nicht so übertrieben Wert darauf gelegt, dass jeder Charakter jetzt einen ganzen Character Developement Arc bekommt um zu zeigen "hey die Person war am Anfang scheiße, aber am ende ist sie lieb!" (was in der Länge der Serie auch einfach nicht möglich gewesen wäre), sondern viel passiert einfach nebenbei durch Einblicke in das Leben der verschiedenen Personen und ihr Verhalten. Grade bei Charlies Tanta Fabia ist das extrem. In der ersten Folge ist sie unfassbar unsympathisch, aber dann nach und nach sieht man immer mehr von ihrem Leben, ihrer Beziehung, ihren gesundheitlichen Problemen, Sorgen und der schwierigen Beziehung zu ihrer Schwester, bis sie am Ende doch sehr fürsorglich für Charlie wird. Das hängt dann sicher auch mit ihrer Realisation zusammen, dass Charlie vermutlich ähnliche Probleme in der Akzeptanz hat, wie sie als Person in einer homosexuellen Beziehung auch, und Charlie sonst keine familiäre Unterstützung hat. Das passiert aber nicht on screen. Man sieht, wie die Mutter mit Charlie, Fabia und Fabias Partnerin in Fabias Küche steht, dann kommt es zu einem Streit wegen Charlies Identifikation und dann verlässt Charlie die Wohnung und man sieht nicht, wie es in der Küche weiter geht. Man weiß als Zuschauer nicht, was genau da passiert ist, aber man sieht dann später, wie Fabia sich Charlie gegenüber deutlich liebevoller verhält und sich als Vertrauensperson anbietet. Das fand ich sehr spannend zu beobachten, auch einfach weil es meiner Meinung nach sehr gut umgesetzt wurde und so viel mehr Informationen in die einzelnen Charaktere bringt, als es die Serie sonst in der kurzen Zeit machen könnte.


    Kommen wir mal explizit zu Charlie und dem Umgang mit der Identifikation als nicht-binär. Was ich dahingehend sehr spannend fand ist, dass man sich bei der Optik von Charlie sehr bewusst zu einem nicht eindeutigen Bild entschieden hat. Bevor Charlie von jemandem mit Pronomen oder Geschlechtsbezeichnungen angesprochen wird, ist es gar nicht so ersichtlich, ob man jetzt einen gebürtig männlichen oder weiblichen Charakter vor sich hat. Und bis auf ein paar Kommentare von anderen und im Bezug auf Dysphoria ist es auch nicht weiter relevant. Charlie könnte alles sein. Dann würden sich einige Szenen vielleicht anders abspielen, da für eine gebürtig männliche Person Brustbinding eher weniger ein Thema sein wird, aber im Großteil der Serie hatte ich nicht den Eindruck, als ob es den Umgang mit Charlie verändern würde, welches Geschlecht bei Geburt zugewiesen wurde.

    Was mir persönlich nicht so zugesagt hat, war generell der sehr problematische Umgang mit Rückschlägen. Auch wenn Charlie sich immer wieder im Nachhinein gefangen hat und Dinge gradebiegen wollte, war die erste Reaktion oft Aggression in unverhältnismäßigem Ausmaß. Ein Auto wird zerkratzt, ein Regal wird so fest getreten, dass es zusammenbricht und der Inhalt kaputt geht, Arbeitskleidung und Utensilien werden aus Frust über die Kündigung einfach in den Müll geworfen. Das sind die definitiv auffälligsten Ereignisse, aber im kleineren Rahmen sieht man das noch häufiger, zum Beispiel auch durch sehr unkontrolliert wirkendes Wutgeschrei. Natürlich ist es nicht verkehrt, einen Charakter diese Eigenschaft zuzuschreiben, es wird auch im Verlauf der Handlung ersichtlich, dass es sich bessert, je mehr Charlie zu sich selbst findet, ich finde es nur generell Schade, dass man sich für die erste (mir bekannte) Repräsentation eines nicht-binären Hauptcharakters direkt für so ein extremes und von schrecklichen Umgebungsproblemen geplagtes Bild entschieden hat.

    Den Umgang mit der Identität finde ich aber recht gut, nachvollziehbar und real. So kommt Charlie eben als erstes zu dem Gedanken "Ich identifiziere mich nicht mit meinem zugewiesenen Geschlecht, also muss ich das andere sein", bevor dann realisiert wird, dass das auch nicht so wirklich passt. Man sieht Charlie aktiv nach Begriffen wie "Pronomen selbst bestimen" und "nonbiary" googlen und es werden kleine Snippets von Youtubevideos eingeblendet, in denen andere queere Personen von ihren Erfahrungen berichten. Auch wenn Aufgrund der kurzen Serienzeit die Abläufe extrem beschleunigt werden, fühlt sich der Ablauf natürlich an. Auch die Mutter als Person, die am wenigsten Verständnis für Charlie hat, zwar danach gegoogled hat aber zu völlig falschen Schlüssen kam, fand ich als Charakter, der für Vorurteile und gesellschaftliche Erwartung steht, recht gut umgesetzt. Grade die beiden Szenen, in denen sie sich daran aufhängt, dass Charlie sich die Brüste abschneiden möchte, auch wenn Charlie das so nie auch nur im Ansatz gesagt hat, oder als sie bei Charlies Outing ruft "Du bist eine Frau, ob es dir passt oder nicht! Ich habe eine Tochter geboren, ob es dir passt oder nicht!" zeigen das sehr deutlich. Auch hier ist diese Ablehnung sehr in eine einzige Person zentriert, die neben der Haupthandlung noch eine ganze Ladung eigener Probleme hat, was es natürlich wieder sehr extrem macht. Es wäre wohl deutlich angenehmer gewesen, wenn man das auf mehrere Personen aufgeteilt hätte, was aber in dem recht kleinen Cast der Serie nicht funktioniert hätte.


    Der Umgang mit Queerness allgemein in der Serie, war zwischen den Formen der Queerness sehr unterschiedlich. Die beiden homosexuellen Beziehungen wurden meiner Meinung nach recht normal dargestellt. Auch wenn es in Fabias Beziehung definitiv einige Probleme und Streit gibt, empfand ich das nicht als negative Darstellung, da es einfach zu Beziehungen dazugehört. Es ist einfach normal und die Streitpunkte absolut nachvollziehbar und am Ende des Tages haben sie sich wieder versöhnt. Die homosexuelle Beziehung zwischen Nikolas und Mirko ist dagegen sehr von Ängsten geprägt. Grade von Nikolas Seite merkt man das sehr stark, wie viel Angst er vor der Reaktion "der anderen" hat und er sich nicht traut, seine Beziehung offen auszuleben, was für das generell problematische und von toxischen Männlichkeitsidealen geprägte Umfeld auch sehr realistisch ist. Darüber hinaus wird die Beziehung aber nie als etwas schlechtes oder kaputtes dargestellt, sondern eben sehr normal.

    Anders sieht es bei der Darstellung der poly/offene Beziehung aus, die von Beginn an als dysfunktional dargestellt wird. Man erfährt nicht besonders viel darüber, aber wenn es aufkommt, dann weil der Partner von Ronja keine Zeit für sie hat und mehr Zeit mit dem Dating anderer Personen verbringt und sie sich daher vernachlässigt fühlt. Das ist ja auch nachvollziehbar, selbst in einer poly/offenen Beziehung möchte man ja eine vertraute Partnerschaft und gemeinsame Zeit und je mehr Leute involviert sind, desto schwieriger wird es, allen die entsprechende Zeit und Aufmerksamkeit zu geben. Dennoch fand ich das nicht unbedingt den besten ersten Eindruck, den man damit hätte machen können.


    Das Fazit? Die Serie macht nicht alles richtig, aber sie versucht es. Ich finde es grade von den öffentlich rechtlichen ein gutes Zeichen, dass man sich damit auseinander setzt, einen nicht-binären Hauptcharakterhat und auch sonst fast jeder Charakter sehr natürlich queer ist. Auch dass man dafür das Drehbuch einer nicht-binären Person genommen hat, finde ich sehr gut und einen Schritt in die richtige Richtung für mehr Repräsentation.

    Ich würde mir allerdings wünschen, dass man sich an die Arbeit für weitere Staffeln macht, denn die Geschichte ist am Ende eben nicht auserzählt. Ich würde mir wünschen, dass man Charlie in etwas normaleren und alltäglicheren Situationen sieht, die weniger allgemein problembelastet sind. Dass man Charlie die Möglichkeit gibt, sich mit sich selbst zu befassen und zu experimentieren, ohne dass Charlie von Problem zu Problem hetzen muss, um irgendwie das eigene Leben zusammen zu halten. Ich würde mir auch wünschen, dass man Ronjas Beziehung nochmal aufgreift und das weiter behandelt als "Ja ok, der erste Partner war nicht das wahre, aber jetzt zeigen wir eine funktionierende poly/offene Beziehung und gehen darauf ein, wie wichtig Vertrauen und Gemeinschaft darin ist". Ich wünsche mir auch, dass generell all die Anspannung, die zwischen allem herrscht, weil jeder einzelne Charakter der Serie so viele eigene Probleme hat etwas abfällt und sich mehr auf die Gemeinsamkeit und das für einander da sein der queeren Charaktere konzentriert, damit man eben weg von dem anfänglichen "ja dann bist du halt allein damit, weil niemand so ist wie du" komplett zu einem Bild kommt, in dem grade queere Menschen untereinander füreinander da sind.

  • Also zuallererst: Ich hab natürlich nichts gegen die Schauspielerin, aber es wäre nett gewesen einen nicht-binären Schauspieler zu casten.


    Die Serie ist sehr überdramatisierend, sie könnte fast französisch sein lol ... und reduziert Charlies Charakter sehr auf "Selbstfindung", was halt auch das Klischee der Leute über Menschen, die ihren Gender hinterfragen, vermeintlich bestätigt, dass die halt nur überspannt sind und einen Haufen Probleme haben.

    Manche Szenen waren an sich ganz gut, vor allem noch eher zu Beginn, aber ja die Serie ist halt dramatisierend, auch von der Art her wie sie ihre Visuals darstellt etc.


    Ich hätte halt auch gerne mehr Charaktere, die einfach nicht-binär sind und sich nicht der gesamte Charakter-Arc drum dreht ... und naja um Armut.

    Aber gut, auch wenn eine nicht-binäre Person das Drehbuch geschrieben hat, diese Dramatisierung ist etwas, das die Leute oft sehen wollen.


    An sich kann man auch froh sein, wenn solch eine Serie überhaupt bewilligt wird und sie war ganz gut, aber naja, ich steh zwischen den Stühlen.



    Edit: Hab's nun fertig gesehen und ja an sich find ich's ganz gut, aber halt wirklich sehr dramatisch und manche Szenen sind... what.


    Charlie: *zu dem Typen, dessen Freundin dey geküsst hat* Na, schlag mich doch!

    Typ: Ich schlag keine Mädchen.

    Charlie: *will sich beweisen, dass dey keine Frau ist und stänkert rum, bis dey eine kriegt*

    Auf der Party später zur Freundin: Du bist nicht dazwischengegangen.

    Like ... PAL!? Du WOLLTEST unbedingt eine Watsche, like du hast noch rumgestänkert? xD


    Für eine Kurzserie war es aber recht gut, finde ich. Also vor allem für eine deutsche Produktion. xD


    Bei der Mutter glaub ich nicht, dass sie Charlie wehtun will, die Frau ist einfach hart bipolar und ich fühle diese "weißt was, ich bin nicht verantwortlich wie's dir dabei geht"-Szene sehr.