Rajani
Ich habe einmal den klugen Satz gelesen, dass eine Beziehung erst wirklich vorbei ist, wenn eine neue beginnt. Gerade Frauen hängen emotional an einer festen Partnerschaft, weil sie ihnen evolutionär gesehen Sicherheit gibt - daher ist das Lösen aus so einer Bindung noch einmal schwerer.
Was du tust - darüber nachdenken, was eure Gemeinsamkeiten, aber auch Probleme waren - ist richtig und wichtig. Womöglich hättest du deinem Ex gegenüber weniger fatalistisch sein können und noch nicht eine Trennung aussprechen, sondern eben offen über deine Gefühle mit ihm sprechen müssen. Dass du jetzt in der retrospektiven rosaroten Brille festhängst, liegt sicher auch daran, dass sich eure Probleme in der Beziehung mit der Trennung in Luft aufgelöst haben - natürlich siehst und vermisst du die nicht. Aber du vermisst die guten Seiten und das ist absolut normal.
Auch andere Männer (und Frauen und menschliche Wesen) mögen die gleichen Dinge wie du. Es gibt fast 8 MILLIARDEN Menschen auf der Welt, allein über 80 Millionen in Deutschland, selbst wenn man alle unpassenden Bevölkerungsgruppen herausrechnet, bleiben ein paar Millionen in Europa für dich übrig, unter denen es hunderte oder tausende gibt, die ein Deckel für deinen Topf sein können. Du musst dich wirklich fragen: Ist er der Mensch, mit dem ich mein ganzes Leben verbringen möchte? Kann er mir alles (oder zumindest fast alles) geben, das ich mir in einer Beziehung wünsche? Wenn die Antwort nicht eindeutig ja ist, dann hast du mit der Trennung nichts falsch gemacht. Es ist auch nicht fair ihm gegenüber, die Beziehung um der Beziehung willen aufrecht zu erhalten, bis dir vielleicht derjenige über den Weg läuft, der es letztlich ist. Und auch solltest du dich nicht damit zufrieden geben, wenn es nicht das ist, was du eigentlich möchtest. Gut ist nicht unbedingt gut genug. Ich möchte damit an niemanden appellieren, sich nur mit absolut kompatiblen Partner:innen einzulassen - aber die "Arbeit" an einer Beziehung sollte nicht die Freude daran überwiegen. Ich bin Fan von unperfekten Menschen und unperfekten Beziehungen, aber sie sollte genuin beide glücklich machen, ohne ihnen zu viel abzuverlangen.
Eine Partnerschaft ist mehr als das, was du beschreibst - mehr als jemand, der dir zuhört, mehr als jemand, der dich zum lachen bringt. Natürlich sollte dein Partner das. Aber ein guter Freund kann das auch. Es ist vollkommen klar, dass er dir nach so vielen langen Jahren ein wichtiger Freund geworden und geblieben ist. Die Leere, die du beschreibst, kenne ich gut. Man merkt in der Beziehung gar nicht, wie viel Zeit man seinem Partner schenkt - und umgekehrt. Es wirkt die meiste Zeit, als wäre es zu wenig, aber wenn sie dann frei und leer ist, fällt erst auf, wie viele Moment bleiben, in dem man an den Ex denken und ihn vermissen kann.
Und damit komme ich zurück zu meinem Anfangsstatement: Wenn du eine neue Beziehung anfängst, wird sich diese Leere füllen. Du wirst keine Zeit haben, an ihn zu denken, keine Trauer mehr empfinden für das, was ihr hattet. Da wird ein neuer Mensch sein, den du kennen und lieben lernen kannst, manchmal wirds klappen, manchmal auch nicht. Dann wirst du wieder zurückdenken, aber das Leben kennt eigentlich nur eine Richtung: nach vorne.
Bevor du deinem Ex also Hoffnungen machst, dass ihr eure Probleme vielleicht aus der Welt schaffen könnt - überlege wirklich gut, ob er der Mensch ist, der dir alles gibt, ohne den du nicht und mit dem du bis an dein Lebensende zusammen sein willst. Deine Trennung hat auch in ihm etwas ausgelöst, das sich nicht rückgängig machen lässt. Ihr werdet nie wieder das haben, was ihr zuletzt hattet, es wird zwangsläufig anders sein. Aber es hängt von euren Wünschen und Gefühlen ab, ob und wie es sein wird. Eine reine Zweckbeziehung, um nicht alleine zu sein, hat noch niemanden auf Dauer wirklich glücklich gemacht. Aber vielleicht war diese Trennung und Pause auch der Weckruf für euch und ihn, dass ihr euch als Menschen und Partner/in weiterentwickeln müsst, um (wieder) miteinander glücklich zu werden.
Wenn du diese Chance siehst, dann musst du ihn da mit einbinden. Wenn du für dich alleine daran arbeitest, kann das auch Uno Richtungswechsel ergeben: dass er nicht mehr mit dir zusammen sein will, und dann musst du ein zweites Mal den Schmerz ertragen, diesmal nach einer Abweisung - was schlimmer ist, weil es unvermittelt kommt und man sich nicht darauf einstellen kann.
Stell dir also die Frage: Erfüllt er (noch) alle meine Voraussetzungen, die ein Partner mitbringen muss? Welche Soll-Bestimmungen erfüllt er, welche Kann-Bestimmungen und wo fällt er durch? Kann ein lebender Mensch, ein potenzieller neuer Partner, diese Bestimmungen eher und/oder besser erfüllen und wie wahrscheinlich ist es, dass ich diese Person treffe? Es ist wahrscheinlicher, jemanden zu finden, der Sabaton mag, zockt und dich zum Lachen bringt, als jemanden, der die gleichen Lebensziele hat wie du. Aber auch eine gemeinsame Basis, dass ihr euch ohne Worte besser versteht, ist wichtig. Erfüllt dein Ex alle Bestimmungen, geh auf ihn zu, erkläre ihm deine Gefühle und hoffe auf das Beste.