Vorwort
Schreibbuddies und jemand in einem Fantasyforum hat mich dazu animiert das Flashback auszubauen und länger zu schreiben und im nächsten Teil auch ein wenig von deren Unterricht zu zeigen.
Ich wollte zuvor schon mein Flashback verlängern und dachte, es würde zu lang werden. Aber ich möchte sehr gerne Ruvins Alltagsleben ein wenig mehr etablieren und dey vorstellen. :D
Das Ende hab ich ein wenig abgeändert und "Direktor, die Schule wird angegriffen" findet in einer etwas späteren Szene statt.
Kapitel 2: Das verlorene Leben (Teil 2) (Ruvin)
Ruvin konnte spüren, wie Yakovs Neugierde Überhand gewann, und solange er das Umfeld im Auge behielt, erlaubte es dey, dass er etwas in den Vordergrund trat und sich in deren Haus um. Es gab einen wundervollen Ausblick auf die naheliegende Gebirgskette. Deren Haus lag eingebettet in das Gebirge. Auf dem Ritt auf einem der Greife - oder wenn man sich selbst in einen verwandelte - erreichte man in einer menschlichen Stunde Valien und in einem halben Tagesflug die Hauptstadt. Hier hatte Ruvin mit deren Gefährten bereits gelebt, als dey über Jahrzehnte hinweg ein Lehrender in Valien gewesen war. Für Medizin, Elixiere, Heil- und Naturkunde. Seitdem dey nach dem Tod deren Vorgängers zum Schulleiter gewählt worden war, war kein Jahrzehnt vergangen.
Yakov trat auf das Rundfenster vor der Fensterbank zu und berührte das dunkle Hartholz, fuhr über die feine Täfelung, die sich wie ein feines Geäst über den Rahmen zogen. Das Fenster nahm beinahe die gesamte Front des Raumes ein und ließ helles Tageslicht durch den inneren Ring in den Raum einfallen. Der äußere Ring war in mehrere, runde Fenster unterteilt, deren buntes Glas von Gravuren übersehen war. Jede erzählte eine kleine Geschichte aus Ruvins Leben.
„Berühr eines der Bilder“, sagte dey und er kam deren Aufforderung nach. Er legte eine Hand auf jenes Bild, das Ruvin mit einem Neugeborenen auf dem Arm darstellte. Neben denen stand ein menschlicher Mann Ende seiner Vierziger, Beginn seiner Fünfziger, der seine Arme um sie beide schlang. Die Personen lösten sich aus dem bunten Fensterglas und wogen sich in dem einfallenden Licht, spielten eine kleine Szene von damals nach. Der Mann kommentierte mit einer neckischen Bemerkung die spitzen Ohren seines Sohnes, sie waren kleiner und unauffälliger als die eines Elfen, küsste dey und drückte seinen Gefährten und das gemeinsame Kind an seine Brust. Dey legte deren Stirn an seine und ein warmes Lächeln erreichte deren Lippen.
„Was für ein schöner Zauber. Ich bin es gewöhnt, dass Magie zum Überleben genutzt wird. Oder du schadest jemanden mit Magie, oder heilst jemanden, dem geschadet wurde. Nicht als Selbstzweck.“ Yakov wandte sich an denen. „Dein Mann und dein Sohn? Wie alt ist er nun?“
„Ja, er ist über drei Jahrzehnte alt und lebt mit seiner menschlichen Frau zusammen. Er führt eine kleine Schmiede wie sein Vater. Sein Vater ist allerdings schon verstorben.“ Während die Szene der Reverie stillstand, strich dey über die Wange des Zaubers, die eine Silhouette deren Sohnes erschuf, dann über jene seines Vaters. Wenn sich Ruvin den bewegten Bildern gegenübersah, konnte dey beinahe wieder das Gewicht des Säuglings in deren Armen und Kellans Umarmung fühlen. Kellan war so unheimlich stolz auf seinen Sohn und seinen Gefährten, auf seine kleine Familie, gewesen. „Das Bild habe ich aus meiner Erinnerung mit einem Zauber auf das Fenster gelegt. Das war wenige Tage nach Lynndels Geburt.“
Allmählich löste sich der Nebel in deren Kopf auf und dey fand sich wieder in der Wirklichkeit ein. Das war deren Leben, und dey fühlte sich nicht länger so, als würde dey jemand anderen beobachten, sowie man ein Theaterstück von außen betrachtete. Es war ein wundervolles Leben gewesen und Ruvin wollte es zurückgewinnen.
Dey glaubte einen Anflug von Schmerz in Yakovs Augen zu sehen, wollte jedoch nicht nachfragen. „Verstehe“, sagte er bloß und wandte sich ab.
Yakov näherte sich den Topfpflanzen in den Ecken des Wohnraumes und neben der Schlafstätte an der Fensterbank, die es dem Druiden erlaubten in deren eigenen Heim von Natur umgeben zu sein, ohne auf Komfort zu verzichten. Einige Pflanzen hatte dey mit einem Zauber belegt, sodass sie weniger Pflege bedarfen. Dichte Weinranken im immerwährenden Grün bewuchsen die Rückwand und den Plafond des Wohnraumes, und erzeugten das malerische Bild eines wilden Gartens.
Bei einem Regal auf dem sich Bücher und Schriftrollen stapelten, darunter einige Schriften, die von einem festen Ledereinband zusammengehalten wurden, blieb der Besuch stehen. Er nahm das Buch an, das ihm angeboten wurde, und blätterte durch das ihm fremde Schriftbild, das ineinander verschlungene Schriftzeichen darstellte, die von dem oberen Rand des Papiers hinabwuchsen. Andere Rassen beschrieben die Schrift als Wurzeln, selbst andere Elfen, die mit der Schrift nicht vertraut waren. „Elfisch? Ich dachte, es sieht anders aus.“
„Elfische Schrift aus meiner Heimat. Wir schreiben von oben nach unten.“ Er folgte Ruvins Fingerzeig. „Das ist ein Verzeichnis der Namen aller Schüler Valiens, die die Schule besuchen, seitdem ich Direktor geworden war. Die alten Verzeichnisse habe ich bereits archiviert.“ Dey blätterte für ihn mehrere Male um, und die Seiten wollten nie enden. Auf ein sanftes Tippen hin sprach das Buch die Namen aus und projizierte das Portrait eines jugendlichen Menschenmädchens über den Seiten. „Ich konnte Monia beim Angriff auf Valien retten. Acht andere Schüler, die ich verloren habe jedoch...“
Als die Worte ausgesprochen waren, wusste Ruvin, weshalb dey die Szene aus deren eigenen Erinnerungen nicht fortlaufen lassen wollte. Dey hatte Yakov jedoch versprochen, dass er die gesamte Wahrheit erfahren würde, genauso wie sich dey selbst zwingen würde ihm von der Drow zu erzählen, sobald sie geflohen waren. Vorausgesetzt, die Flucht gelang. Wenn Ruvin bei der Flucht starb, wurde deren Seele zwar wiedergeboren werden, doch all deren Erinnerungen wären ausgelöscht. Wer wusste, ob sich deren neuen Reinkarnation nicht dafür schämen würde, dass dey acht Schüler sterben hatte lassen. Dey war noch nichtmal selbst alt genug, um die Erinnerungen an deren früheren Leben zu empfangen.
„Ich bin kein Kämpfer, ich lehre seit vielen Jahrzehnten“, begann Ruvin sich zu erklären. „Halte mich nicht für eingebildet, doch ich setze große Stücke in mein Können und in meine Magie. Und nichts auf dieser Welt ist wundervoller, als Kinder zu begeistern, wenn sie ihre ersten Zauber sprechen und selbst über das Gewebe der Magie und dessen Wunder staunen können, und wenn sie dieses tiefliegende Interesse für die Welt entwickeln, in die sie hineingeboren wurden. Früher, vor mehr als einem Jahrhundert, hab ich in meiner Jugend einige kleine Abenteuer erlebt und etwas von der Welt gesehen, aber... ich bin kein Kämpfer, mir fehlt die Übung, gemessen an meinem Alter. Doch wir, meine Lehrenden und ich, haben die Schule mit unserem Leben verteidigt.“
Deren Besuch sah von dem Zauber auf. „Ich brauch keine Rechtfertigung.“
Ruvin hatte erst keine Antwort darauf, nahm sich einen Moment um seine Worte zu reflektieren und entgegnete schließlich. „Ich rechtfertige mich vor mir selbst.“
Yakov besaß den Anstand denen nicht in deren privates Bad und Umkleide zu folgen, als sich dey wusch, deren Haar pflegte – sich mit allen Sinnen daran erinnerte, wie wundervoll ein solches Bad war –, und in eine smaragdgrüne, für die kühlere Jahreszeit gefütterte, Robe wechselte, die aus den edlen Stoffen Horias gewoben und reich bestickt war. Dey zog den Kajalstrich neu, trug Parfum aus Sandelholz auf und legte deren Schmuck an. Jedes Schmuckstück war ein Geschenk von verstorbenen Gefährten, von deren gegenwärtigen Gefährtin, von deren Sohn, deren Vater und Freunden.
Ein jedes von ihnen war mit Schutzzaubern versehen und die Armschienen ließen sich zu Schilden entfalten. Vater hatte sie denen bei seinem letzten Besuch geschenkt.
Als dey in den Wohnraum zurücktrat, traf Ruvin der verwunderter Blick des Besuchers. Yakov betrachtete den edlen Stoff, die edelsteinbesetzten und goldenen Ringe an deren Händen, Ohrringe und die Armschienen, und das nackenlange Haar in der Farbe von Kupfer, nicht von Blut und Dreck verklebt, einen Teil davon zu einem Haarknoten gebunden. Der Duft von Seife und einem Parfum mit einer warmen, holzigen Note hing um Ruvin. Der Anblick des gepflegten Schulleiters im Vergleich zu dem ungewaschenen Gefangenen auf dem Steinboden, war ein Unterschied wie zwischen den Reichen an der Oberwelt und der Unterwelt.
Es war ein Unterschied, an den Ruvin nicht in deren Reverie erinnert werden wollte. „Ich möchte noch meine Trance genießen. Erinnere mich nicht daran, dass ich nun so armselig aussehe“, schalt dey ihn. Das war Yakov gegenüber ungerecht, gestand sich dey sogleich ein und wusste nicht was über denen gekommen war. Der Angriff auf die Schule, die Gefangenschaft, das Gift, der Übergriff, hatte dey ... verändert. „Entschuldigung, ich sollte mich nicht an dir auslassen.“
„Ich kann nichts für deine Lage. Behalt dir aber diese Energie morgen bei.“
„Natürlich kannst du das nicht und das werde ich, glaub mir.“
„Das hoffe ich. Genieß noch deine Trance. Und ich hab das Umfeld im Blick.“
Dey glaubte ihm, dass er dies hatte. „Danke.“
Die Szene der Reverie lief weiter und Ruvin wusste, weshalb dey ausgerechnet diesen Tag gewählt hatte. Es war der Tag, an dem die Stadt und Valien angegriffen worden war. Deren Herzschlag beschleunigte sich. Nein, dey wollte die Szene nicht zu dem Angriff wechseln. Nur für den einen Moment noch wollte dey das alltägliche, lockere Gespräch mit deren Freunden und die Sicherheit deren Heims genießen. Den Duft von gedünstetem Gemüse und Gewürzen, der sich in deren Wohnräumen ausbreitete, als Masha entschied eine warme Mahlzeit für ihre Freunde und ihre Frau zu kochen.
„Erzähl mir beim Essen mehr über deine Elixiere.“ Agatha hatte kaum etwas mit Magie zu schaffen, erst recht nicht mit Elixieren, und dennoch hatte das Buch ihre Neugierde geweckt. Entweder das, oder sie war höflich genug nachzufragen.
Sie lehnte sich an die Wand an und begann zu lesen. Diese war mit einem dick geknüpften Teppich ausgekleidet. „Langsam verstehe ich, was ihr daran bequem findet.“
Masha stellte vielfältige Speisen, Fladenbrote, Hummus, verschiedenes Gemüse, auf dem niedrigen Esstisch auf und füllte eine Suppe in die Senke. Sie nahm sich eines der Kissen vom Stapel und setzte sich. „Ruvin, ich hab mich ein wenig von dem Ingwer aus deinem Garten bedient.“
„Immer gerne. Ich mach euch gerne Ingwertee.“ Deren Gäste waren in den ersten Tagen skeptisch gewesen, dann neugierig und schließlich begeistert.
In deren Kammer und Garten fand sich so viel, das sie bloß von den exotischen Marktständen, die Ware aus dem Süden brachten, kannten. Die Wege der Karawanen waren lang, sie waren mehrere Monde unterwegs, und nie vor den Angriffen von Monster und Banditen gefeit. Deshalb waren die Produkte auf dem Markt dementsprechend kostspielig, und dey baute gerne in deren eigenem Garten all das an, das dey aus der Kindheit und Jugend vermisste.
Und dann waren da noch die Pflanzen mit berauschender Wirkung, die man eventuell nicht jedem beliebigen Gast zeigte, doch Ruvin hatte gestern, ehe sich dey wieder an die Arbeit gemacht hatte, mit Garresh einen angenehmen Abend im Garten verbracht. Über die Götter und die Welten geredet, während sie Silbergras rauchten. „Der Druide meines Vertrauens baut ausgezeichnetes Silbergras an. Das hätte mir klar sein müssen.“
„Hm, und ich kann dir auch erklären wie die Substanz in deinem Körper ...“
Der Zwerg lachte. „Das muss nicht sein, mein Guter.“
Eben hatte dey noch die Greife in deren Gehege gefüttert, den Ingwertee für deren Gäste zubereitet, das frische Fladenbrotes und Hummus gegessen, da wurde denen bewusst, dass die Sonne einen höheren Stand erreicht hatte und sich dey zum Unterricht beeilen musste.
Ruvin sah sich selbst zu, wie dey noch kurz an der Tür stehenblieb, mit deren Freunden über etwas witzelte und sie verabschiedete. Dann verließ dey deren, um sich auf dem Weg zu deren Unterricht zu machen. Dieser Augenblick war das letzte Mal gewesen, dass dey Masha, ihre Frau und deren gemeinsamen Zwergenfreund lachen hatte sehen. Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte sich selbst zu warnen und die Vergangenheit zu ändern, hätte dey sie genutzt. Das konnte kein denen bekannter, oder unbekannter, Zauber bewerkstelligen.