Unown Diclonius
Anmerkung für später: *Min
Konzept und Aussehen der Diclonii (c) Elfen Lied
Mal sehen, wie viele andere Andeutungen ihr noch finden könnt. Sob sob sob.
Suzuka, Kuzunoha/Nono (c) Grüße gehen raus an @Kuzunoha
„Vor zweieinhalb Jahren wurde eine Forschungsanstalt in der Kanto-Region bis auf die Grundfeste niedergebrannt. Bei der Täterin handelte es sich um niemanden anderen als die berüchtigte Tokunara, von der ihr sicher bereits gehört habt. Aus diesem Institut wurden Leichen und Schädel von Wesen geborgen, die der Massenmörderin von Kamakura sehr ähnlich waren – die Diclonii. Da sämtliche Daten durch die Explosion vernichtet wurden, weiß man nicht, wie viel Prozent tatsächlich umkamen, doch in den letzten Tagen kamen Gerüchte auf, dass die gehörnten Frauen mit den pinken Haaren wieder Schrecken verbreiten. Und zwar hier, in der Kansai-Region! Jegliche Beweismittel, also Kameras aller Art, wurden vernichtet. Also seid auf der Hut.”
Die Worte seines Fotografielehrers Mr. Sheffield hallten immer noch in Mitchs Ohren. Irgendwo mussten sich diese Wesen herumtreiben und wieder einmal würde ein Held von Nöten sein, um die Gehörnten zu stoppen. Wenn es nach seiner Mutter ginge, wäre Mitch ganz sicher nicht dieser Held. In der Hoffnung, dass sich der stinkfaule, unzuverlässige, hedonistische Nichtsnutz in einem Auslandsjahr abseits des US-amerikanischen Colleges beweisen würde, schickte diese ihn nämlich nach Osaka in Japan, dem Land ihrer Eltern. Immerhin hatte sie, zehn Jahre nach dem Tod ihres Mannes Michael, einem ehemaligen weißen US-Luftwaffenpiloten, mit ihrem neuen Lebensgefährten ohnehin schon mehr als genug zu tun. Die Liebe fand manchmal seltsame Wege, denn Kazuki, ein großspuriger, aber armer Hausmeister, war seinem Stiefsohn in vielen Punkten ähnlicher als die Mutter, die nun stolz berichtete, wie ihr Nachwuchs in Japan fleißig büffelte und später einmal genauso erfolgreich werden würde wie sie als Top-Anwältin. Ohne das strenge Auge seiner ehrgeizigen Mutter war Mitch allerdings nur noch nachlässiger und lethargischer geworden, genoss sein Leben als Austauschschüler allerdings in ganzen Zügen. Seine Zwillingsschwester Rachel hingegen konnte kaum eine Minute still halten, so quirlig und aufgedreht war sie, doch im Grunde genommen verpasste auch sie es, ihre überschüssige, in unterschiedlichste Freizeitangebote wie eben Fotografie, Cheerleading, Sportschauen, oder Barbecueing fließende Energie in etwas zu stecken, was ihre Mutter nicht als Quatsch abtun konnte.
„Oh mann, ich frage mich, wieso ausgerechnet einer wie Kazuki mit unserer Mutter zusammengekommen ist. Immer und immer wieder”, sinnierte der 16-jährige auf Englisch, während er irgendwie versuchte, der haarigen Lage auf seinem Kopf Herr zu werden und zu gleich intensiv die Exponate des Naturkundemuseums Osaka zu betrachten. Skelette von Aerodactyl, Monargoras, Impergator und Bollterus reihten sich an Schalen von Kabutops, Amoroso und Armaldo.
Seine Schwester, die Arme locker hinter ihrem Kopf verschränkt, wusste breit grinsend die richtige Antwort zu geben: „Naja, der findet sie scharf! Und kann jetzt endlich den American Dream richtig leben!”
„Auch wieder wahr, Reicheru Karoraina.”
„Dude! Nur weil die mich alle so nennen, musst du das nicht auch tun!”, beschwerte sich Rachel etwas lautstark, sodass sie sich danach erst einmal ganz leise und unauffällig umsah, wer denn aufgeschreckt sein könnte. Das spöttisch grinsende und Gesicht ihres Bruders, der mit seiner Hand vor ihren Augen herumfuchtelte, war es nicht, aber es besuchten noch mehr Menschen das Museum. Im selben Raum befanden sich in diesem Zeitpunkt allerdings nur zwei, nämlich zum einen ein junges Mädchen in ihrer leicht zu großen Mittelschuluniform, die jedoch auch trotzdem nicht so angelegt war, wie es die meisten taten. Die Strümpfe unregelmäßig hochgezogen, den Rock im zweistelligen Zentimeterbereich höher gezogen und die zu dem Matrosenhemd passende Schleife oder Krawatte irgendwo verschlammt, fast schon irgendwo rebellisch. Ihre Begleiterin war eine für japanische Verhältnisse immer noch durchschnittlich große, erwachsene Frau im roten Kimono, in dem ihre üppige Brust noch ihren Platz fand. Ihre langen, rotbraun gefärbten Haare schmiegten sich sanft an ihre Hüfte. Diese Frau gefiel Mitch, so viel war sicher.
Nun war Rachel es, die vor dem schockiert-gebannten Gesicht ihres Gegenübers winkte, jedoch erfolglos, trotz verbaler Untermalung: „Erde an Mitch! Was ist los, bekommst du Nasenbluten, weil du eine se- … äh ...”
„Sie … kann uns hören. Und jetzt halt’ die Klappe”, entgegnete der Bruder und packte den Arm seiner Schwester gekonnt aus dem Weg, um dafür einen verärgert funkelnden Blick mit schmollend aufgeplusterten Backen zu ernten: „Lass uns ins Obergeschoss gehen, da soll es Menschenschädel geben.” Immerhin hatte er nicht an ihren zwei Pferdeschwänzen gezogen, was sicherlich unangenehmer gewesen wäre.
Acht menschliche Schädel waren nebeneinander aufgereiht. Der eines Babys, der eines Kleinkindes, der eines Schulkindes, der eines Erwachsenen, der eines Rentners und die drei jüngsten Stufen jeweils mit zwei weißen Hörnchen an der Seite, die mehr an Katzenöhrchen erinnerten. Stillschweigend standen die beiden von ihrer eigenen Mutter als „Vollversager” betitelten Jugendlichen vor der Vitrine und beobachteten fast schon wie in Trance die drei Dicloniusschädel. Plötzlich erschütterte ein lautes Geräusch das Museum. Zwar blieben die Panikschreie aus, doch alle Augen richteten sich auf Mitch.
„Ich hab’ Hunger auf was Süßes, lass uns gehen, bevor mein Magen noch mehr gegen die 240 Minuten Fastenzeit rebelliert”, schlug der junge Mann vor, bevor er seine Hände lässig in die Jacken seiner Jeanstasche steckte und die Treppen herunterschlurfte, während seine Schwester ihm vorauseilte. Im botanischen Garten vor dem Museum gab es auch ein Wiedersehen mit dem Schulmädchen, das ein bildschönes Vulnona mit Augen gleich Goldstücken liebevoll streichelte und mit Leckereien fütterte. Am liebsten hätte Mitch sich dazwischen geworfen und dem Fuchs das Essen vor der Schnauze weggeschnappt, doch seine Gedanken galten der eleganten Dame im roten Kimono, die sich wohl in den Waschräumen erfrischen musste. Wenn er doch nur wüsste, wie sie hieß! Alles, was er wusste, war der Name des Feuer-Pokémons, das den Arm des Mädchens sanft ableckte.
Denn dieses begann daraufhin zu kichern und der schönen Füchsin noch ein weiteres Mal das Gesicht zu zerflauschen: „Ach Kuzunoha! … Nono! Das kitzelt!” Nun war es aber tatsächlich an der Zeit, zu gehen, denn nicht nur Mitchs Magen knurrte, sondern auch die der Pokémon der Geschwister.
Klick.
Mitch konnte seine Freude kaum in Zaum halten, als er den vermeintlichen Schnappschuss seines Lebens geschossen hatte: „Oh mann, wenn ich gewusst hätte, wie einfach das ist! Gleich mal unserer Mutter senden, dann wird sie sowas von stolz sein, wenn wir ein gefährliches, wildes T- …” Doch er stockte, als sich das gehörnte Fotomodell umzudrehen begann. Schnell das Foto an seine Mutter versenden, bevor noch jemand auf die Idee kam, die heimliche Aufnahme löschen zu lassen – man wusste ja nie.
„Gefährliches, wildes T-...Touka-chan?”, lächelte ihn eine zierliche junge Frau in einem türkisen Kimono an, völlig souverän und ohne die Nervosität, die sie früher auf Schritt und Tritt verfolgt hatte. Irritiert blickte Mitch auf die Nachricht, der er über sein Smartphone versendet hatte:
Schau mal, Mum, ich bin der erste, der das Ungeheuer von Loch Kansai fotografieren konnte. Ich bin jetzt offiziell cool. Und krass auch.
Schon bald wurde diese von einer Antwort auf dem Instant-Messenger verdrängt:
Schau mal, Sohn, das ist eine Prominente namens Touka, die einzige schwarzhaarige Gehörnte, die man auch noch völlig gefahrlos fotografieren kann … habe ich etwa einen Lügner großgezogen? Du bist jetzt offiziell ein Trottel. Und deine Schwester auch.
Mitch ballte die Fäuste. So derart von seiner eigenen Mutter erniedrigt werden, konnte er gerade noch verkraften, doch die Stichelei gegen seine Schwester wollte er partout nicht auf sich sitzen lassen.
Doch bevor böses Blut im Datennetz aufkam, versuchte die hübsche Geisha, ein weiteres Mal Kontakt aufzunehmen: „Ich heiße Touka. Ihr könnt ruhig auch von vorne mit mir ein Foto machen, das ist überhaupt kein Problem! Hier ist ja auch sonst niemand, sodass keine Tausendschaften ein Foto von mir wollen ...” Nachdem Mitch eigentlich nur seine Schwester begleitet hatte, um in Nishinomiya-Koshien auf der Allee voller gelb-schwarz gestreifter Fanshops Hanshin Tigers-Baseball-Merchandise zu ergattern, hatten sich die beiden dazu entschlossen, nach einem Strandspaziergang noch einen Abstecher zum mit Palmen und Kiefern bestückten Strandpark zu wagen, in dicken Winterjacken begleitet. Bevor irgendjemand erneut das Wort ergreifen konnte, landete ein weißes Flöckchen auf Toukas kleiner Stupsnase, auf der es sofort dahinschmolz, so wie eventuell auch Mitch, der von Rachel kritisch beäugt und mit einem baseballschlägerförmigen Megaphon, dem Ouen Bat, leicht geschlagen wurde.
„Äh ja”, kam der junge Mann wieder zu Sinnen: „Klar, das wäre echt cool von dir. Ich habe dich wirklich für diese Frauen gehalten, die letztens in den Nachrichten auf sich aufmerksam machen.” Für einen kurzen Moment hielt er inne, ob es vielleicht nicht die beste Idee gewesen war, die junge Berühmtheit, die immerhin die Johto-Liga für sich entscheiden konnte, für einen ganz normalen Niemand zu halten.
Touka gab sich glücklicherweise kein bisschen verärgert und neigte lächelnd ihren Kopf zur Seite, sodass auch die hüftlangen, rabenschwarzen Haare sich ruckartig weiter senkten: „Ich bin ja froh, dass es Leute wie dich gibt, denn wenn JEDER mich kennen würde, hätte ich keine Luft zum Atmen mehr!”
„Heißt das, ich darf dich umarmen?”
Glücklicherweise durchbrach Rachel die drei Sekunden betretenes Schweigen auf beiden Seiten und penetrierte ihren Bruder weiter mit dem Anfeuerungsutensil: „Ist dein Japanisch wirklich SO schlecht, dass du das verstanden hast?”
Als Mitch dieses anpackte, versuchte sich seine Schwester mit Leibeskräften zu wehren und ihr Besitztum wieder komplett an sich zu reißen, doch dadurch, dass niemand nachgeben wollte, entstand ein Gerangel, dass die vom weißen Schnee berieselte, bald 22-jährige Junggeisha, erst vor einem Jahr mit der Ausbildung fertig, nur mit gerundetem Mund über die beiden staunen ließ, bis sie selbst einen Vorschlag machte: „Vielleicht … gehen wir mal irgendwohin, wo es warm ist. Der Schnee ist schön, aber ich friere etwas, und zwar hoffentlich nicht ein … ich muss immer warm und fluffig bleiben, dann kann ich euch etwas über die Diclonii erzählen, die ihr so interessant findet.” Bei dem Begriff „frieren” wurde Mitch sofort hellhörig und bot Touka seine dicke Jacke an, während diese jedoch mit einem Kopfschütteln und der Begründung, es würde lächerlich aussehen, höflich ablehnte. Immerhin war der junge Amerikaner mit japanischen Wurzeln über einen Kopf größer als die Bewahrerin der traditionellen japanischen Künste.
Selbst ihre Tasse Grünen Tee schlürfte die blaublütige Geisha elegant, bevor sie einige Fragmente ihres Wissens in einem kleinen Café preis gab: „Haltet euch ohne professionelle Belgeitung von den Diclonii fern, wenn ihr sie nicht einschätzen könnt, zum Beispiel, weil ihr zu weit weg steht. Da seid ihr in Sicherheit. Nicht mal die Psychokinese eines Mega-Simsala ist so brutal wie die Kraft eines Diclonius im Wutrausch. Je älter sie sind, desto größer ist ihre Reichweite und prinzipiell haben sie mehr Skrupel davor, Pokémon zu attackieren als Menschen. Ihre Schwachstelle birgt zugleich das größte Risiko, nämlich die Hörner. Entweder löst du eine unkontrollierte Zerstörungswut in ihnen aus oder schlägst sie bewusstlos, je nachdem. Mehr kann ich euch auch nicht sagen.”
„Oh und würdest du uns helfen, eine von denen zu finden? Du musst sie nur fotografieren, damit wir unserer Mutter mal zeigen können, dass wir ein mutiges, starkes Team mit … tief in uns schlummernden Talenten als Fotografen und Trainer sind! Ich feuere dich gerne an, willst du meinen Anfeuerungssong hören?!”, entgegnete Rachel, unruhig auf ihrem Stuhl hin und her ruckelnd.
Mit missmutigem Blick fiel ihr um wenige Sekunden älterer Bruder, der sich gemütlich in das Rückenkissen der Sitzbank zurückfallen ließ, ins Wort: „Ach und ich bin angeblich der Weirdo, du Nerd?”
„Ich schätze, das könnte ich, aber nur, wenn ihr alle Sicherheitsbestimmungen einhalten würdet. Schließlich ist auch meine gute Freundin Raazu Taganzoku, die später als Detektivin arbeiten möchte, erpicht auf Neuigkeiten in dem Fall, wenn sie mal nicht gerade einen Nussmix sortiert oder mit einer Wasserwaage bewaffnet durch Wohnungen schleicht. Und dann gibt es ja noch Misato Miyazaki, die andere Polizistin in spe~ ...” Stiefvater Kazukis Nichte hieß ebenfalls Misato – und mit Nachnamen Miyazaki!
Sofort wollte Mitch seinem Verdacht nachgehen: „Eine Misato mit gefärbten Haaren und einer stark behaarten Wärmeflasche als Haustier?”
„Sie heißt Mayu, okay? Sie hat einen Namen. Also die … ‚Wärmflasche’.
„Jaja, whatevs.”
Mitch gefiel es nicht, wie ernst Touka ihm nun in die Augen blickte. Hatte er etwa der Flamara-Kätzin, über die doch geredet wurde, nicht genügend Respekt gezollt? Eine Schweißperle des Stresses tropfte seine Stirn hinab und desto mehr er sich bemühte, cool zu bleiben, desto schneller rollte sie.
Rachel kannte ihren Zwillingsbruder ganz genau und hatte ein Auge für seine nach außen getragenen Gedanken, während sie in einer Art kleinen Reiseintopf mit Fisch rührte: „Touka-Cola mag das nicht, wenn du so redest.” Die beiden liebten es, sich gegenseitig zu necken, doch die Kimono-Schönheit musste sich erst noch an Spitznamen aus dem Bereich des Kulinarischen gewöhnen, so wie es schon bei „Schokonara” für ihre dunkle Kehrseite Tokunara der Fall war. Während Mitchs Pfannkuchen und Waffeln schon längst in seinem Bauch verschwunden waren und sich der hedonistische Genuss auch in seinem Gesicht widerspiegelten, hatte Touka kaum angefangen, ihr Reisomelett zu essen, sodass noch genügend Zeit war, sich weiter zu unterhalten und näher kennenzulernen. Nun bekam Mitch letztendlich also doch seine Umarmung von Touka. Sie benötigte schon immer etwas Zeit, mit anderen warm zu werden und ihnen ihr Vertrauen zu schenken, was sich zweifelsohne auf einige schreckliche Ereignisse in ihrer Jugend als Diclonius zurückführen ließ.
Nur die höfliche Etikette der Geishas verhinderte es, dass Touka ihre Gefühle nicht der Außenwelt offenbarte. Dazu gehörten neben Ärger neben auch Übelkeit und Schwindel, von denen auch Mitch und Rachel nicht verschont geblieben waren. Nur eine Person strahlte wie ein Honigkuchenponita, und zwar die Einzige, die einen Führerschein besaß und somit auf dem Fahrersitz vorne rechts Platz genommen hatte.
„Fei is happy to have fine talks with Americanos! Yo soy learning Espanol, too! Mucho kawaii! If wants to get help from Fei for speaking with muchacho hombres even if scarce time is having, then come to me and get council of big mistress Fei who is number one but in control of Tao! Second in command after greatest short skirt empress Miyuuuuu*! Muchos Latias!”, entfuhr der naiv und unschuldig lächelnden Chauffeurin ein nicht gerade leicht zu ordnender Schwall an Worten. Sobald das Trio ausgestiegen war, drückte Fei auf das Gaspedal und ließ Touka und ihre beiden neuen Bekanntschaften alleine an dem Ort, an dem das letzte Mal ein Diclonius-Angriff gemeldet wurde.
Immer noch angeschlagen von der Fahrt, kratzte die zweihörnige Geisha sich an den Schläfen, um ihrem Ärger, jedoch über sich selbst, Ausdruck zu verleihen: „Wieso frage ich übrigens von allen Leuten überhaupt ausgerechnet MIN, wer denn eine gute Wahl als Fahrer wäre? Schade, dass Satsuki zu dieser Zeit in der Tierklinik arbeitet, denn bei ihr hätte ich mich viel sicherer gefühlt. Aber gut … nun müssen wir die Spur von einem Diclonius finden, wenn nicht er uns sogar findet. Immerhin können wir uns unter einer gewissen Entfernungsschwelle gegenseitig aufspüren., doch bisher hatte ich kein Glück. Allerdings verspüre ich gerade ein leichtes Kribbeln ...”
Schon bald erreichte das Trio eine hügelige Landschaft umringt von Bergwäldern voller immergrüner Bäume und kleiner Bambushaine, während das Gelände dazwischen mit zahlreichen frisch angelegten Reis- und gelegentlich auch ein paar Weizenfeldern einen guten Eindruck der ländlichen Seite des hochtechnologischen Landes Japan erweckte. Hier hatte vor 1300 Jahren eine alte Kultur die Ruinen von Asuka erbaut, auch Alph-Ruinen genannt, voller geheimnisvoller Kammern und Grabstätten, die unter grasbedeckten Hügeln bedeckt waren. An diesem Ort lebten buchstabenartige Pokémon namens Icognito die aber ohnehin eher als scheu galten. Es schien passend, dass die Diclonii von diesem mysteriösen Areal angezogen wurden.
„Knock knock”, erwartete Mitch eine Antwort von seinen beiden Begleiterinnen.
Doch nur Rachel spielte mit: „Who is it?”
„Dishes!”
„Dishes who?”
„Dishes a very bad joke!”
„Hahahaha!”
Für einen Moment erstarrte Touka. Wenn Min ihr schon Fei empfohlen hatte, war es dann auch möglich, dass sie ihr Leute aufgedrückt hatte, die genau solche Witze erzählte wie sie selbst? Min war so ein kleiner Schelm.
Sie unterbrach die beiden hinter ihr her trottenden Geschwister nur ungern, doch nun sah sie sich gezwungen, das Wort zu ergreifen: „Ein Diclonius muss hier in der Nähe sein. Es wäre besser, wenn wir sie bemerken und nicht umgekehrt. Ich werde einen der Hügel erklimmen, um einen besseren Überblick über das Gebiet zu haben.” Mitten im kalten Januar war hielt sich niemand hier in Asuka auf, nicht mal die Touristen. Während Touka Ausschau hielt, gönnte sich Mitch eine Pause und setzte sich auf den Rasen, um mit seinem Taschenmesser drei orangene Kakifrüchte aufzuschneiden, den er an einem verlassenen Obstposten für 100 Yen erwerben konnte. Auch seine Schwester befand sich bereits in der Hocke und hielt ihren gierig Kopf nach vorne gestreckt, sodass ihr schnell mal ein Ellenbogen im Gesicht landen konnte. Einen Diclonius fand Touka nicht, doch etwas anderes erregte ihre Aufmerksamkeit. Drei Gladiantri und ein pelziges, herzzerreißend liebenswürdiges Fuchsungeheuer namens Vulnona standen auf einer Wegkreuzung, mit mehreren seltsamen Gegenständen bewaffnet. Doch das war nicht irgendein Vulnona – das war niemand Geringeres als Ran, Toukas flauschige Ex-Mentorin! So gerne sie die Todesgöttin in disguise geschnappt und geknuddelt hätte, verhielt sie sich ganz still, da jemand wie Ran nicht einmal ihr ihre dubiosen Pläne anvertrauen würde.
„Seid ihr echte Krieger?”, begann die wunderschöne Füchsin, in deren Fell sich frisch fallende Schneeflöckchen zu verfingen schienen, ihre Rede: „Nein? Ihr habt noch nie einen Diclonius gefangen? Dann wäre es ganz gut, nun meinen Anweisungen folge zu leisten, um euch mit Ehre aus der Affäre zu ziehen.”
Während die beige Kitsune ihre neun Schweife stolz im Wind wehen ließ, zeigten die Soldaten-Pokémon viel gutgemeinten Willen, ihre Anführerin zufriedenzustellen: „Jawohl, eure Majestät!” Toukas Puls schlug immer höher, ihr kleines Herzchen immer schneller. Der Diclonius musste sich von Süden aus annähern, sodass er nicht nur ihr, sondern auch Ran näher kam … und tatsächlich … weiße Hörner auf magentafarbenen Haar … ein Dicloniusmädchen in Mitch und Rachels Alter stapfte tatsächlich auf sie zu, mit dicker, dunkelgrüner Winterjacke, einem weißen Schal und schwarzen, kuscheligen Ohrenwärmern.
Auch Ran, die die Umgebung kurz zuvor gründlich beschnüffelt und untersucht hatte, eröffnete nun ihren Plan: „Ha ha ha! Now look at this net, that I just found, when I say go, be ready to throw!”
„HÄ?”
„Werft das Netz, wenn ich ‚GO!’ sage! Tse, da wollte ich einmal cool sein. Ich bin nicht die erste Füchsin, die zusammen mit kleinen Kindern irgendwelche Zeichentrickserien schaut oder im Internet surft, okay?!”, ärgerte sich die Kitsune, die mit ihren Krallen ein weggeworfenes, blaues Netz bearbeitete über die mangelnden Englischkenntnisse ihrer Gefolgschaft, bis die junge Dicloniusfrau ganz nah kam: „GO!” Das Netz flog kurz in die Luft, ohne dass der Diclonius es bemerkte, sodass es aus Toukas Sicht so aussah, dass der Plan aufging, doch dem war nicht so.
„Nicht auf mich, auf SIE, ihr kamiverdammten Versager! Mir nach!”, blaffte Ran die nicht allzu intelligenten Gladiantri an, während sie das Netz, in dem sie nun gefangen war, lichterloh aufflammen und restlos zu Asche zerfallen ließ, bevor sie mit leisem Tritt ihrem Ziel nach lief, bis sie und ihr Team sich im Gebüsch heimlich einen Vorsprung verschafft hatten. Sobald sie angekommen war, sickerte dann erst einmal eine ganze Ladung grüner Tee auf den Weg, der binnen Sekunde zu Blitzeistee gefror. Der Diclonius entschied sich jedoch dafür, unmittelbar vor der gefrorenen Stelle eine leicht andere Richtung einzuschlagen und dafür über diese Wiese abzukürzen. Als die mit Elektroschockern bewaffneten Gladiantri nachsetzten, auf der gefrorenen Fläche ausrutschten und mit einem lauten Krachen stürzten, schaltete das pinkhaarige Mädchen schnell und katapultierte ihre Stalker mit ihren telekineseähnlichen Kräften Meter weit durch die Luft, sodass Ran in ihrem grünen Versteck ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter zog.
Als die Gejagte kurz vor dem Grabhügel sich sorgfältig umzuschauen begann, hatte Toukas Hetzschlag nun seinen Höhepunkt erreicht. Das war ganz sicher nicht der Moment, an dem sie eine persönliche Cheerleaderin brauchte, die sie fürs Wacheschieben anfeuerte. Gerade, als Rachel, die sich ihres Wintermantels entledigt hatte und mit Pompoms und kurzem Cheeroberteil und -Rock in Gelb hinter Touka auftauchte, um mit singen zu beginnen, konnte die junge Geisha dies mit einer schnell geschalteten Psi-Attacke unterbinden. Ihre Augen galten nur den unberechenbaren Diclonius, der nun nach oben blickte … jedoch in die andere Richtung gedreht … gerade noch einmal Glück gehabt.
Nun zückte Touka Mitchs Kamera aus dem Kimonogürtel, um das entscheidende Foto zu schießen und gleichzeitig einer gefährlichen Konfrontation zu entgehen, wäre ihr da nur nicht der Besitzer des Fotoapparats in die Queere gekommen: „Woa. Touka! Zieh’ dir das seltsame Radio hier rein! Holy Shit! Hella creepy, isn’t it?” Die schrillen, grotesken Geräusche des Radiosenders ließen Touka derart plötzlich zusammenzucken, dass ihr die Kamera aus der Hand glitt und den Grabhügel hinunterpurzelte, bis sie der Diclonius aus der Distanz aufnahm.
Kurze, stakkatoartige Tonfolgen wechselten sich nun mit den schrillen Zwischensequenzen im unheimlichen Programm ab, das Touka innerlich lähmte. Waren das die tief unter der Erde verborgnenen Icognito, die dafür verantwortlich waren? Es lief ihr eiskalt den Rücken herunter, doch die verstörenden Frequenzen trugen nur einen Teil dazu bei. Der Diclonius hatte sie nämlich entdeckt und starrte ihr mit zusammengekniffenen, beerenfarbenen Augen tief in ihre Seele hinein. Einen zweiten Versuch hatten sie noch, denn nun kramte Rachel in ihrer Tasche nach einer Kamera. Der eisige Januarswind wehte erbarmungslos über den mit abgestorbenem Gras bedeckten Hügel, während es nun an Touka lag, die beiden Jugendlichen mit all ihren Mitteln zu verteidigen.
„Na los, Snoop! Auf dem Grashügel bist du in deinem Element!”, beschwor Mitch ein weiß-grünes Long-Drachen-Pokémon namens Sen-Long aus seinem Pokéball, während die Wahl seiner Schwester auf ein Emolga fiel, das sich farblich großartig zu ihrem Kostüm ergänzte. Zähneklappernd hatte Rachel ihre in weißen Pompoms endenden Arme um ihre Brust geschlossen, doch sie gab sich Mühe, sich von der Kälte möglichst wenig anmerken zu lassen.
Touka hingegen war wenig begeistert davon, die Pokémon dem unbekannten Risiko auszusetzen: „Ich möchte nicht unhöflich sein, Kaiba, aber dein weißer Drache mit bekifftem Blick wird gegen einen Diclonius nicht wirklich helfen, fürchte ich.” Empört schnaubte Snoop auf, doch Toukas Aufmerksamkeit galt alleine dem Diclonius, immer noch an Ort und Stelle verharrend und ihren Blick nicht von der schwarzhaarigen Gehörnten abwendend.
„Du bist nicht die, die gesucht wird.”
Endlich hatte Mitch es geschafft, das Icognito-Radio abzuschalten, während er und seine Begleiterinnen, eine davon ein Foto knipsend und danach stolz grinsend, den Worten der jungen Dicloniusdame am Boden lauschten: „Haarefärben ist kein Problem, Verkleiden auch nicht … aber ein Schweif, der nervös hin und her zuckt? Das kann nicht gestellt sein. Sie besitzt keinen Schweif, genau wie ich.” Als die beiden Geschwister realisierten, dass da wirklich eine kleine, schwarze, angespannt um sich schlagende Schweifspitze unter dem Kimono Toukas herausschaute, blieb ihnen der Atem weg.
„Na los, kommt schon da runter. Ich bin genauso auf der Suche wie ihr. Du siehst vernünftig aus und weißt sicher genauso wie ich, dass wir etwas Besseres sein können als das, zu dem wir von den Forschern getrieben wurden. Wir … wir müssen nur dafür sorgen, dass andere Diclonii diese Lektion auch lernen”, forderte der Diclonius am Boden die drei auf und lehnte sich mit verschränkten Armen an eine leicht mit Schnee bepuderte Kiefer, bis alle unten waren. Ganz traute Touka der Sache noch nicht, doch ihr Puls war wieder heruntergefahren.
Rachel lag allerdings eine Sache noch auf dem bibbernden Herzen: „Dürfen wir unserer Mutter trotzdem schreiben, dass du blutrünstig und gefährlich bist? Da-dann gelten wir nämlich endlich als badass! W-w-wir … wir haben es satt, von ihr andauernd als faule L-l-loser angesehen zu werden. Wir sind lebensfrohe Lebenskünstler!”
„Faulheit ist eine Kunst für sich, musst du wissen. Und eine ganze Lebenseinstellung! Ich kann dich auch gerne mit einer viertel Kakifrucht bestechen, ist noch übrig geblieben”, ergänzte Mitch, der seiner schlotternden Schwester ihre Jacke wieder um die Schulter legte, denn Anfeuerungen waren nun nicht mehr nötig.
Der Diclonius zuckte mit den Schultern und warf den beiden daraufhin ein Lächeln zu: „Ich kenne das Gefühl. Mich nannten sie auch Versager, weil ich in den Tests nicht töten konnte … oder … eher wollte. Ich habe viele Schmerzen dadurch erlitten, innerlich als auch äußerlich, aber wenigstens kann ich mir morgens stolz in die Augen sehen, wenn ich den Spiegel blicke. Mein Name lautet übrigens Kogyoku. Jemand hat mir gesagt, dass es der Name einer Kaiserin war. Ob die anderen Diclonii auch solche Namen bekommen haben?” Während Kogyoku sich weiter in ein Gespräch mit den neugierigen Geschwistern vertiefte und den Weg zurück in die Stadt einschlugen wollte, hatte Touka, obwohl ebenfalls ganz durchgefroren, noch etwas zu erledigen. Ein beherzter Griff in den Busch später und schon hielt sie ein schneebedecktes Vulnona in ihren Armen, das sich sich ordentlich schüttelte.
„NSA-Füchsin … this is madness ...”, antwortete die junge Geisha lächelnd und mit frech rausgestreckter Zunge ihrer fluffigen Freundin, die mit ihr via Telepathie kommunizieren konnte.
Ran ließ ihre Augen kurz aufflackern, bevor sie ihr lautstark ins Ohr jaulte: „THIS. IS. RANAAAA!” Direkt im Anschluss schnellte die Zunge der Füchsin so schnell nach vorne, dass Touka ihre eigene nicht mehr rechtzeitig einziehen konnte. So wurde aus einem freundschaftlichen Übers-Gesicht-Lecken fast schon eine Art Kuss, die Touka mit geweiteten Augen erstarren ließ.
Ran war zutiefst verwundert über die langsamen, menschlichen Reflexe: „So fühlt sich das also an, was Kuzunoha auch erlebt hat. Aber woher soll ich wissen, dass du immer noch deine Zunge draußen hast? Touka-chan, bist du tiefgefroren? … Touka? ...”
„Ach Ran! Manchmal kannst du so zuckersüß sein … okay … oft! Sehr oft sogar! Lass uns den anderen Folgen und uns aufwärmen, du alberner, wunderschöner Flauschball!”, entgegnete die junge Frau mit dem schwarzen Schweif und drückte ihr Vulnona dicht an sich, um sie auf den Armen umherzutragen und mit an einen warmen Ort zu tragen, wo sie in Ruhe das weiße Schneetreiben bewundern konnten, ohne zu frieren. Doch die seltsamen Frequenzen der Icognito wollten ihr nicht mehr aus dem Kopf - ob sie das alles beobachtet hatten?