Hallo. Ich weiss nicht recht, was ich mit meinen Gefuehlen anfangen soll. Ich rede mit meinem Freund darueber, und mit meiner Mutter, auch manchmal mit meiner Schwester, aber im Endeffekt kann ich meine Gefuehle nicht ueberwinden.
Ich werde versuchen, nur die wichtigsten Stichpunkte aufzulisten, um jedem, der gewillt ist, das hier zu lesen, einen Ueberblick auf die Situation zu verschaffnen. Ich suche nicht direkt Mitleid oder gar Sympathie, ich moechte nur meine Erfahrungen teilen, in der Hoffnung, dass es mir einen Teil der Last nimmt.
Also, wo fange ich am besten an .... vielleicht hier. Ich bin jetzt, im Oktober 2018, 22 Jahre alt geworden. Vor 6 Jahren, im August 2012, ist meine Familie vollends nach Kanada gezogen. Die Idee kam alleine von meinem Vater aus. Was ich bisher ueber ihn von meiner Mutter erfahren habe.... dafuer fehlen mir die Worte. Ich weiss nicht, ob es meine Situation einfacher oder schlechter macht. Von Anfang an, seit dem Moment, als meine Eltern sich begegnet sind, hat er meine Mutter belogen. Er hat ihr vorgegaukelt, Italiener zu sein, turns out, er ist aus Polen nach Deutschland gefluechtet, weil er dort wegen Schmugglen gesucht wurde. Das hat meine Mutter natuerlich nicht gewusst, als sie sich auf ihn eingelassen hat. Auch viel spaeter, nachdem meine juengere Schwester und ich schon geboren waren, hat sie herausgefunden, dass mein Vater eine Familie mit 2 Kindern in Polen sitzengelassen hat, und nie Unterhalt an sie gezahlt hat, nachdem er nach Deutschland gefluechtet war. Eine andere Schweinsgeschichte ist, dass er sie auf einem Urlaubstrip nach Paris, mit mir als Saeugling, einfach im Hotel ohne Geld zurueckgelassen hat, und nichts von sich hoeren liess. Meine Mutter hat dann ihre beste Freundin in Deutschland anrufen muessen, und die hat sie und mich dann abgeholt, und auch alle Rechnungen fuer uns gezahlt. Tage spaeter klingelt es bei meiner Mutter an der Tuer, die sich unglaubliche Sorgen um die Zukunft macht, weil sie jetzt ohne Geld und ohne Mann mit einem Kind da sass. Ich weiss nicht mehr genau wer, aber die Leute an der Tuer meinten, mein Vater braeuchte Hilfe, weil er in Haft sitzt. Er braeuchte Geld, um rauszukommen. Oder irgendwie sowas, ich kann mich im Moment an keine Details erinnern. Eine weitere irrsinnige Geschichte ist, dass er, als er mal alleine in Frankreich stationiert war, auch dort ein Kind gezeugt und einfach sitzengelassen hat. Desweiteren hat er, waehrend er mit meiner Mutter verheiratet und zusammen in Deutschland mit uns Kindern gelebt hat, immer irgendwen verklagen wollen, also musste meine Mutter sich immer mit Anwaelten rumschlagen, und nie war mein Vater im Recht. Und er hat um die 20 000 Euro Schulden gemacht, und sie bis zu dem Tag, als er nach Kanada gezogen ist, nicht abgezahlt.
Jetzt habt ihr ein Bild davon, was mein Vater fuer ein Mensch ist. Man fragt sich vielleicht, so wie ich, warum meine Mutter sich nicht spaetestens nach der Parisgeschichte, von ihm getrennt hat. Sie hatte Angst. Obwohl ihre Freunde ihr versicherten, ihr zur Seite zu stehen, hatte sie zu viel Angst. Sie war etwas aelter, als ich als Aelteste auf die Welt kam, sie hatte keine enge, liebevolle Familie, die ihr haette helfen koennen, und sie hat eine Muskelkrankheit, von der niemand damals wusste, wie schwer sie sein wird. Also ich verstehe, warum sie sich nicht getraut hat, mich alleine grosszuziehen. Dennoch wuenscht sich ein Teil von mir, sie haette es getan.
Auch mit dem Wissen, was mein Vater alles angerichtet hat, wie er meine Mutter belogen und ihr das Leben schwergemacht hat, kann ich ihm das alles nicht vorhalten, weil ich als Kind ahnungslos und liebevoll mit meinem liebevollen Papa aufgewachsen bin. Mir steigen alleine beim Schreiben die Traenen in die Augen, weil ich diesen Vater so vermisse. Das Schlimmste ist, er hat nie so existiert, wie ich ihn als Kind gesehen habe. Das macht mich unglaublich traurig und hilflos. Verloren.
Also, da ihr jetzt wisst, welche Art von Mensch mein Vater ist, und dass meine Mutter meine Schwester und mich immer vor den schlechten Dingen beschuetzt hat, fahre ich jetzt mit der Einwanderungsgeschichte nach Kanada fort.
Wie gesagt, meine Mutter, meine Schwester und ich, sind meinem Vater, der schon 2010 ausgewandert war,im August 2012 nach Kanada gefolgt. Wir mussten unsere Schule, unsere Freunde, unsere Familie, unsere Wohnung, unsere Heimat, auch unsere Katze zuruecklassen. Fuer immer. Ich weiss nicht ob es viele Leute hier gibt, die dieses Gefuehl nachvollziehen koennen. Dir wird alles, ALLES, was du kennst, weggenommen. Ich war zu dem Zeitpunkt 15 Jahre alt, meine Schwester 14. Das schlimmste Teenageralter.
Es war einfach grauenhaft. Ich hatte noch 3 Jahre high school vor mir, meine Schwester 4, und die ganze Zeit waren wir depressiv. Wir haben die Schule in Kanada gehasst. Es viel uns unglaublich schwer, in eine Gruppe reinzupassen, die man Freunde nennen konnte. Und jetzt, nachdem ich schon ein paar Jahre aus der Schule bin, ist natuerlich keiner davon uebrig. Und das Leben Zuhause war auch schrecklich. So schrecklich, dass ich oft nach der verhassten Schule, nicht in mein gefuerchtetes Zuhause zurueck wollte. Ich liebe meine Mutter ueber alles, und es tat und tut mir auch jetzt noch unglaublich Leid fuer sie, dass sie sich gezwungen fuehlte (wegen den Schulden, die mein Vater in Deutschland hat), mit uns nach Kanada zu ziehen. Sie hat alles verloren. Sie konnte nie in Kanada arbeiten, wegen ihrer Muskelkrankheit, und sie kann auch kein Auto fahren. Sie war praktisch Zuhause eingeschlossen. Es war okay, nach der Schule nach Hause zu kommen, wenn mein Vater noch nicht Zuhause war. Ich hab mich immer davor gefuerchtet, dass er abends von der Arbeit zurueck kam. Er hatte sich naemlich innerhalb der 2 Jahre, die er alleine in Kanada war, sehr veraendert. Tief im Innern weiss ich, dass wir alle 3 eine Art Angst vor ihm hatten. Seine normalen Wutausbrueche waren schon schlimm genug, aber dann hat er auch noch das Trinken angefangen. Ich nehme an, nach Kanada zu ziehen war nicht so einfach wie er sich das vorgestellt hatte, und es hat genau das Gegenteil von Familienglueck gebracht. Er fing an, meine Mutter sehr niederlassend zu behandeln, weil sie nicht arbeiten ging. Erstens konnte sie gar nicht, und zweitens hatte mein Vater ihr versprochen, dass sie in Kanada nicht arbeiten gehen muesste, damit ihr das Leben leichter faellt. So viel dazu, alles in allem hatten wir Angst vor unserem Vater, und das Leben Zuhause war beschissen, aber wir waren finaziell von ihm abhaengig. Mein Vater hat versucht, uns mit materiellen Dingen gluecklich zu machen, unter anderem haben wir wieder Katzen bekommen (das wird spaeter noch wichtig), aber das hat natuerlich nicht funktioniert. Im Gegenteil, ich hab mich sehr ungeliebt und zur Seite geschoben gefuehlt.
Spulen wir vor zu dem Herbst, 2016, in dem sowohl ich als auch meine Schwester unseren Abschluss hatten. Ich war 2015 fertig mit der Schule, aber noch viel ungluecklicher als vorher, weil ich zu dem Zeitpunkt weder ein student noch ein working visa von der kanadischen Regierung bekam. Mein Wunsch war eigentlich, nach der high school zur Uni zu gehen. Aber daraus wurde bis heute nichts. Somit sass ich, wie meine Mutter, mittellos Zuhause rum. Im Nachhinein sehe ich ein, dass ich in diesem Jahr sehr viel Zeit mit meiner Mutter haette verbringen sollen, und auch jetzt weine ich, weil es mir so Leid tut, dass ich es nicht getan habe. Aber ich war einfach so depressiv mit 18 Jahren, dass ich mich nur zurueckgezogen habe.
Jedenfalls haben wir im Herbst 2016 ein Dokument bekommen, das mir und meiner Schwester endlich erlaubte, einen Nebenjob anzufangen. Aber es hat sehr lange gedauert, bis wir beide etwas gefunden hatten. In der Zwischenzeit, einen Monat nachdem wir dieses Dokument bekommen hatten, hat mein Vater seinen Job verloren. Er konnte noch nie einen Job lange behalten, aber das war das erste Mal, dass es die komplette Familie in Verzweiflung stuerzte. Er behauptete nach einer Weile, dass er in der Stadt, in der wir wohnen, keinen neuen Job finden koenne. Aber in Vancouver haette er ein neues Angebot. Das gab uns als Familie einen Hoffnungsschimmer. Ich wollte dort sowieso studieren, Vancouver ist ein wunderschoener Ort, eine neue Stadt wuerde vielleicht einen neuen, guten Anfang fuer uns als Familie bedeuten. Aber das ist nie passiert.
Wie beim ersten Mal, als er vor uns dreien nach Kanada gezogen war, hatte er auch dieses Mal nur zwei Koffer gepackt, und ist weggezogen, um uns eine neue Zukunft in der neuen Stadt aufzubauen. Waehrenddessen arbeiteten meine Schwester und ich bei unseren jeweiligen Jobs, und versuchten damit, alle Rechnungen zu zahlen. Wir hatten taeglich mit unserem Vater Kontakt, und er hat uns auch ab und zu Geld geschickt, um uns zu helfen. Und drei Monate, nachdem er weggezogen war, hoerten die Telefonate und die finanzielle Unterstuetzung von ihm auf. Bald fanden wir raus, dass er meine Mutter betrogen, und uns als Familie komplett im Stich gelassen hat. Er hat in Vancouver eine neue Freundin, und lebt jetzt alleine das Leben, das er uns als Familie versprochen hatte. Ich kann einfach nicht glauben, dass mein Vater sowas getan hat. Es ist so traurig, weil ich ihn bis heute noch als liebevollen Papa in Erinnerung habe.
Nachdem wir das erfahren hatten, war unsere erste Sorge, aus dem teuren Haus auszuziehen, in dem wir zu dem Zeitpunkt lebten. Das hiess auch, 2 unserer 3 Katzen abzugeben. Und um ehrlich zu sein, bereitet mir das am meisten Kummer. Wir wollten sie nicht wieder ins Tierheim geben, also hatte ich privat jemanden gefunden, der behauptete, er haette das perfekte Zuhause fuer meine geliebten Tiere, etwas ausserhalb der Stadt. Also liesen wir die Person unsere 2 aktivsten Katzen abholen. Was die Person uns aber nicht gesagt hatte, war, dass sie komplett am Arsch der Welt lebt, mit einem Garten ohne Zaun, und dass Katzen regelmaessig verschwinden, wahrscheinlich von Koyoten gejagt. Und genau das ist meinen Katzen passiert. Ich gebe mir die Schuld, die Person, die mir nicht die ganze Wahrheit erzaehlt hat, und meinem Vater, der an der ganzen beschissenen Situation Schuld ist....
Im ersten Jahr, nachdem mein Vater uns verlassen hat, lebten wir in einer sehr beschissenen Wohnung. Das ist eine Geschichte an sich.
Und jetzt, fast 2 Jahre nachdem er uns sitzengelassen hat, wohnen wir in einer sehr schoenen Wohnung, aber weder meine Schwester noch ich koennen im Moment zur Schule, weil wir Vollzeit arbeiten muessen, ich arbeite mit meiner Mutter an der Scheidung, und ich trauere immer noch meinen geliebten Katzen nach....
Das wars. Alles ist sehr durcheinander. Aber nachdem ich all dies aufgeschrieben und so viel zwischendrin geweint habe, kann ich nicht mehr.
Wahrscheinlich sollte ich zu einen Therapeuten....