So, ich würde jetzt auch gern meine Meinung zum diesjährigen ESC äußern. Davor sei gesagt, dass ich ein absolut großer Fan des Wettbewerbs bin. Jedes Jahr verfolge ich beinahe jeden Vorentscheid, sehe mir die Interviews, Pressekonferenzen und Proben der Teilnehmer an und bin am Tag nach den Finale niedergeschlagen, weil die schönste Zeit des Jahres um ist. Ich merk schon, dass ich an PED (Post-Eurovision-Depression) leide. :D
Erstmal möchte ich Lob an die Gastgeber aus der Ukraine aussprechen. Alle drei Shows wurden professionell durchgezogen, die Bühne sah fantastisch aus und trotz anfänglicher organisatorischer Schwierigkeiten und dem Disput mit Russland, hat man nochmal alles schön organisiert bekommen. Viel besser als sie 2005 Gastgeber waren. Vielleicht hätten die Moderatoren etwas mehr Training gebraucht, aber ich sehe mal darüber hinweg.
Persönlich finde ich diesen Jahrgang tatsächlich schwächer als die Songs aus 2016, wobei es dieses Jahr auch die eine oder andere Perle gab, aber dazu komme ich noch. Viele Songs waren für mich einfach nur durchschnittliche Popmusik von der Stange, die kaum Persönlichkeit oder Wiedererkennungswert enthielt oder einfach pure Schrecklichkeiten.
Viele meiner Favoriten sind schon in den Halbfinals ausgeschieden.
Darunter zählen die Isländerin Svala, die mit ihrem Song "Paper" eine gute Leistung bot, aber zu kühl auf der Bühne wirkte und deshalb wohl ausschied.
Die lettische Band Triana Park, die mit ihrem modernen Elektropop-Song "Line" total unverdient Letzte in ihrem Halbfinale wurden. Ich verstehe echt nicht, warum.
Das finnische Duo Norma John, die mit ihrem Lied "Blackbird", ein Lied über eine sadistische Amsel, schon im Vorfeld als sichere Qualifikanten galten, aber trotz stimmlich starker Performance im Halbfinale ausgeschieden sind.
Die Mazedonierin Jana Burčeska, die im Vorfeld als Fanfavoritin galt, aber sich als stimmlich nicht so stark entpuppte und sie deshalb mit ihrem Dancepop-Titel "Dance Alone" ausschied. Gewonnen hat sie übrigens trotzdem, da sie schwanger ist und ihr Freund ihr live einen Heiratsantrag gemacht hat.
Und mein Guilty Pleasure des Jahres und das unpopulärste Stück Musik in diesem Jahrgang: Fusedmarc aus Litauen mit "Rain Of Revolution", die sich genretechnisch in keine Schublade stecken lässt, aber mir trotzdem durch die Progressivität und Originalität sehr gut gefällt.
Aber jetzt möchte ich auch zum diesjährigen Gewinner kommen: Salvador Sobral aus Portugal und seiner liebenswürdigen Schwester Luísa, die den Gewinnersong "Amar pelos dois" für ihn geschrieben hat.
Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich am Anfang nicht so sehr von dem Lied überzeugt war, als das portugiesische Publikum ihn beim Festival da Cançao gewählt, dem portugiesischen Vorentscheid, gewählt hat. Meine Liebe zu dem Lied entwickelte sich erst in den letzten Wochen und ich stehe auch komplett dahinter, dass er gewonnen hat, denn zwischen den ganzen bunten, sich ins Ohr (manchmal auch ins Auge) brennenden Performances, die mit pyrotechnischer Effekthascherei ihr Aufmerksamkeitsdefizit wettmachen wollen, stand einfach nur er und sein Lied. Das war nach Jamala vom letzten Jahr die authentischste, emotionalste und ehrlichste Performance, die ich je beim ESC bestaunen durfte. Dazu muss auch noch gesagt werden, dass Salvador nicht zu seinen Proben erschienen ist und deshalb seine Schwester für ihn einsprang. Beim Voting haben ich und @Coosty miteinander telefoniert, der selber Portugiese und verliebt in das Lied ist und wir waren bis zum Ende superaufgeregt (auch wenn aus irgendeinem Grund die Übertragung bei mir einige Sekunden Vorsprung hatte als bei ihm). Wir haben uns beide unheimlich für Salvador und Luísa und auch für das Land Portugal gefreut. Parabéns, Portugal!
Außerdem möchte ich noch Glückwünsche an den jungen Bulgaren Kristian Kostov aussprechen, der erst dieses Jahr 17 geworden ist und trotzdem so unglaublich reif und professionell auf der Bühne wirkt. Der zweite Platz und die beste Platzierung Bulgariens waren mehr als verdient. Und ich stimme auch an dieser Stelle @HoLy zu: Epic Sax Guy rules! :D Moldau hat den dritten Platz belegt, was auch die beste Platzierung des Landes ist. Auch dafür noch herzlichen Glückwunsch!
Die Platzierung Deutschlands fand ich gerechtfertigt und vorhersehbar. Levina hat zwar eine klasse Stimme, die viel mehr Möglichkeiten bot. Ihr Song "Perfect Life" wurde ihr überhaupt nicht gerecht und außerdem ist das Lied auch unglaublich langweilig, fällt nicht auf und plätschert nur vor sich hin. Ich hoffe jetzt, dass der NDR einsieht, dass es so nicht weitergehen kann und man endlich ein brandneues Konzept entwickelt, was die Teilnehmersuche angeht. Ein jüngeres Personal wäre auch eine gute Idee. Ich stände zur Verfügung!