Von Konsequenzen und Cancel Culture

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  • Wann auch immer eine Celebrity in Kritik steht - sei es für irgendwelche getätigten Aussagen oder für bekannt gewordene Taten aus der Vergangenheit (wie bspw. sexuelle Übergriffigkeit) - fliegt in gewissen Kreisen, also vor allem Fox News und Co. ein Begriff durch die Gegend: Cancel Culture. Aber was hat es mit dem Begriff überhaupt auf sich?


    Während es den Begriff "Cancelling" in Bezug auf das Zurückziehen von Unterstützung von Celebrities oder Organisationen bereits auf die 1980er zurückgeht, so ist der Begriff "Cancel Culture" eine neue Erscheinung. Der Begriff hat sich aus dem vorherigen Begriff "Call-out Culture" entwickelt.


    Das Phänomen geht auf #MeToo zurück. Spezifisch die Entwicklung der #MeToo Bewegung in den 2010ern. In diesem Zusammenhang wurde von einer "Call-out Culture" gesprochen. In diesem Zusammenhang wurde natürlich auch Frauen vorgehalten, dass sie die #MeToo Bewegung ausnutzen würden. Als dann auch erste BI_POC Künstler*innen sich gegen Rassismus in der Medienindustrie ausgesprochen wurde, kam der Begriff "Cancel Culture" in Bezug auf diese Bewegung auf. Richtig verbreitet wurde der Begriff allerdings erst in 2019. Zu diesem Zeitpunkt haben vor allem konservative Politiker, wie unter anderem Donald Trump, begonnen den Begriff zu verwenden, um sich an Kritik an etwaigem rassistischen, sexistischen, queerfeindlichen oder ableistischen Verhalten zu wehren.


    Von 2019 an, wurde der Begriff vor allem in konservativen und rechten Kreisen vermehrt gebraucht, unabhängig vom Kontext. Jedes Mal, wenn auf den sozialen Medien, in traditionellen Medien oder in Reden Celebrities für ihr Verhalten kritisiert wurden, stand der Vorwurf der "Cancel Culture" und damit einhergehend der "Zensur" schnell im Raum. Dies führte dazu, dass speziell während der Pandemie vermehrt auch in zentristischen Kreisen der Begriff aufgegriffen wurde.


    Es ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass der Begriff beinahe ausschließlich genutzt wird, um Kritik auf Basis genannter *ismen zu beschreiben - nicht jedoch im Kontext, wenn aus rechten oder konservativen Ecken Kritik an aus ihrer Sicht "unmoralischem" Verhalten kommt. So wird der Begriff "Cancel Culture" verwendet, wenn es um Kritik an Dave Chapelle oder J.K. Rowling geht, nicht aber, wenn es darum geht, dass rechte Kreise versuchen "Lightyear" für die Inklusion eines queeren Paars aus den Kinos zu bekommen oder MONTERO von Lil Nas X für die queeren Inhalte zu verbieten.


    Anzumerken sei an dieser Stelle auch, dass in einigen Fällen "Cancel Culture" auch im akademischen Rahmen genutzt wurde, wenn Vorträge von Forscher*innen oder Politiker*innen an Universitäten untersagt wurden.


    Es gibt einige Stimmen in den Medien, wie bspw. die von Sunny Hostin und Levar Burton, die vorschlagen, das Konzept in "Consequence Culture" umzubenennen. Denn letzten Endes geht es bei etwaigen Callouts darum, dass Calebrities nicht durch ihren Status (und in vielen Fällen auch gesellschaftliches Privileg) vor Konsequenzen geschützt werden sollen. Sprich: *istisches Verhalten oder Übergriffigkeit (sei diese sexuell, psychisch oder physisch) sollten Konsequenzen mit sich bringen.


    Aus wissenschaftlicher Sicht sei gesagt, dass es "Cancel Culture" nicht wirklich gibt. Weder im Zusammenhang von #MeToo, noch im Zusammenhang mit anderen *ismen. Tatsächlich haben nur sehr wenige Celebrities, auf deren *istisches Verhalten Online aufmerksam gemacht wurde, dadurch ernsthafte Konsequenzen zu spüren bekommen. Weder rechtlich, noch in Bezug auf ihre Karrieren. Selbst in Fällen, in denen Call-Outs funktioniert haben und die etwaigen Celebrities einen Vertrag oder ähnliches verloren haben, gab es meist immer ein andere Studio oder Label, das sie aufgegriffen haben. Tatsächliche Konsequenzen wie im Fall von Weinstein oder Kevin Spacy sind selten.


    Etwas anders sieht es aus in Bezug auf "normale Leute". Es gibt einen Spruch, der es hier sehr gut trifft: "Twitter ist ein Spiel, bei dem es jeden Tag einen anderen Hauptcharakter gibt. Ziel des Spiel ist es, nicht dieser zu sein." Das beschreibt es in meinen Augen sehr gut. Denn ja, im privaten Bereich hat Call-Out Culture eher Konsequenzen. Hier kann es sein, dass ein dummer Tweet tatsächlich ernsthafte Folgen hat. Denn während Celebrities durch ihren Status als solche vor Konsequenzen häufig geschützt sind, so gilt dies nicht für die privaten Personen, deren dummer oder *istischer Tweet explodiert. Und hier kann es Leben zerstören und soweit gehen, dass Leute zum Umzug oder anderen Extremen Maßnahmen gezwungen werden. Denn anders als Celebrities, die Body Guards haben, können Privatpersonen nie sicher sein, was passiert, wenn jemand ihre Adresse findet. Und während natürlich *istische Aussagen kritisiert gehören - online Mobbing, teilweise mit Morddrohungen und mehr - sollte nicht die Antwort sein.


    Diskussionsansätze:

    • Glaubt ihr, dass es Cancel Culture überhaupt gibt?
    • Haltet ihr es für wichtig, dass Celebrities Konsequenzen für ihr Verhalten zu spüren bekommen?
    • Wie denkt ihr darüber, wenn Vorträge aufgrund von Gegenwind abgesagt werden?
    • Wie sollte man Otto-Normal-Twitteruser vor dem wütenden Mob (der durch ernsthafte anliegen, aber auch Kleinigkeiten) schützen?
  • Yuki

    Hat das Thema freigeschaltet.
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    Das hier ist ein weiteres Beispiel, welches politische Lager wirklich "Cancel Culture" betreibt. Eine Abschlussklasse einer

    katholischen Mädchenschule in Koblenz malt ein Kunstwerk mit Prideflagge als Zeichen von Akzeptanz und die katholische Schulleitung übermalt über Nacht die Prideflagge, "weil politische Botschaften" nicht erlaubt seien. In Ungarn wurden Gender Studies und LGBTQ+ Bücher gebannt, in den USA u. a. Bücher von LGBTQ+ und POC die über "Critical Race Theory" schreiben, in Russland LGBTQ+ komplett von Medien verbannt. Also ja,"Cancel Culture" existiert tatsächlich, nur in Wahrheit von dem Lager das strategisch am meisten darüber weint und Täter-Opfer-Umkehr betreibt, viele in der sogenannten "Mitte der Gesellschaft" fallen auch natürlich mal wieder darauf rein, ausbaden müssen es am Ende wieder wie so oft in der Menschheitsgeschichte marginalisierte Gruppen.

  • Ein interessantes Thema, über das man in seinen Nuancen meiner Meinung nach ziemlich ausführlich diskutieren kann. Fragen, die mir neben den Diskussionsansätzen in den Sinn kommen, sind u.a., wie weit darf Meinungsfreiheit gehen, wie viel muss eine Gesellschaft aushalten, nach welchen Kriterien canceln wir und welche Instanz entscheidet das?


    Gibt es Cancel Culture? Je nach Definition des Kulturbegriffs durchaus. Wenn dazu die Wertvorstellungen und Denkweisen einer Gesellschaft gehören, die sich auch in konkreten Handlungsweisen und der Verteidigung dieser Wertvorstellungen äußern, gehört es auch zu der jeweiligen Kultur dazu, bestimmte Meinungen und Haltungen aus dem öffentlichen Raum zu verbannen, wenn nicht gar unter Strafe zu stellen (z.B. Holocaustleugnung), und das muss nichts schlechtes sein, weil manche Haltungen nun mal derart im Widerspruch zu unseren Werten stehen, die wir als so konsensfähig ansehen, dass es da kaum bis keinen Diskussionsspielraum gibt. Und heutzutage ist unsere Gesellschaft auch stärker sensibilisiert gegenüber bestimmten Themen.


    Vorweg würde ich auch sagen, auch wenn „Cancel Culture“ in erster Linie aus konservativer Ecke dazu genutzt wird, die politische Linke zu diskreditieren und eine Meinungsdiktatur heraufzubeschwören, sehe ich die Cancel Culture die aus eben jener konservativen Seite ausgeübt wird, als weitaus besorgniserregender an, weil hier teils wirklich menschenverachtende Positionen vertreten werden und das auch noch mit dem Wunsch einer konkreten, politischen Umsetzung. Besonders in den USA nimmt das ganze durchaus krasse Formen an, wo erzkonservative, religiöse Fundamentalisten hohe Positionen in staatlichen Institutionen.


    That being said, nehme ich es im öffentlichen Diskurs, vor allem auf Social Media, durchaus so wahr, dass das Verlangen bestimmte Aussagen und Haltungen oder dahinterstehende Personen zu canceln – ob durch direkte Aufrufe oder indirekt Shitstorms, die die Person aus dem öffentlichen Raum drängen - zu voreilig Verwendung finden. Ironischerweise trifft’s dann früher oder später auch diejenigen, die ganz vorne mit dabei sind. Ich weiß nicht genau in welchem Kontext, aber soweit ich weiß hat auch Jasmina Kuhnke vor kurzem nen harten Shitstorm abbekommen, weil sie sich wohl mit der „falschen“ Person solidarisiert hat, ihren Twitter Account anschließend deaktivieren und dann ein ellenlanges Statement raushauen musste.


    Ich will an dieser Stelle gar nicht ausdiskutieren, was die Dame denn „verbrochen“ hat, mir geht es eher darum zu sagen, dass sich Teile der Gesellschaft scheinbar schwer damit tun, auch mal kontroverse Diskussionen oder Haltungen über sich ergehen zu lassen. Ob das jetzt auf Twitter ist, oder auch in diesem Forum, wo 50% einer jeden Diskussion daraus besteht, die moralisch-ethische Haltung des Gegenübers in Frage zu stelle. Ich habe auch schon ziemlich sachliche Takes gesehen, die von eher linken Personen aus dem akademischen Umfeld getätigt wurden, die ansonsten nie wirklich kontrovers aufgefallen sind, aber aufgrund eines entsprechend kontroversen Topics auf Social Media dementsprechend von der Masse – teils mit persönlichen Angriffen – auseinandergerissen wurden. Das ist einer (wissenschaftlichen) Diskussion halt nicht würdig, die auch mal damit enden darf, dass man sich einig ist, dass man sich nicht einig ist. Ohnehin sind Geistes- und Sozialwissenschaften dahingehend durchaus kontrovers, worauf ich aber später nochmal genauer eingehe.


    Wir leben halt in einer pluralistischen Gesellschaft, in der Menschen unterschiedliche Ansichten dessen haben, wie eine Gesellschaft im Kern funktionieren sollte, was Abhängig ist von ihren Erfahrungen, Weltanschauungen, Werten aber auch Biases. Was der eine als verletzend und diskriminierend wahrnimmt, muss es aus Sicht des Gegenübers nicht unbedingt sein, ebenso, wie wir die moralische Tragweite unterschiedlich bewerten und unterschiedlich abwägen, in wie weit ein Aspekt (z.B. Meinungsfreiheit) einem anderen (z.B. Gefühlen) weichen muss – es allen recht zu machen wird niemals möglich sein. Natürlich besteht ein gewisser Konsens über die Werte und Normen, die als unverhandelbar gelten (sollten), wie etwa unsere freiheitliche demokratische Grundordnung samt der Menschenrechte (die natürlich auch in Staaten, die sich als demokratisch labeln, nicht immer einwandfrei Verwendung finden), aber darüber hinaus bin ich ziemlich tolerant gegenüber Meinungsvielfalt, auch wenn ich manche Meinungen und Haltungen als fragwürdig empfinde. Natürlich gehört zur Meinungsfreiheit auch dazu, mir menschenfeindliches Verhalten vorzuwerfen, wenn ich das Tragen einer Maske zum jetzigen Zeitpunkt als nicht so unabdingbar ansehe, muss ich auch aushalten. Ich sehe es ja auch ein, dass bestimmte Themen emotional aufgeladen sind und auch mal unsachlich werden können, das bringt finde ich niemanden um.


    Was canceln im akademischen Raum angeht, sehe ich es als durchaus berechtigt an, Wissenschaftlern als wissenschaftliche Institution keine Plattform zu bieten, die nicht in der Lage sind, bestimmte Qualitätsstandards einzuhalten, die förderlich sind für einen Diskurs. Ne Meeresbiologin hat halt wirklich nichts verloren bei nem Vortrag über Geschlechtlichkeit und Sexualität von Menschen. Besonders, wenn sie als Privatperson dafür bekannt ist, in rechten Netzwerken unterwegs zu sein und gegen Transmenschen zu hetzen. Ähnlich war das ja während der Corona Pandemie, wo sich „kritische“ Ärzte darüber beschwert haben, aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen zu werden, wo sie halt nachweislich einfach nur nicht die Qualitätsstandards für die Teilhabe an einem öffentlichen Diskurs erfüllt haben. Wohingegen es ja nicht so ist, als wären Wissenschaftler einer bestimmten Fachgesellschaft immer einer Meinung; sich zu streiten und zu widerlegen ist gängige Praxis.


    Um auf meinen vorherigen Punkt zurückzukommen, würde ich da aber auch einen Unterschied machen zwischen Naturwissenschaften sowie Geistes- und Sozialwissenschaften. Während Geistes-/Sozialwissenschaften natürlich auch mit empirischen Daten arbeiten, lassen sich hier (bestimmte) wissenschaftliche Methoden in der Form nicht anwenden. Wie, dass man eine Hypothese anhand von Beobachtungen aufstellt, die man auch in einer kontrollierten Umgebung auf diverse Variablen immer wieder nachprüfen und gegebenenfalls auch falsifizieren kann, um eine wirklich robuste Theorie aufzustellen, die die Realität widerspiegelt. Auch existieren Geistes- und Sozialwissenschaften in der Regel auch immer irgendwo im Kontext dahinterstehender Weltanschauungen und sind demnach weniger objektiv. Wenn Sozialwissenschaften z.B. überwiegend von Personen aus dem linken Spektrum betrieben werden, dementsprechend eine gewisse politische Diversität fehlt, dann werden bestimmte Phänomene auch nur durch diese ideologische Brille untersucht. Als beim Thema Polizei und Staat gesagt wurde, dass unser Verständnis von Staat und der Notwendigkeit von Staatsgewalt unumstritten ist in den Rechtswissenschaften, wurde entgegnet, dass auch ein solches System nicht frei von Biases sein kann, die bei der Etablierung dieses Systems eine Rolle gespielt haben. Dementsprechend ist es schwieriger, hier objektive Maßstäbe für cancel-würdige Thesen zu setzen.

  • Mittlerweile ist der Begriff „Cancel Culture“ so überladen und gekapert, dass es schwer ist, darüber eine produktive Diskussion zu führen.


    Aber fangen wir mal an mit der mittlerweile wohl geläufigsten Interpretation bzw. Assoziation, die Leute heutzutage haben, wenn der Begriff fällt: Es geht dann meistens um Leute, die sich bigot verhalten oder äußern, und dann dafür von vielen anderen Leuten – insbesondere eben von non-celebrities – dafür in großem Stil kritisiert werden. Viele Celebrities wie eben Künstler*innen, aber auch Konzerne, sind in gewisser Weise vom Rückhalt der Bevölkerung abhängig, denn ein großflächiger Boykott kann dazu führen, dass sie Einbußen in ihren Einnahmen erhalten. Das gibt natürlich nicht für alle Konzerne & Personen; manche sind zu groß, um boykottiert zu werden (sie verdienen oder haben bereits genug, egal wie viele Leute sich aus Prinzip entscheiden, sie nicht zu unterstützen; zB. Dave Chapelle, Trump, Prinz Andrew oder JKR.


    Nun steht es aber natürlich Leuten frei, zu kritisieren und zu unterstützen, wen sie nunmal unterstützen wollen. Wenn sich eine Person als TERF geoutet hat, und man dann eben das doof findet und dann nichts mehr mit ihren Werken zu tun haben will, dann ist das halt, anders als Rechte das gerne aufmachen, keine Zensur. Leute verlieren ihre Plattform, ja, aber niemand hat das Recht auf eine Plattform, schon gar nicht wenn diese Plattform von Privatpersonen oder Konzernen zur Verfügung gestellt wird. Mit anderen Worten: Wenn Twitter oder eine Konzertveranstaltung entscheiden, dass sie Person X da nicht haben wollen, dann ist das keine Zensur, sondern einfach deren freie Entscheidung, mit wem sie assoziieren wollen und mit wem nicht. Zensur wäre es erst dann, wenn der Staat zu Twitter läuft und Twitter oder einem Konzertveranstalter sagt, dass sie Person X nicht dort plattformen dürfen, was aber in den meisten Fällen, um die es im Thema „Cancel Culture“ geht, eben nicht der Fall ist. Da geht es um Privatpersonen, die etwas nicht mehr unterstützen wollen oder es kritisieren, nicht um den Staat, daher ist jede Diskussion über „Meinungsfreiheit“ in diesem Kontext eine Nebelkerze (wie so oft).


    Es sei auch nochmal genau auf den Punkt aufmerksam gemacht, dass es bei Cancelling in obigen Fällen meistens um Einnahmen von Geld geht. Eine Person wird entplattformt, wenn die Instanz, die die Plattform gibt (Publisher, Social Media Networks, Produzenten, etc) sich entscheidet, dass die Person ihr Image mehr ruiniert als es ihnen einbringt. Und manchmal passiert das eben nicht. So hat Netflix für sich ausgerechnet, dass Dave Chapelle eben ihnen mehr einbringt, als die Kritik an Chapelle ihnen schadet, deswegen erhält er von ihnen weiter eine Plattform und Geld für neue Specials (nähere Infos zum Thema Dave Chapelle insbesondere gibt es zB. in diesem Video).


    Ich würde allerdings nicht so weit gehen, dass ich sagen würde, dass es „Cancel Culture“ nicht gibt. Das Phänomen, dass riesige Massen an Menschen, koordiniert oder unkoordiniert, mit wenig persönlichem Aufwand Kritik an etablierten Persönlichkeiten oder auch einfach Privatpersonen üben können, und im Anhang zu dieser Kritik auch Androhungen von Gewalt, Doxxing, und Bullying (zB. das Senden von extrem aversiven Inhalten wie Gore über DMs) & stochastischem Terror nicht weit entfernt sind, ist neu und erst mit einem wachsenden Anteil von Menschen, die aktiv in online Social Media aktiv sind, aufgekommen, und so etwas hat es derart vor Gamergate nicht gegeben – was tatsächlich so der erste wirklich globale Cancel-Angriff gewesen ist, den wir in dieser Form kennen (Nähere Informationen zum Thema Gamergate und zu konkreten „Cancelling“ Opfern).


    Insofern ist der Begriff eben tatsächlich realexistent relevant; er beschreibt vielleicht nicht direkt und absichtlich, aber doch in irgendeiner Form greifbar, ein neuartiges Konzept das die Digitalisierung mit sich gebracht hat. Gleichzeitig ist der Begriff auch ein wenig irreführend, da er eine gewisse Form von Koordination und von bewusstem Entscheidung im Sinne von „Wir canceln jetzt X“ impliziert, was oft eben einfach nicht der Hintergrund ist (abgesehen von gezielten Kampagnen wie das oben benannte Gamergate). Oft sind es einfach viele Leute, die unabhängig von einander etwas kritisieren, was jemand gemacht hat, und kein koordiniertes, absichtliches Verhalten.


    Ich würde auch nicht unbedingt so weit gehen zu behaupten, dass Celebrities von Canceling überwiegend keinen Schaden nehmen, oder dass es „nur in seltenen Fällen“ zu wirklichen Konsequenzen für sie kommen würde und das dann zum Anlass nehmen, „Cancel Culture“ zu trivialisieren. Die Konsequenzen hängen eben einfach sehr vom Einzelfall ab, und von was für einer Gruppe die gecancelte Person abhängig ist. Trump lässt sich beispielsweise eben einfach nicht canceln, weil seine Folgschaft jegliches Verhalten seinerseits einfach akzeptiert und unterstützt. Jemand, dessen Folgschaft andere Standards hat, lässt sich dann aber eben schon „canceln“. (Wobei, der Fairness halber sei gesagt, dass sich Trump schon canceln ließe, wenn er z.B. öffentlich White Suppremacy, Proud Boys, Oathkeepers oder andere Anteile seiner Plattform verurteilen würde, weshalb er das natürlich eben auch nie tun wird.)


    Gleichzeitig passiert „Canceling“, bzw. zumindest etwas, das als solches oft bezeichnet wird, eben auch bei Personen öffentlichen Lebens, die keine super große Plattform haben, sondern zB. eben nur ein paar zehntausend oder hunderttausend Followers. Im Bereich des Bread-Tubes habe ich bereits des öfteren von Canceling gehört, das fürchte ich dann doch sehr real ist (Hier sind drei Videos von drei unterschiedlichen Youtuberinnen, die sich alle drei mit diesem Konzept befassen, weil es ihnen u.a. selbst passiert ist: Philosophy Tube, Contra Points, Lindsay Ellis). Gerade diese Berichterstattungen sind teilweise sehr erschütternd und zeigen, wie schnell sich Leute von einer Mob-Mentalität zu schädlichem und unreflektierten Verhalten bewegen lassen können, und das eben auch in sehr linken Szenen, obwohl viele annehmen würden, dass das quasi blinde Anprangern von Leuten von Leuten halt eigentlich nicht dem Anspruch der linken Szene entsprechen sollte. Versteht mich nicht falsch; in den Fällen, in denen diese 3 Personen bzw. Channels „gecancelt“ wurden, haben es die Betroffenen halt immer noch ziemlich gut überwunden. Im Sinne von: Das Cancelling hat ihr Image beschädigt, aber, soweit ich weiß, nicht ihre Fähigkeit, einen Lebenshaushalt zu erwirtschaften, und alle drei sind auch immer noch öffentlich aktiv bzw. könnten es sein, wenn sie wollten. Das „Cancelling“ ist also auch in diesem Fall nicht wirklich ein „Cancelling“ im eigentlichen Sinne des Wortes (ohne dabei die horrenden Taten kleinreden zu wollen, die in diesem Rahmen begangen wurden; letztendlich, und dessen sind sich diese drei Personen auch bewusst, profitieren sie auch alle von White Privilege und davon, in Industriestaaten zu leben).


    Gerade im Zuge der Mobs möchte ich dann aber auch noch darauf hinweisen, dass es heutzutage auch nicht mehr ganz so einfach ist, einen Internet-Mob tatsächlich eins zu eins einem realen Gefühl einer Gruppe der Gesellschaft zuzuordnen. In vielen Fällen werden Botnets benutzt, um z.B. auf Twitter Hashtags zu popularisieren, die dann vonn der Öffentlichkeit als eine reale Bewegung wahrgenommen werden und Leute dann wiederum davon überzeugen, dass sie darüber auch entrüstet sein müssen. So ist erst jüngst im Amber Heard Trial eine Troll-Kampagne mit Bots gegen sie geführt worden, was großflächig zum Anti-Amber-Sentiment beigetragen hat, was dann u.a. so aussieht:



    (Hier nachzulesen in einem Bericht)


    Ähnliche Psy-Ops hat es auch schon seit Gamergate gegeben, wurden genutzt um Trump zu unterstützen, werden von TERFs verwendet um TERF-Ideologie in die Trends zu bekommen und werden auch von Staaten für Propaganda verwendet (z.B. momentan, um die Sanktionen an Russland zu kritisieren und Pro-Putin Gedankengut zu streuen).


    Insgesamt muss ich daher sagen: Ich finde Verharmlosungen des Begriffs „Cancel Culture“, die so tun, als gäbe es das gar nicht, sehr schwierig, weil es das dann eben irgendwie doch in gewisser Weise gibt und dieser Aspekt durch die Reduktion verloren geht. Andererseits ist „Cancel Culture“ als Begrifflichkeit in der Form, wie es von den Reaktionären gekapert und auf eine Schiene mit Zensur gelegt wird, halt eben auch wirklich ein Strohmann, der mit der Realität nichts zu tun hat.

  • Solche Social Media Plattformen wie Twitter haben allerdings auch nicht die alleinige Souveränität darüber, wen sie ausschließen, weil es ja auch oft so ist, dass Personen die Aufhebung ihrer Sperrung rechtlich erwirken können. Man kann durchaus darüber diskutieren, ab wann oder ab welcher Größe eine Plattform als öffentlicher Raum gelten sollte. Solche Social Media Plattformen wie Twitter, Facebook und Instagram haben hunderte Millionen von aktiven Usern und sind für den öffentlichen Diskurs und die politische Meinungsbildung praktisch alternativlos, demnach halte ich es durchaus für gerechtfertigt, dass man Leute nicht einfach so ohne triftigen Grund deplatformen kann und es andernfalls einer Zensur gleichkommen würde.

  • Solche Social Media Plattformen wie Twitter haben allerdings auch nicht die alleinige Souveränität darüber, wen sie ausschließen, weil es ja auch oft so ist, dass Personen die Aufhebung ihrer Sperrung rechtlich erwirken können. Man kann durchaus darüber diskutieren, ab wann oder ab welcher Größe eine Plattform als öffentlicher Raum gelten sollte. Solche Social Media Plattformen wie Twitter, Facebook und Instagram haben hunderte Millionen von aktiven Usern und sind für den öffentlichen Diskurs und die politische Meinungsbildung praktisch alternativlos, demnach halte ich es durchaus für gerechtfertigt, dass man Leute nicht einfach so ohne triftigen Grund deplatformen kann und es andernfalls einer Zensur gleichkommen würde.

    Zunächst Mal: Der Ausschluss von Personen von diesen Plattformen passiert realistisch gesehen ja eben gerade nicht ohne „triftigen Grund“; es geht hier ja nicht darum, dass Twitter eine Lotterie abhält welcher User jeden Tag random gebannt wird. IdR geht einem Ausschluss eine Verletzung der Nutzungsbestimmungen voraus (fairerweise muss man allerdings zugeben, dass die Nutzungsbestimmungen oft so formuliert sind, dass man keinen triftigen Grund braucht, um jemanden zu bannen. Das wird aber meistens nicht so umgesetzt).


    Unabhängig davon; selbst wenn es keine triftigen Gründe gibt, sehe ich die Bezeichnung von Social Media Plattformen o.ä. als „öffentliche Räume“ kritisch. Zunächst mal, diese Plattformen gehören nicht der Öffentlichkeit. Es sind Privatunternehmen. Ein „öffentlicher Raum“ wie man ihn konventionell kennt, gehört der Öffentlichkeit, nicht Privatpersonen. Wenn Twitter ein staatliches Unternehmen wäre, würde ich diese Logik nachvollziehen können, aber das ist es halt nicht.


    Des Weiteren gelten in öffentlichen Räumen ja auch andere Regeln, die auf Twitter und Co. nicht gelten. Zum Beispiel bestehen in Deutschland Ausweispflicht und Vermummungsverbot; mit anderen Worten: Es besteht die Annahme, dass eine Person in Deutschland, die öffentlich unterwegs ist, eindeutig identifizierbar ist und nur einmal existiert. Nun ist es auf Social Media Plattformen aber mitunter sehr einfach, anonyme Accounts zu erstellen in beliebiger Anzahl. Auch in dieser Form unterscheiden sich Social Media Plattformen also von öffentlichen Räumen.


    Des Weiteren ist es so, dass Social-Media-Plattformen proprietäre Algorithmen verwenden um zu entscheiden, wer welchen Content auf der Seite zu Gesicht bekommt und wann. Teilweise weisen diese Algorithmen rassistische und andere *istische Biases auf. Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass konservative Inhalte mehr Eengagement bringen und daher z.B. auf Twitter besonders vom Algorithmus gepusht werden. Auch derartige Diskriminierungen sollten in öffentlichen Räumen nicht möglich sein.


    Worauf ich hinaus will: Die Argumentation, dass der Ausschluss aus großen Social Media Plattformen einem Auschluss aus der Gesellschaft gleichkommt und damit klagbar ist, greift etwas kurz, wenn man das eben nur dann so sieht, wenn es darum geht, Plattformen dazu zu zwingen, weiterhin Bigots mit deren Communities interagieren zu lassen, und man sie ansonsten weiter als Privatunternehmen betrachtet, die tun können, was sie wollen, weil sie ja privat sind. Bevor man diese Logik tatsächlich sinnvoll anwenden kann, müssten mmn. großflächige Änderungen im Umgang mit Social Media erfolgen, die sie tatsächlich entsprechenden öffentlichen Räumen ähnlicher machen. Ansonsten ist es eben (mal wieder) nur eine Ausrede, um es (privilegierten) Leuten leichter zu machen, gegen andere vorzugehen.

  • Hab überlegt ob ich darauf antworten soll. Mir geht das Thema so am Arsch, weil es immer von weinerlichen Rechten als "ha, ich steh im Leo! Wenn du dies und jenes kritisiert, ist das sofort Cancel Culture und greift meine Meinungsfreiheit(tm) an!" verwendet wird.


    Du darfst nichtmal ein fiktionales Werk kritisieren ohne dass irgendwer kritisiert, dass du das Ganze zu canceln vorhast.

    "Ich mag dies und jenes nicht."

    - "Wääh, du willst sicher, dass es deshalb verboten wird, was!?"

    "Das hab ich doch gar nicht gesagt. Ich hab nur kritisiert, was mir nicht gefällt."

    - "NEIN, DAS IST CANCEL CULTURE!!! DU WILLST ES CANCELN!!!"

    Es ist sogar Cancel Culture, wenn du sagst "hm mag ich so gar nicht, weil Grund X. Kauf ich nicht." Ja sorry, wenn ich entscheide wohin MEIN Geld fließt und wofür ich MEIN Geld ausgebe lol.


    Oder du weist eben darauf hin, dass Leute zb Transphobie unterstützen, wenn sie finanziell Rowling unterstützen. Aber die Leute wollen sowas nicht hören und sich halt gut fühlen, obwohl das, was sie tun, im genauen Gegenteil dazu steht. Du sprichst halt nur genau das aus, was passiert.

    Genauso wie wenn du sagst: "Ich denke X ist ein Egoist, weil X dies und jenes getan hat." Dann wirst du auch wieder vollgeheult. Die Leute wollen sich nur egoistisch verhalten und dann dennoch das Köpfchen gepattet bekommen.


    Und jedes Mal, wenn du jemanden für eine Ansicht kritisierst, kriegst du von irgendeinem Trottel die Ohren vollgeheult, dass man "gar nichts mehr sagen darf und wir haben hier Meinungsfreiheit!"

    ... ja lol, deswegen darf niemand die Meinung und die Person dahinter scheiße finden?


    Ja, das bezieht sich auch auf die Person dahinter. Weltansichten sind der beste Spiegel von jemanden eigentlichen Kerncharakters und ich sehe nicht ein wieso ich so tun sollte, als wüsste ich das nicht und die Person von ihren Meinungen trennen.

    Da kann eine Person im Alltag noch so freundlich und höflich sein, das ist nichts anderes als klassische Konditionierung. Wir lernen im Alltag, dass man halt danke und bitte sagt und freundlich wirkt, aber wenn jemandes Meinungen menschenverachtend sind oder jemand keine Integrität hat, kann man noch so scheißfreundlich im Alltag und oberflächlichen Begegnungen und Gesprächen wirken, man ist deshalb kein guter Mensch oder muss gemocht werden.

    Bin immer wieder überrascht, dass es für viele anscheinend immer noch nicht Common Sense ist, dass "X wirkt ja sooo höflich und nett" nicht heißt, dass die Person es auch ist.


    Hab das auch paar Mal privat erlebt, dass jemand meinte, man dürfe ihn nicht "ausschließen", bzw all jene, die rumheulen, wenn sie bemerken, dass sie kein Anrecht auf Freundschaften und Beziehungen haben oder dass man gemocht wird, und dann gehen die teilweise auch ins Internet und jammern drüber, dass sie like... gecanceled wurden lol.



    Ach und punkto Meinungsfreiheit, lol ...


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    PS: Nein, es ist keine Cancel Culture, wenn Social Medias Posts löschen oder Nutzer*innen sperren. Die haben immer noch ihr Hausrecht und ich werf Leute auch aus meiner Wohnung, wenn sie Nazischeiße oä von sich geben.

  • Vollbrecht-Kritikerin flieht vor Bedrohungen
    Nach dem Streit um den Uni-Vortrag einer transfeindlichen Aktivistin übt sich diese inzwischen an Relativierung von NS-Verbrechen – und wirft genau das…
    www.queer.de


    Ein weiteres Beispiel von gelebter "Cancel Culture" vom Lager das am meisten darüber weint, praktiziert vom Mob um Marie-Luise Vollbrecht, die hier auch von Usern verteidigt wurde. Und da soll mir jemand erzählen die Verteidiger von Marie-Luise Vollbrecht wären nicht transfeindlich.. Mehr schreibe ich dazu auch nicht mehr, liest einfach den Artikel.

  • Ich glaube ich habe sogar den FR Artikel gelesen der hier genannt wurde. Zumindest jetzt, da ichs nochmal überprüfen wollte.

    Ist bedenklich, dass das alles auf sie zurückkam und ich hoffe, dass sich der Wirbel für sie schnell wieder verziehen wird.

    Die Folge davon wird vermutlich kaum, oder keinen Eindruck in den Zeitungen machen.

    Danke fürs Teilen Medeia.

  • https://www.queer.de/detail.php?article_id=42794


    Ein weiteres Beispiel von gelebter "Cancel Culture" vom Lager das am meisten darüber weint, praktiziert vom Mob um Marie-Luise Vollbrecht, die hier auch von Usern verteidigt wurde. Und da soll mir jemand erzählen die Verteidiger von Marie-Luise Vollbrecht wären nicht transfeindlich.. Mehr schreibe ich dazu auch nicht mehr, liest einfach den Artikel.


    Jan Feddersen, das Gesicht der transfeindlichen Schwulen in Deutschland, der immer noch für die "linke" taz schreibt betreibt zusätzlich auch noch Geschichtsrevisionismus zur Verfolgung von Lesben und das von einem Land wie Deutschland, dass sich für seine "Erinnerungskultur" zu den Verbrechen der Nazis International brüstet.


    Veronika 🤨 Kracher on Twitter
    “Diese Aussage ist nichts anderes als Geschichtsrevisionismus.”
    mobile.twitter.com

  • Okay, ich muss mir ein bisschen was aus dem Kopf schreiben, weil ich eine Zeit lang dazu einfach privat recherchiert habe und es irgendwohin soll. Grundsätzlich hatte ich überlegt, das in das TERF-Thema zu schreiben, aber da es letzten Endes eher um Fälle von (angeblichem) Canceling geht, passt es hier wohl besser hin - obwohl es auch um TERFs geht.


    Also: Ich hatte einfach mal ein wenig zu dem Fall Kathleen Stock recherchiert. Dieser Fall wird gerne immer wieder als Beispiel herangzeogen, das beweisen soll, dass radikale Aktivist*innen, spezifisch Aktivist*innen für Transrechte, eine Person aus dem wissenschaftlichen Bereich gecancelt hätten - mit anderen Worten, der Fall soll belegen, dass die Wissenschaftsfreiheit allgemein bedroht sei. Stock hat, wie einige vielleicht wissen, 2018 Änderungen am UK Gender Recognition Act kritisiert. Die Folge waren Proteste an ihrer Universität in Sussex, sie legte schließlich ihre Tätigkeit dort nieder. Das klingt nun in der Tat erst einmal nach Canceling, aber der auch zum Teil sehr einseitigen Berichterstattung zum Trotz (kritisiert hier) ist es schlicht nicht so einfach.

    Da ist zunächst einmal der wissenschaftliche Kontext: Stock ist bis 2018 als Professorin für Ästhetik aufgetreten, und nur damit befassten sich ihre wissenschaftlichen Publikationen. In der Zeit danach hat sie mal den einen oder anderen auch akademischen Text zu Geschlechtern und Sexualität verfasst, allerdings sind diese Texte imo inhaltlich ziemlich mies (ja, ich habe mir ein oder zwei von den glaube ich insgesamt drei mal angetan). Nicht nur gibt es praktisch keine Einordnung von Stocks eigenen Ansichten in den aktuellen Forschungsstand (sie ignoriert allgemein alles, was an auch philosophischer Arbeit zum Geschlechtsbegriff geleistet wurde), sie leitet zum Teil auch Schlussfolgerungen mit empirischem Gehalt aus rein apriorischen Überlegungen bezüglich des Geschlechterbegriffs ab. Beides ist methodisch unsauber und deutet darauf hin, dass ihr allgemein fachliche Kenntnis und Expertise in Hinblick auf dieses Thema fehlten bzw. auch immer noch fehlen (für mehr vgl. etwa den Artikel hier). Als Talia Mae Bettcher, eine andere Professorin, einmal öffentlich auf Stocks mangelnde Fachkenntnis hinwies und ihr diverse Publikationen nahelegte, antwortete Stock praktisch nur damit, dass sie in all dieser Literatur nichts finden könne, was irgendwie von Interesse für sie sei. Zur Einordnung: Bettchers Text erschien laut Timestamp am 30. Mai 2018, Stocks Beitrag einen Tag danach. Dass sie mal eben über Nacht alle vorgeschlagene Literatur zufriedenstellend gesichtet hätte, würde ich mal bezweifeln.

    Abgesehen von akademischen Publikationen hat Stock eine Reihe von Essays geschrieben, die sie vorrangig auf der Plattform Medium veröffentlichte. Diese sind ... nun, sie sind verzerrend, beledigend, polemisch. Wo ihre akademischen Texte noch gewisse Umgangsformen wahren müssen, bewegen sich diese Texte wirklich auf Stammtischniveau. Ich will da auch gar nichts konkret draus zitieren, der wesentliche Punkt ist hier erst einmal nur, dass da eine Person über ein Thema spricht, von dem sie keine Ahnung hat und das auch nicht ihren wissenschaftlichen Schwerpunkt darstellt. Wenn Stock als Folge dessen gecancelt worden wäre, dann wäre das also keine Reaktion auf tatsächliche wissenschaftliche Forschungen gewesen, sondern eine Reaktion auf eine Reihe äußerst fragwürdiger Privatäußerungen, die den politischen Konflikt bewusst gesucht und dahingehend versucht haben, die Stimmung spezifisch gegen trans Leute zu drehen. Es mag dabei übrigens auch die Frage gestellt werden, inwiefern in Hinblick auf die wenigen wissenschaftlichen Texte, die sie geschrieben hat, ein eindeutiger Interessenkonflikt vorliegt, nicht nur aufgrund Stocks persönlicher Ideologie, sondern auch weil sie Treuhänderin der nachweislich transfeindlichen LGB Alliance war. Während die mediale Erzählung zugunsten Stocks war, dass hier eine unlautere Politisierung wissenschaftlicher Aktivitäten durch trans Aktivist*innen geschehe, so ist Stock selbst eine Aktivistin, die versuchte, dem eigenen Aktivismus und der eigenen Ideologie eine akademische Grundlage zu geben und entsprechend die Wissenschaft dafür zu instrumentalisieren. Und es ist ein massives Problem, dass das praktisch gar nicht gesehen wurde.

    Aber gehen wir weiter zum eigentlichen Canceling: Es war nun so, dass Studierende gegen Stock auf dem Campus der Universität Sussex protestierten. Es gab Plakate und Rufe, dass sie gefeuert werden sollte. Nun ist die Sache: Das wurde sie nicht. Die Universität stärkte ihr den Rücken. Die britische Regierung stärkte ihr den Rücken. Die University and College Union, welche Stock durchaus für ihre transfeindlichen Äußerungen kritisierte und somit eigentlich auf Seite der aktivistischen Studierenden stand, gab an, dass sie die Rufe nach der Entlassung Stocks nicht befürworteten. Am Ende beendetete Stock selbst ihre Tätigkeit im Einvernehmen mit der Universität, und sie hat sogar einen neuen Job, nämlich an der University of Austin, Texas (nicht zu verwechseln mit der University of Texas at Austin), die praktisch gegründet wurde, um angeblich Gecancelten eine Heimstätte zu bieten. Stock selbst gab einmal an, dass die ganze Sache ihrer Reichweite eher genützt als geschadet habe.

    Es wäre durchaus möglich, die damals erfolgten Rufe nach der Entlassung einer Professorin zu kritisieren mit dem Argument, dass Stock noch nicht eine Grenze überschritten habe, ab der das wirklich vertretbar gewesen wäre. Zugleich wäre es aber falsch zu behaupten, dass es auch nur eine Sekunde lang hätte sein können, dass sich derartige Rufe durchsetzen, denn das war angesichts des Supports, den Stock von Universität und Staat erhielt, eben nie auch nur in der Nähe des Möglichen.

    Es gibt ansonsten noch ein paar Dinge zu berücksichtigen: An einem Punkt schickte Stock eine Mail an alle Studierenden der philosophischen Fakultät, indem sie sich von Transfeindlichkeit zu distanzieren versuchte und Links zu sämtlichen populär"wissenschaftlichen" Schriften anhängte, die sie zu dem Thema jemals verfasst hatte. Während das nun einerseits datenschutzrechtlich problematisch sein könnte, so schrieb sie in ihre Mail, dass alle Studierenden gerne mit ihr über das Thema diskutieren könnten. Studierende berichteten aber im Anschluss in sozialen Medien, dass Stock ihre Versuche abblockte. Etwa unter diesem Facebook-Post, der Stocks Mail behandelt, schreibt eine Person (soweit ich sehen kann, muss mensch für Einsicht in die Kommentare angemeldet sein):

    Zitat

    And just a final point to touch on "If any student wishes to calmly and constructively discuss these matters withme they are welcome to make an appointment with me via email" . I did this, an arranged an appointment with Professor Stock last May sometime, only to have it cancelled for being too active on Twitter (disagreeing with the myriad of trolls that frequent her account ) which apparently amounted to me being "too personal" and involved. Let's be clear, this is not person who cares for constructively discussing her ideas unless you agree with her.

    Unterm Strich lässt sich wahrscheinlich auch das als Problem identifizieren: Dass eben keine Diskussion von Stocks Seite stattfinden konnte und die Universität sämtliche Beschwerden über ein transfeindliches Klima an der Universität nicht ernst genug nahm (merkt euch btw den Artikel, der wird später noch wichtig). Denn das ist auch so eine Sache: Eine Universität kann, wie oben schon gesagt, durchaus die Position vertreten, dass eine Professorin wie Stock weiterhin an der Universität lehren darf. Aber wenn zugleich Studierende über Transfeindlichkeit berichten, dann wäre es sinnvoll, sich darum zu kümmern, sei es durch Einrichtung von Beratungsstellen, die Vorfälle von Transfeindlichkeit prüfen können oder etwas Ähnlichem. Etwas Derartiges ist nicht passiert. Es sei dazu gesagt, dass die Sussex University auch allgemein im Herbst des letzten Jahres in Kritik im Zusammenhang mit sexuellen Belästigungen und Misshandlungen geriet bzw. dafür kritisiert wurde, dahingehende Meldungen nicht ausreichend ernstzunehmen (1, 2). Dass die Universität trans Studierende nicht ausreichend schütze, ließe sich also ggf. auch in einen umfassenderen Kontext mangelnder Sorgfalt gegenüber Studierenden einordnen. Und es mag die allgemeine Unzufriedenheit über diesen Umstand sein, der die Proteste ebenfalls bedingt hat. Derartige Dimensionen des Falls werden aber in der öffentlichen Wahrnehmung komplett ausgeblendet, und was immer übrig bleibt, ist das Bild gewaltbereiter Aktivist*innen, die die Freiheit der Wissenschaft bedrohen.

    Apropos Freiheit der Wissenschaft bedrohen: Eine wenig beachtete Dimension ist auch, wie Stock bzw. die Universität Kritiker*innen angreifen und/oder zum Schweigen bringen, wozu ich allgemein diesen Artikel empfehlen würde, den ich jetzt im grunde nur ein bisschen zusammenfasse. Wer die Links in diesem Beitrag geprüft hat, wird immer wieder auf den Namen Katie Anne Tobin gestoßen sein - sie hat den Artikel verfasst, den ich oben verlinkt habe und wo ich gesagt habe, dass ihr ihn euch merken sollt. Dieser Artikel erschien in der Studierendenzeitung The Tab. Nachdem er erschienen war, kontaktierte Stock die Zeitung, veranlasste diese, den Artikel zurückzunehmen und nachdem das geschehen war, veröffentlichte Stock Tobins Namen auf Twitter und drohte, sie zu verklagen. Als Folge sah sich Tobin massiven Anfeindungen und Drohungen durch Stocks Fans ausgesetzt. Tobin informierte die Universität davon, die dann feststellte, dass Stock keine Schuld traf. Die Universität zahlte Tobin dennoch Geld als Kompensation für die Belästigungen, die sie wegen Stock erlebt hatte, und warnte sie dann davor, öffentlich darüber zu sprechen - ansonsten würde der Bericht über den Vorfall, der persönliche Informationen über Tobin enthielt, öffentlich werden. Ein anderer Fall betrifft Nathan Oseroff, der Stock einmal auf Twitter kritisierte und anmerkte, dass sie zu einer Intoleranz beitrage, die den Universitätscampus unsicher für manche Studierende - eben spezifisch trans Studierende - mache. Stock beleidigte ihn auf Twitter, beschuldigte ihn der Diffamierung und kontaktierte Brian Leiter, einen ebenso einflussreichen wie polemischen Philosophieprofessor, der dann in Zusammenarbeit mit Stock dafür sorgte, dass Oseroff seine Aussagen zurückziehen und sich entschuldigen musste - andernfalls würde er vielleicht seine Position als ein Editor am Blog der American Philosophy Association verlieren. Kurze Zeit später wurde Oseroff trotzdem gefeuert - sehr zur Freude von Brian Leiter.

    Über derartige Fälle berichtet praktisch niemand, und auch nicht über andere Fälle, wo Kritiker*innen von Stock heftig angegangen wurden. Ein Beispiel wäre hier noch Christa Peterson, von der ich oben auch schon einen Artikel verlinkt habe, der Stock auch aus philosophsicher Sicht kritisiert - nachdem Peterson diesen Artikel veröffentlicht und sich dabei Mühe gegeben hatte, alles auch mit Quellen zu belegen, wurde ihr von Stocks Fans - erneut schaltete sich hier auch Brian Leiter ein - vorgeworfen, "besessen" von Stock zu sein bzw. sie eben schlicht nicht mehr alle zu haben (und Stock stimmte gerne zu).

    Es sei hier noch eins gesagt: Viele Informationen über diese oft vernachlässigten Seiten des "Fall Kathleen Stock" stammen aus einem Twitter-Thread der Professorin Grace Lavery. Dieser Thread ist nicht mehr aufrufbar, weil Grace Lavery von Twitter gesperrt wurde. Ich habe versucht herauszufinden, wieso, und konnte die Antwort tbh nicht so wirklich fassen (Link zum Artikel): Im Februar dieses Jahres wollte Lavery in die UK reisen, unter anderem um mit den diversen trans Communitys dort zu sprechen. Daraufhin taggte ein User das britische Innenministerium und sagte, Lavery dürfe auf keinen Fall ins Land gelassen werden, weil sie Aufstände anzetteln würde oder sonst was. Daraufhin antwortete Lavery sarkastisch mit "Oh ja, und außerdem hoffe ich, dass die Queen stirbt", woraufhin sie lebenslänglich gebannt wurde. Für eine sarkastische Reaktion auf eine vollkommen überzogene Anschuldigung gesperrt zu werden, ist wohl ein bisschen überzogen; es steht zu vermuten, dass massenhafte Meldungen von Laverys Inhalten durch Rechtsextreme und TERFs hier einen Teil beigetragen haben.

    Am Ende bleibt Folgendes: Während Stock selbst ihre Reichweite vermutlich erhöhen konnte und nach wie vor im akademischen Bereich tätig ist, wurden Leute, die sie kritisieren, immer wieder auf die eine oder andere Art zum Schweigen gebracht. Und dennoch sind es nicht diese letzteren Fälle, sondern immer nur der Fall von Stock, der rausgekehrt wird, wenn "Cancel Culture" gerufen wird.


    Das ist nun nur zum Fall Kathleen Stock, aber ich möchte zum Schluss noch ein wenig die Brücke nach Deutschland schlagen. Genauer gesagt geht es mir um das sogenannte "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit", dessen Mitglieder zu Stocks deutschen Verteidiger*innen gehören. Bei diesem Netzwerk handelt es sich um eine Vereinigung von Wissenschaftler*innen, die die Wissenschaftsfreiheit bedroht sehen - in Deutschland, wohlgemerkt. Das Netzwerk hatte bei seiner Gründung im Februar 2021 70 Mitglieder, mittlerweile sind es mehr als zehnmal so viele. Die Gründung dieses Netzwerks stieß auf relativ große Resonanz, wobei diese aber schwankte zwischen Unverständnis und Spott. Das Manifest des Netzwerks erhebt schwere Vorwürfe, wonach die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland in großer Gefahr sei - wie sie meine, durch die Wissenshcaft selbst -, gibt aber praktisch keine Belege an. Überhaupt, wenn Interviews mit Mitgliedern des Netzwerks gelesen werden, so beschränkt sich dort die Beweisführung, die eine derartige Gefahr belegen soll, praktisch immer auf anekdotische Evidenz, und in der Regel auf eine, die eigentlich nur Fälle, die ohnehin durch die Medien gehen, behandelt. Systematische Untersuchungen sucht mensch vergebens. Und dann sind die Fälle eben so etwas wie Jörg Baberowski (der nebenbei bemerkt selbst Gründungsmitglied des Netzwerks ist), wobei großzügig darüber hinweggesehen wird, dass Baberowski einst selbst gegen einen Kollegen intrigierte und versuchte, ihn aus einer Publikation zu drängen. Allgemein ist auch anzumerken, dass das Netzwerk sich offenbar Null um die Einschränkung der Critical Race Theory in den USA kümmert, oder die "Don't say gay"-bill, oder die Einschränkungen von Forschenden in Polen oder Ungarn (etwa in bezug auf LGBT+-Themen), oder aber, um in Deutschland zu bleiben, die ständigen Attacken auf Virolog*innen im Zuge der Corona-Pandemie; auch keine Erwähnung etwa der Kampagnen der AfD gegen zum Beispiel das Forschungsinstitut gesellschaftlicher Zusammenhalt - aber das geht natürlich auch schlecht, denn in der Anfrage der AfD wird ja Sandra Kostner zitiert, die nicht nur Mitglied, sondern Sprecherin des Netzwerks ist. Es ließe sich ewig so weitermachen und dabei wahrscheinlich auch auf die einzelnen Mitglieder des Netzwerks weiter eingehen, so etwa auf David Engels, der unter anderem in der rechtsextremen "Jungen Freiheit" publiziert, oder Hermann Schäfer, der erstens seit fast 15 Jahren gar nicht mehr lehrt und zweitens einst von KZ-Überlebenden ausgebuht wurde, als er bei einer Gedenkfeier des KZ Buchenwald es für angebracht hielt, die Opfer des Nationalsozialismus praktisch komplett auszuklammern und sich stattdessen lieber auf die "Opfer auf deutscher Seite" zu beschränken. Aber bei mittlerweile 700 Mitgliedern (teilweise auch islamophob etc.) würde eine Durchsicht aller Leute zu lange dauern.

    Was ich daher einfach tun möchte, ist, auf die Instrumentalisierung des Begriffs der "Cancel Culture" durch spezifisch dieses Netzwerk hinzuweisen und auch auf die damit zusammenhängende Bedrohung durch den Rechtspopulismus bzw. -extremismus. Das Netzwerk wird oft selbst als "rassistisch" und "rechtsextrem" bezeichnet - das ist, wenn es auch wirklich für alle Mitglieder des Netzwerks in einem strengen individuellen Sinne gelten soll, vielleicht noch ein wenig voreilig, aber das macht es insofern nicht besser, als dass das Netzwerk dann vielleicht nicht als verlängerter Arm des Rechtsextremismus in den akademischen Bereich gesehen werden kann, wohl aber als der Fuß, der sich bereitwillig in die akademische Tür stellt, um sie eben dem Rechtsextremismus aufzuhalten, denn der gehöre ja auch zur Debatte irgendwie mit dazu und hey, würde eine Debatte nicht eh alles Problematische rausfiltern? (Es sei gesagt: Wird Rassismus als strukturelles Phänomen verstanden, dann ist die Tatsache, dass das Netzwerk rassistische Positionen für verhandelbar hält und sie somit de facto wieder im öffentlichen Bereich salonfähig macht, durchaus als Beleg als Rassismus seitens des Netzwerks zu verstehen. Ich bin hier nur auf der individuellen Ebene vorsichtig, weil ich nicht alle Leute aus dem Netzwerk einzeln überprüft habe.)


    Was diese letzte Frage betrifft, liefert denke ich die Betrachtung der TERF-Ideologie einen wesentlichen Punkt, der berücksichtigt werden muss. Nehmen wir etwa den Fall von Marie-Luise Vollbrecht. Dieser Fall ist ohnehin so unfassbar frustrierend: Irgendjemand in der Universität hat gepennt und eine Frau, die weder Expertise in Hinblick auf Genderfragen aufweist und außerdem permanent gegen trans Menschen hetzt, eingeladen, einen Vortrag zu Genderthemen im Rahmen einer populärwissenschaftlichen Veranstaltung zu halten, wo normalerweise Wissenschaftler*innen zu Themen sprechen, von denen sie Ahnung haben. Dann geben ein paar Leute an, während des Vortrags protestieren zu wollen (was ihr gutes Recht ist, solange das friedlich abläuft), die Universität verschiebt den Vortrag, begründet mit Sicherheitsbedenken und das ... Okay, die Sache ist die: Wenn ein Protest angekündigt wird, sind mehr Leute zu erwarten als ursprünglich geplant. Dafür braucht es - allgemein, ohne die Protestierenden gleich als gewalttätig zu brandmarken - eine Sicherheitskonzept. Das ist durchaus berechtigt. Nun hat die Universität das aber beschissen kommuniziert und damit effektiv alle, die protestieren wollten, spezifisch den konservativen Medien zum Fraß vorgeworfen, die aus "Sicherheitsbedenken" allgemeiner Natur gleich einen aggressiven Mob von Aktivist*innen gemacht haben, denen dann ein wesentlicher Teil der Schuld gegeben werden konnte.

    Aber ich schweife wieder einmal ab. Worauf ich hier hinauswill, ist Folgendes: Als der Vortrag dann nachgeholt wurde, sollte im Anschluss eine Diskussion über Wissenschaftsfreiheit stattfinden, an der auch Vollbrecht teilnehmen wollte. Woraufhin sie einfach sagte "Nö." Und das ist eben der Punkt, der hier relevant ist: Gebt TERFs (bzw. "gender criticals") die Gelegenheit, an einer kritischen Diskussionen teilzunehmen, und sie werden es schlicht nicht tun. Sie werden alles an Reichweite mitnehmen, was sie können, aber sie werden die tatsächlich kritische, tatsächlich wissenschaftliche Diskussion stets scheuen. Weil ihre Ansichten da nun einmal nicht überleben würden. Ich habe vor Kurzem ein bisschen in den (zuletzt im Januar 2022 aktualisierten) Artikel "Feminist Perspectives on Sex and Gender" in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (sowas wie Wikipedia spezifisch für Philosophie und halt auch sehr viel seriöser) hineingelesen, und ich finde dort diesen schönen Satz:

    Zitat

    Because much of the gender critical feminists’ discussion that philosophers have engaged in has taken place in social media, public fora, and other sources outside academic philosophy, this entry will not focus on these discussions.

    Denn Gender Criticals wollen eben nicht auf akademischem Niveau argumentieren. Deshalb existiert von ihnen kaum etwas in diesem Bereich, und das Wenige, das existiert, wird heftig kritisiert. Was TERFs wollen, ist eine Plattform, durch die sie ihre Ansichten verbreiten können, und das sind eben eher soziale Medien. Entsprechend würde TERFs in den akademischen Diskurs einzuladen letztlich nur auf eins hinauslaufen: Die Hürden im akademisch-wissenschaftlichen Bereich so weit zu senken, dass Kritik an den Standpunkten von TERFs nicht erlaubt ist oder leicht beiseitegewischt werden kann (denn andernfalls werden sie eben nicht teilnehmen). Und das, liebe Leute, wäre eine wirkliche Bedrohung für die Wissenschaft.

  • https://www.youtube.com/watch?v=16v2KYC4w9I

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    Andrew Tate hat wohl für das, was er jahrelang Frauen angetan hat, endlich wohl mal Konsequenzen zu spüren bekommen.

    Hatte vor ungespielts Reaktion noch nie von dem Typen gehört. Was ich jetzt so gehört habe, lässt mich schon heftig schlucken. Krass dass so jemand überhaupt jemals so erfolgreich werden konnte.

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    Andrew Tate hat wohl für das, was er jahrelang Frauen angetan hat, endlich wohl mal Konsequenzen zu spüren bekommen.

    Hatte vor ungespielts Reaktion noch nie von dem Typen gehört. Was ich jetzt so gehört habe, lässt mich schon heftig schlucken. Krass dass so jemand überhaupt jemals so erfolgreich werden konnte.



    Leider überhaupt nicht krass in Gesellschaften, in denen privilegierte Menschen ganz schnell "Cancel Culture" schreien und eine große Followerschaft bekommen können und marginalisierte Gruppen die sich wehren mal eben Online eine Welle von Hasskommentaren bekommen, privat gezielt angegriffen werden oder wie bei Twitch Streamerin Keffals eine SWAT-Einheit auf sie losgeschickt wird durch Denunzierung mit dem Ziel, dass sie getötet wird oder in Haft kommt. Hinzu kommt noch, dass Andrew Tate in den USA lebt, in denen die Presse und Medien praktisch Narrenfreiheit haben seit dem Ronald Reagan (einer der Menschen bei denen ich mir fast wünschen würde, dass sowas wie eine Hölle wirklich existiere) auf Geheiß von Rupert Murdoch den Presserat ausgehebelt hat und die Gesetze und Verfassung den Menschen praktisch Narrenfreiheit gibt jeden noch so menschenverachtenden Mist von sich zu geben ohne rechtlich belangt werden zu können dank ihres "libertären" Verständnisses von "Meinungsfreiheit".


    Bei Andrew Tate kann man noch sagen, dass er "das Pech hatte" auch weiße cis Frauen misogyn anzugreifen, ob er die Konsequenzen jetzt verspätet zu spüren bekäme, hätte er "nur" BIPOC Frauen, Lesben oder gar spezifisch trans Frauen angegriffen? Wohl kaum. Der Mann hatte sich wohlgemerkt auch öfters nur im positiven Ton zu Hitler geäußert.

  • Andrew Tate hat seine ganzen Aussagen halt nicht über den eigenen Account betrieben. Stattdessen hat er ein cleveres System etabliert, wonach hunderte Leute Accounts erstellt und den Content geteilt haben, den er in seinen Gruppen zur Verfügung gestellt hat. Einfluss bleibt gleich, Geld hat er auch genug, nur kann er sich jetzt als Opfer von cancel culture darstellen.

  • Ich find's auch zum Kotzen wie sich dieser Kerl und seine Fans (das gilt auch für Vic und andere) als Opfer darstellen, aber joa... ist deren gesamte Mentalität.

    Deren gesamte Weltsicht ist ja drauf aufgebaut, dass sie Opfer von Frauen sind, die sie nicht wollen, Opfer der Gesellschaft, die Frauen (oder eben AFAB-Leute, die sie als Frauen sehen) eben das Recht gibt diese Kerle nicht zu wollen, und von anderen Männern, die die Welt und Frauen ihnen angeblich ohne Grund bevorzugt (an deren schlechten Charakter kann's natürlich nicht liegen lol).


    Und das Schlimmste: es funktioniert in gewissem Maße und sie schaffen es immer wieder als arme Dutzis darzustellen und wenn es nur paar Typen wären, die dir die Hucke vollheulen würden, wäre das zwar auch nervig, aber etwas, das man ignorieren könnte. Diese Leute jedoch sind legit gefährlich.

    Einerseits, wenn man ihnen entweder einen persönlichen Korb gibt und man vor einigen vor ihnen einfach Angst haben muss, und andererseits, weil sie einfach mit all ihrem "buhuuu, evil wooomeeen and queeeers!!!1 Evil everythiiing!!1" sehr am Rechtsruck unserer Gesellschaft beteiligt sind und die Mentalität von junge Buben beeinflussen. Und das alles nur, weil sie nicht genügend Selbstreflektion besitzen um zu erkennen, dass sie von Frauen, aber auch den meisten anderen gemieden werden, weil sie in Wahrheit einfach nur Arschgeigen und creepy sind.


    Nein, lieber den sexistischten Shit verbreiten, der es so darstellt, als seien sie das Opfer von Frauen, der Gesellschaft etc... und wenn dann eine Plattform von ihrem Hausrecht Gebrauch macht, haben diese Typen wieder einen Grund sich als Opfer darzustellen.

  • Der erfundene Shitstorm: Chronologie eines Medienversagens


    Interessanter Artikel bezüglich der Debatte um die neue Winnetou Verfilmung, und dass Rechte Mal wieder die Demokratie gefährdet sehen, weil ein Verlag ein Begleitbuch zum Film nach Kritik rausgenommen hat.


    "Seit der Ravensburger Verlag am 19. August 2022 ein Begleitbuch zu dem Film „Der junge Häuptling Winnetou“ zurückgezogen hat, tobt in den Medien eine Diskussion über Zwang, Zensur, Gedankenkontrolle, Cancel Culture, Sprechverbote, Bücherverbrennung, Woke-Wahnsinn, linke Aktivistengruppen und eine angebliche Bedrohung der Demokratie."


    Einfach nur lol