Beiträge von Harukari

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    Kapitel 35: Geheimnisse (Silver)


    Als ich die Rüpel sah, knirschte ich mit den Zähnen. Wenn sie uns sahen und sich verplapperten, dann war es aus für uns. Dann würden wir Gejagte sein, denn Kotone und Kisho würden bei dem Fakt, dass wir zu Team Rocket gehörten und gerade erst ausgetreten waren, sicher nicht zimperlich sein. Mich würde man erkennen, schließlich war ich der Sohn ihres Arbeitgebers und Oberhauptes. Eigentlich hätte ich der Erbe der Organisation sein sollen. Nun bereute ich, dass wir uns mit Kotone und Kisho zusammengefunden hatten. Clarice blickte mich erschrocken an und ich wusste, dass sie auch keine Lösung für unser Problem hatte. Schließlich konnten wir jetzt nicht einfach unbemerkt verschwinden, durften aber auch nicht von den Mitgliedern der Organisation erkannt werden. Was sollten wir nur tun?


    Da bemerkte ich, wie eine von Clarices Händen zu ihrem Gürtel mit Pokébällen wanderte. Ihr Blick war von Zorn geprägt. Klar, sie wollte Gerechtigkeit, schließlich hasste sie Team Rocket wie sonst nichts anderes. Doch dann hielt sie inne und schaute mich fragend an. So verharrte sie für einen Moment, die Hand noch immer an ihrem Gürtel. Doch dann begriff ich endlich. Ging es etwa darum, dass sie nicht ohne mein Einverständnis gegen Leute antreten wollte, die für meinen Vater arbeiteten, und so seine Pläne zu vereiteln? Ich hätte ihr an sich jederzeit mein Einverständnis gegeben, doch jetzt war das unpraktisch. Damit machten wir uns nur unnötig bemerkbar. Deswegen ergriff ich ihre Hand, drückte sie sanft und schüttelte den Kopf. Nicht jetzt. Im Inneren des Holzbaus sah ich Josh, der inzwischen wieder zurück zu den Pokémon gegangen war. Er trieb die Evoli zusammen und versuchte, sie zu beruhigen. Keine schlechte Idee, sonst konnten sie, wenn sie nervös waren, in ihrer großen Anzahl noch etwas anstellen. Ich ging zu ihm, gefolgt von meiner Begleiterin mit den rotblonden Haaren. Es war eine gute Möglichkeit, zu helfen sowie eine gute Ausrede, um nicht mitkämpfen zu müssen und außer Sicherweite der Rüpel zu bleiben. Glück gehabt.


    (Kisho)
    Kotone und ich waren sofort zu Evelyn geeilt, die Pokébälle schon in der Hand. Das Evoli der Leiterin der Farm keuchte bereits und hatte von den drei Mauzi der Verbrecher schwere Schläge einstecken müssen. Sein Fell war zerzaust, und es zog die linke Hinterpfote nach. Rote Striemen einer Kratzfurie machten sich überall bemerkbar. Der Anblick tat mir im Herzen weh. Entschlossen zückte ich den Ball von Feurigel, welches ich als Kampfpartner gewählt hatte. Vor meinen Füßen formierte sich sogleich der Igel, der schnell das Kampfgeschehen erfasste. Er gab einen kampfeslustigen Laut von sich, und Rauchschwaden kamen aus den Löchern auf seinem Rücken.


    „Glumanda!“, rief Kotone und warf energisch einen ihrer Pokébälle. Die rote Echse stand sogleich neben meinem Pokémon und machte sich ebenfalls zum Kampf bereit. Die Rüpel wirkten überrascht aufgrund der plötzlichen Unterstützung, denn vorher hatten sie uns nicht bemerkt. Sofort schickte einer von ihnen sein Mauzi los, damit dieses das Evoli mit einem weiteren Kratzer schädigen konnte. Der Plan war wohl, Evoli so schnell wie möglich auszuschalten, um wieder einen Vorteil für sich zu erlangen.


    „Also los, heizen wir ihnen ein! Feurigel, der Flammenwurf!“ „Glumanda, leg los mit Glut!“, hörte ich Kotones Befehl neben mir. Ein flammend roter, heißer Strahl verließ den Mund des Igels, wobei nun auch gleichzeitig zum ersten Mal Flammen aus seinem mit blauem Fell bedeckten Rücken stießen. Nun war es richtig aufgeheizt! Ummantelt wurde der Flammenwurf von dutzenden glühend heißen Geschossen, die wie kleine Meteore durch die Luft zischten. Also hatte jetzt auch Glumanda mit seinem Angriff angefangen. Insgesamt war es ein beeindruckendes Bild. Die Energie der Angriffe ließ sich mit mehreren Sinnen deutlich erfassen, denn auch die immense Wärme war für uns spürbar. Die Kombination der Attacken traf das voran stürmende Mauzi direkt, wodurch es zurück geschleudert wurde. Es war ein reiner Volltreffer, der dafür sorgte, dass sich das mit weißem Fell bedeckte Wesen überschlug und über den Boden rollte. Die Katze landete unsanft auf dem Boden und stöhnte auf. Es blieb liegen, und wurde von seinem wütenden Trainer zurück beordert. Dieser hatte gleich erkannt, dass er am Kampfgeschehen nicht mehr teilnehmen würde. Somit waren wir nun eindrucksvoll in das Kräftemessen eingestiegen.


    „Evoli, zurück zu mir!“, befahl Evelyn dann. Kotone und ich blickten augenblicklich zu der Besitzerin der Farm. „Nun, da es nur noch zwei Pokémon sind, die wir besiegen müssen, wollte ich Evoli nicht länger leiden lassen. Es geht ihm so schon schlecht genug und wir beide hätten euch sowieso nicht mehr lange helfen können. Darf ich den Rest euch anvertrauen?“ Ich nickte als Zeichen des Einverständnisses. Genau das hätte ich auch gemacht. Ein Pokémon war nicht nur irgendeine Maschine, sondern irgendwann auch am Ende. Die Pause und eine ordentliche Behandlung brauchte es dringend. „Gut, dann beenden wir die Sache! Glumanda, Schlitzer!“, rief Kotone entschlossen und deutete auf die gegnerischen Pokémon. Die Feuerechse machte sich auf den Weg, um den beiden Mauzi entgegenzutreten. „Feurigel, gib ihm Rückendeckung mit der Rauchwolke!“, gab ich sofort darauf mein Kommando. Je besser wir im Team arbeiteten, desto eher schlugen wir unsere Gegner. Neben meinem Feurigel sollte natürlich auch Kotones Glumanda so wenig Schaden wir möglich davontragen.


    „Mauzi, Finte!“, hörte ich schon den Befehl von einem der verbliebenen Rüpel, der energisch zu uns hinüber deutete. Doch die Attacke war nicht etwa auf Glumanda gerichtet, sondern auf Feurigel! Bevor mein Partner seine Aktion hatte ausführen können, wurde es schon von einer der beiden Katzen getroffen, welche sich blitzschnell über das Feld bewegt hatte. Die Finte war eine der fiesesten Attacken, die ich kannte. Ihr konnte man nicht ausweichen, wenn man erst fest im Visier des Gegners war. Der Anwender bewegte sich blitzartig über das Feld und war nicht mehr deutlich sichtbar. Feurigel raffte sich nach einem Moment unbeholfen wieder auf und ächzte. Doch es schien an sich noch okay zu sein. Währenddessen hatte das andere Mauzi ebenfalls einen Angriff gestartet: Dutzende Goldplättchen flogen wie kleine Geschosse durch die Luft. Es war leicht als der Zahltag zu erkennen, doch der Drache hatte auf die Unterstützung meines Igels gezählt, welche aber nicht kam, und so wurde er ebenfalls verletzt. Die Wucht der Aufschläge ließ ihn taumeln und schlussendlich fallen. Ein Schrei seinerseits machte deutlich, was auf das Pokémon einprasselte.


    „Verdammt, die sind gut“, dachte ich verbissen. Dann mussten wir eben mit einer besseren Taktik daher kommen. Noch einmal würde mich die Finte nicht überraschen. Ich schickte Feurigel mit dem Befehl für eine Rauchwolke los. Der Partner meiner besten Freundin postierte sich als Deckung vor ihm. Sehr gut, so konnten die Mauzi nicht meine Attacke verhindern, da die Echse Angriffe unserer Gegner abwehren konnte. Es war wichtig, dass dieses Vorhaben klappte, denn es würde unseren Feuer-Pokémon enorm weiterhelfen, wenn sie außer Sichtweite waren. Erneut folgte ein Beschuss mit dem Zahltag, hinein in den sich nun bildenden und ausbreitenden Rauch, dieses Mal ausgeführt von beiden Katzen. Ein flächendeckender Angriff war keine schlechte Idee, da man in der schwarzen Masse sowieso niemanden gezielt erkennen und attackieren konnte.


    „Los, Feuerzahn!“, befahl meine braunhaarige Freundin daraufhin. Ich konnte die Bewegungen aller Pokémon nicht mehr sehen, aber trotzdem waren wir nun im Vorteil. Unsere Pokémon hatten auch in diesen Bedingungen beste Sicht, da auch in den Vulkangebieten, aus denen diese Pokémon ursprünglich kamen, genau das herrschen konnte, was Feurigel im Moment erschuf. Vorbei an den Goldplättchen manövrierte sich Kotones Pokémon durch den Nebel. Man hörte einen Schrei aus den Schwaden und es bildete sich ein Loch in der dichten Decke des Rauches. Das Mauzi hatte seinen Schwanz eingesetzt, um die Sicht in der schwarzen Wand wiederzuerlangen. Als die Feuerechse aufgetaucht war, hatte die Katze ihr mit einer Kratzer-Attacke zu schaffen gemacht. Dies ließ sich auch gut an den Furchen in Glumandas Gesicht erkennen.


    „Gib nicht auf, Glumanda!“, rief Kotone und ihr Partner tat wie geheißen. Es ließ die Flammen erneut um seine Zähne züngeln und biss zu. Dieses Mal hatte Mauzi nicht schnell genug reagieren können, sodass es den Treffer einstecken musste. Sofort beschloss ich, ebenfalls die Chance zu nutzen und Feurigel zur Unterstützung zu schicken. Sogleich machte es sich mit einem Sternschauer bemerkbar, der auf die Kontrahenten niederregnete. Gelb leuchtende, sternenförmige Brocken regten hinab auf die Erde. Der Drache ließ von seinem Gegner ab und brachte sich vor der Attacke in Sicherheit, indem er wegrannte. Unerbittlich prasselte die Attacke meines Partners auf das andere Pokémon ein und machte ihm zu schaffen. Doch da tauchte aus den noch immer vorhandenen Rauchschwaden das zweite Mauzi auf und schleuderte Kotones weglaufendes Glumanda mit einem gewaltigen Eisenschweif zurück in die Richtung, aus der das Feuer-Pokémon gekommen war. Glumanda flog schreiend durch die Luft und prallte mit dem ersten Mauzi zusammen, gerade als Feurigels Sternschauer diese Katze getroffen hatte und verebbt war. Kotone schrie beunruhigt auf und griff angespannt meine Hand, die sie dann drückte. Auch wenn es ein wenig schmerzte, so zog ich meine Hand nicht weg. Beide Pokémon lagen regungslos auf dem Boden und atmeten durch, für einen Moment tat sich rein gar nichts. Inzwischen hatte sich der Rauch immer mehr vom Kampffeld verzogen. Doch dann erholte sich das Pokémon der Rockets eher als das von Kotone: Es sprang auf und stellte eindrucksvoll seine Krallen zur Schau. Es grinste hämisch und näherte sich dem erschöpften und somit wehrlosen Glumanda. Kotone neben mir schrie aufgeregt und bat ihr Pokémon, wieder aufzustehen, doch das tat es nicht. Stattdessen landete Mauzi mit seinen Krallen einen direkten Treffer und versetzte so seinem Gegner den entscheidenden Schlag. Glumanda, welches sich zuvor schon kaum geregt hatte, lag nun völlig ausgeknockt auf dem Boden. Meine Freundin seufzte ernüchtert und rief die Echse zurück in ihren Ball. Somit trat mein Feurigel allein gegen zwei Mauzi an. Die Katzen positionierten sich angriffsbereit und zeigte eindrucksvoll ihre langen Krallen. Wir brauchten eine flächendeckende Attacke, wenn wir sie fernhalten wollten.


    „Sternschauer, los!“ Feurigel tat wie geheißen und setzte die Attacke ein. Doch der Konter seiner Kontrahenten folgte sofort: Während das eine Mauzi den Zahltag einsetzte, um damit die sternförmigen Brocken zu zerstören und somit den Angriff meines Partners auszulöschen, machte sich das zweite auf und näherte sich uns. Feurigel wollte seinen Angriff noch in eine andere Richtung lenken, doch das klappte nicht, da weiterhin der Zahltag kam. Wäre der Sternschauer in eine andere Richtung abgelenkt worden, wären die Goldplättchen hemmungslos auf den beigefarbenen Igel eingeprasselt. Somit wurde es von Mauzis silbern glänzendem Eisenschweif getroffen und landete nach kurzem Flug direkt vor meinen Füßen unsanft auf dem Boden. Angespannt biss ich mir auf die Lippe. Wenn wir es nicht schaffen konnten, hätte Team Rocket gewonnen und würde die Evoli mitnehmen! Doch leider sah es überhaupt nicht gut für uns aus, denn als Feurigel am Boden lag wurde es sofort von zwei Zahltag-Attacken der beiden Gegner getroffen. Schnell war es sehr mitgenommen und konnte sich nur mit Mühe und Not wieder aufrappeln.


    Da leuchtete sein Körper plötzlich weiß auf und veränderte sich immer mehr. Vor Überraschung hielten auch die Katzen inne, und ich selbst merkte nur schwach, wie sich meine Mundwinkel nach oben zogen. War das etwa eine Weiterentwicklung, die da von statten ging? Auch Kotone neben mir schaute verwundert, doch grinste dann begeistert, als Feurigel wieder aufhörte, zu leuchten. Nur, dass es jetzt kein Feurigel mehr war, sondern ein Igelavar! Es besaß nun eine stürmische Flammenmähne auf seinem Kopf und Feuer züngelte um seine Beine. Die Löcher auf seinem Rücken waren verschwunden, sein Körper aerodynamischer, länger, schlanker, schneller. Ich kam nicht umhin, zu lachen. Nach all dem Training war es endlich soweit gewesen! Selbst die Mauzi schauten beeindruckt. Da ich mich mit Pokémon ausführlich befasst hatte, wusste ich auch um eine neue Attacke.


    Und mir war auch im Gedächtnis geblieben, wie sehr genau das uns jetzt helfen konnte: „Igelavar, Flammenrad!“ Sofort machte sich mein Pokémon bereit, rollte sich zusammen und ließ Flammen an seinem ganzen Körper auflodern. Als zischender Feuerball rollte es schnell auf seine Gegner zu, die dem ersten Versuch knapp mit Hechtsprüngen nach links, beziehungsweise nach rechts, ausweichen konnten. Doch mein Partner rollte sofort zurück und traf schlussendlich sein Ziel. Zufrieden jubelte ich auf. So konnte es weitergehen!


    (Clarice)
    Ich hörte Kisho lachen, während Silver, Josh und ich uns gemeinsam um die Evoli kümmerten. Der Sohn der Farmbesitzerin war dankbar für unsere Hilfe gewesen. Doch wunderte ich mich nun, wieso Kisho gelacht hatte. War der Kampf entschieden? Interessiert sprang ich auf und beschloss, nach draußen zu schauen. Silver blickte mir zusammen mit Josh verwundert hinterher. Da sprang der Rothaarige auf, um mir zu folgen. Auf dem Hof sah ich Kotone zusammen mit Evelyn etwas abseits stehen, während Kisho sein Igelavar lobte. Anscheinend hatte sich sein Feurigel weiterentwickelt! Das freute mich zwar für ihn, doch allein konnte er gegen zwei Gegner nicht bestehen. Jemand musste ihm helfen! Meine Hand wanderte zu meinen Pokébällen und ich stürmte hinaus auf den Hof.


    „Clarice, nicht!“, schrie Silver und wollte meine Hand greifen, doch bekam er mich nicht zu fassen. Diesen Kampf zu gewinnen ging im Moment vor, schließlich war damit das Wohl der Evoli verbunden! Kisho blickte mich umso erstaunter an, als ich plötzlich aus dem Holzbau gerannt kam und mich neben ihn stellte. Mein rothaariger Freund fluchte, verfolgte mich aber aufgrund seiner Bekanntheit unter den Rockets nicht nach draußen.


    „Was machst du hier?“, fragte mich der Blondhaarige verwundert, nachdem ich bei ihm angekommen war. „Ganz einfach, ich helfe dir. Allein hast du gegen die schlechte Karten.“ Daraufhin schauten Kotone und der Junge zwar nicht schlecht, hielten mich aber nicht von meinem Vorhaben ab. „Gut, wir können jede Hilfe gebrauchen“, lächelte der Blondhaarige. „Hey, was machst du denn hier? Solltest du nicht eher uns helfen?“, tönte es da von der anderen Seite des Kampffeldes herüber. Die Rockets blickten wütend drein und verschränkten die Arme. Anscheinend hatten mich die Rüpel erkannt! Mist. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie beim Einsatz im Dorf mit in Kaitos Team gewesen waren. Daher wussten sie also, wer ich war! Aber gut, das Risiko war ich auf eigene Gefahr eingegangen. Entschlossen zückte ich einen Pokéball. „Vergesst es! Nun seid ihr dran! Endivie - “ Eigentlich hatte ich jetzt mein geliebtes Pflanzen-Pokémon in den Kampf schicken wollen, doch da postierte sich plötzlich ein ganz anderer Kampfpartner vor mir. Er, oder besser sie, war garantiert nicht von mir aus einem Pokéball gerufen worden. Das junge Evoli schrie kraftstrotzend und wollte partout nicht aus dem Weg gehen. Mitten in meiner ausladenden Armbewegung hielt ich verwundert inne und ließ meine Hand wieder sinken.


    „Sam?“

    Kapitel 34: Die Evoli-Farm (Silver)


    Evelyn hatte nicht gelogen: Nur etwa fünf Minuten entfernt befand sich tatsächlich besagte Evoli-Farm. An sich machte sie einen idyllischen Eindruck. Das Grundstück sah fast aus wie auf einer normalen Farm, nur fehlten die Miltank, die normalerweise auf solchem Gelände gehalten wurden. Vor uns war ein gelb gestrichenes, mittelgroßes Haus zu finden, welches zwei Etagen besaß. Die Schilder kennzeichneten es als das Haupt- und Bürogebäude der Farm, sowie als Wohnsitz der Familie. Außerdem war rechts daneben ein größeres, ebenfalls gelb gefärbtes Haus errichtet worden. Dieses besaß aber ein flaches Dach und drei Etagen. Wahrscheinlich war dieses Gebäude das Gästehaus. Etwas weiter entfernt fanden sich ein Holzanbau und eine große Grasfläche.


    „Direkt vor euch seht ihr das Hauptgebäude. Das große Bauwerk daneben ist unser Wohnhaus für die Gäste. Meistens ist es nicht besonders voll, doch immer wohnen wenigstens zwei Familien darin. Unsere Farm scheint sich doch ein wenig rumgesprochen zu haben“, meinte Evelyn lächelnd. „Wir können euch gern ein Zimmer oder zwei über die Nacht bereitstellen.“ „Ich glaube, zwei Zimmer wären Vorteilhafter“, meinte meine rotblonde Gefährtin zaghaft. „Gut, wie ihr wollt, dann bereiten wir alles vor. Wenn ihr die Evoli sehen wollt, die wir besitzen, dann schaut ruhig in das Holzgebäude dort hinten. Mein Sohn Josh sollte auch dort sein und sie gerade pflegen.“ Anscheinend war diese Farm ja ein echter Familienbetrieb. Evelyn nahm Clarice das junge Pokémon ab, begab sich in das Bürogebäude und ließ uns allein auf der Farm. Kotone und Clarice gingen kichernd voran zum Holzanbau und redeten munter miteinander. Kisho und ich warfen uns nur einen vielsagenden Blick zu, beschlossen dann aber doch, den Mädchen zu folgen. Vielleicht gab es ja auch ein paar Weiterentwicklungen zu sehen? Um uns aber nicht das Gekicher der Freundinnen anhören zu müssen, hielten wir doch ein wenig abstand. Als wir den Holzbau betraten, erkannte man mehrere kleine Boxen, sowie eine große durchgängige. Das Ganze war aufgebaut wie ein normaler Stall, in dem normalerweise Miltank lebten. Die Mädchen gingen bereits durch die Reihe und blickten aufgeregt in jede Box hinein. Kisho und ich holten schnell mit ihnen auf und standen schon bald mit den Mädchen zusammen vor einer Box. In dieser befand sich ein älteres Evoli mit einem Jungen, liegend auf Stroh.


    „Sind diese Pokémon nicht süß?“, fragte Kotone. „Klar, sicher sind sie das!“, ertönte plötzlich die Stimme eines Jungen. Verwundert drehten wir uns alle zu der Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Sie gehörte zu einem Jungen unseren Alters, der in der großen Box stand.


    (Kotone)
    Das war wohl sicher Josh, den Evelyn erwähnt hatte. Ihr Sohn. Ein wenig Ähnlichkeit besaßen sie ja schon: Dieselbe hellbraune Haarfarbe, filigrane Hände, und das grün seiner Augen. Bei ihm waren sie allerdings mit einem Blauton gemischt - wie kleine Sprenkel tauchte manchmal ein anderer Farbtupfer inmitten des Grüns auf. Das musste wohl von seinem Vater stammen. Insgesamt hatte er eine kräftige Statur und war ungefähr so groß wie Kisho, vielleicht ein paar Zentimeter größer. Irgendwo zwischen 1,75 und 1,80 Meter. In der Hand hielt er ein kleines Evoli, jünger als das, welches Clarice auf dem Weg eingefangen hatte. Er setzte das Kätzchen ab und stieg über die Holzwand zu uns in den Gang herüber.


    „Wusste ja gar nicht nicht, dass heute neue Besucher kommen. Entschuldigung, dass ich euch erschreckt habe. Ich bin Josh.“ „Wir haben ursprünglich auch nicht daran gedacht, hier aufzuschlagen. Jedoch trafen wir deine Mutter auf dem Weg, genau wie eines eurer Evoli“, meinte Kisho. „Oh, ich wette, das war Sam“, grinste Josh. „Sam?“, fragte ich verwundert nach. Es war doch ein weibliches Evoli gewesen? „Ja, ihr eigentlicher Name ist Samantha. Ich habe sie selbst so genannt. Sie reißt ständig aus. So ein quirliges junges Evoli ist mir noch nie untergekommen.“ Da sprachen wir wohl vom selben Pokémon. Genau diese Worte hatte auch Evelyn verwendet. „Wie heißt ihr eigentlich?“, wollte der Junge wissen. Wir nannten ihm unsere Namen und erklärten ihm, dass wir ursprünglich auf der Reise nach Dukatia City waren.


    „Dann seid ihr wohl reisende Trainer?“, fragte Josh begeistert nach und verschränkte seine Finger gespannt. „So kann man es sagen“, antwortete Kisho. „Klasse! Wisst ihr, ich wäre ja auch gern einer. Ich glaube, dass ich schon bald selber losziehen werde. Aber wie soll ich diese ganzen Pokémon zurück lassen?“ Josh seufzte und ließ die Arme hängen. „In dieser großen Box hier zum Beispiel haben wir den Hauptteil unserer Evoli. Manchmal werden aber auch welche von ihnen in die kleineren Boxen gebracht, wenn sie zum Beispiel krank sind und wir sie in Ruhe behandeln müssen.“ „Ich nehme an, die Kätzchen großzuziehen ist keine leichte Aufgabe“, warf ich ein. „Das ist wahr! Die meisten Evoli sind zahm, sobald sie sich an uns gewöhnt haben, aber andere sind sehr starrköpfig. Wir versuchen, sie zu erziehen und geben sie dann teils an Interessenten weiter. Manchmal ist es wie eine Art Zucht, aber ich bin traurig um jedes Evoli, das geht. Doch natürlich können wir auch nicht allen hier ein dauerhaftes Zuhause bieten.“ Josh schaute etwas betrübt drein.


    „Also ist diese Farm eine Familienangelegenheit?“, fragte ich dann. „Ja, richtig. Schon seit Generationen betreiben wir alles. Mein Großvater hat es damals errichtet. Und irgendwann werde ich vielleicht die Leitung übernehmen. Oder mein Bruder, Mike. Er ist drei Jahre älter als ich, also 21. Ihm steht das Erbrecht eher zu als mir.“ „Dann bist du zumindest von uns mit 18 der älteste“, meinte Clarice grinsend. Der Braunhaarige schmunzelte und erwiderte: „Mag sein. Ich würde euch ja gern eine Tour anbieten, aber so viel gibt es hier nicht zu Sehen. Die Familien, die sich hier für eine Weile aufhalten, machen eher Reisen in die Umgebung. Aber unsere Evoli sind immer beliebt, und die Kinder vergöttern sie.“ „Das glaube ich. Sie sind einfach total süß!“, meinte Clarice erneut enthusiastisch, was Josh zum Lachen brachte.


    (Clarice)
    Da plötzlich stupste mich etwas an meinem rechten Bein an. Verwundert drehte ich mich um, schaute auf den Boden und erblickte Sam, welche mit ihren Zähnen an meiner Jeans zog. Wie kam sie denn schon so schnell wieder hierher? War sie extra zu mir gekommen? Die Anderen schauten nicht weniger verwundert, als sie feststellten, dass das junge Pokémon extra zu mir gekommen war. Auch Josh wusste nicht recht, was er dazu sagen sollte.


    „Hallo, Kleine!“, sagte ich und nahm das Evoli in meine Arme. Gemütlich genoss es meine Streicheleinheiten zwischen den Ohren und maunzte zufrieden. „Das eines unserer Pokémon so schnell jemanden mag, ist mir vorher noch nie untergekommen! Selbst bei meiner Familie und mir dauert es sonst immer eine Weile, bis sie sich an uns gewöhnen. Ihr kennt euch vielleicht eine Stunde und schon läuft Sam dir hinterher.“ Aufgeregt blickte ich dem Weibchen in die Augen. Stimmte das tatsächlich? War da eine besondere Verbindung zwischen uns? „Wusste gar nicht, dass Leute von Team Rocket so eine anziehende Ausstrahlung auf Pokémon haben können“, dachte ich ironisch und sah, wie Kotone neugierig zu mir herüber Blickte. In ihrem Blick konnte man förmlich ablesen, wie sie sich fragte, was da vor sich ging. Ich hatte zwar schon immer ein gutes Verhältnis zu meinen Pokémon gehabt, aber so etwas war auch mir neu.


    „Sollten wir dich jetzt Pokémonflüsterin nennen?“, lachte Kotone, woraufhin ich ihr ein kleines Grinsen schenkte. „Wer weiß, vielleicht - “ Just in diesem Moment gab es einen lauten Knall vom Hof, gefolgt von einem Schrei. Sofort eilten wir hinaus um zu sehen, was vor sich ging. Sofort als ich nach Draußen kam, erstarrte ich auch schon. „Bitte nicht… Das darf doch nicht wahr sein!“, dachte ich schockiert. Auf dem Hof standen, mit dem Rücken zu uns, mehrere Mitglieder Team Rockets, von denen drei mit ihren Mauzi gegen Evelyns Evoli kämpften.

    hallo bini, danke, dass du dich in diesem bereich wieder gemeldet hast. :3
    schön, dass es endlich mal wieder einen kommi gibt, ich hatte mir schon sorgen gemacht, dass diese fs nach und nach einsam hier versauert.
    dabei hab ich ja auch noch ne fortsetzung geplant! ;)


    danke auch erst einmal für deine erste grobe einschätzung, freut mich auch, wenn du dir die zeit nimmst, um die fs nochmal komplett nachzuverfolgen.
    die ersten kaps stehen den neueren allerdings in bezug auf die qualität nach, schließlich sind die schon 2 jahre alt. ;)
    domo arigato, dass du mir und dieser fs die treue hältst. :)


    lg
    haru

    so, nach doch ungewöhnlich langer wartezeit folgt nun schlussendlich das kapitel 33.
    zwar ist es leider noch nicht betagelesen, aber da luna leider nur sehr wenig zeit hat ließ es sich jetzt nicht groß anders einrichten, da ich euch auch nicht länger warten lassen wollte.
    ich hoffe, dass ihr trotzdem freude daran haben sowie feedback geben werdet und wünsche viel spaß beim lesen.



    Kapitel 33: Auf dem Weg nach Dukatia (Kotone)


    Am nächsten Morgen waren wir nach einem schnellen Frühstück aufgebrochen. Dukatia City lag ja schließlich weit von uns entfernt. Zuerst mussten wir von Rosalia City aus nach Norden, zurück nach Viola City. Von dort aus ging es nach Western und nach Süden, sodass wir schlussendlich in Dukatia ankamen. Ich freute mich schon darauf, die moderne Großstadt zu sehen. Teak City war zwar auch nicht klein, aber besonders modern war sie nicht, da wir sehr auf Traditionen und das Altertum achteten. Es war schön dort, aber manchmal fehlte doch ein wenig die Abwechslung. Einkaufszentren, der Radioturm, der berühmte Magnetzug, und vieles mehr erwarteten immer wieder die Besucher der Stadt, die unser Ziel war. Ich lief neben Kisho voran und warf einen Blick nach hinten. Dort liefen Silver und Clarice, Hand in Hand. Auch wenn man das schon gleich hätte vermuten können, so erschien mir so etwas nach Silvers bisherigem Auftreten eher unwahrscheinlich. Er war doch immer so verschlossen und mysteriös. Wieso hatte er dann plötzlich eine Freundin und vertraute sich ihr an?


    „Wann habt ihr euch eigentlich kennen gelernt?“, fragte ich dann neugierig nach hinten. „Oh, schon vor einer ganzen Weile“, gab Silver von sich. „Wir kennen uns seit frühesten Kindertagen“, definierte Clarice daraufhin. Daher wehte also der Wind. Die Beiden kannten sich wahrscheinlich besser als irgendjemand sonst. Es schien schon von Beginn an etwas komisch. Als hätten sie sich einander komplett anvertraut. Und sie hatten sich doch dazu entschlossen, ihre Beziehung zueinander auf ein höheres Level zu bringen. Normalerweise waren Kisho und ich auch immer ein Herz und eine Seele, aber seit letzter Zeit war uns das doch ein wenig abhandengekommen. Noch immer waren wir die besten Freunde, kein Zweifel, aber die Frage nach mehr hatte uns doch durcheinander gebracht. War es einfach nur eine Frage des Vertrauens? Vielleicht stimmte das sogar. Doch wieso sollte ich Kisho nicht vertrauen? Oder eher, dem Band, das uns festhielt? Schließlich hatte ich nicht komplett auf seine Gefühle reagiert. Ich musste noch eine Weile länger über dieses Thema nachgrübeln.


    „Trotzdem haben wir dich vorher noch nicht getroffen, Clarice. Silver hingegen schon“, führte Kisho nach meiner Gedankenpause das Gespräch fort. „Das liegt daran, dass Silver und ich uns auch erst vor kurzem wiedergetroffen haben. Wir waren lange Zeit durch…spezielle Umstände getrennt.“ „Spezielle Umstände?“, fragte ich dann nach. „Wie kam es dann, dass ihr euch wiedergesehen habt?“ „Es kam halt glücklicherweise zustande“, meinte Silver nüchtern. Ich warf ihm einen forschenden Blick zu, aber am Ende war ich eigentlich doch nicht überrascht. Erschien mir logisch, dass ihm die Fragerei gegen den Strich ging. Er mochte es nicht, mit Fragen gelöchert zu werden. Dann ließen wir das Thema halt vorerst sein.


    (Clarice)
    Nachdenklich wandte ich mich leise an Silver: „Meinst du, sie werden weiter so viel nachfragen?“ Mein Freund nickte, woraufhin ich die Brauen hochzog. Wieso tat er uns ausgerechnet so neugierigen Menschen zusammen? „Allerdings sind sie die einzigen Leute, die wir außerhalb Team Rockets kennen. Und was haben wir noch groß zu befürchten? Wir sind keine Mitglieder mehr, und ich denke, dass wir ihnen vertrauen können. Eigentlich sind sie in Ordnung.“ Deswegen hatte er also entschieden, mit Kisho und Kotone zu reisen. Nun wurde es mir auch klar: Es konnte unser Start in ein neues Leben sein. Und das war es doch, was wir Beide wollten, oder?


    *


    Wir setzten unseren Weg über die viel bereiste Route fort. Hier waren die Straßen aus solidem Asphalt gemacht und führten weitestgehend über grasbewachsene, ebene Landflächen. Ab und zu zeigte sich vielleicht ein Wiesor im Grün, oder ein Hornliu streifte durchs Gras. Nur in der Ferne konnte man ein paar bewaldete Striche ausmachen. Wann würden wir wohl in Dukatia ankommen? Bestimmt würden wir die Nacht in einem Center auf dem Weg verbringen müssen. Doch der Weg nach Viola City war nicht mehr weit, also würden wir es vor Tagesende schon passiert haben. Hoffentlich gab es noch Unterkünfte hinter der Stadt. Aber nach der Zeit in Dukatia mussten Silver und ich überlegen, was wir dann tun würden. Wir hatten uns bereits auf Anemonia City als nächsten Anlaufpunkt geeinigt, den man per Fähre anlaufen konnte. Nahe den Strudelinseln würden wir sicher mehr über Silvers Verbindung zu Lugia herausfinden können. Doch würden Kisho und Kotone uns begleiten? Eigentlich ging sie das ja nichts an, also sollten sie auch nicht dabei sein. Es würde sie eventuell nur in Gefahr bringen und zu Komplikationen führen. Trotzdem würde ich mich erst mit Silver bereden. Es ging bei so einer riesigen Angelegenheit darum, dass wir Beide mit dem Vorgehen dazu einverstanden waren. Schließlich hatten wir im Moment nur uns. Deshalb war es trotz allem besonders wichtig, engeren Kontakt zu Kisho und Kotone aufzubauen.


    Dem Rothaarigen, und nun auch mir, schienen sie halbwegs zu vertrauen, wussten aber nicht viel von uns. Gleiches galt in Bezug für die eifrigen Trainer auch für mich und meinen Freund. Wir mussten alle erst Erfahrungen miteinander sammeln. Nachdenklich ließ ich meinen Blick über die grasbewachsene Ebene streifen. Da plötzlich tauchte in einiger Entfernung eine Gestalt auf dem Weg auf. Sie war relativ klein und sehr schnell. Es schien mir, als hätte sie lange Ohren und einen buschigen Schwanz. Die dichten, längeren Haare seines Fells wirbelten sich ein wenig durcheinander, während das kleine Wesen rannte. Außerdem bewegte es sich auf vier Pfoten fort und die von ihm ausgestoßenen Laute waren hoch. Als es näher kam, und sich auch die Blicke der Anderen auf das Wesen richteten, bemerkte ich, dass es sich um ein Evoli handelte. Was hatte es denn nur hier zu suchen? Dann tauchte dahinter eine wesentlich größere Gestalt auf, ebenfalls rennend. Dabei handelte es sich eindeutig um eine Frau, vielleicht Anfang vierzig. Anscheinend war ihr das Pokémon entflohen.


    „Haltet es fest, schnell!“, rief die Unbekannte dann. Ich zögerte nicht lange und lief dem Evoli entgegen. Damit hatte es nicht gerechnet, und das zeichnete sich in seinem Blick ab. Doch es bremste nicht, sondern lief unbeirrt weiter auf mich zu. Vielleicht wollte es zwischen meinen Beinen hindurchschlüpfen. Erfahren würden wir es wohl nie, denn ich schnappte es, als wir einander erreichten, im Lauf und hielt das zappelnde Wesen fest in meinen Armen. An meinen Fingern spürte ich, wie flauschig das Fell des kleinen Wesens war. Langsam bremste ich und kam zum Stehen. Ich hockte mich auf den festgetretenen Weg und schaute das kleine Evoli an. Niedlich war es, ohne Frage. Doch zappelnd konnte es schon zu einem kleinen Ungetüm werden. Ich streichelte das kleine Kätzchen und langsam beruhigte es sich.


    „Du bist wohl ein kleiner Ausreißer, was?“, meinte ich zu dem braunen Pokémon und lächelte. Mit großen schwarz-braunen Augen blickte mich sie mich an, dann schmiegte sich die Katze fröhlich an mich. Ich war selbst total erstaunt. Noch nie hatte mich ein Pokémon so schnell so sehr gemocht, außer vielleicht Kotones Karnimani. Das zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht und ich drücke das kleine Pokémon liebevoll an mich. Ich hatte es sofort in mein Herz geschlossen. Sowieso liebte ich Wesen wie dieses, so ziemlich jedes Mädchen vergötterte die niedlichen Gestalten. Evoli waren eher Haustiere als Kampfpartner. Liebend gern hätte ich auch eines gehabt, doch bisher hatte sich dazu nicht die Möglichkeit ergeben. Da erblickte ich die Frau, wahrscheinlich die Besitzerin des Evoli, als sie mich gerade erreichte. Ihr zu einem Pferdeschwanz zusammen gebundenes braunes Haar wehte, während sie rannte, bevor es wieder flach auf ihren Rücken zurück viel. Sie besaß grüne Augen und war schlank. Passend zu den höheren Temperaturen trug sie ein blaues Kleid. Sie atmete tief durch und wischte sich kurz den Schweiß von der Stirn.


    „Danke für die Hilfe. Dieses junge Evoli ist mir ein weiteres Mal von der Farm entflohen. Ein quirliges Weibchen, aber trotzdem sehr liebenswürdig. Doch die Verfolgungsjagden werden lästig.“ Die Frau lachte kurz und wirkte auf den ersten Blick relativ sympathisch. „Du scheinst besonders zu sein. Erst fängst du lässig dieses Evoli ein, und dann mag es dich auch noch so schnell wie niemanden zuvor!“ Sie trat näher an mich heran und schenkte mir ein nettes Lächeln. Interessiert wanderte mein Blick wieder zu dem zierlichen Wesen in meinen Armen hinab. Es legte den Kopf schief und warf mir einen fragenden Blick zu. „Ah, bist du vielleicht süß!“, meinte ich und lachte. „Evo!“, kam es von dem Kätzchen, wobei es ebenfalls so etwas wie ein Lächeln zeigte. „Wenn ihr vier wollt, könnt ihr mich gern auf unsere Evoli-Farm begleiten. Sie ist ganz in der Nähe und sicher einen Besuch wert. Dort könnt ihr euch sämtliche Evoli ansehen, die wir haben.“ Kotone trat neben mich und nickte eifrig. Wie bereits gesagt, so ziemlich jedes Mädchen stand auf Evoli, und auch manche Jungen hielten sie in ihrer Grundform als Haustier und Gefährten. Doch die meisten der Burschen entwickelten sie, im Gegensatz zum überwiegenden Anteil der Mädchen, für Kämpfe weiter. Eine Schande bei so einem so niedlichen Wesen!


    „Also gut. Jungs, wie wär’s mit einem kleinen Ausflug? Eine Abwechslung auf der Reise könnte uns gut tun!“, meinte Kotone enthusiastisch und klatschte aufgeregt in ihre Hände. Man sah ihr ihre Vorfreude an. Zumindest in dieser Hinsicht schienen wir etwas gemeinsam zu haben, weshalb ich lachte. „Aber wo sollen wir dann schlafen? Wir müssen es heute bis nach Viola City schaffen, um ein Center zu finden, und dranbleiben, wenn wir nach einem Besuch auf der Farm bis zum Einbruch der Dunkelheit dort sein wollen“, meinte Kisho, woraufhin Silver nickte. „Wir bieten auch Schlafräume an. Manchmal gibt es Familien mit Kindern, die zu einem Ausflug herkommen und die Nacht bleiben. Sicher können meine Familie und ich so auch euch behilflich sein.“ „Würde man es dann von hier aus morgen in einem Tagesmarsch nach Dukatia schaffen?“ Kisho nickte auf diese Frage hin recht schnell. „Ja, ich denke schon. Überleg doch, wie viel Strecke wir in der Zeit zurückgelegt haben. Fast ein Drittel des Weges war das bestimmt. Es ist erst mittlerer Nachmittag und wir sind am späten Vormittag aufgebrochen. Normalerweise wären wir noch ein paar Stunden mehr gelaufen und hätten es heute nach Viola City geschafft. Um die Distanz für die Reise morgen würde ich mir keine Sorgen machen. Wir werden auch Unterschlupf für die nächste Nacht finden.“ „Na wenn das so ist… Nichts wie hin zur Farm!“, meinte ich freudig. Jemand wie Kisho kannte sich sicher aus, glauben konnte man ihm. „Wir folgen Ihnen gern!“, meinte Kotone. Die Frau lachte und antwortete: „Sehr schön! Übrigens, mein Name ist Evelyn.“

    zuerst einmal einen guten abend, liebe leser!


    an dieser stelle möchte ich mich für die lange wartezeit entschuldigen, die ihr habt.
    die lange verzögerung kommt dadurch, dass ich von ende märz bis anfang mai bei der kur war und somit die fs pausieren musste. diese 6 wochen über war mein internetugang leider sehr begrenzt. des weiteren habe ich seit neuestem eine betaleserin (danke an luna an dieser stelle!), die sich erst einmal durch die veröffentlichten kapitel kämpft und diese lieberweise durchcheckt. da sie aber leider nicht viel zeit hat, verzögert sich das update der betagelesenen kapitel sowie die veröffentlichung des 33. kapitels noch ein wenig.


    gomen nasai!
    wir beide beeilen uns, das nächste kapitel nicht mehr allzu lang herauszuzögern, allerdings kann es noch ein wenig dauern.
    ich danke für das verständnis und hoffe, dass ihr trotzdem spaß an der geschichte habt und haben werdet.


    lg
    harukari

    es geht mir ja nicht um die bildbearbeitung, davon habe ich sowieso keine ahnung. nur habe ich mitbekommen, dass andere autoren im bb ihre header im startpost immer größer und auch ohne den grauen balken unten drunter haben. ich persönlich denke, dass es mit der art des hochladens zusammen hängt. bisher habe ich es so versucht, dass ich bei dem startpost zu meiner fs auf den button "editieren" gegangen bin und dann untern im tab-menü auf dateianhänge geklinckt habe. dort habe ich dann das bild hochgeladen und auf "in den beitrag einfügen" geklickt. auch mit dem button "grafik einfügen" funktionierte es nicht, denn da kam nur der link. und da es hier um das thema starposts geht und ich fragen zur gestaltung eines solchen habe um ihn zu verschönern hoffe ich mal, dass es nicht zu sehr offtopic ist. ich wollte nachfragen, wie es andere autoren machen.


    eagle, du hast doch selber geschichten hier im bb online. wie hast du da den header eingefügt?
    ich wollte ja nur die richtige variante zum hochladen wissen, da hast du mich vielleicht falsch verstanden.

    hallo,
    ich hätte noch eine frage bezüglich des startposts. ich hatte mir eigentlich ein schönes header-bild herausgesucht und wollte es in meinen startpost eifügen, doch sind die bilder mit denen ich es bisher probiert habe immer a) sehr klein angezeigt worden, obwohl sie im original recht groß waren, und b) von einen grauen streifen unterlegt gewesen der den dateinamen enthielt. kann mir bitte jemand tipps geben wir ich das header-bil am besten einfüge, sodass es schön aussieht und keinen grauen balken mehr hat?


    lg
    harukari

    Kapitel 32: Unerwartete Bekanntschaften (Clarice)


    Sie saßen zusammen mit je einem Feurigel, Bisasam, Karnimani und Glumanda an einem Tisch. Es waren die Gewinner von Eichs Show! Der Blonde und die Braunhaarige von damals. Sie trug wieder eine blaue Latzhose aus jeansähnlichem Material sowie ein gelbes T-Shirt, weiße, lange Strümpfe und bequeme Turnschuhe in der gleichen Farbe. Er war ebenfalls lässig gekleidet, in schwarzer Jeans, blauem T-Shirt und weißem Hemd. Wieso waren sie noch immer hier? Vor allem zusammen? Erneut verkrampfte sich mein Magen. Ich hatte nicht damit gerechnet, hier auf die Beiden zu treffen. Ich blickte zu Silver, der auch sehr angespannt schien – als fürchte er sich vor ihnen. Wieso das? Er hatte doch die Show nicht gesehen, woher sollte er sie dann also kennen? Da drehten sich der blondhaarige Junge und das braunhaarige Mädchen zu uns um. Ihre Gesichter schienen erst überrascht, dann kam ein kleines Lächeln auf die Lippen der Beiden.


    „Silver. Ich hatte nicht damit gerechnet, dich ausgerechnet in diesem verlassenen Ort wiederzusehen. Aber trotzdem eine nette Überraschung.“ Silver schmunzelte amüsiert. „Die Freude ist meinerseits, Kisho“, antwortete mein Gefährte dem Jungen am Tisch. Verblüfft blickte ich Silver an. Sie kannten sich tatsächlich? Das hatte ich nun noch weniger erwartet. Aber zu Team Rocket gehörten sie nicht, das war klar. Kannten sie seine wahre Identität und war Silver deswegen so angespannt? Meine Handflächen fühlten sich wieder nass an und ich musste mich bemühen, kein zu erstauntes Gesicht zu machen. Sie hatten mich nie gesehen, also war ich sicher vor ihren Vermutungen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Silver ihnen von Team Rocket erzählt hätte. Dann wären die Beiden nämlich Mitglieder der Organisation gewesen, und das waren sie augenscheinlich nach ihrem Verhalten während Professor Eichs Show nicht.


    „Ihr kennt euch also?“, fragte ich mit freundlich klingender Stimme. Silver nickte neben mir. „Ja, wir haben uns bereits ein paar Mal getroffen. Clarice, das sind Kisho und Kotone aus Teak City. Die Beiden sind als reisende Trainer unterwegs.“ Die Personen am Tisch warfen mir ein freundliches Lächeln zu. Nervös erwiderte ich die Geste. „Freut mich sehr“, meinte Kotone. „Warum setzt ihr euch nicht zu uns?“, meinte die Braunhaarige und klopfte auf den Sitzplatz neben sich. Silver nickte und wollte das Angebot annehmen, doch ich hielt ihn am Arm fest. Fragend blickte er mich an. „Könntet ihr uns für eine Minute entschuldigen? Dauert nicht lang“, fragte ich. Kisho und Kotone nickten nach verwundertem Zögern, und so entfernten Silver und ich uns ein wenig. Wir gingen ein Stück in einen der Seitengänge zu den Abstellräumen des Centers, einer der abgelegenen Ecken weg von der Lobby. Hier waren wir allein, und so schnell würde auch niemand kommen. Es war ein abgeschiedener, dunkler Platz, mit einem Besen auf dem Gang und außerhalb des Sichtfeldes der wenigen Leute, die im großen Raum nebenan waren. Ich lehnte mich an die Wand, und Silver hielt mich sanft aber bestimmt an den Schultern fest.


    „Clarice, was ist los?“, fragte er mich mit verwundertem Blick. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du die beiden auch kennen würdest.“ Daraufhin wurde der Blick des Jungen noch verdutzter. „Wieso auch?“ Ich blickte mich kurz um, ob ja wirklich niemand in der Nähe war. „Erinnerst du dich an meine Mission in Rosalia City? Damals haben wir Pokémon von Professor Eichs Show stehlen wollen. Das Shiggy, welches ich jetzt pflege, kam ja daher. Kisho und Kotone haben die Show gewonnen. Das ist der Grund, weshalb sie das Glumanda und das Bisasam bei sich haben. Es gab ein Unentschieden im Finale zwischen den Beiden. Meine Leute haben damals versucht, ihre Pokémon zu stehlen! Sie haben mich zuvor zwar nie gesehen, aber ich sie. Verstehst du nun?“ Silver blickte mich erneut mit Erstaunen an und nahm seine Hände von meinen Schultern. „So ist das… Sehr interessant.“ Silver grinste und stieß amüsiert Luft aus. „Ich lerne die Beiden kennen, dann treten sie gegeneinander im Finale der Show an. Und dort versuchen die dir unterstellten Handlanger, ihre Pokémon zu entwenden.“ Ich nickte - so sah es aus. Manchmal war das Schicksal doch verrückt. Alles was ich wollte war, dass wir beide vorsichtig waren. Doch ich glaubte, Silver hatte das bereits verstanden. Ich brauchte es nicht explizit zur Sprache zu bringen.


    „Wir beide kriegen das schon hin. Mach dir keinen Kopf.“ Der Rothaarige lächelte mich zuversichtlich an. „Aber was, wenn sie unsere Identität entdecken?“, fragte ich unsicher. „Wenn wir vorsichtig sind, wird das nicht passieren. Wie sollten sie auch auf den Gedanken kommen? Schließlich haben wir nichts Verdächtiges mit uns.“ „Bis auf meine Uniform, die noch immer in meinem Rucksack steckt und die ich nicht einfach schnell entsorgen kann. Was soll ich mit der tun?“, fiel es mir jetzt ein. Aber trotzdem hatte er Recht, denn wer würde schon mein Gepäck durchwühlen? So gingen wir also zurück zu Kisho und Kotone, welche noch immer an ihrem Tisch auf uns warteten. Während ich mich zu Kotone setzte, hielt sich Silver neben Kisho auf.


    „Also… Wo waren wir stehen geblieben?“, fragte ich. Der blondhaarige Junge mir gegenüber lachte und meinte: „Nun, ich glaube wir hatten noch nicht einmal richtig angefangen.“ Kotone nickte neben mir. Ihr Karnimani tapste über den Tisch und blickte mich mit seinen großen Augen an. Was wollte es machen? Mich ergründen? Ich wusste nicht recht, was ich erwarten sollte. Da öffnete das blaue Krokodil sein langes Maul und entblößte eine Reihe scharfer Zähne. Das jagte mir dann doch Angst ein und ich wich angespannt zurück, bis es schlussendlich seine Hände zusammen klatschte, einen fröhlichen, quakenden Laut von sich gab und mich neugierig anblickte. Das Mädchen neben mir kicherte.


    „Ich glaube, Karnimani mag dich“, erklärte Kotone lachend neben mir. Mich mögen? Nach diesen paar Minuten? Und nach dem was ich wusste, es aber nicht? Wieder einmal war gehörige Ironie am Platz. Vielleicht war ihr Pokémon einfach nur sehr vertrauensselig, ich hatte keine Ahnung. „Was macht ihr eigentlich in diesem gottverlassenen Dorf?“, fragte Silver daraufhin. Zwischen den anderen beiden Trainern wurden bedeutungsvolle Blicke ausgetauscht. Dann fing Kotone schlussendlich an, zu sprechen: „Ich weiß ja nicht, ob ihr davon gehört habt, aber… Es gab einen Zwischenfall bei Professor Eichs Show, die vor ein paar Tagen hier stattgefunden hat.“ Klar, wie hätten Silver und ich das nicht vergessen können?


    „Wir nahmen am Wettbewerb teil, doch dann kreuzte Team Rocket auf. Alles wurde hoffnungslos verwüstet. Wegen…gesundheitlichen Problemen waren wir gezwungen, ein paar weitere Tage hier zu verbringen.“ So war das also… Im Prinzip war ich also der indirekte Grund für ihren verlängerten Aufenthalt gewesen. Mein Magen verkrampfte sich erneut unangenehm. Kisho wandte sich jetzt an Silver: „Und was macht ihr beide hier?“ „Wir sind nur auf der Durchreise, unser eigentliches Ziel ist Dukatia City.“ Kotone lachte und rief aufgeregt: „Das nenne ich Zufall! Wir haben soeben beschlossen, auch dorthin zu gehen. Wieso schließen wir uns nicht zusammen?“ Nachdenklich blickte ich Silver an. Was nun? Sollten wir uns wirklich mit Kisho und Kotone zusammen tun? Es würde das Risiko erhöhen, dass unsere Identität enthüllt werden würde. Doch wenn wir vorsichtig waren, wie er gesagt hatte…


    „Okay, abgemacht.“ Verwundert blickte ich Silver an. Wie bitte? Wieso hatte er das über meinen Kopf hinweg entschieden? Er entgegnete meinem Blick mit einem bestimmten Augenausdruck. Ja, ich musste meine Reaktionen beherrschen. Aber später würde ich ihn dafür zur Rede stellen. Wie kam er dazu, das allein für uns festzulegen? Schließlich waren wir Seelengeschwister und voneinander abhängig. Wenn wir nicht als Team arbeiteten, waren wir verloren. Allerdings musste ich ihm doch bescheinigen, dass er die wahrscheinlich bessere Wahl getroffen hatte. Neue Kontakte konnten wir sicher gebrauchen. Dann waren wir nun also zu viert.


    „Morgen Vormittag wollten wir losziehen“, meinte Kisho. „Je eher, desto besser“, erwiderte ich. Rosalia City war kein Ort, an dem ich länger bleiben wollte. Die Erinnerungen verursachten mir eine Menge schlechter Gefühle. „Seid ihr auf der Jagd nach Orden oder Bändern?“, fragte ich dann, um die Konversation weiter in Gang zu halten. Vielleicht waren die Beiden ja wirklich ganz nett. Kotone war die erste die antwortete: „Nein, darauf kommt es uns nicht an. Wir erkunden nur die verschiedenen Gegenden Johtos, außerdem wollen wir Team Rocket das Handwerk legen.“ „Richtig. Wir können doch diese Schufte nicht weiter Unruhe stiften lassen!“ Auf diese Worte hin wurde ich blass, konnte förmlich das Blut entweichen spüren. Ich warf einen aufgewühlten Blick zu Silver, der diesen ermahnend erwiderte. Klar, ich musste mich in Zaum halten.


    „Clarice, alles in Ordnung?“ „Ja, Kotone… Es ist nur… Ist das nicht ein sehr großes Ziel?“, antwortete ich und fing mich wieder. Kisho nickte. „Klar ist es das. Aber die Polizei bekommt sie nicht, und wir wollen tun was wir können.“ „Verstehe“, murmelte ich. Eigentlich kam uns das ja entgegen. Silver und ich hatten Team Rocket sowieso den Rücken gekehrt. Also gut, begleiteten wir sie und sahen, was die Beiden erreichten. Oder? Sollten wir ihnen wirklich helfen? Konnte Silver am Ende wirklich gegen seinen Vater antreten, wenn es sein musste? Und wenn nicht, was sollte ich dann tun? Ich konnte mich durchaus gegen Team Rocket stellen, keine Frage. Aber ich konnte Silver nicht hintergehen.

    Kapitel 31: Zusammentreffen (Kisho)


    Nach ein paar weiteren Tagen wurde ich dann schlussendlich aus meinem weißen, langweiligen Raum im Krankenflügel entlassen. Dank der Behandlung durch Schwester Joy und die anderen Pflegrinnen war ich schnell genesen. Die ersten Schritte an diesem Morgen waren zwar etwas wackelig gewesen, aber schon bald hatte ich mich wieder ans Laufen gewöhnt und fühlte mich inzwischen stark genug. Schwester Joy hatte meine Versuche überwacht und meine gute Verfassung mit einem Lächeln bestätigt. Es waren meine ersten Schritte nach dem Zwischenfall gewesen, und ich war froh, diesem weißen Zimmer entkommen zu sein. Kotone war nicht dabei gewesen, als ich mein Zimmer verlassen hatte, doch würde es für sie sicher auch eine willkommene Überraschung sein, mich außerhalb des Raumes zu sehen.


    Doch wir beide hatten nicht mehr miteinander gesprochen nachdem ich sie geküsst hatte. Nachdenklich lief ich den Gang außerhalb meines Krankenzimmers hinab. Sicher wäre es schön gewesen, wenn sie diese Gefühle, die ich besaß, auch für mich empfunden hätte. Doch wieso hatte sie meinen Kuss erwidert, wenn sie es ihrer Aussage nach mit meinen Gefühlen nicht im gleichen Maße tat? Ich konnte es nicht verstehen, doch ich würde nicht aufgeben. Vielleicht müsste man uns einfach nur mehr Zeit geben. Und schließlich hatte sie meinen Kuss erwidert, also musste sie doch mehr als nur ihren besten Freund in mir sehen. Oder? Müde fuhr ich mir mit meinen Händen durch die blonden Haare.


    Ich setzte meinen Weg über den blauen Teppich fort, sodass ich schlussendlich in der Lobby des Centers ankam. Ich fand sie recht angenehm eingerichtet. In den vielen rot gepolsterten Sitzecken des Raumes saß meistens niemand, doch konnte ich Kotone in der Menge relativ allein an einem Tisch für vier Personen sitzen sehen. Den weißen Hut hatte sie abgelegt, was sie sonst eigentlich nur sehr selten tat. Nur ihr Karnimani, welches vor ihr auf dem Tisch saß und einen Knurps verspeiste, leistete ihr Gesellschaft. Sie wirkte sehr betrübt und rührte Gedankenversunken mit einem Löffel in ihrem Tee herum. Ich vermutete, dass es Apfel war, eine ihrer Lieblingssorten. Langsam, unsicher wie ich sie nach unserem letzten Zusammentreffen ansprechen sollte, näherte ich mich meiner Freundin. Karnimani bemerkte mich zuerst und fixierte mich mit einem fragenden Quaken. Kotone hob auf den Laut hin ihren Kopf, blickte Karnimani an und folgte seinem Blick dann mit ihrem zu mir. Ihre Augen, welche gemischte Gefühle zeigten, weiteren sich und ihr stand der Mund ein wenig offen.


    „Kisho…?“, fragte sie erstaunt und stand langsam auf. „Was machst du hier? Hat man dich etwa bereits entlassen?“ Ihre Mimik zeigte deutliche ihre Ungläubigkeit, aber auch Freude. Ich nickte grinsend, während sie mir näher kam. „Jupp.“ Ein breites Lächeln zierte nun ihre Lippen, und bevor ich mich versah, hatte sie bereits ihre Arme um meine Hüfte und ihren Kopf an meine Brust gelegt. So etwas hatte ich nach unserer letzten Konversation zwar nicht erwartet, aber glücklich erwiderte ich ihre Umarmung und schloss meine Arme um ihren Oberkörper. Es tat gut, sie wieder zu sehen und ihre Wärme zu spüren. So verweilten wir einen Moment und ich wagte es, meine Augen zu schließen und meinen Kopf sanft auf ihren zu legen. Kein Zweifel, ich liebte sie, und Momente im Krankenzimmer ohne sie waren trostlos und zäh vorüber gegangen. Doch ich würde das Thema nicht ansprechen. Sie wusste es, und ich würde es erfahren, wenn sie ihre Meinung änderte. Nun war ich einfach nur glücklich, sie so innig in meinen Armen halten zu können. Dann löste sich Kotone wieder von mir und blickte mich, noch immer ein Lächeln im Gesicht, mit ihren haselnussbraunen Augen an. Ihr Hut war etwas verrutscht, was sie schnell wieder fixierte. Dann deutete sie auf die Sitze um den Tisch herum, an welchem sie eben noch gesessen hatte.


    „Als ich dich vor ein paar Tagen hergebracht habe, hätte ich nie damit gerechnet, dass du so schnell wieder auf die Beine kommen würdest. Du kannst dir kaum vorstellen, wie glücklich mich das macht!“, sagte die Braunhaarige dann und ihr Grinsen wurde noch einmal ein ganzes Stück breiter. Ich schmunzelte glücklich und meinte: „Ich habe es nur dir und den Pokémon zu verdanken, dass ich so schnell hier war und Hilfe bekam.“ Kotone erwiderte dies nur mit einem freundschaftlichen Blick und setzte sich wieder an den Tisch. Automatisch folgte ich ihrem Beispiel und setzte mich ihr gegenüber. Das Sitzpolster war angenehm weich und ich machte es mir mit Freude bequem. Karnimani grüßte mich mit einem breiten Grinsen und einem aufgeregtem Quaken. Ich antwortete mit einem Lächeln und einem Nicken zum Krokodil. Wie sehr wünschte ich mir doch, meine Pokémon wieder bei mir zu haben…


    (Kotone)
    Ich knetete nervös meine Finger. Ja, ich hatte ihn gerade freudig umarmt, doch eigentlich wusste ich nur bedingt, wie ich Kisho gegenüber auftreten sollte. Er hatte mich geküsst und wollte eine innigere Beziehung, doch ich hatte abgelehnt. Noch immer konnte ich mir selbst nicht sagen, wieso ich Kishos Kuss erwidert hatte. Wieso es sich angefühlt hatte, als wäre es schon immer so vorbestimmt gewesen… Nicht, dass er nicht attraktiv wäre, gut aussehend und klug – das musste ich zugeben. Doch ich fühlte einfach nicht mehr, oder zumindest wäre ich mir dessen nicht bewusst. Außerdem hatte ich Angst, damit unsere Freundschaft zu gefährden. Würde eine Beziehung nicht funktionieren, wie würden wir dann weiter verfahren? Vielleicht wäre es einfach zu komisch. Meine Muskeln spannten sich an. Am besten war es sicher, wenn wir einfach ganz normal weiter machten. In seinem Blick konnte ich sehen, dass er meinen studierte. Konnte er lesen, was ich dachte? Just in diesem Moment wandte er seinen Blick wieder von mir ab, und verzog einen Mundwinkel kurz, fast unmerklich, nach unten. Und das ließ mich wieder so miserabel fühlen, für das, was ich ihm damit antat, dass es kaum auszuhalten war.


    „Also…“, begann ich langsam. „Hat Schwester Joy dir noch irgendetwas gesagt, auf dass du Acht geben musst?“ „Nein, ich denke, ich bin inzwischen wieder ganz gut unterwegs.“ Kisho lächelte schwach, allerdings merkte man, dass es gequält war. „Doch meine Tage waren langweilig. Ich lag nur im Krankenzimmer. Du warst diejenige, die mehr erleben konnte. Hast du irgendetwas Interessantes in Erfahrung gebracht? Hat man Team Rocket aufgespürt?“ Ich schüttelte meinen Kopf, rührte mit dem Löffel in meinem Heißgetränk und seufzte. „Nein, man hat keines der Mitglieder, welche den Aufruhr hier verursacht haben, aufgespürt. Zu dumm, ich hatte auch selbst auf bessere Nachrichten gehofft.“ Kisho und ich blickten einander betrübt an und ich nahm einen Schluck meines Tees. „Doch ich denke nun umso mehr, dass wir uns der richtigen Sache verschrieben haben. Unser Ziel ist es, Team Rocket das Handwerk zu legen. Wenn wir es tatsächlich schaffen, dann wird das endlich ein Ende haben.“ Ich nickte bestätigend. Team Rocket musste unbedingt gestoppt werden, das war klar. Hoffentlich würde es nicht mehr so lang dauern, bis wir unser Ziel erreichten.


    „Wenigstens gibt es eine gute Nachricht, die ich für ich habe“, meinte ich mit einem Lächeln. Meine Hand glitt zu den Taschen meiner Latzhose hinab. Als sie wieder auf dem Tisch erschien, hatte ich zwei Pokébälle gegriffen. Kishos Augen weiteten sich in Erstaunen und ein ungläubiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Sind… Sind das etwa meine Pokémon? Feurigel und Bisasam?“ Ich grinste und hielt ihm die verkleinerten Bälle in meiner offenen Hand hin. Kisho ergriff sie schnell und fragte: „Heißt das etwa, dass Feurigel auch wieder gesund ist?“ „Ja, gestern Abend wurde es mir von Schwester Joy überreicht. Ich sollte so lange auf es Acht geben, bis du auch wieder entlassen wirst.“ Wir beide grinsten und Kishos Blick wanderte wieder zurück zu den rot-weißen Kapseln. Der Blondhaarige brachte die Bälle mit dem Knopf auf der Vorderseite wieder auf Normalgröße, dann schickte er Feurigel und Bisasam mit grellen, weißen Lichtstrahlen frei. Die Wesen blickten mich verwundert an – sie hatten eher damit gerechnet, von mir aus ihren Kapseln gerufen werden, da sie ja noch nicht wussten, dass ihr Trainer wieder gesund war. Ich lächelte und deutete hinter die Wesen. Feurigel und Bisasam drehten sich zeitgleich um und blickten Kisho an. Sofort gaben sie aufgeregte, fröhliche Laute von sich. Der Igel stieß sogar kleine dunkelgraue Rauchwolken aus, so aufgeheizt war er sofort. Kisho wieder lachen zu sehen, ließ auch mich wieder fröhlicher werden. Glücklich schloss er seine Pokémon in die Arme, und das Strahlen in seinen Augen konnte man nicht übersehen.


    Ich beugte mich zu Kisho vor und meinte: „Nun denn… Ich bin mir zwar nicht sicher, ob du dich bereits komplett erholt fühlst, aber trotzdem sollten wir eine weitere Planung machen, was unsere Reise betrifft.“ Kisho nickte und meinte: „Gut, einverstanden. Ich denke ich bin nun wieder gesund genug, um weiter zu ziehen. Hast du schon eine Idee, wohin wir als nächstes gehen sollten?“ „Nun, die nächste größere Stadt wäre Dukatia City. Ist das eine Möglichkeit?“ Kisho blickte sein Feurigel an, während er nachdachte, sagte aber wenig später wieder zu mir: „Zwar würde ich wirklich gern Professor Lind in Neuborkia besuchen, aber es wäre nur ein Umweg. Ich habe uns schon genug Tage an einem Ort gehalten, und später müssten wir wieder durch dieses Dorf wandern. Dukatia City ist unser nächstes Ziel, es macht einfach mehr Sinn.“ Sanft legte ich meine Hand auf seine. „Du kannst ruhig dagegen stimmen, wenn du wirklich nach Neuborkia möchtest. Ich habe kein Problem damit, den Weg zu laufen.“ Doch Kisho schüttelte seinen Kopf: „Nein, es ist völlig okay. Wir gehen nach Dukatia. Wie wäre es mit einer Weiterreise morgen früh?“ Nachdenklich blickte ich Kisho an. Wieso tat er das? War ihm mein Wohl etwa wichtiger als seines?


    „Kisho…“


    (Clarice)
    Silver hatte sich ebenfalls dazu bereit erklärt, nach Dukatia City zu gehen, und so hatten wir vor zwei Tagen das Center in Neuborkia verlassen. Momentan waren wir kurz davor, Rosalia City zu erreichen. Neben der Straße verliefen dutzende Grasflächen und Felder für den Ackerbau. Das Leben hier war wirklich dörflich, anders als in Teak City oder Dukatia. Ich war in Ebenholz City geboren, einer Stadt, welche großen Wert auf Traditionen in Bezug auf die Drachen-Pokémon und auf ihre Lebensweise im Einklang mit den Bergen und der Natur legte. Nach einer Weile – ich war vielleicht sieben gewesen - waren wir dann aber nach Dukatia gezogen. Wie unterschiedlich doch die einzelnen Gebiete einer Region sein konnten…


    Nach einer Weile kamen dann schlussendlich das Ortsschild und die ersten Häuser Rosalia Citys in Sicht. Mein Magen verkrampfte sich, als ich den Ort wiedersah. Mir wurde sogar ein wenig übel und meine Handflächen waren nass von Schweiß. Schnell erreichten wir die Grasfläche, auf der die Rüpel Eichs Show gestört und Verwüstung gebracht hatten. Ich fühlte mich noch heute schrecklich, wenn ich daran dachte, dass Vieles der Zerstörung unter meinem Kommando geschehen war. Alles was ich nun tun konnte, war, wie ich es tat, Team Rocket den Rücken zu kehren und das Shiggy zu pflegen, welches durch die mir unterstellten Mitglieder gestohlen worden war. Doch es würde nicht wiedergutmachen, was damals geschehen war. Nichts konnte das. Wir gingen weiter in das Dorf hinein, und meine Hand hielt den Armriemen meines Rucksackes fester. Silver blickte mich fragend an, doch ich überspielte meine wallenden Gefühle und lächelte ihm zu. Er zog die Brauen hoch, sagte aber nichts, während er mich weiter beobachtete. Die Minuten vergingen schweigsam, während die Häuser nun näher zusammen rückten und das Dorfzentrum bildeten. So kamen auch der Markt und das Pokémon-Center in Sicht. Wie viele Leute waren wohl damals in diesem Gebäude gewesen, verletzt und besorgt? Ich seufzte unmerklich.


    „Was hältst du davon, wenn wir für ein Weilchen im Center einkehren? Eine Pause und ein kühles Wasser könnten nicht schaden“, fragte Silver, als das Haus mit dem auffallend roten Dach in unmittelbarer Nähe war. Mir war zwar nicht wirklich wohl dabei, länger als nötig in diesem Ort zu bleiben, doch ich nickte und erklärte mich einverstanden. Niemand hatte mich damals gesehen, doch fühlte ich doch die Blicke der Leute auf mir lasten.


    „Das ist nur Einbildung. Nur Einbildung!“, redete ich mir selbst ein. Wieso sollten sie mich auch anstarren? Schlussendlich betraten wir dann also das Pokémon-Center. Zu dieser Stunde war nicht viel los, bei den Sitzecken waren nur wenige Personen zu sehen. Dann allerdings fiel mein Blick auf ein braunhaariges Mädchen und einen blondhaarigen Jungen. Mein Atem stockte just in dieser Sekunde. Das war doch wohl ein schlechter Witz…

    Kapitel 30: Wohin? (Clarice)


    Es waren einige Tage vergangen, nachdem Silver beschlossen hatte, Team Rocket den Rücken zu kehren. Seitdem fühlte ich mich sehr befreit, da es nun keinen nicht zu bewältigenden Grund mehr gab, bei Team Rocket zu bleiben. Zur Not konnte man auch anders Geld verdienen, nun da ich auch älter war, und Pokémon-Center nahmen gerne jeden Trainer auf. So würde es gehen, doch vorerst brauchten wir uns darum keine Gedanken zu machen. Nachwievor befanden wir uns im beschaulichen Dorf Neuborkia mit seinem frischen Wind und dem klaren See in der Nähe. Manchmal sah man auch die Mündung zu einer breiteren Wasserstraße in der Ferne, welche von Schiffen genutzt wurde, um Passagiere nach Kanto zu den Pokémon-Ligen Kantos und Johtos zu bringen. Für mich war dieses ganze Kämpfen um Orden nichts. Ein Duell würde ich meistens annehmen, aber ich wollte nicht eine lange Zeit damit verbringen, um diese Metallplättchen zu wetteifern.


    Schon bald wollten – mussten - wir weiterziehen. Ich hatte an Dukatia City gedacht, da dort die größte Polizeistation der Region Johto zu finden war. Dort würden wir dann sicher nach Informationen zu meinen Eltern suchen, selbst wenn ich dort vor meiner Zeit im neuen Team Rocket bereits ohne Erfolg geforscht hatte. Vielleicht gab es nun neue Hinweise. Auch mein Elternhaus war dort. Außerdem konnten wir über einen Abstecher in diese Stadt viele andere Orte dank des großen Hafens erreichen. Da wäre die Fortsetzung unserer Reise ein Leichtes. Damals war ich auch wegen der Suche nach meinen Eltern bei Team Rocket gewesen. Ich hatte gehofft, irgendwo Informationen zu finden, da Giovanni sie auch kannte. Außerdem war es eine gute Möglichkeit gewesen, ein wenig in der Region herum zu kommen. Doch nun war mir klar, dass ich meine Eltern so nicht finden konnte. Wenn dann hätten ich es bereits getan, wenn ich gekonnt hätte. Ich musste so suchen, die Organisation nutzte mir da auch nichts mehr.


    Silver selbst war heute Vormittag auch im Zimmer geblieben. Ich selbst hatte aus der Lobby des Centers Zeitungen besorgt. Momentan las ich eine Ausgabe der bekanntesten Tageszeitung der Region, dem „Johto Journal“. Heute war nichts Interessantes zu berichten gewesen, wie es schien. Also hatte Team Rocket noch keine weiteren Übergriffe ausgeführt. Ich hatte nur einen Artikel darüber gelesen, was damals in Rosalia City, leider auch unter meiner Anweisung, geschehen war. Klar, ich hatte notgedrungen mitgemacht, aber ich gab mir auch selbst die Schuld am Leid der Bewohner dort. Es war gut, dass Silver und ich dieser Organisation den Rücken gekehrt hatten. Ich schaute niedergeschlagen aus dem Fenster unseres Zimmers. Draußen war bester Sonnenschein und bestimmt tummelten sich nun viele Menschen im Dorfzentrum. Das Center stand etwas abseits von diesem, sodass wir einen kleinen Nadelwald sehen konnten. Sanft wiegten sich die Baumwipfel im stetigen leichten Wind, welcher im und rund um das Dorf herrschte. Auch das Wasser des Sees und der Fährstraße war zu sehen, ab und zu schipperte eine weiße Fähre gemütlich entlang. Alles in Allem war es sicher ein toller Ort für Familien mit Kindern. Doch irgendwann wäre es mir hier sicher zu ruhig.


    Dann wandte ich meinen Blick Silver zu. Generell war er sehr nachdenklich geworden und sprach nicht viel die letzte Zeit. Nicht mal zu mir. Ich fühlte mich zwar nicht zurückgewiesen, da ich seine Situation verstand, aber ich wollte, dass es bald wieder vorüber war. So in sich eingeschlossen… Ganz anders als ich, die Kontakt brauchte. Der Rothaarige schaute ebenfalls aus dem Fenster, während er auf seinem Bett saß und wieder einmal nachzudenken schien. Grübelte er noch immer über das Gespräch mit seinem Vater nach? Oder darüber, wie er mehr über seine Verbindung zu Lugia herausfinden sollte? Ich hätte ihm gern geholfen, doch wo sollten wir mit der Suche anfangen? Professor Lind hatte uns eine erste Spur geliefert, indem er uns den Kristall zeigte und uns von den Legenden erzählte. Demnach war er also eine Verbindung zu Lugia, welches tief am Meeresgrund lebte. Ich hatte mir das Meer immer als eine komplett andere Welt vorgestellt. Die Tiefen der Ozeane waren so unberührt von allen oberen Einflüssen, dass dort alles anders sein musste, als wir es gewohnt zu sein schienen. Sie hielten dutzende Wunder bereit. Vor allem die Strudelinseln mussten ein spezielles Reservoir für Meerespokémon bieten. Vielleicht war die Umgebung so außergewöhnlich, dass nur starke und große Wesen wie Lugia dort hausen konnten? Moment… Aber klar! Nun ging mir endlich ein Licht auf!


    Wieso sollten wir nicht dort mit der Suche anfangen, wo Lugia leben sollte? Sicher gab es dort mehrere Forschungsstationen, irgendetwas oder irgendjemanden, der sich mit dem Thema auskannte. In Dukatia City würden wir auch eine Fähre nach Anemonia City nehmen können - wie passend. Und ein weiterer Grund, in der Großstadt vorbei zu schauen. Am besten, ich sprach so bald wie möglich mit Silver darüber. Doch momentan wollte ich ihn nicht in seinen Gedanken stören.


    (Kotone)
    Nachdem ich vor ein paar Tagen die gute Nachricht von Schwester Joy erhalten hatte, ging es mir wieder wesentlich besser. Ich hatte sogar durchgehalten und die Anweisung der Medizinerin befolgt, noch ein paar Tage bis zu meinem nächsten Besuch zu warten. Nun konnte ich mir aber doch einen Besuch nicht verkneifen, um zu sehen, wie die Behandlung anschlug. Da kam es mir gerade Recht, dass Schwester Joy mich in meinem Zimmer abholte und zu Kishos Raum geleiten wollte. Verwundert schaute ich von meinem Bett auf, als sich die Tür meines Zimmers öffnete und die rosahaarige junge Frau den Raum betrat.


    „Schwester Joy, was machen Sie denn hier? Ist irgendetwas passiert?“ Sofort erfüllte mich die Sorge um Kisho. Hoffentlich ging es ihm gut. „Kotone, ich würde dich bitten, mir zu Kishos Zimmer zu folgen.“ „Gibt es Neuigkeiten?“ Nun war ich bereits aus meinem Bett gesprungen und eilte zur Tür. Konnte sie denn nicht endlich sagen, was Sache war? „Folge mir einfach, dann wirst du schon sehen, was ich meine.“ Also tat ich wie geheißen, schlüpfte in meine Schuhe und ging hinaus in den Gang. Den Weg kannte ich zwar selber, aber trotzdem hielt ich mich aus Höflichkeit hinter der Krankenschwester auf. Schon bald hatten wir das Zimmer erreicht und ich hielt es vor Spannung kaum noch aus. Ich traute mich kaum, durch das Glasfenster der Krankenzimmertür zu sehen.


    „Geh du nur rein. Ich werde mich dann mal wieder an meine Arbeit machen.“ Die Medizinerin zwinkerte und ging davon. Verwundert und noch immer um Unklaren öffnete ich also die Tür. Als ich den Raum betrat, hätte ich gleich Freudensprünge machen können: Kisho saß in seinem Bett, wobei er sich an die aufgestellte Oberseite seines Bettes lehnte, drehte seinen Kopf zu mir und lächelte mich an. Zwar sah er noch immer etwas geschafft aus, aber wenigstens war er wieder voll bei Bewusstsein und es ging ihm besser. Er hatte die Hände auf die weiße Bettdecke gelegt, wodurch ich sah, dass er über eine Verbindung des Tropfes zu seinem Unterarm noch immer an eine Infusion angeschlossen war. Und Blut hatten sie ihm wohl noch weitere Male abgenommen. Ein spezieller kurzer Schlauch war an Kishos Hand befestigt wurden und lieferte, sofern man es brauchte, die rote Flüssigkeit. Er war unter einem Verband eingewickelt und ersparte einen neuen Einstich bei jeder Blutabnahme. Ich kannte das schon.


    „Kisho!“ Ich lächelte und ging näher zu meinem blondhaarigen Freund. „Hey, Koto! Schön, dass du vorbei kommst, um mich zu besuchen.“ Seine Stimme klang auch noch nicht wirklich kraftvoll, aber das konnte meine Freude nicht trüben. Zumal er mir sein bezauberndes Lächeln schenkte – ihm schien es wirklich besser zu gehen! Nur seine blonden Haare hingen ihm wirr ins Gesicht und ins Sichtfeld. Ich setzte mich neben ihn auf einen Stuhl und sagte: „Tut das gut, dich wieder so munter zu sehen! Du hättest mal sehen sollen, wie du noch vor ein paar Tagen bei meinem letzten Besuch aussahst. Kreidebleich warst du da und heiß wie ein Ofen!“ Ich lachte und Kisho stimmte mit ein. Doch dann schaute der Blondhaarige mich wieder ein wenig ernster an. Vielleicht war auch eine Spur Nervosität in seinem Blick zu erkennen? „Ich habe gemerkt, dass du da warst. Ich konnte mich nur nicht melden. Aber ich habe gespürt, wie du meine Hand genommen und was du getan hast. Auch das Gespräch mit Joy habe ich mitbekommen.“ Ich wurde schlagartig tomatenrot im Gesicht. Das hatte er gehört? Oh um Himmels Willen, wieso denn das? Da hatte mich Joy direkt auf meine Gefühle für Kisho angesprochen! Das hatte er doch gar nicht hören sollen! Wieder fragte ich mich, was ich für Kisho empfand und wie ich mich verhalten sollte. Doch dann wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.


    Der Blondhaarige ergriff meine Hand, drückte diese beruhigend und sagte in sanftem Ton: „Du hättest nicht weinen müssen.“ Ach du liebe Zeit, er hatte wirklich gemerkt, was um ihn herum passiert war! Noch röter hätte ich nun kaum noch werden können. Aber ich war einfach aufgewühlt gewesen, weil…weil Kisho mir sehr am Herzen lag. Ich beugte mich ein wenig zu Kisho vor, um ihm die blonden Haare aus dem Sichtfeld zu streichen. Sein Blick, der nun wieder besser zum Vorschein kam, schilderte, dass Kisho vitaler geworden war. Der Blondhaarige wurde etwas rot in seinem Gesicht, als sich meines so nah an diesem befand.


    Dann kam etwas, womit ich nicht gerechnet hatte: Kisho beugte seinen Kopf vor zu mir und seine Lippen berührten meine. Doch ich wich nicht zurück, nein – ich erwiderte seinen Kuss. Keine Verwunderung, keine Empörung, nichts Negatives durchströmte mich. Ich spürte seine weichen Lippen und Kishos Wärme. Es tat gut, das zu spüren - es gab mir das Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit, dass alles gut war. Kisho hatte seine Hände sanft auf meine Wangen gelegt. Alles in allem fühlte es sich gar nicht an wie unser erster Kuss. Als hätte ich diese Berührungen unserer Lippen schon immer gekannt und gemocht. Viel zu schnell war der Moment vorbei, und irgendwie trauerte ich ihm nach. Andererseits verfluchte ich ihn kurz darauf auch wieder. Jetzt war ich völlig durcheinander. Wollte er tatsächlich, dass wir mehr waren als nur Freunde? Ich wusste nichts zu sagen, denn ich konnte meine Gefühle nicht einordnen. Als ich nicht zurückgewichen war… Hatte das gezeigt, dass ich Kisho mehr als gedacht entgegen brachte? Aber mit Kisho… Das erschien mir irgendwie abstrus. Wie gesagt, ich war völlig durcheinander. Als Kisho merkte, dass ich nichts sagte, griff er besorgt meine Hand, schaute mich mit seinen hübschen, blauen Augen, umrahmt von geschmeidigen Wimpern schwarz wie Kohle, an.


    „Koto… Habe ich etwas Falsches getan?“ Er klang nervös… Und nervös war ich auch, aufgrund meiner Verwirrtheit. Kisho erwartete, dass ich etwas sagte – nur was? Ich wollte mich nicht festlegen, da ich noch keine Entscheidung getroffen hatte. Mein bester Freund war wirklich attraktiv, das musste ich zugeben. Er hatte ein hübsches Gesicht, wirkte nicht schmächtig, aber auch nicht zu muskulös, war gebildet und er kannte mich wie kein anderer. Doch falls wir es versuchen würden, konnte das auch schlecht ausgehen. Das könnte unsere Freundschaft, unsere gesamte gute Beziehung zueinander in Gefahr bringen, falls es nicht funktionierte. Dann wären wir beide an diese Zeit erinnert, die dann so böse geendet hatte, und das immer wenn wir zusammen kamen. Mindestens einer von uns würde das dann nicht wollen.


    Wohin? Ja, wohin sollte ich gehen? Ich sah mich an einer Weggabelung. Doch welchen Weg sollte ich einschlagen? An einem Weg stand mein bester Freund, der in mich verliebt war. Sollte ich den Weg zu Kisho gehen und unserer Beziehung zueinander eine neue Tür öffnen? Verbunden mit dem Risiko, dass wir irgendwann unsere gesamte Verbindung kappen mussten, falls der Weg zu steinig wurde? Oder sollte ich den anderen Weg einschlagen, bei dem ich Kisho zurückwies und auf einen anderen Jungen hoffte? Doch an dessen Ende sah ich noch kein Gesicht, keine Person, die auf mich wartete. Was würden die Wege bringen?
    Ich wusste es nicht, und so hatte ich noch keinen Schritt getan. Die Weggabelung, an der ich stand, verließ ich nicht… Wohin? Ja, wohin sollte ich gehen?


    Da holte mich Kishos traurige, erschöpft klingende Stimme aus meinen Gedanken: „Du weißt noch nicht, was du empfinden sollst, oder? Ich sehe es dir doch an. Du willst keine tiefere Beziehung.“ Da stockte mir fast der Atem. Wie gut er mich doch lesen konnte – wie ein offenes Buch. Wie Recht er doch eigentlich hatte. Und wie niedergeschlagen und erschöpft er nun wieder aussah… „Kisho… Du weißt, dass du mir viel bedeutest. Sehr viel sogar. Und unser Kuss hat mir wirklich gefallen. Auf eine ganz bestimmte Weise bist du in meinem Herzen und ich liebe dich schon… Aber ob es diese große Liebe ist, kann ich noch nicht sagen. Es tut mir wirklich leid, aber wir müssen die Zeit vergehen lassen, um zu sehen, was ist und was sein kann.“ Noch nie war es mir so schwer gefallen, Worte zu sagen. Ich wollte ihn nicht verletzen, aber noch konnte ich mir eine Beziehung mit ihm momentan nur bedingt vorstellen. Ich musste erst meine Gefühle ordnen, dann konnte sich das vielleicht ändern. Kisho seufzte niedergeschlagen und ich sah den Schmerz in seinen Augen, als er den Kopf niedergeschlagen in sein Kissen sinken ließ und an die weiße Decke starrte. Es tat weh, ihn so gekränkt und verletzt zu sehen.


    Früher, als wir noch kleiner gewesen waren, hatte er mich immer als eine Freundin gesehen, und ich ihn als meinen besten Freund. Wir hatten schnell festgestellt, dass wir Seelenverwandte waren. Ich sah ihn innerlich mit seinem bezaubernden Lächeln vor mir, wie er mir symbolisch die Hand reichte, und sanft sagte: „Komm, Koto. Es ist ganz leicht.“ Doch trotzdem kam ich nicht, sondern blieb unentschlossen. Sein echter Blick war ernst, das Lächeln verschwunden. Sein Kuss war das Zeichen gewesen - da hatte er mir die Hand gereicht. Doch ich hatte sie gerade abgeschmettert. Je länger ich mit einer Entscheidung wartete, desto mehr tat ich ihm weh. Wenn es irgendwann zu spät war, dann würde er aus meinem Leben verschwinden. Fortgehen, denn dann hatte er die Hoffnung aufgegeben, dass ich zu ihm kommen würde. Dann würde er versuchen, eine neue Liebe zu finden, die seine Gefühle erwiderte. Eigentlich konnte jedes Mädchen froh sein, ihn zu haben. Gutaussehend, klug und liebenswürdig. Doch noch brachte ich nicht den Mut auf, den entscheidenden Schritt zu tun. Erst einmal musste ich also den anderen Weg betreten, an dem kein Junge zu sehen war, und hoffen, dass da noch irgendjemand auf mich wartete. Doch wer es war, das wusste ich noch nicht. Es war noch kein Gesicht zu sehen…

    Kapitel 29: Frei! (Silver)


    Im Center Neuborkias angekommen, gingen Clarice und ich sofort auf unser Zimmer, um vom dortigen Videotelefon aus den Boss Team Rockets zu kontaktieren. Schnell hatte ich die Nummer gewählt, welche mir von meinem Vater genannt worden war, und der Bildschirm flackerte auf. Nun war das Gesicht Giovannis zu sehen, welcher anfing zu lächeln.


    „Silver! Na also! Was habt ihr erfahren?“ Falten bildeten sich aufgrund seines Lächelns um seine Augen und um seinen Mund. Seine Haut war wie immer blass vom Leben im Untergrund. Mein Vater war sehr breitschultrig, wie mir gerade auffiel. Vielleicht lag es daran, dass der Bildschirm nur den obersten Teil seines Körpers zeigte. Im Großen und Ganzen wirkte er bestimmt nicht freundlich, trotz allen Bemühens. Ich schaute meinen Vater grimmig an und meinte: „Spar dir dein Lächeln besser für einen anderen Moment. Ich habe einige Fragen an dich, und du bekommst erst Informationen von mir, wenn du sie wahrheitsgemäß beantwortet hast.“ Meine Wut auf ihn wuchs wieder ins Unermessliche, als mir einfiel, was er mir womöglich vorenthalten hatte, und ich empfand eine gewisse Genugtuung, als mein Vater verwundert drein schaute.


    Doch dann schien sich der Boss Team Rockets wieder zu fangen und meinte: „Gut. Dann stelle deine Fragen.“ Nun kam wieder sein Tick auf und er strich seinen erneut orangefarbenen Anzug glatt. Sein braunes Haar war auch wie immer streng zurück gekämmt und mit Gel fixiert, was ihn aalglatt und verschlagen wirken ließ. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Clarice nervös ihr Gewicht von einem Bein aufs andere verlagerte und ihre Finger ineinander verschränkte. Sie war für meinen Vater nicht zu sehen. Wahrscheinlich machte sie sich Sorgen um mich, da ich auf dem besten Weg war, es mir mit diesem gründlich zu verderben. Und ein gewisser Teil fürchtete sicher auch um ihren Job, mit dem ja ein festes Heim und Geld verbunden waren. Vielleicht hatte sie ja auch Angst vor Giovanni selbst? Gerne hätte ich sie in meine Arme genommen oder ihre Hand gehalten, ihr ein beruhigendes Lächeln zugeworfen, irgendwas. Doch dann hätte Giovanni gewusst, dass sie da war – und dass wir tatsächlich etwas für einander empfanden. Auch wenn er es vielleicht so schon vermutet hatte, wollte ich Giovanni unser Glück aber nicht deutlich zeigen. Deshalb blieb mein Blick weiter auf dem Bildschirm und ich konzentrierte mich wieder auf das Gespräch.


    „Du hast gewusst, dass etwas passieren würde, nicht wahr? Dass mich die Gegenwart des Kristalls beeinflusst.“ Giovanni schaute erst erstaunt, dann glücklich und zuletzt meinte er: „Ich habe es nicht direkt gewusst, aber ich habe es geahnt und gehofft.“ „Und deshalb hast du die Mission mir übertragen?“ „Klar, wie hätte ich sonst testen können, ob du mit dem Kristall verbunden bist? Ist die Verbindung zum Artefakt da, dann existiert sie auch zu Lugia selbst. Es war er einzige Weg, mein Junge.“ Ich nahm das interessiert zur Kenntnis und fragte weiter: „Wie kamst du denn eigentlich auf den Gedanken, dass da eine besondere Verbindung bestehen könnte? Was hat gezeigt, dass ich besonders war?“ Da überlegte mein Vater einen Moment. „Ehrlich gesagt, war es reiner Zufall. Ich kannte die Legende, dass immer ein Mensch mit Lugia verbunden sein soll. Und einmal habe ich gehört, dass es mit Ho-Oh das Gleiche sei. Die Verbindung würde durch Artefakte verstärkt. Wir sind auf der Suche, die Person und das Artefakt passend zu Ho-Oh zu finden.“ Als ich merkte, dass er vom Thema abzuweichen drohte, warf ich ihm einen zurechtweisenden Blick zu. „Den entscheidenden Gedanken hatte ich bei einem Urlaub an den Strudelinseln. Du selbst warst noch klein. Damals hattest du einen Moment der Trance, als wir in der Ferne die Strudelinseln von einem Schiff aus sahen. Dein Blick wurde silbern und leer, du warst komplett weg. Das dauerte vielleicht zwei Minuten, und du warst höchstens acht Jahre alt. Damals war deine Mutter noch da. Wir waren sehr erstaunt, und ich ahnte, auf was es hinaus laufen könnte. Doch sicher war ich bis zum heutigen Tage nie.“ Giovanni seufzte.


    „Ich wollte dich speziell untersuchen lassen, doch weil sie mich für so skrupellos hielt, verließ deine Mutter uns. Sie meinte, es wäre die reinste Qual für dich, wenn ich meinen Willen und somit die ganzen Tests, Eingriffe und Proben durchsetzen würde. Sie würde nicht mit jemandem zusammen sein wollen, der sein Kind nicht respektierte. Am Ende habe ich doch noch interessante Ergebnisse bekommen. Forscher von Team Rocket haben eine Methode entwickelt, deine Erinnerungen an die Eingriffe zu beseitigen.“ Mein Vater hatte tatsächlich Untersuchungen über mich in Kauf genommen, nur um mich für seine Pläne missbrauchen zu können? „Meine Güte…“, sagte Giovanni und seufzte verständnislos. „Wie wehleidig deine Mutter doch war.“ Das durfte doch nicht wahr sein! So gefühlskalt war er unter seiner Maske des Verständnisses?


    „Du bezeichnest sie als wehleidig?! Hast du überhaupt einmal, nur ein einziges Mal, an mich gedacht? Ich bin dein Sohn!“ Ich warf meinem Vater einen hasserfüllten Blick zu. Und nun kam es mir schlagartig wieder in den Sinn: Damals, die steife Meeresbrise wehte mir ins Gesicht. Ich sah die Inseln, und – zack! Ich wusste nicht mehr, was ich damals geträumt hatte, aber ich war wenige Augenblicke später auf dem Deck liegend aufgewacht. Ähnlich wie im Labor! Dann kamen verschwommene Erinnerungen an einen Herbstabend auf. Rötliches Licht fiel durch das Fenster. Ich hatte in einem Krankenbett gelegen und dutzende Forscher hatten sich nicht weit entfernt beraten. Trotzdem hatte ich nur Wortbrocken verstanden. „Lugia… besonderes EEG…“ Tatsächlich konnten sie da Ergebnisse aus Untersuchungen besprochen haben! Und dieser Schimmer einer Erinnerung hatte wohl die Gehirnwäsche überstanden.


    „Du bist ein gefühlskalter Rabenvater, weißt du das?“, meinte ich nun wütender denn je. Clarice stand vor Schreck der Mund leicht offen und ihre Pupillen weiteten sich. So etwas hätte sie ihren Eltern nie entgegen geworfen. Selbst wenn diese ebenfalls schlecht zu ihren Eltern stand, die Orangehaarige würde so etwas nie in den Mund nehmen. „Fängst du jetzt auch so an? Meine Güte, du Weichei! Hast du dich denn nie gefragt, woher du deinen Spitznamen hast?“ „Ich konnte mich doch dank dir an fast nichts erinnern!“, brüllte ich zurück.


    Das war nun zu viel für mich. Ich beendete schlagartig das Gespräch, schnaubte wutentbrannt und hielt mir genervt die Hände vors Gesicht. Clarice traute sich nicht, auch nur irgendetwas zu sagen – wahrscheinlich konnte sie nicht abschätzen, wie ich reagieren würde. Für sie musste ich mich jetzt erst einmal zusammen reißen. Ich versuchte, ruhiger zu werden und erhob mich von dem Stuhl. Noch immer lastete Clarices fragender und nervöser Blick auf mir. Sie fragte stumm: „Kann ich etwas für dich tun? Was hast du nun vor?“


    „Tut mir leid, aber das gerade ging zu weit.“ Meine orangehaarige Freundin nickte verständnisvoll. Auch sie musste wissen, wie gefühlskalt manche Leute sein konnten. Ihr nun neuer Blick voller Traurigkeit zeugte davon, dass sie mein Gefühl nachempfinden konnte. Hass und Verzweiflung waren ihr bekannt. Eigentlich war sie jemand, der viel Kontakt zu anderen Menschen brauchte und nicht gern allein war. Doch manchmal war sie ebenso nachdenklich und schweigsam. Dann dachte sie wahrscheinlich über verschiedene Dinge ihres Lebens nach. Ich war meist das Gegenteil - zwar auch oft nachdenklich, doch den meisten Menschen gegenüber verschlossen. Es dauerte lange, ehe ich mich einsam fühlte. Nur bei Clarice öffnete ich mich. Wir würden uns zusammen durchschlagen. Nach dem, was eben passiert war, wollte ich meinen Vater nicht mehr sehen.


    Da kam mir eine neue Idee: „Wie wäre es, wenn ich sagen würde, dass wir Team Rocket den Rücken kehren? Wenn wir uns zu zweit in Johto aufhalten? Wir könnten nebenbei Recherchen wegen Lugia und auch wegen deiner Eltern anstellen.“ Clarices Blick wandelte sich erneut – diesmal in pures Erstaunen. „Du…du willst Team Rocket hinter dir lassen? Bist du dir da sicher?“ Ich nickte sofort. „Wir werden aber nicht in das Hauptquartier zurückkehren, unsere Sachen holen und uns dann aus dem Staub machen. Wir nehmen einfach das mit, was wir hier haben. Es sind genug Dinge in unseren Rucksäcken verstaut worden. Wärest du einverstanden?“ Nun war es Clarice, welche entschlossen und schnell nickte. Klar, sie wollte sowieso von Team Rocket weg. Und nun, da sie mich weiterhin in ihrer Nähe haben würde, hielt sie nichts mehr in der Organisation. Sicher ließ sie Dinge zurück, doch sie gingen ja nicht verloren. Ihr Zimmer gehörte immer noch ihr, es durfte nicht weiter vergeben werden.


    „Dann gehen wir es an.“ Ein Grinsen erschien auf meinem Gesicht und auch Clarice lächelte. Nun, das wusste sie, war sie wieder frei von allen Zwängen. Beide hatten wir in letzter Zeit viel Geld zusammen bekommen – ich durch meinen Status als zukünftiger Boss und Sohn eines reichen Mannes, Clarice durch ihren Lohn der letzten Monate. Bestimmt würden wir so eine Weile durchkommen. Die Siebzehnjährige atmete tief durch und nun war ihr richtiges Lächeln zu sehen. Das hatte ich sehr vermisst – die Monate bei Team Rocket hatten sie müde und traurig gemacht. Es hatte auf mich gewirkt, als hätte sie vergessen, wie man lachte. Ihre frühere Lebensfreude und Fröhlichkeit, ihr ganzer Charme war verschüttet worden und erst in diesem Moment wieder aufgetaucht. Uns beiden stand nun ein freies Leben bevor, ohne Zwänge durch Vorgesetzte. Nun durfte sie wieder sie selbst sein und wir hatten einander. Das stärkte uns beide ungemein. Ich war mir sicher, dass Clarice in diesem Moment die ganze Welt hätte umarmen können. Stattdessen aber küsste sie mich und setzte dann wieder ihr natürliches, befreites Lächeln auf. Wir würden nun erst einmal den Tag entspannt ausklingen lassen. Es war die Zeit für Entspannung gekommen, und auch die Momente dafür, das Leben zu genießen.

    Kapitel 28: Wallende Gefühle (Silver)


    Unglaublich, aber der Professor hatte vielleicht Recht: In meiner Vision, oder was auch immer es gewesen war, hatte ich riesige flügelähnliche Schwingen und einen großen Körper besessen. Außerdem hatte ich in meinem Traum unter Wasser atmen können. Es hatte sich alles so real angefühlt… Sogar die schwere und Nässe des Wassers hatte ich deutlich wahrgenommen. Und in einem normalen Traum spürte man doch nicht, wie sich das Wasser anfühlte! Hieß das etwa, dass ich in Lugias Körper gewesen war, oder zumindest eine mentale Verbindung zu diesem Wesen hatte?


    Da fiel mir wieder mein Vater ein: „Reicht es, wenn ich dir sage, dass ich schon meine Gründe habe?“ Hatte er es etwa gewusst? Kannte er eine Verbindung zwischen dem Vogel und mir, und hatte deshalb die Mission mir als seinem Sohn übertragen? Hatte er nur den Beweis gewollt? Wenn ja, dann würde er bald fällig sein. Ich brauchte dringend diese Informationen, und er hatte sie mir vorenthalten!


    „Professor, ich muss mehr wissen. Meinen Sie, dass eine mentale Verbindung zwischen Lugia und mir besteht?“ „Ja, das tue ich. Du hast das gefühlt und gesehen, was das Pokémon wahrgenommen hat. Interessant, denn zufällig haben wir an anderer Stelle bei unseren Recherchen eine alte Legende gefunden. Nach ihr gibt es auf der Welt immer genau eine Person, die mit dem Wesen verbunden ist. Nun, da ich dich hier gesehen habe, glaube ich, dass die Geschichte wahr ist.“ Clarices Blick war nicht weniger fassungslos als meiner. Ich war eine Figur aus einer Legende? Niemals. Doch andererseits… Ich hatte ja noch immer am besten gemerkt, was eben geschehen war.


    „Trage den Kristall unter deinem T-Shirt um den Hals. Da sieht ihn niemand und er hat Hautkontakt.“ Also tat ich wie geheißen und hing den Kristall mit mulmigem Gefühl um meinen Hals. Was, wenn ich plötzlich mitten auf der Straße wieder umkippte? Dann schob ich ihn unter mein T-Shirt. „Wie gesagt, du musst mich bei Besonderheiten sofort informieren.“ Ich nickte. Da ich selber mehr wissen wollte, würde ich das tun, in der Hoffnung, dass der Professor neue Erkenntnisse mit mir teilen konnte. Wenn es überhaupt neues Wissen geben würde, so mysteriös wie das Vorgefallene war…



    (Kotone)
    Es war ein komischer Vormittag für mich. Wie lethargisch hatte ich nicht aus meinem Bett aufstehen wollen. Trotz meiner nicht mehr vorhandenen Müdigkeit hatte ich mich weiter unter meiner Decke gewälzt und meinen Kopf in das weiche Federkissen gekuschelt. Selbst meinen Hunger ignorierte ich so gut es eben ging, denn mein Körper wollte nicht vom Fleck. War es die Angst, Kishos regungslosen Körper erneut in diesem Krankenbett zu sehen? War es die Angst, nichts mit dem Tag anfangen zu können, weil mich sowieso nur schlechte Gedanken verfolgen würden? War es die Angst, sofort die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren, wenn ich auch nur einen Fuß auf den pfirsichfarbenen Teppichboden des Raumes setzte? Denn sobald ich dieses Bett verließ, welches mir einigermaßen Sicherheit vor der Welt bot, wie ich hätte meinen können, gab es kein Zurück mehr. Dann würde der Tag richtig für mich anbrechen, und ich wusste nichts zu tun. Der Tag bedeutete, wach zu sein, und dies wiederrum hieß auch, sich Gedanken und Gefühlen auszusetzen und hinzugeben. Aber genau das wollte ich nicht. Würde ich es zulassen, kämen sofort Erinnerungen an gestern und an Kishos schlechte Gesundheit zurück. Mein Leid, welches ich mental mit Kisho teilte, würde mich übermannen und mir Tränen hervor locken. Salzige, unerbittliche Tränen. Wasser des Schmerzes, des Leids, der Verzweiflung. Es würde sichtbar werden, wie schwach ich im Moment war. Und wer war ich denn dann schon? Ein fünfzehnjähriges Mädchen, heulend, tief in Gedanken versunken? Ein schwaches kleines Mädchen. Das würde es dann eher treffen. Aber ich wollte nicht schwach sein, schon gar nicht nach außen sichtbar. Ich öffnete meine Augen und drehte mich seufzend auf den Rücken.


    Andererseits… Mich hier vor der Welt zu verstecken brachte doch auch nichts. Dann war ich genauso schwach, weil ich mich so vor allem versteckte und so auch Phasen des Schmerzes und der Mutlosigkeit nicht überwinden wollte und konnte. Also, entweder zeigte ich mich der Welt, oder ich blieb hier liegen. Als Feigling. Nur wenn ich mich erhob und meinen Körper in Gang brachte, konnte ich etwas tun und vielleicht auch Kisho helfen. Ihm zumindest meine Nähe spenden. Also quälte ich meine Füße auf den Boden und meine Beine in eine durchgestreckte Haltung. Nun einmal stehend riss ich die Vorhänge auf und strahlte der schon lange hell strahlenden Sonne entgegen. Heute würde ich genau so hell scheinen wie sie! Ja, das war der Plan!


    (Clarice)
    Silver und ich hatten mittlerweile das Labor verlassen und schlenderten nachdenklich nebeneinander die Straße entlang. Unser Ziel würde das Pokémon-Center sein, von dem aus Silver seinen Vater kontaktieren würde. Schließlich sollten wir Bericht erstatten. Logisch, wenn man bedachte, um was es für Giovanni ging. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Dieser Mann war die Abscheulichkeit in Person! Wieder dachte ich an das Gespräch im Hubschrauber zurück. Und nun stellte ich umso mehr fest, dass er vor Menschen genauso wenig Respekt zu haben schien wie vor Pokémon. Er schickte seinen eigenen Sohn los, um etwas für ihn zu erledigen. Enthielt ihm womöglich Informationen vor, die sein Leben stark verändern könnten. Ständig waren Leute für ihn unterwegs, und Giovanni war der Einzige, der am Ende wirklich den Hauptpreis bekommen sollte: Macht. Große Macht sogar. Es zählte nur er selbst in seiner eigenen Welt. Meine Wut legte sich, wechselte in Niedergeschlagenheit und Trauer, als ich Silvers nachdenkliches Gesicht sah. Grimmig stapfte er vorwärts. Ich konnte nur ahnen, wie es in ihm brodeln musste. Sein Vater wusste etwas, dass er nicht wusste, und das hatte mir der Rothaarige erst vor ein paar Minuten selbst erzählt. Giovanni hätte seine Gründe… Dass ich nicht lachte. Wahrscheinlich hatte er genau gewusst, was mit seinem Sohn passieren würde. Zumindest geahnt haben musste er es. Nur verständlich, dass Silver nun Informationen verlangen würde.


    „Wirst du ihm sagen, dass du den Kristall in deinem Besitz hast?“, fragte ich leise, unsicher wegen seiner schlechten Laune. „Ich weiß es nicht. Eher weniger, so wie es aussieht. Nur, wenn er mir zuvor Informationen gegeben hat, bekommt er welche von mir. So und nicht anders will ich es ablaufen lassen. Giovanni kann sich auf etwas gefasst machen.“ Ich legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. „Und wie“, antwortete ich. Ich würde ihn nicht allein so etwas durchmachen lassen! War ich seine Freundin und Seelenschwester, oder war ich es nicht?



    (Kotone)
    Nach einem reichhaltigen Frühstück aus Marmeladenbroten und Kakao beschloss ich, nun wieder etwas euphorischer, nach Kisho zu sehen. Er sollte nicht glauben, dass ich ihn vernachlässigen würde. Ich traute mir inzwischen zu, einen weiteren Besuch durchzustehen. Also erhob ich mich von dem Tisch, an welchem ich gegessen hatte, und ging wieder hinauf in den Krankenflügel des Gebäudes. Kishos Zimmer war erneut leicht zu finden und momentan auch wieder nicht von Ärzten besucht. Also öffnete ich langsam die Zimmertür und betrat den Raum.


    Und sofort, als ich an Kishos Krankenbett stand und in das Gesicht meines Freundes schaute, war meine kleine Phase der Euphorie dahin. Wieder dasselbe schmerzverzerrte Gesicht, blass wie Kreide und heiß wie brennende Kohle durch das Fieber. Und auch sah ich die verschwitzten blonden Haare wie letztes Mal nass an der Stirn des Jungen kleben. Ich nahm mir einen Stuhl, setzte mich an das Bett und nahm Kishos linke Hand in meine. Tränen schossen mir in die Augen. Und dabei hatte ich mir doch erst vorhin vorgenommen, zu strahlen und den Tag ohne ein so schlechtes Gefühl wie gestern oder gar mit Tränen zu verbringen. Doch nun rissen die Wunden und Narben wieder auf, welche schon meine gestrige Trauer um Kishos schlechte Gesundheit hinterlassen hatte, und ich fühlte mich noch schlechter als in den Stunden nach Kishos Behandlung gestern. Ich legte meinen Kopf auf seinen Körper und schloss die Augen. Weiterhin liefen Tränen aus meinen Augenwinkeln hinab. Doch es tat mir gut, zu hören, dass sein Puls regelmäßig und normal ging. Es signalisierte mir, dass er lebte.



    Plötzlich spürte ich, wie mir jemand sanft eine Hand auf die Schulter legte. Ich schreckte auf und blickte in das Gesicht von Schwester Joy.


    „Oh, hallo…“, meinte ich leise. „Kotone, ich hatte nicht gedacht, dass du einfach in das Zimmer gehen würdest. Aber trotzdem eine liebe Geste, dass du ihn besuchst.“ Sie zwinkerte und lächelte mich an. Schnell wischte ich mir ein paar Tränen aus dem Gesicht und fragte: „Haben sie denn schon etwas neues herausgefunden? Bitte, ich muss es wissen! Es geht hier um Kisho!“ Ich wurde schon fast wieder hysterisch, hoffend, in meiner Suche nach Fakten genau diese zu bekommen. „Nun, dann kann ich dir ja zufrieden sagen, dass wir nun wissen, was das Gift bewirkt. Es ist zum Glück tatsächlich nichts Bedrohliches, aber der Kniff ist, dass es den Körper schwer belastet. Diese Art von Gift ist nur schwer abzubauen und führt deswegen zu starker Erschöpfung und Fieber. Dein Freund Kisho kommt wieder auf die Beine, denn wir können ihn behandeln.“ Ein Lächeln umspielte meine Lippen, und als ich wirklich begriff, strahlte ich wieder, wie ich es mir eigentlich vorgenommen hatte. Freudentränen liefen über mein Gesicht und ich umarmte die Medizinerin.


    „Danke, Schwester Joy! Danke vielmals!“, sagte ich glücklich. Die Frau lachte und legte mir beschwichtigend eine Hand auf den Rücken. Sie lächelte, zufrieden, dass ich fröhlich war. Doch dann beugte sie sich zu mir und flüsterte geheimnisvoll in mein Ohr: „Du hängst ja wirklich außergewöhnlich stark an dem Jungen, hm?“ Ich hörte sie noch kichern und errötete schlagartig. „Ähm… Ja… Aber nicht so, wie Sie denken.“ „Was denke ich denn?“, lachte Joy frech. „Sie denkt, dass ich in Kisho verliebt bin“, drang es nun in meinen Verstand vor. War ich das? Keine Ahnung. Ich hatte nie darüber nachgedacht, ob aus den Gefühlen von Kisho und mir irgendwann etwas Ernsteres als Freundschaft werden würde. Romantik war nie ein Thema zwischen uns gewesen. Kisho war eben Kisho. Aber wenn ich daran dachte, wie er mich damals im Wald fixiert, beim Quiz nach der Fragebogenrunde aufgemuntert und vor allem, wie er mich berührt hatte… Vielleicht kam von seiner Seite tatsächlich mehr als Freundschaft, doch ich hatte es einfach nicht bemerkt? Wie sollte ich mich dazu positionieren? Was empfand ich? Noch war es mir nicht klar. Fakt war bisher nur für mich, dass ich sehr an ihm hing und Kisho auf keinen Fall verlieren wollte. Er war mein Seelenverwandter, und ich für ihn seine Seelenverwandte. So war es von Anfang an bei uns gewesen.


    Joy bat mich nun, zu gehen, damit sie in Ruhe mit der Behandlung anfangen konnte. Und nun hatte ich nichts dagegen, denn ich wusste, dass Kisho in guten Händen und schon bald wieder fit war.

    Kapitel 27: Legenden erwachen? (Silver)


    Während wir zum Objekt der Begierde geführt wurden, blickte ich mich weiter im Labor um. Hier waren Artefakte vorhanden, welche quer durch sämtliche Zeitepochen zu reichen schienen. Gut, Professor Lind war ja auch Evolutionsforscher und ein Mann, der die Weiterentwicklung der Pokémon studierte. Sein Forschungsgebiet schien für mich eigentlich das spannendste von allen zu sein. Wir hielten vor einem aus hellem Holz gemachten Schreibtisch, voll bedeckt mit Schmierpapier, Dokumenten und ausgedruckten Messdaten. Wahnsinn, wie man so ambitioniert und doch so chaotisch sein konnte. Wahrscheinlich war Linds Motto: „Wer Ordnung hält ist zu faul zum Suchen!“ Umso erstaunter war ich, dass der braunhaarige Mann wirklich ordentliche Forschungsergebnisse zu liefern schien, denn renommierte Preise befanden sich in einem Regal hinter dem Schreibtisch. Bewundernswert, wirklich Bewundernswert.


    „So, ihr Lieben. In dieser kleinen Schatulle hier…“ Lind deutete auf ein verziertes Holzkästchen, welches neben ihm auf dem hölzernen Tisch lag. „In dieser kleinen Schatulle hier liegt der inzwischen so bekannte Kristall.“ Als wäre dies eine große Ankündigung der Sensation ohnegleichen gewesen, nahm Lind mit großen unnötigen Gesten die aus Kirschholz gefertigte Schatulle in die Hand und öffnete sie. Heraus zog er einen an einer Kette hängenden, durchsichtigen, dennoch silbern wirkenden Kristall, welcher im Licht der Deckenlampen wie ein Prisma die Spektralfarben auf ein weißes Papier auf dem Schreibtisch warf.


    „Der ist ja unglaublich schön…“; hauchte Clarice verzaubert neben mir. „Nicht wahr?“, lächelte der Professor. Ich konnte meinen Blick ebenfalls nicht von diesem Kristall abwenden. Er war nicht besonders groß, sowie von der Form eher schmal und lang. Wäre ein hübsches Schmuckstück für ein Mädchen wie Clarice. Aber irgendetwas an diesem antiken Artefakt zog mich magisch an und ich fragte mich, wie das kommen konnte. Mein Verlangen nach diesem Fundstück war plötzlich immens. Aber wieso zum Teufel war das so? Ich hatte keine Ahnung.


    „Kann ich ihn vielleicht mal in die Hand nehmen und näher betrachten?“, fragte ich zaghaft. Lind überlegte einen Moment mit kritischem Blick, doch dann hielt er mir den wertvollen Gegenstand entgegen. Vorsichtig nahm ich ihn und drehte den Kristall vor meinen Augen. Tatsächlich wirkte er, als wäre er aus Silber. Wenn man genauer hinsah war es aber eigentlich nur ein lang gezogener Strich des Silbers, welcher entlang der Mitte des Kristalls vorzufinden war. Der Rest war tatsächlich farblos und durchsichtig.


    „Unglaublich. Haben Sie diesen Strich in der Mitte bemerkt?“, fragte ich ihn, woraufhin Lind nickte. „Wir halten es für wahrscheinlich, dass dies der besondere Teil des Artefaktes ist, der mit Lugia in Verbindung steht. Eine Art Quintessenz aus irgendetwas. Nur wissen wir noch nicht, was es ist.“ Sehr mystisch. Irgendwie fühlte ich mich genau so, als würde diese silberne Essenz im Kristall zu mir gehören. Als wäre sie ein Teil von mir – aber das war nicht möglich. Nein, auf keinen Fall konnte das gehen. Von welcher Person sollte das auch sein, und wie könnte man denn an so etwas kommen? Ich drehte den atemberaubenden Fund noch ein kleines bisschen weiter und stieß somit auf eine winzige Gravur eines Lugias in der Außenseite.


    „Ein eingraviertes Lugia? Dieser Gegenstand gibt einem ja immer mehr Rätsel auf“, sprach ich fasziniert. „Wie meinst du das, Silver?“, fragte Clarice neben mir. Klar, sie konnte ja nicht das merken, was ich bei der Begegnung mit dem Kristall fühlte. „Lustig, genau die Farbe im Kristall“, lachte Lind. Klar, das fiel mir tatsächlich auch erst jetzt auf. Wirklich ein komischer Zufall. Wie war ich eigentlich an diesem Spitznamen gekommen, der meinen richtigen ersetzte? Je länger ich in das Silber und auf das eingravierte Lugia starrte, desto schwindliger wurde mir. Ich taumelte ein wenig, was Clarice beunruhigte.
    „Silver? Silver, was hast du denn?“, hörte ich sie fragen, doch ihre Stimme verschwamm immer mehr. Auch meine anderen Sinne ließen die Umwelt um mich herum hinter sich und eine Bildserie tauchte vor meinem inneren Auge auf.


    Wasser. Unmengen Wasser. Schwer und nass schien es mich zu umgeben. Ich bekam Angst, nicht schnell genug wieder atmen zu können, denn ich befand mich in einer Höhle am Meeresgrund. Doch ich spürte keinen Schmerz in meiner Lunge, sondern glitt ruhig durch das Wasser. Wie Vögel Flügel schien ich Schwingen zu haben und durch die Flüssigkeit gleiten zu können. Ich verließ die Höhle und betrachtete die Schönheit des Meeres. Ja, ich fühlte mich wohl. Als wäre hier mein Zuhause. Hier unten war der Boden zwar nur karg und sandig, aber näher am Licht wuchsen farbenprächtige Korallen und schwammen andere Pokémon wie Seeper oder Goldini.


    . Nun wollte ich die höheren Meereslagen erkunden, also zischte ich blitzschnell nach oben. Unglaublich, wie schnell das ging! Da bemerkte ich, oben angekommen, über mir ein paar Strudel, welche ihre verschlingenden, zermalmenden Kräfte eindrucksvoll zeigten. Ich schwamm höher in Richtung der Wasseroberfläche. Doch kurz vorher machte ich Halt. Wieso stoppte ich und schaute nicht über die Oberfläche hinaus? Schließlich wusste ich doch, wie schön auch der Anblick des Landes vom Meer aus sein konnte. Doch stattdessen schwamm ich nun direkt auf einen der Strudel zu. Moment, einen der Strudel? Wieso zur Hölle… War ich etwa lebensmüde? Moment, war ich ja vielleicht gar nicht… Ich hatte das Gefühl, riesig zu sein. Mystisch, aber irgendwie auch gut. Und so schwamm ich näher heran, bis ich nur noch Turbulenzen und blubberndes Wasser um mich herum wahrnahm… Adrenalin sammelte sich in meinem Blut, als mich die Wirbel der Strudel erfassten. Ich hatte Angst, aber es machte Spaß…


    Schreiend wachte ich wieder auf. Meine Sinne kehrten in die Wirklichkeit zurück und ich bemerkte, dass ich auf dem Fußboden des Labors saß. Das helle Licht blendete im ersten Moment stark. Mein Kopf schmerzte – war ich umgefallen und auf dem Boden aufgeschlagen, als mir schwindlig geworden war? Stöhnend griff ich mir an den Kopf, welcher wirklich dröhnte. Hörbar schnappte ich geschafft nach Luft.


    „Silver!“, hörte ich da eine vertraute Stimmte und sah kurz nur orange. Clarice hatte sich neben mich gekniet und fiel mir nun erleichtert um den Hals. Beruhigend legte ich meine Arme um sie. Ich war verwundert, aber froh, wieder zurück in der Realität und bei ihr zu sein. Das Mädchen löste sich ein Stück von mir und schaute mich besorgt an. Ihr Blick deutete auf ihre zahlreichen Fragen und Ratlosigkeit hin. Nur leider war ich im Moment nicht sehr viel schlauer als sie, denn auch ich hatte keine Ahnung, wieso ich ohnmächtig geworden war. Ich küsste sie kurz – wobei Professor Lind kurz lächelnd die Augenbrauen hoch zog – und versuchte, wieder aufzustehen. Clarice half mir, indem sie zuerst aufstand und mir ihre Hand reichte. Dankbar ergriff ich diese und wenig später stand ich wieder.


    „Sehr interessant“, meinte Professor Lind. „Was?“, fragte ich nach, noch im Denkvorgang behindert durch meine Kopfschmerzen. „Du hast plötzlich getaumelt und dein Blick wurde leer. Dann bist du umgekippt und lagst einfach auf dem Boden. Was meinst du, was du mir für einen Schreck eingejagt hast!“, sprach Clarice hysterisch zu mir. Ihr Blick zeugte von ihrer Besorgnis und sie drückte meine Hand. „Tut mir Leid, Clarice, aber ich kann mir selbst auch eher weniger erklären, wie das passieren konnte.“ „Noch mysteriöser aber war, dass der Kristall in deinen Händen angefangen hat zu leuchten. Besser gesagt, der silberne Streifen in ihm“, mischte sich erneut der Forscher ein. Da war ich erst recht baff. Das Artefakt hatte angefangen, in meinen Händen zu leuchten? Gab es da vielleicht doch eine Verbindung zwischen diesem Ding und mir? Fragend blickte ich die anderen beiden an, welche nicht besonders auf den Kristall reagiert hatten. Doch Clarice blickte genauso ratlos zurück und Lind schien eifrig nachzudenken.


    „Sag mal, mein Junge, was hast du denn überhaupt wahrgenommen, als du dort lagst?“, stellte Lind mir eine Frage. Ich überlegte kurz und versuchte, mich an so viel wie möglich zu erinnern. „Ich habe mich schon die ganze Zeit über, seit ich ihn das erste Mal hier sah, sehr von diesem Kristall angezogen gefühlt. Irgendwie erschien es mir so, als würde die silberne Essenz zu mir gehören. Als wäre sie ein Teil von mir, wissen Sie? Dann sah ich das kleine eingravierte Lugia auf der einen Seite und mir wurde schwindelig. Ich taumelte und anscheinend bin ich dann umgekippt. Als ich auf dem Boden lag, habe ich etwas völlig anderes wahrgenommen als das Labor. Ich war im Meer, besser gesagt in einer Höhle am Meeresgrund, besaß einen großen Körper und hatte riesige Schwingen, mit denen ich blitzschnell durchs Wasser gleiten konnte. Nass fühlte es sich an. Seit wann merkt man denn in einem Traum, wie sich das Wasser anfühlt, in welchem man imaginär schwimmt?“ Lind schaute erst überrascht, dann nachdenklich. Doch trotzdem wartete er darauf, dass ich weiter erzählte.


    „Als ich der Wasseroberfläche näher kam, schaute ich aber nicht über sie hinaus. Ich sah Strudel an der Meeresoberfläche, und bin in einen hinein geschwommen. Und das war der Moment, in dem ich schreiend aufgewacht bin.“ „Das hast du wirklich gesehen?“, fragte Clarice und griff nach meiner Hand. „Nicht nur das, ich habe es gefühlt.“ Ich sah gespannt zum Professor. Wusste er vielleicht Rat?


    „Silver… Nachdem wir nun ein so außergewöhnliches Ereignis hatten, würde ich dich darum bitten, den Kristall zu behalten.“ „Wie bitte? Ich bin umgekippt, habe etwas Verrücktes geträumt, wache schreiend wieder auf und Sie wollen, dass ich dieses Artefakt behalte?“, rief ich entsetzt. Sollte ich das Ganze etwa mehrmals durchmachen? „Genau das will ich. Ich bin gespannt, was noch passieren wird, wenn sich der Kristall weiter in deiner Nähe befindet, und du müsstest mir bei besonderen Dingen Bericht erstatten. Du solltest ihn möglichst deine Haut berühren lassen, so ist der Kontakt sicher am stärksten.“ Völlig verständnislos starrte ich den Professor an. Das konnte er doch nicht ernst meinen!


    „Ich glaube, Lugia und du gehören zusammen. Denn nach dem, was du beschrieben hast, zum Beispiel mit den riesigen Schwingen und deiner doch wohl nicht zu verachtenden Größe, warst du vorhin in deinem „Traum“ – wie ich es jetzt einmal vorsichtig bezeichne - Lugia.“ Ich schluckte und meine Pupillen weiteten sich. „Ich…war Lugia?“

    so, ich habe die kampfszene, welche ich schon einmal zur bewertung hier online gestellt habe, überarbeitet und wollte die neue version nun auch von fachkundigen augen lesen und einschätzen lassen.
    wenn sich jemand meines nun längeren kampfes annehmen möchte, wäre ich dafür sehr dankbar. ^^




    lg
    haru

    Kapitel 26: Professor Lind (Silver)


    In der Dämmerung schreckte ich verschwitzt aus meinen Träumen auf. Mein rotes Haar klebte mir Nass am Kopf und ich zitterte. Ich blickte aus dem Fenster und erkannte leichte Schimmer von rosafarbenem Licht inmitten des Blaus über dem Horizont. Was war los gewesen? Immer wieder waren bizarre Bilder vorgekommen. Die Bedeutung des Ganzen wurde mir nicht ganz klar. Seit wann brachten mich träume so aus der Fassung? Es hatte alles mit Wasser zu tun gehabt… Und wieso hatte ich an unbändige Kraft gedacht? Mehr noch: Ich hatte mich unsagbar kräftig gefühlt. Nur das Gefühl der Verbundenheit zu einer Person hatte eine Ruhepause in der Fantasiewelt meines mystischen Traumes geschaffen. Hatte ich vielleicht Clarice im Gedächtnis gehabt? Keine Ahnung.


    In diesem Moment drehte ich mich zu meiner Freundin um und sah diese ruhig in ihrem Bett liegen. Das rotblonde Haar verteilte sich wild auf ihrem weißen Kopfkissen und auf Teilen ihres hübschen Gesichts. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, also befand wenigstens sie sich noch in einem ruhigen Schlaf. Verwirrt fuhr ich mir durch die Haare und rieb mir die Stirn. Zu sehr zermarterte ich mir den Kopf, als dass ich hätte wieder einschlafen können, also stand ich auf, um ins Bad zu gehen. Dort wusch ich mir schnell mit kaltem Wasser den Schweiß der Nacht vom Gesicht und fuhr mir mit den Fingern grob durch die Haare. Angespannt lehnte ich mich über das Waschbecken und nahm ein paar tiefe Atemzüge.


    Sollte ich Clarice von meinem Traum erzählen? Oder würde sie das zu sehr beunruhigen? Ich wusste es nicht. „Das wäre bestimmt kein gutes Gesprächsthema“, dachte ich ironisch. „Guten Morgen, Clarice, habe ich dir schon von meinem Alptraum berichtet?“ Nein, ich würde es vorerst für mich behalten. Besser so, sonst wäre meine Freundin gleich wieder so beunruhigt. Clarice hatte so schon genug um die Ohren. Und hatte der Inhalt dieses Traumes überhaupt eine größere Bedeutung? Das konnte ich ja noch gar nicht sagen. Wahrscheinlich war es nur ein einfacher Traum gewesen, der nie wieder auftauchen würde. Ich schüttelte meinen Kopf, um die Erinnerungen daraus zu verbannen. Allerdings verwunderte mich, dass nun urplötzlich Teile eines Gespräches wieder in mein Gedächtnis kamen, welches ich mit meinem Vater geführt hatte…


    Noch immer stand ich im Büro meines Vaters, nachdem ich ihn Clarice als meine Partnerin für die Mission in Neuborkia genannt hatte. Mein Vater wirkte wie immer völlig aalglatt und selbstsicher. Schon seit einigen Momenten waren wir ins Schweigen verfallen, sodass ich beschloss, ein eigenes Thema anzusprechen.


    „Sag mal… Die ganze Zeit sucht ihr nach Hinweisen für Lugia und Ho-Oh. Erzähl mir doch mehr über deinen Plan“, sagte ich zu meinem Vater. Da blickte der Mann wieder interessiert zu mir auf und legte für einen Augenblick erneut seinen Stift zur Seite, mit dem er bis dahin in der Schweigezeit geschrieben hatte. „Du möchtest also Informationen über unser Ziel haben? Gut, dann sollst du sie bekommen.“ Giovanni lehnte sich entspannt in seinem Ledersessel zurück und zog seine rote Krawatte zurecht.


    „Lugia und Ho-Oh gelten mit als die mächtigsten Pokémon Johtos. Mit ihnen wollen wir es schaffen, die absolute Kontrolle über alles und jeden in der Region zu gewinnen. Dabei sind die Vögel eine große Hilfe, ganz einfach weil sich mit diesen Wesen keiner zu messen wagt. So wird Team Rocket die ganze Macht innehaben. Wie du ja erwähnt hast, soll Lugia an den Meeresgrund geflohen sein. Der Kristall, über den du mehr in Erfahrung bringen sollst, wird uns dabei helfen, Lugia herbei zu rufen und zu kontrollieren. Wir werden den Vogel schön in seinen Käfig sperren und uns seiner Kräfte bedienen, wenn wir sie brauchen sollten. Und wenn Lugia trotz allem nicht gehorchen sollte, dann wird es einen Schock erleben, wenn du verstehst, was ich meine.“ Giovanni lachte unheimlich und ich musste zugeben, dass sich meine Nackenhaare aufstellten.


    „Du meinst Stromstöße“, bemerkte ich neutral, und mein Vater warf mir einen unheimlichen Blick zu. „Du hast es erfasst. Wir haben bereits sämtliche Technologie vorbereitet. Um das mächtige Ho-Oh zu rufen, haben wir noch keine Möglichkeit gefunden, aber Trupps sind unterwegs, um Infos zu bekommen“, meinte Giovanni noch.


    Ich ging zurück in den anderen Raum. „Ich sollte wenigstens versuchen, noch ein klein wenig Schlaf zu bekommen“, folgte ich gedanklich meinem Verstand, und so lag ich schon wenig später wieder unter meiner Bettdecke. Auf dem Nachtschrank neben mir lag meine schwarze Armbanduhr, welche ich noch kurz betrachtete. 5:47 Uhr. Da konnte ich mich wirklich noch ein wenig aufs Ohr legen, in der Hoffnung, nun ein wenig besser zu träumen.


    (Clarice)
    Ich wurde langsam wacher und spürte den Duft von Kaffee in meiner Nase. Intensiv strömte er mit jedem Atemzug zu mir und ich schlug die Augen auf. Vor mir stand eine blaue Kaffeetasse auf dem Nachttisch. Nun wusste ich zumindest, woher der Geruch gekommen war. Auf dem Bett mit gegenüber saß Silver, ebenfalls mit einer Tasse in der Hand. Lächelnd trank er einen Schluck und warf mir einen frechen Blick zu. Ich schmunzelte und setzte mich langsam auf. Danach zupfte ich kurz meinen schwarzen Schlafanzug zurecht.


    „Na, Schlafmütze?“, lachte Silver und ich grinste verschlafen zurück. Wie lange hatte ich wohl geschlafen? Zumindest hatte ich mich schon lange nicht mehr so entspannt gefühlt wie nach dieser erholsamen Nacht. Verschlafen rieb ich mir kurz die Augen und griff dankbar nach dem Heißgetränk. Der Kaffee weckte meine Lebensgeister und schon bald hatte ich ein paar kräftige Schlucke genommen. Heiß spürte ich ihn hinab laufen und fand das Gefühl angenehm. Er war sogar gesüßt, genau wie ich es mochte. Woher hatte Silver das gewusst? Oder war es geraten? Ich wurde von innen heraus aufgewärmt und schnell etwas konzentrierter.


    „Wie spät ist es denn?“, fragte ich Silver nun. Dieser schaute auf seine Uhr und meinte: „Du hast es tatsächlich geschafft, bis halb elf zu schlafen. Dann musst du die Ruhe wohl wirklich gebraucht haben, was?“ Er schenkte mir wieder sein bezauberndes Lächeln. „Was, bis halb elf? Das ist wirklich lange“, antwortete ich und gähnte. „Na ja, die letzten Wochen waren auch wirklich hart und stressig. Was steht heute auf dem Plan?“, war meine nächste Frage. „Nun, heute statten wir Professor Lind einen Besuch ab. Deswegen solltest du dich ein wenig beeilen, wenn möglich. Ich habe dir auch eine Kleinigkeit mit hoch gebracht, nachdem ich im Saal zum Essen war.“ Der Rothaarige deutete mit seinem Zeigefinger auf einen Teller, welcher auf dem Tisch neben ihm stand.


    Nach meinem schnell nachgeholten Frühstück zog ich mich um und gemeinsam begaben Silver und ich uns zu Professor Lind. Die Sonne schien mal wieder kräftig auf die Erde hinab, sodass es kurz vor Mittag unglaublich heiß war. Wir klingelten an dem Haus, in welchem sich das Labor des skurrilen Mannes befand. Dieses war leicht auszumachen, da es eines der größten Gebäude des Ortes war. Es besaß einen großen Schornstein sowie ein blaues Dach und neben der Eingangstür hing ein Messingschild, das zusätzlich den hiesigen Standpunkt des Labors bekannt gab. Schon bald darauf hörten wir eine für einen Mann recht hohe Stimme durch das Haus tönen.


    „Komme schon!“


    Kurz darauf öffnete uns Professor Lind höchstpersönlich die Tür und lächelte uns an. Er hatte kurz geschnittenes, dunkelbraunes Haar und trug einen weißen Forscherkittel über einem hellgrünen T - Shirt und einer ockerfarbenen Hose.


    „Oh, hallo ihr Zwei. Ich dachte schon, es wäre mal wieder irgendein Kamerateam oder Interviewfritzen“, sprach er uns an. „Die sind wir garantiert nicht“, lächelte ich. „Aber trotzdem sind wir aus einem ähnlichen Grund hier. Dürften wir Ihnen vielleicht ein paar Fragen zu ihrer Entdeckung stellen? Wir sind sehr an Ihrer Forschung interessiert und würden gern mehr darüber erfahren.“ „Na wenn das so ist… Wieso nicht? Tretet ein.“ Wir bedankten uns und betraten auf Geheiß des Forschers dessen Laborgebäude.


    „Nun, meine Lieben. Selten habe ich hier junge Gäste, also bin ich besonders stolz, euch hier in meinem Reich begrüßen zu dürfen.“ So plapperte der Professor vor sich hin, während er uns ein Stück ins Innere des Gebäudes führte, in welchem sich dutzende hochmoderne Computer, mir unbekannte Messgeräte und auch viele elektronische Bauteile befanden. Des Weiteren gab es hier auch Kameras für Versuchsaufzeichnungen. „Verratet ihr mir eure Namen?“, wollte der Naturwissenschaftler dann von uns wissen. „Ich bin Clarice und das ist Silver.“ „Silver?“, sagte der Forscher und schaute mich verwirrt an. „Ein Spitzname“, klärte ich auf und bemühte mich um ein Lächeln. Der Rothaarige neben mir nickte. „Wow, Sie haben hier so viel Technik“, sagte ich staunend und wechselte somit das Thema. „Ja, die meisten Leute sind bei ihrem ersten Besuch hier vor allem davon überwältigt“, lachte der braunhaarige Mann und geleitete uns zu einer kleinen Sitzecke, welche aus vier billigen Stühlen aus hellem Holz und einem Tisch bestand.


    „Setzt euch doch bitte.“ Also nahmen wir auf den mit weißen Kissen gepolsterten Sitzgelegenheiten Platz. „Unglaublich, dass sich so junge Leute wie ihr für meine Forschungen begeistern. In der Tat ist der Kristall, den ich gefunden habe, unglaublich wertvoll. Mein Forschungsteam und ich fanden ihn bei Ausgrabungen von Fossilien zufällig tief im Erdreich, und sofort zog er alle in eine Art magischen Bann. Der Forscherdrang in uns allen erwachte neu und wir recherchierten Tag und Nacht. Schließlich stießen wir in den Fotografien von ausgekundschafteten Höhlen auf alte Wandmalereien, die auch diesen Kristall zu zeigen scheinen. In Verbindung dazu gab es Zeichnungen von Lugia, und nachdem wir versucht hatten, die weiteren Malereien zu entschlüsseln, kamen wir zu einem eindeutigen Ergebnis: Der Kristall war und ist noch heute das entscheidende Instrument, um Lugia zu kontrollieren. Das war schier eine bahnbrechende Entdeckung, das könnt ihr mir glauben!“ Lind kam in einen wahren Redeschwall und gestikulierte vor lauter Enthusiasmus wild mit seinen Armen, wobei er fast eine Kaffeetasse vom Tisch fegte.


    „Außerdem waren am Ende der Bildserie verschiedene Zeichnungen von Wasserstrudeln zu sehen. Vier Stück, und in der Mitte war wieder ein Lugia. Wir vermuten, dass dies ein entscheidender Hinweis auf den Verbleib des Vogels in den Strudelinseln sein soll. Weiterhin drängt sich aufgrund der alten Malereien der Verdacht auf, dass schon frühere Kulturen gewusst haben müssen, dass dieses majestätische Wesen diesen Ort in der wilden See als sein wahres Zuhause bevorzugt. Denn als die Bilder angefertigt wurden, gab es noch gar nicht die Türme in Teak City, in denen Lugia und Ho-Oh gehaust haben sollen. Sicher kennt ihr die Legenden.“ Silver und ich nickten. Klar kannte man die, wenn man sich ein wenig umhörte oder im Internet recherchierte. „Dann zeige ich euch mal das Schmuckstück“, meinte Lind daraufhin.

    hallo, ich wollte gerne auch mal eine kampfszene von mir bewerten lassen.
    ich habe das gefühl, dass soetwas eines meiner größten schwierigkeiten beim schreiben ist, deswegen wäre ich für tipps sehr dankbar. :)


    es geht darum, dass einer meiner charaktere nacheinander gegen die kimono-girls komomo und umeko antritt.



    lg
    haru

    Kapitel 25: Aufkeimende Gefühle (Clarice)


    Erst einmal machten wir eine Pause und ließen uns auf unsere Betten plumpsen. Entspannt seufzten wir auf und tranken einen Schluck Wasser, welchen wir noch von unserer Wanderung übrig hatten. Die Flaschen hatten sich an den Seitennetzen unserer Rucksäcke befunden. Dann begaben wir uns zurück zur Lobby im Erdgeschoss und von da aus in den nahe gelegenen Speisesaal. Aus diesem duftete es herrlich, und trotz meiner relativ guten Laune durch Silvers Anwesenheit fühlte ich mich auch etwas an die Zeit alleine erinnert. Damals war ich mit meinen beiden Pokémon Endivie und Voltilamm umher gezogen, in der Hoffnung, bald eines der Center zu finden, in welchem man Essen und Schlaf bekam. Oftmals fühlten wir uns schlapp, wenn wir zu lange Hunger gelitten hatten, oder waren generell immer wieder erschöpft. Insgesamt war es zwar hart, aber nicht unmöglich gewesen.


    Dank der Center, in welchen man kostengünstig oder auch manchmal kostenlos unterkam, hatten wir die Prüfungen überstanden. Am Abend hatten wir dann genauso mit knurrendem Magen vor dem Buffet gestanden, wie ich es jetzt mit Silver tat. Doch nun war das vorbei und ich besaß wieder ein Zuhause. Es war bei Silver. Mit großem Appetit holten wir uns etwas zu Essen, welches wir bei einem lustigen Gespräch verzehrten. Immer wieder kamen gute Witze oder auch ältere Anekdoten zu Tage, und am Ende saßen wir locker eineinhalb Stunden vor unseren Tellern. Es war einer der wenigen Abende in letzter Zeit, an welchen ich wirklich unbeschwert lachen konnte.


    „Sag mal, Clarice…“, sprach mich da mein Gegenüber an. „Ja?“, reagierte ich prompt. „Wie wäre es, wenn wir heute mal einen kleinen Städtetrip machen würden? Ich glaube, wir können beide nach diesem Tag noch eine weitere Aufmunterung gebrauchen“, sagte Silver und lächelte mir zu. „Klar, warum nicht? Schließlich bin ich noch nicht hier gewesen. Du etwa?“, antwortete ich glücklich und grinste. Es versprach also, doch ein lustigerer Abend zu werden als gedacht. „Nein, ich war ebenfalls noch nicht hier. Aber als wir hier ankamen, sah alles sehr idyllisch aus und auch ein Dörfchen wie dieses hier hat sicher seine Vorzüge“, antwortete mein bester Freund und zwinkerte mir zu.


    Also verließen wir schon recht bald darauf das Pokémon-Center, um uns auf die Hauptstraße des Ortes zu begeben, welche wohl auch gleichzeitig eine kleine Shoppingmeile zu bieten schien. Während die Färbung des Himmels langsam von einem Azurblau in einen dunkleren Ton überging, schlenderten wir gemütlich auf dem Bürgersteig entlang. Spontan entdeckten wir eine Eisdiele, welche im Gegensatz zu den meisten anderen Geschäften noch geöffnet hatte, und kauften an dieser eine grüne Kugel Pfefferminzeis für Silver und eine gelbe Portion mit Vanillegeschmack für mich. Entspannt gingen wir weiter und erneut scherzten wir herum. Außerdem redeten wir noch ein wenig über unsere Pokémon.


    (Silver)
    Auch meine Freundin schien zufrieden zu sein. Sie hatte wie ich bereits den Rest ihres Eises gegessen und betrachtete verträumt die Straße sowie die inzwischen schon geschlossenen Geschäfte. Ihre orangefarbenen Haare umspielten sanft ihr Gesicht, als sie durch eine kleine Böe nach vorn geweht wurden. Langsam erschien der Mond über dem Horizont und war gut am sternenklaren Himmel zu erkennen. Sanft erleuchtete er ihr Gesicht und ließ ihre blaugrünen Augen ein klein wenig glitzern.


    (Clarice)
    Schon wieder war mir ganz mulmig. Dieser Moment mit Silver war wirklich schön und ich wünschte mir, dass unsere angenehme Zweisamkeit noch ein wenig bleiben würde. Die Hand meines langjährigen Freundes war schon fast dabei, meine zu berühren und ich hätte sie gern gegriffen, doch ich traute mich nicht. Was, wenn er nicht dieses Kribbeln in meiner Nähe empfand, wie ich es in seiner tat? Konnte es wirklich sein, dass ich mich verliebt hatte? Sonst traute ich mich Manches, doch den Jungen neben mir wollte ich nicht als Freund verlieren, indem ich ihm meine Gefühle preisgab. Vielleicht wäre es für uns einfach unerträglich, wenn er mich nicht liebte, ich ihn aber weiter als meinen festen Freund haben wollen würde. Ich wollte es ihm ja sagen! Doch im richtigen Moment würden mir die Worte fehlen, das wusste ich schon jetzt. Wieso war das schon wieder so kompliziert? Nervös betrachtete ich das Gesicht meines langjährigen Freundes, den ich vorhin noch als Bruder bezeichnet hatte. Aber eher war mehr als das – mein Seelenverwandter. Und so musste ich mir meine starken Empfindungen wohl doch eingestehen. Schon wieder spürte ich dieses Kribbeln der Schmetterlinge in meinem Bauch.


    Und plötzlich geschah es, so als würde ich plötzlich von jemandem gesteuert, denn eigentlich hatte ich mich nicht getraut – zumindest dachte ich das bis zu just diesem Moment. Ich griff die Hand des Rothaarigen und drückte sie leicht, woraufhin dieser mir einen erstaunten Blick zuwarf.


    „Kann ich etwas mit dir besprechen?“, fragte ich nervös. „Sicher. Worum geht es denn?“, antwortete Silver. „Ähm… Weißt du, es ist vielleicht etwas… Ach, ich weiß auch nicht.“ „Nur zu, Clarice. Du weißt doch, ich beiße nicht“, grinste mein Begleiter und drückte sanft meine Hand, welche noch immer seine umschlossen hielt. Also gut. Es galt, meinen ganzen Mut aufzubringen, und ich atmete noch einmal tief durch. „Wir kennen uns schon lang, ich vertraue dir wie keinem Anderem. Wie gesagt, du bist wie mein Bruder. Und für mich ist es nun so, als wäre da noch mehr. Verstehst du, was ich meine?“, kamen dann endlich die Worte aus meinem Mund. Es schien ihm etwas klar geworden zu sein, doch er sagte nichts. Vor Angst und Anspannung wurde mein Mund ganz trocken.


    „Was ich meine ist: Ich liebe dich. Ehrlich gesagt tue ich das schon etwas länger. Du bedeutest mir viel, und ich kann nicht ohne dich…“ Die entscheidenden Worte waren gesprochen und nun gab es kein Zurück mehr. Ich umgriff Silvers Hand weiterhin und wir blieben stehen. Wir sahen uns in die Augen, als sich plötzlich ein kleines Lächeln auf dem Gesicht des Jungen herausbildete, welchem ich gerade meine Gefühle gestanden hatte.


    Und ehe ich mich versah, spürte ich seine Lippen auf meinen. Sanft küsste er mich, fast wie ein Hauch bei einem Flügelschlag eines Schmetterlings. Vor Überraschung konnte ich erst gar nicht reagieren, doch erwiderte dann seinen Kuss. Wenig später hatte er auch seine Hände auf meine Wangen gelegt, und ich spürte, wie ich errötete und mir die Wärme ins Gesicht schoss. Mein Herz fühlte sich an, als würde es in meiner Brust Salti schlagen, doch dann fiel es wieder zurück in seinen Rhythmus und ich entspannte mich. Meine Hände schlossen sich um seine Hüfte und unsere Lippen berührten sich immer intensiver und leidenschaftlicher.


    Dann entfernte sich Silver ein kleines Stück von mir und wir sahen uns direkt in die Augen. Nach unserem ersten Kuss war uns beiden ein Lächeln aufs Gesicht geschrieben, und ich brauchte kurz, um Luft zu bekommen. Ich lächelte glücklich, woraufhin Silver kurz lachen musste. Wieder beugte er sich vor und gab mir erneut einen Kuss, doch diesmal gleich etwas intensiver. Ich hatte die Augen geschlossen und erwiderte ihn ein zweites Mal voller Glücksgefühle. In diesem Moment geschah genau das zum zweiten Mal, von dem ich bis vor nicht mal drei Minuten ewig gedacht hatte. Ein berauschendes Kribbeln durchflutete mich und war elektrisierend. Irgendwie schien ich auch ein wenig daran zu denken, dass das, was wir jetzt begannen, später Probleme geben könnte. Doch darum wollte ich mich gar nicht kümmern, viel zu gefangen war ich von Silver, seiner magischen Aura, die mich nicht von ihm weichen ließ. Am liebsten hätte ich ewig an diesem einen Kuss verweilt, doch irgendwann mussten leider alle schönen Momente enden.


    (Silver)
    Ein unglaubliches Funkeln stand in ihren Augen und auch ich fühlte mich so gut wie selten zuvor. Wir waren mehr als Freunde, irgendwie war das schon länger zu erkennen gewesen. Wir, die uns schon seit unserem zweiten Lebensjahr gut verstanden und aneinander gehangen hatten. Hatte sich das vielleicht auch mein Vater gedacht, als er dieses merkwürdige Grinsen aufgesetzt hatte? Konnte schon sein, aber wen interessierte das? Für Clarice und mich zählte nur unsere Verbundenheit und das Glück des jeweils anderen. Aus Seelengeschwistern waren Liebende geworden. Sanft nahm ich sie in den Arm und spazierte mit dem Mädchen weiter. Über uns waren nun deutlich die funkelnden Sterne zu erkennen, welche sich aus der Dunkelheit so gut abhoben, dass man sogar im Dorf selbst Sternbilder erkennen konnte. Auch Clarice schaute fasziniert nach oben und lehnte ihren Kopf an meine Schulter.


    Spät in der Nacht kehrten wir zurück in unser Zimmer. Beide strotzten wir noch so vor Euphorie, doch trotz allem übermannte uns auch irgendwann die Müdigkeit. Nacheinander machten wir uns im Bad fertig für die Nacht und kuschelten uns dann in unsere jeweiligen Betten.

    Kapitel 24: Die Vergangenheit (Silver)


    Wir gingen immer weiter, doch Clarice begann nicht sofort damit, zu sprechen. Aber ich hetzte sie nicht, denn das Thema lag ihr zu sehr am Herzen, als dass sie hätte darüber schweigen können. Ich kannte sie schließlich gut genug.


    „Also… Ich werde dir den Hintergrund meines Aufenthaltes bei den Rockets erzählen“, startete Clarice ihre Geschichte. „Wie du weißt, war ich ja zuerst in Mahagonia City und bei Team Rocket. Dann fiel die Organisation zusammen und ich kam nach einer Zeit, in der ich allein unterwegs gewesen war, bei meinem Cousin unter. Dieser verschwieg ja, dass er mich bei sich beherbergte. Soweit hatte ich dich ja ins Bild gesetzt.“ Ich nickte nur und die Orangehaarige fuhr fort: „Nun, bei meinem Cousin ging es mir auch ganz gut und wir halfen einander. Doch dann wurde er krank – ein angeborener Herzklappenfehler machte ihm sehr zu schaffen. Seitdem liegt er in einem Krankenhaus, welches sich in Ebenholz City befindet. Ich konnte nicht mehr allein im Haus bleiben, da seine Aussichten auf eine Entlassung nur gering waren, und deshalb war ich leider wieder ohne feste Heimat. Erneut schlug ich mich durch, bis ich nicht mehr anders konnte, als zu meinen Eltern zurück zu kehren. Schließlich hatte ich kein Geld und außerdem war mein Zustand miserabler je länger ich allein unterwegs war. Selbst, wenn ich in den Pokémon-Centern übernachtete, so litten meine Pokémon und ich immer wieder Hunger. Ich hatte damals nicht viel dabei. So klopfte ich eines Tages notgedrungen an die Tür meines Elternhauses in Dukatia City, wohlwissend, dass sie mich nur ungern wieder aufnehmen würden. Du weißt ja, dass wir nie einen besonderen Draht zueinander hatten. Und seitdem ich vor vielen Jahren ihrem Willen, dass ich zu Team Rocket gehe, nicht folgen wollte, war ich bei meinen Eltern schlichtweg unten durch. Immer wieder habe ich an sie geglaubt, doch es fällt mir jeden Tag schwerer. Inzwischen will ich an mehr und mehr Tagen mit ihnen nur noch so wenig wie möglich zu tun haben. Ich weiß, dass du meine Schwester Emily in unserer Kinderzeit getroffen hast. Sie ist einfach geflüchtet und nach Einall gezogen, nachdem sie ein langjähriger Freund bei sich aufgenommen hatte. Sie verdient ihr Geld in einem medizinischen Forschungslabor.“


    „Also warst du in Not und musstest wieder zu deinen Eltern ziehen, zu denen du eine schlechte Beziehung hast“, fasste ich zusammen. Daraufhin nickte Clarice und schaute weiterhin sehr nachdenklich. Sicher war es für sie schwerer als gedacht, darüber zu sprechen.


    „Du hast es erfasst. Doch es öffnete keiner. Ich schaute durch ein paar der Fenster in das Haus hinein, doch niemand war zu sehen. Trotz unserer schlechten Beziehung zu einander machte und mache ich mir noch heute große Sorgen um sie. Ich hänge zwar nicht mehr so innig an ihnen wie früher, aber ich bin doch nicht völlig herzlos! Sie sind spurlos verschwunden, Silver! Bis heute!“ „Was, verschwunden?“, wiederholte ich ungläubig. Wie konnte das denn geschehen sein? Die Siebzehnjährige schluchzte und wir blieben stehen. Mitfühlend nahm ich sie in meine Arme und schloss sie in eine Umarmung, während das Mädchen wieder viele Tränen verlor, die erneut meine Jacke befeuchteten.


    Die Siebzehnjährige war in das Haus gekommen, da sie mit dem unter der Fußmatte versteckten Ersatzschlüssel die Tür aufgeschlossen und sich durch diese ins Gebäude gewagt hatte. So erzählte es Clarice mir, während sie weiterhin weinte. Das Haus war verdreckt gewesen, was auf eine längere Zeit hindeutete, in der es unbewohnt geblieben war. Weiterhin waren noch alle Sachen vorhanden, was auf einen überstürzten Aufbruch schließen ließ.


    „Wow, unglaublich. Nun erkenne ich erst das ganze Ausmaß…“, meinte ich mitfühlend. Die Orangehaarige schüttelte sich in meinen Armen immer noch unter ihrem Weinkrampf und es gelang ihr nur schwer, ordentliche Sätze flüssig auszusprechen. „Und was hast du dann gemacht?“, fragte ich. Clarice löste sich von mir und schluchzte mit der Zeit weniger, sodass man sie wieder ein wenig besser verstand. Bevor sie antwortete, wischte sie sich die Tränen grob mit der Hand von den Wangen.


    „Eine Weile habe ich dort verbracht und mir noch vorhandene Kleidungsstücke meiner Schwester geschnappt. Vieles hat sie nämlich in ihrer schnellen Abreise daheim gelassen. So wie es aussah, müssen meine Eltern damals bereits länger weg gewesen sein, denn alles war verdreckt, aber brauchbar. Im Haus lagen noch sämtliche Geldvorräte herum, sodass ich mir auch das Notwendigste kaufen konnte. Es war sogar so viel Geld zu finden, dass ich bei sparsamer Einteilung von allem länger dort leben konnte, als gedacht. Ursprünglich war ich, nachdem ich die Abwesenheit meiner Eltern bemerkt hatte, ja nur von ein paar Tagen ausgegangen. Während ich dort wohnte, half ich freiwillig verschiedenen Leuten der Stadt und bekam dafür auch nochmal einen kleinen Zusatzbeitrag zusammen. Es gab immer irgendjemanden, der Hilfe brauchte. Ob es nun ein verschwundenes Pokémon war oder andere Kleinigkeiten… Da hatte ich eine Nachbarin, deren Voltilamm immer wieder entlaufen war. Sie war sozusagen meine Stammkundin.“ Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf dem Gesicht der Siebzehnjährigen ab. „So arrangierte ich mich mit allem, bis das Geld nach und nach alle wurde. Nebenbei habe ich in der Polizeistation des Ortes nach Informationen auf den Verbleib meiner Eltern gesucht, doch nichts gefunden.“


    Diese Geschichte gab mir zu denken. Clarice hatte sich allein durchgeschlagen, als ihr Cousin nicht hatte für sie sorgen können. Und dann waren auch noch ihre Eltern verschwunden. Insgesamt hatte sie viel erlebt. Trotzdem…


    „Irgendwie klingt das aber immer noch nicht nach der kompletten Geschichte“, merkte ich misstrauisch an. „Das stimmt“, gab sie zu. „Irgendwie fehlt ja noch die Verbindung zu Team Rocket. Richtig?“ Das bestätigte ich mit einem Nicken. „Eigentlich hatte ich vor, erst einmal im Haus zu bleiben und weiter nach meiner Familie zu suchen. Irgendwie würde ich schon Geld zusammen bekommen, so dachte ich. Aber dann kamen plötzlich zwei mir unbekannte Typen zum Haus und meinten, sie wären von Team Rocket. Die Organisation hätte sich neu formiert und ich würde ins HQ gerufen werden, um dort zu arbeiten. Ich habe wirklich keine Ahnung, woher sie meinen Aufenthaltsort wussten. Irgendjemand muss mich wohl verraten haben. Bestimmt gibt es auch nahe Dukatia aktive oder ehemalige Rockets, die deinem Vater liebend gern jede Information geben, die er haben möchte.“ Verächtlich schnaubte sie. „So ging ich notgedrungen mit, und da ich das Haus vorerst ohne Anstellung nicht mehr halten konnte… Zuerst steckten sie mich eine ganze Weile in ein Trainingslager, und zur Eröffnung im HQ habe ich dann dich wiedergesehen. Und ich bleibe, weil ich so in mehr Orten der Region Informationen sammeln kann. Aber mein Hauptgrund ist, dass ich bei dir sein will.“ Daraufhin blickte ich sie erstaunt an. „Bei mir?“ „Ja, denn du bist alles, was ich nun an Familie habe. Du bist wie ein Bruder für mich, und dass wir beide uns nahe stehen ist offensichtlich. Ich stehe im Prinzip in einer Zwickmühle: Einerseits will ich bei dir sein, andererseits hasse ich Team Rocket“, antwortete sie und lachte ironisch.


    Sanft nahm ich ihre Hand und zog Clarice mit mir, als ich weiter lief. Während des Laufens konnte ich besser über das Erzählte nachdenken. Inzwischen konnte ich gut nachvollziehen, weshalb sie mir nicht alles gleich zu Beginn hatte erzählen wollen, kurz nach unserem Wiedersehen bei der Eröffnung des HQs. Aber sie hatte Recht: Wir waren wie Geschwister. Schon immer war ich der Bruder gewesen, den sie nie gehabt hatte. Und sie war schon immer wie eine jüngere Schwester für mich. Zwischen uns war es, als könnten wir die Gedanken des Anderen lesen, sofern er es zuließ. Auch Emily hatte ich kennen gelernt und vor vielen Jahren Zeit mit ihr verbracht, aber der Kontakt hatte sich verloren.


    „Wie lang es wohl noch dauert, bis wir in Neuborkia ankommen werden?“, fragte Clarice dann. „Keine Ahnung, aber wenn wir uns beeilen schaffen wir es vielleicht noch bis zur Dämmerung. Also lass uns ein wenig schneller gehen – kleine Schwester“, antwortete ich lächelnd. Das brachte Clarice zum Grinsen und sie drückte glücklich meine Hand. „Wie du meinst – Bruder“, sagte sie mit errötetem Gesicht und lachte.


    Ansonsten vermieden wir auf unserem Weg das Thema und unterhielten uns über alltägliche Dinge. Immer weiter näherten wir uns dem Ziel, und als wir am frühen Abend in Neuborkia ankamen, bezogen wir gemeinsam Quartier in einem Zimmer im Pokémon-Center der Ortschaft. Erschöpft stellten wir unsere Rucksäcke beiseite, nachdem wir in unserem gemeinsamen Zimmer angekommen waren. An den Seiten stand je ein Bett und auch ein Schrank war zu finden. Allerdings hatten wir eigentlich nur wenig mit, was wir hätten auspacken können.

    Kapitel 23: Ein Team (Clarice)


    Als ich aus dem Dickicht trat, fror ich sofort ein. Noch hatte er mich zwar nicht erblickt, aber ich wusste genau, wem ich gegenüber stand. Diese roten Haare waren so markant, ich hätte ihn unter 1000 Menschen gefunden. Er stand mit den Händen in den Hosentaschen am Straßenrand.


    „Silver!“, rief ich erfreut und sofort stürmte ich auf den rothaarigen Jungen zu, der mir so vertraut war. Dieser drehte sich zu mir herum und wurde sogleich fast von mir umgestoßen, als ich ihm in meiner Euphorie um den Hals fiel. „Wow, Clarice! Immer langsam!“, lachte er und seine graubraunen Augen funkelten im Licht der untergehenden Sonne. Dann ließ ich von ihm ab und räusperte mich leicht verlegen aufgrund meiner stürmischen Begrüßung. Eine nur durch das sowieso orangerote Licht unkenntlicher gemachte Röte trat erneut in mein Gesicht und ich lächelte peinlich berührt.


    „Gut siehst du aus, ein wenig besser gelaunt“, sagte er lachend. Nervös strich ich mir eine orangene Haarsträhne aus dem Gesicht und fragte: „Dann…dann bist du also mein Partner bei diesem Auftrag?“ „Es scheint wohl so“, erwiderte der Siebzehnjährige lachend. „Wie kommt es denn dazu?“, lautete meine nächste Frage. „Und anscheinend musst du auch mehr über unseren Auftrag wissen als ich, denn von dir soll ich Informationen bekommen“, hakte ich weiter nach. „Lass uns am besten nach Neuborkia gehen und unterwegs kläre ich dich über alles auf“, sagte Silver erneut mit einem Lächeln und ergriff meine Hand. Dann setzten wir uns mit unserem Gepäck, aus zwei schwarzen Rucksäcken bestehend, in Bewegung. Wir befanden uns auf der Route 29, welche gen Osten zu unserem Ziel, dem idyllischen Dorf Neuborkia, leitete.


    „Also dann, inzwischen halte ich es vor Neugier kaum noch aus. Wenn ich schon hier bin, dann will ich auch mehr über die Mission wissen, welche ich ausführen soll aber nicht will“, sagte ich und lachte trocken. Es war ein merkbar ironisches Lachen, auf welches hin mir Silver einen musternden Blick zuwarf und die Augenbrauchen hochzog.


    „Nun, da muss ich ein klein wenig weiter ausholen…“, meinte er mit neutraler Stimme.


    (Silver)
    Nach meinem Besuch in Teak City und meiner Rückkehr in das Hauptquartier war ich sofort zu meinem Vater gegangen, um mit ihm über die Sagen, welche die Verbindung von Teak City zu den legendären Vögeln Lugia und Ho-Oh beschrieben, zu sprechen. Drei Mal klopfte ich an seine Tür, welche sich sofort öffnete. Während ich das Büro, welches mit einem eleganten roten Teppich ausgestattet war, betrat, fing ich mir einen musternden Blick meines Vaters ein. Dieser saß an einem aus dunklem Holz gefertigten Schreibtisch, welcher aufgrund seiner Lackierung glänzte und teuer bei einem Händler für Luxusmöbel erkauft worden war.


    „Silver, mein Junge. Was gibt es?“, fragte er mich in einem freundlicherem Ton, als sein anfänglicher Blick hätte vermuten lassen. „Interessant, dass du gerade jetzt vorbei schaust. Ich wollte dich nämlich sowieso bald rufen lassen, weil ich dich um einen Gefallen bitten möchte“, sagte er und erhob sich von seinem gepolsterten Sessel. Langsamen Schrittes näherten wir uns einander, bis ich ihn direkt vor mir sah, und langsam wurde seine Miene etwas freundlicher.


    Entweder hatte er erst vor ein paar Minuten eine schlechte Nachricht bekommen, oder mein Vater hatte ursprünglich jemand anderen erwartet, den er nicht sehen wollte. Nur wegen so etwas war mein Vater am Anfang unserer Gespräche etwas mürrisch, ansonsten begrüßte er mich immer sofort mit einem Lächeln.


    „Und welcher Gefallen sollte das sein?“, hakte ich misstrauisch nach, während mein Vater ruhig seinen orangenen Anzug glatt strich. „Es hat mit Team Rocket zu tun. Aber sag du erst einmal, welches Thema dir so am Herzen liegt.“ Also gut, wenn er es so wollte… „Heute war ich in Teak City. Sind dir die dortigen Türme bekannt?“, fragte ich ihn. „Ja, tatsächlich sind sie das. Der linke brannte wohl aus.“ „Genau. Heute habe ich mit einem dort lebenden Mann gesprochen, der sich auf eine Legende bezog, welche die Verbundenheit zwischen den Türmen und den Vögeln Lugia und Ho-Oh behandelt. Vielleicht solltest du dazu mal Nachforschungen anstellen, es kann sich lohnen und dich deinem Ziel näher bringen. Du hattest mir einmal gesagt, dass du diese Pokémon fangen willst.“ Giovanni hatte sich inzwischen wieder in seinem Sessel niedergelassen und fuhr sich nachdenklich über das Kinn. Er schien eifrig über meine Informationen nachzudenken.


    „Erzähl weiter“, meinte er nach kurzem Zögern. „Demnach sollen die Wahrzeichen einmal das Heim der Pokémon gewesen sein“, fuhr ich also fort. „In der heutigen Turmruine lebte wohl Lugia, welches an den Meeresgrund geflohen ist, als ein Feuer im damaligen Bronzeturm ausbrach. Ho-Oh floh dagegen gen Himmel. Noch heute beten die Leute für die Rückkehr der mächtigen Pokémon.“ „Wenn du es so erzählst, sollte ich vielleicht wirklich jemanden zu Untersuchungen losschicken. Thematisch passt es aber komischerweise auch zu dem, was ich dir berichten wollte“, antwortete mein Vater und öffnete eine der Schubladen des Tisches vor ihm. Heraus zog er einen Zeitungsartikel, welcher wohl einst die Titelseite des jeweiligen Blattes geziert hatte. Schnell überflog ich die Schlagzeile: „Professor Lind macht große Entdeckung über Legenden!“ Darunter war ein Bild zu sehen, auf welchem der genannte braunhaarige Mann einen silbernen Kristall in den Händen hielt und diesen lächelnd sowie stolz der Kamera präsentierte.


    „Wie du sehen kannst, hat unser werter Professor eine wahrlich brisante Entdeckung gemacht und diese mit Lugia in Verbindung bringen können. Mit ihm, diesem gezeigten Kristall, soll es wohl möglich sein, sich das legendäre Wesen gefügig zu machen. Der Gefallen, um den ich dich bitte, ist, dass du zusammen mit einem Partner nach Neuborkia gehst und Professor Lind dazu befragst. Wir brauchen so viele Informationen wie möglich, bevor wir ihn möglicherweise entwenden. Das ist dein Job“, erklärte mir mein Vater die Angelegenheit. Ich ließ mir noch einmal alles durch den Kopf gehen. Eigentlich sollte eine Befragung nicht zu schwer sein.


    „Aber warum ausgerechnet ich?“, stellte ich die für mich wichtigste Frage laut. „Reicht es, wenn ich dir sage, dass ich schon meine Gründe habe?“ Seine Gründe? „Also, wen willst du als Partner haben?“ Daraufhin grinste ich. „Ha, das ist keine schwere Frage. Clarice soll meine Partnerin sein“, bestimmte ich schnell.
    Mein Vater schien überrascht aufgrund der schnellen Antwort und auch der Aussage an sich. „Etwa die Clarice?“ „Ja, genau diese. Die wir beide schon lange mehr oder weniger gut kennen.“ „Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte eher an einen Commander. Überleg es dir doch nochmal.“ Verärgert ballte ich meine Hände zu Fäusten. Hielt er Clarice denn für unfähig? Dachte Giovanni wirklich, dass allein der Rang zählte?!


    „Hör zu: Ich beharre auf Clarice, egal was du sagst. Sie ist eine gute Gefährtin und ich will sie dabei haben.“ In meiner Nähe. Ich wollte sie bei mir und außerdem wollte ich nicht, dass sie am Ende noch sonst etwas anstellte. So zerbrechlich, wie sie in letzter Zeit gewirkt hatte, wusste man ja nie. Ein Lächeln, das ich nicht so recht definieren konnte, bildete sich nach einigen Momenten auf dem Gesicht meines Vaters.


    „Deine Gefährtin also… Nun gut, du hast es gewollt, also sollst du es so haben. Clarice wird sich nach ihrer Mission in Rosalia City mit dir Treffen.“


    (Clarice)
    „Das heißt also, du bist für unser Zusammentreffen zuständig?“, fragte ich und mein Freund nickte, nachdem er fertig erzählt hatte. Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Er hatte wirklich an mich gedacht! „Nun, Clarice…“ „Ja?“ „Ich weiß, du magst Team Rocket nicht und du willst das nicht tun, aber wie würden wir dastehen? Wenn wir versagen, ist mein Vater wirklich sauer auf uns, denn das Ziel unserer Mission hat große Bedeutung.“ Nicht wissend, was ich sagen sollte, blickte ich ihm direkt in die Augen. Den Blickkontakt vermied er nicht. Mitfühlend aber trotzdem auch streng entgegnete er meinem forschenden Augenausdruck. Da kochte plötzlich eine unbändige Wut in mir auf, welche sich wie ein Feuer durch Holz in jede Zelle meines Körpers fraß.


    „Und du stellst dich wirklich auf die Seite deines Vaters?“, brüllte ich ihn plötzlich an. Merkte er denn nicht, welche Schandtaten er unterstütze? Wie konnte er nicht mich unterstützen, die für Gerechtigkeit war? Verdutzt blieb dem Rothaarigen der Mund leicht offen stehen und er zuckte vor mir zurück, als ich meine Hand nach ihm ausstreckte. „Was sollte ich denn machen? Er ist mein Vater!“, schrie er zurück. Nun griff ich ihn mit meiner Hand, erfasste den Kragen seiner Jacke und zog sein Gesicht zu meinem. Eigentlich hatte ich ihm jetzt irgendetwas Demütigendes entgegen werfen wollen, doch dann entspannten sich meine Muskeln wieder und ich lockerte den Griff um den Siebzehnjährigen. Silver hatte Recht, er konnte nicht einfach seinen eigenen Vater hintergehen. Sanft nahm der Rothaarige meine Hand von seiner Jacke und hielt sie in seinen fest.


    „Clarice, klar würde ich vieles für dich tun. Aber ich konnte mich in diesem Moment nur für meinen Vater entscheiden, und außerdem wollte ich dich nicht nur aufgrund deiner guten kommunikativen Eigenschaften als Partnerin haben. Der Hintergedanke war, dass ich vielleicht auch mal dafür sorgen kann, dass du mal wieder ein bisschen Freizeit, frische Luft und Freude am Leben hast. Ich bin dein Freund und mache mir doch auch Sorgen um dich, aber mehr konnte ich in der Situation nicht tun.“ Diese Worte waren zu viel für meinen momentan labilen Gemütszustand. Ich hatte ihn völlig zu Unrecht beschimpfen wollen! Trotz allem war er mein Freund und sorgte sich um mich…


    „Tut mir Leid…“, seufzte ich und sank auf die Knie. Unangenehm drückten kleine Kieselsteine, welche auf dem Asphalt lagen, in meine Haut, doch das war mir egal.


    (Silver)
    „Was machst du denn schon wieder?“, fragte ich leicht tadelnd und zog die Siebzehnjährige sanft aber bestimmt hoch. Dann ging ich mit ihr zum Gras am Straßenrand und wir setzten uns nebeneinander ins Grün. Erst jetzt bemerkte ich, dass ihr stumm Tränen über das Gesicht liefen.


    „Silver, es tut mir echt wahnsinnig Leid…“, sagte sie mit gebrochener Stimme. „Macht nichts. Du bist einfach nur nervlich sehr aufgerieben. Lass uns einen kurzen Moment hier sitzen bleiben.“ Sanft spürte ich den Kopf der Orangehaarigen auf meiner rechten Schulter ruhen, wobei ich merkte, wie kleine Tropfen ihrer Tränen auf meiner Jacke landeten. Sanft legte ich meinen Arm um ihren Oberkörper und zog sie zu mir. Ich sog den Duft ihres Haares ein – mit einem Hauch Lavendel von ihrem letztgenutzten Shampoo, wie ich vermutete. Mein Glücksgefühl erwachte wieder für einen Moment. Nie wollte ich sie gehen lassen. Es tat einfach zu gut, sie in meiner Nähe zu haben.


    „Ich habe das Gefühl, dass keiner in der Organisation außer uns merkt, welchen Schwachsinn Team Rocket anstellt. Hier, siehst du diesen Ball?“, fragte sie mich und hielt mir genannten Gegenstand vor die Nase. „Heute sollten wir die Kanto-Starter stehlen, welche als Preis bei einem Wettbewerb ausgesetzt waren. Einzig dieses Shiggy wurde erfolgreich geklaut, und da wir versagt haben, hat mich dein Vater zur Schnecke gemacht. Ich habe mir überlegt, dass ich nun für dieses Shiggy sorgen werde. Wenn dein Vater es nicht will, dann behalte ich es und sichere ab, dass es gut behandelt wird.“ Da wusste ich, worauf sie hinaus wollte. Clarice ging es vor allem um die schlechte Behandlung der geklauten und eingesetzten Pokémon. Natürlich war ihr auch die Herrschaft der Organisation nicht genehm, welche die Mitglieder dieser zu erreichen versuchten.


    „Verstehe“, antwortete ich. „Aber Clarice, wenn du mir nicht sagst, was passiert ist, dann kann ich dir leider auch nicht helfen… Wie soll ich dir beistehen bei deinem Versuch, aus Team Rocket auszutreten und zu fliehen, wenn ich den Hintergrund deines Zwanges nicht kenne?“ Es folgte ein Moment der Stille, in der sie nachdachte.


    „Nun gut. Ich denke, ich kann es dir erzählen…“, antwortete sie schlussendlich, stand auf und ging langsam ein paar Schritte. Ich folgte ihr wortlos mit den Rucksäcken, von denen mir das Mädchen einen abnahm und selber aufsetzte.

    Kapitel 22: Aufgewühlt (Kotone)


    Nach etwa einer oder zwei Stunden wachte ich aus meinem nicht wirklich erholsamen Schlaf auf. Verwundert blickte ich mich um. Schlussendlich erkannte ich im Licht der Neonlampen die Eingangshalle wieder, in welcher noch immer viele verletzte Leute und Pokémon saßen, die auf eine Behandlung hofften. Meine Gedanken schweiften zu meinem blondhaarigen Freund ab. Wenigstens hatte Joy Kisho schnell behandelt, deshalb musste er hoffentlich auch nicht länger Schmerzen erleiden. Die Erinnerung an Kisho, wie er auf dem Waldboden gelegen hatte, sorgte für einen dicken Kloß in meinem Hals und nahm mir die Luft. Ob er wohl noch immer nicht aufgewacht war? Und wie ging es ihm inzwischen? Hoffentlich etwas besser… Zu groß war die Sorge, als dass ich hätte sitzen bleiben können.


    Ruckartig sprang ich von der Sitzecke auf und eilte zu der Rolltreppe, welche zu den Krankenzimmern führte. Diese befand sich auf der linken Seite des Gebäudes, wenn man den großen Raum vom Eingang aus betrachtete. Ich konnte es kaum abwarten, oben angelangt zu sein, weshalb ich nicht einfach still wartete, sondern, je zwei Stufen der elektrischen Treppe nehmend, in den ersten Stock des Krankenflügels sprintete. Kishos Zimmer befand sich an der linken Wandseite am Ende des Flures. Der Boden des Ganges war mit einem blauen Teppich überzogen und es gab natürlich nur neutrale weiße Wände. In den Krankenzimmern war ebenfalls so Manches weiß. Einzig der Linoleumboden besaß eine leicht bläuliche Färbung und das Fenster, durch welches das rötliche Licht der Abendsonne hereinfiel und das dem Raum eine sanfte Atmosphäre verlieh, hatte blaue Vorhänge. Aber ansonsten war alles andere gleichfarbig bis auf die Patienten selbst – neutrales Weiß dominierte wohin man sah.


    Momentan waren kein Arzt und keine Krankenschwester in der Nähe, weshalb ich einfach die hölzerne Tür aufstieß und zügig an das Bett des Blondhaarigen ging. Noch immer regungslos lag der Junge vor mir in seinem Bett und es brach mir das Herz, ihn so leiden zu sehen. Unbewusst hatte er trotz seiner Ohnmacht das Gesicht vor Schmerz verzogen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf seine Stirn und schrak sofort zurück. Er glühte ja wirklich wie verrückt! Viele kleine Schweißperlen hatten sich auf seiner Haut gesammelt und auch seine Wangen waren gerötet. Weiterhin war er nachwievor über einen kleinen Schlauch an seinem rechten Arm mit einer Infusion verbunden. Zäh wie Pech schien die im Tropf enthaltene durchsichtige Flüssigkeit zu sein, denn es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ein weiterer Tropfen des Medikaments aus dem Beutel in den Schlauch zu Kisho fiel. Sanft drückte ich die Hand des Sechzehnjährigen – vielleicht spürte er ja meine Anwesenheit? Ich wusste es nicht, aber meine Geste sollte ihm Kraft geben.


    „Halte durch, wir bekommen das hin“, meinte ich sanft zu ihm, warf ihm noch einen mitfühlenden Blick zu und verließ dann leise den Raum. Es war so schwer, hier zu sein und ihn leiden zu sehen. So gern wie ich ihm Nähe gespendet und ihm beigestanden hätte, so drohte ich doch auch selbst durch diesen Anblick zu zerbrechen. Mir schwirrte ein wenig der Kopf und ich beschloss, an die frische Luft zu gehen.


    (Clarice)
    Ich hatte nicht lange warten müssen, bis Commander Sherman mit einem Hubschrauber zu mir geflogen war. Vorwurfsvoll hatte mich die junge Frau angesehen, als ich direkt mit Giovanni gesprochen und diesem erklärt hatte, dass nur Shiggy nun Team Rocket gehörte. Auch sie war wütend auf mich gewesen, doch vielleicht hatte die braunhaarige Frau etwas mehr Mitleid mit mir als der Boss, weil es meine erste HQ-Mission gewesen war. Nun saß ich nachdenklich hinten auf einem schwarzen Ledersitz im Hubschrauber, während meine Vorgesetzte vorne das Fluggerät steuerte. Das Gespräch mit Giovanni hatte ich nun hinter mir, und ich ärgerte mich. Ich ärgerte mich darüber, was dieser Mann für Pokémon empfand: Für ihn waren sie niedere Geschöpfe, nur da um ihm Macht und Geld zu sichern. Er sah nicht das Wesen in ihnen, nicht das Lebendige, Außergewöhnliche.


    „Clarice, ich bin enttäuscht von Ihrer Arbeit und der Ihrer Untergebenen! Was soll ich denn nur mit einem einzigen Shiggy? Bisasam, Glumanda und Shiggy bringen nur viel Geld, wenn man sie wirklich im Trio verkaufen kann! Machen Sie doch mit der Schildkröte was Sie wollen, ich kann sie dank Ihrer Inkompetenz nicht mehr gebrauchen. Geben Sie es weg, setzten Sie das Pokémon aus, ganz egal.“ „Aber Sir…“, stammelte ich, woraufhin Giovanni wütend mit der Faust auf seinen Schreibtisch schlug. Da es eine Webcam-Übertragung war, sah ich das ganz genau. In der Lehne des Vordersitzes war ein Touchscreen eingearbeitet worden, sodass Videotelefonie möglich war. „Ich will nichts mehr hören! Noch lasse ich Sie unverschont, aber Clarice… Fehler sind unerwünscht! Merken Sie sich das gefälligst!“ „Jawohl…“, meinte ich eingeschüchtert, bevor Giovanni letztendlich aufgelegt hatte.

    Und Silver sollte wirklich in seine Fußstapfen treten! Ich sah das Lächeln des Rothaarigen vor mir und sofort breiteten sich ein roter Schimmer und auch eine große Wärme auf meinen Wangen aus. Er war nicht wie Giovanni, und das würde er auch nie sein. So sehr wollte ich ihn wiedersehen… In diesem Moment fiel mir auf, wie oft ich eigentlich an ihn dachte. Er war schon fast wie eine Sucht. Aber eine wunderbare, hilfreiche Sucht, die nicht aus meinen Gedanken verschwinden wollte. Nur durch ihn wurden meine Tage in der Organisation erträglicher.


    Unser Flug sollte anscheinend tatsächlich schon wenig später enden, denn immer näher rückte der Erdboden unter uns. Wieder landeten wir in einem Wald, wohl damit es nicht zu auffällig wurde.


    „Commander…?“, fragte ich unsicher. „Was wollen Sie?“, bekam ich die schroffe Antwort der braunhaarigen Frau vor mir. „Wo landen wir eigentlich? Ich weiß noch gar nichts über den neuen Auftrag.“ „Nun, momentan sind wir in der Nähe des Dorfes Neuborkia. Vielleicht kennen Sie es, Professor Lind arbeitet hier. Und mit ihm wird auch Ihre Mission zu tun haben. Sobald wir gelandet sind, werden Sie warten.“ „Und auf was oder wen soll ich warten?“, fragte ich nicht gerade viel schlauer. „Nun, Sie werden mit einer weiteren Person ein Team bilden. Von dieser erfahren Sie dann den genauen Plan. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen“, erwiderte die Frau seufzend und klopfte mit ihren Zeigefingern auf das Steuerrad. „Mir ist nur bekannt, dass wir in ungefähr drei Minuten auf dem Boden sein werden. Dort abgesetzt werde ich wieder zurück zum Hauptquartier nahe Teak City fliegen.“ „Ich verstehe“, antwortete ich knapp und beobachtete wieder die grünen Tannen und Birken unter mir, welche im roten Licht der untergehenden Sonne langsam aber stetig eine doch eher ungewöhnliche Farbe annahmen – einen gewöhnungsbedürftigen Braunton. Immer niedriger flogen wir über die Pflanzen hinweg und es schien schon fast so, als ob die Baumwipfel das Fluggerät streifen würden. Schließlich landeten wir auf einer Waldlichtung und ich verließ den Hubschrauber. Sanft spürte ich nach einem kurzen Sprung das grüne, nasse und raschelnde Gras. Auch Commander Sherman trat ans Freie und gesellte sich zu mir. Kaum war das geschehen, drückte sie mir mein Gepäckstück, einen schwarzen Rucksack in die rechte Hand. Das Oberteil mit dem roten R verbarg ich unter einer braunen Jacke. Ich würde es wechseln, wenn ich allein war.


    „Folgen Sie einfach diesem Weg hier und nach etwa zehn Minuten werden sie zu einer Straße gelangen. Dort treffen sie dann auf ihren Partner“, erklärte mir meine Vorgesetzte das Vorgehen und deutete mit ihrem Zeigefinger auf einen breiten Schotterweg, welcher sich zwischen den Bäumen hindurch schlängelte. Verwundert, da ich weiterhin noch nicht viel mehr wusste und ich diese Geheimniskrämerei nicht verstehen konnte, verließ ich nach einem kurzen Abschiedsgruß die junge Frau neben mir und ging allein den Weg entlang, welcher mir gezeigt worden war. Lässig warf ich mir den Rucksack über die Schulter und schlenderte davon. Über mir hörte ich schon nach einigen Augenblicken ein ohrenbetäubendes Geräusch und sah den Hubschrauber, mit dem wir hergekommen waren, vor mir, als ich nach oben in den Himmel blickte. Immer weiter, einen Schritt neben den nächsten setzend, entfernte ich mich vom Ort der Landung und der graue, rund gelaufene und gewaschene Kies knirschte unter meinen schwarzen Stiefeln.


    Tatsächlich erreichte ich die Straße relativ bald. Ein paar grüne, dornige Büsche nahmen mir zwar die direkte Sicht auf die Fahrbahn, doch immer wieder waren ein paar Autos zu hören. Dann tat ich endlich die entscheidenden Schritte aus dem Dickicht und sah etwas, womit ich nie gerechnet hätte…