Sven hatte sich von seinen Freunden vorübergehend getrennt um zur Pokémon-Pension zu reisen. Sein Ziel war es einerseits Girafarig zurückzubringen, da er der Meinung ist, dass es rechtmäßig jemand anderen gehörte. Außerdem erhofft er sich einen Rat im Umgang mit seinem Glaziola zu bekommen, dass ihm plötzlich feindselig gegenüber stand. Damit Mya sich schonen konnte und auf den bevorstehenden Wettbewerb vorbereiten konnte, war er alleine aufgebrochen. Allerdings kam es ihm so merkwürdig vor, ohne seine Freunde unterwegs zu sein, weshalb er Psiana und Jungglut aus ihren Pokébällen geholt hat, damit zumindest seine Pokémon mit ihm mitgingen. Zumindest bei einem klappte das auch.
“Psiana, du bist jetzt viel größer, als vorher, kannst du bitte runter gehen?”, bat Sven. Psiana hatte sich um seinen Hals gelegt und ließ die Beine runter baumeln, während es genoss sich tragen zu lassen. Auf Svens Bitte hob sie nur den Kopf und rieb diesen an Sven seinen. “Ich weiß, aber du bist nun mal jetzt dreimal so groß.” Irgendwann gab er es auf.
Als sie Route 34 erreichten, die den Steineichenwald und Dukatia miteinander verband, konnten sie das Gelände bereits sehen. In einem eingezäunten Bereich wurden die verschiedensten Habitate nachgestellt, damit sich so gut wie jedes Pokémon wohl finden konnte. Hier konnte er hoffentlich die Hilfe bekommen, die er dringend brauchte.
“Kommt.” Sven deutete Jungglut an ihm weiter zu folgen, während Psiana sich weiterhin tragen ließ, was Sven einen Seufzer abring.
Wenig später waren sie dann auch schon bei der Pension angekommen. Ein kleines, zweistöckiges Holzhaus stand als einziges Gebäude auf dem Grundstück. Links daneben parkte ein kleiner Laster und hinter dem Haus war das Gehege. Es sah so aus, als würde der Zaun bis an das Haus heran geführt. Vermutlich gab es einfach eine Hintertür zum Gelände. Nun ja Sven jedenfalls betrat das Haus, rief vorher seine Pokémon zurück. Innen war ein großer Eingangsbereich, mit einer langen Tresen im hinteren Drittel des Raumes. Es gab eine gemütliche Sitzecke mit mehreren Sofas um einen runden Tisch herum links von Sven, während rechts von ihm ein Videotelefon stand. Hinter der Theke waren zwei Frauen, die sich über etwas unterhielten. Sobald sie Sven bemerkten, unterbrachen sie jedoch ihr Gespräch.
“Willkommen in der Pokémon Pension”, begrüßte die jüngere der beiden Frauen Sven. Sie hatte langes, braunes Haar. Sie war vermutlich schon Ende der Dreißiger, während die ältere Dame noch mal bestimmt zwanzig Jahre älter war, oder mehr. “Wie können wir behilflich sein? Möchten sie, dass wir uns um eines Ihrer Pokémon kümmern?”
Sven ging zu den Beiden herüber. “Nein, ich habe mit meinen Freunden ein Girafarig gefunden, diese Leben ja eigentlich weiter nördlich von hier.” Sven hatte dessen Pokéball rausgeholt. “Wir dachten, dass es vielleicht von der Farm stammt”, fügte Sven an, als die Frauen fragende Blicke untereinander ausgetauscht hatten. “Außerdem wollte ich wissen, ob sie mir einen Ratschlag wegen eines meiner Pokémon geben könnten.”
Wieder sahen sich die beiden Frauen kurz an. “Wegen dem Girafarig, werde ich einmal nachsehen, ob jemand in letzter Zeit welche hier abgegeben hat”, antwortete die jüngere Frau auf Svens erste Frage. Dann übernahm die ältere Frau.
“Bitte setz dich solange auf eines der Sofas, ich werde meinen Mann holen, damit wir dir helfen können, junger Mann”, versprach sie. “Möchtest du solange etwas? Einen Tee, oder etwas zu Essen?”, fragte die ältere Dame nach.
“Nein Danke, ich brauche nichts, ich habe vorhin erst eine Mittagspause mit meinen Pokémon eingelegt”, lehnte Sven ab. Tatsächlich hatten er und seine Pokémon erst gegessen. Deshalb war er auch satt und durst hatte er auch gerade nicht, außerdem wollte er nicht zu lange bleiben.
“Na gut”, zeigte sich die alte Dame enttäuscht. Dann verließ sie den Raum durch eine Tür an der rechten Wand. Die jüngere Frau folgte ihr. So blieb Sven alleine zurück.
Als er sich so in dem Raum umsah, fragte sich Sven, ob es etwas brachte sein Pokémon hier abzugeben, statt sich selber darum zu kümmern. Vermutlich, sonst würde wohl keiner Geld dafür ausgeben. Vielleicht wäre das auch für Glaziola die bessere Entscheidung, statt nur ein paar Ratschläge zu holen, aber wollte er das denn auch? Immerhin war es sein Pokémon. Klar, vermutlich konnten sie ihm hier beibringen, auf ihn zu hören, aber irgendetwas sagte ihm, dass er dieses alleine schaffen musste. Er wusste aber nicht, ob er dies konnte. Eigentlich war er sich mit nichts so wirklich sicher, klar er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und die Siege gleich zu beginn, die gewonnenen Orden, hatten ihn glauben lassen, dass er gut genug war. Aber dann hatte er gegen Bianka verloren, gegen diesen Kerl mit der Maske. Letzteres ärgerte ihn am meisten, Menschen wie er, die Pokémon benutzen um ihre kriminellen Taten zu begehen. So wie damals.
Nein, Sven wollte nicht mehr daran denken. Es war schrecklich und er wusste, ohne Caylin würde er Pokémon heute wohl fürchten, nicht lieben und sie wären keine Freunde geworden. Das war sowieso ein Wunder an sich. Immerhin stammten sie aus anderen Welten. Caylin aus gutem, reichen, sehr reichen Haus. Sie war eigentlich ohne Fehler, na ja, wenn man mal von ihrem Orientierungssinn absah, der war einfach nicht vorhanden. Sven indes war eigentlich immer schon eher ein Außenseiter und irgendwie auch ein Loser gewesen, trotzdem hatte sie sich mit ihm abgegeben. Das war fast wie ein Wunder, auch wenn so mancher Typ ihn dafür hasste. Es war schon verrückt, irgendwie aber trieb ihn das immer wieder an, weiter zu kommen. Obwohl er früher nur ein Träumer war und nun, in Johto mit eigenen Pokémon. Alles nur, weil er Caylin hinterher machte. Sie war es, die los geprescht war, ohne das hätte er sich nie getraut, einfach die Schule zu schmeißen um Trainer zu werden. Ob das eine gute Idee war? Was wenn er es einfach nicht drauf hatte?
Sven war so in Gedanken versunken, dass er erst nicht bemerkte, wie sich Psiana aus ihrem Pokéball befreite. Erst als das Psychopokémon mit ihrer Zunge, über sein Gesicht leckte, schrack er auf.
“Hey Psiana, erschreck mich nicht so”, sagte der junge Mann, auch wenn er ihr nicht böse sein konnte, worüber auch? Auch nicht, als Psiana freudig auf sein Schoß sprang und sich einrollte. Nicht dass er es nicht schon längst wüsste, aber gerade jetzt war es klar zu spüren, dass sein Pokémon nicht nur größer, sondern auch schwerer geworden ist. Um ein vielfacher schwerer als das kleine Evoli vorher.
“Hey Psiana, bin ich ein guter Trainer?”, fragte Sven nach einem Moment, in dem er sie einfach nur gestreichelt hatte. Dies fragte er sich schon eine Weile. Immerhin war er schon einige Zeit mit Glaziola unterwegs gewesen, trotzdem hatte er es nicht so wirklich geschafft, dass sein Pokémon ihm vertraute. Immer wieder fing es in den Kämpfen an, plötzlich eigenständig zu handeln und seine Befehle zu ignorieren. Daher gehörte es doch zum Trainerdasein dazu, dass einem die Pokémon gehorchten, wenn man einige Zeit mit ihnen verbracht hatte. Er hatte so viele Bücher darüber gelesen, nicht nur über Kampfstrategien, sondern auch über den Umgang mit seinen Pokémon. Zwar gab es da die unterschiedlichsten Ansätze und nicht jede davon gefiel ihm, wenn er ehrlich war, er wusste nicht welchen dieser er wirklich folgen sollte. Psianas Antwort auf seine Frage war ein erneutes abschlecken seines Gesichts.
“Es scheint dich gern zu haben”, merkte ein älterer Mann an. Er kam gerade mit der älteren Dame von vorhin aus der Tür auf der rechten Seite. Er wirkte kräftig gebaut und hatte einen aufrechten Gang. “Ich bin der Leiter der Pension Bradley”, stellte er sich vor. “Das ist meine Frau Caroline.”
“Hallo ich bin Sven Kahl”, stellte sich Sven vor und musste dabei feststellen, dass er dies noch gar nicht getan hatte, aber anscheinend nahmen sie ihm dies nicht übel.
“Du bist hier weil du einen Ratschlag im Umgang mit Pokémon haben möchtest”, fing Bradley an. Er setzte sich Sven gegenüber und seine Frau zog ein Sofa herüber um neben ihrem Mann zu sitzen. “Dabei wird es wohl nicht um dein Psiana gehen”, fuhr er fort.
“Ich bin hier wegen meinem Glaziola”, sprach Sven das Thema an. “Es ist etwas schwierig zu erklären”, meinte Sven. Er streichelte weiterhin Psiana, welche ihr Kopf gehoben hatte und ihren Trainer fragend ansah, während dieser nach den richtigen Worten rang. “Eigentlich hatte es schon die ganze Zeit nicht wirklich auf mich hören wollen, tat es aber doch immer wieder. Nur wurde es plötzlich schlimmer, es hat sich sogar geweigert nach einem Freund zu suchen”, fuhr er fort, fragte dabei immer wieder ob er nicht doch einfach zu schlecht war. “Ich weiß nicht, ich glaube ich habe es enttäuscht, oder vielleicht bin ich nicht gut genug. Dabei habe ich mir vorher so viel Wissen angeeignet wie möglich, immerhin bin ich so viel später Trainer geworden. Aber vielleicht tauge ich doch nicht dazu.” DIe letzten Worte waren eher gemurmelt, als deutlich ausgesprochen.
“Liegt dir etwas an deinen Pokémon?”, fragte Caroline.
“Ja, natürlich, auch Glaziola ist mir wichtig”, antwortete Sven, was sollte diese Frage? Natürlich waren sie ihm wichtig. Er konnte einfach nicht die Art Trainer sein, die Pokémon nur als Mittel zum Zweck sahen. Nein er dafür hingen sie ihm zu sehr am Herzen, auch wenn er keines davon so lange hatte, vielleicht ein paar Wochen bei Psiana und Jungglut, trotzdem.
“Dann bist du für mich ein guter Trainer”, war Caroline überzeugt. “Wenn sie dir nichts bedeuten würden, dann wärst du jetzt nicht hier.”
“Das stimmt. Für uns sind schlechte Trainer nicht welche, die andauernd verlieren, oder auch mal Probleme mit ihren Pokémon haben, sondern jene die aufgeben, wenn es nicht so läuft”, fügte Bradley an. “Es gibt viele die es sich einfach machen und nur nach den Pokémon suchen, die einfach zu handhaben sind, oder eines abstoßen, weil sie es zu schwach finden.”
Sven hörte ihnen zu. Er wusste nicht genau, was er davon halten sollte. Vielleicht wollten sie ihm einfach nur gut zu reden, aber nein. Davon hatten sie ja eigentlich auch nicht und es wirkte auf ihm auch eher so, als wäre dies ihre Überzeugung.
“Du gibst aber nicht auf, sondern möchtest einen Weg finden das Verhältnis zu deinem Glaziola zu bessern, deshalb bist du ja hier”, schlussfolgerte Bradley. “Damit bist du kein schlechterer Trainer, oder Mensch. Es ist normal, dass man um Hilfe fragen muss, egal wie alt man ist. Auch wir wissen nicht alles und lernen immer wieder etwas neues”, gab er mit einem verschmitzten Lächeln zu.
Irgendwie stimmte es und eigentlich wusste Sven dies auch. Irgendwo hatte er wohl geglaubt, dass er alles alleine schaffen würde, aber das war falsch. Er hatte seine Pokémon und seine Freunde. “Sie haben recht”, stimmte er dem Pensionsleiter und seiner Frau deshalb zu. “Ich war dumm.”
“Na na, vielleicht etwas verwirrt, aber dumm sicher nicht”, beschwichtigte der Mann.
“Genau”, stimmte seine Frau zu. “Aber vielleicht sollten wir das Gespräch in unserem Beratungszimmer fortsetzen, statt hier im Empfang. Ich mache euch auch eine Tasse Tee und dieses Mal lehnst du nicht ab, junger Mann.”
Wenig später saße sie alle in einem kleinen Büroraum. Der Raum war etwas überfüllt, waren doch alle Wände mit Schränken und Regalen zugestellt, nur das Fenster blieb verschont. Am Fenster stand dann auch ein Schreibtisch mit einem Monitor darauf. In der Mitte war ein kleiner Tisch, an dem zwei Stühle standen. An jenem saßen nun Sven, Bradley und Caroline. Bradley hatte sich dafür den Bürostuhl vom Schreibtisch rübergeschoben. Caroline brachte ein Tablett mit drei Tassen und einer Kanne Tee, sowie etwas Gebäck. Nachdem sie allen eine Tasse gegeben hatte, begann Sven zu erzählen.
Er berichtete von der ersten Begegnung, als er sich auf dem Weg nach Viola City verlaufen hatte. Wie Glaziola erst gar nicht auf ihn hören wollte und Sven deshalb auf ihn in der Arena verzichten musste. Dann über die Begegnung mit den Geisterpokémon auf dem Weg nach Azalea City, wo sie zum ersten Mal gemeinsam gegen das Gengar gekämpft haben, von dem er nun wusste, dass es dem maskierte Trainer gehörte. Auch den Kampf gegen Team Rocket und den Arenakampf in Azalea City ließ Sven nicht aus. Auch die Begegnung im Steineichenwald und die bittere Niederlage gegen jenen maskierten Gegner, wobei auch die Wut wieder in ihm hoch kam. Aber es war nicht nur die Wut auf den Mann und wofür er seine Pokémon missbraucht, auch auf sich selbst war er sauer, er konnte damals keinen klaren Gedanken mehr fassen, als er ihm gegenüber stand. Auch erzählte er, wie er gegen Caylin kapituliert hatte.
“Nach allem was du erzählt hast, denke ich, dass dein Glaziola wütend ist”, vermutete der Pensionsleiter, nachdem Sven fertig war. Er brauchte nicht lange um zu dieser Schlussfolgerung zu kommen. “Sauer, aber bestimmt auch enttäuscht.”
Sven ließ die Worte kurz auf sich wirken. Eigentlich vermutete er ja schon, dass Glaziola wütend war. Enttäuschung klang auch logisch, die Niederlage gegen den maskierten Mann und dann das Aufgeben gegen Caylin, wenn er so darüber nachdachte machte das durchaus Sinn. “Dann muss ich ihm zeigen, dass ich ein guter Trainer bin.”
“Ja, aber nicht nur durch das Gewinnen in Pokémon kämpfen, aber du bist schon auf dem richtigen Weg”, stimmte Caroline halb zu und nahm einen Schluck aus der Tasse. “Es scheint mir so, als hast du ein sehr unabhängiges Exemplar gefangen. Dein Glaziola hat dich zuerst nicht anerkannt, auch weil du ihm ausgewichen bist. Als es zuerst nicht auf dich hören wollte, hast du wenig unternommen, du bist nicht auf dein Pokémon eingegangen. Dadurch und weil du ein so gutes Verhältnis zu dem Rest deines Teams hast, hat es sich vermutlich ausgegrenzt gefühlt.”
Das überraschte Sven dann doch, hatte sie damit recht? Hatte er sein Pokémon das Gefühl gegeben? Wenn er so nachdachte, vermutlich hatte sie recht, nein sie hatte recht. Es war nicht seine Intention, aber Glaziola hatte es so wohl verstanden.
“Als du es dann vor Gengar geschützt hatte, hatte dein Pokémon wohl zum ersten Mal gespürt, dass es dir etwas bedeutet”, fuhr die ältere Frau fort. “Dann habt ihr ein paar Mal zusammen gekämpft und es hat auch gelernt, dass ihr auch ein gutes Team abgeben könnt. Allerdings hat es trotzdem sein eigenen Kopf und hat deine Anweisung nicht verstanden, oder sie gefielen ihm nicht. Jedenfalls musst du in solchen Situationen härter auftreten, vermute ich.”
“Du musst Glaziola spüren lassen, dass es dir viel bedeutet, aber du darfst dabei nicht zu locker lassen, ansonsten hört es in Kämpfen nicht immer auf dich”, fügte Bradley an. “Aber es dürfte auch nicht verkehrt sein herauszufinden, wie Glaziola gerne kämpft und das in deiner Strategie mit einfließen zu lassen.”
Sven verstand, warum. Wenn Glaziola dauernd gezwungen würde, etwas zu machen, was es überhaupt nicht machen möchte, dann würde sich sein Pokémon vielleicht auch wieder gegen ihn wenden. Nur musste er erstmal herausfinden was es wollte. “Wie mache ich das am Besten?”
“Das musst du selber herausfinden, wir sind keine Trainer”, antwortete Caroline. “Außerdem sind das alles nur Vermutungen. Wir geben dir Ratschläge aufgrund deiner Erzählung. Ohne dein Pokémon selber in Aktion gesehen zu haben”, gab sie dann noch zu bedenken.
“Ich glaube aber ihr habt recht. Es ist mir jetzt glaube ich klar geworden. Ich habe im Umgang mit meinen Pokémon, vor allen Glaziola ein paar Fehler gemacht”, gestand Sven ruhig. Eigentlich gab es bisher ein paar Pokémon, die er bevorzugt hatte, das musste er ändern. Allerdings wusste er immer noch nicht, was er wegen Glaziola tun sollte und wollte. Ob er es schaffen konnte, sich mit seinem Pokémon wieder zu vertragen, vielleicht sollte er es auch in Obhut der Züchter geben? Aber das fühlte sich falsch an.
Diese Unsicherheit blieb wohl nicht verborgen, denn Bradley ging auf die unausgesprochenen Gedanken ein. “Natürlich kannst du dein Glaziola auch bei uns abgeben, doch glaube ich nicht, dass du dies möchtest.” Dann nahm er einen Schluck vom Tee.
“Es ist vermutlich auch besser, wenn du es selber machst”, fuhr Caroline fort. “Wir können sicherlich deinem Pokémon seine widerspenstige Art austreiben, auch wenn das nicht garantiert ist. Wir glauben aber nicht, dass du das möchtest.”
Damit haben die beiden Pensionsbetreiber nicht ganz unrecht, Sven fühlte, dass er das selber machen wollte. Trotzdem wenn sie wollten, hätten sie versuchen können ihn davon zu überzeugen, Glaziola hier abgeben zu müssen, immerhin machten sie doch Geld mit sowas. Allerdings wollte der junge Mann dies jetzt nicht hinterfragen. Es gab für ihn einfach wichtigeres im Moment und das war zum einen sein Glaziola, denn er wollte sich wieder mit ihm vertragen, zum anderen das Girafarig. Was Glaziola anging hatte er jetzt einen Anhaltspunkt, was er tun konnte, war sich jedoch noch unsicher, ob er es schaffen würde. Eines wusste er, er wollte sein Pokémon noch nicht aufgeben. Vielleicht sollte er es ruhiger angehen lassen und es nicht überstürzen. “Danke für eure Ratschläge soweit”, bedankte sich Sven. “Aber ich denke, ich muss erstmal alles setzen lassen.”
Bradley nickte. “Du solltest es nicht überstürzen, sonst kann dein Versuch auch das Gegenteil bewirken, trotzdem darfst du auch nicht zu lange warten. Wenn du es allerdings wirklich willst, dann bin ich sicher, wird dich dein Glaziola verstehen.”
“Ja bestimmt”, stimmte Sven zu und nickte dabei. Er hoffte zumindest, dass es so kommen würde, aber er war sich nicht sicher. Er brauchte wohl noch ein paar Tage, bevor er das Gespräch führen konnte.
Nachdem sie den Tee getrunken hatten, verließ Sven mit den alten Pärchen der Pension den Raum. Er hatte sich vorgenommen mit Glaziola zu reden, wenn jedoch nicht sofort. Sven sah es für sinnvoller ein wenig noch zu warten, um sich zu ordnen. Damit blieb nur noch eine Sache zu klären, was war mit dem Girafarig, dass er gefangen hatte. Die Tatsache, dass er es fangen konnte, hieß ja, dass es keinen Besitzer hatte, trotzdem blieb die Frage, was es so weit weg von seinem ursprünglichen Gebiet machte, eigentlich lebten Girafarigs in der Umgebung von Mahagoni City. Aber wenn Sven so darüber nachdachte, ein Glaziola in der Wildnis zu fangen war auch nicht normal. So betrachtet hatte er nur eines, vielleicht zwei Pokémon, die unter gewöhnlichen Umständen sich ihm angeschlossen haben. Einmal das Abra, es war, soweit er es wusste, durchaus gängig Abra um Dukatia City zu finden, das zweite war sein Starter, Flemmli jetzt Jungglut, auch wenn es für Johto ein ungewöhnlicher Starter war. Natu könnte vielleicht noch passen, wobei er nicht sicher war, wo man sie normalerweise antraf. Nebulak hatte sich angeschlossen, nachdem er mit Glaziola zusammen ein Gengar besiegt hatte, sein Psiana als ausgesetztes Evoli hatte sich freiwillig angeschlossen, Glaziola war ein Glaziola und nun das Girafarig. Das war so völlig anders, als er es erwartet hatte, beschweren wollte er sich jedenfalls nicht.
Zurück in der Eingangshalle der Pension erwartete Sven bereits die Tochter der beiden älteren Pensionsbetreiber. Gerade hatte sie noch mal auf einem Laptop nachgesehen, den sie seit kurzem für die Verwaltung nutzen, doch sobald der junge Trainer mit seinem Beratungsgespräch fertig war, schaute sie auf. “Mein Mann und ich haben nachgesehen, wir hatten vor einiger Zeit ein Girafarig aufgezogen und mit dem Besitzer gesprochen, er möchte es nicht haben. Deshalb kannst du das Pokémon entweder behalten, oder auch uns geben und wir versuchen einen neuen Besitzer zu finden.”
Das war nicht leicht, natürlich hatte er das Girafarig erst kürzlich gefangen, trotzdem widersprach es ihm irgendwie ein Pokémon einfach abzugeben. Allerdings hätte er dann auch vier Psycho Pokémon, eigentlich sollte man ja ein ausgewogenes Team haben als Trainer, wegen der Wechselwirkung der Typen. Zu viele Pokémon desselben Typs einzusetzen gab einen Nachteile, da es eventuell möglich war mit ein oder zwei Pokémon im Typvorteil zu sein, andererseits war dies nicht der einzige Faktor in einem Pokémonkampf. Strategie konnte die Schwäche vielleicht sogar in eine Stärke verwandeln, wobei einfach würde das sicher nicht werden. Traute er sich das zu? Was war mit Girafarig?
Sven nahm den Pokéball, in dem das Langhals Pokémon war und ließ es raus. Mit geweiteten Augen sah es sich hektisch um, bevor es sich ängstlich an Sven schmiegte. Jetzt wurde ihm erst richtig bewusst, wie klein es war. Er wusste zwar nicht wie groß ein Girafarig durchschnittlich wurde, doch dieses schien kleiner zu sein, es konnte noch nicht lange auf der Welt sein. Sven konnte es nicht übers Herz bringen. “Ich werde es behalten”, entschloss er sich. Es war ihm egal, ob sein Team dadurch zu einseitig wurde, es schien ja bei ihm sein zu wollen. Er drehte sich zu ihm um und bückte sich, um auf Kopfhöhe zu sein. “Hallo Girafarig, wie geht es dir?” Immer noch starrte es mit weiten Augen umher, doch reagierte auch auf Svens Stimme. Kurz schnupperte es an ihm, bevor es versuchte seinen Kopf unter Svens Arme zu verstecken. “Alles ist gut.” Er tätschelte das Pokémon sanft am Hals. “Möchtest du mit mir mitkommen?”
Girafarig sah Sven wieder an, kurz begannen seine Augen zu leuchten. “Gi”, antwortete es und wirkte dabei irgendwie glücklich.
“Es scheint das beste zu sein, wenn du es mitnimmst”, meinte Bradley. “Es scheint sich bei dir wohl zu fühlen.”
“Allerdings bedeutet es auch mehr Arbeit ein so junges Pokémon aufzuziehen”, warf seine Frau ein.
“Mag sein, aber ich habe mich entschieden, ich behalte Girafarig”, bekräftigte Sven seinen Entschluss und wegen der Teamzusammensetzung würde er sich etwas einfallen lassen, auch weil er es musste. Wer weiß, vielleicht war es genau das, was er brauchte, um besser zu werden. Als Trainer, wie auch als Mensch.
“Es ist noch zu jung um zu kämpfen”, stellte Caroline fest. “Wenn du Girafarig aber richtig aufziehst, dann denke ich kann es ein starkes Pokémon werden.”
“Danke, ich werde mich gut um Girafarig kümmern.” Sven tätschelte das Langhalspokémon noch mal am Hals, bevor er es in den Pokéball zurückschickte. “Ich werde dann auch wieder aufbrechen, meine Freunde warten auf mich.”
“Wir wünschen dir viel Glück bei der Aufzucht und viel Erfolg mit Glaziola und solltest du auf deiner Reise unsere Enkelin sehen, sag ihr, sie kann sich ruhig häufiger melden.”
Sven bedankte sich bei den Pensionsbetreibern und verabschiedete sich, versprach natürlich auch, die Nachricht auszurichten, wobei er bezweifelte, dass er sie treffen würde. Danach machte er sich auf den Weg zurück zu seinen Freunden.