@Siny Nachtara Lover: Freut mich dass dr das Kap gefallen hat^^. ich hoffe, das nächste wird dir auch gefallen.
So, nun gehts weiter mit Teil 28, viel Spaß beim lesen.
Eine perfekte Welt?
Wie ein samtschwarzes Tuch lag die Nacht über der wohl prächtigsten Insel der Gorar Region. Die sanften Gesänge dutzender Zirpurze und Zirpeise strichen mit dem leichten Wind durch die Ritzen der Mauern und begleiteten die Bewohner noch in ihren Träumen. Außer den nachtaktiven Geschöpfen des Dschungels, wehrten sich nur noch einige Wachen gegen den Schlaf. Nächtliche Schatten huschten durch die Gassen der prächtigen Stadt, welche die gesamte Insel überspannte. An ihrem Rand waren die Hütten einfach und mit Stroh gedeckt und von großen Feldern und Plantagen umgeben, doch je weiter man ins Stadtinnere vordrang, desto solider, verzierter und prunkvoller wurden die Bauwerke. Das Zentrum bildeten drei hohe Tempel mit Kuppeln aus purem Gold, die im Dreieck um den riesigen Palast, der im fahlen Mondlicht schmucklos und einfach wirkte und somit im starken Gegensatz zu den Gotteshäusern stand. Auf seinem Vorplatz befand sich die lebensgroße Saphirstaue des Götterdrachen Ninmea. Um diese einsamen Bauwerke zogen sich in einem Ring die Tempelanlagen, wo die Priester und ihre Schüler lebten. Hinter dem Ring, gleich einer geheimnisvollen Grenze, welche die Gottesdiener von dem einfachen Volk trennte, sammelten sich die prunkvollen Villen der reichen Bürger. Am Rand der Stadt, näher am Stadtzentrum gelegen, als die Behausungen der Bauern, reckten sich vier hohe, schmucklose Opfertürme in den Himmel, einer für jede Himmelsrichtung. Auf ihren Spitzen stand je ein Altar aus wertvollem Marmor, der sich von dem Blut unzähliger Opfer schwarz gefärbt hatte. Eine Feuerstelle befand sich neben der Marmorplatte. Doch nur wenige Menschen hatten je diese Türme betreten. Außer den Hohepriester durften nur wenige Auserwählte die heiligen Bauwerke betreten.
Die friedliche Stille der Nacht wurde von lauten, rhythmischen Trommelschlägen durchbrochen. Bam, Bam, Bam, Bam. Der schwere, langsame Takt der Trommler riss alle Bewohner des Stadtstaates aus dem Schlaf. Irritiert knieten sich die Menschen vor ihren Behausungen auf den feuchten Boden, neigten das Haupt und stimmten mit ihren Stimmen einen an- und abschwellenden Trauergesang im Takt der Trommeln an. Einige neugierige Bidiza auf den Feldern sträubten angstvoll das Nackenfell und suchten wie jedes andere Wesen in dieser Nacht Schutz in ihrem Bau, während die Menschen alle wie aus einer Kehle den in jener Nacht verstorbenen Hohepriester betrauerten. Tief und unheilvoll klang ihr von Trauer schwerer Gesang, gleich den schaurigen Liedern verwunschener Seelen auf ihrer Reise ins Jenseits. Sie verstummten erst, als am Morgen die Sonne ihre ersten Strahlen über den Horizont schickte. Die Trommeln schwiegen und eine unnatürliche Stille legte sich nun über die Insel, während die Bewohner schweigend in ihrer Haltung mit gesengten Köpfen verharrten. Die Sonne schob sich weiter in den Himmel hinauf und bald schon fielen ihre Strahlen auf die goldenen Dächer der Tempel und weiter über die schmucklosen Wände des Palastes, die nun in allen Farben des Regenbogens schimmerten und erst im Licht der Sonne die abertausenden Juwelen, mit denen sie besetzt waren, offenbarten. Zuletzt erreichten sie den schlangenhaften, durchscheinenden Körper der gigantischen Saphirstatue Ninmeas und mit einem Mal leuchteten alle Gebäude der Stadt in tiefen, edlem Blau, das von dem Abbild der Göttin mit Hilfe des Sonnenlichtes erzeugt wurde. Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin erhoben sich nun die Menschen und kehrten schweigend in ihre Häuser und an ihre tägliche Arbeit zurück.
Laut donnerte eine Faust gegen die Holztür eines Bauernhauses. Eine Frau mittleren Alters mit dunkelbraunen, fast schwarzen Haar, das bereits von grauen Strähnen durchzogen wurde und kalten, eisblauen Augen öffnete die Tür. Sie trug ein einfaches, erdfarbenes Tuch aus Pflanzenfasern, wie es alle Frauen niedrigen Standes trugen. Ihr Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, als sie die beiden jungen Priester und den Wachmann erblickte, doch der Ausdruck in ihren Augen blieb auch weiterhin eiskalt, was den Besuchern einen Schauer über den Rücken jagte. „Wir kommen um Opfergaben für den Hohepriester zu holen.“, sprach einer der Priester. Überrascht hob die Frau eine dunkle Augenbraue. „Ich dachte der ehrenwerte Hohepriester wäre letzte Nacht von uns gegangen.“ „So ist es ja auch, der göttliche Drache Ninmea hat es nicht geschafft ihn zu heilen. Nun aber, nach seinem Tod, hat die Krankheit seinen Körper verlassen und mit Hilfe der Opfergaben wird unsere Göttin stark genug sein, um ihn zurückzuholen von den schwarzen Ufern der Vergangenen.“, erklärte der andere Priester. Beide Gottesdiener waren nur mit einem weißen Lendenschurz und einem langen weißen Umhang, der mit einer einfachen Brosche an der Brust zusammengehalten wurde, bekleidet. Ihre Brust war mit Ölen eingerieben und glänzte feucht. Die Wache kleidete eine Rüstung aus dunklem Leder, mit blanken Metallplatten bestückt. Wie alle Bewohner der Dschungelinsel waren auch die Männer barfuß.
Hinter der Frau tauchte nun ein Mädchen auf. Ihr langes, feuerrotes Haar war zu unzähligen, feinen Zöpfen geflochten, wie es bei allen jungen Frauen üblich war. Holzperlen in verschiedenen Brauntönen waren an einzelnen Strähnen aufgefädelt und bildeten einen verspielten Kontrast zu ihrer flammenden Mähne. Ein einfacher Rock aus erdfarbenem Stoff lag ihr um die Hüften und ein langer Schal derselben Farbe bedeckte ihre Brüste. Ihre Augen hatten die Farbe reiner Smaragde und schimmerten in einem intensiven Grün. „Wir können euch keine weiteren Opfergaben geben. Es tut uns sehr Leid, aber wir hatten dieses Jahr keine gute Ernte und haben schon alles, was wir entbehren konnten, den Priestern übergeben. Den Rest brauchen wir zum Überleben.“, wies sie die Besucher höflich ab. „Beachtet meine Tochter nicht edle Herren. Sie ist nicht bei Sinnen.“, fiel die Mutter dem Mädchen mit honigsüßer Stimme in den Rücken, „Selbstverständlich geben wir gern unsere Vorräte für das Leben des Hohepriesters.“ „Mutter, du verurteilst uns zur Hungersnot!“, schrie die Rothaarige die andere Frau an. Als Antwort erhielt sie einen Schlag ins Gesicht. Benommen taumelte das Mädchen zurück, während ihre Mutter die Gäste um das Haus herum zur Scheune und Lagerkammer führte. >>Wozu unser Leben für das eines Toten gefährden? Diese Priester kümmert es doch überhaupt nicht, ob wir einfache Bauern überleben, obwohl diese edlen, reichen Bürger ohne uns und unsere Arbeit hungern würden. Und dieses niederträchtige Weib, das sich meine Mutter nennt, würde ihnen noch unser letztes Samenkorn geben.<< schimpfte die junge Frau in Gedanken. Still beobachtete sie, wie ihre Mutter die Körbe der Männer mit ihren besten Früchte und Beeren füllte. Hilflos knirschte das Mädchen mit den Zähnen, doch es gab keine Zeit zum Wütend sein, es gab noch so viel zu tun. Die Felder, die während der letzten Ernte brach gelegen hatten, mussten bestellt werden und der letzte Rest der Früchte und Beeren von den Bäume pflücken. Vielleicht würde ihr einer der Nachbarn sein mageres Tauros für die Felder leihen.
Sie schleppte gerade einen schweren Korb Früchte aus dem Dschungel, als von der Küste her erneut laute Trommelschläge erklangen. Doch diese hatten einen deutlich schnelleren Takt, wie die der Nacht. Ein Angriff. Augenblicklich ließ das Mädchen den Korb stehen und rannte in Richtung Küste. Schon von weitem sah sie die Menschenmassen. Ein feindlicher Angriff war allgemein eine willkommene Abwechslung und wurde von den Inselbewohnern mit Freude wahrgenommen. Der Druck der Wachen hatte wohl dazu beigetragen, dass selbst die Bauern ihre Arbeit auf den Feldern stehen ließen, um Zeugen der Macht Naljan Islands zu werden. Zudem waren diese Angriffe die einzige Möglichkeit der Menschen, Ninmea, den Götterdrachen bewundern zu können. Das einzige Pokémon auf der Insel, das des Kämpfens mächtig war.
„Gegrüßt seiest du Maja.“, rief ein anderer Bauer ihr zu, „War die Ernte bei euch auch so gering?“ „Ja war sie. Waren die Priester heute auch bei euch?“, antwortete Maja. „Oh ja.“, bestätigte der Mann, „Hast du auch die frohe Botschaft vernommen? Unser Hohepriester kann ins Leben zurück kehren. Ich und meine Söhne haben den Priestern natürlich sofort unsere besten Früchte und Beeren dargeboten. Doch nun entschuldige. Ich möchte das Spektakel nicht verpassen.“ Er wandte sich ab und die junge Frau schüttelte verständnislos den Kopf, dass ihre hölzernen Perlen klackend gegeneinander schlugen. Sie konnte einfach nicht verstehen wie die Menschen so gedankenlos ihr eigenes Leben für einen Toten riskierten, sagte aber nichts.
Drei Schiffe näherten sich dem Hafen der Insel, wo eine Reihe Priester und Wachen die Ankömmlinge schon erwarteten.
Die Menge verstummte, als einer der Priester bedeutungsvoll die Hand hob und eine zierliche Okarina aus durchsichtigem Kristall in sanften Aquamarin in dieser lag. Er legte das filigrane Instrument an die Lippen und begann zu spielen. Die Töne der Okarina waren so rein und klar, wie das Läuten der unzähligen Gold- und Kristallglocken in den Türmen des Palastes, nur unendlich feiner. Die Melodie war allen Bewohnern der Insel bestens bekannt und selbst Kinder konnten sie auf allen möglichen Instrumenten spielen: Das Lied ihrer Göttin und Wächterin Ninmea.
Im Inneren der heiligen Okarina entflammte ein helles, weißes Licht, welches das ganze Instrument wie Eis schimmern ließ. Mit jedem weiteren Ton schwoll es an, und gewann an Schönheit, bis es sich von der kristallenen Flöte lossagte und in den Himmel stieg. Dort begann sich das Licht zu verändern, zog sich in die Länge und bildete den schlangenhaften Körper des Götterdrachen. Die Sonnenstrahlen brachen sich auf ihren Schuppen, die mit kostbaren Juwelen und Edelsteinen besetzt waren und hundertmal prächtiger schimmerten, wie jene der Saphirstatue im Hofe des Palastes. Ninmea war so lang, dass sie jedes der gegnerischen Schiffe mit Leichtigkeit hätte umschlingen können. Tosender Jubel erschallte vom Ufer, während die Seeräuber auf den Schiffen sprachlos die riesige Schönheit anstarrten.
Maja ließ den Blick über die Reihen der Schaulustigen gleiten und entdeckte neben einer jungen Frau aus reichem Hause, die im selben Alter wie sie selbst zu sein schien, ein edles Aquana mit einem Halsband aus gesponnenen Goldfäden. Ihr kugeliger Bauch kündete von der baldigen Geburt ihrer Jungen. Es wunderte Maja, dass selbst das hochträchtige Aquana dem Kampf beiwohnen sollte und sie empfand es als sehr verantwortungslos Seitens ihrer Herrin, die dies billigte. Das Mädchen war genau wie die junge Bäuerin in einen Rock gekleidet, welcher allerdings aus edler, mit gesponnenen Goldfäden durchwirkter Schalokoseide war. Wie es sich für Frauen ihres Alters geziemte verdeckte auch sie ihre Brüste, wenn auch mit einem überaus üppigen Collier aus Gold und Geschmeide. Ihr Vater züchtete Waumpel, welche, wenn sie sich entwickelten, die begehrte Seide lieferten. In ihrer zweiten Entwicklungsstufe waren die kleinen Käfer weitgehend Bewegungsunfähig und ihr Körper vollkommen mit dem wertvollem Rohstoff umsponnen. Wenn die Wesen ausgereift waren, wurden sie getötet und ihre Seide den Seidenspinnerinnen weitergegeben, zu welchen die Mutter der Besitzerin Aquanas zählte. Diese entwirrten die Fäden, färbten sie und spannten sie zu festem Garn, aus welchem sie Stoffe webten. Die feinsilberne Seide der Schalokos war weitaus wertvoller, als die der Panekon, da deren Seide ein zarten Rosa zierte und sie deshalb nur rote Farbe annahmen, wohingegen man die silbrigen Fäden in jede erdenkliche Farbnuance färben konnte.
Ein entsetzter Aufschrei einiger Schaulustigen riss Maja aus ihren Gedanken. Verwundert folgte sie mit den Augen den Blicken der anderen und sah auf den Wellen, vor den Piratenschiffen ein großes, hellblaues Pokémon mit dunklen Flecken und einem festen Panzer; ein Lapras. Aber von dem göttlichen Drachen Ninmea war weit und breit nichts zu sehen. Im nächsten Augenblick zerbarst die Wasseroberfläche in einer Säule aus glitzernden Tropfen, schillernd wie unzählige Diamanten. Anmutig schlängelte sich der juwelenbesetzte Leib des Götterdrachens in den Himmel, eine feine Spur glänzender Wasserperlen hinter sich herziehend. Die Menschen am Ufer jubelten ihrer Göttin zu und feuerten sie lautstark an. „Das Lapras kann Attacken einsetzen. Welch Gotteslästerung. Nur der göttliche Drache Ninmea darf des Kämpfens mächtig sein. Ich hoffe die Ehrenwerte vernichtet diese Teufelskreatur.“, schimpfte der Bauer neben Maja mit hochrotem Gesicht. Das Mädchen aber beachtete ihn gar nicht. Ihre Aufmerksamkeit wurde von einem der Piraten auf dem vorderstem Schiff in Beschlag genommen, der dem Lapras wohl einige Anweisungen zubrüllte, die Maja jedoch nicht hören konnte. Anschließend schlug er unvorhersehbar mit einer langen Peitsche nach dem Pokémon. Das fetzende Leder hinterließ lange, blutige Striemen auf der Haut des hellblauen Wesens. Maja war von diesem Vorfall entsetzt, doch die Leute um sie herum, nahmen es scheinbar nicht wahr. Ärger stieg in ihr empor und um nicht zu Schreien presste sie die Kiefer fest aufeinander, als ihr Blick über die unzähligen Narben an Hals und Brust des Lapras glitt. Zweifelsfrei Zeugnisse der Schläge des Mannes, der ihm seinen Willen aufzwang und das Wesen in diesen ungleichen Kampf trieb. Ein metallischer Ring lag zudem um den Hals des Pokémon.
Von den Schlägen aufgeschreckt öffnete Lapras sein Maul und feuerte einen Strahl konzentrierter Kälte auf Ninmea ab. Trotz ihrer Größe wich sie dem Angriff mit Leichtigkeit aus und bereitete nun ihrerseits eine Attacke vor, indem sie Energie in ihrem Maul sammelte und in einem lila Strahl auf den Gegner schleuderte. Mit einem weiteren Eisstrahl schaffte Lapras es gerade noch den vernichtenden Angriff abzuschwächen, wurde jedoch von der übrigen Energie schwer getroffen. „Dieses Biest kann es niemals mit der großen Ninmea aufnehmen. Sie ist eine wahre Göttin.“, jubelte jemand. Wie zur Antwort glühte Lapras einen Augenblick auf und im nächsten Moment entstand eine gigantische Welle unter ihm, die auf Ninmea zustürzte. Das Dragonir konnte sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen und wurde von den Wassermassen erfasst. Mit einem wütenden Aufschrei glühte Lapras erneut auf und das Meer öffnete sich zu einem tosenden Strudel, in den die Welle sich ergoss. Für eine Sekunde entkam Ninmea der Urgewalt des Meeres, doch bevor sie sich vollständig aus den Fluten hieven konnte, erfasste der Sog des Whirlpools das Ende ihres schlangenhaften Körpers und riss sie mit in die Tiefe. Doch plötzlich leuchtete der Strudel gespenstig auf und im nächsten Augenblick zuckten unzählige Funken über die Wasseroberfläche. Lapras riss mit einem gequälten Schrei den Kopf in den Nacken, das Gesicht schmerzverzerrt, als die Blitze es erreichten und dass Meer unter Strom setzten. Durch die Elektroattacke verlor er über den verheerenden Strudel, der Sog schachte ab und die Wassermassen öffneten sich. Wie ein Pfeil durchstieß Ninmea die spiegelnde Oberfläche und schlängelte sich hoch in den Himmel. Ihr Gegner feuerte einen erneuten Eisstrahl auf sie ab. Hart traf er sie in den Bauch, doch er hinterließ kaum Schaden. Es schien, als wäre die göttliche Schönheit, Ninmea nicht im Mindestens beeindruckt. Die Juwelen, welche in ihren Schuppen eingelassen waren, hatten einen Großteil des Angriffes abgefangen. Die Drachengöttin sammelte erneut Energie und Funken zuckten über ihren Körper, bevor sie diese in einem gewaltigen Donnerblitz auf das Lapras schleuderte. Der Gegner allerdings war vorbereitet und feuerte im selben Augenblick einen eisigen Strahl nach Ninmea. Krachend schlugen die Attacken gegeneinander. Mit Schrecken beobachtete Lapras hilflos, wie sein Eisstrahl dem Stromschlag nur den Bruchteil einer Sekunde standhielt und dann einfach beiseite gefegt wurde. Die unglaubliche Macht Ninmeas konnte nicht von einem sterblichen Pokémon überboten werden.
Besiegt, aber nicht allzu schwer verletzt brach Lapras zusammen. Auch die Peitschenhiebe der Piraten halfen nun nichts mehr. Ninmea betrachtete die Seeräuber grimmig, bevor sie ihren langen Schwanz mit aller Kraft auf eines der drei Schiffe donnerte. Unter fürchterlichem Krachen zerbarst das Holz und das Gefährt wurde von den Wellen verschluckt. Dasselbe Schicksal ereilte innerhalb kürzester Zeit auch die beiden anderen. Die Besatzung ertrank in den Fluten. Ninmea ließ keine Gnade walten und nicht einer überlebte ihren Zorn.
Die Tempelwachen waren inzwischen mit ihren Holzbooten zu dem besiegten Lapras, welches bewusstlos auf den Wellen trieb, gerudert. Mit vereinten Kräften hievten sie ihn auf ein Gestell, das zwischen zwei Booten angebracht war. Maja beachtete sie nicht weiter. Ihr Blick war an dem göttlichen Drachen haften geblieben. Mit einem merkwürdigen Glitzern in den Augen verfolgte Ninmea aufmerksam das Geschehen. Die junge Bäuerin kannte diesen Ausdruck. Es war derselbe, mit dem sie so oft Renate, ihre Mutter, betrachtete. Ein Blick voller Einsamkeit und ohne den geringsten Funken Liebe, welcher gleichzeitig auch das Wissen, selbst nicht geliebt zu werden, in sich spiegelte. Und plötzlich verstand sie. Ninmea, der göttliche Drache und Wächter von Naljan Island verspürte keine Liebe zu deren menschlichen Bewohnern. Das Kämpfen passte nicht zu ihrem sanften Wesen, weshalb sie ihre Gegner auch nie mit voller Kraft angriff. >>Du bist wie ich Ninmea! Du scheinst nirgendwo hinzugehören, zumindest nicht im Herzen. Deine Familie sind die Pokémon, aber du lebst unter den Menschen. Noch magst du deine volle Stärke nicht entdeckt haben kleine Göttin, aber ich bin sicher, irgendwann wirst auch du verstehen, was es bedeutet ein Gott zu sein. Doch solange Zweifel und Angst dein Herz lähmen und du wankelmütig und unentschlossen bist, wirst du niemals finden, wonach du so verzweifelt suchst. Aber du solltest wissen, dass ein Gott nicht nur existiert, um einem Volk zu dienen, sondern eher um SEIN Volk zu führen und vor Gefahren zu bewahren. Finde deine Kraft und erkenne an, was du wirklich bist.<< sprach das Mädchen in Gedanken, wohl wissend, dass Ninmea ihre Worte nicht hören konnte, ja dass niemand dies hörte.
Dann wandte sie sich ab und ging gemäßigten Schrittes zurück auf die Felder, wo ihr voller Korb stand. Ohne noch viel mehr zu sammeln, schulterte sie ihn und brachte ihn in das heimatliche Lagerhaus. Verärgert stellte sie fest, dass Renate den Priestern viel mehr mitgegeben hatte, als sie hätten verschmerzen können. Maja sorgte sich ernsthaft, wie sie beide mit so weinig Nahrung über die Runden kommen sollten. Ihrer Mutter schien das ja völlig egal zu sein. Mit Sicherheit würden die Priester morgen schon wieder vor der Tür stehen und mehr verlangen. Um ihren Ärger zu entkommen, flüchtete das Mädchen mit den zinnoberroten Haaren in den Dschungel, ohne den Korb vollständig auszuräumen.
Große, dunkelgrüne Blätter schlugen ihr ins Gesicht und oft musste sie sich durch dichte Vorhänge aus Ranken schieben. Fernab der üblichen Wege, war der Dschungel in trübes Zwielicht getaucht, obwohl der Tag sich erst dem Mittag zuneigte. Das Sonnenlicht fand nur selten den Weg durch das dichte Geäst, so dass diese Welt am Fuße der hohen Bäume immer im Schatten weilte. Orchideen in allen Farben wuchsen aus den mächtigen Stämmen, wie alle Pflanzen hier bemüht ein winziges Stück des schwachen Lichtes zu erhaschen und mit ihren leuchtenden Farben Insektenpokémon anzulocken. Und dabei waren sie nicht die einzigen. Blüten in allen Farben, Formen und Größen säumten Majas Weg ins geheime Herz des Urwaldes. Manche von ihnen waren winzig klein, andere so groß wie ein Kopf und wieder andere hingen in blühenden Vorhängen von den hohen Ästen herab. Der Boden war nur spärlich bewachsen und immer mit einer Schicht aus abgestorbenen Pflanzen bedeckt. Hier tummelten sich unzählige Pokémon. Verspielt huschten sie zwischen den Stämmen und Farnen hindurch, erkletterten die Stämme der altehrwürdigen Riesen oder tummelten sich auf dem Boden. Ihr Zwitschern, Säuseln, Summen, Zirpen, Schnattern und Gurren erfüllte in einem Fort den Regenwald, gleich eines unbekannten Liedes mit unzähligen Melodien und Stimmen, aus den Kehlen tausender verschiedener Wesen. In diese friedliche Idylle schien der Mensch noch keine Spuren seiner Anwesenheit hinterlassen zu haben und Maja beruhigte sich langsam. Wenn sie wütend war kam sie immer hier her, in diesen Dschungel, wo die Menschen noch nicht vorgedrungen waren und perfekte Harmonie herrschte.
Nach einer Weile erreichte sie eine kleine Lichtung. Licht fiel von oben durch das Blätterdach, doch auch es war deutlich gedämpft, denn die umstehenden Bäume schickten sich an, den ungenützten Platz mit ihren Blättern zu überspannen, um jedes noch so kleine fitzelchen Licht mehr aufnehmen zu können. Hüfthoher Farn bedeckte den Boden mit einem sattgrünen Teppich und in der Luft hing noch immer die Feuchtigkeit des mittaglichen Schauers vom Vortag. Bevor der Dunst sich hier verziehen könnte, würde er schon von dem nächsten Regenguss um die Mittagszeit wieder aufgefrischt. Aber so war es eben auf dieser Dschungelinsel.
Zwischen den Wurzeln eines Baumes, der die Lichtung säumte, lag versteckt unter langen Farnwedeln ein verlassener Bau, den die Pokémon im Laufe der Zeit vergrößert und abgesichert hatten. Nun war er so groß, dass selbst ein Mensch kriechend hindurch passte. Aber Maja wusste von keinem anderen, der dieses Versteck kannte. Vorsichtig schob sie die fächerartigen Blätter zur Seite und glitt in den dunklen Gang. Schon nach kurzer Zeit erreichte sie eine kleine Höhle, die in einen unterirdischen See mit glasklarem Wasser endete. Ein paar wilde Pokémon saßen an dem schmalen Ufer, löschten ihren Durst oder betrieben gegenseitig Fellpflege. Das Mädchen beachteten sie fast gar nicht, sie waren an ihren Anblick gewöhnt. Nur ein anmutiges Wesen mit langen, schuppigen Fischschwanz, vier samtweichen Pfoten und einem Halsband aus gesponnenen Goldfäden, welches sehr nah am Ufer gesessen hatte, erhob sich und maunzte leise zur Begrüßung. „Hallo Smilla.“, grüßte Maja das trächtige Aquana, „Es wundert mich nicht, dass du schon hier bist.“ Schnurrend strich das anmutige Geschöpf dem Mädchen um die Beine und legte sich neben sie, als sie sich setzte. Mit sanften Fingern strich Maja ihr über das samtweiche Fell. „Ich werde wohl nie verstehen, warum du meine Gesellschaft der deiner reichen Herrin vorziehst.“, murmelte sie leise.
~Fortsetzung folgt~