Johto reloaded

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • (artwork folgt von isamu <:)


    Vorwort

    Eine Geschichte, die ich alle Jubeljahre aufgreife und weiterschreibe. Sie enthält viele meiner vergangenen Charaktere und packt sie in sadistischer Autoren-Manier in nicht immer so schöne Situationen. Ich hoffe jedenfalls, dass ich wieder aktiver daran schreiben werde.

    Bei den Charakterbeschreibungen packe ich Spoiler in die Spoiler und versuche die jeweils per Kapitel bekannten Pokémon-Teams zu ergänzen.


    Warnung

    Um auf Nummer sicher zu gehen: Es wird nichts Explizites geschrieben, aber mein Humor könnte perverse Anspielungen enthalten.


    Genre

    Johto, Abenteuer, Freundschaft, Trainerreise


    Inhalt

    Das Pokémon-Trainerdasein ist einiges – nur nicht einfach. Zur Ausrüstung des typisch ultraoptimistischen Hauptcharakters gehören selbstverständlich noch das den-anderen-Starter-klauende, regionale Mädchen und das erfahrene, schlichtende Kochtalentanhängsel. Noah hat bis vor kurzem nichts von all dem besessen und erwischt der zynische Stirnbandträger mal eine ehrliche Minute: Er hätte auf alle beide verzichten können.


    Danksagung und Widmung

    An all die Leute, mit denen ich mit meinen Charakteren zusammen gerpt habe :)

    Vom BB habe ich da bisher nur PLUSQUAMPERFEKTION gefunden.


    Relevante Charaktere


    Inspiration und Idee

    Viele der klassischen Pokemon-Klischees kommen wahrscheinlich vom Anime und den Spielen. Die Charaktere stammen von mir (teils auch sehr alte, wie man merken wird), falls es nicht anders im Copyright-Bereich angegeben ist.


    Copyright

    Pokémon gehört leider nicht mir.

    Artwork: folgt


    Kapitelübersicht

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel


    Benachrichtigungsliste

    -



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    Prolog


    17. Für die meisten Trainer ein Alter, in dem sie entweder den ganz grossen Traum vom Champ ausgeträumt haben oder dick in ihrer Karriere drin sind. Für die meisten.

    Es gibt da noch gewisse Stirnbandtypen, die es für lustiger empfunden hatten, ihre Reise überhaupt erst in diesem Alter zu beginnen. Das wäre zumindest Noahs Version, wieso er erst heute sein erstes Pokémon – Feurigel natürlich, jeder coole Typ bekam zuerst ein Feuerpokémon – erhalten würde.

    Ausserdem passte so ein Feuerpokémon doch auch viel besser zu seinen Haaren. Was sollte er mit den karminroten Haaren denn auch sonst nehmen? Noah war kein Fan von allzu krassen Kontrasten. Also war da selbstverständlich nur Feurigel für ihn geeignet.

    Mit grosszügigen Schritten eilte er zum Pokémonlabor Azalea Citys, wo die Starter-Pokémonvergabe dieses Jahr stattfinden sollte. Es war seit Generationen ein unausgesprochenes Geheimnis, dass man beim Zuspätkommen die sprichwörtliche A-Karte gezogen hatte. Noah hatte nicht vor, diese zu sammeln, weswegen er übertrieben überpünktlich ankam, um auch ja kein verhaltensauffälliges Pokémon zu ergattern. Das wäre wertvolle, verschwendete Zeit, bis so ein Pokémon brauchbar war.

    Vor der metallenen Eingangstür hob er den linken Arm zu einer Klopfgeste an, hielt schliesslich inne, zögerte. Hätte er auf seine überfürsorgliche Mutter hören und das gelockte Durcheinander auf seinem Kopf doch einmal mit einem Kamm bändigen sollen? So… ausnahmsweise?

    Ihm persönlich reichte sein Stirnband, um den Durchblick zu bewahren, aber der erste Eindruck zählte. Nicht, dass er deswegen plötzlich bei seiner Auswahl benachteiligt wurde! Nervös blickte er an sich runter und zupfte sein graues Hemd zurecht.

    Zum Umkehren fand er die bisher investierte Eile dann doch wiederum zu schade, weswegen die eben noch präsenten Zweifel endlich beiseitegeschoben wurden, das Klopfen vergessen und die graue Türklinke hastig heruntergedrückt. - Hier war jemand ungeduldig.

    Noah erstarrte. Er konnte seinen Augen nicht trauen! Wie er zuvor noch in neutrainerischer Manier und Hektik Mission Starterpokémon übernehmen wollte, so hämmerte nun mit derselben Penetranz ein anderer Gedanke an den Nervenendungen: Ach. Du. Scheisse.

    Neben dem Durcheinander, das sich nach dem Wegstossen der Pforte offenbarte, entdeckte Noah in der Mitte des Reagenzglas- und Bücherchaos eine Dunkelbraunhaarige, die nassen Haare zu einem Zopf gebunden und im rosanen Bademantelmodus. Um genau zu sein, abgesehen von den niedlich wirkenden Azurillschlappen und dem Bademantel schien sie unbekleidet zu sein. Sie wirkte, als wäre sie gerade bei etwas gestört worden und in ihrer Bewegung eingefroren. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, sie fixierte den Eindringling. Noah wurde dabei unwohl, seine Gliedmassen fühlten sich weicher an, das Atmen fiel schwerer, aber er konnte den Blick nicht abwenden.

    „Klopfen wäre noch so eine Alternative“, kam es schliesslich bissig von ihr, als ihre Gliedmassen aus der Erstarrung gelöst und der Bademantel an den entsprechenden Stellen enger angezogen wurde. Sie begab sich zu einem kleinen Tischchen und fixierte auf ihrem Weg dahin den ungebetenen Gast gleich dreimal mit einem scheintödlichen Blick, ehe sie endlich den mit Frühstücksobjekten beladenen Tisch erreicht hatte.

    Ein Stapel Unterlagen, der zuvor seinen Platz ebenfalls noch auf der Esswarenablage besass, wurde achtlos mit einer schwungvollen Handbewegung runtergeschmissen und mit dem Fuss dermassen anmutig hinterherbearbeitet, dass sich ein jedes BDSM-Herz daran erfreuen konnte.

    Noahs mattgelbe Augen beobachteten wenig fasziniert, wie die Blätter in mässigem Tempo herunterglitten. Trotzdem war dieser Anblick erträglicher, als sich noch länger diese Modesünde anzutun (er nahm zumindest stark an, dass man keine Azurillschlappen auf kitschiges Rosa trug).

    „Es tut mir leid.“ Wenig reumütig, aber immerhin eine Entschuldigung. Da er sich bereits in diese Misere hineingeritten hatte, trat Noah näher ein, die Situation möglichst ignorierend. Seine Art, damit überhaupt irgendwie fertig zu werden.

    Was hatte er verbrochen, damit er sogar schon um sein erstes Pokémon kämpfen musste? In all den Zeitschriften waren Bilder von kinderlieben Professoren abgebildet, nicht von Bademantelfurien.

    „Hinter dir hat der Zimmermann ein Loch hinterlassen. Spiel doch bitte eine Runde ‚Such das Loch‘ und nutz es.“ Für sie schien sich die Sache erledigt zu haben, da sie mit einem zufriedenen Eindruck an ihrem Kaffee nippte und ihre Begeisterung für die braune Brühe mit einem geniessenden „Aaaah!“ auszudrücken vermochte.

    War aus der Sicht des nun wie Luft behandelten Noahs absolut fehlplatziert. Dieser Aufzug gepaart mit einem „Aaaah!“? Hatte sie eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Abgesehen von der einen, die sie momentan hielt, natürlich. Das war pure Absicht, oder?

    „Ich suche nicht Ihr verdammtes Loch!“, entging es ihm. Oh. Ohhhhhh. Oh. Jetzt hatte es die blöde Kuh doch tatsächlich geschafft: Es war also doch eiskalte Berechnung. Sie wollte ihn hier mit ihrer Perversion anstecken.

    „Sondern… ja, sondern, haha… “ Noah schien noch einen Moment zu brauchen, ehe er wieder kommunikationsfähig war. Die Schweissperlen auf seiner Haut begannen sich zu sammeln und eine unangenehme Hitze stieg ihm ins Gesicht.

    „Den Professor dieses Labors. Ich möchte ihn sprechen.“

    Sie brach in schallendes Gelächter aus und musste ihren Kaffee absetzen. Hatte Noah doch wenigstens eine Sache geschafft und endlich ihre Verbindung zu dieser Koffeinbombe beendet. Die und Koffein? – Das konnte nur noch schlimmer werden. Da war weniger deutlich mehr.

    „Heute sind wir ganz hartnäckig, huh? Dein gesuchter Professor befindet sich direkt vor deiner Nase“, gluckste sie und hielt sich die eine Hand vor den Mund, sodass der näher hineintretende, fassungslose Noah ihre Handfläche sehen konnte. Ihr Gesicht war von tiefen Augenringen gezeichnet, wahrscheinlich war sie bereits eine Weile wach - zu lange wach.

    „Wer hätte gedacht, dass ein fast schon erwachsener Junge zu diesen Neutrainergören gehört?“

    Da, schon wieder! Das amüsierte Miststück war einfach alles, aber ganz sicher keine kinderliebe Professorin! Waren all die Lektüren in dem weissen Bett damals nur eine Lüge? Oder sieht man in den Pokémon-Vergaben deswegen immer nur Kinder? Weil sie zu allen anderen Monster sind?

    „Also…“ Er war fassungslos. Mehr Worte wären ein Unmögliches gewesen, wobei er bestimmt nicht einmal in Worten beschreiben konnte, was er ihr am liebsten alles an den Kopf geworfen hätte.

    „6 Stunden zu früh. Was denkst du wohl, warum ich die Vergabe auf 14:00 Uhr festgelegt habe, hmmmmm?“ Der unterschwellige Zorn in ihrer Stimme war nicht zu überhören, eventuell hätte er sie doch lieber weiter Kaffesaufen lassen sollen.

    „Damit niemand dieses schreckliche Chaos sieht?“ Abschätzig wies er mit seinem Kopf auf ein paar der besonders arg betroffenen Stellen hin.

    „Das auch.“ Sie schüttelte den Kopf und räusperte sich. „Quatschkopf. Ich meine natürlich: Die Pokémon sind noch gar nicht vorbereitet. Eines braucht sogar noch etwas Training, bevor es auf dem Level der anderen ist.“

    Das war es. Sie wurde wieder still und hatte einen leeren Blick zu ihrer Furienbrühe gerichtet.

    Noah wurde ungeduldig. Im Grunde hatten sie sich beide noch nicht wirklich vorgestellt, das nun nachzuholen, war ihm aber auch zu peinlich.

    „Also?“, verlieh er seinem Anliegen etwas Nachdruck.

    Ihr müden Augen wurden wieder lebhafter und sie fixierte ihn abermals mit wenig Begeisterung.

    „Hochbeschäftigte Professorinnen sind übrigens effizienter, wenn man später einmal wiederkommt und sie arbeiten lässt.“

    Es wurde Noah nun schlagartig bewusst: Sie musste ihr Hauptdiplom in Sachen-Durch-Die-Blume-Sagen erhalten haben. Die Pokémon-Forscherei war bestimmt nur ein Nebenfach, das absolviert wurde, weil man sich für eines einschreiben musste.

    „Ist Feurigel bereits soweit?“, zeigte er sich direkter mit seinem Anliegen.

    „Du meinst das Pokémon mit dem niedlich runden Köpfchen und der langgezogenen Nase?“, entgegnete sie so schnell, dass es Noah fast schon unheimlich wurde. Er schob diesen Zweifel aber beiseite, nun sprachen sie endlich dieselbe Sprache!

    „Ja, genau das!“ Noah wurde wieder enthusiastischer, immerhin war er jeden Moment gleich ein waschechter Pokémon-Trainer! Lange konnte er trotz seines Pessimismus nicht schmollen. Lediglich oft.

    „Moment. Ich hole dir gleich dein rundköpfiges Pokémon mit langer Nase.“ Mit diesen seltsam präzisen Worten verschwand sie in ihr Hinterzimmer und auch wenn Noah die Waffe der weiblichen Intuition nicht besass, seinem Bauchgefühl gefiel diese Aussage der wiederholenden Beschreibung überhaupt nicht. Leider konnte Noah nicht näher einordnen, was genau ihn daran störte. Ihr schon wieder belustigt wirkender Eindruck? Die Bestie allgemein? Er konnte es einfach nicht sagen.

    Es dauerte nicht lange, da kam sie tatsächlich mit einem Pokéball in der Hand zurück und wirkte putzmunter.

    „Das hier ist ein besonderes Exemplar. Extra für meinen heutigen Lieblingsnachwuchstrainer!“

    Besonders. Er mochte diesen Begriff nicht. Besonders war meist eine Bezeichnung für irgendeinen Aspekt einer literarischen Hauptfigur, die gerne einmal in die Perfektion mutierte. Nein, er wollte kein besonderes Feurigel. Noah wollte einfach nur einen elenden Feuerstarter, um Arenen rocken zu gehen! Trotzdem widersprach er nicht. Rebellierte er nicht. Am liebsten wäre er so schnell wie möglich aus diesem Gebäude herausgehechtet, weit weg von diesem Monstrum.

    „Und… einen Pokédex?“ Der Pokédex musste ihn natürlich noch an seiner „Flucht“ hindern. Aber in all den Magazinen war dieses praktische Gadget beschrieben! Folglich brachte Noah also auch einen.

    „Alsoooo…“ Sie begann mit einer Einleitung, die einfach nichts Gutes verheissen konnte. Überhaupt war diese Frau die Verkörperung allen Übels, dessen war sich Noah nun bewusst.

    „Da du ja als mein Lieblingsnachwuchstrainer bereits so ein gutes Pokémon erhalten hast, musst du leider auch das Schicksal des auserwählten Nachwuchstrainers annehmen, der seinen Pokédex im örtlichen Supermarkt abholt.“ Auserwählt? Was zum Arceus war daran gut?! Normalerweise zogen Auserwählte Vorteile daraus, auserwählt zu sein! Ausserdem… Hatten wir schon die Klischeeprotagonisten? Die waren immer auserwählt, aber Noah wäre es lieber gewesen, wenn er einfach ein stinknormalen Pokédex direkt vom Regionsprofessor erhalten hätte.

    „W-wieso…?“ Noah war völlig aus dem Konzept. Diese Frau überforderte ihn total. Da hatte doch das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun!

    „Kompensation des unverschämten Glückes bei der Pokémonvergabe, ist doch logisch.“ Sie grinste süffisant, ehe ihr Gesicht wieder ernster, wenn nicht sogar kühl wurde: „Ich musste einen zur Reparatur abgeben.“

    „Hmpf.“ Mehr entgegnete Noah nicht mehr. Kein Abschied, keine Vorstellung, keine freundliche Auf-Wiedersehen-Geste, einfach nur einen Laut des Missmutes. Er liess es sich nicht nehmen, beim Hinausstampfen auch noch kurz gegen den Türpfosten zu treten.

    „Hey!“ Mehr hörte er nicht mehr von ihr und selbst wenn sie noch etwas gesagt hätte: Es hätte Noah nicht gleichgültiger sein können. Er wollte einfach nur auf und davon, nur um dieses Labor ja nie mehr sehen zu müssen.

  • Hallo,


    zuerst einmal ist der Text in den dunklen Stilen eher schwierig lesbar. Abhilfe kann hier geschafft werden, indem einfach die Schriftfarbe entfernt wird.

    Ansonsten war das wohl die schrägste Begegnung mit einer Pokémon-Professorin, die ich bisher gelesen habe. Dass Noah bereits so früh anwesend war, um Feurigel zu erhalten, hat hier natürlich nicht geholfen und die leicht herablassende Art hatte tatsächlich ihre humorvollen Momente. Ich hatte sogar erwartet, dass er gar nicht Feurigel, sondern ein anderes Pokémon mit derselben Beschreibung erhalten würde. Hoffen wir mal, dass zumindest der Pokédex repariert ist und das keine Ausrede war.


    Wir lesen uns!

  • Ich mag deinen humorvollen Ansatz, mit dem du eine Reise-Story schreibst und es ist nett eine Story zu lesen, die den gesamten, üblichen Ablauf ein wenig parodiert. :D

    An wenigen Stellen vielleicht ein wenig too much, aber es hat Spaß gemacht das erste Kapitel, besonders den Dialog mit der Professorin, zu lesen.

  • Hallo,


    vielen Dank für die Rückmeldungen!

    Das mit der Schriftfarbe wurde wahrscheinlich durchs Kopieren übernommen, ich habe sie nun entfernt.


    Noahs Ankommen war auch der Kontrast zu Ashs Zuspätkommen, ich spiele gerne ab und zu mit den Klischees einer Franchise und obwohl Sachen wirklich so passieren können, bringe ich Charaktere bewusst in chaotische Situationen, da das Leben bereits genug ernst ist und sie daraus auch wachsen können.


    Ich lade demnächst dann das zweite, bzw. erste Kapitel hoch, beim dritten will ich noch zwei Passagen etwas ändern, da sie mir nicht 100% gefallen.

  • Vix

    Hat das Label von Alternatives Universum auf Reise geändert.
  • Kapitel 1


    Die Bademantelfurie war eine elende Bestie.

    Es blieb Noah verwehrt, gleich loszulegen und Lebewesen in handliche Bälle einzusperren. Stattdessen wurde er nun mit einem Spaziergang durch halb Azalea City beauftragt, um seinen Pokédex im örtlichen Supermarkt abzuholen.

    Azalea City in seinem schlichten, rustikalen Stil war von einem regen Treiben gekennzeichnet; immerhin war es erst eine Woche her, dass die Stadt einen neuen Arenaleiter bekommen hatte. Dementsprechend waren einige Trainer scharf auf die neuste Version des Azaleaner Ordens – Noah verfluchte sie gedanklich allesamt. Mehr Menschen bedeutete zunehmender Lärmpegel, vermehrt inkorrekt weggeworfene Einwegwaren, allerlei Gesindel und einfach allgemein zu viel kopfschmerzerregende Sauerei.

    Zähneknirschend marschierte der von Missmut gezeichnete Neutrainer Richtung Pokédex. Begleitung fand er von nun an durch ein Pokémon mit rundem Köpfchen und langgezogener Nase. Das war aber auch das einzige Merkmal, welches mit seinen Erwartungen übereinstimmte. Der verhasste Kontrast – er war mit diesem schrecklich langweiligem Grün vorhanden. Starterpokémon? – Fehlanzeige, diese Grasschlange war noch nie in einer Zeitschrift abgebildet gewesen. Feuerpokémon? – Seit wann sollte ein grünes Pokémon denn dem Typus Feuer angehören? Die kaputte Hirnwindung, beziehungsweise Verhaltensauffälligkeit? – Durfte natürlich bei einem Pokémon mit dem Motto „Geiz ist geil!“ auch nicht fehlen.

    Noah hatte nämlich nach den Azurillschlappen ein Beruhigungseis nötig, geriet beim Kauf jedoch in Erklärungsnot, wieso denn sein Serpifeu mit dem Kopf plötzlich gegen den Eiswagen hämmerte. Wahrscheinlich hatte noch nie ein frischgebackener Trainer sein erstes, lang ersehntes Pokémon derart schnell zurückgerufen und möglichst schnell loswerden wollen.

    Die Bademantelfurie war wirklich eine elende Bestie.

    Für unseren Protagonisten war die Sache ja klar: Alles eiskalte Berechnung. Daher gab es nun eine kleine Planänderung: das elektronische Lexikon abholen, Pokébälle kaufen, irgendein Pokémon fangen, die Schlange freilassen. All diese Magazine zu lesen hatte auch seinen Vorteil; Noah würde bestimmt nicht in diese Anfängerfalle tapsen und einen Fangversuch an einem ungeschwächten Pokémon versuchen.

    Mit einem Lächeln, das aufgrund dieses „Wissens“ pure Überlegenheit ausstrahlte, trat er in den Supermarkt hinein und hätte anstatt dieser Geste auch einfach lauthals „Ich bin der King!“ verkünden können. Bemerkt hätte ihn in dem Rummel trotzdem wahrscheinlich nur die umstehenden Personen. Das Gebäude war überfüllt mit Trainern, die sich vor ihrer Weiterreise oder einem großen Kampf noch schnell ausrüsten wollten.

    „Hast du die neue Arena gesehen? Die Hütte ist außen mit Herzchenstickern vollgeklebt! Kannst dir ja vorstellen, was der Arenaleiter für ein Kauz ist...“

    Der Arenaleiter? Ist doch eine Sie, was ja auch die Farbpräferenzen erklärt...“

    „Eine Sie? Haha, niemals!“

    „Ich möchte Amrenabeeren kaufen.“

    Noah vernahm an diversen Ecken die verschiedensten Gesprächsschnippsel, lauschte jedoch lediglich bei dem Geplauder zum neuen Arenaleiter genauer. Früher hätte sich der Rothaarige nie dafür interessiert, aber jetzt konnte er jede Insiderinformation gebrauchen! ...sofern diese hier denn etwas brachten. Der Nachteil an neu hergezogenen Arenaleitern war es doch leider immer wieder, dass noch niemand wirklich Erfahrungen über sie gesammelt hatte.

    „Der Nächste, bitte.“

    Na, endlich! Sein Kommando. Viel zu lange stand er nun schon in der Warteschlange, starrte sinnfrei wiederholt auf seine Uhr und wartete ungeduldig darauf, dass das braunhaarige Mädchen vor ihm endlich ihre Amrenabeeren gekauft hatte. Sie hatte ja nur schon diesen Antipathiebonus wegen der Haarfarbe - dank Azaleas Professorin durften nun alle Braunhaarigen darunter leiden.

    Unser Neutrainer brauchte lediglich seinen Namen aufzusagen, eine Unterschrift abzugeben und zu bezahlen, dann gehörten eine Handvoll Pokébälle und der Pokédex endlich ihm.

    „Sorry, aber... Darf ich 100 Pokédollar haben?“ Noahs erster Gedanke: Arceus sei Dank. Nicht er musste sich nun mit einem dubiosen Schnorrtypen herumschlagen, sondern das Mädchen, das laut Noah mit seiner Haarfarbe bereits gestraft war.

    Der neue Arenaleiter war schuld. Schließlich kam solches Gesindel eben auch nach Azalea City, wenn die Stadt einmal etwas zu bieten hatte! Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass sie sich hier wohl richtig übles Material ausgesucht hatte. Der Bettelkerl sah nämlich ziemlich ungepflegt und ernsthaft bedürftig aus. Dass er komplett in Schwarz gekleidet war, genauso schwarze Haare besaß und das Blau seiner Augen durch den müden Blick so blass wirkte, dass man auch es für Schwarz halten mochte, tat dem Gesamtbild keinen Gefallen. Im Grunde stach er wohl genau das heraus, was an ihr „normal“, „durchschnittlich“, „gewöhnlich“ war.

    „Natürlich! Darf ich fragen, wofür Sie das Geld denn brauchen?“ Sie klang enthusiastisch, aufgestellt und schenkte ihm ein breites Lächeln.

    „Tombola.“

    „Verstehe. Viel Glück!“ Sie grinste noch breiter, als sie ihm die Scheine in die Hand drückte.

    „Wow, wow, wow, wow!“, entging es dem entgeisterten Noah. Hatte denn wirklich nur noch er ein Hirn übrig? Der Kerl schrie förmlich nach Verarsche und schien sich mit seiner lakonischen Art nicht einmal ansatzweise dabei bemühen zu wollen! Nicht zu vergessen, dass er bestimmt noch ein gehöriges Glücksspielproblem besaß, das man so einfach nicht unterstützen durfte.

    „Huh?“ Sie bemerkte Noah erst jetzt, wirkte etwas verschreckt und blickte ihn mit grossen, kastanienfarbenen Augen an, nachdem sie dem Fremden den Geldschein in die Hand gedrückt hatte. Dass ihr sogar Dankesworte verwehrt blieben, schien sie entweder nicht registriert oder schlichtweg gekonnt verdrängt zu haben.

    „Dieser Mann ist zu 110% Prozent glücksspielsüchtig. So etwas darfst du nicht fördern“, kam es belehrend von Noah. Flink war der seltsame Kauz ja auch noch, er begab sich nämlich ziemlich hastig an die am weitesten entfernte Kasse und kaufte dort tatsächlich ernsthaft Lose, falls Noah das von seiner Position aus richtig erkennen konnte.

    „Gibt es 110% als Wahrscheinlichkeit überhaupt?“

    „Das ist nicht das Detail, worüber du dir Gedanken machen solltest...“

    „Wie auch immer. Ich bin Silvana, freut mich, dich kennenzulernen!“ Auch für Noah hatte sie ein Strahlen übrig und reichte ihm voller Optimismus die Hand.

    „Diese Themenwechseltaktik kannst du dir sonst wohin stoßen.“ Er ignorierte ihre Hand.

    Sie wirkte etwas irritiert und zog ihre Hand langsam wieder zurück, ehe sie kurz angewidert das Gesicht verzog.

    Unterdessen schien ihr Abzocker seine Lose erfolgreich gekauft und auf Gewinne überprüft zu haben, da er sich zum Ausgang begab und wortlos an den Beiden vorbeischritt.

    „Und? Wie ist es gelaufen?“ Sie konnte es wohl einfach nicht lassen.

    „Alles Nieten.“ Er griff unter sein schlabbriges Shirt und holte ein paar Tränke hervor, die er ihr abgabewillig entgegenhielt.

    „Momoment!“ Noah versuchte sich vor ihm aufzubauen, bemerkte aber erst jetzt richtig, wie hochgewachsen sein Gegenüber doch war, weswegen er dann doch wieder auf diese Geste verzichtete und lediglich seinen Finger mahnend hob.

    „Du hast die doch nicht etwa...?“

    „Unwichtige Details.“ Er zuckte mit den Schultern, machte einen großzügigen Bogen um Noah herum und schritt nun endgültig an ihnen vorbei, die Tränke wurden wieder eingesteckt.

    „...geklaut.“, endete Noah seine Überlegung schließlich und sah ihm verdattert hinterher.

    „Nicht alle Menschen können bezahlen, zeig doch etwas mehr Verständnis“, wies nun Silvana Noah an und klang dabei ziemlich von ihrer Aussage überzeugt.

    Eigentlich hätte Noah eher erwartet, dass sie jetzt mit der „Muss gar nicht sein, dass er diese Tränke unrechtmäßig erworben hat!“-Schiene antraben würde, aber seine Aussage als wahr abstempeln und ihren Schuldiger in Schutz nehmen, also das fand er dann doch zu krass.

    „Ihr Braunhaarigen habt sie doch alle nicht mehr ganz in der Birne...“

    „Huch?“

    Wie er es auch schon mit der Forscherin getan hatte, ignorierte er sie als Bewältigungsstrategie ab einem gewissen Zeitpunkt einfach und schritt aus dem Supermarkt hinaus. Auf, dass er sie nie, nie, nie wiedersehen müsste.


    Nun galt es sowieso, sich endlich anderen Zielen zu widmen! Wenn ihm dieser neue Arenaleiter durch die Menschenansammlung bereits so viel Ärger eingebrockt hatte, so könnte er sich wenigstens schnell den Orden sichern gehen und sein Serpifeu doch noch für etwas anderes als den Pokémonfang missbrauchen.

    Das Gute an abgefahrenen Arenaleitern war es ja, dass man wenigstens ihre Arena von weitem erblicken konnte: Es war nun wirklich keine Kunst, ein Haus voller Herzsticker auszumachen und als gebürtiger Azaleaner kannte Noah dieses ja auch, auch wenn er das Innere noch nie betreten hatte.

    Vor dem Gebäude angekommen, fiel ein nicht vollgeklebtes Schild gerade durch seine Normalität auf. Wirklich ganz durchgelesen hatte Noah sich das Schild nicht, dort stand etwas von Kleidervorschrift und Stuhlverbot, weswegen er das Schild als irrelevant abstempelte und lieber zügig in die Arena hineinstapfte.

    Von innen war direkt ein riesiges Kampffeld zu erkennen, das sich vor allem durch ein besonders hoch angesiedeltes Dach auszeichnete. Der Boden des Kampffeldes war mit Sand gefüllt und die verschiedenen Kampffeld-Markierungen lieblos durch ein weißes Band gekennzeichnet. Eine Tür am anderen Ende des Kampffelds deutete darauf hin, dass sich hinten zumindest noch ein weiterer Raum befinden musste. Ebenjene Tür öffnete sich übrigens auch just in diesem Moment und eine eher kleine Gestalt mit einem weißen Hoodie betrat das Feld. Die Kapuze wurde dermaßen über den Kopf gezogen, dass man kaum das Gesicht jener Person erkennen konnte, wobei sowieso eher die an der Kapuze baumelnden Hasenohren größere Aufmerksamkeit gewannen. Auf der linken Schulter saß ein Vogel mit einer Musiknote auf dem Kopf, der Noah sofort neugierig beäugte.

    „Willkommen in der Arena von Azalea City, Herausforderer“, wurde das Wort an Noah gerichtet, als sein Gegenüber seinen Platz auf der anderen Seite des Feldes eingenommen hatte.

    Noah konnte die Stimme nicht zuordnen, der gesamte Arenaleiter wirkte sehr androgyn. Daher wartete er lieber auf weitere Hinweise, ehe er hier in ein Fettnäpfchen treten würde.

    „Wie ich sehe, hältst du dich nicht an unseren Kleidercodex – das wird Konsequenzen mit sich ziehen.“ Noah bekam neben einem zunächst vorwurfsvollen Blick ein schelmisches Lächeln geschenkt, ehe das Plaudagei auf der Schulter am Hals gekrault wurde. Eventuell hatte er doch nichts dagegen, in ein Fettnäpfchen zu treten.

    „W-wieso sollte ich... hier nur in Unterwäsche hineinspazieren?“ Ja, wieso?! Was war das überhaupt für ein Drecksladen, der solche Kleidervorschriften besaß? Ausgerechnet dann, wenn sich unser Neutrainer endlich einmal optimistisch versuchen will und das Ganze als einen Scherz abgetan hat, musste er derart enttäuscht werden!

    „Ekelhafte Bude...“

    „Das hier ist der Liebestempel.“ Diese Aussage wurde getätigt, als wäre sie etwas Selbstverständliches. Ja, geradezu ein Allerweltsfakt, den man halt Unwissenden beibringen musste. Es schien diesen Arenaleiter nicht wirklich zu jucken, dass Noah den Liebestempel gerade beleidigt hatte.

    „Liebes- WAS?“ Nun fühlte sich Noah ziemlich unsicher. Das hier... das war doch eine Arena, oder? Und... dieser Arenaleiter war doch jetzt bestimmt nicht sauer auf ihn?

    „Egal... hau mich nicht für die Frage, aber bist du ein Junge oder ein Mädchen?“ Wie auch bei der Professorin würde er wohl ohne direkte Fragen nicht weiterkommen.

    „Hetero, schwul, bi, alles oder Langweiler?“, kam anstatt einer Antwort die Gegenfrage.

    „...“ Noah war mit derart indiskreten Fragen schlichtweg überfordert und starrte den Meister der Indiskretion einfach einmal verdattert an.

    „Hetero!“, unterbrach der krächzende Vogel auf der Schulter schließlich diese unangenehme Stille. Der Arenaleiter nickte darauf und legte wieder denselben Modus seines Lachapparates auf.

    „Dann ist es entschieden: Ich bin ein Mädchen, was aber nicht heißt, dass ich es dir einfach machen werde!“ Sie hob mahnend einen Finger und schnalzte mit der Zunge, was nach dem sexistischen Kommentar eine gewisse Ironie an sich hatte.

    „So... So... So geht das definitiv nicht!“, protestierte Noah und fuchtelte wild mit seinen Händen herum, um irgendwie Einspruch einzulegen.

    „Umentscheiden, ausprobieren finde ich natürlich auch toll. Du könntest dir auch meinen Schiedsrichter schnappen, solltest du es dir anders überlegen~“ Man merkte, dass diese Arenaleiterin sichtlich amüsiert von der Situation war.

    Apropos Schiedsrichter: Jener schien nun auch endlich den Weg zur Arena gefunden zu haben und schlurfte mit beiden Händen in den Hosensäcken vergraben auf seine Position, an einem Rand der Mitte des Kampffeldes.

    „Duuu....!“, entfuhr es Noah, während er mit starrem Blick ganz schön unhöflich mit dem Finger auf den Schiedsrichter zeigte. Siezen schien der Junge bereits jetzt am Anfang seiner Reise vollkommen verlernt zu haben. Ob sich sein Charakter durch diese schrecklichen Erlebnisse noch weiter ins Negative entwickeln würde?

  • Kapitel 2


    Da stand er regungslos, als würde er vor Langweile gleich einschlafen: Mister Tombola! Oder wie ihn Noah nun lieber nennen wollte: der zwielichtige Langfinger. Abgesehen davon, dass er hier keine Fairness erwarten konnte, jetzt musste er auch noch darauf aufpassen, dass ihm seine Habseligkeiten nicht gemopst werden!

    Noah wusste nicht, was das geringere Übel ist, der gruselig, gelangweilte Kerl oder die perverse Arenaleiterin. Wahrscheinlich fand er es am schlimmsten, dass der Liebestempel wirklich eine Arena war.

    „Kennt ihr euch? Sehe ich es hier etwa knistern?“ Sie rieb sich entzückt ihre Wängchen und tretelte wie ein aufgeregtes Teenager-Anime-Mädchen auf der Stelle.

    Noah wollte grade das Geschehen auf seinen kommenden Kampf lenken, da kam ihm der Schwarzhaarige zuvor: „Zu jung.“

    Da musste der Rothaarige kurz verdutzt blinzeln.

    Das fällt dir hierzu ein? Nicht eventuell etwas zu den gekaschten Tränken?!“ Noahs Zündschnürchen war nicht wirklich lang, also war es nicht verwunderlich, dass er seinem Unmut trotzdem seinen Lauf liess. Ausserdem war der Typ von weiter weg weniger groß und gruselig, da wurde man automatisch mutiger.

    „Hach, du bist so toll mit den Finanzen, Yoshi! Seit ich dich angestellt habe, verzeichnet unsere Arena nur noch Gewinne“, schwärmte die Arenaleiterin, seine Machenschaften deutlich unterstützend. Er schien das auch tatsächlich als Kompliment aufgefasst zu haben, zumindest blickte er verlegen zur Seite.

    Noah fühlte sich nur noch mehr ignoriert und im falschen Film. Aber so langsam brachten sie ihn wohl zum Schweigen. Immer, wenn er dachte, dass es nicht verrückter werden konnte, wurde es noch schlimmer. Da war die langweilige Braunhaarige davor tatsächlich was Angenehmes.

    Es räusperte sich nun der Schwarzhaarige und mit einer Kopfbewegung verwies er die Arenaleiterin auf den Herausforderer.

    „Oh, richtig! Der Kampf! Wie viele Orden hast du denn bereits, mein Lieber?“

    Noah könnte zwar auf diese Ansprache verzichten, aber es war ihm deutlich lieber, dass es nun endlich voran ging, daher zeigte er sich kooperativ.

    „Keinen. Das wird mein erster!“ Mumm hatte er zumindest, wenn es sich um sein Trainer-Selbstbewusstsein handelt.

    Sie lächelte amüsiert, zumindest schien ihr dieser Stolz nicht zu missfallen. „Okaychen~ Dann darfst du zwei Pokémon benutzen -“

    „Ich habe aber nur eines.“, fiel ihr ein immer ungeduldigerer Noah ins Wort.

    „Dann benutze ich zwei und du eines.“

    Uff. Wenn es nicht um seltsame Machenschaften ging, war sie wohl ziemlich flink und simpel. Noah schluckte, aber irgendwie war das bestimmt machbar!

    Der Schiedsrichter gähnte unterdessen und schien sich auch nicht darum zu bemühen, das irgendwie zu verheimlichen.

    Noah lernte von den besten und fixierte ihn kurz in Bademantelfurie-Manier genervt, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder der bislang namenlosen Arenaleiterin widmete, die auch mit dem Erklären ihrer Regeln fortfuhr.

    „Rest ist egal. Ich darf einfach ein paar Sachen nicht, die du darfst. Klassische Liga-Regeln. Hmpf.“ Schmollte sie da etwa ein wenig? Sie begab sich nun jedenfalls an ihre Markierung, das Plaudagei auf ihrer Schulter flatterte zum Schiedsrichter, auf dessen Kopf es sich nun gemütlich machte. Er schien es kaum zu registrieren.


    „Los geht's!“ Sie wirkte wie ausgewechselt und angespannt. Ein Superball flog über das Feld, woraus sich ein violettes Pokémon mit einem Skorpionsschwanz manifestierte. Bevor Noah sein Serpifeu losschickte, erfuhr er von seinem Pokédex, dass dieses Pokémon Skorgla heisst. Es klapperte angriffslustig mit den Scheren.

    „Mach es fertig!“, war wohl Noahs Schlachtruf, mit dem er sein Serpifeu herausholte. Die kleine Grasschlange blickte sich zunächst irritiert um, irgendwie war die Umgebung wohl nicht das, was sie erwartet hatte.

    „Sasha hat gewonnen. Ende.“ Der Schiedsrichter machte da kurzen Prozess. Ohne auf eine Reaktion seitens der Teilnehmer zu warten, war er bereits auf und an, sich vom Acker zu machen. Die Arenaleiterin lächelte abschätzig und zückte den Superball, um ihr Pokémon zurückzurufen.

    „Halt! Wir haben noch gar nicht angefangen! Was soll das?!“ Noahs Emotionen waren nun komplett durcheinander. Er wusste nicht, ob er verwirrt, entsetzt, wütend oder eventuell alles zur selben Zeit sein sollte. So hatte er sich seinen ersten Arenakampf jedenfalls nicht vorgestellt! Wie auch die kinderlieben Professoren wurden Arenaleiter ganz anders beschrieben! Sie sollten eine Stütze sein, Pokémon-Kampf-Profis, eventuell sogar Mentoren für angehende Champions. Hier schienen aber sowohl Schiedsrichter als auch Arenaleiter andere Prioritäten zu haben.

    „Ich vertraue seinem Urteil.“, erwiderte Sasha, so lautete wohl der Name der Arenaleiterin, nun versöhnlich und erstaunlich besonnen. Ihre Stimme hatte einen sanften Klang angenommen, was Noah noch mehr verärgerte. Es zeigte, dass die Arenaleiterin auch anders konnte. ...wenn man die richtige Person war.

    „Ich aber nicht! Der ist weder unparteiisch, noch fair!“, zeigte er auf Mister Tombola. Kampflos würde sich Noah nicht geschlagen geben. Dafür musste er heute schon genug einstecken. Nicht zu vergessen, dass sein Pokémon in Serpifeu-Manier anmutig und topfit da rumstand.

    „Selbst, wenn sich Skorgla zurückhält und mit einer Boden-Attacke angreift... Eine einzige Attacke wird dein Serpifeu Pokémon-Center-reif prügeln. Das sieht man doch.“, bekam Noah doch noch eine "Erklärung" von dem Schwarzhaarigen, dem es augenscheinlich nicht wirklich gepasst hat, dass seine Fairness und Unparteilichkeit infrage gestellt wurden.

    „Das weiss man erst, wenn man es ausprobiert hat! Serpifeu, setz' Tackle ein!“, weigerte sich Noah, auf die Stimme der Vernunft(?) zu hören und erteilte den ersten Befehl.

    Das Pflanzenpokémon machte sich nun auf, in Richtung Skorgla zu rasen, um es mit seinem Körperchen zu rammen.

    Die Arenaleiterin brabbelte etwas von Zeitverschwendung und blickte weg, als würde sie sich das nicht ansehen wollen.

    Ihr Skorgla erhob sich in die Luft, sodass Serpifeu es gar nicht erreichen konnte. Dabei zeigte das Skorgla seine Zunge und machte sich über das kleine, nun wütend hüpfende Pokémon lustig, das mit aller Kraft seiner Beinchen versuchte, den über ihm kreisenden Flugskorpi zu erreichen.

    Nach ein paar Dutzend Sekunden zeigte sich Serpifeu geschlagen, ballte die kleinen Händchen zu Fäusten und kam ins Schnaufen. Es blickte ratlos zu seinem Trainer, der auch nicht wirklich weiterwusste, da das kleine Pokémon laut Pokédex wirklich nur Tackle beherrschte. Sein Pokédex hatte leider auch quasi gar keine Informationen zu dem blöden Ding.

    Skorgla hingegen hatte sich nun genug lustig gemacht und setzte ohne Anweisung seines Trainers zum Gegenangriff an. Als wäre es Absicht, warf es gefährliche Giftstacheln neben Serpifeu, welches keuchend aufgescheucht wurde und mit aufgerissenen Augen Richtung Noah hechtete. Die nächste Giftstachelattacke landete vor Serpifeu, welches durch das abrupte Stoppen zu taumeln begann und erstarrt die Giftstacheln vor ihm betrachtete. Es dauerte einige Sekunden, ehe es den Kopf wandte und das verdächtig nicht angreifende Skorgla beäugte, welches als Antwort hämisch zu Grinsen begann und in sadistischer Manier fast schon bewusst langsam den nächsten Giftstachel vorbereitete.

    Noahs Kopf ratterte, er hatte keine Antwort zu diesem Schauspiel und noch nie von einer solchen Situation gelesen, daher wartete Serpifeu abermals kein Signal von ihm ab, wandte sich wieder von dem Skorgla ab und begann, einen Bogen um den Giftstachel zu rennen, damit es zu seinem Trainer in Sicherheit fliehen konnte.

    Jedoch genau in diesem Moment, als sich Serpifeu umwandte, ging der Flugskorpi zur Jagd über, flog tiefer an es heran und Noah versuchte es endlich mit einem zugegebenermaßen redundanten Warnruf, um sein Serpifeu auf die weiterhin drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Sein Pokémon hielt inne, ignorierte seinen Trainer und blickte zurück zu seinem Widersacher, ehe das Skorgla sich auch schon in seinem Gesicht festklammerte und zu einem Giftstachel ausholte. Aus dieser Distanz musste das Skorgla kaum zielen und landete einen Volltreffer.

    Serpifeu stürzte getroffen zu Boden, verzerrte das Gesicht vor Schmerzen, krümmte sich zuckend zusammen, ehe es das Bewusstsein verlor.

    „Serpifeu kann nicht weiterkämpfen. Der Herausforderer hat keine weiteren Pokémon mehr, somit gewinnt Sasha das Match.“ Noah vernahm die gleichgültige Stimme des Trankmopsers nur noch gedämpft, seiner Wut waren Schuldgefühle gewichen. Er war wie paralysiert.

    Das Skorgla holte nochmals mit seinem Giftstachel aus, wurde aber im letzten Moment von einer seufzenden Sasha zurückgerufen.

    „Ich sollte mir Vortrainer zulegen...“, murmelte die Arenaleiterin, ehe sie wieder in den Hinterraum verschwand, das Plaudagei flog ihr hinterher. Sie würdigte den namenlosen Herausforderer keines Blickes, keiner Lektion oder auch nur Worte des Abschieds.

    Noah war immer noch gelähmt, er wusste nicht, wie er fortfahren sollte. Seine Brust fühlte sich schwer an, seine Sicht wurde gläsern. Ohne, dass irgendeiner der anderen Beteiligten es aussprachen, so fühlte er sich trotzdem, als hätte das Skorgla hämisch „Wir haben es dir doch gesagt!“ geschrien. Diese Bilder würde er wahrscheinlich ohnehin nicht so schnell aus dem Kopf bekommen.

    Während Noah wie in einer Trance gefangen war, schritt der Schiedsrichter zu seinem Serpifeu, beugte sich zu ihm herunter und begutachtete es. Dabei kramte er einen Trank aus seiner Umhängetasche hervor, den er auf die sichtbaren Wunden des Pflanzenpokémon sprühte. Anschliessend holte er noch Verbandmaterial hervor und nahm sich den grösseren Wunden an, die er damit verband. Der Schwarzhaarige hob das kampfunfähige Pokémon behutsam hoch, ehe er es mit sachten Schritten zu seinem Trainer brachte, dem er es hinhielt.

    „Die Wunden werden eventuell nie ganz verheilen.“

    Es waren jene Worte, die dieser Schiedsrichter ziemlich trocken an Noah richtete, die ihm den Rest gaben. Der Rothaarige konnte sich nicht mehr zusammenreissen, Tränen rollten von seinen Wangen runter, er packte das eigentlich ungewollte Pokémon und drückte es fest an sich. Verdammt, nie hätte er gedacht, dass es so ausgehen kann, wenn man sich viel zu früh an einen Arena-Kampf wagte! Er begann deutlich hörbar zu schluchzen, sein Körper zitterte.

    Diese Reaktion schien den Anderen deutlich zu irritieren, er hob eine Augenbraue an und legte seine Hand nachdenklich ans Kinn.

    Es war eine skurrile Szene, der eine starrte Löcher durch den aufgewühlten, Trost bedürftigen Neutrainer, keiner der beiden ging wirklich auf den anderen mehr ein.


    Schließlich war es der Schwarzhaarige, der die Initiative ergriff und seine Hand auf Noahs rechte Schulter legte, auf der er ihm einen sanften Schubs Richtung Ausgang gab.

    „Lass uns zum Pokémon-Center gehen.“

    Noah löste sich aus seiner Paralyse und blickte zu ihm auf. Seine Augen wirkten beschwichtigend, nicht vorwurfsvoll wie Noah es eigentlich erwartet hatte. Es fehlte ihm aber die Kraft, auch nur irgendeine seiner brennenden Fragen zu stellen. Eventuell hatte er sich in seiner Evaluation von dem Klauer geirrt und er war doch nicht so übel.

    Gemeinsam verließen sie die Arena.

  • Vorurteile gegen Braunhaarige hier. ;_;

    Der gute Noah übertreibt anscheinend auch ganz gerne. SO eine Bestie fand ich die Professorin auch nicht. Allerdings hab ich auch sehr ... interesante Lehrende an meiner damaligen Schule gehabt und hab alles Mögliche an icky Leuten getroffen, da stumpft man schon ab lol.


    Weiß auch nicht, was er gegen die Arenaleiterin hat. Ich find die ganz nett. Ist mal eine Abwechslung. Bis du erwähnt hast, dass sie sich wie ein UwU-Animegirl verhält. Dann war's auch bei mir aus.

    Aber finanziell scheint alles gut zu klappen. Sie konnten ihre Ausgaben jedenfalls wirklich stark reduzieren.:thumbup:


    Zuerst saß ich btw manchmal mit einem Schmunzeln da, aber bei dem "Sasha hat gewonnen. Ende" - "Wir haben noch nicht angefangen!", hast du mich dann voll gehabt. xD

    Dass sie dann einen Absatz später Recht hatte, war dann ein wenig amüsant wie traurig zugleich, da Noah dann Schuldgefühle entwickelt hatte. Er hätte halt doch hören soll. ^^'


  • Kapitel 3


    Der Weg zum Pokémon Center fühlte sich mindestens doppelt so lang an, als dass es Noah in Erinnerung hatte. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass sein Pokémon sich wegen seinem Übermut so schwer verletzt hatte. Obwohl er es nicht einmal mochte, das hatte niemand verdient!

    Der normalerweise energiegeladene Junge wagte es kaum, den Kopf zu heben. Dieser erste Kampf verlief viel zu schnell und ernst, nicht so wie im Fernsehen. Wo waren eigentlich die Kindersicherungen - beziehungsweise Warnungen - abgeblieben? Warum hörte man nicht mehr von solchen Vorfällen?

    Diese Stille, wo er nur die Schritte von ihm und seinem unverhofft hilfsbereiten Gegenüber wahrnehmen konnte, war unangenehm. Sehr unangenehm sogar, seine Arme fühlten sich an, als würde etwas Raues wie ein Kanivanha über sie streifen.

    Aus dem Augenwinkel hinaus wagte es Noah, kurz einen Blick zu seinem Gegenüber zu erhaschen, aber sein Gesicht verriet ihm nicht wirklich mehr. Dieser Kerl ergab keinen Sinn und bei ihm war sich Noah auch nicht sicher, ob man das mit direkten Worten klären konnte.

    Noah fragte sich jedoch auch, ob nur er diese Stille so irritierend empfand. Eventuell stand der andere ja auf sowas.

    Vor dem Pokémon Center angekommen, zückte der Schwarzhaarige seinen Pokédex und scannte den verletzten Geizhals damit. Natürlich wortlos. Yoshis Augenbrauen wanderten währenddessen nach unten, auf seiner Stirn bildeten sich ein paar Falten.

    "Aha.", entging es Noah abwertend und er gewann wieder etwas Pepp zurück. Der Typ wusste also nicht einmal, um was für ein Pokémon es sich handelte und meinte dann noch, man könnte sehen, dass Serpifeu keine Chance hatte!

    Er schüttelte selbstgefällig den Kopf. Dabei hatte er diesem Yoshi bis gerade eben fast ein wenig Respekt gezollt und das trotz ihrer gemeinsamen Vorgeschichte!

    Der andere blickte nun zu ihm und... das war es auch. Nach einigen Sekunden, als es für Noah langsam gruselig wurde, zeigte Yoshi mit dem Finger auf die metallene Pokémontür.

    Noah verstand und vollzog wenige Schritte, ehe er sich dem gemächlich hinterhertrottenden Kerl zuwandte und das Zischen der sich öffnenden Tür vernahm.

    "Du hast also nur geraten, dass ich keine Chance hatte." So einfach würde ihn Noah nicht davonkommen lassen!

    Oder vielleicht doch. Yoshi zuckte lediglich mit den Schultern und lief stumm weiter. Soso. Da fehlten ihm wohl die Worte! Noah grinste süffisant wie ein unerzogener Rotzbengel (zumindest würde er sich selbst so bezeichnen).

    Die Beiden schritten stumm hinein, bis sie ans Ende der Warteschlange angekommen waren.

    Heute waren besonders viele Trainer um Schwester Joy bemüht, aber das war auch nicht wirklich verwunderlich, wo schon der Supermarkt so mit Menschen überlaufen war.

    "Ihr hattet keine Chance.", erhielt Noah endlich eine Antwort, wurde aber von Yoshi weiterhin keines Blickes gewürdigt. Sein müder Blick vermittelte aber eher, dass er zu wenig interessiert an ihm war, als dass es arrogant wirkte.

    "Was soll das heißen?", zischte Noah erregt, da das für ihn ganz danach klang, dass der andere nicht nur sein Serpifeu, sondern auch noch ihn als schwach bezeichnete. Seine Augen verengten sich, während er den Typ, der ihn gerade so beifällig gedisst hatte, musterte.

    Das Glück war aber definitiv nicht auf Noahs Seite: Ein viel zu lautes und aufmerksamkeitserregendes "HUHU!" liess den anderen ohne Antwort davonkommen.

    Silvana schien sich auch gerade in der Schlange zu befinden, wenn auch weiter vorne.

    Sie kam freudig winkend zu den beiden angerannt und als sich die Leute nach ihr umsahen, erklärte sie ihnen lächelnd: "Alles gut, ich lasse euch alle vor!" Manche bedankten sich, ignorierten sie oder nickten lächelnd.

    "Was für ein nettes Mädchen", konnte sich ein Käfersammler ebenfalls nicht verkneifen, nahm aber ihr Angebot zügig an und rückte auf.

    "Ich finde es toll, dass ihr beiden euch nun doch vertragen habt! So lebt es sich besser." Sie strahlte wieder über beide Ohren und Noah empfand ihren Optimismus langsam als kriminell.

    Dem Rothaarigen fehlten jedoch die Worte, um sie zu berichtigen und er fixierte, was sich in ihrem nicht freien Arm befand: ein rundes Köpfchen, mit langgezogener Nase. Ein quietschfideles, junges Feurigel.

    Die Welt war sowas von ungerecht!

    "Huch?" Sie legte den Kopf etwas schief und fuhr sich mit dem rechten Zeigefinger durch ihre Wange.

    Noah mochte diese Kombination von der gezeigten Unschuld und ihrer Aufmerksamkeitsgabe nicht. Während Yoshi geistesabwesend ein Loch in die Luft starrte, hatte sie direkt Noahs missmutige Neugierde entdeckt, auch wenn sie es durch ihre gezeigte Reaktion zu kaschieren schien. Bisher schenkte er ihren Ausdrücken eher wenig Beachtung, da ihm von ihrer positiven Art schlecht werden könnte, aber sie konnte ihre Mimik wirklich erstaunlich schnell ändern. Fast wie eine Schauspielerin. In der Hinsicht war ihm die Bademantelfurie weniger suspekt.

    Noah machte sich eine mentale Notiz, dass er bei ihr besser aufpassen sollte.

    "Das ist Foy-Foy, mein Feurigel.", eröffnete sie frohen Mutes und hob das kleine Pokémon etwas an, damit der eifersüchtige Noah es auch ja genau begutachten konnte. Foy-Foy nickte Noah wohlwollend zu.

    "Ich weiß.", kam es zähneknirschend von Noah. Also das hatte ihm gerade noch gefehlt!

    "Dein Pokémon sieht aber gar nicht gut aus...", besorgt bückte sich Madame Obvious über sein ohnmächtiges Pokémon, ihr Feurigel erhaschte sich eine kurze Schnüffeleinheit.

    "Ich weiß."


    "Wie heißt dein Poki denn?" Sie schien sich von Noahs sympathiefeindlichen Antworten nicht beirren zu lassen und erhob sich wieder.

    Poki? Nannte sie ein schwerverletztes, etwas cooles Serpifeu ernsthaft Poki?!

    Sogar Yoshi schmunzelte dabei und erntete einen weiteren tödlichen Furienblick von Noah. Im Ernst war also wirklich kein Verlass auf ihn!

    "Poki.", antwortete Yoshi an Noahs Stelle. Sehr gut, immerhin einmal war der Schwarzhaarige nützlich! Noah schloss die Augen und nickte zufrieden. Moment...

    "Das kommt nicht in die Tüte!", fuhr Noah ihn an.

    Serpifeu regte sich daraufhin leicht und blickte seinen Trainer mit schwachen Augen an.

    "Jetzt guck doch nicht so..." Noah seufzte. Poki schien erst jetzt wieder ganz wenig Leben zu haben und wenn es wegen diesem blöden Namen war, dann hatte das blöde Ding nun eben einen blöden Spitznamen.

    Noah bemerkte erst jetzt, dass sich Silvana mittlerweile davongeschlichen hatte und weiter in der Schlange aufschloss. Wahrscheinlich hatte sie auch eine persönliche Schmerzensgrenze. Er nahm sich vor, bei einem etwaigen nächsten Mal netter zu ihr zu sein. ...auch wenn sie ihm diesen blöden Spitznamen eingebrockt hatte.

    "Denkst du, Serpifeu wird einigermaßen über die Runde kommen?", unterbrach Noah die Stille und fixierte einen Punkt auf dem Boden, er wagte es nicht, zum anderen aufzusehen.

    Je näher er an Schwester Joy gelang, umso mehr Schuldgefühle überkamen ihn, das Kompensieren mit seiner bissigen Art half hier auch nicht mehr.

    "Ja. Aber du solltest das Kämpfen mit ihm aufgeben."

    Autsch. Das war nicht unbedingt die Antwort, die Noah erwartet hatte.

    "Sind die Verletzungen so schlimm...?" Er konnte sie nicht wirklich beurteilen, abgesehen davon, dass es wohl sehr schmerzhaft war. Leider wünschte er sich, dass Yoshi bisher nicht so gut im Raten abseits von Tombola war, sein Unterbewusstsein schien ihm doch etwas Glauben zu schenken.

    "Das kommt noch dazu."

    "...dazu?" Irgendwie hatte Noah das Gefühl, dass er in Gesprächen mit diesem Typen nur noch verwirrter herausgehen würde. Er hob endlich den Kopf und musterte ihn abermals, aber auch das half ihm nicht weiter.

    Mittlerweile war übrigens Silvana an der Rezeption dran und sie bedrängte diese mit besorgten Fragen wie dass das Fell ihres Feurigels nicht mehr ganz so flauschig sei wie früher oder ob das eine Grad mehr in seiner Glut-Attacke bedenklich wäre. Probleme, die Noah jetzt gerne gehabt hätte.

    Yoshi seufzte und schien unschlüssig, wie er vorgehen sollte, ehe er mit Handbewegungen ein Abzählspiel im Kopf zu machen schien.

    "Tausche Poki mit mir.", lautete das Resultat.

    Das war nicht unbedingt die Antwort, die Noah erwartet hatte, seine Fragen blieben unbeantwortet.

    "Ehm ja... Das klingt verlockend, aber ich will mir mein erstes Pokémon schon aussuchen!" Er wollte nicht unbedingt zugeben, dass er trotz seinen halbherzigen Freilassplänen ein zu grosser Softie war, um das für ihn nervige Pokémon wegen diesem einen Kampf aufzugeben. Hoffentlich reichte diese Ausrede aus.

    "Welche Spezies möchtest du? Ich kann -"

    "Nein, nein, wirklich gut, ich schaff das schon!" Noah wurde wieder einmal unhöflich, aber zum Glück schien sich zumindest dieser Gesprächspartner nicht davon zu verärgern. Ausserdem wollte Noah es nicht riskieren, dass er plötzlich ein geklautes Pokémon besass. Er traute Yoshi immer noch allerlei zu.

    Leider schien es noch ein wenig nicht Serpifeus Runde zu sein, da Silvana sich gerade eine Diskussion mit einer langsam genervten Schwester Joy lieferte, weil diese Foy-Foy "cool" und "schön" nannte und Silvana darauf bestand, dass Foy-Foy "anmutig" wäre. Wieder ein Problem, das Noah jetzt lieber gehabt hätte.

    Es kam, wie es kommen musste und Silvana brauchte Verstärkung. Noah verfluchte seine innerlich etwas gute Ader, die mal nett zu Silvana sein wollte.

    Sie drehte sich zu ihm um, stemmte die eine Hand in die Hüfte und wurde erst einmal ausgiebig Luft los, während ihr kleines Feurigel auf dem Rezeptionstisch sie mit leichter Furcht anstarrte.

    Noah verschränkte die Arme, um sich unbewusst irgendwie vor dem zu schützen, was da jetzt wohl folgen würde.

    "Du... äh... Pokis Trainer, sag-"

    "Noah.", unterbrach er sie, weil er definitiv nicht vorhatte, je wieder "Pokis Trainer" genannt zu werden.

    "Okay, Noah!" Ihr Gesicht hellte sich wieder etwas auf.

    "Sag der lieben Schwester Joy bitte, dass Foy-Foy 'putzig' ist, ja?"

    Die "liebe Schwester Joy" rieb sich mittlerweile mit ihrer Hand die Stirn. Wenn das so weiterging, bekam sie wirklich noch von ihrer eigenen Kundschaft Kopfschmerzen. Nicht nur, dass der Andrang heute kein Ende nehmen wollte, jetzt musste sie auch noch diese Diskussion führen, während andere Patienten warten mussten.

    "Ich mag Feurigel nicht.", eröffnete Yoshi schließlich, woraufhin Schwester Joy auch nur seufzen konnte. Diese Situation weiter zu eskalieren würde ihr nicht helfen.

    Unterdessen zupfte ihr Chaneira mehrere Male an ihrem Kittel, aber sie schien es bei dieser skurrilen Szene nicht zu registrieren.

    "Was war denn dein Starter?" Ehre den Feurigel! Noah hatte sich eine Fangfrage überlegt, um sich für diese absolut arceuslose Aussage zu rächen. Ihn und Poki zu dissen war das eine, aber gegen coole Feurigel vorzugehen? Nicht in seiner Anwesenheit!

    "Feurigel." Wieder regte sich nichts in der Miene des Schwarzhaarigen, was Noah befürchten ließ, dass das sein Ernst war. Wollte ihm hier eigentlich sonst noch wer ein Feurigel unter die Nase reiben?!

    "Kann ich es haben?", entschied er sich dazu, einmal im Leben ein konstruktives Gespräch zu führen, beziehungsweise die Situation auszunutzen, um endlich seinen Wunschstarter zu kriegen.

    "Es ist verstorben."

    Irgendwie kam Silvana auf die beiden noch weniger klar als Noah auf sein Schicksal.

    "Uhm... ich wollte keine dunklen Erinnerungen wecken...." Sie blickte betroffen zu Boden und Noah... nun, ihm fehlten die Worte.

    "Kein Problem, beim Zweiten war es härter...", fügte Yoshi an, als wäre das ein Fakt, den sie jetzt auch noch wissen mussten.

    "Bro!", entfuhr es Noah kopfschüttelnd.

    Schwester Joy bemerkte nun endlich ihr Chaneira, welches mit seinem fuchtelnden Händchen und einem aufgelösten Gesicht auf Poki verwies. Sie trat zur Seite, um hinter Silvana Noah und Poki besser betrachten zu können. Ihre Augen weiteten sich.

    "Oh herrje... Hol sofort das Notfallbett!"

    Chaneira liess sich das nicht zweimal sagen und rannte so schnell es seine Beine tragen konnten in den Gang hinten, wo es schließlich links abbog.

    Schwester Joy hingegen schenkte dem Schwarzhaarigen einen finsteren Blick, der sich deswegen verlegen an der Wange kratzte. Noah wollte dazu lieber nicht mehr wissen.

    Als Chaneira zurückgeeilt kam, wies Schwester Joy mit einer Handgeste Noah an, Poki auf das Bett zu platzieren, ehe sie gemeinsam mit den beiden Pokémon in einen Raum weiter hinten verschwand.

    "Das wird schon!", zeigte sich Silvana mal wieder ekelerregend positiv. Wieso mussten ihm eigentlich alle immer noch einen draufsetzen?

    Wirklich eine Antwort oder Reaktion schien sie nicht abzuwarten, es war wohl eher eine Höflichkeitsgeste. Mit "Ich muss jetzt gehen, bis zum nächsten Mal!" verabschiedete sie sich recht hastig, vergaß ihren Ärger mit Foy-Foys nicht vorhandener Putzigkeit und schlich sich mit großen Schritten nach draussen.

    Wenn Noah so darüber nachdachte, eigentlich nicht überraschend. Jeder normale Mensch brauchte irgendwann eine Auszeit und wahrscheinlich wollte sie bei einer allfällig sehr negativen Diagnose nicht dabei sein. Noah war ihr dankbar für die Privatssphäre.

    Schließlich gesellte sich Schwester Joy wieder zu den beiden. Sie wirkte immer noch aufgebracht, aber zu Noahs Erstaunen schien sie was gegen seinen Begleiter zu haben.

    "Yoshi, hast du schon wieder Neutrainer ausgenommen?! Ich habe dir doch gesagt, dass ich das nicht mehr dulde!"

    Warum war er eigentlich nicht verwundert? Der Langfinger nahm Neutrainer aus und schaffte es dadurch sogar eine immer mit Engelsgeduld propagierte Schwester Joy zu verärgern.

    Zudem schien er auch nicht ganz so clever zu sein, wenn er bekannt fürs Stehlen war und es trotzdem tat. Noah schlug sich bei dem Gedanken die Hand vor die Stirn.

    "Ich hätte den Kampf energischer abbrechen sollen...", erwiderte Yoshi leise.

    Noah wurde bei diesem Typen echt nicht schlau, er redete mit so einer Selbstverständlichkeit über die Tode seiner Pokémon, aber dann machte ihm ein fremdes, verletztes Pokémon so zu schaffen. Jetzt hatte er zumindest seine Erklärung, warum der Herr sich plötzlich von der entgegenkommenden Seite gezeigt hatte. Dabei war das eigentlich trotzdem nicht sein Kuchen, immerhin beharrte Noah darauf, den Kampf auszutragen.

    "...auch wenn ich wusste, dass Sasha sich zurückhalten würde.", murmelte er noch leiser und goß damit auch noch Salz in Noahs Wunde. Manchmal war nichts sagen besser!

    Schwester Joy, die wieder einmal nicht nachvollziehen konnte, wovon der Schwarzhaarige sprach, hatte ihren Geduldsfaden für den Tag durch: "Deine Entschuldigungen will ich gar nicht hören! Wenn du so unbedingt Geld brauchst, gibt es bessere Wege als eines deiner rücksichtslosen Pokémon loszulassen. Das arme Pokémon dieses Jungen wird nicht nur körperliche Verletzungen haben!" Sie streckte sich über ihren Rezeptionstisch und vergrub ihren Kopf in den Armen. Die Pokémon-Flickerin war wirklich mit den Nerven am Ende. Da war Noah wohl wenigstens nicht alleine. Jetzt hatte Poki also noch einen extra mentalen Schaden. Wunderbar!

    Der Schwarzhaarige fand das jedoch auch nicht so cool und ballte seine rechte Hand zur Faust.

    "Ich habe auch rücksichtsvolle Pokémon."

    Noah hätte es wissen müssen, der Typ hatte seine Prioritäten irgendwo ganz anders, dass man ihm die Schuld an Pokis Zustand gab, schien ihm relativ egal zu sein. Wieder einmal ergänzte er seine mentale Notiz, dass er Yoshis Pokémon besser nicht beleidigte.

    "Wenn du dein rumwütendes Ding nicht bald abholst, hast du bald drei Pokémon mit Hausverbot."

    Schwester Joy hatte sich wieder etwas gefaßt und bereitete sich wohl auf ihre nächste Kundschaft vor. Noah wollte die Details gar nicht mehr wissen. Wahrscheinlich war es sogar besser so, dass man aus diesem Yoshi nicht schlau wurde und dass er seine rücksichtslosen Pokémon nicht wirklich auf ihn losgelassen hatte.

    Der war nun nämlich doch auch mal sauer und packte verärgert diesen Rezeptionstisch, der schon viel zu viel aushalten musste, bevor Noah ihn überhaupt einmal bearbeiten konnte. Schwester Joy rechnete jedenfalls auch nicht mit dieser Reaktion und wich einen Schritt zurück.

    "Ich habe zwar noch ein Pokémon mit Hausverbotspotenzial, aber Tante hat das nicht verdient!", erklärte er ihr nun doch deutlich erregt, da schien jemand einen wunden Punkt getroffen zu haben.

    "...du hast dein Pokémon Tante genannt?!", entging es Schwester Joy und Noah zeitgleich.

    Kein Wunder war das Pokémon am ausrasten, Noah hatte da nun vollstes Verständnis.

  • Kapitel 4


    "Moment... Tante wütet herum?" Zum ersten Mal seit all ihren Interaktionen glaubte Noah, dass dieser Kerl Emotionen zeigen konnte. Sein Gesicht erweckte einen ernsthaft verwirrten Eindruck, etwas, das Noah bei ihm schon als nicht existent erklären wollte.


    "Ja. Der eine Kopf zerstört alles, der andere zerstört einem das Trommelfell. Wenigstens sind sie nicht sonderlich treffsicher." Schwester Joy seufzte.


    Noah blickte zwischen den beiden her. Zum Glück war er hier einmal nicht Teil des Problems und könnte sich nachdem Poki aufgepäppelt war, schön davonschleichen.


    "...der eine Kopf?", hakte der Schwarzhaarige nach und hob eine Augenbraue an. Er wirkte noch konfuser.


    Noah grinste. Dafür, dass der Kerl in lässiger Manier Sachen abzog, wie sein Pokémon Tante zu nennen - oder nun wohl "Tanten" - schienen ihn solche Fakten nicht weniger zu verwirren, als das er es bisher mit seiner Umwelt tat.


    Yoshis Miene wurde wieder neutraler.

    "Das ist definitiv nicht mein Pokémon. Tante hat nur einen Kopf und hat noch nie eine Attacke benutzt.", wies er Schwester Joys Aussagen entschieden zurück und verschränkte die Arme.

    "So eine Verwechslung sollte jemandem wie Ihnen nicht passieren", siezte er Schwester Joy plötzlich und stellte ihre Kompetenz infrage.


    Noah entschied sich, diesem Schauspiel doch noch etwas beizuwohnen. Gerade wurde es interessant und es bedeutete keinen Stress für ihn.


    "Ich bin mir ziemlich sicher, dass speziell du die Entwicklungsstufen deines Pokémon kennst. Du solltest dich wirklich aktiver um deine Pokémon kümmern, wenn du den Wachstum von deinem Tante nicht bemerkt hast."

    Schwester Joy schien sich nach all dem Rummel wieder gefasst zu haben und fast in ihre übliche Professionalität zurückgekehrt zu sein. Ihre Stimme war neutral gehalten, aber Noah wurde den Verdacht nicht los, dass da mehr als nur eine Stichelei dabei war. Trotzdem war sie eben auch bekannt dafür, Trainer zu belehren, wenn diese ihre Pokémon falsch behandelten. Der Kandidat hier neben Noah schien da eh stark darin zu sein, bei dieser Spitznamenwahl.


    Anstatt sich diese Moralpredigt mal zu Herzen zu nehmen, entschied sich der andere lieber dafür, Noah anzustarren. Noah nahm instinktiv einen halben Schritt Abstand und beäugte ihn misstrauisch.


    Schließlich löste sich der andere aus dieser Starre und wandte sich abermals zu Schwester Joy: "Wo befindet sich Tantes Pokéball?"


    "Im unbenutzbaren Raum da hinten, Tante verteidigt ihn als wäre dieser eine wichtige Ressource.", erklärte sie.


    "Okay. Wir kümmern uns darum." Der Schwarzhaarige klang nun wieder gelangweilt, aber willigte ein, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.


    Noah hingegen musste blinzeln. Hatte der Typ gerade "Wir" gesagt?! Wieso sollte er ihm mit seinen Problemen helfen? Da wäre es wohl doch besser gewesen, hätte er diesem Schauspiel nicht beiwohnen wollen.

    Bevor er Yoshi aber klarmachen konnte, dass er keine Lust hatte, einem aggressiven und rücksichtslosen Pokémon seinen Pokéball wegzunehmen, reagierte Schwester Joy bereits geschwind, da sie sich offenkundig auch nicht um diese Sache kümmern wollte.


    "Wunderbar! Folgt mir, es ist gleich da hinten." Ihr empathisches Chaneira erkannte Noahs Missfallen und blickte ihn mit kleinen, leicht zornigen Äuglein an, sodass er es ja nicht wagte, hier einem Pokémon in Not nicht auszuhelfen. Es watschelte dann auch hinter ihm und machte mit seinen Händchen Andeutungen, dass es ihn zumindest zu schieben versuchen würde, sollte er nicht selber mitkommen.


    So ließ sich unser Rothaarige dazu "überreden" und folgte den beiden ins nächste Unheil. Sie liefen einen ziemlich langen Gang entlang, ehe sie noch um ein paar Ecken marschierten und man langsam immer stärker werdende Vibrationen wahrnehmen konnte. Es polterte und schüttelte den Boden sogar leicht, als Schwester Joy vor einer metallenen Tür angekommen war.


    "Von hier an seid ihr auf euch alleine gestellt, ich gehe mich jetzt um andere Patienten kümmern, komm Chaneira."


    Genau so fand sich Noah nun mit einem mulmigen Bauchgefühl vor einem Raum wieder, den er eigentlich auch gar nicht betreten wollte. Er blickte der verschwindenden Schwester Joy und ihrem Chaneira hinterher, wie ein stummer Schrei nach Hilfe.


    Es war etwas kaltes, metallenes, das er plötzlich an seiner Hand spürte und ihn aufschrecken liess. Der andere hatte ihm einen schwarzgrünen Pokéball in die Hand gedrückt.


    "Nutz' Karen und sieh' es als Lebenserfahrung. Ausserdem habe ich noch was gut bei dir.", wurde es ziemlich gleichgültig begründet. Nicht einmal ein Schulterzucken. Stattdessen trat Yoshi einige Schritte zurück.


    Karen? Wieso nannte er sein anderes Pokémon Karen?! Und hatte er ihn nur zum Pokémon Center begleitet, um dann einen solchen Gefallen zu erbitten?

    "Wow, wow, wow, wow! Ich soll mich alleine darum kümmern? Wenn du wüsstest, dass ich überhaupt ni-"


    "Achja, nenn' Tante lieber Kara. Das hat sie lieber, aber ich vermeide den Namen, um mich emotional zu distanzieren.", wurde Noah mit dem nächsten "Allerweltsfakt" unterbrochen. Yoshi lehnte sich mittlerweile an eine Wand, verschränkte die Arme und erweckte nicht den Eindruck, als würde er den Raum überhaupt betreten wollen.


    "Wusstest du, dass das hier passieren kann?", hakte Noah vorsichtig nach und ignorierte die Belehrung erst einmal. Er biss sich auf die Zähne und war ratlos. Eigentlich wollte er nicht wirklich aushelfen, anderseits konnte Tante - oder Kara - da auch nichts dafür, dass der eigene Trainer so nachlässig war.


    "Ja. Sie hat zwar nie gekämpft und entwickelt sich artentypisch erst sehr spät, aber dieser Tag musste irgendwann kommen. Ich hatte es etwas zu sehr verdrängt und gehofft, dass Schwester Joy es nicht ernst meinte..." Der andere hielt inne und wurde nachdenklich.

    "Zudem sind Duodino für diese Art von Problemen bekannt. Sie verteidigen oft Futter, selbst gegenüber dem anderen Kopf. Bei Tante ist das noch etwas komplizierter, weil sie als Kapuno ein Trauma davongetragen hat. Wahrscheinlich manifestiert das der eine Kopf nun in der artentypischen Aggression, während der andere noch eher ihrem friedfertigen Kapuno-Wesen entspricht und überfordert ist."


    Ah sehr gut, traumatisiert war das Ding also auch noch! Noah seufzte. Er konnte mit den Pokémon-Namen zwar nichts anfangen, aber er notierte sich im Hinterkopf, dass dieser Yoshi zumindest im Bezug auf Pokémon-Fakten erstaunlich gesprächig war. Vielleicht konnte er das trotz all diesen Miseren zumindest für sich nutzen. Da hatte er auch schon eine Idee und umklammerte Karens Pokéball entschlossen.


    "Ich helfe dir mit deinem Tantenproblem, aber dafür beantwortest du mir danach alle Fragen, die ich habe. Deal?" Noah grinste frech. So langsam hatte er seinen Pepp wieder.


    "Kara. Und ok." Yoshi blickte zur Seite. Irgendwie missfiel ihm irgendetwas dabei.


    "Gut, dann geht's los."

    Noah, dem Übereifer eines Kapunos ähnlich, öffnete die Tür, ehe er daran dachte, dass er sich Karen eventuell davor hätte anschauen sollen.


    "Ach du...", entging es ihm. Das Chaos der Bademantelfurie war heilig gegenüber dem, was dieses schwarz-blaue Pokémon angerichtet hatte. Überall lagen zerbrochene Reagenzgläser, Stofffetzen, zerbissene Betten und Stangen, Plastikteile und sogar Dellen in der Wand. Noah hoffte innig, dass Yoshi versichert war. Der Schaden sah nach einer guten Geldbeutelentleerung aus.


    Tante befand sich in einer Ecke, hinter einem Stapel von Karton- und anderen Fetzen. Der eine Kopf knurrte direkt, als er Noah erblickte, während sich der andere schreiend gegen die Wand presste. Der Pokéball befand sich links von dem Pokémon, er sah schäbig aus und zerkratzt. Noah wunderte sich, ob dieser überhaupt noch funktionierte.


    Der Rothaarige entfernte sich von dem aufgebrachten Pokémon, um ihm zu signalisieren, dass er keine Gefahr war und begab sich in langsamen Rückwärtsschritten auf die andere Seite des Raums. Ein Blick zurück auf Yoshi zeigte ihm, dass dieser ihn beobachtete. Warum wollte eigentlich nicht er sich darum kümmern? Lebenserfahrung? Pah!


    Tante schien das aber anders zu sehen. Der schreiende Kopf wimmerte momentan nur noch, während der andere noch furchterregender brummte. Wahrscheinlich wollte es Noah jegliche Bewegung verbieten.

    Noah biss sich auf die Zähne und merkte, dass sein Puls schon deutlich hochgeschnellt war. Anfängerfreundliche Trainerreisen waren etwas anderes!

    So entließ er nun endlich Karen, zu der sein Pokédex genau gar keine Info anzeigte, weil sie ihm nicht gehörte. Dabei waren bereits Pokis Informationen viel spärlicher, als dass er es immer in den Zeitschriften zum Pokédex gelesen hatte.


    Karen sitzte anmutig ab und blickte Noah mit grossen, hellblauen Augen an. "Feli!" Es erhob eines seiner Bänder, als würde es den anderen grüssen wollen und schien kein Problem damit zu haben, hier in dieser Situation freigelassen zu werden oder bei einer anderen Person. Noah befürchtete, dass dieses "Feliirgendwas" wahrscheinlich anderes von ihrem Trainer gewohnt war.


    "Hallo Karen.", Noah bückte sich zu ihr runter, schenkte ihr ein Lächeln, um sie ebenfalls zu grüßen und streichelte ihren Kopf, zuckte aber etwas, als er wieder ein tiefes Knurren von dem in die Ecke gequetschten Pokémon vernahm.


    Karen blickte ruhig zur Seite und legte ihren Kopf schief, als sie die aufgebrachte Tante ausmachte. "Feli?" Gut, also hatte Yoshi zumindest nicht gelogen! Selbst Karen war verwirrt, wenn es um Tantes Verhalten ging.


    "Wir müssen Tante zurück in ihren Pokéball bringen", erklärte Noah dem eleganten Pokémon, das eifrig nickte. Es war für den Neutrainer besorgniserregend, wie schnell er sich mit diesem Spitznamen abgefunden hatte.


    "Mein Pokédex hilft mir bei dir leider nicht weiter und der Mistkerl - " Noah schenkte Yoshi einen Furienblink, erhielt aber einen leichten Klaps von Karens langen Bändern.

    "Äh ja, Yoshi will, dass wir das regeln. Hast du eine Idee?"


    Das Pokémon mit in Noahs Augen zu viel Rosaanteil nickte eifrig, ehe es auch schon lebensmüde auf das wütende Pokémon zustürmte.

    "Hey, warte! Was...." Tantes rechter Kopf nahm das ebenfalls nicht sonderlich gelassen auf und zeigte die ausgeprägten Beisserchen. Das Knurren wurde tiefer, je näher Karen gelangte, die sich davon absolut gar nicht beeindrucken ließ.

  • Hallo,


    die ersten Schritte in Noahs Pokémon-Abenteuer sind bisher sehr erfrischend. Dass die Professorin das falsche Pokémon herausgeben würde, hatte ich ja bereits vermutet, aber dass die Arena bereits sehr speziell ist und alle teilhabenden Charaktere sehr ungewöhnliche Eigenarten besitzen, spricht in jedem Fall für viel Abwechslung. Beinahe ist es schon ein Wunder, dass sich noch alle relativ gut miteinander verständigen können. Obwohl Tante bisher sehr aggressiv dargestellt wird, habe ich das dumpfe Gefühl, dass Feelinara dem im bevorstehenden Kampf noch eins aufsetzen wird. Ob das Noahs Verständnis für Pokémon noch weiter verwirren wird? Wir werden sehen.


    Wir lesen uns!


  • Kapitel 5


    Faszinierend, wie elegant Karen durch diesen Scherbenhaufen navigieren konnte und lebensmüde auf Tante zuraste. Noahs Kinnlade hatte das auch noch nicht verarbeitet und hing weiterhin verdattert unten.


    Als Karen nur noch wenige Meter von Tante entfernt war, nahm das verselbstständigte Pokémon einen großzügigen Sprung vor und rammte Tante frontal, die gar nicht so schnell zuschnappen konnte, wie Karen direkt damit begann, das andere Pokémon ausgiebig zu knuddeln. Sie umschlang Tante mit ihren dreifarbigen Bändern und rieb ihren Kopf deftig an dem anderen Pokémon, das quasi erstarrte.


    Noah kapierte nun rein gar nichts mehr. Wieso zum Arceus hielt Karen es für eine gute Idee, mit einem Drachen zu kuscheln?! Der Rothaarige atmete hastig ein, er wollte sich gar nicht ausmalen, wie schmerzhaft das werden würde, sobald Tantes rechter Kopf die Zähne nicht mehr nur zur Schau stellte, sondern auch noch voll damit reinbiss.

    Aber Noah sollte noch mehr verwirrt werden, als Tante schwer getroffen das Gleichgewicht und Bewusstsein verlor. Ein ungutes Gefühl machte sich in seinem Magen breit, diese Szene erinnerte ihn nur zu stark an Pokis Arenakampf. Was für ein Monster hatte Yoshi ihm da gegeben?! Skorgla nutzte wenigstens eine gefährliche Attacke, aber Karen hat nur umarmt und das sah auch nicht sonderlich brutal aus.


    "Kara!" Aufgebracht um ein Pokémon, das ihm bisher nur feindselig gesinnt war, hetzte Noah zu dem verletzten Pokémon.


    Karen ließ mittlerweile von dem Drachen, setzte sich ab und blickte Noah zufrieden lächelnd mit erwartungsvollen Augen an.

    "Du hast es doch nur geknuddelt, oder?" Es durfte nicht so schlimm sein, wie er befürchtete.


    Eifriges Nicken seitens der offensichtlich gut gelaunten Karen, die dann weiterhin zu Noah aufblickte, als würde sie auf etwas warten.

    Dieser kratzte sich am Hinterkopf. Er war absolut verloren. Nichts, von all dem, was er heute in einem einzigen Tag erlebt hatte, war in seinen Lektüren vorhanden.

    Karen leckte sich mittlerweile die Vorderpfote, während sie aus dem Augenwinkel Noah begutachtete. Der Rothaarige trat nun vorsichtiger an Tante heran, deren Hinterkopf ihn ähnlich erschöpft anstarrte, wie es auch Poki zuvor tat. Sein Magen verkrampfte sich.


    "Nicht schon wieder..." Es war genau derselbe Blick, den Poki für ihn zuvor übrig hatte.

    Noah traute sich nun aber auch, sie genauer zu begutachten. Das Fell des hinteren linken Kopfes war länger gewachsen als jenes des aggressiven, rechten Vorderkopfes. Dieser knurrte auch schwach, sobald es bemerkte, dass der Junge schon wieder näher kam und seine Distanzversuche einfach nicht zu kapieren schien.

    Ein kurzes, fröhliches Zwitschern von Karen liess ihn jedoch sofort zurückschrecken und ebenfalls Richtung Wand pressen.

    Beim rechten Kopf gab es eine teils kahle Stelle, die mit einer dicken Narbe verziert war. Angestarrt werden wollte dieser aber trotzdem nicht: Nun wurde Noah mit grimmigem Blick fixiert, während er ein leises Jaulen vom hinteren Kopf vernahm.

    Ironischerweise trug der rechte Kopf eine relativ niedliche, pinke Schleife, die so absolut nicht zu seinem Verhalten passte.


    "Alles wird wieder gut.", versuchte er nun versöhnlich das schwer getroffene Pokémon zu beruhigen, nahm jedoch sofort einen Satz nach hinten, als der rechte Kopf nach ihm schnappen wollte. "Woah!"

    Eigentlich war das nicht überraschend, immerhin hatte er Karen befreit, die wohl tatsächlich so rücksichtslos war, wie Schwester Joy es beschrieben hatte.


    Noah hob den Pokéball auf, machte einen Bogen vom rechten Kopf weg und ging vor dem linken Kopf in die Hocke.

    "Sag mal Tante, kannst du da bitte wieder reingehen? Dein Trainer wartet da hinten.", hielt er ihr den Pokéball hin.


    Tante war zu schwach, um ihren Kopf nach "da hinten" zu wenden, sie reagierte kaum auf die Worte und grummelte in einem enttäuschten Tonfall. Die Augen dieses Kopfes wurden gläsern, ehe sie stöhnend den Ball antippte, in dem sie sich nur kurze Zeit später entmaterialisierte.


    Noah betrachtete nachdenklich den gewöhnlichen Pokéball. Ein wahrlich seltsames Pokémon. Sie - Korrektur, ihr linker Kopf (Noah würde sich an dieses Phänomen wohl noch nicht so schnell gewöhnen) - schien ihm aber genug zu vertrauen, dass sie sich von alleine in den Pokéball begab. Eventuell war sie gar nicht so übel und das größte Übel war ihr Name.


    "Fee-Pokémon sind furchterregend stark in der Offensive, denkst du nicht auch?", vernahm Noah Yoshis Stimme, der mittlerweile hinter ihn herangetreten war und einer zufrieden summende Karen über den Kopf tätschelte.


    "Können wir eventuell mal über Tante reden? So etwas wie 'Danke, dass du sie in den Ball befördert hast und wie geht es ihr?'" Noahs Herzfrequenz war nun recht hoch. Nicht nur, dass er sich um den Mist des anderen kümmern musste, der hatte auch noch kein bisschen Mitgefühl mit dem eigenen Pokémon! Bestimmt tat er es als Artenbesonderheit ab oder so.


    "Danke, dass du sie in den Ball befördert hast. Karen hat sich zurückgehalten, also muss ich mich nicht nach Tantes Zustand erkundigen", erwiderte der andere.

    Noah blinzelte. Das nannte dieser Typ "zurückgehalten"? Es war (schon wieder) ein One-Shot!

    Karen plusterte indes die Wangen auf, da Yoshi sie nicht mehr streichelte und seine nun freie Hand dazu nutzte, um Noah den Finsterball zu entreissen.


    "He!", protestierte Noah, konnte aber den Ball durch den überraschend flinken Griff nicht festhalten.


    "Deswegen ist Feelinara auch die stärkste Evolientwicklung. Robust, sehr offensiv und hat auch noch den Feentypen.", fuhr Yoshi den vorherigen Diskurs fort, während Karen ihren Kopf stolz in die Luft streckte.


    Feelinara hieß das Vieh also. Noah hatte schon von Evoli gehört, aber nicht, dass es sich in ein pinkes Ungetüm mit dem Knuddler des Todes entwickeln könnte. Dass es noch mehr Entwicklungen hatte, überraschte ihn aber eher weniger. Evoli galten als erstaunlich variabel und hier in Johto wurde seine Nacht- und Tagentwicklung entdeckt.

    Würde Noah nicht ständig auf komplett fremde Pokémon mit noch exotischeren Trainern treffen, könnte sich sein Pokémon-Wissen ab und zu sehen lassen.


    "Dieser Typ scheint es dir angetan zu haben.", stellte er fest und gab auf, der armen Tante ihren Platz im Diskurs zu geben, Yoshi wollte einfach nicht hören.


    "Nicht wirklich. Fee gehört zu meinen unliebsten Typen." Trocken, wirr, so wie immer. Mister Tombola war einfach nicht vorhersehbar.


    "Wieso hast du dir dann ausgerechnet ein Felidingsda besorgt?" In Noahs Stimme klang etwas Neugierde mit. Wollte Yoshi etwa um jeden Preis gewinnen, zumal Felidingsda die beste Evolientwicklung sein sollte? Eine Einstellung, die er nicht nachvollziehen konnte. Klar, um ein guter Pokémon-Trainer zu werden braucht es sicherlich viel, aber es gab Grenzen, die man in den Augen des Jungen haben sollte.


    "Das war ein Unfall. Der Klassiker, wo man beim Training vergisst, dass Evoli noch Kulleraugen beherrscht." Karen wirkte mit ihrem selbstgefälligen Surren noch stolzer, als sie Unfall genannt wurde. Welche Art von Stockholm-Effekt hatte Yoshi auf ihr ausgeübt?

    "Daher habe ich auch keinen Nutzen für Karen. Deswegen darfst du Tante haben.", ging es weiter seltsam gleichgültig im Takt.


    Noah musste den letzten Satz nochmals Revue passieren lassen. Also Yoshi hatte keinen Nutzen für Karen und deswegen... gab er ihm Tante? Ein gerade erst ausser Kontrolle geratenes, verletztes Duodino, das er zu 110% nicht im Griff haben könnte?


    "Wie verantwortungslos bist du eigentlich?!" Noah schnaubte.


    "Wie kommst du darauf? Du solltest dich bedanken, wenn ein Erwachsener nett zu dir ist." Yoshi hob wieder eine Augenbraue an, was Noah befürchten ließ, dass er seine Frage wirklich für bare Münze nahm und da kein Problem mit der Sache sah.


    "Okay. Ganz deutlich für dich: In welcher Welt findest du es eine gute Idee, einem Anfänger ein Drachenpokémon mit Trauma und bestätigtem Tobsuchtanfall zu geben?" Noah gestikulierte wieder wild mit den Händen, das war doch nicht zu fassen!


    "In dieser?" Yoshis Augenbraue schaffte es, sich noch höher zu platzieren.


    "Ahh!", rief Noah aus. Es war doch einfach unmöglich! Das musste pure Absicht sein! Wie konnte der andere das nur so lange durchziehen? Aber gut, dann musste er ihm einfach keine Chance dazu lassen!

    "Nochmal. Wieso. Hälst. Du. Das. Für. Eine. Gute. Idee?" Noah atmete angestrengt. Lange machten seine Nerven das nicht mehr mit.


    "Sag das doch gleich! Du hast dich super um Tante gekümmert, obwohl du es nicht hättest tun müssen. Ich merke sofort, wenn die Chemie zwischen Mensch und Pokémon stimmt. Es wäre aber unfair, dir direkt ein gut trainiertes und erfahrenes Pokémon wie Karen zu geben. Trotzdem finde ich es fairer, wenn du neben deinem talentlosen Zuchtabfall noch ein fähigeres Pokémon bei dir wissen kannst, selbst wenn du sie wieder aufpäppeln musst und Tante bisher noch nie kämpfen wollte . Eventuell wird sie das mit dir ja dann -"


    Wenn Noah ihn nicht unterbrechen würde, wüsste er nicht, wie lange er ihm noch zuhören könnte. Ausserdem traten nun seine Adern hervor und dieser Mann schaffte es tatsächlich, ihn noch mehr zu verärgern.

    "Hast du Poki gerade talentloser Zuchtabfall genannt?!"


    "Ja." Nicht einmal eine Körperbewegung kam von dem anderen.


    Noah war wieder etwas verdattert, irgendwie hatte er eine andere Reaktion erwartet.

    "Poki mag zwar einen schlechten ersten Kampf gehabt haben, aber so lasse ich nicht über es reden!" Wieder einmal zeigte der Rothaarige verärgert mit seinem Finger auf den anderen.


    "...wo das fehlende Talent von Poki maßgeblich daran Mitschuld war."


    "Ich habe es satt, dass du ständig deine eigenen Pokémon oder Poki runtermachst! Beweise es mir! Sag mir, was du damit meinst!" Noah wurde noch lauter und er musste einige Male tief durchatmen, um wieder etwas runterzukommen.


    Yoshi ließ sich davon nicht wirklich stören, ruhig beobachtete er Noah und wartete, bis dieser seinen Rant beendet hatte.

    "Poki ist absolut wertlos im Kampf, ich habe noch nie ein Pokémon mit so wenig Talent gesehen. Sogar Stärken seiner Spezies sind besonders schwach. Du müsstest mindestens 10mal so viel Zeit wie andere Trainer investieren, um deren durchschnittlichen Resultate zu absolvieren und erst, wenn dein Serpifeu fertig ausgewachsen ist, könntest du was daran ändern. Aber ich kenne kein Pokémon, das so erfahren ist, dass es nichts mehr lernen kann. Gib das Kämpfen mit ihm auf. Es gibt noch andere Disziplinen, wo die Genetik mit ihm bestimmt weniger versagt hat. "


    Schwester Joy wagte es kurz, einen Blick in den Raum zu werfen, stellte zufrieden nickend fest, dass Tante endlich wieder im Ball war und entschloss sich dazu, die beiden zu gewähren/weiterstreiten zu lassen.


    Noah beruhigte sich während dem Zuhören allmählich, manchmal verfluchte er sein Zündschnürchen. Harte Worte fielen, aber eventuell lag die Arenaleiterin gar nicht so falsch darin, diesen Kerl als Schiedsrichter anzuheuern, es klang zumindest danach, als würde er etwas von Pokémon verstehen. Nur hatten sie moralisch ziemlich verschiedene Ansichten.


    "Mein Tauschangebot steht übrigens noch.", fuhr der andere fort und Noah kriegte gerade die Bestätigung, dass sie sich moralisch absolut nichts teilten.


    "Das ist völlig ausgeschlossen. Mir doch egal, ob Poki und ich härter arbeiten müssen, deswegen schreibt man doch kein Pokémon ab! Woran machst du überhaupt fest, dass Poki ein Zuchtabfall ist und woher willst du sein Talent kennen?"

    Er hatte sich die versprochene Fragerunde zwar anders vorgestellt, aber alles musste man sich nicht gefallen lassen! Eigentlich wollte er auch nicht so direkt zugeben, dass er Poki nicht hergab, aber nun... Noah hatte so seine Grenzen mit der Selbstkontrolle.


    Umso seltsamer mutete es Noah an, als der andere kurz lächelte.

    "Du hast die Regionsprofessorin verärgert.", stellte Yoshi schließlich fest und seine Miene wurde wieder finster.

    "Normalerweise sind gerade die Starterpokémon bekannt dafür, zu den stärkeren ihrer Spezies anzugehören. Speziell Frau Reena ist richtig gut in der Zucht mit ihnen. Sie hat aber leider auch die Angewohnheit, Neutrainer schnell mal in eine Schublade zu stecken und ihnen einen fairen Start ins Trainerleben zu verwehren, wenn ihr was nicht passt. Du bist nicht der Erste mit einem miesen Starterpokémon. Deines ist lediglich besonders mies."


    Noah seufzte. Die Bademantelfurie war also noch schlimmer als gedacht! Aber noch wollte er dem anderen nicht komplett Glauben schenken, immerhin waren das heftige Anschuldigungen.

    "Wieso bist du dir sicher, dass dies bei Poki der Fall ist?" Also wirklich alles musste er rausfischen! Man könnte es Noah auch einmal leicht ihm Leben machen.


    "Mein Pokédex zeigt - egal, das ist jetzt für dich nicht wichtig. Dein Serpifeu ist erst vor Kurzem geschlüpft, viel zu jung, um als Starterpokémon vergeben zu werden und es hat eine seltene Fähigkeit."


    "Aber das klingt doch super! Seltene Fähigkeit nehme ich!" Noah wurde trotz der momentanen Situation optimistischer. Ansonsten würde er hier noch wahnsinnig werden.


    "Die Fähigkeit ist nichts für Anfänger und macht nur alle Kämpfe komplizierter für dich.", kam es wieder trocken zurück ohne mit der Wimper zu zucken.


    "Aha. Du bist also kein Anfänger?" Noah grinste frech und hob eine Augenbraue an. Gefühlt könnte er zumindest jegliche Wortduelle gegen diesen komischen Kauz gewinnen.


    "Nein, ich habe eine Woche Schiedsrichtererfahrung.", wurde ihm wieder mit einer Selbstverständlichkeit entgegnet.


    "Alles klar.", meinte Noah kopfschüttelnd mit einer ironischen Stimmlage. Wenn dieser Yoshi etwas nicht sagen wollte, würde er es wohl auch nicht aus ihm herausbekommen. Leider war es sich trotzdem nicht 110% sicher, ob das nicht eventuell doch ernst gemeint war. Bei diesem Schwarzhaarigen war leider alles möglich.

  • Hallo,


    ungewöhnliche Verläufe zu thematisieren wäre sicher interessant, da so mit den Erwartungen gespielt werden kann. Letztlich stimmt es aber, dass auch etwas Normalität in dem Chaos überraschen kann. Mit Feelinaras Attacke hatte ich gerechnet, da sie doch recht einzigartig und bei Duodino hilfreich ist. Mit dem Diskurs über Poki, Zuchtreste und darüber, dass Yoshis Charakter sowie seine Einstellung immer verworrener werden, zeigt sich jedenfalls deine gute Ausarbeitung der handelnden Personen. Mir gefällt es wirklich, dass nicht alles sofort offensichtlich ist und alle ihre Gründe und Eigenheiten mitbringen. Dadurch werden die Interaktionen mit den Charakteren wesentlich lebhafter.


    Wir lesen uns!

  • Kapitel 6


    Manchmal war das Leben ein Scharlatan. Nicht im Traum hatte Noah daran gedacht, dass er zum Einen so früh schon nicht mehr alleine unterwegs war und zum anderen diesen Typen überhaupt noch eine Minute länger ertragen konnte.


    Leider hatte er dann doch nicht das Herz, ihn abzuwimmeln, wo er seinetwegen ungefragt den Posten als Schiedsrichter bei Sasha gekündigt hatte und meinte, dass er nun noch mehr Geldprobleme hatte.

    Die Begründung "du bist interessanter" zog zwar nicht so wirklich bei Noah, aber mit "Ich kann gut kochen." war der Deal besiegelt. Manchmal war Noah ein simpler Mann. Falls das stimmte, hatte Noah eine Sorge weniger, ansonsten könnte er ihn ja dann immer noch loswerden.

    Zudem tat ihm dieser manchmal ziemlich hilflos wirkende Erwachsene leid. Er schien davor für die Regionsprofessorin Reena gearbeitet zu haben, die ihn aber feuerte, was er nicht so wirklich realisiert hatte. Zumindest empfand er es als Kompliment, dass er der letzte Assistent war, bis Noah ihm erklärte, wie Reena das wahrscheinlich gemeint hatte. Seine Reaktion, wo er Noah komplett verwirrt fragte, ob er denn gekündigt wurde, ließ Noah Erbarmen mit Yoshi haben.


    Am meisten Freude an der neuen Begleitung hatte jedoch ein fröhlich schnatternder und marschierender Poki, der das fantastisch fand, dass endlich jemand anderes sich auch um Geld sorgte.

    Wenn immer es was zu entscheiden gab, stand es Yoshi und Poki gegen Noah, bis der Letztgenannte Poki zurückrief.

    Tante, die Noah widerwillig als sein Pokémon akzeptiert hatte, enthielt sich bei den Argumenten, während der rechte Kopf, den Noah nun Kara nannte (und deswegen 5 Minuten Ruhe von ihm hatte), eh nur ans Schnappen dachte.

    Nichtsdestotrotz nannte Noah das arme Drachenpokémon lieber sein Eigen, als es bei einem Kramurxtrainer wie Yoshi zu lassen.

    Das hatte er spätestens dann beschlossen, als er die dicken Augenringe Yoshis nach ihrer Nacht im Pokémon Center sah. Der Typ sorgte sich nicht einmal um sich selbst, wie könnte er sich so um ein Duodino mit besonderen Bedürfnissen kümmern, das er eh loswerden wollte?


    Nicht zu vergessen, dass das eigentliche Argument, wieso er mit Noah mitkam "Ich kann mich bei dieser Schwester Joy auch nicht mehr blicken lassen" war.

    Aber das fand Noah leider erst dann heraus, als er schon eingewilligt hatte. Dementsprechend ist nun seine Laune im Eimer.

    Was er auf seiner Trainerreise definitiv nicht gebraucht hatte, war ein Begleiter, der es sich mit mehreren Joys und ihrer Engelsgeduld verscherzt hatte.

    Bonuspunkte dafür, dass sich dieser Begleiter mit seinem Starter verbündet hatte und sie deswegen nun durch den Steineichenwald spazierten, obwohl Noah nach Osten aufbrechen wollte.

    Wenigstens war der Waldgeruch und das Zwitschern der Taubsis angenehm erfrischend, wenn...


    "Poki, kannst du auch mal ruhig sein? Sonst geht's wieder zurück in den Pokéball!", schimpfte er unfairerweise seinen Starter, der in diesem grünen Ambiente einfach viel zu gut gelaunt war.

    Poki hielt inne, starrte ihn missmutig an, ehe er sich hinter Yoshis Beinen versteckte.


    "Ich glaube, mit der Attacke Frustration könntet ihr beide weit kommen.", kommentierte Yoshi, der neue Poki-Kumpel, gelangweilt und blickte zu dem kleinen Pflanzenpokémon herunter.


    "Was soll das jetzt wieder heißen?!", erwiderte Noah entrüstet. Natürlich blieb der andere still. Poki war interessanter für Yoshi, sodass er das Serpifeu hochhob und sie sich beide zunickten.

    Noah wollte gar nicht erst in Erfahrung bringen, was die beiden wieder ausheckten, daher atmete er tief ein, um sich etwas zu beruhigen und rief Poki, obwohl es nun ruhig war, trotzdem zurück in den Pokéball.


    Poki war ohnehin nur draussen, um Kokunas und Safcons zu verkloppen, weil die anderen Waldbewohner in Yoshis Augen noch keine gute Idee waren. Was an sich eine gute Erfahrung für Poki darstellte, weniger jedoch für Noah, da Poki den ersten Kokon für gut eine anderthalbe Stunde getackelt hatte und das selbst für Yoshi so langweilig war, dass er am nächstbesten Baum einschlief. Lediglich Poki war eifrig bei der Sache, aber wohl auch nur dank dem Jonagobeerennachschub von Noah.


    Trotzdem lohnte sich diese Entscheidung, Yoshi ihn begleiten zu lassen, für Noah immer noch. Er konnte mehr zu Pokis Fähigkeit Umkehrung in Erfahrung bringen, auch wenn er sich den genauen Wechselwirkungen noch nicht 110% sicher war, aber so das Grundprinzip hatte er verstanden.

    Zudem konnte er aus dem anderen widerwillig herausfischen, dass er aus Einall stammte und deswegen bessere Pokédexeinträge zu Poki hatte.


    "Gibt es für mich irgendeinen Weg, irgendwann auch mehr Daten zu Poki und Kara zu haben?", bombardierte Noah ihn weiterhin mit Fragen, während die beiden weiter durch den Wald spazierten.


    "Für diesen unfairen Vorteil musst du Champ werden."

    Obwohl Noah nicht erahnen konnte, dass Yoshi noch weniger motiviert sein konnte, so klang er noch leidenschaftsloser als bis anhin.


    "Unfair? Meine Eltern haben einige Dexeinträge von Johtopokémon in ihrem Galardex, ist dort normal. Ausserdem kann man sich die Einträge einer Spezies auch googeln.", hielt Noah das Gespräch, das sein Begleiter definitiv nicht führen wollte, am Leben.


    "Ich werde alt...", murmelte Yoshi und trabte nun gedankenverloren weiter.


    Plötzlich hielt Yoshi an, machte ein paar zuckende Bewegungen mit seiner Nase, ehe er ins nächstbeste Gebüsch verschwand.


    Noah blickte ihm ratlos hinterher.

    "Es ist definitiv keine gute Idee, vom Weg abzukommen!", belehrte er ihn, ehe er ihm widerwillig hinterhertrabte. Musste er jetzt echt noch auf einen Erwachsenen aufpassen? Und wieso fragte er sich das bei diesem Typen überhaupt noch?


    "Ich habe Hunger.", bekam Noah wenigstens eine Erklärung und musste seufzen. Sie hatten doch gerade erst vor zwei Stunden gefrühstückt!


    "Ich werde meine Zeit hier jetzt definitiv nicht mit der Suche nach Essbarem verschwenden.", stellte Noah klar und verschränkte die Arme.


    "Gute Idee, ich auch nicht.", meinte Yoshi und Noah hob eine Augenbraue an. Irgendwie konnte er diesen Kerl echt nicht einschätzen. Er klang dabei auch so gleichgültig, sodass Noah sich nicht einmal sicher war, ob er das wirklich so meinte.


    Yoshi holte daraufhin einen Superball, der im Gegensatz zu jenem von Tantes deutlich gepflegter aussah, hervor und rief das darin befindliche Pokémon in die Freiheit.

    Zu Noahs Verdutzen manifestierte sich dort ein Kramurx, also war Yoshi nicht nur ein Kramurxtrainer, wenn es um die Behandlung seiner Pokémon ging, sondern er war es sogar wortwörtlich.


    Das Kramurx landete auf Yoshis erhobenem Arm, sie nickten sich beide zu, wie es Poki schon davor mit Yoshi tat und dann flatterte es auch schon auf und davon.


    Noah blickte ihm hinterher und wusste gar nicht, mit welcher Frage er hier überhaupt starten sollte. Am besten tat es seiner mentalen Gesundheit wohl, wenn er so tat, als wären gewisse Sachen nicht geschehen.

    Zum Glück lenkte ihn Yoshi dann auch schon etwas ab, als er an eine ehemalige Feuerstelle herantrat und Karen mit irgendeiner Feuerattacke diese wieder zu aktivieren schien.


    "Sag mal... Wie hättest du denn den ersten Arenakampf angegangen?", wollte Noah stattdessen in Erfahrung bringen, da er sich hierbei deutlich nützlichere Informationen erhoffte und er ohnehin nicht aufbrechen wollte, bevor Yoshis Pokémon zurückgekehrt war. Zutrauen würde er es ihm zumindest, dass er sich einfach auf und davon machen würde.


    "Eisstrahl und Donnerblitz gespamt und ab und zu fast den Arenaleiter treffen lassen, damit er fit bleibt."


    Bitte was?! Noah starrte ihn verdattert an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Es kreisten sich viel zu viele Gedanken in seinem Kopf. Zudem fand er es verdächtig, dass Yoshi nicht nur Eisstrahl nannte. Somit konnte er zumindest den Typ Boden bei Sasha ausschließen, was ihn schlussfolgern ließ, dass sie eine Flugpokémontrainerin war.

    Es ratterte ziemlich in Noahs Kopf, wo er sich Gedanken über diese Information machte. Sasha besaß also zumindest noch ein Pokémon, das gegenüber dem Eistypen resistent war. Spontan dachte Noah dabei an Botogel und Panzaeron, ehe er weiter grübelte, dass es aber auch ein Feuer- oder Wasserpokémon sein könnte. Da Yoshi bei Skorgla wohl die vierfache Effektivität zu präferieren schien, hielt Noah die Wasser-Flug-Kombo als wahrscheinlicher, das bedeutete...


    "Also, damals hätte ich das so gemacht. Heute bin ich natürlich zivilisierter und würde den Arenaleiter wirklich treffen.", unterbrach Yoshi Noahs Gedankensturm, der unsanft aus seiner Grübelei gelöst wurde und ihn verdattert anstarrte.

    Grinste dieser Yoshi jetzt gerade leicht? Das war ein Witz, oder?


    "Mann, ist der Eistyp mies.", sprach Noah einen seiner anderen Gedanken aus, um irgendwie nicht durchzudrehen. Es gab Dinge, die wollte er sich weder vorstellen, noch genauer hinterfragen. Wahrscheinlich hätte er sich von diesem 110% Kriminellen von Anfang an fernhalten sollen, Gekoche hin oder her!


    Apropos kochen... Das Kramurx kam nun mit einem abgepackten, grosszügigen Stück Fleisch zurück und wurde von Yoshi mit einem Kopftätscheln in Empfang genommen.

    "Danke Kuki."


    Noah konnte nur noch den Kopf schütteln. Nicht nur Yoshi selber schien ein Langfinger zu sein, sein Pokémon wurden dazu auch noch animiert!


    "Das geht jetzt zu weit! Es ist das Eine, wenn du selber stehlen musst, aber verwickle unschuldige Pokémon nicht darin! Wir werden das ganz bestimmt nicht essen!", fuhr Noah Yoshi an und schien jeglichen Respekt verloren zu haben.


    "Kuki Sachen bringen zu lassen entspricht viel eher ihrer Natur, als das, was Sasha mit ihr anstellte...", entgegnete der andere schulterzuckend und machte sich daran, das Fleisch auszupacken.


    "Kriminelle Machenschaften entsprechen ganz sicher nicht der Natur eines Pokémon!" Noah musste wieder heftiger atmen. Dieser Kerl war definitiv nicht gut für seinen ohnehin schon instabilen Blutdruck! Was genau Sasha mit Kuki anstellte, wollte Noah gar nicht erst wissen. Jedenfalls hatte er nun die Bestätigung, dass Sasha wirklich Flugpokémon trainierte.


    "Kriminell? Bringen lassen ist kein Stehlen, sondern Finanzen optimieren", entgegnete Yoshi kopfschüttelnd und schien tatsächlich irritiert von dieser Anschuldigung.

    Dafür erntete er einen deutlich misstrauischeren Blick von Noah, der zumindest artikuliert genug war, dass selbst Yoshi zu bemerken schien, dass ihm Noah nicht glaubte.

    "Ich glaube, du missverstehst da etwas. Ich ac
    hte ziemlich genau darauf, legal zu bleiben, da es mich ansonsten mehr kostet.", fuhr er fort, schaffte es aber definitiv nicht, Noah weniger zu verwirren.


    "Wie genau soll dieses Fleisch legal erworben worden sein?", versuchte Noah ihn zu erwischen und verfluchte sich selbst dafür, dass ihm das Wasser im Mund zusammenrannte, als er Yoshi dabei zusah, wie er das Fleisch mit irgendwelchen Kräutern garnierte und dann zu braten begann.


    "Meine clevere Kuki hilft den Menschen dabei, verlorene Gegenstände wiederzufinden. Durch ihre vergangenen Kamerastalkingmissionen kennt sie Azalea besonders gut. Denjenigen, wo sie besonders kostbare Schätze zurückbrachte, verwöhnen sie regelrecht. Ich habe ihr beigebracht, Magenknurren zu simulieren und den Rest kannst du dir denken."


    Es mutete Noah seltsam an, dass der andere Pokémon sogar loben konnte, fast als hätte er nicht mit allen eine so seltsame Beziehung wie mit Karen und Kara.

    Irgendwie klang die Geschichte aber ziemlich unwahrscheinlich, klauen erschien Noah viel logischer. Vor allem bei einem Kramurx, die dafür bekannt waren.


    "Ich kaufe dir das nicht ab.", war Noahs Urteil und er musterte Yoshi, um seine Reaktion zu beurteilen.


    "Brauchst du nicht, wir geben dir gerne gratis etwas ab.", meinte Yoshi versöhnlich und nahm sogar freundliche Gesichtszüge ab, ehe er ihm ein Stück Fleisch hinhielt.


    "Dein Ernst?" Es folgte ein Nicken seitens Yoshi.

    "Ich geb's auf...", gab sich Noah geschlagen und setzte sich zu dem anderen. Der Hunger siegte.

  • Kapitel 7


    Eines Tages würde er ihn umbringen! Komplett verschwitzt, keuchend und eindeutig mit zu wenig Ausdauer gesegnet stand Noah nun zum dritten Mal am Tag in einer Schlange, weil Yoshi ihn damit beauftragt hatte, ein Pinsir in diesem vermaledeiten Käferturnier zu fangen.


    Abgesehen davon, dass Pinsir illegal selten auftauchte, musste er auch noch zig Trainer abwimmeln, da er die jeweils 20 Minuten pro Turnierrunde nicht für Pokémonkämpfe verschwenden wollte.

    Tatsächlich hatte er heute mit sehr viel Glück bei der zweiten Turnierteilnahme auch schon ein Pinsir gefangen, aber das hatte laut Yoshi, der irgendwas in Dukatia erledigen wollte, die falsche Fähigkeit und er würde ihm ganz sicher nicht nur aus Bequemlichkeitsgründen eine "hart erkämpfte" Fähigkeitenkapsel abgeben.

    Zudem hatte er heute schon 5 Anrufe von dem PokéCom Yoshis erhalten, der sich irgendwie vehement weigerte, auch nur auf eine einzige von Noahs Textnachrichten einzugehen, sodass er ihn durch Telefonate wiederfinden und das Pinsir zeigen musste.

    Mit sadistischem Gefallen konnte Noah dann aber feststellen, dass sich der andere vor dem Pinsir fast schon ekelte, weil er das Gesicht verzog und Abstand nahm, als Noah es in die Freiheit entsandte.


    Immerhin konnte Noah nun etwas entspannen, während er auf sein drittes Turnierbändchen wartete. Der Nationalpark hatte im Kontrast zu Dukatia wirklich angenehm frische Luft und man konnte die Umgebungsgeräusche geniessen. Noah konnte hier trotz allem gut herunterfahren. Dadurch, dass ihm die Prozedur mittlerweile bekannt war, fand sich auch keinen Platz mehr für Nervosität.

    Die Dame an der Rezeption beäugte ihn stirnrunzelnd, sah wohl so aus, als hätte er mit seinem Gefluche auf dem Podest Eindruck hinterlassen. Zum Glück entschied sie sich aber dazu, das Zündschnürchen des Jungen nicht zu strapazieren und verkniff sich Kommentare abseits der üblichen "Viel Spass!"-Floskeln.


    Noah rieb sich kampfbereit die Hände, als er wieder im Nationalpark mit den öden Käferpokémon angekommen war. Sowohl Poki als auch Tante waren ihm bei diesen Pokémon keine gute Hilfe, beziehungsweise sie weigerten sich, diese Pokémon überhaupt anzufassen, was Noah beim ersten Versuch viel Zeit kostete.

    Daher hatte er sich zu Beginn seines zweiten Versuchs ein Taubsi zugelegt, das eifrig alles piesackte, worauf Noah es losließ. Ein wenig fürchtete Noah hier sein eigenes Pokémon und auch das Pinsir mit der falschen Fähigkeit mied den kleinen Vogel, als wäre er hochansteckend. Immerhin hatten sie wohl beide noch kein Taubsi gesehen, das kampflustig wie ein Tauros den Boden scharrte, bevor es mit tiefen Gurrtönen arme Käferpokémon jagte.



    So legte Noah mäßig gelaunt los und...

    Irgendjemand hatte die Nerven, ihn in dieser Hitze von hinten an der Schulter zu packen!

    Es kostete Noah extrem viel Konzentration, beim Umdrehen nicht zu genervt hineinzublicken.


    Das stellte sich dann aber auch einfacher heraus, wenn er den Übeltäter erblickte. Eigentlich glaubte Noah, dass ihn nach der Bademantelfurie und Yoshi so schnell nichts aus den Socken hauen konnte, aber in dieser elendigen Hitze jemand mit Winterklamotten zu erblicken, liessen ihn abermals die Gesichtszüge entgleiten.


    Diese sehr bleiche Person war leicht grösser als er, hatte eine dicke Jacke mit Kapuze über den Kopf gezogen, wo das Kunst(?)fell am Kapuzenende die ganze Geschichte noch wärmer erscheinen liess und selbst die Hände waren in dicken Handschuhen verpackt. Die blauen, schulterlangen Haare stachen durch den Kontrast besonders heraus. Noahs Blick blieb jedoch bei den wie gemalten Gesichtszügen hängen. Der war ja mal unverschämt hübsch! Eigentlich glaubte Noah immer, nur auf Mädchen zu stehen, aber eventuell hatte ihm dieser Kerl gerade gerade aufgezeigt, dass er wohl bi ist. Die langen, mit Federn geschmückten Ohrringe und eine dicke Kette aus blauen Kristallen taten ihr übriges und verliehen dem Kerlchen ein exotisches Aussehen.


    "Howdy! Na, auch noch nicht zufrieden mit der Ausbeute? Also gegen dein vitales Pinsir hatte mein robustes Tannza die letzte Runde echt keine Chance." Der Junge grinste übertrieben fröhlich, es war noch schlimmer anzusehen, als wenn Silvana es tat. Blauhaar hatte Glück, dass er Noah so überrascht hatte und sich dieser sammeln musste. Die verhältnismäßig hohe Stimme verwirrte Noah umso mehr.


    Noah fürchtete langsam, dass er komische Käuze anzog. Wenn er so darüber nachdachte, kosteten ihn die Braunhaarigen bisher am wenigsten Nerven. Yoshi erduldete er wegen seiner Nützlichkeit, aber dieses dick eingepackte Heini hier musste er sich definitiv nicht gönnen. Erst recht nicht, wenn der seine ohnehin nicht zuverlässigen Hirnwindungen durcheinanderbrachte.


    "Lass' mich in Ruhe.", murrte Noah und blickte mit dem Kopf bewusst weg, um dieses kuriose Bild loszuwerden.


    "Oh je, wir sind ja mal mies gelaunt! Aber keine Sorge, gemeinsam erreichen wir unsere Ziele!", sprach der Blauhaarige mit einer definitiv zu fröhlichen Stimmlage weiter und legte den rechten Arm um Noah.


    Dieser schlug diesen unsanft weg und wich einen Schritt zur Seite.

    "Fass' mich nicht an! Meine Güte, ich will nur ein Pinsir fangen und mich nicht mit verwirrenden Nervensägen wie dir rumplagen! Wie viel deutlicher muss ich noch werden!", tobte Noah gestikulierend, ehe er angestrengt atmen musste und sich darauf konzentrierte, nicht noch weiter zu eskalieren. Er schloss die Augen, atmete tief ein, zählte auf 5, dann...


    "Wow. Du hast die Impulskontrolle eines Galar-Flampivian im Trance-Modus.", wurde Noah erstaunlich präzise angegangen. Zumindest war die übertrieben starke Fröhlichkeit von der Stimme des Blauhaarigen gewichen. Sein Gesicht wurde sorgenvoll und mit schief gelegtem Kopf betrachtete er Noah.


    Noah blickte zur Seite.

    "Tut mir leid... Aber ich will wirklich meine Ruhe haben.", kam es nun ziemlich kleinlaut von Noah.


    "Alles gut, ich nehme mich auch etwas zurück. Aber lass' uns trotzdem Kumpels sein, ja? Du hast mir immerhin schon länger zugehört als die meisten anderen." Erwartungsvoll hielt die Labertasche Noah die Hand hin.


    Langsam blickte Noah auf die Hand, ehe er sie zaghaft ergriff und schüchtern lächelnd nickte. Es fühlte sich sehr unverdient an, dass diese Person immer noch mit ihm bekumpelt sein wollte. Auch wenn er es nicht aussprach, so schätzte Noah diese Geste sehr und nahm sich vor, dem Blauhaarigen seine verbliebene Geduld zusammenzukratzen. Immerhin konnte der nichts dafür, dass ihn ein gewisser Yoshi wahnsinnig machte.


    "Wundervoll! Ich habe auch schon eine tolle Idee, wie wir abgehen können. Also, wenn du noch ein Pinsir willst, helfe ich dir bei der Jagd, dafür will ich aber deinen Preis vom letzten Turnier, ok?" Der Blauhaarige hüpfte hibbelig umher, in Noahs Augen war er immer noch eine Spur zu fröhlich.


    "Den Funkelstein? Kannst du auch ohne Pinsir haben.", meinte Noah kopfschüttelnd, holte ihn hervor und überreichte ihn dem anderen.


    "Ach du... Du bist sooo toll!" Mit einem Freudenhüpfer sprang der Blauhaarige Noah an und umarmte ihn, während sich Noahs gesamter Körper über die erneute, nicht gefragte Berührung verkrampfte. Sein Gesicht wurde etwas warm, weswegen er abermals seinen Kopf abwandte.


    "Uh-oh... Wie unhöflich von mir! Also ich bin Zeno! Kannst du mir auch deinen Namen nennen?" Endlich ließ Zeno von Noah ab, redete aber definitiv nicht um den heissen Brei herum.


    "Noah.", erwiderte Noah knapp. "Wir sollten jetzt aber dann wirklich langsam loslegen...", fügte er etwas leiser noch an.


    "Alles klar, Noah! Trainierst du auch Pokémon?", säuselte Zeno, ehe er auch schon voranschritt und ein auffallend weißes Vulnona aus einem Pokéball hervorholte.

    Noah fragte sich, ob das eines dieser sogenannten schillernden Pokémon war, aber irgendwie war die Schweifform auch anders, als dass er es von Vulnona kannte. Zudem sah es so aus, als würde es Kälte, nicht Wärme ausstrahlen.

    Zeno sagte etwas in einer für Noah unverständlichen Sprache, ehe das Vulnona zu schnüffeln begann und Zeno Noah zeigte, dass er ihm folgen sollte.


    Fasziniert trabte Noah hinterher und konnte seinen Blick dieses Mal von diesem Vulnona nicht abwenden.

    "Ja, ich will der stärkste Trainer der Region werden. Das Pinsir fange ich mir für Arenakämpfe, aber mehr verrate ich nicht", erklärte Noah seinem neuen Kumpel. In Wirklichkeit wusste er auch noch nicht mehr, Yoshi weigerte sich, ihm seine Pläne zu verraten, bis er das Pinsir besitzen würde.


    "Hoho... Echt wunderbar, dann musst du dann unbedingt auch irgendwann mal in meiner Arena vorbeischauen!", säuselte Zeno frohen Mutes, während er sich nach Käferpokémon umblickte.


    "D-deiner Arena? Moment... Bist du ein Arenaleiter?" Supertoll. Jetzt hatte er schon beim nächsten Arenaleiter einen bescheidenen Eindruck hinterlassen. Langsam machte er Yoshi mit den Schwester Joys Konkurrenz.


    "Ja! Ich bin die Arenaleiterin von Dukatia City, die Stadt südlich von hier." Zeno grinste frech, während sie wohl Noahs Reaktion mustern wollte.


    "A-Arenaleiter...in?", stammelte Noah, wieder einmal komplett überfordert. Das Vulnona war wieder weniger interessant.


    "Jetzt sag' bloß, du willst nur mit Jungs Kumpel sein!" Zeno stemmte ihre Hände in die Hüfte.


    "Das ist es nicht... Aber dein Name klingt sehr...", abermals blickte Noah verlegen zur Seite.


    "Männlich? Ah, deswegen! Meine Eltern haben mir diesen Namen gegeben, um mich zu beschützen." Zeno tat es Noah mit dem Unterbrechen gleich, immerhin schienen sie sich beide nicht an dieser fehlenden Höflichkeit zu stören.


    Noah blickte Zeno jedoch wegen des Gesagten fragend an, sie zeigte mit einer Fingerbewegung, dass sie noch nicht fertig mit Ausführen war.


    "Sagen wir es so... In Nimbus sind die Regeln ein wenig anders als hier. Dort herrscht das Matriarchat und wenn man Mädchen aufziehen will, dann..."


    "Warte mal. Nimbus? Wovon sprichst du?", unterbrach Noah, der ihr gar nicht mehr folgen konnte, verwirrt. Er betrachtete sie, als hätte Zeno den Verstand verloren.


    "Nun... Du gibst mir diesen 'Ist die ein Alien-Blick?', den ich immer kriege, wenn ich von Nimbus erzähle... Bei euch nennt man meine Welt Ultradimension und das Portal, das ich mit meiner Magie geschaffen habe, nennt ihr Ultrapforte...."


    Zeno redete, redete und redete. Sie meinte noch, dass sie eine Magierin war und weil sie sich als Junge ausgeben musste, bekam sie die doofe Supportklasse zugeteilt.

    Noah war sich nun ziemlich sicher, dass dieses Mädchen komplett irre war und er besser nicht ihre Welt infrage stellte. Daher nickte er nur noch schwach und hoffte, dass sie irgendwann auch mal wieder ruhig werden würde.


    Wenigstens schien sie sehr gut im "Mobs fangen" - wie sie es nannte - zu sein und ließ Noah dadurch sogar Pokébälle sparen, als sie ihm ihr frisch gefangenes Pinsir überreichte, das laut ihrem Pokédex die von Yoshi gewünschte Fähigkeit hatte. Natürlich zeigte Noahs Pokédex dieses Detail mal wieder nicht an. Damit Noah es behalten durfte, musste er es auch noch für die Bewertung anmelden.


    "Deinen Reisekumpel würde ich aber auch gerne kennenlernen. Wieso er ausgerechnet diese Fähigkeit will, erschließt sich mir nicht. ", grübelte Zeno und legte wieder einmal den Kopf schief, während die beiden schließlich auf die Siegerehrung warteten.


    "Glaub mir, das willst du nicht.", zeigte sich Noah in gewohnt missmutiger Manier, notierte sich aber im Hinterkopf, das Zeno leider im Bezug auf Pokémon-Kämpfe wohl nicht ganz ohne war. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn er den Orden locker flockig kriegen könnte. An das Unterfangen würde er sich aber noch nicht ranwagen, mit dem Eis-Typen hatten quasi all seine Pokémon nichts zu lachen. Wieder einmal hatte Yoshi Recht, bemerkte Noah zähneknirschend. Er meinte, dass speziell die Arena von Dukatia City eine schlechte Idee wäre, um loszulegen.


    "Meine Neugierde ist stärker als meine Vernunft!", verkündete sie frech grinsend und schien darin irgendeine Herausforderung zu sehen.

    "Ausserdem... Moment. Guck da, da!" Aufgeregt zeigte Zeno sehr unhöflich auf ein blondes Mädchen im Kleid, das ziemlich eifrig damit beschäftigt war, ein Smettbo mit den Beeren aus seinem Körbchen zu füttern. Das Smettbo schluckte die Dinger erstaunlich schnell runter, sodass sie fast nicht hinterherkam.


    "Ist die nicht süss? So unter Kumpels, ich bin ihr grösstes Fangirl und will irgendwann auch mal wie sie werden!" Zeno war ganz aus dem Häuschen und hüpfte wieder aufgeregt umher, während Noah sie nur verdattert anstarrte und sich wieder fassen musste.

    Nie hätte er gedacht, dass all die hübschen Mädchen im Käferturnier zu finden waren. Aber gut, er hatte so vieles in seinem Leben nicht erwartet.


    "Ja, schon... Aber du bist ziemlich weit davon entfernt, wie sie zu sein.", entgegnete Noah ihr ehrlich. Was die Blonde an Naivität und Sanftmut ausstrahlte, konnte Zeno mit ihrer lockeren Schraube und burschikosem Auftreten nicht so schnell wettmachen.


    "Ich weiß. Aber immerhin weniger weit als du!", entgegnete Zeno weiterhin fröhlich und tippte Noahs Brust an.


    "Ähm ja. Ist gut so, denke ich...", zeigte sich Noah wieder perplex und überlegte sich, ob Zeno mit ihrer Fingerbewegung wirklich gerade das angedeutet hatte, was er glaubte, das sie angedeutet hatte.


    "Ach komm, wirf die Flinte nicht so schnell ins Korn! Mit dieser Einstellung wirst du nie Champ!" Zeno wirkte wirklich verärgert wegen dieser mangelnden Motivation.


    "Was... hat das damit zu tun?", nun war Noah noch verwirrter.


    "Moment. Du kennst unseren neuen Champ nicht?" Nun war es Zeno, die perplex und... endlich einmal still wurde.

    Anschließend tätschelte sie ihre beiden Wangen kurz und blickte Noah mit erwartungsvollen Augen an.


    "Gehen wir zu ihr hin und stellen uns vor! Los geeehts..." Zenos Worte wurden langsamer, ehe sie ihre Arme an ihre Brust presste und den Kopf hängen ließ.

    "Ich trau mich nicht..."


    "Wirf die Flinte nicht so schnell ins Korn!", wiederholte Noah Zenos Worte, die ihm daraufhin entschlossen zunickte und grinsen musste.

    Zwar wollte sie seine Hand packen und ihn mit sich zerren, da wurde jedoch der zweite Platz verkündet, der an Noahs von Zeno gefangenes Pinsir ging, sodass Noah sich unfreiwillig freiwillig von Zeno befreite und seinen nächsten Preis in Empfang nahm.


    Aus dem Augenwinkel heraus konnte er erkennen, wie Zeno dem mittlerweile zum Ausgang verschwindenden Champ hinterherschlich und musste dann doch etwas grinsen.

    Langweilig würde ihm wohl nicht so schnell werden und etwas war er doch auch froh, dass sie trotz seiner rauen Art seine Kumpeline werden wollte. Trotzdem war er unzufrieden mit sich selber, während er Zenos Pokéball in seinen Händen rollen ließ. Zumindest schienen die Braunhaarigen, Sasha und Yoshi einen guten Nebeneffekt auf Noah ausgeübt zu haben, er wurde deutlich toleranter, was spezielle Leute anbelangte. Wäre er Zeno vor ihnen begegnet, hätte das wohl anders geendet.


    "Danke.", kommentierte er daher auch an Yoshi, der ausserhalb des Parks auf ihn wartete und stumm blieb.

    Wie Noah es mittlerweile erwartet hatte, wurde eben nichts erfragt und somit zogen die beiden zu ihrem nächsten Ziel von dannen.

  • Hallo,


    Noah sollte wirklich daran arbeiten, seine Genervtheit unter Kontrolle zu halten und ich habe das Gefühl, dass er das Danke aus dem letzten Kapitel schon bald wieder bereuen wird. Aber ein Gutes hatte der Besuch beim Käferturnier, wenn er mit Zeno eine neue Arenaleiterin kennengelernt hat und nun gefühlt die erste Person seit Aufbruch seiner Reise kennt, mit der er sich einigermaßen gut versteht. Zumindest ein kleiner Lichtblick. Nachdem die ersten beiden Arenen für ihn noch nicht relevant sind, bin ich aber gespannt, wohin die Reise als nächstes führt. Vor allem, ob Poki etwas mitzureden hat.


    Wir lesen uns!

  • Kapitel 8


    Bong, bong, bong. Rhythmisch und penetrant durchgehend.


    Immer, wenn er sich besann, dass Yoshi ihm nicht noch mehr Gründe liefern konnte, warum er ihn umbringen wollen würde, setzte der Kerl noch einen drauf.


    "Du hast wirklich das Immunsystem eines Eispokémon.", lautete die schulterzuckende Bemerkung, als sich in der Nacht der Verlauf der gemeinsamen Lebensmittelinfektion bei Noah als deutlich schwerwiegender herausstellte.


    Nun war er abermals hier, in diesem weißen Bett und einer Infusion, deren Nadel das Bewegen seines linken Arms sehr unangenehm gestaltete. Beim Gedanken daran fluchte Noah abermals, wie er es schon am Tag davor durchgehend getan hatte.

    Rücksicht wurde zu Mangelware, nicht nur bei Yoshi, sondern auch den Krankenschwestern, die natürlich direkt annahmen, dass Noah Rechtshänder war.


    Das weiterhin durchgehend gleichmäßige Poltern verlieh seinem restlichen Körper das Gefühl, als würden kleine Nadeln an ihm genutzt werden.

    Konnte der Tag echt noch mieser werden?


    "Wie wäre es mit etwas Fernsehen, um abzuschalten?", ertönte zu Noahs Linken die muntere Stimme Silvanas, die sofort zu Besuch eilte, als sie von seinem Malheur hörte. Wahrscheinlich gehörte es ebenfalls zu Noahs "Glück", dass Yoshi von allen Leuten, auf die er beim Buchausleihen hätte treffen können, ausgerechnet Silvana begegnen musste, die aus unerfindlichen Gründen ebenfalls nach Dukatia gereist war.

    Noah blieb bei ihrer Frage stumm, sie hatte ihm echt noch gefehlt. Silvana war jedenfalls die Antwort auf die Frage zuvor, der Tage konnte in der Tat noch mieser werden.


    Der Übeltäter Yoshi nahm seine Beine ziemlich zügig in die Hand, als Silvana fröhlich die Arme schwingend wie ein Dirigent hereinspazierte und Noah, der nicht flüchten konnte, musste sich jetzt mit ihr alleine herumschlagen. Also war es seine Strategie, ihr genug Gründe zu liefern, auch abzuhauen.

    Mit Bauchschmerzen war die spärliche Geduld nämlich noch geringer als ohnehin und wenn selbst Yoshi wen nicht ertragen konnte, wo ihm doch sonst fast alles egal war, musste sich Noah das definitiv nicht antun.


    "Uhm... Ich würde wirklich gerne fernsehen.", ergänzte sie mit Nachdruck und presste ihre Lippen leicht zusammen, als wäre es ihr unangenehm, ihre persönlichen Bedürfnisse zu äussern.


    "Wenn du aufhörst zu fragen, dann darfst du.", murrte Noah und drehte sich zur Seite. Wie deutlich musste er denn noch werden?


    "Okay, wird gemacht!" Silvanas Stimme hatte direkt wieder ihren ekelhaften Optimismus angenommen und sie ließ Noah definitiv nicht umentscheiden, so schnell hatte sie das Ding mit Strom versorgt und die Fernbedienung drangsaliert, die ihr dabei auch noch aus der Hand glitt. ... wie auch immer sie das hinkriegte. Wieder eine Sache, die Noah nicht wissen wollte.

    Ihr ansonsten durchgehend nervig rumhopsendes Azurill fing die Fernbedienung mit seinem Kopf auf und kriegte dafür im Gegenzug ein Kopftätscheln. Noah war Silvanas Tollpatschigkeit dankbar, dieses nervende Poltern kurz nicht hören zu müssen.


    Als hätte sie seine stumme Bitte vernommen, packte sie nun das bongende Vieh und umschloss es in ihren Armen, ehe sie es sich auf dem von den Krankenschwestern bereitgestellten Stuhl gemütlich machte und dort fröhlich summend hin und her schwang. Azurill tat es ihr gleich.


    Es war Zenos Stimme, die Noahs Gesicht erhellen und ihn umdrehen ließ, da das TV-Programm scheinbar doch interessant war. Zeno war gerade in einem Kampf mit ihrem Vulnona und - klick! Ein unsanfter Übergang zu einer Pokémon Dokumentation, noch mehr Klicken, bis Silvana sich endlich zurücklehnte und bei der Übertragung eines Pokémon Wettbewerbs blieb.


    Noah atmete angestrengt. Argh! Das alles konnte doch kein Zufall sein! Ausgerechnet dieser Mädchenkram! Dabei hätte er Zeno stalken können! Was sowohl strategisch als auch fürs Auge praktisch war.


    "Schalt zurück zum ersten Sender. Bitte.", bemühte sich Noah, so ruhig und höflich wie möglich zu klingen, um Silvana davon zu überzeugen. Zumindest hatte er den Eindruck, dass er damit am ehesten mit ihr punkten konnte.


    "Nach dem Wettbewerb, oki?" Silvana wirkte angespannt und Noah sah ihr an, dass sie damit kämpfte, stillzusitzen. Ihre Hände zuckten leicht und ihr Mund war schon wieder strichförmiger geworden. Wenigstens hinterfragte sie nicht offen, wieso sich Noah plötzlich doch für den TV interessierte.


    Gerade war ein Feelinara im Fernsehen zu sehen, das stolz wie ein Model auf einer Linie spazierte. Es war deutlich größer als Karen und Noah fragte sich langsam, ob irgendein Fluch auf ihm lastete, dass alle ständig mit exotischen Pokémon dahertanzten.

    Sein Trainer im Karateoutfit wirkte da ziemlich fehl am Platz. Noch mehr daneben empfand Noah es, dass der Wettbewerb in Dukatia City selber stattfand. Silvana könnte ihn also live ansehen, anstatt ihm hier ungefragt Gesellschaft zu leisten und Zeno Bildschirmzeit zu klauen.


    "Oki?", hakte sie mit etwas Nachdruck nach, ehe sich ihr neutrales Gesicht wieder in den Silvana-Modus versetzte. "Das reimt sich ja auf Poki! Ha!" Sie ergänzte die Szene mit einer großzügigen Handbewegung, die man nutzen musste, wenn man einen Witz auf diesem Niveau in die Welt hinausließ.


    Noah schloss die Augen. Es war nur ein böser Albtraum. Sobald er sie wieder öffnen würde, wäre er wach und dieses Mädchen weg. Tiiiief einatmen und... sie war natürlich immer noch da.

    "Wäre auch zu schön gewesen...", flüsterte Noah, um Silvana indirekt mitzuteilen, dass diese Worte nicht für ihre Ohren bestimmt waren.


    "Machen wir es so! Jeder von uns liefert einen Grund, derjenige mit dem besseren Grund darf seine Sendung gucken!", verkündete sie und es war ihr Azurill, das freudig fiepte, weil es die Idee seiner Trainerin auch ganz toll fand.


    Noah rümpfte seine Nase, irgendwas stank an der Sache.

    "Fein. Mein Grund heisst Zeno.", murrte Noah schließlich und blickte weg von ihr. Er war immer noch verärgert, aber dieses Spielchen klang unverlierbar. Es gab einfach keine gescheiten Argumente für Wettbewerbe. Ein Grund mehr, weswegen hier etwas faul sein musste.


    Silvana beabsichtigte bereits, anzusetzen, da kam ihr Noah zuvor und hob seine rechte, nicht mit Nadeln malträtierte Hand an, sodass die gen Silvana gerichtete Handinnenfläche "mal langsam" signalisieren konnte. Stumm schloss sie ihren Mund und rümpfte ihre Augenbrauen mit leichtem Missfallen.

    "Feelinara darfst du nicht als Grund nennen. Mein Mörder hat eines, das du von mir aus stundenlang aus nächster Nähe betrachten kannst.", stellte Noah noch klar.


    "Alles klar! Kein Feelinara. ...aber putzig sind sie schon." Sie verengte ihren Blick schmollend, ehe ihr Augen wieder dieses überenthusiastische, grauenvolle Leuchten annahmen.

    "Jedenfalls habe ich ein suuuuper Argument und es ist auch besser als deines..." Silvana stoppte urplötzlich, zeigte sich plötzlich von der verlegenen Seite und druckste herum. Komischer Kontrast, wenn sie im gleichen Atemzug so siegessicher war.


    "Rück raus." Das war bestimmt ihr Vorhaben, ihn so auf die Folter zu spannen! Alles musste er aus jedem herausziehen, wenn sie nicht Zeno hiessen.


    "Okay. Aber fühl dich nicht schlecht, ja? Bei diesem Zeno finden wir bestimmt einen Weg, damit ihr euch näher kommen könnt!" Widerlicher Optimismus vermischt mit... Noah wusste nicht, ob es Naivität oder eiskalte Berechnung war.


    "Z-Zeno und ich müssen uns nicht näherkommen!", blockte Noah ab und wunderte sich wirklich, woher sie sein anderes Interesse an der Arenaleiterin ausmachen konnte. Zudem musste er den Instinkt unterdrücken, die Decke mehr über sich zu ziehen.


    "Wenn du so nervös bist, brauchst du definitiv Hilfe... Oder ist es, weil es ein Kerl ist? Das ist nicht viel anders und wird schon klap-"


    "Nein, nein, nein! Zeno leitet die Arena, deswegen will ich den Kampf sehen.", ergänzte Noah seine Begründung erregt und war insgeheim stolz auf sich, nicht auf ihr anderes Argument einzugehen, weil das Silvana nur wieder vom eigentlichen Thema ablenken würde. Ihre Aufmerksamkeitsspanne war mindestens genauso bescheiden wie die von Noah selber. Etwas, das sie ein Fünkchen sympathischer werden ließ.


    "Oh, okay... Du musst Pokémon-Kämpfe dann aber wirklich lieben! Achja, wie geht es Poki denn mittlerweile?" Silvana wechselte das Thema und Noah konnte sie mittlerweile so schlecht einschätzen, dass er keine Ahnung hatte, ob das Absicht war oder nicht.


    "Gut. Zu gut. Aber jetzt sag mir deinen Grund.", brachte er sie zurück zu ihrer Wettbewerbssendung, die sie wegen diesem öden Scharmützel ebenfalls am verpassen war.


    "P-Oki! Eigentlich habe ich mich bei dem Wettbewerb als Koordinatorin angemeldet, als ich aber von deinem Zustand erfuhr, konnte ich nicht anders als... Hab' kein schlechtes Gewissen, ja? Wir können deinen Arenakampf schauen, dann fühle ich mich auch weniger..."

    Sie wartete gar keine Reaktion von Noah ab, sondern wechselte bereits auf den anderen Sender. Für Noah geschah das alles gerade ein klein wenig zu schnell und er musste erst einmal seine Gedanken ordnen, dass dieses Mädchen für ihn auf ihre Berufung verzichtet hatte.


    Just in diesem Moment kam auch Yoshi zurück und... Der Typ grinste leicht. Noah hatte keine Ahnung, was ihm dieses Mal diesen seltenen Gesichtsausdruck bei dem anderen bescherte, da es aber letztes Mal mit scheinbaren Gewalttaten an Arenaleitern zu tun hatte, war dies wieder so eine Sache, die er gar nicht genauer wissen wollte.

    Hätte der Typ ihn nicht gestern so unhygienisch bekocht und vergiftet, hätte sich Noah zu einem begrüssenden Nicken erbarmt, stattdessen wollte er lieber direkt dieses Grinse-Bild aus seinem Kopf loswerden und fixierte die Flimmerkiste.


    Der Arenakampf war leider bereits vorbei und der weisshaarige Herausforderer, der ekelhaft süffisant grinste - da war Yoshis Grinsen ja heilig - nahm Zenos Orden in Empfang.


    "Da ist ja jemand noch Älteres als du auf Ordentour.", kommentierte Yoshi und schien tatsächlich fasziniert davon zu sein.

    "Zudem hat er diesen Kampf ziemlich schnell beendet." Yoshi trat noch näher an den TV ran und verwies mit einem Finger auf die verbliebene Zeit, die gestoppt wurde.

    "Das ist schlecht. Dieser Arenaleiter ist ja noch mieser-"


    Noah schenkte ihm einen finsteren Blick und räusperte sich. Silvana blickte unruhig zwischen den beiden her und streichelte wortlos ihr Azurill. Wobei streicheln noch untertrieben war, sie polierte das kleine Pokémon regelrecht.


    "Zeno versteht bestimmt genug von ihrem Metier! Ansonsten wäre sie nicht Arenaleiterin geworden. Ausserdem haben wir den Kampf nicht gesehen, an der verbliebenen Zeit alleine kann man das nicht festmachen.", verteidigte Noah Zeno, die ihm zumindest bei ihrem "Mob fangen" kompetent erschien.

    Silvana kicherte leise.


    "Die Idee, die ich habe, funktioniert nur, wenn der Gegner halbwegs kompetent ist. Jetzt haben wir noch einen Grund mehr, Zeno vorerst nicht herauszufordern.", fuhr Yoshi ungefragt fort und wanderte unruhig im Zimmer herum.


    "Wir? Mistkerl. Es gibt kein Wir, wenn man den anderen mir nichts, dir nichts vergiftet!", erinnerte Noah Yoshi daran, dass dieses zufällig gefundene Stück Fleisch tatsächlich zu gut um wahr zu sein gewesen war.

    Noah hatte sich nun erhoben, mit der einen Hand hielt er seinen Magen warm, die andere wurde zur Stütze genutzt.

    Silvana war dabei, eine Bewegung Richtung Noahs zu initiieren, hielt jedoch inne und streichelte ihr Azurill stattdessen noch intensiver.

    "Zudem willst du, dass ich ausgerechnet den stärksten und erfahrensten Arenaleiter zuerst herausfordere! Willst du mir eigentlich jegliche Lust aufs Trainersein nehmen?" Noah war auf und an, auf Yoshi loszugehen. Diese Lebensmittelinfektion und seine nicht mitfühlende Reaktion könnte er ihm so schnell nicht verzeihen. Lediglich Silvana, die ihn mit der einen Hand sanft zurückhielt, ließ Yoshi hier heil davonkommen.


    "Ja.", kam es lakonisch von Yoshi, der es sich nun im anderen freien Bett gemütlich machte, welches definitiv nicht für Besucher bestimmt war. Im Gegensatz zu Noah erhielt der Schwarzhaarige ein viel moderneres Zimmer, das fast gar nicht nach einem Krankenhauszimmer aussah und definitiv ein krasser Kontrast zu seinem ungepflegten Äussern darstellte.

    Zudem hatte er es eigentlich nicht einmal nötig, da seine Beschwerden relativ milde waren. Yoshi wollte zu dem kostenlosen Essen jedenfalls nicht Nein sagen. Also schmarotzte er ein Krankenhausbett. Das hielt Noah nochmals gedanklich fest, so für das "Warum soll man sich von dem fernhalten"-Protokoll.


    "Aber Noah, das ist doch eigentlich ganz clever! Arenaleiter müssen ihr Kampfteam der Anzahl Orden anpassen und wenn du den stärksten in seiner leichtesten Variante herausforderst, erhöhst du deine Chancen, dass du alle Orden kriegen kannst!", referierte Silvana ihre Gedanken und strahlte wieder über beide Ohren.


    Noah schnaubte und glitt langsam wieder zurück ins Bett, als er ihre Worte in seinem Kopf wiederholte. Argh! Wo sie Recht hatte, hatte sie Recht! Warum konnte er da nicht selber draufkommen? Und warum war das scheinbar so naive Gör' so gewieft?


    "Zudem wirst du den Orden ohnehin nicht kriegen, wenn du gegen ihn in seiner vollen Stärke gewinnst.", ergänzte Yoshi, als wäre es weiterhin eine normale Unterhaltung.


    "Ihr beide macht mich noch wahnsinnig." Geschlagen lehnte sich Noah nun richtig zurück in sein Bett, legte seinen Arm über die Stirn und seufzte. Dieser letzte Satz ergab keinen Sinn, aber es fehlte ihm die Kraft, das auch noch infrage zu stellen.


    Silvana verwickelte anschließend mit ihrer einladenden Art Yoshi in ein Gespräch, wo er ihr stolz in zu vielen Feinheiten von seinem letzten Schnäppchen berichtete, einem rotblauen Karpador. Sie wiederum hatte ihre ganze geplante Choreographie für den verpassten Wettbewerb in petto. Hauptmerkmal: Jede Menge unwichtiger Details.

    Diese konstanten Hintergrundgeräusche von irgendwelchen belanglosen und wenig Sinn ergebenden Themen versetzten Noah dann auch den Schlafesstoß, sodass er mit dem mentalen Bild eines Feurigels im Tutu ins Land der (Alb)träume abdriftete.

  • Hallo,


    der Übergang vom letzten zu diesem Kapitel war etwas abrupt, aber es fiel mir leicht, mich wieder an alle teilnehmenden Charaktere zu erinnern. Obwohl Silvana wie gewohnt sehr sprunghaft agierte, hatte ich hier tatsächlich das Gefühl, mehr von ihr als Person zu erfahren. Im Strom der für Noah nervigen Angewohnheiten seiner Begleitungen empfand ich das als sehr angenehm. Ansonsten war wieder alles Wichtige da: Ein undurchschaubarer Yoshi, einige sehr skurrile Situationen sowie die Tatsache, dass sie aufgrund einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus gelandet waren. Es scheint so, als würde Noahs Reise nach wie vor einige Startschwierigkeiten haben.


    Wir lesen uns!


  • Kapitel 9


    Der gestrige Tag war nicht so der Knüller mit der neuen "Begleitung", die Noah auch noch vergiftete (warum durfte der Typ nochmal ein Fee-Pokémon mit sich herumführen?).

    Noah hatte zudem wegen Albträumen noch mieser als sonst geschlafen. Bis zu dieser Nacht wusste er gar nicht, dass Männerschreie ihr ganz eigenes Horrorfilm-Genre verdienten.

    Es konnte alles nur besser werden! - Das war übrigens kein Optimismus von Noah. Immerhin war er bekennender Realist und besagter Realist hatte die letzten Tage schlichtweg so viel erlebt, dass er bezweifelte, beziehungsweise ihm die Fantasie fehlte, wie es noch mehr bergab gehen könnte.


    Silvana entpuppte sich als Frühausteherin Extreme, um 05:30 Uhr war sie quietschfidel und damit gleich schauerlicher als Noahs Albträume. Sie trug keine Schuld, dass Noah sie wahrnahm - sein leichter Schlaf liess ihn immer wieder wachen - so hatte sie sich doch extra aus Rücksicht zu den anderen beiden mit einer Vibration auf ihrer Armbanduhr geweckt.

    Obwohl sie ziemlich geräuschlos vorging, zeigten ihre schwunghaften Bewegungen, das immer wiederkehrende Lächeln und auch das viel zu optimistische Winken an Noah, dass sie kein Problem mit ihrer unmenschlichen Aufstehzeit hatte.

    Lediglich die tiefen Augenringe unter ihren braunen Augen verrieten, dass sie wohl ähnlich wie Noah nicht sonderlich gut geschlafen hatte.

    Wenn sie aber jetzt schon aufbrechen oder irgendetwas erledigen wollte, so würde er sie nicht aufhalten. Halbherzig kopierte er mit einer Handbewegung ein Schwung ihres Winkens, um sie zu verabschieden, ehe er sich umdrehte und sich noch ein paar Stunden Schlaf gönnte.


    Nach seiner überraschend einsamen Krankenhausentlassung hatte Noah seinen Fast-Mörderer Yoshi wieder an der Backe, der sich wohl irgendwann in der Nacht ausgeschlichen hatte. Oder war er noch in dem anderen Bett, als Silvana von dannen zog...? Noah fing nach dieser skurrilen Nacht nun schon an, seine erlebte Realität anzuzweifeln.

    Jedenfalls hatte Yoshi trotz seiner eigenen morgendlichen Trägheit - er sah kein bisschen besser als am gestrigen Morgen aus - kein Erbarmen und bescherte Noah in monotoner Stimme auf ihrem Weg nach Teak City einen Informationsüberschuss mit viel zu vielen Details zu einer Idee für seinen kommenden Arena-Kampf und dem entsprechenden Training dazu. Ohne Vorwarnung natürlich.


    Yoshi ignorierte dabei auch Noahs Versuche einer Reaktion, als würde er diese gar nicht wahrnehmen - wollen, Noah war sich sicher, dass er das absichtlich tat, da die Augen des anderen sogar von Noahs Gestikulationen abgelenkt wurden und diese verfolgten, während er stumpf weitersprach.


    Bei einem weiten Feld kurz vor Teak City angekommen wurde Noah endlich erlöst.


    "Silvana war enthusiastischer." Yoshi hielt an und beäugte Noah stumm. Wobei, das war eine Untertreibung, er meinte das ganz klar wertend.


    "Du kannst Silvana nicht mit normalen Menschen vergleichen. Moment - du hast ihr das auch angetan?!" Wieso musste er Silvana hier hineinziehen?


    "Ich habe das mir zweimal angetan." Endlich schwang etwas Emotionen in seiner Stimme mit.


    Noah hob eine Augenbraue an, sein Frust ist zu Gunsten von Irritation geflohen.

    "Wenn du selber keinen Bock drauf hast, warum machst du dir überhaupt die Mühe?"


    "Ich will, dass sie ihre Berufswahl überdenken."


    "Mit 'sie' meinst du die Arenaleiter?" Noah hätte es wissen müssen, selbst wenn er diesen Typen mit Fragen löcherte, würde er nur mit noch mehr Fragezeichen im Kopf enden.


    Yoshi nickte stumm, schien aber irgendwo sonst mit den Gedanken zu sein, da sein Blick der Ferne galt.


    "Warum terrorisierst du sie dann nicht selber?" Dieser Mensch machte ihn noch wahnsinnig!


    "Achja, Silvana sollte bald mit den Besorgungen zurück sein." Yoshis Blick wich Richtung Teak City Zentrum.


    Noah blinzelte. Er brauchte ein paar Sekunden, um den erneuten Themawechsel (der Monolog davor war schon sehr schlecht strukturiert gewesen) mitsamt dem eigentlichen Inhalt zu verarbeiten.


    "Das hast du nicht getan."

    Noah konnte dem Drang nicht mehr widerstehen, er musste sich die Schläfen reiben, bevor er hier wieder loslegte und Wut-Energie in diesen Menschen reinschmiss. So gern Noah auch Unterstützung beim Training hatte, es fühlte sich nicht richtig an, dass Silvana nun als sein Liefermädchen herhalten musste.


    "Wieso nicht? Wie ich schon sagte, sie interessierte sich deutlich mehr für Kämpfe, als du. Achja -"


    "Stop! Fertig! Kein Achja mehr heute!" Noah hob die Hände in die Luft und hatte die Kontrolle doch noch verloren. Yoshis wilder Kopf und zig Themawechsel, wenn er wieder einen neuen Gedanken hatte, gaben ihm den Rest.

    Unruhig lief Noah hin und her, um sich irgendwie zu beruhigen, heute war er schon überdurchschnittlich geduldig für seine Verhältnisse und es reichte trotzdem nicht!


    "Okay. Aber ich sag's jetzt schnell, bevor ich es vergesse, bitte nicht unterbrechen - Warte, was, war es nochmal..." Zum ersten Mal am heutigen Tage konnte Noah Emotionen im Gesicht des anderen wahrnehmen, seine gerunzelte Stirn zeigte ihn sichtlich irritiert, dass er den eigentlichen Gedanken nicht mehr im Kopf hatte.

    "Achja! Silvanas Vater soll ein sehr guter Pokémon Trainer sein, Spencer Riley. Noch nie von ihm gehört. Findest du das nicht auch komisch?"


    Noah musste wieder blinzeln, Yoshi war wirklich komplizierter als Pokémon-Kämpfe.

    "Nein, finde ich nicht. Wieso sollte es?" Etwas stolz war Noah schon, dass er es irgendwie schaffte, eine für seine und Yoshis Verhältnisse normale Konversation zu führen, also gab er sich extra Mühe, damit er dem Herren bei seinem Ausdrucksproblemen weiterhelfen konnte. Selbst Noah lernte dazu und komplett nutzlos war der heutige Tag auch nicht, Noah lernte Sachen, die ein Anfänger nicht wissen sollte.


    "Erkläre ich dir ein anderes Mal. Konzentriere dich auf deinen kommenden Arenakampf." Mit diesen Worten zog Yoshi von dannen und Noah wusste so viel, wie zuvor.


    "Silvana redet positiv über ihren Vater...", murmelte Noah zu sich selbst, während er versuchte, seine Gedanken wieder Richtung Jetzt zu schieben.


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    Das Sandamer torkelte in offenkundigem Schwindel, ehe es unsanft zu Boden glitt.

    "So kämpft man doch nicht. Elegant ist das auch nicht!" Silvana presste Luft in ihre Backen, ihr angespannter Kiefer verriet das Zähneknirschen, dass sie durch ihre Pummeluff-Imitation zu verschleiern versuchte.

    Mit gerunzelter Stirn rief sie ihr Pokémon zurück, während Poki in neu gefundenem Selbstbewusstsein sich erhobenen Kopfes hochnäsig durch seine gelbe Halskrause griff.


    Noahs Erfolgsgefühle hingegen mussten aufkommender Panik weichen - wo war die Funktion auf dem Pokédex nochmal? Aufgeregt stiess er jeden zweiten Knopf der Benutzeroberfläche, wieso sahen die im Stress alle gleich aus?


    "Ehm, Noah, Poki leuchtet wieder." Ihre Stimme hatte abermals diese höfliche Zurückhaltung gewonnen, die Noah mittlerweile zur Weißglut bringen konnte. So rücksichtsvoll Silvana auch sein wollte, das war doch Absicht!


    "Ich weiss!" Verdammt, wo war die Abbrechfunktion? Er drückte doch schon alle Knöpfe!


    "Poki, pfui!" Ein verzweifelter Versuch ihrerseits, aber Noah schätzte die Geste.


    Ahja, er musste in dieses Menü und... ein kurzer Blick nach oben, dann konnte er erleichtert ausatmen, Poki war immer noch ein Serpifeu.


    "Danke für eure Hilfe."


    Silvana nickte lächelnd, da hatte jemand seine Lektion gelernt!


    Noah trat einige Schritte vor und beugte sich zu Poki herunter, um ihm ein High Five anzubieten. Das Biest setzte auch dazu an - Noah war sich sicher, eine dunkelgrüne Ranke auftauchen zu sehen - ehe es auflachend und in purer Arroganz den Kopf von Noah wegdrehte.

    Dieses Training gab dem "talentlosen" Serpifeu viiiel zu viel Ego. Das gefiel Noah nicht. Überhaupt nicht.

    Ob das wohl auch Yoshis Absicht gewesen war? So ausschweifend er auch war, darüber hatte er kein Wort verloren. Anderseits pflegte er auch eine ganz andere Beziehung zu Poki als Noah selber. Poki gehorchte Noah mittlerweile nur noch dann, wenn Noah ihm sagte, dass es eine Idee von Yoshi war.


    "Ich fühle mich immer noch nicht gut dabei... Irgendwie habe ich mir Pokémon-Trainer anders vorgestellt."

    Silvana war seit ihren gemeinsamen Trainingsstunden graduell offener geworden. Während sie gestern noch stumpf Noahs Anweisungen folgte und ihr Missfallen nur durch Stirnrunzeln zeigte, so hatte Noah nun endlich das Gefühl, einen echten Menschen vor sich zu haben und nicht dieses... immer optimistische Ungetüm.

    Ihren Kevin - ja, sie nannte das Sandamer Kevin - immer wieder trotz seines Typen zu Boden gehen zu sehen, war wohl auch nicht ihre Lieblingserfahrung gewesen. Zudem hatte Kevin seinen Lehmschuss immer zögerlicher eingesetzt, das arme Sandamer machte definitiv ein paar falsche Verknüpfungen mit dieser Attacke.


    Noah und Silvana begaben sich schliesslich für einen weiteren Abstecher ins Teak City Pokémon Center. Die Schwester Joy beäugte Silvana jeden Besuch kritischer, war aber vornehm genug, ihre Zweifel nicht anzusprechen, da der neue Stammkunde nie ernsthaft verletzt war.


    Anschliessend brachen die beiden zur Arena auf. Natürlich musste sie sich am höchsten Punkt der Stadt befinden...!

    Noah fühlte sich, als müsste man einen Berg anstelle eines Hügels besteigen, als er und Silvana die schier endlosen, grauen Stufen zu ebenjener Arena bestiegen. Fit würde der Arenaleiter also sein!


    "Power macht schlauer!", versuchte Silvana mit sinnlosen Reimen den Aufstieg zu unterhalten, während sich Noah lieber mit seinem gesunden Menschenverstand unterhielt, der ihn unter anderem fragte, warum er sich das hier alles antat.


    Ziemlich ausser Atem erreichten die beiden ihr Ziel aber doch noch bevor es dunkel werden würde. Noah blickte unsicher zu Silvana, sie nickte ihm entschlossen zu.

    "Ich verstehe nicht alles von diesem Plan, aber ich bin mir sicher, Yoshi wollte dir wirklich helfen. Auch wenn er es dir nicht gesagt hat, es hat ihm ziemlich leid getan, dass du seinetwegen so leiden musstest."


    "Sein Plan klingt aber nicht, als hätte er viel Mitgefühl mit anderen.", widersprach Noah ihr flink.

    Anders als Silvana mit ihrer Fähigkeit, alles irgendwie positiv zu sehen, hatte er mehr als genug Zweifel an der ganzen Sache hier. Seine Lippen presste er wenig begeistert zu einem Strich. Nicht zu vergessen, dass er zu Yoshis Beweggründen mittlerweile auch so sein Hintergrundwissen hatte.


    "Finde ich nicht. Psychologischer Krieg gegen den Psychoarenaleiter passt doch ganz gut." Silvana kicherte schüchtern.


    Noah kannte dieses Kichern mittlerweile. Es war Verlegenheit, um ihr Unbehagen zu verstecken und dadurch hatte es nicht mehr ihre gewünschte Wirkung auf Noah. Silvana fühlte sich schon seit ihrem Training so unwohl, jetzt, wo sie Yoshis komische Ideen umsetzen gehen würden, nahm der Druck und die Erkennung, dass es wirklich geschehen würde, zu.


    "Du weisst, wenn wir gewinnen, darfst du Yoshis Feelinara einkleiden", versuchte Noah Silvana aufzuheitern, deren Gesicht sich sofort aufhellte.

    Noah wollte sie zwar nur wegen seinem eigenen schlechten Gewissen aufmuntern, musste jedoch trotzdem ein Seufzen unterdrücken. Yoshi, dieser Mistkerl, wusste haargenau, welche Geschütze er für Silvanas Unterstützung ausfahren musste.

    Dafür, dass Yoshi bisher zwischenmenschlich oft so schwer von Begriff war, konnte er erstaunlich manipulativ in seinem Vorgehen sein. Das war wohl auch eines der Gründe, warum Noah befürchtete, dass die Ideen des Schwarzhaarigen nicht vollkommener Humbug waren.


    Mit einem Schlucken betraten sie die Arena. Die Lektion von Sasha sass immer noch und es kostete Noah seine komplette Selbstbeherrschung, sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen.


    Drinnen fanden die beiden auch schon direkt das Kampffeld vor. Die Arena war erstaunlich simpel gehalten und die Wände sowie das Dach verrieten auch, dass das Gebäude im Teak City Style einige Jahre auf dem Buckel hatte. Von der Extravaganz Sashas war hier nichts zu sehen, wenn... Noah davon absah, dass der bebrillte Arenaleiter, der Noah mit zusammengekniffenen Augen fixierte, einen Forscherkittel trug.


    "Zerzauste, rote Haare...", erklang es fast schon fassungslos geschlagen von dem Arenaleiter.

    Wenn Noah das von seiner Position aus richtig erkennen konnte, kniff dieser Arenaleiter - definitiv auch nicht kinderlieb - seine Augen noch mehr zu. Jedenfalls war sich Noah nun bewusst, wie sich Haarfarbendiskriminierung anfühlen musste und bereute es im Hinterkopf etwas, dass er Silvana, die sich als coolere Socke als gedacht herausstellte, so unfair deswegen behandelte.


    "W-willkommen in der Arena von Teak City, Herausforderer!", erklang eine Stimme zu Noahs Linken, den Fahnen in ihrer Hand zu urteilen, handelte es sich um die Schiedsrichterin, die wohl ebenfalls irritiert war und die Situation zu retten versuchte.


    Der Arenaleiter hingegen seufzte, wies aber seine Schiedsrichterin mit einer Handgeste an, fortzufahren.

    Es schien, als wären Yoshis Demotivationsideen gar nicht nötig bei dem Fall hier. Hätte der Arenaleiter nicht seine Haare kommentiert, würde Noah das Ganze nicht einmal persönlich nehmen können.

    Da kam Noahs Erleuchtung: Sowohl Arenaleiter als auch Schiedsrichterin hatten lilane Haare. Zufall?

  • Hallo,


    ich bin mir noch unsicher, ob ich Pokis Reaktionen nun als Trotz Noah gegenüber werten soll oder ob da gewisses Kalkül dahintersteckt, dass sich alles rundherum gegen ihn verbündet. Deutlicher wird das zum Ende hin mit der Haarfarbe, auch wenn das nicht weiter kommentiert wurde und ich nehme an, während des Arenakampfes wird das noch ein Problem darstellen. Überrascht hat mich auf jeden Fall, dass sich Poki erst einmal nicht entwickeln soll und diesen Aspekt mittels Pokédex in die Geschichte einzubinden habe ich in der Form auch noch nicht gelesen. Das wollte ich gern positiv hervorheben.


    Wir lesen uns!