Beiträge von Espeon

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“

    Gerade als Leira ihr Handtuch im Dunkeln entdeckt und aufgehoben hatte, erklang eine inzwischen nur allzu bekannte Stimme hinter ihr. „A little late-night-swim, huh? Normalerweise tut man sowas doch nur in RomComs oder Slasher-Filmen, oder? Du kannst froh sein, dass ich nicht der Typ von vorhin bin.“
    “Äh, was?”, gab sie ein wenig perplex zurück, da sie keine Ahnung hatte wovon er redete. Allerdings war sie wirklich ein wenig froh dass es sich nicht um Nic handelte, auch wenn sie die Alternative gerade nicht viel besser fand. “Nein, ich hatte nicht vor noch schwimmen zu gehen, ich wollte nur… ach, egal.” Was ging es ihn an? Genau, nichts.
    Ihr fiel auf, dass er wieder überraschend freundlich wirkte. Sie begann sich schon zu fragen ob er wohl irgendwas wollte, als sich das Rätsel auch schon auflöste und er sich bei ihr bedankte. Als er fertig war, winkte sie ab. “Ach, keine große Sache. Ich sehs nicht gern wenn Leute sich wegen so Kleinigkeiten schlagen.” Ihr Tonfall wurde eine Spur ernster. “Aber du hast recht, es war dumm, und du solltest das nicht wieder machen. Leute wie Nic verstehen da keinen Spaß. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass du das nicht wusstest! Warum legst du’s also drauf an dich von ihm schlagen zu lassen? Masochismus? Wenn ja, dann sags gleich, dann spar ich mir die Mühe nächstes Mal”, fügte sie sarkastisch hinzu. “Ansonsten hoffe ich für dich, dass es kein nächstes Mal geben wird. Pass besser auf mit wem du dich anlegst.”
    Leira wusste selbst nicht, warum sie sich eigentlich so aufregte. Im Prinzip konnte es ihr vollkommen egal sein ob sich Lewis von den anderen Schläge einhandelte oder nicht. Aber irgendwie… sie wollte nicht dass die anderen Jugendlichen sich bekriegten. Sie hatten viel ernstere Probleme und wenn die Konflikte zwischen ihnen zu groß wurden, hatten sie nächstes Mal vielleicht nicht mehr so viel Glück wenn sie wieder auf den wahren Feind trafen. Aber sie konnte nicht immer dabei sein und dazwischen gehen, daher mussten auch die anderen etwas Vernunft lernen.

    Leira war milde erstaunt dass Lewis absolut nichts erwiderte, das war doch ziemlich untypisch. Anderen gab er auf jeden einzelnen Satz Kontra und zu ihr sagte er einfach mal gar nichts. Vermutlich bin ich nicht gefährlich genug um mich zu ärgern, oder wie?
    Letztendlich war es ihr egal, sie war nur verwundert. Ihre Aufmerksamkeit wurde jedoch schnell von Lewis abgezogen, da Nic mit ihr redete. Inzwischen wirkte er wieder recht normal, doch Leira blieb weiter wachsam. Es war unerwartet dass er einfach nur einen Kommentar zu ihrer Fähigkeit machte. Sie hatte schon befürchtet die nächste Zielscheibe zu werden, nachdem Lewis ja erfolgreich entkommen war. Immerhin hätte man ihr Eingreifen auch als Angriff interpretieren können, schließlich hatte sie ihn mit ihrer Fähigkeit verletzt, auf eine passive, ein wenig listige Art wie es ihrer unsichtbaren Fähigkeit nunmal zu eigen war. Für eine Warnung hatte die Zeit nicht gereicht.


    Dass er jedoch vorhatte sie zu testen, passte ihr gar nicht. Nein, diese Formulierung war noch untertrieben, es gefiel ihr ganz und gar nicht! Aus ihrer Sicht hörte es sich klar so an, als ob er ihre Schwächen aufdecken wollte. Wut und Furcht mischten sich in ihr. Will er herausfinden wie er mich besiegen kann oder warum diese Frage? Wenn sie nur daran dachte gegen ihn kämpfen zu müssen, liefen ihr kalte Schauer über den Rücken. Nein, darauf konnte sie gern verzichten. Und sie hatte definitiv nicht vor, irgendwen hier versuchen zu lassen durch ihre Verteidigung zu brechen. Sie verließ sich auf diese Art von Schutz, alles was darüber bekannt wurde gefährdete ihre Sicherheit, wenn nicht ihr Leben! Über eine Fähigkeit wie diese bewahrte man seine Geheimnisse, wenn man nicht wollte dass sie nutzlos wurde. Wenn er vorhatte mit seiner Fähigkeit dagegen zu gehen, hatte Leira ohnehin schon verloren. Aber auch das musste er ja nicht wissen, oder?
    Noch während Nic ihr in die Augen sah, kniff sie ihre kaum merklich zusammen. “Ich werde mich von niemandem hier auf meine Schwächen ‘testen’ lassen”, erwiderte sie fest, auch wenn sie die Arme verschränken musste um das leichte Zittern aus Wut und Angst zu unterdrücken, welches sie überkommen hatte. Für Nic mochte das wie ein Spiel sein, nur ein Rätsel, das es zu lösen und ein Hindernis, dass es zu brechen galt. Aber für Leira ging es hier um ihre Fähigkeit, und damit um einen Teil von ihr. Das war nicht nur eine Wand, das war ihr wichtigster Verteidigungsmechanismus. Und den würde sie von niemandem aushöhlen lassen. Es mochte ja mit den Erleuchteten anders sein als mit Menschen, aber sie vertraute keinem von ihnen dermaßen dass sie so etwas zulassen würde.


    Plötzlich begann Alicia zu reden, von wegen sie könnten reingehen und es gäbe ein kaltes Abendessen. Jedoch sprach sie auf einmal Leira direkt an: „Und danke für deine Hilfe. Mich würde aber brennend interessieren, was du meintest, als du sagtest, du hättest gesehen, wie ein Mensch zum Monster wurde.“
    Leira erstarrte. In ihrem Kopf spulte sich das noch einmal ab was sie zu den Jungs gesagt hatte. Verdammt! Sie hatte in diesem Moment Alicia vollkommen vergessen gehabt, wie hatte ihr das nur passieren können? “Ich… ich… kann dazu nichts sagen”, brachte sie raus und verschwand dann blitzschnell aus Alicias Reichweite in Richtung Pool. Dort hatte sie nämlich noch ihr Handtuch liegen gelassen und sie war ein ordentlicher Mensch.

    Leira war es relativ egal was oder wie Lewis mit der Anstaltsleitung redete, seinem Vorschlag, besser drinnen weiterzureden stimmte sie dafür vollends zu. Ihr war kalt und sie hatte Hunger. Und definitiv keine Lust hier länger als nötig rumzustehen und Alicia irgendwelche Erklärungen abzugeben. Hatte das nicht bis morgen Zeit? Sollte ihr doch jemand anderes das ganze erklären, sie wollte nur noch in ihr Bett…
    Allerdings machte Nic den Fehler, auf Lewis’ Ausführungen einzugehen. Das hatte sich Leira bereits abgewöhnt. “Einfach ignorieren” hieß da die Devise, wobei sie schon fand, dass er diesmal gar nicht so nervig wie sonst gewesen war. Zumindest hatte er gar nicht zwei Sprachen gemischt, und das kam relativ selten vor. Dass Nic dann noch den Militärheini als “unbrauchbar” bezeichnete fand sie ziemlich frech - vor allem da er, wie auch sie und viele andere immerhin schon zweimal gegen Bestien gekämpft und überlebt hatten, was Nic ja nicht gerade von sich behaupten konnte. Außerdem hatte sie in Gedanken Samuel spätestens seit der Aktion mit Marikas Waffe als “potenziell gefährlich” einkategorisiert, jemand, wo man sich besser vorsichtig verhalten sollte. Andererseits, Nic kam inzwischen in die Kategorie “potenziell verrückt”, von daher wunderte es sie nicht, dass er nicht zu dem gleichen Schluss wie sie gekommen war. Andererseits schien Nic zusätzlich in die gleiche Kategorie wie Samuel zu gehören, er hatte sich bereits ein paar mal auf eine Weise verhalten, wonach Leira sich gedacht hatte dass sie besser Abstand von ihm hielt.
    Und Lewis konnte man eindeutig als “potenziell dumm” kategorisieren, nachdem er auf Nics Provokationen auch noch voll einstieg. Was sie allerdings interessant zu beobachten fand, obwohl Nic und Lewis so unterschiedlich waren und sich so sehr hassten, waren sie in einer Sache doch wieder ähnlich. Beide neigten dazu, falsche Gefühle zu zeigen, insbesondere diese übertriebene Freundlichkeit. Das war etwas, bei dem es Leira echt hoch kam wenn sie zu lange zuschaute.


    Nic schloss mit einer Drohung, von der Leira merkte dass sie absolut ernst gemeint war, aber Lewis schien zu viel Spaß daran zu haben, andere bis an ihre Ertragensgrenze zu provozieren - etwas, was wie schon festgestellt nicht gerade von Intelligenz zeugte, gerade wenn man vom schmächtigen Typ war und auch noch keine geeigneten Fähigkeiten oder Waffen besaß um sich zu verteidigen. Und Lewis wusste eindeutig nicht, wann es genug war, und dass obwohl er doch angeblich Emotionen lesen konnte. Also was das anging, gab sich Leira in dieser Situation die bessere Note. Nicht schlecht für jemanden ohne diese Fähigkeit oder?, dachte sie leicht amüsiert.
    Jedoch wusste sie in dem Moment, dass ihre Progonosen sich bewahrheiten würden, als Nic Marika absetzte. Na, Lewis, was macht der große Manipulationskünstler jetzt? Zum zurückrudern war es nun eindeutig zu spät. Noch während Nic mit Lewis redete rang Leira mit sich. Sie wusste genau was folgen würde, das war unübersehbar. Sollte sie der Nervensäge helfen oder sie lieber mal lernen lassen dass man wenn man schon gerne andere ärgerte, besser einschätzen können sollte, wer es hinnehmen und wer handgreiflich werden würde?
    Unruhig schweifte ihr Blick zwischen Nic und Lewis hin und her, während sich bereits eine Wand zwischen den beiden aufbaute. Hoffentlich würden ihr es die anderen nicht übel nehmen und sie plötzlich als Lewis-Verbündete sehen. Das war sie sicher nicht. Es war einfach nur sehr spät und sie wollte nicht dass sich hier noch eine Schlägerei entwickelte. Es sollten sich endlich mal alle beruhigen, damit sie in Ruhe schlafen gehen konnte und sich ihretwegen dann schlagen wenn sie nicht dabei war. Außerdem gefiel ihr der Blick in Nics Augen nicht. Bei dem wusste man nie genau, wie ernst er etwas bereits sah und wie weit er gehen würde. Am besten stoppte man es, bevor es anfing.


    Und so kam es, dass Nic als er Lewis schlagen wollte auf eine Wand stieß. Vermutlich keine angenehme Erfahrung, es dürfte sich in etwa anfühlen wie… nunja, eine Wand zu schlagen. Die kurze überraschte Pause nutzte Leira, um sich zu erklären. “Sorry wenn ich euch zwei unterbreche, aber muss das jetzt auch noch sein? Es ist halb elf oder so und der Tag war verrückter als mein ganzes Leben zusammen. Ich hab gesehen wie ein Mensch zu nem Monster wird und zurück, ich bin heute morgen ohne zu übertreiben durch blutdurchtränkte Räume gelaufen (und hab mich auch noch damit eingesaut, bäh) und hätte genauso gut das nächste Häppchen für das Biest werden können.” Sie machte eine Pause und seufzte resigniert, während sie mit einer Hand über ihre Stirn strich als hätte sie Kopfschmerzen. Was auch nah an der Wahrheit war. “Aaach, ich schweife schon wieder ab. Tut mir leid.” Sie sah Nic an. “Ja, er hat dich provoziert und das war dumm von ihm” - sind wird das nicht gewohnt? - “aber wenn du dich jetzt noch mit ihm befasst wird es nur noch länger dauern, bis du Marika hier wegbringen kannst, oder denkst du Alicia wird dir das einfach durchgehen lassen? Am Ende schmeißt sie dich noch raus.” Leira verpackte die möglichen Konsequenzen in einer Weise dass klar wurde dass keine Drohung von ihr selbst ausging und erwähnte mit Absicht eine solche, welche Nic vermutlich auch stören würde. Schließlich würde ihn das erstmal von Marika trennen, und das wollte er doch nicht. Außerdem war das in ihren Augen ein durchaus realistisches Szenario, also hatte sie Nic im Prinzip noch geholfen. Sie hoffe, dass er zu dem gleichen Schluss kommen würde.
    “Und du”, sie sah Lewis an, “solltest am besten aufhören, dich mit Leuten anzulegen, die stärker sind als du oder du landest schneller im Krankenhaus als dir lieb ist. Denk bloß nicht dass ich jedes Mal daneben stehe oder Bock drauf habe den Babysitter zu spielen.” Mittlerweile konnte man ihrer Stimme anhören, dass sie inzwischen genervt war. Sollte sie in zwingen sich zu entschuldigen unter der Drohung ihm sonst nicht mehr zu helfen? Ach nein, das würde das Kindergarten-Image ja noch mehr aufbauschen, zudem brauchte er gar nicht zu denken dass sie ihm immer helfen würde. Das war eine Ausnahme gewesen. Nachdem er jetzt gesehen hatte was ihm blühte wenn er nicht aufhörte die falschen Leute zu ärgern, würde er ja hoffentlich damit aufhören. Obwohl, wem machte sie da was vor?
    Sie hatte sich heute nur eingemischt weil sie keine Lust auf noch mehr Aufregung hatte. Und weil sie es angesichts der wirklichen Gefahren die sie heute durchgestanden hatte einfach nur lächerlich fand sich wegen ein paar dummen Sprüchen zu prügeln. Vielleicht war sie ja die einzige die das so sah, aber aus ihrer Sicht musste das jetzt nicht auch noch sein.
    Es gab ein leises rieselndes Geräusch als die Barriere sichtbar wurde und wie Glassand auseinander lief, der sich am Boden in Nichts auflöste. Sie hatte auch nicht mehr wirklich Energie den Schild zu halten. Und das würde Lewis hoffentlich klar machen dass er jetzt besser Abstand von Nic hielt.

    Anschließend erklärte Marika auf eine Frage von Xaroc noch ein paar Dinge über die Dwuochse als Rasse und wie sie selbst da mit rein passte. Danach ging es irgendwie um ihr Verhältnis zu Nic was Leira die Augen verdrehen ließ. Wenn das nur ihre einzigen Probleme wären…
    Allerdings verstand sie nicht wirklich, warum Samuel plötzlich auftauchte und Xaroc umrannte - dieser hatte Marika zwar provoziert, aber sie glaubte mittlerweile nicht mehr dass Marika trotz ihrer Gestalt nur wegen einer dummen Frage gleich jemanden fressen würde.


    Schließlich begann Marika damit, sich zurückzuverwandeln, was sie nach einigen Schwierigkeiten schließlich auch hinbekam. Diesmal sah Leira nicht die ganze Zeit zu, stattdessen lief sie ein wenig herum und blickte hoch in den Himmel, der sich inzwischen dunkel färbte. Ihr Magen knurrte und sie begann langsam zu frösteln. Sie wollte jetzt nur noch was essen und danach in ihr Bett. Der Tag war schon wieder viel zu ereignisreich gewesen, auf eine negative Art.
    Als sie schließlich wieder zurück zu Marika blickte, lag diese halb nackt - erstaunlicherweise hatte sie ihre Unterwäsche wieder an, wie auch immer das gegangen war - auf dem Boden und wirkte wie bewusstlos. Wie nicht anders zu erwarten, war Nic der erste, der sich ihrer annahm und ihr sein T-Shirt überzog, bevor er sie schließlich hochhob. Als er die eventuell in der Gegend herumstreifenden Bestien erwähnte, gab er Leira nur noch einen weiteren Grund, schnell wieder in die Anstalt zurückzuwollen… Laut Marika waren sie dort ja ziemlich sicher vor den Biestern.


    Leira sah sich kurz nach Marikas Sachen um, stellte jedoch fest dass jemand anderes sich diesen bereits annahm. Na gut, dann halt nicht. Wenn man sich einmal nützlich machen will…, dachte sie etwas selbstironisch-spöttisch. So schloss sie sich einfach nur den anderen an, die sich jetzt ebenfalls mit auf den Rückweg machten. Wieder einmal musste Leira daran denken, wie lächerlich es eigentlich gewesen war, dass sie alle hier raus gerannt waren. Aber immerhin, nun kannten sie alle Marikas kleines -großes- Geheimnis. Was dieser sicherlich nicht recht war, aber Leira fand dass man sowas schon über seine Mitbewohner wissen sollte. Und sie fand es jetzt nicht sonderlich schlimm. Marika war eindeutig keine hirnlose Bestie und ihr Wissen über ihre Art würde sich immer wieder als Vorteil erweisen.


    Ohne es zu merken, war Leira allmählich schneller geworden. Die Bewegung tat ihr nach dem Rumstehen im Wald gut, vor allem da ihre Füße inzwischen vom stehen auf dem kühlen Waldboden echt kalt geworden waren. Sie hatte ihre Schuhe ja in ihrem Zimmer gelassen, als sie zum Pool runter gegangen war. Wenn sie bedachte dass sie sich vor ein paar Stunden noch relativ gut mit Nic verstanden hatte… Da war er ja auch noch nicht so verrückt gewesen. Aber vielleicht kriegte er sich ja wieder ein. Das vorhin… der war ja wie auf Drogen gewesen, total durchgeknallt einfach nur. Arme Marika. Und offenbar stand er auch noch voll auf sie. Arme Marika hoch zwei. Na immerhin steht er nicht auf mich, puh.
    In dem Moment fiel ihr die Sache mit Lewis wieder ein. Er war doch ein Manipulator… und sie war voll drauf reingefallen, das hätte sie von sich selber auch nicht gedacht. Aber gut, sie war ja auch ziemlich durcheinander gewesen, da konnte das schonmal passieren, oder? Letztendlich hatte es ihr am Ende ja eher geholfen, also würde sie Lewis erstmal nicht böse sein. Dennoch, in Zukunft werd ich besser aufpassen. Das fehlt gerade noch dass ich mich von dem Flummi beeinflussen lasse…


    Mittlerweile hatte Leira sie alle überholt und lief an der Spitze vor ihnen her. Was sollte sie machen, ihr war nunmal kalt und wollte wieder ins Warme. Dennoch entfernte sie sich nicht zu weit von den anderen. Die Begegnungen mit den Bestien hatten ihre Wirkung zumindest bei ihr eindeutig nicht verfehlt.
    Schließlich näherten sie sich dem Tor. Dieses war offenbar geschlossen. Na das fehlt jetzt grad noch dass wir nicht reinkommen…, dachte sie genervt. Beim Näherkommen bemerkte sie jedoch die Kamera, die auf die Straße vor dem Tor gerichtet zu sein schien. Zögerlich trat sie ins Sichtfeld der Kamera. Ähm, und jetzt? Winken? Sie kicherte, winkte aber tatsächlich, während der Rest der Gruppe zu ihr aufschloss. Anscheinend hatte es aber was gebracht, denn das schwere Tor begann schon nach wenigen Sekunden auseinander zu fahren.
    Na also. Die anderen Erleuchteten betraten nun etwa zeitgleich mit Leira das Gelände. Sie waren noch nicht weit gekommen, als ihnen plötzlich jemand entgegen lief. Leira erkannte die Person als die Anstaltsleiterin, Alicia.


    Als diese die Gruppe schließlich erreicht hatte, zierte ihr Gesicht ein sorgenvoller Ausdruck.
    „Was zum Teufel habt ihr so spät noch getrieben? Ich habe mir Sorgen gemacht. Und was ist geschehen?“, erkundigte sie sich aufgelöst und ihr Blick blieb an der Bewusstlosen und nicht vollständig bekleideten Marika und ihrem Träger hängen.
    "Das ist... kompliziert", fing Leira unbeholfen an, brach ab und drehte sich hilfesuchend zu den anderen um. Was sollte sie Alicia auch sagen? Sie würde das eh nie glauben. Und Marika wärs auch nicht recht wenn sie es wüsste. Sie würde jedenfalls nicht diejenige sein, die Marikas Geheimnis der erstbesten Person verriet.



    OT: Letzter Absatz zusammen mit Sheewa.

    Marika runzelte die Stirn, als würde sie nachdenken. „Doch, ich denke, das ist sie“, widersprach sie Leira und auch ihre Stimme klang beinahe nachdenklich, „Als meine Verwandlung begann, konnte ich nicht dort bleiben. Ich denke dieser Ort ist sicherer, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Irgendetwas ist mit diesem Ort, was wir bisher nicht bemerkt haben. Aber auch jetzt… ich bezweifle, dass ich mich so der Anstalt auch nur nähern könnte, selbst wenn ich es wollte und gerade bei Kräften wäre. Es ist wie das Gefühl, dem wir damals nach Oscuras gefolgt sind, wo wir uns getroffen haben, nur dass es mich nun abstößt, wie ein Magnet.“ Dann schien ihr die andere Frage wieder einzufallen. Und sie blickte Leira direkt an. „Ich überlebe schon seit fünfzehn Jahren so und werde es auch jetzt wieder. Im Gegensatz zu euch bin ich daran gewöhnt und zur Not…“ Sie sammelte kurz ihre Kraft und hob die beiden riesigen Schwingen, die bisher schlaff auf dem Boden gelegen hatten, etwas an, als würde sei sie präsentieren wollen, ehe sie sie wieder zu Boden sacken ließ. „Hab ich noch diese unschönen Auswüchse, die mehr als nur Zierde sind.“


    Was Marika sagte, ließ Leira aufhorchen. Die Anstalt stieß die Bestien ab? Na wenn das mal nicht endlich eine gute Neuigkeit war! Auch wenn es in Marikas Fall nun natürlich etwas unpraktisch war. Naja, man konnte nicht alles haben. Aber jetzt, wo sie das wusste, bekam der Titel „Zufluchtsort“ eine ganz neue Bedeutung.
    Sie zuckte ein wenig zusammen, als die Drachenlady weitersprach und dabei raschelnd ihre Schwingen anhob. Natürlich konnte Marika auch wegfliegen, aber wohl nicht wenn sie so fertig von der Verwandlung war. Irgendwie hatte sie kein gutes Gefühl dabei, sie einfach schutzlos zurückzulassen, auch wenn sie behauptete, selbst auf sich aufpassen zu können.
    „Vielleicht sollten wir trotzdem ein wenig hierbleiben, zumindest bist du dich etwas erholt hast“, schlug sie vor. Leira wunderte sich ein wenig über sich selbst. War das jetzt ihre Tierliebe, die auf einmal durchkam oder warum fühlte sie sich, als würde sie eine erschöpfte Taube vor ihren Fressfeinden schützen, bis sie wieder fliegen konnte? Genau so etwas hatte sie schließlich in der Vergangenheit schon getan.


    Marika antworte erst einmal nichts auf Leiras Vorschlag. Innerlich war sie zwiegespalten. Auf der Einen Seite waren die beiden Tage bei den Erleuchteten, trotz ein paar unglücklicher Umstände, wie dem Auftauchen der beiden Krouchugs, ohne Übertreibung mit die schönste Zeit gewesen, an die sich die Bestie erinnern konnte und das nicht wegen dem, was sie gemacht hatten, sondern einfach, weil es sich richtig angefühlt und ihr gutgetan hatte, mal mit Menschen Zeit zu verbringen. Auf der andern Seite aber wusste sie, dass nach diesem Abend alles anders sein würde. Das was gewesen war, gab es so nicht mehr, denn nun kannten die anderen ihr wahres Gesicht. Auch würde, wenn sie bliebe ihr steht alle mit großem Misstrauen begegnen. Und für ihre Paranoia wäre es sicherlich auch nicht gerade förderlich zu lange an einem Ort zu verweilen.
    Erneut war es Nic, der wieder ihre Aufmerksamkeit an sich riss nur, dass er diesmal nichts machte, um sie zu ärgern. Im Gegenteil, er wirkte plötzlich extrem niedergeschlagen, wenn nicht noch schlimmer. Da er den Stock offensichtlich nichtmehr zu nutzen gedachte, ließ Marika die Pranke wieder von der Schnauze und zu Boden gleiten. Auch die Ohren ließ sie hängen. Dieser Junge hatte Gefühlsschwankungen wie eine Schwangere. Aber obwohl die Bestie bisher das Opfer seiner kleinen Spielchen geworden war, tat ihr der Junge schon ein wenig Leid. Vor allem, da sie sich bisher sehr gut mit Nic verstanden hatte. Aber sie wusste nicht, was sie in dieser Situation hätte sagen sollen, weshalb sie ein Geräusch ausstieß, das entfernt an das Fiepen erinnerte, aber um ein vielfaches tiefer war. Als er dann aber damit ankam, dass er vielleicht besser bei einem Kampf in der Vergangenheit gestorben wäre, reichte es Marika.
    „Könntest du dich bitte wieder zusammenreißen und aufhören, solch einen Unsinn zu erzählen? Was ist eigentlich los mit dir? Wenn du eine Frau wärst, würde ich dich glatt fragen, ob du deine Tage hast.“, knurrte sie ihn an, „Aber ganz ehrlich, wie würdest du reagieren, wenn jemand dich mit einem Stock pieken oder mit dir wie mit einem Kleinkind reden würde?“


    Marika erwiderte gar nichts auf Leiras Vorschlag. Das hieß vermutlich, dass sie noch drüber nachdachte. Und bei dem was sie zu Nic sagte, konnte sie nur zustimmen. Der Typ benahm sich definitiv als hätte er übelste Hormonschwankungen. Leira war sich nicht sicher, ob sie es amüsant oder besorgniserregend finden sollte. “Jetzt versink mal nicht gleich in Selbstmitleid”, kommentierte sie trocken, machte aber keine Anstalten, sich ihm zu nähern. Zu deutlich hatte er klar gemacht, dass er das nicht wollte.



    OT: Und der zweite Teil.

    Das lief ja noch viel besser als er es sich ausgemalt hatte. Diese Verwandlung kam ihm gerade wirklich gelegen, soviel emotionaler Tumult würde jeden für seine Fähigkeiten anfällig machen. Am liebsten hätte er eines seiner blasierten Grinsen aufgesetzt, begnügte sich jedoch nur mit einem dankbaren und freudigen Gesichtsausdruck als das Mädchen sich bereiterklärte mit ihm zu gehen.
    „Großartig!“, rief er erfreut aus und zog die Andere in eine kurze, freundschaftliche Umarmung. Danach ergriff er sie wieder sanft an den Schultern, um ihr tief in die Augen zu blicken. Sie waren hellblau, schienen nach innen hin jedoch braungesprenkelt zu sein. Eine ungewöhnliche Augenfarbe. „Aber vergiss nicht: Wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Selbst wenn Marika noch sie selbst ist, ist sie garantiert genauso verwirrt und verängstigt wie wir. Deshalb müssen wir unbedingt nichts überstürzen, okay?“


    Danach löste sich Laverne von dem Mädchen, damit sie ihm den Weg zeigen könnte. Die erste Hürde stellte natürlich die Kletterpartie dar. Innerlich zwischen Profit und Outfit ringend, begann sich der Schwarzhaarige zähneknirschend hoch zu hangeln. Dieses Ensemble würde er nie wieder anziehen können! Auf dem Weg verlor er auch noch seinen Hut, was zusätzliches Salz in die Wunde streute. Aber er ließ es über sich gehen. Wenn das hier klappen würde, dann hätte er bald unbegrenzten Zugang zu solchen Outfits. Das war es wert.
    Ihm war fast so als hätte er noch eine weitere aufgeregte Person in ihrer Nähe gespürt. Das gleiche Gefühlsbild. Noch ein Erleuchteter, der geflohen war? Nunja, das war jetzt nicht so wichtig, er hatte keine Zeit zu verschwenden. Schließlich wollte er auch nicht zu gierig sein.


    Während sie sich nun durch den Wald bewegten, begannen die Räder in Lavernes Kopf wieder zu rattern. Wenn Marika ein Wer-Monster war, war es nur eine Frage der Zeit bis sie sich wieder zurückverwandeln würde. Wenn er diese Verwandlung aufzeichnen könnte, hätte er Beweismaterial, um das Mädchen an den Meistbietenden zu verscherbeln. Allerdings müsste man sie so lange fixieren und das wäre schwierig, schließlich waren diese Monster keine Kuscheltiere.
    „Wir müssen es irgendwie schaffen, Marika bewegungsunfähig zu machen“, meinte er nun an Leira gewandt, während er versuchte durch die Dickichte zu spähen, um Ausschau nach dem Monster zu halten. „Nicht nur um die Anderen sondern auch um sie selbst zu schützen. Irgendwie wird man sicher eine Rückverwandlung triggern können …“



    Die plötzliche Umarmung kam nun doch etwas unerwartet für Leira, jedoch ließ sie es über sich ergehen. Als Lewis seine Hände wieder auf ihre Schultern legte, versank sie geradezu in der Tiefe seiner dunkelblauen Augen, deren Farbe sie irgendwie ans Meer erinnerte. Wieder nickte sie. Nichts überstürzen, okay.


    Schließlich ließ Lewis sie los und Leira blinzelte verwirrt, als das wohlige Gefühl von Wärme und Sicherheit leicht verebbte. Jedoch wirkten die Emotionen immer noch stark genug nach, dass sie es nicht hinterfragte, sondern dem Schwarzhaarigen zurück in den Graben folgte, durch den sie heute schon zum dritten Mal lief. Und irgendwie fühlte sich ihr Gehirn auch leicht vernebelt an, so dass sie das andere Mädchen, das sich in der Gegend herumdrückte, zwar bemerkte, ihr jedoch keine große Bedeutung beimaß. Es war gerade wesentlich wichtiger, zurück zu Marika und den anderen zu kommen. Sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen.


    Die beiden Erleuchteten kamen der Stelle, an dem der Marika-Drache sitzen musste, langsam immer näher. Lewis schlug vor, Marika bewegungsunfähig zu machen, damit sie niemanden verletzte und nicht verletzt wurde. Es erschien Leira durchaus sinnvoll, jedoch hatte sie keine Ahnung wie sie ein Monster dieser Größe bewegungsunfähig machen sollten. Selbst wenn sie ein Seil oder so dabei gehabt hätten, Marikas unbändige Kraft würde jeden Strick doch sofort in seine Fasern zerlegen. Eine Kette könnte sie vielleicht halten, doch auch so etwas stand nicht zur Verfügung. Dann war da noch ihre eigene Fähigkeit. Doch auch hier bezweifelte sie, dass ihre Wände den Drachen halten könnten, wenn sie schon nicht in der Lage gewesen war, die normalen, flugunfähigen Krouchugs zu stoppen. "Du hast schon Recht, aber ich wüsste nicht wie wir sie festhalten sollen. Wir haben keine Kette oder so, und mit meiner Kraft kann ich uns beide sicher eine Weile schützen, aber nicht Marika fesseln. Dazu müsste ich sie ja von allen Seiten einmauern, und das würde nie halten."


    Während sie gesprochen hatte, hatten sie die Lichtung beinahe erreicht. Leira schauderte, als ein wenig der Nervosität nun, da sie der Bestie wieder so nahe war, zurückkehrte. Jedoch war es nun auch ihre eigene Entschlossenheit, und nicht nur die Manipulation des anderen Erleuchteten, die sie von einer neuerlichen Flucht abhielten. Sie war wirklich überzeugt, dass sie den anderen helfen musste.



    OT: Und der zweite Teil.^^

    Oben angekommen, freute sich Emma über die Verschnaufpause, die sie durch das Warten auf den jungen Simon erhielten. Ihre Gedanken versuchten in ihrem Kopf zu wirbeln, doch die Melodien um sie herum waren zu unkoordiniert, als dass es irgendein Gedanke auch nur eine halbe Runde geschafft hätte. Sie alle waren entweder total verausgabt vom Anstieg oder aufgeregt/besorgt um Marika. Oder beides. Aber irgendetwas Genaues konnte Emma keinesfalls heraushören.
    Der stechende Ton eines Fagotts ließ Emma zusammenzucken. Simon war zusammengebrochen und sprach von Marikas Licht, das verschwunden war. „Simons Instrument ist ein Fagott?“, war Emmas erster Gedanke, bevor das Gesagt zu ihrem Gehirn vordrang. „Weg? W-w-was heißt das weg?“, stammelte sie. War das Licht nicht so etwas wie die Aura der Erleuchteten? Was war dann mit der Melodie?
    „Komm, lass uns nachsehen was mit Marika los ist. Vielleicht kannst du uns ja sagen, was mit ihr nicht stimmt. Du sagtest doch, dass du hören kannst, wie sich jemand fühlt, oder?“, riss Leira die Acerin aus ihren Gedanken.
    „Ja“, sagte Emma noch leicht abwesend, „aber nein. Also nicht jetzt. Sie ist zu weit weg, ich kann sie nicht hören.“ Es war doch ganz klar, dass man neben einem ganzen Orchester nicht ein einzelnes Jagdhorn im Wald ausmachen konnte. „Wir müssen näher ran.“
    Das „wir“ war eigentlich absolut falsch, denn wie sollte Emma mit Leiras Flügel im Ohr irgendetwas von Marika hören? Nur tat ihr die Gesellschaft ihrer Zimmergenossin gerade sehr gut.


    “Dann komm schon, hinterher!”, rief Leira, als sie sah wie ein guter Teil der Erleuchteten bereits drauf los stürmte, in einer Art Graben verschwand und auf der anderen Seite wieder nach oben krabbelte. Sie selbst folgte ihrer eigenen Anweisung bereits noch bevor sie den Satz zuende gesprochen hatte. Emma war bestimmt dicht hinter ihr.
    Nun war sie wieder froh dass sie keine Schuhe anhatte, barfuß wie sie war fand sie einen viel besseren Halt als das mit ihren Sandalen möglich gewesen wäre, und so musste sie sich immerhin kein schlechtes Gewissen machen weil sie neue Schuhe verschandelte. Oder besser gessagt, weiter verschandelte, schließlich hatten die armen Dinger heute ja schon Krouchug- und Menschenblut abbekommen… Nicht dran denken, schau nach vorne!, ermahnte sie sich selbst und kletterte auf der anderen Seite der Grube empor wobei sie sogar ihre Hände zur Hilfe nahm.


    Obwohl Leira nicht gerade langsam gewesen war, war sie bei Weitem nicht die Erste, die den “Tatort” erreichte. Das was sie dort sah, kam jedoch so unerwartet, dass sie total abrupt stehen blieb, um ihrem Verstand erstmal Gelegenheit zu geben, das Gesehene zu verarbeiten.
    Ein halbnacktes… Etwas kauerte auf der kleinen Lichtung, dessen hautfarbener Körper sich auf verstörende Art verbog und streckte, während einer der Erleuchteten, der vor ihr gelaufen war, plötzlich auf es drauf sprang. Samuel… Was hat er vor?, schoss ihr durch den Kopf, während sie mit schreckensgeweiteten Augen weiterhin steif und fest auf das Etwas starrte, dessen Knochen sich gerade weiter verschoben und wuchsen so dass sie an manchen Stellen blank aus der Haut ragten. In diesem Moment hob das Etwas den Kopf und stieß einen grellen Schrei aus, der Leira erschrocken zusammenfahren ließ. Gleichzeitig erhaschte sie einen kurzen Blick auf das Gesicht dieses Dings. “Marika!”, hauchte sie tonlos, so leise dass es wohl niemand gehört hatte. Mit steigendem Entsetzen beobachtete sie, wie sich Knochen aus ihrem Rücken schoben und gigantische Schwingen bildeten.


    Hätte sie das in einem Film oder so gesehen, Leira wäre fasziniert, vielleicht sogar begeistert von den Effekten gewesen. Aber es in Echt zu sehen war vollkommen krank, erschreckend, entsetzlich. Wie ein vom Scheinwerfer erfasstes Reh stand sie da, unfähig den Blick von dem Ding abzuwenden, aus dessen Rücken nun gerade Dornen sprossen und dessen Wirbelsäule sich zu einem echsenartigen Schwanz verlängerte. Gleichzeitig stieß das Marika-Mischwesen immer wieder ohrenbetäubende Schreie aus, die Leira durch Mark und Bein gingen.
    Ja, sie hatte die ganze Zeit gemutmaßt dass so etwas kommen könnte. Aber sich in Theorien zu verstricken und diese dann tatsächlich eintreten zu sehen, waren zwei Paar Schuhe. Außerdem hatte sie nie gesagt, dass sich Marika in einen gottverdammten Drachen verwandelte, und nicht “nur” in eine menschenfressende Bestie.


    Dass sie Emma anfangs gebeten hatte, ihr Marikas Melodie zu verraten, war ihr komplett entfallen. Aber andererseits sagen ihre Augen ihr inzwischen ja wohl genug und mehr als ihr lieb war. Denn die Marika-Bestie vervollständigte sich inzwischen, ihr Gesicht verschwand und bildete eine Drachenschnauze, während Hörner aus ihrer Stirn hevorbrachen. Überall an ihrem Körper liefen rote Rinnsale herab wie bei einem Neugeborenen. Als die Bestie ein Brüllen ausstieß, begann Leira zurückzuweichen.


    Eine andere Szene überlagerte das, was sich vor ihren Augen abspielte. Es war erst heute morgen gewesen, bemerkte sie vage, als dieser Colmann-Typ Marika so seltsam angesehen hatte. „Aber ich glaube andere Leute können dazu wohl eher etwas sagen, meinst du nicht auch, Marika?“, sprach seine Stimme in ihrer Erinnerung. Der Sänger… Er hat es gewusst!, erkannte sie mit schrecklicher Gewissheit.
    Während Leira weiter Abstand zwischen sich und die noch immer nicht komplette Bestie brachte, sprang ihre Erinnerung ein paar weitere Minuten zurück. „Solltest du also jemals sehen, wie seine schwarzen Schwingen den Himmel verdunkeln, dann lauf und hör am besten nicht mehr auf zu laufen, egal, was um dich geschieht.”
    Das hier mochte zwar nicht dieser mysteriöse Dwuochse-Anführer sein, aber die Beschreibung kam diesem Exemplar hier gefährlich nahe. Leira drehte sich um und lief.


    Beinahe wäre sie mit einer ihr unbekannten Gestalt zusammengeprallt, wich jedoch gerade noch rechtzeitig aus, als diese anfing zu reden, von wegen Marika hätte sie ja längst umbringen können und alles.
    Leira schnaubte. Von wegen! Marika hatte sie sicher nicht umbringen wollen, aber wer konnte schon sagen, ob das hier noch Marika war und nicht viel mehr eine weitere Bestie, die nur ihre zerstörerischen Instinkte kannte und alle Erleuchteten hasste? Auf ihrer Flucht hielt sie jedoch nicht inne, nicht einmal dann, als der andere Erleuchtete sich dem Marika-Monster zuwandte und mit ihr redete als ob sie ein Mensch wäre - was Leira nebenbei bemerkt ziemlich lächerlich fand. Der Typ konnte froh sein, wenn sie ihn nicht gleich verschlingen würde oder so. Das ganze wurde hier ihr echt zu viel. Nicht noch ein Monster! Das zweite heute! Und dann auch noch Marika! Sie wollte nicht mehr kämpfen, sie wollte nur noch weg. Vielleicht würde Marika ja einfach ihre neuen Flügel ausbreiten und davon segeln, wenn sie Glück hatten. Wenn nicht, dann Gnade denen die weiter so nah um sie herumstanden! Wie dumm konnte man eigentlich sein? Am Ende spie sie noch Feuer oder machte zur Hölle was anderes Übles!
    Die 17-Jährige kletterte gerade auf der anderen Seite des Grabens wieder rauf, als sie schon wieder Gewissensbisse bekam. Was wenn die Marika-Bestie auf die anderen losging? Hatte sie dann Mitschuld an deren Tod, weil sie sie nicht beschützt hatte? Ach, Blödsinn, ich kann sie nicht vor nem Drachen beschützen… Außerdem, wenn sie selbst alle so dumm sind und dort bleiben? Dennoch, Leira konnte die Gedanken nicht ganz abschütteln.


    Während sie so weiterging, inzwischen nicht mehr ganz so schnell rennend, fiel ihr eine bunte Gestalt auf. Dieser… Lewis? Was macht der denn hier? Erst allen hinterher laufen, aber die letzten Meter davor dann stehen bleiben und warten? Aus dem wird man echt nicht schlau…
    Aber auch wenn sie ihn nicht besonders mochte, Leira hatte das Bedürfnis, ihn zumindest vor dem zu warnen was sich dort im Wald verbarg. “Hey, Knallbonbon!”, rief sie, als sie sich näherte und schnappte nach Luft, die ihr nach dem kruzen, aber schnellen Lauf so langsam ausging. “Da… im Wald… du wirsts nicht glauben, aber Marika hat sich in so ne Bestie verwandelt. Nein, schlimmer noch, sie hat Flügel und sieht fast aus wie’n Drache. Mach dich besser bereit zum weglaufen… Noch hatse zwar nix gemacht, aber wer weiß… ich trau dem nicht.” Nun blieb sie endgültig stehen um wieder zu Atem zu kommen. Misstrauisch drehte sie sich um, um zu sehen, ob schon eine Bestie durch das Dickicht brach. Aber nein, das hätte sie ja gehört. Ich bin sowas von durch den Wind… Erst jetzt bemerkte Leira, dass sie vor lauter Aufregung zitterte. Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann auf und ab zu tigern, um das Adrenalin loszuwerden, das wie Feuer durch ihre Adern brannte. "Oh Gott...", murmelte sie vor sich hin, "hoffentlich passiert nichts..." Sie würde sich ewig Vorwürfe machen, wenn die anderen starben weil sie weggelaufen war. Aber sie konnte jetzt nicht zurück, sie konnte einfach nicht! Die Angst lähmte sie fast. So sehr, dass sie weder vor noch zurück konnte. Sie wollte nicht zurück, aber auch nicht weiter wegrennen. Sie war völlig unentschlossen.



    OT: So, Leira ist realistisch und macht sich vom Acker.^^
    Erster Teil mit Shiralya abgesprochen.

    Nachdem Leira losgegangen war, merkte sie, dass Nic ihr nach kurzem Zögern folgte, jedoch drehte sie sich weder um noch wartete sie auf ihn. Eigentlich reichte es ihr gerade von den beiden Jungs. Ebensowenig konnte sie verstehen, warum Nic auf einmal wieder stehen blieb, um den anderen auf wenig freundliche Art zuzurufen, dass sie sich mal beeilen sollten.
    Was für ein Problem hat er eigentlich? Wenn die anderen keine Lust darauf hatten, das Gelände zu verlassen, war das doch nicht schlimm. Es müssen ja auch nicht alle Marika suchen gehen. So lange sie sich nicht in ein Monster verwandelt hat und wir sie töten müssen (Leira konnte ihre nicht ganz logischen Theorien einfach nicht aufgeben).
    Auch Tomomi mischte sich plötzlich noch ein, jedoch wollte sie einfach nur dass alle aufhörten sich zu streiten, und dass sie doch eine Familie wären und so weiter. Familie? Ich kenn die alle doch so gut wie gar nicht, dachte Leira störrisch und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen das Tor.


    Kurze Zeit später gesellte sich ihr wandelndes Radar auch endlich zu ihnen und erklärte, dass sie nach dem Tor gleich rechts an der Mauer entlang den Hang hoch bis zum Wald gehen mussten. Und dass angeblich etwas mit Marikas Licht nicht stimmte - eine Aussage, die ein wunderbares Futter für Leiras ohnehin schon zu lebhafte Fantasie abgab.
    Als das Tor endlich offen war, ging die 17-Jährige wie die meisten anderen auch direkt über die vertrocknete Wiese, obwohl das gelbbraune Gras unangenehm in ihre nackten Füße piekste. Aber sie war zuhause auch immer viel barfuß gelaufen, von daher machte ihr das nicht allzu viel aus. Während sie mit einer beachtlichen Ausdauer trotz der Steigung flott dem gewundenen Weg folgte, kam sie emotional wieder ein wenig runter.


    Mittlerweile kamen ihr all die Gedanken absurd vor. Was sollte schon groß sein? Marika hatte sicher viele Geheimnisse, und ihre mysteriöse Verletzung war bestimmt eines davon. Und da sie nicht gewollt hatte, dass die anderen sie genauer untersuchten, war sie weggelaufen. Ende der Geschichte. Leira atmete tief durch. Bestimmt ruhte sich Marika nur von ihrer Klettertour aus, und wenn sie jetzt alle ankamen würde sie ein paar spöttische Kommentare ablassen und sie alle wieder zurück schicken. Wenn sie wirklich schlimm verletzt gewesen wäre, dann wäre sie wohl kaum weggelaufen. Oder überhaupt in der Lage dazu gewesen. Warum machten sich nur alle so viele Sorgen? Weil irgendwas seltsam an der Sache ist. Trotz aller Erklärungsversuche… Irgendein Detail scheint immer nicht zu passen.


    „Hey“, riss sie auf einmal eine bekannte Stimme aus ihren Gedanken. Leira verlangsamte ihre Schritte und ließ Emma aufholen. „Hast du eine Ahnung, was genau hier vor sich geht?“, fragte ihre Zimmergenossin, als sie zu ihr aufgeschlossen hatte.
    Leira schüttelte den Kopf. “Ne, keine Ahnung. Mir fallen irgendwie tausende Theorien ein, aber ich glaub die sind alle falsch. Ich hoffe nur, das hier bringt uns nicht wieder in Schwierigkeiten. Davon hatte ich heute echt genug.” Sie seufzte entnervt.


    „Ich würde da nicht drauf hoffen…“ Leira half Emma nur in sofern weiter, dass sie ein bekanntes Gesicht war. Scheinbar waren die verschiedenen Gedanken, die die Fuge des Flügels andeutete, keine guten.


    Leira lachte nur etwas freudlos, als sie merkte, dass Emma ihren Pessimismus teilte. "Vermutlich hast du recht."
    Den Rest des Weges gingen sie schweigend nebeneinander her. Die Luft reichte ohnehin kaum dafür, gleichzeitig zu laufen und zu reden.


    Es dauerte noch eine Weile, bis Simon als Letzter endlich auch oben ankam. Gut, er war der Jüngste, und der Weg war steil, aber es war echt nervig dauernd warten zu müssen. Aber was war das? Anstatt dass er ihnen sagte, wo sie lang mussten, setzte er sich jetzt erstmal, weil er sich ausruhen musste! Grrr… also wenn wir hier unsere Fähigkeiten trainieren sollen, würd ich dich als allererstes mal auf die Laufbahn schicken… Leira sagte nichts, aber sie trat die ganze Zeit unruhig von einem Fuß auf den anderen und ließ den Blick hin und her schweifen ohne jemand bestimmtes anzusehen.


    Endlich ging es weiter, wobei Simon wieder mal nicht gerade der schnellste war, untertrieben ausgedrückt. Sie waren noch nicht weit gekommen, als er plötzlich ruckartig stehen blieb. “Was ist denn jetzt schon wieder?”, fragte Leira genervt und wollte noch etwas anfügen, verstummte jedoch, als der Junge los stammelte: „Es ist weg! Einfach verschwunden … das Licht… gerade war es noch da, jetzt weg… wie ausgeknipst.“ Nach einem kurzen Moment, in dem es so wirkte, als ob er gegen einen Nervenzusammenbruch ankämpfte, schob er noch nach: „Ich hab … noch nie erlebt, … das ein Licht verschwindet. Selbst bei toten Geschwistern… konnte ich sie noch … Stunden spüren. Das Licht … kann doch nicht einfach so weg sein! Aber … es ist weg, einfach weg!“


    Wie, 'es ist weg'? Soweit Leira wusste, hatte Marika nicht die Fähigkeit, sich zu teleportieren, wie dieses andere Mädchen. Und aus welchem Grund sollte ihr Licht sonst weg sein, wenn nicht aus dem, dass sie nicht mehr hier war?
    Jedoch schien sie sich getäuscht zu haben, denn jemand meinte plötzlich, auf der anderen Seite dieses Grabens etwas zu sehen, was Marika sein könnte. Inzwischen war Leira wieder etwas beunruhigter, wenn auch neugierig geworden. Sie hoffte nur, dass das fehlende Erleuchteten-Licht nicht bedeutete, dass Marika sich doch in irgendwas verwandelte. Wenn Simon sagte, dass es nichtmal bei toten Erleuchteten sofort ausging...


    "Komm, lass uns nachsehen was mit Marika los ist", forderte Leira Emma auf. Dabei fiel ihr plötzlich etwas ein: "Vielleicht kannst du uns ja sagen, was mit ihr nicht stimmt", meinte sie aufgeregt. "Du sagtest doch, dass du hören kannst, wie sich jemand fühlt, oder?"

    Nach Leira tauchte noch eine Vielzahl an weiteren Erleuchteten vor der Wand auf, es schien ihr fast, als wäre die ganze Einrichtung angelaufen gekommen. In diesem Moment wurde ihr ihr Hiersein etwas peinlich, schließlich kannte sie Marika kaum und was ging es sie an wenn die drei plötzlich fangen spielten? Wäre sie doch einfach am Pool geblieben…
    Außerdem redeten alle durcheinander, Tomomi wollte dauernd ihre Mama holen (warum geht sie dann nicht einfach und holt sie, braucht sie unsere Erlaubnis dafür oder was?), Xaroc dachte dass jemand gekämpft hätte und der bunte Vogel, der schon wieder neue Sachen trug wie Leira bemerkte, wollte liebend gerne eine Party schmeißen (falsches Timing, Quietschball).


    Da inzwischen zu viele andere auf Samuel eingeredet hatten, bekam Leira keine direkte Antwort mehr sondern nur eine Erklärung, die gleichermaßen an alle gerichtet war. Diese Erklärung warf jedoch mehr Fragen auf als sie beantwortete. Marika soll verletzt gewesen sein? Und dann schafft sie es aber die zwei Jungs abzuhängen und die … zwangzig? Meter hohe Felswand raufzuklettern? Leira sah Samuel forschend an. Sie glaubte zwar nicht dass er log, es gab auch keinen Grund dafür. Dennoch blieb seine Geschichte absurd. Aber was war schon normal seit sie hier war? Die Geschichte mit den Monstern war schließlich genauso absurd, aber leider doch wahr.
    Was also war nur mit Marika los? Gewann sie mehr Power wenn sie verletzt war? Vielleicht verwandelt sie sich ja jetzt in eine Bestie, kam Leira ein gewagter Gedanke, doch sie verwarf ihn sogleich wieder. Das wäre doch nicht möglich, oder? Andererseits, sie hatte jegliches Vertrauen verloren in das, was möglich oder nicht möglich war. Sie hatte immer mehr das Gefühl plötzlich in einer Welt aufgewacht zu sein, die sie nicht verstand und deren Regeln ihr fremd waren. Kein schönes Gefühl.


    Schließlich schob sich der Junge nach vorne, den sie unter der Rosetta getroffen hatten, als sie alle geleuchtet hatten. Wie lange war das jetzt her? Einen Tag? Naja, fast zwei immerhin. Haha, immerhin! Nach Leiras Zeitgefühl war es wesentlich länger her.
    Jedenfalls behauptete der Junge, Marika spüren zu können, was erstaunlich war, da sie sicher schon ein gutes Stück weiter gekommen sein musste. Er bot an, den Weg zu ihr zu zeigen. Leira musste nicht lange überlegen. Wenn Marika verletzt war und mit ihr etwas offenbar nicht stimmte (vielleicht ist sie ja von einem Gedankenmanipulator übernommen worden und deshalb so durchgedreht? - Leira hatte nicht damit aufgehört sich irrsinnige Theorien auszudenken), dann fühlte sie durchaus eine gewisse Verpflichtung nach ihr zu sehen. Sie konnte nicht einfach zurück zum Pool gehen und die Sonne genießen, wenn irgendwas seltsames vor sich ging. Vielleicht drehten sie als nächstes ja auch alle durch, vielleicht war es ja das gleiche wie mit dem Leuchten, das hatte auch immer alle auf einmal betroffen. Leira griff sich an den Kopf und versuchte den Gedankenwirbelsturm in ihrem Innern einmal für einen Moment anzuhalten, jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Jedoch wurde sie sich endlich wieder ihrer selbst bewusst. Denn ohne es zu merken hatten ihre Füße sie wie ferngesteuert (da, es geht schon los!) Samuel hinterher getragen, der in der neu gewonnenen Anführerrolle aufgegangen zu sein schien. Moment, Anführer? Nur weil er versucht die Kontrolle über den bunten Haufen an Teenagern zu behalten ist er noch lange nicht unser Anführer. Und hätte sie nicht lieber dem anderen Jungen folgen sollen, der immerhin wusste wo’s langging? Wo liefen sie eigentlich hin? Zum Tor wäre es geradeaus gegangen!


    <-+->


    Verärgert blieb Leira stehen und wurde von Nic überholt, der Samuel antippte und fragte wo es zum Tor ging und ob er einen Plan hätte. “Du wirkst wenigstens ein bisschen, als hättest du eine Ahnung, was du machen würdest, was man von dem Rest teilweise nicht wirklich sagen kann”, fuhr er fort.
    So? Plan? Ahnung?! Leira stemmte die Hände in die Hüften. Wer brauchte schon einen Plan? Hinterher hieß der Plan, und zwar so schnell wie möglich! Und möglichst bevor Marika über alle Berge war, verblutete, oder sich in eine Bestie verwandelte (Leira hielt erstmal alle Möglichkeiten offen). Und von wegen Ahnung, wer war denn hier in die falsche Richtung gelaufen? Und wer war denn genau hinterher gelaufen, fragte eine gemeine Stimme in Leiras Hinterkopf, die Leira gekonnt ignorierte.
    Was genau sie jedoch tun wollte, sobald sie Marika gefunden hatte, darüber hatte Leira sich in ihem jugendlichen Eifer auch noch keine Gedanken gemacht.


    “So, Ahnung?”, sprach sie ihre Gedanken laut aus, wobei es ihr egal war ob sie ihr zuhörten oder nicht. Ich weiß immerhin wo das Tor ist”, wobei sie die Worte “ich” und “weiß” gesondert betonte. Ihr leicht sarkastischer Tonfall schien das “im Gegensatz zu euch” geradezu anzufügen. “Und ich weiß auch wo der Schlüssel dafür ist.” Zum Glück hatte Leira an dieser Stelle genau aufgepasst, als Alicia das erwähnt hatte. “Aber ich hab ja keine Ahnung", fügte sie ironisch hinzu. "Bis später, Jungs.”
    Damit drehte sie sich um und überließ die drei sich selbst. Sie würde nicht hier warten bis die Herren der Schöpfung sich mal entschieden hatten was sie tun wollten, oder darauf, dass ihrem weisen Anführer die Erleuchtung kam.


    Was zur Hölle?" entfuhr es Samuel mit aggressiver Tonlage. "Kümmer dich mal um deinen eigenen Mist." Was wollte das Mädchen überhaupt von ihm? Und warum mischte es sich in anderer Leute Sachen ein? Hat dich etwa jemand nach deiner Meinung gefragt? Für einen Moment war Samuel gemischt wütend und perplex, bevor er den Gedanken wiederfand, dass er eigentlich gerade mit etwas ganz anderem beschäftigt gewesen war und versuchte zu ignorieren, was das Mädchen gesagt hatte. Aber wie konnte jemand in so einer Situation nur mit so etwas absolut lächerlichem und nicht zielführenden anfangen?


    Leira drehte sich blitzschnell wieder um und starrte den anderen für den Bruchteil einer Sekunde überrascht an. Dann zuckte sie die Schultern und verzog sich in Richtung Tor. Sollte mal einer aus denen schlau werden, erst schienen sie es so eilig zu haben und dann liefen sie ganz woanders hin und beschwerten sich auch noch wenn man sie darauf hinwies. Sollen sie sich doch hinsetzen und Pläne machen oder was auch immer. Ich geh jetzt Marika suchen.


    <-+->



    OT: Achtung, Posts überlappen sich. Bitte nochmal den von Lone Wolf zuerst lesen, wurde editiert.

    Leira lief die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Fast hatte sie erwartet, Emma dort anzutreffen, aber diese hatte anscheinend auch besseres zu tun als an einem sonnigen Nachmittag alleine auf ihrem Bett zu sitzen.
    Sie griff nach ihrer Einkaufstüte, holte den Bikini hervor und machte sich erstmal daran die Preisschilder zu entfernen. Anschließend zog sie sich um. Nach kurzem Überlegen zog sie ihre Hose und ihr Top jedoch auch wieder an, über den Bikini. Irgendwie wäre es ihr seltsam vorgekommen, nur im Bikini auf dem Gelände herumzulaufen. Sie war da einfach etwas eigen. Schließlich griff sie sich ihr Handtuch und ging barfuß zurück nach draußen. Sie liebte es barfuß zu laufen. Das warme Gras, etwas stachelig an vertrockneteren Stellen, die heißen Steine, weiches Moos hin und wieder, herrlich.
    Kurz bevor Leira den Pool erreichte, hörte sie eine Melodie. Verwirrt sah sie sich um, doch nach einer Weile hatte sie ihren Ursprung geortet. Ach da bist du also, dachte sie sich, als sie ihre Mitbewohnerin erkannte. Jedoch wirkte Emma so vertieft in ihre Musik, dass Leira sie nicht stören wollte. Sie winkte ihr daher nur kurz zu, auch wenn sie nicht sagen konnte, ob Emma das jetzt mitbekommen hatte oder nicht.


    Sie erreichte die Stelle, an der sie Nic zurückgelassen hatte, jedoch war dieser nirgendwo zu entdecken. Hm, so lange hab ich doch auch wieder nicht gebraucht, oder? Naja, anscheinend hatte er es sich anders überlegt, das war nicht ihr Problem. Sie war auch ohne Gesellschaft vollends zufrieden. Unwillkürlich musste sie an zuhause und ihre drei Geschwister denken. Und wie nervig es gewesen war, im Haus nie seine Ruhe zu haben. In dieser Hinsicht war es wirklich besser geworden seit sie von Zuhause weg war. Wie ihre Mutter sie immer angezickt hatte, wenn sie etwas anzog was ihr Mal nicht vollkommen bedeckte. Als ob es ihre Schuld wäre dass sie dieses Zeichen hatte. Wenn es nach ihrer Mutter gegangen wäre, hätten sie sie wohl zuhause eingesperrt und ihre Existenz nach außen hin verleugnet.
    Plötzlich verägert, als ob ihre eigenen Gedanken sie aufgestachelt hätten, ließ Leira ihr Handtuch auf die Wiese fallen, zog ihr Top und ihre Hose aus und sprang direkt ins Wasser, ohne vorher groß zu versuchen, sich an die Temperatur zu gewöhnen. Das kalte Wasser lähmte sie einen Moment fast, dann schwamm sie mit schnellen Zügen ein paar Bahnen, bis sie sich abreagiert hatte und langsam müde wurde. Einen Moment lang ließ sie sich an der Wasseroberfläche treiben, die hellsilbernen Zacken über ihrer Schulter und Brust reflektierten das Sonnenlicht fast. Und zum ersten Mal nach einer Ewigkeit kam sie sich auch gar nicht mehr so hässlich damit vor, wie es ihr von klein auf eingeredet worden war.
    Schließlich kletterte sie aus dem Becken und ließ sich auf ihr Handtuch fallen, dass sie direkt in der Sonne ausgebreitet hatte. Mit ihrer hellen Haut konnte sie da zwar auch nicht ewig liegen bleiben - mist, ich hätte mal Sonnencreme noch kaufen sollen… - aber zumindest bis sie trocken war. So schnell würde sie schon keinen Sonnenbrand bekommen. Sie war ja schließlich nicht ganz so hell wie das bleiche Mädchen, das etwas weiter weg im Schatten saß.


    Sie wusste nicht wie lange sie da gelegen hatte, vermutlich war sie für ein paar Minuten eingeschlafen, als sich plötzlich schnelle Schritte näherten. Leira schreckte hoch und riss die Augen auf. Jemand rannte in nicht allzu weiter Entfernung an ihr vorbei, auf eine Weise als wollte sie einen neuen Sprintrekord aufstellen. Es war Marika, Leira erkannte sie an ihren Haaren. Als ob das nicht schon seltsam genug gewesen wäre, rannten kurz darauf Nic und der schießwütige Junge ebenfalls an ihr vorbei, nur um danach direkt durch eine Hecke zu stürmen, durch die Marika gerade verschwunden war.
    Leiras erster Gedanke war, dass sie doch jetzt von den Viechern angegriffen wurden und sah sich panisch um. Jedoch merkte sie schnell dass alles friedlich war, und es zudem nicht so ausgesehen hatte, als ob die drei vor etwas weggelaufen wären. Außerdem, dann hätten sie ja wohl sicher etwas gesagt wie “Renn” oder so. Die beiden Jungs, waren sie Marika gefolgt? Hatte sie ihnen was geklaut oder was? Marika hatte definitiv so ausgesehen als ob sie die anderen beiden abhängen wollte. Nur warum rannte sie dann ausgerechnet in diese Richtung, wenn das Tor doch auf der anderen Seite war? Wusste sie nicht dass sie dort in eine Sackgasse rannte?
    Während sich Leiras Gedanken überschlugen, hatte sie ihr Top und ihre Hose wieder übergezogen, und lief den drei Erleuchteten kurzerhand hinterher, auch wenn sie nicht ganz das gleiche Tempo anschlug.
    Kurze Zeit später hatte auch sie die Felswand erreicht, die das Gelände in dieser Richtung begrenzte. Jedoch sah sie bereits von weitem dass nur noch einer der beiden Jungs unten stand. Was zur …? Leira hob den Blick, und schlug die Hände vor den Mund. In schwindelerregender Höhe sah sie, wie Marika weiter nach oben kletterte, Nic kletterte ihr irgendwo nach, jedoch sah es nicht so aus, als ob er sie noch einholen würde. Und kurze Zeit später entschwand Marika auch bereits über die Kante.


    Leira starrte noch einige Sekunden auf die Stelle, wo Marika gerade verschwunden war, dann drehte sie sich zu der einzigen anderen Person um, die gerade in Reichweite war. “Was ist denn mit der los? Ist sie völlig verrückt geworden, und warum geht sie nicht einfach zum Tor raus wenn sie weg von hier will?”, überschüttete sie Samuel aufgeregt mit einer Frage nach der anderen. Schließlich ergänzte sie, etwas verwirrt und misstrauisch “Und… warum seid ihr ihr überhaupt hinterhergerannt?” Das war schließlich immer noch der seltsamste Umstand überhaupt. Gerade Samuel schien nicht gerade best-friends mit Marika zu sein, warum hätte er sie also zurückhalten wollen, wenn sie abhauen wollte? Leira schüttelte ungläubig den Kopf. Das ganze war dermaßen absurd, sie durchblickte es einfach nicht.
    Weitere Erleuchtete füllten die Lichtung vor der Steilwand, manche mussten das Schauspiel ebenfalls noch mitbekommen haben, aber alle schienen genauso ahnungslos wie Leira.

    Leira entging nicht die wachsende Begeisterung ihres Zuhörers, als sie den Kampf mit der Bestie grob erwähnte. Oha, wohl ein Kampfbegeisterter… Immerhin schien er ihr sogar zu glauben, so absurd das auch war. Andererseits hatte sie ja auch keinen Grund etwas scheinbar so an den Haaren herbei gezerrtes zu erfinden.
    Dass er sich nun aber offenbar sogar Sorgen um sie zu machen schien, weil ihr das Thema nicht so behagte, fand sie irgendwie süß. Wann war jemand das letzte Mal besorgt um sie gewesen? Lang lang ists her… “Schon okay. Es war schon etwas heftig, das ist eine Szene wie man sie sonst nur aus schlechten Horrorstreifen mit seeeehr viel Kunstblut kennt. Und dann stehst du plötzlich mittendrin und es ist einfach echt. Also für mich wars etwas viel. Aber hey, ich lebe noch.”
    Sie schwieg eine Zeit lang. Ihr Blick fiel durchs Fenster nach draußen. “Das Wetter ist eigentlich zu schade um den Tag drinnen zu verbringen… Hast du Lust bisschen raus zu gehen? Ich hatte bisher selber noch nicht wirklich Zeit mich umzusehen. Ich bin ja auch erst seit gestern hier.”


    Offensichtlich war er mit seiner Vermutung richtig gelegen, auch wenn es nicht so schlimm zu sein schien, wie er vermutet hatte. Der Vergleich mit dem schlechten Horrorfilm konnte er sich nur zu gut vorstellen, denn immerhin war sein bisheriges Leben wie ein extrem schlechter Film. Aber es war auch das was er gerne hatte, denn wenn so viel Blut, Leid und Verderben hinterlassen wurde, musst etwas recht mächtiges die Ursache dafür gewesen sein. Und das war immerhin das was ihn bis jetzt am Leben gehalten hatte, immer die Jagd nach neuen Nervenkitzeln, immer stärkeren Gegnern, und die Kämpfe mit ihnen. Von dieser Leidenschaft hatte er auch seine unzähligen Narben auf seinem Oberkörper. Leira's Humor, wenn man das als solchen bezeichnen konnte, selber viel zu lachen hatte Nic noch nie gehabt, und weshalb er mit der Zeit auch einen recht schwarzen selbstironischen Humor entwickelt hatte. Andere Arten davon kannte er nicht wirklich, aber dennoch fand er ihre Ansicht des Geschehens doch recht erheiternd. "Wäre doch auch schade wenn nicht, dann wäre ich weiter unwissend durch die Welt gestreift und könnte unser Gespräch nicht so geniessen", kommentiere er ihre Aussage wahrheitsgemäss.
    Erst als Leira es erwähnte, fiel ihm auch auf, dass das Wetter eigentlich doch recht schön war, viel zu schön, um da nicht an die frische Luft zu gehen. Das er dann sogar eine Einladung bekam, war für ihn doch recht verwunderlich. Denn wann hatte ihn jemand um seine Gesellschaft gebeten, war das bereits jemals vorgekommen? Ehrlich gesagt wusste er es nicht einmal, vermutlich aber nicht. "Sehr gerne", schnell stand er von seiner Seite auf, ging um den Tisch herum, und streckte ihr die Hand hin, damit sie sich beim Erheben abstützen konnte. "Wenn ich bitten darf", das hatte er einmal in einem der wenigen Filme gesehen, die er überhaupt kannte. Und das schien im Film so anständig zu sein, also würde es schon so sein. Denn wirklich viel Erfahrung im Umgang mit Personen des anderen Geschlechts hatte er ja nicht wirklich.


    Leira schaute skeptisch auf die ihr dargebotene Hand, für einen Moment nicht sicher ob er es ernst meinte. Dann fing sie plötzlich an zu lachen und stand auf ohne die Hilfe anzunehmen. “Also bitte, ich bin doch keine alte Lady”, lachte sie und sah ihn gespielt beleidigt an. “Ich hab heute immerhin schon den Lockvogel für ein gewisse drei Meter hohe Bestie gemacht, das würd ich nicht tun wenn ich schlecht zu Fuß wäre.” War auch so leicht lebensmüde, so im Nachhinein betrachtet… “Meine Fähigkeit gibt mir da nur nen Vorsprung von vielleicht einer Sekunde… Aber heute zumindest hats gereicht.”
    Sie brachte ihren Teller zurück und verließ dann die Cafeteria, darauf vertrauend, dass Nic ihr schon folgen würde. Während sie die Treppe runterlief fragte sie “Was ist eigentlich deine Fähigkeit?”


    Ihre Reaktion verwunderte ihn doch ein wenig, denn sie passte so gar nicht zu dem was er gedacht hatte, was passieren würde. Zum Glück nahm sie ihm den Ausrutscher, wenn man dies als solchen bezeichen konnte, doch nicht übel. Und bei ihrer gespielten Beleidigung konnte er selbst nicht anders als die Mundwinkel nach oben zu ziehen. Es sah einfach zu komisch aus, nicht auf eine schlechte Art, mehr konnte er sich gar nicht vorstellen, das Leira jemandem Böse sein konnte. Als sie dann auch noch von ihrer heutigen Begegnung mit der Bestie erzählte konnte Nic nicht anders, als ihr dafür seinen Respekt zu zollen. Denn wenn man sie so ansah, machte sie nicht gerade einen solch Risikofreudigen Eindruck. Wie sehr man sich doch wieder verschätzen konnte. Doch wirklich viel Zeit seine Einschätzung zu überdenken bekam er auch nicht wirklich, denn schon war sie auf dem Weg die Kantine zu verlassen. Schnell räumte er sein Geschirr weg, und folgte ihr, wobei er sie nach ein paar Schritte schon wieder eingeholt hatte. Gerade rechtzeitig, um ihre nächste Frage mitzubekommen. Er musste erneut leicht lachen, es war eigentlich zu erwarten gewesen, und eigentlich störte es ihn auch kein bisschen ihr seine Kraft zu verraten: "Es ist ein wenig komplizierter, das ganze zu erklären, am einfachsten zeige ich es dir kurz." Das weil er vermutlich bei weitem nicht alles über seine Fähigkeit wusste, zum anderen, wollte er sie nicht mit trockener Physik langweilen. Als sie unten an der Treppe angekommen waren griff er mit seiner rechten Hand nach hinten, und öffnete an seiner Messerhalterung eine kleine Aussentasche, aus welcher er drei kleine Kugeln in seine Hand rollen liess. "Im Prinzip ist es recht simpel", begann er zu erklären, und warf die Kugeln in die Luft. "Ich kann bestimmte Dinge kontrollieren, so zum Beispiel diese Kugeln", unterdessen, liess er sie in der Luft anhalten, und so schwebten sie nun einfach in der Luft. "So ist es mir in einem bestimmten Umkreis möglich diese auch anzuziehen", zur Demonstration, liess er die Kugeln näherkommen, und vor Leira's Kopf in einem Dreieck schweben. "So kann ich damit machen was ich will, zumindest mehr oder weniger", worauf er sie zum Spass einfach um die eigene Achse rotieren liess, und die Kugeln dabei ebenfalls auf einer Ebene, so dass es mit viel Fantasie so aussah, als würde über seiner Hand ein kleines Universum mit drei Planeten schweben. "Aber wie gesagt, von der Perfekten kontrolle bin ich noch weit entfernt, aber ich denke mit der Zeit wird das schon noch besser, sobald ich ein bisschen damit übe", so genau hatte er noch niemandem von seiner Fähigkeit erzählt, und noch immer war es komisch zu zuzugeben, das man anders ist als die meisten auf dieser Welt, weshalb er sich leicht verlegen mit der Hand den Hinterkopf kratzte, und dabei mit der anderen die Kugeln wieder in die Halterung versorgte. "Weisst du eigentlich was es hier alles gibt?", kam ihm gerade in den Sinn, er hatte ja keinen Plan wohin sie gehen sollten.


    “Es gibt einen Pool. Und auch irgendwo noch ein paar Tiere soweit ich weiß”, meinte Leira abwesend, während sie durch die Tür nach außen trat. Zumindest hatte Alicia etwas in der Art erwähnt.
    Sie konnte nicht anders, als immer noch über Nics Fähigkeit nachzudenken. Bestimmte Dinge kontrollieren… die Kugeln waren aus Metall gewesen… Hatte die Fähigkeit etwas mit Magnetfeldern zu tun? Sie hätte ja gerne mal eine in die Hand genommen um zu sehen ob sie schwer oder leicht waren, aber er hatte sie so schnell wieder verschwinden lassen… “Was war das für ein Material? Blei? ...Kannst du das auch mit anderen Gegenständen aus Metall machen?”


    Als Leira aufzählte, was es scheinbar alles geben sollte, wurde er hellhörig: "Einen Pool, es gibt hier echt einen Pool? Ich hätte nichts gegen ein bisschen Wasser", meinte er voller kindlicher Freude, schon viel zu lange hatte er sich nicht mehr im Wasser treiben lassen, und einfach das Gefühl genossen, wenn das kühle Nass seinen Körper umschloss. "Du nicht auch?", frage er des Anstands halber nach. Aber offensichtlich war sie noch zu sehr mit dem Nachdenken über seine Fähigkeiten beschäftigt, und dem Anschein nach war sie wirklich daran interessiert. Diese Vermutung bestätigte sich auch, als Leira weiter fragte. Da er nicht wirklich einen Grund sah, ihr die Informationen vorzuenthalten, ging er recht locker auf die Fragen ein: "Du meinst die Kugeln?", schnell öffnete er den Verschluss der Halterung und liess sie hervorschweben. "Das Material heisst Wolfram, das hat mir zumindest ein Mineraliensammler gesagt, und die Aussage ist recht zuverlässig, denn nach lügen war ihm in dem Moment der Aussage sicher nicht zumute", ein leichter Schatten huschte über sein Gesicht als er sich an die Szene erinnerte. Ganz nebenbei ließ er die Kugeln zu ihr hinüberschweben. "Du kannst sie gerne auch anfassen, sie sind nicht gefährlich oder so", versicherte er ihr mit einem sanften aufmunternden lächeln. "Mit anderen Metallen geht das soweit ich das beurteilen kann nicht, ob es mit Legierungen klappen würde, konnte ich noch nicht testen, da es doch nicht so alltäglich ist.", während er ihr seinen Stand der Dinge erklärte, stiess er die Luft geräuschvoll aus. Er wusste noch immer zu wenig über seine Kraft, um sie effektiv benutzen zu können, zurzeit waren lediglich spielerische Aspekte möglich, was mit der Zeit doch frustrierend wurde.


    Leira griff eine der schwebenden Kugeln aus der Luft und betrachtete sie neugierig. Sie war schwerer als erwartet, die Oberfläche glänzte in der Sonne fast wie Silber. Wolfram… Sie hatte das Wort schon mal gehört, aber das war auch schon alles. Sie wusste nichts darüber, außer dass es wohl recht selten sein musste, sonst wäre es wohl bekannter. Da es sich nicht so anhörte als hätte Nic die Kugeln gekauft, fragte sie lieber nicht nach wo er sie her hatte.
    "Interessant", kommentierte sie nur, bevor sie die Kugel langsam wieder losließ, Nic würde sie schon wieder mit seiner Kraft einsammeln.
    "Ich war auch schon seit Ewigkeiten nicht mehr im Wasser. Nur damals beim Schwimmunterricht in der Schule, und das hab ich gehasst."
    Sie lachte verlegen. "Aber eigentlich waren wir unter anderem deshalb in der Stadt heute. Ein paar andere Mädels und ich haben uns Badesachen gekauft. Dann müsst ich jetzt nochmal kurz hoch in mein Zimmer und mich umziehen... Oh, und ich werd mal Emma, meine Mitbewohnerin, fragen, ob sie auch Lust hat. Falls ich sie sehe", fiel ihr plötzlich noch ein.


    Dem Anschein nach wusste Leira nicht gerade viel darüber, aber dennoch schien sie Fasziniert davon zu sein. Als sie die Kugeln wieder in die Freiheit entliess, fing er sie einfach mit seiner Kraft auf, und zog sie so an, das sie schnell in seine Hand zurück flogen, von wo er sie danach versorgte. Und so wie es aussah, hatte sie auch Lust schwimmen zu gehen, dafür musste sie sich verständlicherweise zuerst umziehen gehen. Zum Glück musste er nicht jedes Mal zuerst eine Umkleide suchen, zumal er ehe keine Badesachen hatte, geschweige denn ein Zimmer, von dem her, mussten halt seine Hosen dran glauben, und ein bisschen Wasser hielten die schon aus. Leira sagte auch noch, dass sie ihre Zimmergenossin mitbringen wollte, womit Nic nicht wirklich ein Problem hatte, er kannte hier ehe sonst niemanden, nicht das es anderswo anders gewesen wäre, aber sterben würde er wahrscheinlich nicht so schnell, und wenn es hier so Personen wie diese Marika gab, musste es auch noch mehr von der Sorte geben. "Mach das, ich werde hier warten", viel mehr konnte er ja auch nicht machen, die Alternative wäre, dass er sich wieder irgendwo verlaufen hätte, und das einmal am Tag reichte ihm locker. Dementsprechend setze er sich in das Gras rund um den Pool, und begann zu warten.



    OT: Und zweiter Teil.

    Nachdem alle Messer dem Sänger zurückgebracht worden waren, wurde die Gruppe direkt bei der Spielhölle vom Bus abgeholt. So wie sie alle aussahen hätten sie auch unmöglich zurück in die Stadt laufen können.
    Leira war irgendwie müde, aber sie weigerte sich die Augen zu schließen. Bestimmt hätte sie sonst nur von verwüsteten Räumen und blutigen Leichen geträumt, über die Riesenwildschweine mit Fledermausflügeln flogen. Oder so. Sie kannte ihre Fantasie und wollte es lieber nicht herausfordern. Die Sache mit diesem angeblichen Anführermonster, mit gigantischen Ausmaßen und in der Lage zu fliegen, konnte sie immer noch nicht so ganz glauben. Wenn es sowas wirklich gäbe, dann wüsste man das doch oder? Sie verstand nicht, wie so ein Riesenvieh sich verstecken können sollte, sofern es nicht gerade in der Lage war sich unsichtbar zu machen. Und nachdem Colmann danach mit Drachen weitergemacht hatte, hatte er ihr vielleicht nur Angst machen wollen. Ganz bestimmt.


    Endlich passierte der Bus das Eingangstor und Leira war plötzlich unglaublich froh, wieder hier zu sein. Das hatte sie als sie heute morgen losgefahren waren auch nicht unbedingt so erwartet. Aber kein Wunder nach allem was passiert war.
    Langsam stieg sie aus dem Bus aus und blieb erst einmal einen Moment in der Sonne stehen. Die Wärme und das Licht ließen das was in der Stadt geschehen war wie einen bösen Traum wirken. Ihre nassen Sandalen erinnerten Leira aber nur zu schnell wieder daran dass es doch real gewesen war. Nass war zwar besser als blutig, aber immer noch irgendwie eklig. Schnell zog sie die Schuhe aus und lief barfuß ins Haus weiter. Ihr Magen knurrte und ihr fiel auf, dass sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Nur wollte sie so wie sie aussah - und wie sie sich fühlte - nicht in den Speisesaal gehen. In der Toilette dort hatte es keine Seife gegeben und sie fühlte sich so, als hätte sie nicht alles Blut abbekommen, was durchaus der Wahrheit entsprechen konnte.


    Nachdem sie geduscht und sich umgezogen hatte, diesmal ein einfarbig rotes Spaghettiträger-Top von der Anstalt und eine verwaschene Jeans, und die alten Sachen losgeworden war, marschierte sie zielstrebig mit noch deutlich feuchten Haaren in die Cafeteria. Kuchen zum Mittagessen war zwar nicht so ihr Fall, aber sie hatte nunmal Hunger und wenn es sonst nichts gab… Jedoch hoffte sie dass das Zeug nicht so süß sein würde, sonst wurde ihr am Ende noch schlecht wenn sie sich daran satt essen wollte.
    Schließlich holte sie sich ein paar kleinere Stücke Obstkuchen und ein Stück Schokokuchen und setzte sich an den nächstbesten Tisch. Nach dem ersten Stück fiel ihr auf, dass die Person schräg gegenüber von ihr jemand anderen mit einer gewissen Faszination zu beobachten schien. Neugierig was so interessant war drehte Leira sich um, aber sie sah nur Marika, die gerade aufstand und den Raum verließ. Und dabei immer noch die gleichen Sachen wie bei ihrer Ankunft trug. Nachdem sie heute aber selbst schon so viel Blut gesehen hatte, zeigte sie sich beim Anblick der paar Spritzer jedoch gleichgültig als ob es nichts besonderes wäre. Schon lustig wie schnell sich Ansichten ändern konnten.


    Ihr Blick kehrte zu der Person am Tisch zurück. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht. Es sah wirklich nicht so aus als wäre der junge Mann irgendwie schockiert oder zumindest angewidert. Was nicht ganz normal war, oder? Auch wenn Leira gerade nicht sagen konnte, wie sie noch vor ein paar Tagen reagiert hätte. Schreiend weggerannt wäre sie schonmal nicht, aber fasziniert wäre sie sicher auch nicht gewesen.
    Ihr fiel auf dass sie ihn noch nie gesehen hatte, wobei sie nicht davon ausging bereits allen Bewohnern schonmal begegnet zu sein. Sie war sich jedoch sicher, dass er weder bei dem Lichtspektakel in Oscuras noch bei dem Stadtausflug dabei gewesen war. Sie schluckte ihren Kuchen runter und riet einfach mal ins Blaue “Du bist neu hier, oder?” Sollte sie sich getäuscht haben würde er schon widersprechen.
    Obwohl sie selbst erst einen Tag hier war, sah sie sich nach allem was passiert war nicht mehr wirklich als "neu" an. Eher als "eingeweiht", auch wenn sie darauf hätte verzichten können.



    OT: Ja, ich meine den Neuen (Nic) ;)

    Der Sänger wollte wohl darauf raus, dass er keine Wahl gehabt hatte als sich den Bestien anzuschließen, aber Leira war dennoch nicht überzeugt. War er zuerst ein Auftragskiller gewesen und wurde deshalb von den Biestern angeheuert, oder haben sie ihn erst dazu gezwungen? An zweiteres glaubte sie nicht, warum sollten die Bestien wahllos irgendeinen Menschen zu ihrem Handlanger machen - gut, Colmann war vielleicht nicht irgendeiner… aber… ach, zur Hölle mit ihm! Sie wusste nichts über ihn, und war auch gerade nicht in der Stimmung sich über das wenige das sie wusste den Kopf zu zerbrechen. Ihr fehlte ohnehin viel zu viel Information um das Puzzle zusammensetzen zu können, also brauchte sie es erst gar nicht versuchen. Oder… “Eine Sache gibt es noch, die ich gerne wissen würde”, begann sie schließlich wieder zu sprechen, nachdem sie eine ganze Weile geschwiegen hatte. “Wie kommt es, dass du für die Viecher gearbeitet hast, wenn sie Menschen wie uns doch-” hassen, hatte sie sagen wollen, doch sie überlegte es sich mitten im Satz anders. “Du bist kein Erleuchteter”, stellte sie etwas verspätet verwundert fest und wusste plötzlich, dass es die Wahrheit war. Sie konnte es sich nicht wirklich erklären, aber irgendwie, mit einem ihr unbekannten Sinn, konnte sie den Unterschied fühlen. “Aber warum…? Du heilst bereits… Wie ist das möglich?” Ihre Verwirrung war Leira deutlich anzumerken.


    „Erleuchteter?“, wunderte sich Jimmy und man konnte sehen, dass ihm dieser Begriff nicht das Geringste sagte.
    „Lichtkrieger!“, erklärte Marika knapp und sah dabei aus, als wäre es ihr nicht unbedingt recht, dieses Detail dem Mann preiszugeben. Dieser schnellte mit aufgerissenen Augen in eine aufrecht sitzende Position, was aber nur zur Folge hatte, dass er sich sofort wieder Stöhnend zusammenkrampfte. Seine Wunde schien er gerade wohl vergessen zu haben.
    „Mach keine Scherze!“, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen schließlich heraus und lehnte keuchend wieder den Oberkörper an den Automaten, an den in Art zuvor gelehnt hatte. „Das, diese KINDER sollen die angeblich vom Licht erfüllten Hoffnungsträger der Menschheit sein?“ Er blickte sich zweifelnd im Raum um und schüttelte den Kopf. „Das erklärt zumindest, warum du deine einzelgängerische Lebensart aufgegeben hast, aber ganz ehrlich, die Geschichte hat da mal wieder zu viel versprochen.“
    „Ich weiß, laut den Angaben dieses Freakordens sind die Lichtkrieger die Elite der Menschheit und noch viel mehr.“, stimmte Marika augenrollend zu, „Du hast doch wohl diesen Müll nicht geglaubt.“ Dann wandte sie sich an Leira: „Wir sind nicht die einzigen mit besonderen Kräften. Es gibt da draußen auch noch andere. Ich kann es dir nicht erklären, aber es ist so. Die Bestien bedienen sich schon lange derer, die über ein solches Talent verfügen und Jimmys Regenerationskraft ist so hoch, dass er in gewissen Kreisen als fast unbesiegbar angesehen wird, weshalb er auch als Mensch sich einem Dwouchsé stellen könnte.“


    Das Wort sagte dem jungen Mann offenbar nichts und Leira musste nur zu bald feststellen, dass sie wohl gerade etwas ausgeplaudert hatte, was nicht für jedermanns Ohren bestimmt war. Andererseits, früher oder später hätte er es wohl eh herausgefunden, daher hatte sie kein übermäßig schlechtes Gewissen.
    Dass die Erleuchteten aber nicht die Einzigen mit besonderen Kräften waren, war eine sensationelle Neuigkeit für sie. Wenn man bedachte, dass sie bis vor ein paar Tagen noch geglaubt hatte sie wäre die Einzige… Aber so besonders war sie dann wohl doch nicht. Nur… Das bedeutete, dass ihre Feinde nun also nicht nur diese Riesen-Wildschweine waren sondern auch noch wer weiß wie viele Menschen mit Superkräften. Das hat uns gerade noch gefehlt.
    Jedoch konnte sie nicht umhin, den Sänger nach Marikas Erklärung mit neuem Respekt zu betrachten. Sich alleine einer Bestie stellen zu können, dazu musste man wirklich stark sein. Mit ihrer eigenen schwachen Abwehr würde sie selbst nur wenige Sekunden durchhalten, das wusste sie genau. “Also sind unsere menschlichen Feinde viel mächtiger als wir… Das ist beunruhigend”, murmelte Leira nachdenklich, aber laut genug dass man sie noch verstehen konnte.


    Marika und Jimmy wechselten einen Blick der deutlich machte, dass die beiden mehr wussten, als sie preisgaben.
    „Weißt du Young Lady, um die Menschen, die sich mit unseren Freunden verbündet haben, würde ich mir die geringsten Sorgen machen. Denn egal wie stark ein Mensch auch sein mag und welche Kräfte ihm innewohnen, sein Körper ist schwach. Ein gut gezielter Schuss, ein Treffer mit einem Messer und kein Mensch stellt mehr eine Gefahr dar. Außerdem neigen Menschen dazu nur das zu glauben, was sie glauben wollen, was sie dem offensichtlichen gegenüber blind macht. Aber diese Wesen sind ein ganz anderes Kaliber. Vor allem Emgour. Nicht nur, dass dieser Wahnsinnige ein Genie ist, das die meisten hellen Köpfe dieser Erde alt aussehen lässt, er hat sich inzwischen auch mehr Macht angeeignet, als du es dir nur vorstellen kannst. Seine Helfer finden sich nicht nur in berühmten Popbands, die eingesetzt werden, um seine Philosophie unter die Leute zu bringen, sondern auch in Regierungen, der Chefetage namhafter Firmen, Polizei und ich weiß nicht wo noch überall. Mal davon abgesehen, dass er verboten stark ist. Als ich noch an seiner Seite stand hat er sich auf einer Autobahn mal vor einen vollbeladenen LKW geworfen, weil er wissen wollte, ob ihm so viel Stahl etwas anhaben kann. Das Ergebnis war Totalschaden bei dem Fahrzeug, ihm selbst ist nicht viel passiert. Solltest du also jemals sehen, wie seine schwarzen Schwingen den Himmel verdunkeln, dann lauf und hör am besten nicht mehr auf zu laufen, egal, was um dich geschieht. Denn auch wenn er ein arrogantes, selbstverliebtes Arschloch ist, ist er es wohl zurecht. Ich kenne keinen anderen Dwouchsé, der es mit diesem geflügeltem Monstrum aufnehmen könnte.“


    “Was, manche von denen können fliegen?”, entfuhr es Leira überrascht. Sie versuchte es sich bildlich vorzustellen, wie etwas von den Ausmaßen eines Dwouchse durch die Gegend flatterte, aber das war dann, im wahrsten Sinne, doch eine Nummer zu groß für ihre Fantasie.


    „Ja können sie. Angeblich sind so die Geschichten über Drachen in Märchen entstanden.“, erklärte Jimmy plötzlich mit einem fast schon Gehessigen Lächeln und wandte sich Marika zu, „Aber ich glaube andere Leute können dazu wohl eher etwas sagen, meinst du nicht auch, Marika?“ Ihren Namen betonte er besonders, als würde er sich irgendeine Leckerei auf der Zunge zergehen lassen. Sie hingegen verengte die Augen mit unverhobener Abneigung und schürzte die Lippen, ehe sie sich demonstrativ wegdrehte. „Ich habe keine Ahnung, was du Vollidiot meinst, aber ich werde jetzt mal zusehen, dass ich deine Messerchen eingesammelt bekomm.“, verkündete sie über die Schulter und entfernte sich schnell von den beiden.



    OT: Und Teil 2. Jetzt wissen wir doch ein bisschen mehr^^


    OT²: Anweisung von der Leiterin, die so frech ist und hier einfach reinkritzelt^^:
    Die Leut, die die Deathblades hatten, sollten diese bitte wieder zurückgeben, denn erst danach werden wir das Kabuf verlassen^^ ~ Sheewa

    “Amen!”
    Dieses Wort beendete die seltsame Magie, die von allen Erleuchteten Besitz ergriffen und sie gedrängt hatte, die Bestie zu attackieren. Nur kurz zuvor hatte diese ebenfalls noch geleuchtet und danach das Zeitliche gesegnet. Der Spuk war vorüber.


    Leira ließ ihre provisorische Waffe los und taumelte zurück. Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihre Hände mit dem Blut der Bestie benetzt waren und es ihr bis zu den Ellbogen heruntergelaufen war. Igitt! Was war nur in sie gefahren? Was war nur aus ihrer “Abstand halten und zuschauen”-Strategie geworden? Stattdessen hatte sie nichts besseres zu tun gehabt als das Biest direkt anzugreifen und jetzt wie ein Metzger auszusehen. Bäh das ist ja so widerlich!
    Leira war wirklich keines der Mädchen die ohnmächtig umkippten wenn sie Blut sahen, aber… sich damit regelrecht einzusauen fand sie absolut nicht mehr witzig. Toilette, irgendwo musste es hier doch einen Waschraum geben, selbst in einer abgefu- heruntergekommenen Spelunke wie dieser hier. Fast ein wenig panisch sah sie sich um bevor ihr Blick auf die eingedrückte Tür fiel an der sie zuvor schon einmal vorbei gekommen war. Bingo.


    Die Toilette - es gab nur eine für alle - sah wirklich nicht einladend aus, und es gab natürlich weder Seife noch etwas zum abtrocknen (nicht einmal Klopapier). Zumindest funktionierte der Wasserhahn, darüber konnte sie noch froh sein. Leira sah an sich herunter. Ihre Klamotten hatten auch noch ein wenig abgekriegt, aber es waren nur ein paar Spritzer. Vernachlässigbar. Sie bereute jedoch dass sie ihre neuen Sandalen gleich angezogen hatte, wenn sie gewusst hätte was sie erwartet hätte sie- Wenn ich gewusst hätte was mich erwartet, wäre ich erst gar nicht zum Bus zurückgekehrt, dachte sie trocken. Sie würde ihre neuen Sandalen zwar noch nicht unbedingt als “hinüber” einstufen, aber sauber waren sie nicht mehr.
    Erst nachdem sie sich Hände und Arme so lange abgespült hatte bis sie in dem schummrigen Licht keine Blutflecken mehr erkennen konnte, wagte sie sich wieder vor die Tür. Zudem hatte sie nach kurzer Überlegung einfach ihre Füße samt Schuhen noch unter den Wasserstrahl gehalten, um sämtliches Blut abzuwaschen, in das sie getreten war. Denn ausziehen kam natürlich überhaupt nicht in Frage - wer wollte sich schon barfuß auf diesen Boden stellen? Sobald sie vor die Tür raus in die Sonne kamen würden sie barfuß weitergehen. Jetzt musste sie sich nur noch einen Weg nach draußen bahnen, ohne sich erneut einzusauen.


    Es war Leira etwas unangenehm, dass ihre Schuhe bei jedem Schritt ein leicht schmatzendes Geräusch von sich gaben, aber es war ihr immer noch lieber, als mit blutigen Sandalen/Füßen herumzulaufen. Da sie diesmal genau darauf achtete, worauf sie trat, brauchte sie diesmal viel länger um die Halle wieder halbwegs zu durchqueren.
    Erst als sie in die Nähe des Ausgangs kam und mal für einen Moment den Blick vom Boden abwandte, merkte sie, dass die anderen ja noch immer auf dem Leichenfeld verstreut herumstanden bzw. -saßen, aber ein paar noch in einer Ecke um jemanden herumstanden. Was machten die denn alle? Heißt deren Devise etwa nicht “nichts wie weg hier”? Leira hatte definitiv nicht vor, es sich jetzt hier gemütlich zu machen. Definitiv nicht.


    Sie holte sich ihre Einkaufstüte, die sie in der Nähe des Eingangs vorhin fallen gelassen hatte als sie sich übergeben musste. Dabei bemerkte sie, dass Marika und der … Typ den sie nicht kannte miteinander redeten. Eigentlich wollte sie nichts lieber als raus hier, aber ein wenig neugierig war sie dann doch, welchen Halbtoten die anderen da unter dem Leichenberg rausgezogen hatten. Langsam kam sie näher, jeder Schritt weiterhin ein schmatzendes Geräusch.
    Erst neben Marika blieb sie stehen und sah ebenfalls auf den jungen Mann herunter. Vielleicht lag es an ihrer Müdigkeit oder an den Verletzungen des anderen, oder vielleicht auch daran dass sie sich nie groß mit Promis auseinandergesetzt hatte - jedenfalls erkannte sie ihn nicht. “Wer ist der Kerl?”, fragte sie an Marika gewandt und strich sich müde eine Strähne aus der Stirn. “Kommt der mit oder lassen wir den da? Und warum können wir nicht endlich gehen?”


    „Keine Sorge, den brauchst du nicht zu kennen.“, antwortete Marika abwertend, worauf der Mann selbst nur ein beleidigtes „Hey!“ zu hören gab. „Er heißt Jimmy Colmann und war bis vor einem Jahr Sänger von einer Band, aber keine Ahnung wie die so waren. Der Witzbold hier ist eigentlich auch Blond und nicht schwarz, falls man diesen Versuch überhaupt als färben bezeichnen kann und eigentlich nur dafür bekannt, dass er alles angräbt, was nicht bei drei auf dem Tisch ist. Wanns zurückgeht, musst du die Leiterin fragen, das weiß ich doch nicht, aber ich fürchte, hier muss erst noch aufgeräumt werden, sonst war unsere Mühe umsonst.“


    “Aufräumen?” Leira glaubte sich verhört zu haben. “Wie soll man dieses Schlachtfeld denn noch aufräumen? Ein Feuer legen und abhauen?” Der Vorschlag war nicht ganz ernst gemeint, jedoch fiel Leira nicht wirklich etwas besseres ein. Es würde Stunden dauern die ganzen Leichen abzutransportieren, ganz zu Schweigen von den zerstörten Automaten und dem blutigen Chaos. Und ganz zu Schweigen von einer gewissen Bestie mit monströsen Ausmaßen, deren toter Körper noch über allem thronte und es locker in jeder Zeitung auf die Titelseite schaffen würde.


    „Zum Beispiel!“, stimmte die Streunerin ihr zu, „Solange wir nur dafür sorgen, dass niemand den Krouchug findet, besteht für sie keine Notwendigkeit etwas zu vertuschen und nur weil einer dieser Matschbirnen fehlt, werden sie nicht herkommen. Damit hätten wir erreicht, was wir wollten, was dieses Chaos hier angeht… das wird noch ne echte Schufterrei.“ Auch Marika klang alles andere als begeistert. Nun mischte sich allerdings wieder Jimmy ein: „Sag mal, sind eigentlich noch andere Dwouchsé in der Nähe? Du kannst sie doch angeblich aufspüren.“ Die Streunerin allerdings ignorierte ihn gekonnt und wandte den Blick nicht von Leira ab.


    Marika schien den Vorschlag jedoch durchaus ernst zu nehmen. Na gut, warum eigentlich nicht. Also von Hand aufräumen will ich nicht. Auch wenn sie meint dass das erforderlich wäre…
    “Okay, ich bin für das Feuer”, erwiderte Leira und grinste schwach. “Dann kann uns das Chaos auch egal sein. Vandalismus mit Brandstiftung. Oder so.” Jedoch fragte sie sich, ob man nicht wenn alles heruntergebrannt war, die Knochen der Bestie finden würde. Als was sollte man die tarnen? Als Dinosaurierfund? Wohl kaum. “Aber die Überreste einer gewissen Bestie würde man danach wohl immer noch finden”, fasste sie ihre Gedanken in Worte. Sie folgte Marikas Beispiel indem sie den Sänger ebenfalls ignorierte.


    „Deswegen hab ich ja gefragt, ob noch Gefahr in der Nähe ist.“, mischte sich erneut der Verletzte ein, offenbar mochte er es gar nicht ignoriert zu werden und diesmal wandte sich Marika ihm auch tatsächlich zu. „Ich glaube nicht, dass noch welche in der Nähe sind.“, antwortete sie knapp und ablehnend.
    „Du glaubst? Was soll das denn heißen, ich dachte dein ‚Radar‘ wär unfehlbar?“, kam es fast schon enttäuscht von dem ehemaligen Sänger, der darauf schon wieder husten musste. Nun brauste die Streunerin richtig auf. „Verdammt noch mal, das wäre es auch, wenn mir hier nicht so ein Volldepp mit seiner Aura meine Sicht vernebeln würde!“, herrschte sie ihn an.
    „Was denn du kannst mich fühlen? Aber ich bin doch…“, setzte er verwirrt an.
    „Ich kann jeden Menschen fühlen, der sich lange in der Nähe dieser Wesen aufgehalten hat, ihre Aura färbt ab. Und wie lange warst du Emgours rechte Hand?“, erklärte sie sarkastisch.
    „Schon ok, hab dich nicht so.“, murrte er, „Wenn ich mich auf deine Aussage verlassen kann, dass keiner in der Nähe ist, bleib ich hier, bis meine Verletzung soweit abgeklungen ist, dass ich mich wieder vernünftig bewegen kann und mach dann sauber. Ich hab immerhin Übung darin.“


    Verwirrt lauschte Leira dem Gespräch der beiden, das bei fast jedem Satz eine weitere Frage aufwarf. Zwar hatte sie verstanden, dass Jimmy Coleman wohl ein Selbstheiler sein musste, jedoch hatte sie keine Ahnung wessen “rechte Hand” er wohl einmal gewesen war oder wie er dieses Chaos alleine aufräumen wollte. “Na dann bin ich mal gespannt…”, ließ sie verlauten und sah etwas skeptisch drein.


    OT: Zusammen mit Sheewa.

    Ihr Lockversuch schien zu funktionieren, die Bestie hielt exakt auf sie zu. Nur tauchte plötzlich dieses Mädchen wieder auf und rannte vor ihr wie wild hin und her.Was zum…?
    “Verschwinde gefälligst!”, schrie Leira sie nach der ersten Schrecksekunde an, doch da rannte das Vieh bereits in ihre Wand. Den Aufprall begleitete ein dumpfer Schlag verbunden mit einem grellen Aufleuchten der getroffenen Barriere, das Leira dazu veranlasste, schleunigst ein paar Schritte weg zu stolpern, als die Wand auch schon splitterte und die Bestie verlangsamt und verwirrt ihren Weg fortsetzte, immer noch so abgelenkt von den beiden Reitern dass sie Leira wohl mittlerweile schon wieder vergessen hatte.


    Leira stieß ihren angehaltenen Atem aus. Sie hatte die Wand wieder nicht halten können. Obwohl die Bestie mittlerweile nicht mehr allzu gut zu Fuß sein dürfte und sie den Abstand im Vergleich zum letzten Mal ganz drastisch gekürzt hatte. Wahrscheinlich konnte sie froh sein dass die zwei anderen, die auf der Bestie saßen, noch verrückter gewesen waren als sie, sonst hätte der Krouchug ja jetzt sie aufs Korn genommen.
    Dennoch, das war überhaupt keine Rechtfertigung für dieses Teleporter-Mädchen, einfach dazwischen zu springen! Was wäre passiert wenn es sich auf die falsche Seite, oder noch schlimmer, direkt in die Barriere hinein teleportiert hätte? Sie schauderte. Wo war die lebensmüde Teleporterin überhaupt? Weg, natürlich.


    Aber bevor Leira sich darüber Gedanken machen musste, wie sie nun mit dem Krouchug vor ihr und der Wand (der richtigen, der Gebäudewand) hinter ihr wieder aus dieser Sackgasse herauskam bevor das Biest sie doch noch bemerkte, passierte etwas unerwartetes. Die Heimleiterin sagte irgendetwas, woraufhin einige Lichter aufleuchteten.
    Lichter? Erst im nächsten Moment erkannte Leira dass das Licht von jedem der Jugendlichen ausging, genauer von ihrem Mal. Es war richtig hell, aber es blendete sie seltsamerweise gar nicht. Leira drehte den Kopf leicht zur Seite, wo gerade die Sonne aufgegangen zu sein schien. Die gezackte Strahlenform, die sich halb über Brust und Schulterblatt zog sendete ihr silberweißes Licht so hell aus, dass es mühelos durch ihre Kleidung hindurchblendete. Leira bemerkte, dass die inzwischen wieder reiterlose Bestie vor dem Leuchten zurückwich, so unglaublich das auch schien. Sie schaltete jedoch schnell und nutzte die Chance, über die Trümmerteile weiter von der Bestie weg zu klettern.


    Die Heimleiterin sagte wieder etwas und irgendetwas an der Atmosphäre im Raum änderte sich. Die Erleuchteten griffen an, Messer und Kugeln schossen zielgenau auf das Biest zu, so genau als würden sie von einer unsichtbaren Macht gelenkt werden. Und nicht nur das, sie zogen farbige Schlieren nach sich, denen Leira fasziniert mit den Augen folgte, und machten plötzlich auch viel mehr Schaden als zuvor je möglich gewesen war.
    Jetzt kriegt dieses Drecksvieh endlich das was es verdient hat, dachte sie mit plötzlicher Befriedigung. Das Monster war für all diese Zerstörung, all diese Opfer verantwortlich, es musste dafür ausradiert werden! Wenn das Vieh endlich tot ist können wir hier weg… ich halts auf diesem Leichenfeld bald nicht mehr aus… Leira ließ ihren Blick suchend durch den Raum schweifen, um etwas zu finden dass sich als Waffe eignete. Ihr Blick sprang über ein gesplittertes Display und eine eingedrückte Tür hinweg und blieb schließlich an einem abgebrochenen Standbein eines Flippers hängen. Das sieht doch scharfkantig aus.
    Sie stand langsam auf und holte sich das betreffende Stück, bevor sie sich zurück zu dem Monster umdrehte. Als sie auf es zuging begann das Metallteil in ihrer Hand weiß aufzuglühen, auch wenn es dennoch kalt blieb. Leira sah plötzlich die Risse in der Panzerung wo bereits eine Einschusswunde gewesen sein musste und stieß die scharfkantige Spitze mit aller Kraft die sie noch aufbringen konnte hinein.

    Und dann ging es doch wieder viel zu schnell, wie so oft in diesen Situationen wo man dachte man hätte es jetzt unter Kontrolle. Das Mädchen von vorhin kehrte zurück und griff erneut an und verschwand genauso schnell wieder, wobei Leira sich jetzt endlich erinnerte, die Teleporterin schon beim ersten Krouchug im Einsatz gesehen zu haben. Kaum dass sie weg war, schoss irgendetwas in die Augen des Ungeheuers, was leider wieder Leben in dieses brachte.
    Marika war plötzlich wieder da, stieß Xaroc zur Seite und kletterte auf die Bestie. Das macht sie jetzt nicht wirklich oder? Leira konnte sie nur anstarren, während Marika erneut Xaroc zurief dass er verschwinden solle. Obwohl sie nicht gemeint war, aber ebenso in der Nähe herumstand, zog Leira sich ein Stückchen zurück. Xaroc aber schien es sich plötzlich anders zu überlegen und beschloss sich dem Rodeoversuch anzuschließen. “Hey bleib hier!”, rief sie noch, aber da war es schon zu spät. Der Junge hatte sich bereits in eine Position manövriert, in der er kaum mehr los lassen konnte da die Bestie ihn ansonsten zertrampeln würde. Verdammt!
    Und als wäre das alles noch nicht genug gewesen hatte die Bestie nur wenige Sekunden zuvor Tomomi erwischt, die sich auf der anderen Seite des Monsters befand. Leira konnte es erst jetzt richtig sehen, vorher hatte das Vieh die Sicht versperrt. Zum Glück wurde ihr jedoch schon geholfen, Leira erkannte das gleiche Mädchen mit dem sie zuvor auch gesprochen hatte.


    „Bist du vollkommen bekloppt?“, schrie plötzlich jemand und - das gibts jetzt nicht oder? - lief auch noch auf die Bestie zu. Waren die eigentlich alle lebensmüde? Es kam wie es kommen musste, und den Militärheini erwischte es wie zuvor Tomomi. Da er jedoch kurz darauf wieder stand, nahm Leira an, dass er zum Glück nicht ernsthaft verletzt worden war. Sie hatte sich tatsächlich für einen Moment Sorgen gemacht... Dennoch - jetzt reichts.


    Entschlossen lief Leira mit einigem Abstand so weit um das Monster herum bis sie in dessen Blickfeld kam. Mit einer kaum wahrnehmbaren Handbewegung stellte sie eine ihrer Wände in kaum einem Meter Entfernung vor sich auf. “Huhu, hier bin ich!”, rief sie dann der Bestie zu und winkte. Gleichzeitig machte sie sich bereit seitlich wegzuspringen für den Fall dass sie die Barriere nicht halten konnte. Dennoch, mit dem Kopf durch die Wand würde die Bestie nicht nur verwirren, sondern wohl auch ziemlich benommen werden lassen.
    Zum Glück erinnerte sich Leira jetzt auch wieder daran, dass die Bestie sie wohl nicht verstehen würde, daher riskierte sie es, den beiden “Reitern” eine Warnung zukommen zu lassen: “Macht euch auf einen Aufprall gefasst!”



    *sich der Fraktion der Lebensmüden anschließt*, scheint Spaß zu machen ^^

    Leira hoffte dass sie das sensible Mädchen durch ihre Wortwahl nicht zu sehr geschockt hatte, jedenfalls konnte sie das blickvermeidende Verhalten nicht richtig deuten. Dann überraschte Tomomi Leira jedoch als sie sich für ihr Verhalten in der Kantine bedankte. Ach, das gestern… Es kam ihr vor, als ob es schon eine Ewigkeit her wäre. “Ähm, kein Problem, nichts zu danken...” Schon wieder geriet sie etwas in Verlegenheit.
    Tomomi flüsterte noch etwas anderes: "I-ihr müsst nicht hier sein...wenn ihr nicht wollt....wir können das erledigen...es ist gefährlich..."
    Leira starrte sie verblüfft an. Tomomi war wohl um einiges jünger als sie und gab ihr den Rat dass es gefährlich war? Hatte sie selber gar keine Angst? Nein, sie würde sich sicher nicht von einem jüngeren Mädchen wegschicken lassen, weil es zu gefährlich sei!
    Leira schüttelte bestimmt den Kopf. “Nein, ich laufe nicht weg... Gerade wenn es gefährlich ist sollte ich lieber helfen, nicht?” Auch wenn ich nicht weiß wie, wenn ich mir das Biest so anschaue… Verdammt, es ist riesig! Wie soll ich das jemals aufhalten…?


    Die Melodie eines der Spielautomaten riss sie aus ihren Gedanken. Es war zwar auch zuvor nicht so totenstill gewesen wie man vielleicht häte denken können, doch allein durch die Anspannung empfand sie das Geräusch unangenehm schrill und laut, und entsprechend erschrak sie auch darüber. Sofort zuckte ihr Blick weiter zu dem Monster, welches wie erwartet sofort auf die Geräuschquelle zusprang und diese eliminierte. Das Geräusch verstummte im Krachen und Knirschen als es den Automaten zerbiss und sich ein Münzregen über den Angreifer ergoss, was diesen nur noch wilder machte.
    Obwohl der Spielautomat auf der anderen Seite des Raumes stand wich Leira instinktiv weiter an die Wand hinter ihr zurück und machte sich kleiner. Dass Marika gesagt hatte der Krouchug würde sie nicht wahrnehmen war ihr bereits entfallen.


    „Ich fresse dich! Du kannst nicht entkommen! Komm her, Fressi-Fressi-Fressi!“
    Das Vieh kann sprechen??, war das erste was Leira in den Sinn kam, parallel zu dem Gedanken dass ihre Welt wirklich jede Sekunde kranker wurde. Sie kam sich vor wie in einem dieser schlechten Effekt-Horrorfilme über die man im Prinzip nur lachen konnte. In der Realität war es allerdings alles andere als lustig. Es war grauenvoll.
    Und zum Klang der Stimme kam Leira zunächst nur ein einziges Wort in den Sinn: irre. Wobei es außerdem noch so klang als gehörte sie zu einer Person auf Drogen oder besoffen oder beides. Aber das war noch nicht alles. Das Monster packte irgendwas auf dem Boden liegendes und… ne jetzt… Leira drehte ahnungsvoll gerade noch rechtzeitig den Kopf weg um nicht mit ansehen zu müssen wie der Leichenfresser sein Werk verrichtete. Das ist sowas von abartig!
    Sie verbarg ihr Gesicht in ihrer Armbeuge, doch die begleitenden Geräusche konnte sie leider nicht aussperren, und zu allem Überfluss spürte sie wie ihr bereits wieder die Galle hochkam. Parallel dazu spürte ihr wie ihr diesmal zudem Tränen aus den Augenwinkeln liefen, ob aus Angst oder Überforderung oder vielleicht auch von der Übelkeit konnte sie nicht sagen, vermutlich alles zusammen und noch mehr. Leira war kurz davor zum zweiten Mal dem dreckig-blutigen Teppich eine weitere Nuance hinzuzufügen - Zum Glück kam es jedoch nicht soweit, denn das Geräusch eines Schusses ließ sie hochschrecken und reflexartig fast gegen ihren Willen wieder hinsehen. Der Krouchug sprang wild durch die Gegend, was bei seiner Größe durchaus bedenklich wirkte - immerhin könnte das Gebäude einstürzen wenn er etwas fester gegen eine Wand sprang, oder?


    Bevor dies jedoch geschehen konnte, tauchte auf einmal ein Mädchen vor ihm auf.
    Wie ist sie da hin gekommen? Und was zur Hölle tut sie da??
    Leira konnte nur bewegungslos zusehen wie das Mädchen, dessen Namen sie nicht kannte, auch wenn sie sich sehr wohl erinnerte dass es diese vehemente Realitätsleugnerin war, sich abrollte, sich neben dem Monster positionierte und mit einem scharfen, leicht schillernden Gegenstand ins Bein der Bestie hieb. Verständlicherweise machte das diese nur umso rasender. Ein zweiter Stich traf sie im Bauchbereich, dann ein Schrei - menschlich diesmal - und das Mädchen war verschwunden. Leira sprang zurück auf die Füße. Hatte die Bestie sie niedergetrampelt? So sehr sie auch starrte, sie konnte niemanden entdecken - von den zahlreichen Leichen mal abgesehen.


    Erneut knallten Schüsse und Leira duckte sich erschrocken zurück in Bodennähe. Als sie schließlich hinsah stellte sie fest, dass es nicht Marika war die schoss. Der!, dachte sie überrascht. Ich dachte der wäre schon längst über alle Berge, warum ist er zurückgekommen? Wie hat er hergefunden? Egal! Sie blickte zurück auf die Bestie, die getroffen plötzlich zusammensackte. Jedoch erkannte Leira schnell dass es nicht lebensbedrohlich verletzt war, es waren vielmehr die Beine, die das schiere Gewicht nicht mehr tragen konnten.
    „Bewegt euch, verdammte noch mal. Verteilt euch und bringt das Miststück um!“

    Soll ich es etwa erwürgen?, dachte Leira schwach sarkastisch, sie hatte weder eine Waffe noch eine Fähigkeit, die in irgendeiner Weise Schaden machte. Eigentlich konnte sie nichts anderes tun als zuschauen und sich außer Reichweite halten oder? Dennoch hörte sie auf damit in ihrer Ecke zu sitzen und auf die nächste Übelkeitsattacke zu warten, und erhob sich vorsichtig auf ihre zittrigen Beine. Sie tat es dem Schützen gleich, der sich nun ebenfalls langsam der riesigen Bestie näherte, die für den Moment geradezu hilflos auf der Seite lag.
    Plötzlich sprang ein Junge in ihr Blickfeld und stach mit einer ebenfalls schimmernden Klinge in den Bauchbereich des Monsters, wo das verschwundene Mädchen zuvor bereits getroffen hatte. Die Bestie zappelte. Das war’s definitiv noch nicht. Leira fragte sich allmählich auch etwas, ob die Bestie in ihrem Rausch überhaupt wahrnahm dass sie verletzt war. Sie war schließlich kein normales Tier dass ab einem bestimmten Verletzungsgrad die Flucht ergreifen würde. Dieses Vieh würde kämpfen bis es auseinander fiel.


    Kurz vor der Bestie angekommen hielt sie mit ein wenig Abstand inne, einerseits um nicht im Weg zu stehen, andererseits zu ihrer eigenen Sicherheit. Wobei sie sogar mehr darauf achtete nicht in der Schusslinie zu stehen als sie auf die Bestie achtete, die sie gerade als die geringere Gefahr einstufte. In großem Bogen ging sie um den Krouchug herum bis sie ein Stück hinter Xaroc stand.
    Sollte die Bestie sich jetzt zu sehr wehren oder wieder auf die Füße kommen, war sie zuversichtlich jetzt in der Lage zu sein sich selbst und den anderen schnell von ihr abzuschneiden. Erstens würde das Biest mit zwei oder drei verletzten Beinen nicht mehr die nötige Geschwindigkeit erreichen können um einfach durchbrechen zu können und zweitens war sie diesmal viel näher dran als beim letzten Mal. Und je kürzer der Abstand zwischen Wand und Erschafferin, desto stabiler die Wand. Und selbst wenn es wider Erwarten nicht halten würde, es würde ihnen die nötige Zeit zum weglaufen verschaffen.
    Ihre Übelkeit war plötzlich vergessen, als sie die Bestie genau beobachtete um bei der ersten falschen Bewegung einzuschreiten.

    Marika führte die Gruppe - soweit Leira das sehen konnte, hatten sich alle angeschlossen - zu einer Art Spielkasino. Genauso wie Art war Leira aber auch nicht ganz überzeugt von dem ganzen Unternehmen, ihr erschloss sich immer noch nicht ganz warum sie vor dem Säuberungskommando sicher wären wenn sie sich auch noch direkt an den Tatort begaben. Würden ihre Duftspuren und die Leiche eines Krouchugs nicht für dessen Mit-Biester sehr deutlich beweisen dass gleich ein Haufen Menschen von ihrer Existenz wusste?
    Allerdings blieb Leira nicht viel Zeit darüber nachzudenken, denn schon betraten sie den etwas gruselig wirkenden Hinterhof. Marika wies die Gruppe an, keinesfalls hinter den verlassen wirkenden Tresen zu gucken, was Leira auch nicht ganz verstand. Was sollte da denn sein?
    Dieses Gefühl verstärkte sich als sie weiter ins Innere gingen, denn was auch immer hinter diesem Tresen hätte sein sollen, es hätte wohl kaum schlimmer sein können als das Bild was sich ihnen jetzt bot: Der Spielraum war völlig verwüstet, leblose Körper bedeckten den Boden, der dunkelrot glänzte. Leiras Verstand brauchte erst einen Moment um die Lage überhaupt zu verarbeiten, so sehr überforderte sie das was sie sah. Sobald sie es realisierte drehte sich ihr der Magen um. Widerlich! Sie hatte noch nie echte Leichen gesehen und nun gleich so viele davon, die zum Teil nicht mal mehr an einem Stück waren, das war.. zu viel. Leira machte ein paar schnelle Schritte weg von den anderen und übergab sich an Ort und Stelle direkt auf den Boden. Es ging ziemlich rasch, und danach war ihr noch schlechter als zuvor, ihr war etwas schwindlig und musste sich an der Wand abstützen. Oh verdammt… Naja, der Teppich ist eh hinüber… Aber trotzdem…


    Beinahe direkt von ihren Füßen landete ein Schwall von Erbrochenem. Verwundert sah sie auf, ihr trüber, abwesender Blick klärte sich. Ein Mädchen, sie war Clea bisher noch nicht wirklich aufgefallen, hatte sich gerade ihres Frühstücks entledigt und befand sich immer noch in diesergekrümmten Haltung. "Hey!", sagte sie verwirrt. Mehr brachte sie zunächst nicht hervor, sie musste sich erst in diese seltsame Situation hineinfinden. Ein wiederlicher Geruch stieg ihr in die Nase und sie rümpfte die Nase. Aber das Mädchen konnte ja nichts dafür. Sie wunderte sich, dass sie selbst nicht so reagiert hatte. "Alles okay bei dir? Ich wette, ich habe irgendwo noch ein Taschentuch ...", erkundigte sie sich. Aus den Tiefen ihrer Hosentasche kramte sie tatsächlich eines hervor, wie auch immer es da hingelangt war. "Bitte!", sagte sie mit einem Lächeln und hielt es dem Mädchen hin. Sicher half es, ein wenig zu reden, sich abzulenken. Und laut Marika hörte das Biest sie ja nicht ...


    "Alles okay bei dir?”, fragte plötzlich eine Stimme. Leira sah auf. “Ich wette, ich habe irgendwo noch ein Taschentuch ..." Das Mädchen hielt ihr etwas hin. Leira blinzelte und nahm es geistesabwesend. “Ähm, danke. Ich… sorry” - Leira versuchte ihre Gedanken wieder irgendwie zu sortieren, während sie sich den Mund abputzte. Bah, wie eklig. “Sorry”, sagte sie nochmal, auch wenn sie nicht genau wusste wofür sie sich eigentlich entschuldigte, aber das Ganze war ihr plötzlich ziemlich peinlich. Hoffentlich hatten es nicht zu viele andere bemerkt. Schnell beförderte sie ihr Taschentuch in einen Abfalleimer. Jetzt musst du auch nicht mehr anfangen ordentlich zu werden, dachte sie selbstironisch.
    Am Rande nahm sie wahr, wie Marika Anweisungen gab, Lewis nach draußen schickte damit niemand reinkam und die anderen anwies, das Biest möglichst abzulenken und ihnen erklärte wohin sie zielen sollten, was für Leira keine Rolle spielte da sie ja eh keine Waffe hatte. Sie fragte sich ohnehin wer außer Marika mit sowas rumlief. Da fiel ihr eigentlich nur noch einer ein, aber der war ja abgehauen. Gute Entscheidung, musste sie anerkennen, das hätte sie auch besser tun sollen als sie noch die Gelegenheit gehabt hatte. Dann hätte sie das hier alles auch nicht sehen müssen und- Stopp! Jetzt nicht in Selbstmitleid versinken, wies sie sich zurecht und brachte sich endlich dazu, dem Raum einen zweiten Blick zu gönnen. Oha - unglaublich dass ihr die Bestie beim ersten Mal gar nicht aufgefallen war, sie musste wirklich sehr abgelenkt gewesen sein.


    "Ist dir nicht gut...?", fragte plötzlich eine andere Stimme, und Leira fiel auf, dass sie gar nicht mit ihr redete sondern mit dem anderen Mädchen, welches ihr gerade ein Taschentuch geschenkt hatte. Leira ging die wenigen Schritte zurück zu den beiden. “Stimmt, sie sieht etwas blass aus oder?”, meinte sie mit einem Blick auf Clea. “Ist zum Teil wohl meine Schuld, ich hab ihr ziemlich genau vor die Füße gekotzt, das hätte mich auch schockiert."
    Anscheinend gehts mir inzwischen wieder besser wenn ich schon wieder versuchen kann witzig zu sein,
    dachte Leira ironisch. Aber besser so als anders. “Danke übrigens nochmal für deine Hilfe”, fügte sie an Clea gewandt etwas verlegen hinzu. Sie sollte nicht denken dass sie sich über sie lustig machte.



    OT: Mit Apollonia

    Als sie einen seltsamen Lärm aus der Nachbarkabine hörte, beeilte Emma sich, den Badeanzug anzuziehen, um den Ursprung der Geräusche zu ergründen. Scheinbar hatte Marika Probleme beim umziehen. Solche Badeklamotten waren auch nichts für jedermann und Emma wollte auch bloß wegen der Hitze in den Pool der Anstalt, sonst hätte sie sich hiermit auch nicht diese Mühe gemacht.
    Leira beriet gerade Marika und als sie das Problem an die anderen übergab, sah Emma ihre Chance. Der schwarze Badeanzug mit den blauen Flecken saß eigentlich ganz gut, aber sie wollte auf Nummer sicher gehen, da sie absolut keine Ahnung von dem hatte, was sie gerade tat. Außerdem vertraute sie Leira. Also ging sie auf das Mädchen zu, was in ihren eigenen Kleidern aus einer dritten Kabine getreten war. "Leira?", fragte sie vorsichtig. "Kannst du mir helfen?"


    Leira drehte sich um als die Stimme ihrer Zimmernachbarin erkannte. Emma hatte auch gerade einen Badeanzug an, schwarz in der Grundfarbe und blau getupft, was irgendwie seltsam aussah. Leiras Erfahrung nach waren getupfte Sachen doch meistens weiß, und in schwarz wirkte es bestenfalls merkwürdig. "Hm, ich weiß nicht...", meinte sie etwas vage, dann blickte sie nach oben in Emmas dunkelblaue Augen, die etwas verunsichert drein blickten. Blau würde durchaus passen. Vielleicht auch in Kombination mit schwarz, aber gefleckt sah es wirklich seltsam aus. "Warte mal kurz", hielt sie die andere hin und ging kurz in den Verkaufsraum zurück wo sie einen ähnlichen Badeanzug gesehen hatte. Wenig später kam sie mit einem Teil zurück, das ebenfalls schwarz war, jedoch waren das blau fast wie Feuerwerk oder Pinselstriche darüber verteilt was etwas wie spritzendes Wasser aussah. "Zieh mal an", schlug sie vor und sah Emma erwartungsvoll an. Ob er ihr gefallen würde?


    Leira kam mit einem ähnlichen Badeanzug zurück und schickte sie zum Anprobieren. Selbst sie merkte, dass dieser deutlich besser war als jener, den sie gerade trug. Emma beeilte sich, aus dem ersten Stück herauszukommen und das andere anzuziehen. Es saß sogar fast noch besser als das erste. Mit einem diesmal guten Gefühl verließ Emma die Kabine wieder, vor der Leira noch auf sie wartete. Sie sah, wie die anderen Marika ebenfalls Badeklamotten reichten. "Und?" Erwartungsvoll sah das Mädchen ihre Zimmergenossin an.
    "Der ist super. Ich freu mich schon später im Pool schwimmen zu gehen", erwiderte Leira und lächelte. "Ich glaube wir müssen eh bald zum Bus zurück. Marika scheint auch endlich fertig zu sein." Sie drehte sich zu dem anderen Mädchen um, die gerade angezogen aus der Kabine kam.


    Nachdem Marika sich endlich für einen Bikini entschieden hatte, machten sie sich auf den Weg zurück zum Bus. Dort waren auch die meisten anderen inzwischen eingetroffen. Alicia und eines der Mädchen diskutierten eine Weile über die alte Gitarre die sich das Mädel offenbar gekauft hatte; Leira hörte nur halbherzig zu, war aber überrascht als die Heimleiterin plötzlich vorschlug die Gitarre umzutauschen gegen ein hochwertigeres Modell. Woher hat sie eigentlich das ganze Geld? Warum fühlt sie sich verpflichtet uns alles zu bezahlen? Also diese “Anstalt” war ja ganz nett und so, aber Leira fragte sich mittlerweile welcher Hintergedanke sich darin verbarg. Leute, die einem Geld gaben, wollten doch meist irgendwas dafür. Sie schüttelte den Kopf und ließ den Blick nochmal über die Anwesenden schweifen. Fehlte nicht jemand? Sie hatte nicht mitgezählt, aber nach einer Weile fiel ihr auf dass der Typ mit der Knarre fehlte. Ob er sich schon aus dem Staub gemacht hatte? Naja, vielleicht besser so, ein wenig gruselig fand sie ihn schon.


    „Verdammter Krouchug!“, kam es plötzlich wie aus heiterem Himmel von Marika, „Wir müssen sofort los! Dieser gestörte Bastard läuft gerade Amok und das vermutlich mitten in einer Menschenmenge. Wenn wir den nicht ausschalten, wird es hier richtig ungemütlich.“
    Hä? Wer läuft Amok? Leira sah sich hektisch um, in der Erwartung kreischende Menschen wegrennen zu sehen, aber alles blieb genauso ruhig wie zuvor. Was dachte sich Marika dabei sie so zu erschrecken? Der Junge namens… A.. Art? Arthur? wie auch immer - schien ähnlich zu denken wie sie, nur dass er es auch aussprach wovon Marika nicht allzu begeistert schien.
    "Ich kann nicht ungewöhnliches entdecken", stellte auch ein anderes Mädchen fest, das - wie Leira nach einem kurzen Blick in ihre Richtung, aus dem schnell ein längeres Starren wurde, feststellte, weiße Augen hatte. Also riesige milchigweiße Pupillen ohne Iris. Krass. Trägt sie deshalb eine Sonnenbrille? Bei den Augen würde ich das auch tun…
    Und wie dieser Lewis verstand Leira auch nicht ganz warum sie Superhelden spielen sollten wenn sie doch gar nicht angegriffen wurden. Marika aber erzählte etwas von irgendwelchen “Alphas” die hinter dem unterbelichteten Viech dann “aufräumen” würden und alle verfolgen würden deren Gerüche in der Fußgängerzone spuren hinterlassen hatten. Das meinte sie also mit “ungemütlich”, dachte Leira trocken. Dass sie allerdings von diesem “Krouchug” als einfachem Gegner sprach fand sie etwas weit hergeholt wenn sie zurück an das letzte Biest dachte. Allerdings verstand sie nicht ganz wie sie verhindern sollten dass dieses “Säuberungskommando” auftauchte wenn der Krouchug doch offenbar schon hier war? Wie wahrscheinlich war es dass niemand ihn bisher gesehen hatte?


    „Also kommt verdammt noch mal endlich.“
    Leira hatte eigentlich keine Ambitionen sich erneut einer Bestie zu stellen, aber wenn Marika recht hatte war es wohl das geringere übel.
    “Scheint wohl nicht anders zu gehen”, meinte sie leicht resigniert und folgte Marika, wenn auch noch etwas zögerlicher, abhängig davon ob der Rest auch mitkam oder nicht. Zu zweit würde es wohl nicht so einfach werden. Andererseits, hatte Marika nicht schon welche im Alleingang erlegt? Plötzlich etwas zuversichtlicher nahm Leira etwas an Tempo auf. Sie konnte sich selbst schützen, es gab keinen Grund Angst zu haben. Außerdem sah sie wie Tomomi und sogar Alicia sich ihnen anschlossen.



    OT: Der Anfang zusammen mit Shiralya.