Rationaler (wobei ich das Wort nicht sonderlich mag) ist, von einer These auszugehen, die weniger Voraussetzungen braucht als die andere.
Ja, das stimmt schon, rational vorgehen heißt (so wie wir es definieren) im Prinzip einfach die verschiedenen Seiten/Argumente/Gründe eines Sachverhaltes bzw. eines Problems zu analysieren und zu bestimmen was vernünftig ist und was nicht - dann wird eine Entscheidung getroffen.
Es ist eben nicht rationaler "das uns noch UNbekannte der Welt in seiner Vielfalt zu akzeptieren". Ganz im Gegenteil, rational gesehen sind Fehler erster Art eher akzeptabel als Fehler zweiter Art. Fehler erster Art sind solche, bei der eine These, die tatsächlich wahr, aber unbewiesen ist, als falsch angenommen wird. Fehler zweiter Art sind solche, bei denen man unbewiesene Thesen als wahr annimmt, obwohl diese tatsächlich falsch sind. Da man sehr schnell jede wilde These aufstellen kann, ist eine unbewiesene These erst einmal als falsch anzunehmen, nicht als wahr, da man sonst die Beweislast umkehrt. Wenn jemand meint, es gebe Wiedergeburt oder ein Leben nach dem Tod, dann hat er gefälligst zu beweisen, dass diese Behauptung wahr ist. Nicht derjenige, der dem widerspricht und sagt, es gebe das Leben nach dem Tod nicht.
Es ist also rationalier, Dinge strikt nach unserem beschränkten Wissensstand zu beurteilen und sich ständig einzureden, dass das Unbewiesene automatisch als "falsch" betrachtet werden sollte bevor das Gegenteil eintritt und jemand in unserem beschränkten Wahrnehmungssystem tatsächlich "beweisen" kann, dass es doch richtig ist? Und angenommen diese Ansichtsweise sei in unseren gesellschaftlichen Systemem weitläufig akzeptiert: wer sagt, dass diese Ansichtsweise "die richtige" ist und wer definiert überhapt was richtig oder falsch ist? Wenn wir uns schon in einem größeren (ideologischen) Rahmen bewegen, über das Unbekannte, "Seelen", "Gott" und das Bewusstsein reden, dann ist es meiner Meinung nach nicht besonders sinnvoll unsere kulturell-gesellschaftliche Interpretationen und Normen (die übrigens NIE von allen Mitgliedern unserer Gesellschaft akzeptiert werden) bedenkenlos anzuwenden. Verstehe mich nicht falsch: ich verstehe deinen Standpunkt und kann nachvollziehen warum Fehler der von dir erwähnten ersten Art für uns eher akzeptabel sind (so bauen wir "wissenschaftlich" unsere Wissenstände auf und so gehen wir auch selbst beim studieren oder forschen vor), aber das heißt nicht, dass ich nicht darüber hinaus denken darf. Es kann durchaus Sinn machen, unwahrscheinliche Thesen aufzustellen und davon auszugehen, dass sie richtig sein können, um Anhaltspunkte zu haben, auf die man nach dem "Trial & Error" Prinzip hinarbeiten kann. Ich würde sogar noch weiter gehen und behaupten, dass diese Methode ratsam ist und in bestimmten Forschungsgebieten sogar angewendet werden sollte, wenn es mal nicht richtig weitergeht.
Um das mit einem Beispiel zu veranschaulichen: warum sollte man zwingend behaupten, das Bewusstsein wird nach dem Tod ausgelöscht (weil etwas anderes nicht bewiesen ist), und nicht stattdessen davon ausgehen, dass es vielleicht doch nicht unbedingt der Fall sein muss und hier eine Vielzahl an unbekannten physikalischen Faktoren mitspielen könnte, die nach unserem Wissensstand noch gar nicht richtig erforscht werden kann? Zumal das Thema Bewusstsein sehr umstritten ist, viele Fragen aufstellt und noch nicht effektiv behandelt werden konnte. So würde nämlich ICH vorgehen wenn ich mich mit diesem beschäftigen müsste - was ist dann bitte so verkehrt daran? Im Prinzip ist das einfach nur eine offenere und positivere Denkweise ... ich behaupte nicht, dass etwas wie Reinkarnation und Leben nach dem Tod nicht existiert, nur weil ich es unwahrscheinlich finde. Das ist ignorant und den Leuten gegenüber, die sich damit gerne beschäftigen und darüber nachdenken einfach unfair.