Akte [Rusalka] 24.02.24-1

"Sie kennen ihn also gut?", fragte der eine Agent mit dem Senffleck auf der Krawatte. Sein Ton verriet die Strapazen langer durchgearbeiteter Nächte und unterdrückten Unmut. Der andere saß stoisch daneben und verzog keine Miene.

"Wie man es nimmt, aber eher nein", sagte ich um Beiläufigkeit bemüht.

"Wie man es nimmt, aber eher nein", wiederholte er leise wie für sich selbst, doch mit einem luftziehenden Zischen, als würde er gleich die Fassung verlieren. Er schwieg eine Weile und rieb sich die blutunterlaufenen Augen, während ich in dieser Zeit versuchte, mir meinen Plan weiter zurechtzulegen. Unvermittelt wandte er sich wieder an mich: "Und?", fragte er barsch.

"Und was?" entgegnete ich mit gespieltem Erstaunen, meiner Strategie nun gewiss.

"Geben Sie uns eine Beschreibung, Merkmale, alles, was Sie uns erzählen können", blaffte er. "Ich möchte Sie nachdrücklich darauf hinweisen, dass dies eine Befragung in einer ernsten Angelegenheit ist und kein Kaffeekränzchen!"

"Na ja", fing ich an, langsam und etwas schwerfällig, als müsste ich erst meine Erinnerungen ordnen. "Recht schmal und ziemlich groß, so eins neunzig, würde ich schätzen. Blaue Haut und ein gelber Kamm..."

"Und schwarze Hände, schwere Lider", unterbrach der Agent ungehalten. "Natürlich, und manchmal ist er ganz in rot gewandet, wollen Sie mir weismachen! Und andere davor beschrieben ihn als kleine Feengestalt, der zwei riesige Mäuler aus dem Hinterkopf wachsen!"

"Na, wenn Sie es doch schon wissen...", setzte ich trocken an, doch er lies mich nicht zu Wort kommen.

"Ich verstehe schon. Ja, wir hören hier auch einiges, ist unser Job, falls Sie es noch nicht wussten! Er soll hoch geschätzt werden in gewissen Kreisen. Abgekartet, das ganze Spiel, sage ich! Wahrscheinlich hängt ihr alle zusammen mit drin, das ganze Pack! Und Sie", er deutete wüst mit dem Finger auf mich, der ich von den pochenden Adern an Hals uns Schläfe ganz fasziniert war, "Sie sind vermutlich auch so einer und hätte er heute Geburtstag, würden Sie ihm noch einen Kuchen backen!" Die letzten Worte spuckte er fast, doch ich blieb stumm. Für einen Moment hielt er inne, als hoffte er auf ein verräterisches Zeichen. Die Sekunden tickten herunter in diesem kargen, abgedunkelten Raum, bis der Senffleck-Agent sich erhob.

"Zeitverschwendung", brummte er mit einer wegwerfenden Handbewegung gegen mich. Der andere nickte nur. "Aber glauben Sie nicht, dass es schon vorbei ist!", sagte er nun wieder gefasster und mit aufgesetzter Siegessicherheit, " Wir kriegen Rusalka, wann oder wo auch immer. Machen Sie sich keine Illusionen und keine Abgänge - halten Sie sich zur Verfügung!"

"Wie Sie meinen", sagte ich und für mich in Gedanken fügte ich an: "Was Sie hier Befragung nennen, würde in unserem Bereich kaum als wohlwollendes Interview durchgehen."

Der Senffleck ging hinaus und ich folgte dem anderen durch den kalten Gang, entlang an vielen Türen zu beiden Seiten. Als der Agent eine der trüben Deckenlampen passierte, schien es plötzlich und nur für den Bruchteil eines Augenblicks, als würde er transparent und vom Licht durchdrungen. Beinahe glaubte ich, den dunstigen Leib eines urigen Phantomwesens zu sehen, mit einem fast dreieckigen Schädel und einem langen, sich ins Nichts verlierenden amphibischen oder drachenartigen Schwanz. Doch dieses Bild war schon beim Blinzeln verflogen, als wir die Ausgangskontrolle erreichten und mir die bei meiner Ankunft einbehaltenen Schlüssel nebst anderen Dingen wieder ausgehändigt wurden. Während ich meine Habseligkeiten ohne Hast verstaute, trat der Wachmann an den Agenten heran und überreichte ihm ein kleines Paket.

"Heute Nachmittag für Sie abgegeben", raunte er, ehe er sich wieder behäbig auf seinen Posten vor den Überwachungsbildschirmen zurückzog. Der Agent nickte mir kaum merklich zu und ich sagte so leise, dass es nur die feinsten Ohren hätten hören können: "Hoffe, du magst Kuchen".

Anmerkung: Alle Namen und Personen in dieser Geschichte sind frei erfunden, außer diejenigen, die es nicht sind.

Und damit hallo Rusalka!

Ich wünsche dir alles Gute zu deinem Geburtstag und viele spannende Geheimaufträge, erfolgreiche Missionsabschlüsse und vor allem Spaß und Gesundheit für dein neues Lebensjahr!