Vorwort
So, endlich geht es weiter. Hab in der Zwischenzeit viel Worldbuilding betrieben, die Schule zumindest im Grundriss angelegt und Stuff. :D
Hab einige Kapitel der Mitte geschrieben und das Dritte ist auch beinahe fertig.
Freue mich über Rückmeldungen zu... was euch auch immer während des Lesens durch den Kopf ging.
Bin immer neugierig wie Welt, Charaktere und co. wirken. ^^
CONTENT NOTE!
Sexueller Übergriff (nicht grafisch ausgeschrieben und ich hab für das BB noch Sätze entfernt)
Edit (18.04.2024): Ich hab die Erinnerung an den Übergriff - und den vorangegangenen Dialog - etwas abgemildert, bzw. nun in einen versuchten sexuellen Übergriff. Eine Freundin, und zwei andere Lesende, hatten sich zu unwohl beim Lesen gefühlt.
Kapitel 2: Das verlorene Leben (Teil 1) (Ruvin)
Ruvin war es, als wäre dey aus einem Stupor erwacht, der einen halben Mond lang angedauert hatte. Zum ersten Mal kamen klare Gedanken zurück; ein Ziel, ein Verbündeter, der Ruvin und den menschlichen Gefangenen tatsächlich zur Flucht verhelfen konnte. Das Mädchen hatte bestimmt unvorstellbares Leid durchlebt und nun war dey für dieses Kind verantwortlich, sowie dey für jedes andere Kind in deren Obhut verantwortlich gewesen war.
Hoffentlich würden die anderen Gefangenen bei dem Fluchtversuch erkennen, dass der Tiefling keine Gefahr für sie darstellte. Die stechend gelben Augen auf der schwarzen Sklera, in denen ein Licht wie eine Flamme in der Dunkelheit flackerte, die rote Haut, die Teufelshörner, der Teufelsschwanz: wer noch nie, oder selten, einen Tiefling oder Fey’ri, gesehen hatte, war zumeist zu Tode erschrocken. Anscheinend wusste Yakov diese Furcht auszunutzen, sowie er seine Stimme und Körpersprache gezielt einsetzte, und die Söldner niedergestarrt hatte. Gut so.
Dey sah vor sich eine Möglichkeit zu fliehen, keinen Teufel, und dey sah einen guten Kerl, dem es so einfach hätte sein können die Not der Gefangenen zu ignorieren. Ich hoffe auch, dass du mir morgen vertrauen können wirst. Und du wirst entsprechend entlohnt werden, sobald ich weiß wie viel von meiner Schule, und meinem Leben, übrig ist. Dey konnte die Vorwürfe nicht von der Hand weisen. Dey nutzte ihn aus, von Beginn an bereits, obwohl dey deren eigenem Sohn und deren Zauberschülern beigebracht hatte wie wichtig Integrität sei. Im Alltag und speziell im Umgang mit Magie. Entsprechend dem, was mir möglich sein wird dir zu geben.
Yakov wog das Angebot für einen Moment ab. Ich helfe dir und den Menschen nicht, um bezahlt zu werden, aber ich werd‘ eine Bezahlung bestimmt nicht ausschlagen. Das besprechen wir alles ein andern Mal.
Deren Arme durchzog ein plötzlicher, stechender Schmerz, der seit etlichen Nächten wiederkehrte und dey jedes Mal mit einem Taubheitsgefühl in den Händen und Unterarmen zurückließ. Ruvin hätte nicht angenommen, dass reines Eisen, das deren Kehle hinuntergezwungen worden war, keine Nervenschäden hinterlassen würde, aber es insgeheim und naiverweise doch gehofft.
Wenn dey an sich hinabblickte, so hatte man denen zwar alle wertvollen Schmuckstücke geraubt, doch die drei magische Bänder um deren Handgelenk leuchteten auf und begleiteten dey überallhin, sowie sie es immer taten. Sie waren während des Rituals des Lebensbundes geschlossen worden und bloß für das eigene Auge sichtbar. Es war Schmuck, den niemand stehlen konnte. Das spärlich erhellte Licht strahlte so beruhigend in der Nacht und gab denen das Wissen, dass deren Sohn, deren Gefährtin und Vater wohlauf waren. Vater lebte ohnehin in seinem Heimatland, Ailevyn war wieder auf Reisen und Lynndel war rechtzeitig geflohen. Seine menschliche Frau hoffentlich mit ihm. Das war Trost genug.
Jede Nacht, zwang sich dey in die Trance hinüberzugleiten. Wenigstens für eine Stunde, oder zwei. Dey hatte mitangesehen was mit Elfen geschah, die mehrere Nächte hintereinander nicht in ihre Reverie abgleiten konnten, selbst wenn sie schliefen, wie die Menschen es taten. Sie verloren sich selbst. An jedem Morgen hatte sich dey dann ins Gedächtnis gerufen, wer dey war und klammerte sich verzweifelt an dieses Wissen, obwohl es in der Trance so erschien, als würde dey das Leben eines anderen von außen verfolgen.
Im ersten Zehntag, oder ein wenig länger, war Ruvins Verstand von dem Eisen vernebelt gewesen und alle Eindrücke waren zu einer einzigen Wolke aus verschwommenen Bildern, gedämpften Worten, und Berührungen, die sich nicht real angefühlt hatten, verschmolzen. Das Gift hätte beinahe deren Seele und Körper auseinandergerissen, und etwas noch viel Unverzeihlicheres getan: Es hätte dey beinahe aus dem Gewebe der Magie und dem Zyklus der Wiedergeburt gerissen; somit beinahe deren Seele auseinandergerissen.
Vielleicht hatte dey auch darauf gehofft, dass das Gift und das Fieber Wahnbilder hervorgerufen hätten, dass dey nicht in den ersten Tagen in Gefangenschaft diese Dreckshände überall an deren Körper gespürt hätte. Doch die widerlichen Worte, die der Söldner Yakov gegenüber ausgesprochen hatte, waren klar und deutlich gewesen. Ruvin wusste bloß, dass dey die Rune des Gegenzaubers schon seit langem abgewetzt und den Hauptmann mit einem Charme-Zauber belegt hatte. Der Zauber war das letzte Mittel zum Selbstschutz, das diesen Mann jede Nacht davon abgehalten hatte sich an denen zu vergehen. Seine widerlichen Hände waren auf denen gewesen, dann konnte dey ihn von sich abwenden.
Noch nie war Ruvin in den zweieinhalb Jahrhunderten zuvor die Macht über deren eigenen Körper, in mehr als nur einer Weise, geraubt worden. Es war ein zerreißendes Gefühl. Beinahe so zerreißend, wie es das Gift selbst es war, und doch… nichts war schlimmer als einem Elfen seine Magie stehlen zu wollen, einen so integralen Teil seiner Seele.
All die Tage zuvor hatte dey nicht die Kraft besessen, um den aufkochenden Zorn zuzulassen, und nun traf all der Zorn: diese menschlichen Monster würden büßen.
Du bebst. Die Flamme auf der dunklen Sklera flimmerte unstet.
Ruvin schirmte die Erinnerungen sorgfältig vor dem Fremden ab, doch das Zittern, das durch deren Körper ging, war ihm nicht entgangen. Ein dumpfer Druck, ein Krampf als säße ein Geschwür in deren Körper, setzte sich wieder in deren Unterleib fest, sobald deren Erinnerungen klarer wurden.
Was auch immer du von mir versteckst, zeig mir eine schöne Erinnerung, forderte Yakov auf und dey nickte. Und ich bleibe wach. Niemand wird dich oder die anderen Gefangenen anrühren.
Das konnte er nicht versprechen, doch es war freundlich von ihm, dass er so tat, als könnte er es und Ruvin anlog - und endlich saß denen nicht mehr die Kälte in den Knochen. Asmodeus-Tieflinge strahlten diese Hitze ab, ohne sich oder andere zu verbrennen. Diese Hitze und der Wärmestein waren sehr willkommen. Unter großer Mühe glitt dey in Trance ab und ein erstes Bild zeichnete sich vor deren inneren Auge ab. Ein Bild von zu Hause, deren Schule, geliebte Gesichter, Bilder, Klänge und Düfte. Orte, die dey nie mehr verlassen wollte.
Am Rande der Erinnerungen und deren Geiste, spürte Ruvin die Anwesenheit des Besuchs. Yakov hielt sich rücksichtsvoll im Hintergrund, jederzeit bereit zu gehen, falls zu persönliche Bilder vor deren inneren Auge aufflammen sollten.
Mit seiner Anwesenheit konnte sich dey endlich in deren nächtliche Reverie fallen lassen. Das erste Mal seit einem halben Mond war dey sicher, ohne einem menschlichen Raubtier im Rücken, das dey anfallen könnte.
„Morgen.“
Trancetrunken löste sich Ruvin aus deren Reverie und neigte den Kopf zur Seite, benötigte einen Moment, um sich in der Wirklichkeit einzufinden. Dey hob die Hand und drehte sie in einer Geste, die eine Lichtkugel in deren Handfläche formte. „Morgen.“
Masha stand an der Türschwelle und ahmte die Geste nach. „Manche eurer Bräuche sind so wunderbar, und man lernt kaum etwas über sie, bis man zusammen mit einem Elfen lebt. Gibt es eine Bedeutung dahinter?“ Die Hohe Harfnerin und ihre Frau kamen in Nachtkleidern aus einem der Wohnräume
Dey ließ die Lichtkugel auf deren Handfläche verblassen. „Symbolisch gesehen die auf- und untergehende Sonne und der Mond. Praktisch gesehen, erkennst du Personen anhand verschiedener Lichtsignale bereits aus größerer Entfernung und weißt, wie sie dir gesonnen sind, oder kannst ihre Clan-Zugehörigkeit erkennen.“
„Das ist interessant. Weißt du, ich hatte mich in dieser Hinsicht sehr gefreut mit dir zusammenzuwohnen. Wenn da nicht die äußeren Umstände wären. Ich … bediene mich?“ Auf deren einladende Handgeste hin, trat Masha in die Speisekammer. „Ich koche für euch mit, meine Lieben? Was wollt ihr?“
„Gerne, wonach auch immer dir ist.“
Ruvin hatte zusammen mit deren eigenen Gefährtin erst kürzlich zu einem Gästezimmer für Menschen umgestaltet hatte, ehe Ailevyn zu einer erneuten Reise aufgebrochen war. Mit einem Doppelbett, in dem man nicht aufrecht saß, sondern sich niederlegen konnte. Der Dritte der Harfner, Garresh, schlief im Obergeschoss auf einer Fensterbank, wieder in den Tag hinein. Er behauptete, sie sei groß genug um einem Zwergen wie ihm als Bett zu dienen, und denen sollte es recht sein, wenn ein Gast keine hohen Ansprüche stellte.
Ailevyn hatte einige Male die Sorge geäußert, dass es sich rächen könnte, Harfner aufzunehmen und eben deshalb war dey froh, dass sie momentan nicht daheim war. Sollte sich Ruvins Fehler rächen, würde deren Gefährtin nicht zu Hause sein, um die Leidtragende zu sein. Nicht von Ruvins Fehlern und nicht von den Fehlern des Stadtrates, der nicht bereit war das Kriegsbeil zu begraben, erst recht nicht mit den Drow.
Dem Frieden wurde seit langem ein Messer an die Kehle gehalten, da machte es keinen großen Unterschied mehr, ob dey befreundete Harfner bei sich aufnahm, denn als Leiter einer der vier größeren Schulen in und um Lira, war man jemand, dem man zumindest ab und an Gehör schenkte. Gegenwärtig gehörten die Harfner anscheinend zu den wenigen Personen, die ein Interesse an einer Lösung des Konflikts hatten. Masha war einst als Heldin ausgezeichnet worden und man hatte sie so lange angehört, bis sie unbequem geworden war. Sie ließ es nur wenige wissen, dass sie eine Harfnerin war und ihr Emblem unter der Kleidung trug. Stolz und dennoch verborgen.
„Wieder spät bis in die Nacht hinein gelesen und heute erst nachmittags Unterricht?“ Agatha schob das Nachtkästchen von sich, auf dem ein gebundenes Buch mit ledernen Einband lag, und setzte sich zu denen auf die gepolsterte Fensterbank, auf der Ruvin für gewöhnlich in die Reverie ging. Öfters alleine, manchmal eng umschlungenen mit deren Gefährtin, sobald sie für einige Zehntage oder Monde daheimblieb. Hin und wieder mit einem kleinen Abenteuer oder einer kurzen Liebelei, die dey mit nach Hause nahm.
„Ja, mein Unterricht für heute beginnt zu Mittag und ich bin erst wieder die nächsten beiden Zehntage eingeteilt die Schüler im Internat zu betreuen. Und sieh, meine Schüler haben ein großes Interesse an Elixieren. Deswegen hab ich meine eigenen Mitschriften von damals herausgesucht.“ Dey reichte ihr das Buch, das sie an sich nahm und durchblätterte. „Diese Rezepte hab ich zu großen Teilen selbst zusammengetragen, als ich bei meinen beiden Erzdruiden in Ausbildung war. Das Buch hab ich gestern wieder gefunden.“
„Mein Elfisch ist ein wenig eingerostet, zumindest das geschriebene Wort. Ich hatte das elfische Schriftbild eleganter in Erinnerung.“ Agatha schlug eine Seite auf und deutete mit einem Grinsen auf die unebene und krakelige Schrift.
„Andere elfischen Schriften stammen ja glücklicherweise nicht aus meiner Feder. Ich übersetze es in den letzten Tagen in die Allgemeinsprache, und eventuell noch andere. Die Schüler verstehen meine eigenen, alten Mitschriften besser als gehobene Fachsprache. Speziell jene, die noch nicht so versiert in meinem Unterricht sind.“
„Das könnten sie nur, wenn sie erstmal deine Schrift lesen können.“
„Deshalb schreibe ich sie nochmals ab. Ich bin kein Jugendlicher mehr, der seine Mitschriften hinschmiert.“ Dey stieg in das Lachen ein und zeigte auf drei der Zeichen. „Hier hab ich geraten, was ich damals aufzeichnen wollte. Meisterin Vasna hat mich immer gescholten.“
„Meisterin Vasna ist der Loxodon, der nun Naturkunde unterrichtet?“
„Ja, sie wollte den Zirkel an jemand Jüngeren abtreten, aber sie kann nicht damit leben nicht zu unterrichten. Viele der Schüler haben noch nie einen Loxodon gesehen, die kennen noch nicht einmal Elefanten. Erst recht eine intelligente, sprechende Spezies. Lina ist ein Menschenkind, zwölf Jahre alt, und irgendwann konnte sie nicht mehr halten, und hat gefragt ‚was ist das in Eurem Gesicht?‘ ‚Mein Kind, das ist eine Nase, für gewöhnlich atmet man damit.‘“
Die beiden Menschenfrauen lachten mit und begrüßten im Vorbeigehen Garresh, der aus dem Obergeschoss herabkam, sich zu ihnen gesellte und die letzten Gesprächsfetzen aufnahm. „Als hättest du das nie gefragt.“
„Tatsächlich nicht, ich bin in meiner Heimatstadt mit Loxodons aufgewachsen. In Horia lebt der größte Stamm von ihnen.“