„Flurmel sind kleine pinkfarbene Pokémon, die wenn sie sich bedroht oder ängstlich fühlen, einen lautstarken Spektakel veranstalten. Es kann durchaus passieren, dass aufgrund ihrer Schallwellen der Tunnel einstürzt. Zudem ist es sehr schwer diese kleinen Monster wieder zu beruhigen“, erklärte Sarah, als sie sein verwirrtes Gesicht bemerkte. Danach ging sie auf den Vorschlag des anderen Jungen ein und erklärte, dass es wohl tatsächlich besser war, die Gefahr durch die Flurmel in Kauf zu nehmen und möglichst schnell durch den Tunnel hindurch zu kommen. „Ich schlage vor wir treffen uns draußen in der Nähe des Ausgangs und seid vorsichtig. Wir wissen nicht was uns da draußen erwartet.“, fügte sie schnell hinzu.
Das klang soweit sinnvoll, allerdings hätte Jan jetzt gerne noch den Vorschlag gemacht, dass man vielleicht ein paar Flugpokémon voraus schicken könnte, die die Gegend beim Ausgang des Tunnels erkunden und absichern könnten. Bevor er jedoch dazu kam, das anzusprechen, war sie allerdings bereits los gelaufen, und die anderen Mitglieder der Gruppe hatten auch nicht gezögert und waren ihr gefolgt. Weil er nicht alleine zurück bleiben und womöglich noch verschüttet werden wollte, sagte er einmal kurz: „Lauf, Feurigel“ und folgte den Kameraden.
Tatsächlich wachten die Flurmel wirklich nach einiger Zeit auf und machten einen derartigen Krach, dass die Wände zitterten und erst kleinere Steine, später dann aber auch große Felsbrocken von der Decke herab fielen. Gerne hätte sich der Mentalist die Ohren zu gehalten, aber das ging nicht, weil er seine Hände brauchte, um damit nach dem Weg zu tasten. Seinem Feurigel setzte der Lärm auch zu, so dass es mit den gelegentlichen aus seinem Mund geblasenen Flammen aufhörte und statt dessen versuchte, etwas schneller durch den Tunnel zu laufen. Jan konnte sich zwar immer noch an dem kleinen Flämmchen am Schwanzende des Feuerpokémons orientieren, aber das reichte gerade aus, um ihm zu zeigen, in welche Richtung er laufen musste, aber nicht um die Felsbrocken im Tunnel rechtzeitig zu sehen.
Je weiter er durch den einstürzenden Tunnel lief, desto sicherer wurde er, dass er hier verschüttet werden würde. Das Erdreich bröckelte um ihn herum von der Decke herunter, und ein paar Mal landeten dickere Erdbrocken auf ihm, aber er schaffte es doch, sich da wieder heraus zu zwängen und weiter zu rennen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde es im Tunnel endlich etwas heller, gleichzeitig schien das Erdreich hier durch Baumwurzeln etwas stabiler zu sein, und wenn Jans von dem Lärm betäubten Ohren ihn nicht täuschten, schien auch der Lärm durch die Flurmel nachzulassen. Tatsächlich hatten die Pokémontrainer das Ende erreicht und traten nun ins Freie. Als Jan sich um guckte, bemerkte er, dass der Eingang zum Tunnel hier mit zwei in einander verwachsenen Sträuchern sehr gut versteckt war.
Unsicher, in welche Richtung sie weiter laufen sollten, blieben sie erst einmal stehen, bis Sarah ihnen auf einmal flüsternd mitteilte, dass sie das Meer hörte. Anscheinend hatte sie als erste in der Gruppe weniger Lärm abbekommen, oder ihre jüngeren Ohren hatten sich schneller wieder erholt, denn zumindest der zweiundzwanzig Jahre alte Mentalist hatte immer noch das Gefühl, dass seine Ohren von dem Lärm betäubt waren. Er folgte ihr, wobei er sich an ihrem Verhalten ein Beispiel nahm und sich auch bemühte, hinter Baumstämmen und Sträuchern Deckung zu suchen.
Tatsächlich hatte sie Recht gehabt, denn als sich auch Jans Ohren wieder erholt hatten, konnte auch er klar die Brandung des Meeres ausmachen. Leider hatten sie nun wohl auch den Waldrand erreicht, denn die Bäume wurden immer spärlicher, und es dauerte auch gar nicht lange, bis sie von einer Gruppe von Männern mit Taschenlampen entdeckt wurden. „He he wir wussten dass ihr entlang kommen musstet. Wie ein Geradaks seid ihr schnurgerade in unsere Falle gegangen. Das Geld ist uns so gut wie sicher. Los kommt alle brav mit und euch wird nichts geschehen“, verkündete einer von ihnen. Aber Sarah hatte wohl bemerkt, dass die Typen Pokébälle dabei hatten. Sie forderte sie zu einem Kampf auf. Falls die Männer gewinnen würden, würde die Gruppe freiwillig mitkommen, ansonsten sollten die Männer sie laufen lassen.
„Na, ob das so eine gute Idee ist?“, fragte Jan sich. Zumindest er war sich sicher, dass er in so einem Kampf verlieren würde, denn Plinfa und Taubsi waren noch von dem Arenakampf erschöpft, und das Feurigel sah nach der Flucht durch den Tunnel auch mitgenommen aus.
Aber bevor er lange überlegen konnte, trat einer der Männer an ihn heran. „Du siehst doch so aus, als ob du schon reichlich Erfahrung hast“, behauptete er. „Oder hast du die ganzen Jahre nur auf der faulen Haut gelegen? Dann wird das umso leichter für mich.“ Er griff nach einem Pokéball, zögerte aber noch kurz: „Los, ruf dein Pokémon“
„Feurigel, meinst du, dass du noch genügend Kraft für einen Kampf hast?“, wandte sich der Mentalist an sein Feuerpokémon. Falls sein Gegner nicht blöffte, würde er wohl tatsächlich keine Chance haben, denn der Mann konnte ja nicht wissen, dass Jan fernab von Pokémonkämpfen in einem Waisenhaus aufgewachsen war und danach noch einige Jahre auf einem Frachtschiff gearbeitet hatte. „Feuri... Feu?“, wiegelte das angesprochene Pokémon ab.
„So wird das nichts“, mischte sich der Gegner in das Gespräch ein. „Ein Pokémon muss auf Befehle gehorchen, eine eigene Meinung braucht es nicht. Damit habe ich so gut wie gewonnen.“ Murmelnd fügte er noch hinzu: „Und dafür reicht eigentlich...“ Er steckte den Pokéball wieder zurück, holte einen anderen hervor und rief: „Komm raus, Reptain!“
Tatsächlich konnte Jan mit diesem Namen nichts anfangen, aber wenn ihm die grüne Farbe und das ganze Auftreten nicht täuschte, musste es sich dabei um ein Pflanzenpokémon handeln - und damit hätte Feurigel einen Typenvorteil. Also schickte er es mit einem „Das schaffst du schon“ in den Kampf.
Der fremde Mann hatte nur darauf gewartet, dass das Feuerpokémon hervor trat. „Fang gleich als erstes mit einem Ruckzuckhieb an!“, rief er seinem Pflanzenpokémon zu. Jan rief zwar noch „Weich aus!“, aber das Reptain war zu schnell. Feurigel wurde voll getroffen und schien kaum in der Lage, weiter zu kämpfen. „Ich hätte gedacht, dass ein Feurigel mehr aushält“, verkündete der Fremde und gab gleich den nächsten Befehl: „Pfund! Ich denke, das reicht aus.“ - „Versuch noch einmal auszuweichen, und dann Rauchwolke!“, rief Jan. Dieses Mal war das Feurigel schnell genug. Die Pfund-Attacke ging also ins Leere, und durch den Rauch würde es für das Pflanzenpokémon schwieriger, den Gegner genau zu treffen. Erneut befahl der Fremde einen Ruckzuckhieb, aber dieses Mal ließ Jan das Feurigel mit einer Glut-Attacke kontern. Jetzt zeigte sich, dass der vermutete Typenvorteil tatsächlich vorhanden war, denn das Reptain wurde von der Glut stärker getroffen als Jan es bei dem erschöpften Feuerpokémon erwartet hätte. Aber der Mentalist ließ sich nicht viel Zeit, sondern ließ das Feurigel gleich einen Ruckzuckhieb ausführen. Auch hiervon wurde das Reptain getroffen, aber als der Gegner dieses daraufhin mit einer Zornklinge angreifen ließ, ging Jans Pokémon zu Boden und konnte nicht mehr weiter kämpfen. „Ich hab‘s doch gesagt. Wenn du dein Pokémon falsch erziehst, gehorcht es dir in einem Kampf nicht schnell genug“
Jan war allerdings klar, dass sich sein Feurigel unter den gegebenen Umständen gut geschlagen hatte - der Kampf wäre anders gelaufen, wenn es nicht nach dem Weg durch den Tunnel erschöpft gewesen wäre. Trotzdem wollte er diese Behauptung nicht einfach so stehen lassen: „Ein Pokémon kann auch gewinnen ohne jeden Befehl wortwörtlich zu befolgen“, behauptete er. Er griff in seine Tasche und ließ das Taubsi erscheinen. „Ich weiß, dass du dich noch nicht richtig erholt hast, aber das lässt sich jetzt nicht ändern. Du wirst in einem Kampf gebraucht“, erklärte er dem Flugpokémon. Mit einem „Taub“ hob das Taubsi vom Boden ab. Nachdem es sich einmal kurz umgesehen hatte, fragte es kurz „Taubsi?“ - „Richtig“, bestätigte der Mentalist, worauf das Pokémon ein paar mal kräftig mit den Flügeln schlug - und so einen kräftigen Windstoß auf das Reptain schleuderte. Dabei wurde zwar der von dem Feurigel erzeugte Rauch weg geblasen, aber das Pflanzenpokémon ging zu Boden. Es rappelte sich jedoch kurz darauf wieder auf. Setz Ruckzuckhieb ein, rief der fremde Mann, und Jan antwortete: „Wehr die Attacke mit auch einem Ruckzuckhieb ab“ Während das Reptain den Befehl ausführte, dachte das Taubsi gar nicht daran zu gehorchen. Es wich aus, wobei es mit den Füßen so stark auftampelte, dass sich ein regelrechter Sandwirbel bildete. Erst danach ging das Taubsi zu dem Ruckzuckhieb über. Das Reptain wurde voll getroffen und rappelte sich dieses Mal nicht wieder auf.
„Komm Zurück“, rief sein Trainer, um danach den ersten Pokéball hervor zu holen und ein Flugpokémon mit blau-rot-weiß gemischten Gefieder zu rufen. „Los, Schwalbini, zeig denen mal, was es heißt, einen Befehl auszuführen. Ruckzuckhieb!“ - „Weich aus, und dann eine Tackle-Attacke “, empfahl der Mentalist seinem Taubsi, aber dieses hatte sich bereits einen Sekundenbruchteil vorher entschieden, den Angriff ebenfalls mit einem Ruckzuckhieb abzufangen. Weil das Schwalbini stärker und das Taubsi noch von dem Arenakampf und dem Kampf gegen das Reptain ermüdet war, konnte es den Angriff nicht komplett abfangen und taumelte erst einmal etwas, setzte dann aber völlig unerwartet zu einer Tackle-Attacke an, mit der weder der fremde Trainer noch das Schwalbini gerechnet hatten. „Jetzt heißt es schnell sein, bevor der Gegner seine Überraschung überwinden kann“, überlegte Jan und rief: „Gut so. Jetzt noch einmal Sandwirbel und dann einen Ruckzuckhieb.“ Während das Taubsi erneut den Sand aufwirbelte, fragte der fremde Mann: „Was ist gut daran, wenn dein Pokémon dir nicht gehorcht und macht, was es will? Setz’ Energiefokus ein und wehr’ den Ruckzuckhieb mit einem Flügelschlag ab. Danach eine Schnabel-Attacke!“ Leider liefen diese Attacken nicht so gut wie von Jan erhofft. Das Taubsi konnte dem durch den Energiefokus verstärkten Flügelschlag gerade noch standhalten, und die Schnabelattacke brachte es endgültig zu Boden. Es konnte nicht mehr weiter kämpfen.
Für Jan bedeutete dies eine schwere Entscheidung. Eigentlich hatte er das Plinfa zumindest in diesem dritten Kampf schonen wollen. Sollte er also aufgeben? Nein, das kam nicht in Frage. Schweren Herzens griff er noch einmal in seine Tasche, und während sich sein Wasserpokémon materialisierte, raunte er ihm ein „Setz gleich als erstes einen Heuler ein“ zu. Weil das Plinfa umgehend reagierte ging dies dem Fremden anscheinend etwas zu schnell, und der von dem kleinen flugunfähigen Vogel ausgestoßene Schrei betäubte dessen Ohren und die des Schwalbinis. Bevor die beiden ihre Überraschung überwinden konnten, murmelte Jan: „Schnabel-Attacke, und dann eine Blubber-Attacke!“ Auch dieses Mal reagierte sein Pokémon sofort. Mit der Schnabelattacke konnte es dem Schwalbini zusetzen, aber bevor es die zweite Attacke ausführen konnte, rief der Gegenüber: „Weich nach oben aus!“ Das Flugpokémon wurde zwar noch von den vielen kleinen Wassertropfen getroffen, aber durch den größer werdenden Abstand verringerte sich der dadurch verursachte Schaden. „Gut so. Bleib eine Weile da oben und dann einen Flügelschlag!“ - „Mach dich bereit für eine weitere Schnabelattacke“, stellte Jan einen Gegenplan auf, während er den Flug des Schwalbinis beobachtete. Als es an Höhe verlor, rief er nur kurz: „Jetzt!“ Kurz darauf prallten der rechte Flügel des Schwalbinis und Plinfas Schnabel aufeinander. Das Plinfa wurde durch den Wucht des Aufpralls kräftig durchgeschüttelt, aber auch das Schwalbini schien durch den entstandenen Schmerz im Flügel geschwächt zu sein. Jetzt reagierten beide Trainer fast gleich schnell: „Schnabel-Attacke!“ - „Blubber!“ Der Effekt war, dass die beiden Pokémon gleichzeitig angriffen. Schwalbinis Schnabel kam allerdings nicht durch die Blubberattacke hindurch, so dass das Plinfa schneller bereit für den nächsten Angriff war: „Setz eine Schnabel-Attacke auf den anderen Flügel ein!“ Der fremde Trainer rief zwar noch: „Weich nach oben aus!“, aber das Schwalbini reagierte zu langsam. Durch den Schmerz im rechten Schnabel hatte es die Flügel etwas langsamer als normal für das Abheben ausgebreitet, und das hatte das Plinfa ausgenutzt, um nun auch den linken Flügel anzugreifen. Voller Schmerzen stöhnte das Flugpokémon auf, und als das Plinfa auf Jans Befehl mit einer weiteren Blubberattacke angriff, ging es zu Boden und konnte nicht mehr weiter kämpfen.
„Drei gegen zwei ist zwar unfair, aber du hast trotzdem gewonnen. Ich hab kein drittes Pokémon“, erklärte der unterlegene Trainer. „Meine Pokémon waren von ein paar Kämpfen eigentlich zu erschöpft um zu kämpfen, das gleicht die ungleiche Anzahl wieder aus“, antwortete Jan.
Danach wandte er sich an das Plinfa und das Feurigel: „Ich nehme euch jetzt einmal in die Pokébälle, damit ihr euch besser erholen könnt.“ Nachdem die beiden verschwunden waren, sah er sich nach seinem Taubsi um. Dieses hatte sich wohl inzwischen wieder etwas erholt und war etwas weiter zu einem kleinen Felsen gelaufen. Anscheinend hatte es dort etwas entdeckt. Weil gerade in diesem Moment die Sonne aufging, konnte der Mentalist erkennen, dass sich zwischen den Bäumen und dem Felsen ein Mädchen und ein kleines hundeartiges Pokémon versteckten. „Sind das nicht ...?“, murmelte er und trat näher an die beiden heran. Tatsächlich, es war Flora, und das Pokémon war genau das Fiffyen, gegen das Plinfa am Morgen - oder sollte man inzwischen vielleicht besser sagen: gestern? - gekämpft hatte. Der zweiundzwanzig Jahre alte Mentalist mit der Brandnarbe im Gesicht trat an das Mädchen heran und sprach sie an: „So ein Zufall! Das wir uns gerade hier erneut über den Weg laufen!“