Hier kommt auch schon Kapitel 18 mit 3400 Wörtern (neuer Rekord für mich :>). Nächstes Kapitel kommt am 4. Februar und trägt den Titel "Styx". Schreibe derzeit an Kapitel 23, hoffe, dass ich in den Winterferien wieder etwas produktiver werde :>
War nicht so richtig bei der Sache, als ich es Korrektur gelesen habe, deshalb könnten vielleicht noch ein paar (mehr) Fehler drin sein.
Fauxpas
Mit diesen Worten und einem so hochmütigen Lächeln im Gesicht, dass man ihn am liebsten in ebenjenes schlagen wollte, entließ er eine gewaltige Woge goldenen Lichts, sodass Damian geblendet die Augen schließen musste.
Als er sie wieder öffnen konnte, bot sich ihm ein nicht unbedingt beruhigender Anblick. Vor ihm und auch über ihm hatten sich zehntausende von goldenen Kugeln gebildet, die dort zwar noch untätig schwebten, aber auf ein Zeichen ihres Meisters sofort auf ihn einprasseln würden. Ein kurzer Blick hinter sich bestätigte den jungen Magier in der Vermutung, dass sich dort auch ein ganzes Bataillon an Feenlichtern stationiert hatte, bereit anzugreifen.
„Mein letztes Gericht“, erklärte Adrian und der Ausdruck in seinem Gesicht wurde mit jedem weiteren Wort, das er sprach, unausstehlich anmaßender. Das Leuchten seiner linken Hand war nun zu einem schwachen Glimmen erloschen und jetzt erkannte der junge Magier, dass an jedem Finger, selbst am Daumen, ein Ring der protzigen, goldenen Sorte steckte, wie schon an seinem rechten Zeigefinger.
„Meine Attacke Feenlicht: Armee ist ein Angriff ohne Ausweichmöglichkeit, eine Technik, die die „von Goldhall“s schon seit Generationen benutzen“, gab er nun so vollkommen von sich selbst eingenommen an, dass er gar nicht bemerkte, dass Damian nicht im Entferntesten verängstigt oder bestürzt aussah. Es war eher eine Mischung aus anerkennender Überraschung und schnellem Analysieren der Lage. Da ihm alle Wege versperrt waren und ihn diese Projektile wohl sowieso schneller erwischen würden, als er bis drei zählen konnte, machte ein Flugmanöver wenig Sinn. Deshalb ließ der junge Mann sich wieder auf den Boden der Platte nieder und spürte wie die leichte Belastung durch den konstanten Magieverbrauch nachließ. Adrian, der indes sowohl weiterhin darüber schwafelte wie er von Anfang an schon die Oberhand behalten und sein Gegner nie auch nur eine Chance gehabt hatte, als auch, dass Damian sich nicht von seiner „überlegenen Überlegenheit“ überwältigen lassen sollte, bemerkte nicht, dass ebenjener gerade dabei war mit seinem goldenen Stab unauffällig ein paar leichte Linien auf die Platte zu zeichnen. „Das eignet sich perfekt.“
„Bist du bald mal fertig?“, fiel der junge Zauberschüler dem Adligen nun gelangweilt ins Wort und stoppte damit den unerschöpflichen Redeschwall seines Gegners, der nur, wie immer eigentlich, dazu gedient hatte, dessen Ego noch größer aufzublasen als es ohnehin schon war. „Es wird Zeit diesem stupiden Hin-und-her endlich ein Ende zu setzen.“
Adrian hob aufgrund dieser Aussage überrascht die Augenbrauen, wunderte sich in seiner oberflächlichen Beschränktheit jedoch nicht, ob sein Kontrahent nicht vielleicht eine Gegenstrategie besaß, wenn er schon so herausfordernd wirkte, sondern entgegnete nur hochmütig: „Von mir aus gerne.“
Damit hob er die Hand und mit einem Schnippen der Finger schoss die Armee aus Feenlichtern von allen Seiten her auf Damian ein. Ein lautes Krachen ertönte, als manche Geschosse auf den Boden einschlugen und eine Menge glitzernder Staub wirbelte auf und versperrte die Sicht auf den Angegriffenen, während ein schwaches Beben die Platte erschüttern ließ. Adrian, der jetzt ein äußerst selbstzufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht hatte, wartete darauf, dass der Nebel sich verzog und er den Besiegten mit ein paar herablassenden Sprüchen weiter demütigen konnte. Doch als ein kühler Wind die Staubwolke davon trieb, bemerkte der Adlige zu dessen offensichtlichem Entsetzen, dass der Magier unauffindbar war.
„Nach oben gucken“, rief Damian ihm nun zu und Adrian folgte dessen Rat nur um dann bestürzt festzustellen, dass sein Gegner es geschafft hatte, sich wieder vollkommen unverletzt in die Lüfte zu schwingen. Ein breites Ebenbild des Lächelns, welches der junge Viscount noch bis vor Kurzem zur Schau getragen hatte, auf den Lippen blickte der Braunhaarige jetzt in vollkommen überheblicher Eitelkeit auf seinen Gegner herab. Vor ihm schwebte zeitgleich auch sein Mönchsstab, der jetzt golden leuchtete und sich so schnell drehte, dass man ihn nur noch als helle Scheibe in der Luft erkennen konnte.
„Was? Aber … aber wie?“, stammelte Adrian vollkommen fassungslos, während er mit weit aufgerissenen Augen den schwebenden, jungen Mann anstarrte.
„Wenn ich jetzt kurz meine Magie erklären dürfte“, begann Damian süffisant, wobei sein Lächeln immer und immer breiter wurde und der selbstgefällige Ausdruck in seinem Gesicht sich um das Zehnfache verstärkte. „Wie du sicher nicht bemerkt hast, habe ich ein wenig defensive Bannmagie gewirkt, nämlich den Zauber Magnetverschiebung. Dieser hat es mir möglich gemacht all deine schönen, kleinen Lichtbälle auf einen einzigen Gegenstand zu lenken, um genau zu sein auf meinen Stab“, erläuterte er, indessen wich der blasierte Ausdruck in seinem Gesicht immer noch nicht, sondern erlangte sogar noch einen Hauch von Zufriedenheit als er den entgeisterten Gesichtsausdruck Adrians sah, der wirkte, als hätte ihn soeben der Blitz getroffen. „Es wird langsam mal Zeit, dass dieser Kriecher den Begriff Ehrfurcht ins Gehirn gebrannt bekommt.“
„Und wie du sicher auch nicht wusstest, ist dieser Mönchsstab auch ein Katalysator genauso wie dein Ring. Allerdings ist er nicht billige Fabrikware …“, meinte er mit einem abfälligen Blick auf die protzigen Goldklumpen, „… sondern ein handgefertigtes Meisterstück aus dem östlichen Kaiserreich, aber das ist jetzt vermutlich nicht von Interesse. Wie dem also sei, dieser Stab hat folglich deine Magie aufgenommen, da in ihn die Bannmagie Spiegelndes Dreieck eingearbeitet ist. Das ermächtigt ihn aber nicht nur fremde Magie zu absorbieren …“, Damian Blick hatte nun einen leicht schadenfrohen Ton, während besagter Stab immer heller zu leuchten begann und Adrians Augen sich indes noch mehr weiteten, „… sondern auch reflektieren!“
„Nein!“, flüsterte der junge Lord entsetzt, um dann einige Schritte zurück zu stolpern und etwas lauter zu rufen: „Du kannst nicht …!“
„Du wirst abserviert“, unterbrach ihn Damian und mit diesen Worten und einem amüsierten Zucken seiner Mundwinkel entlud sich die geballte Macht von Adrians Feenlichtattacke, welche jetzt auf ihren Herrn einprasselte. Jener, der versucht hatte nach hinten weg auszuweichen, wurde von seinen eigenen Lichtgeschossen getroffen und mit einem lauten Krachen, gefolgt von einer weiteren Glitzerwolke nach hinten geschleudert, sodass er mit einem lauten Ausruf des Grauens über die Kante der Goldplatte stolperte und in den Abgrund darunter stürzte.
„Adrian!“, erklang es plötzlich so laut in Damians Kopf, dass er kurz aufschrak. Es war Elias‘ Stimme gewesen und das obwohl der junge Magier sich von der Gruppentelepathie weggesperrt hatte. Offensichtlich hatten er und auch Marie dem Kampf zugesehen und waren jetzt so geschockt durch den Verbleib von dem jungen Lord, dass sie es sogar geschafft hatten, durch die psychische Barriere Damians zu brechen.
„Damian! Was hast du getan?!“, rief Marie jetzt bestürzt und ihre Stimme schwankte zwischen Zorn und Erschütterung. Ehe sie sich jedoch erst richtig warmlaufen und ihrem Kameraden eine Tirade vorgehalten hatte, die sich gewaschen hatte, unterbrach sie dieser vorsorglich und meinte gelassen: „Keine Sorge, der kommt wieder.“
„Wa-“, begannen sowohl die Rothaarige als auch der Silberling verwirrt, als Damian die Finger vor die Lippen setzte und flüsterte: „Drei … zwei … eins …“
Kurz nachdem er angefangen hatte, erklang auf einmal ein langgezogener Schrei, der immer und immer lauter wurde, bis schließlich mit einem gewaltigen Krachen urplötzlich Adrian vom Himmel fiel und mit dem Gesicht nach unten auf den Boden donnerte. Damian hatte sein übliches unschuldig-belustigtes Lächeln aufgesetzt, während von den beiden geistigen Betrachtern erst mal überhaupt nichts außer verdattertem Schweigen kam.
Schließlich war es die schwache Stimme des jungen „von Goldhall“s, die die verdutzte Stille unterbrach. Mit einer in die Höhe getreckten Hand, hauchte er ein klägliches „Zahlen bitte!“
Einige Stunden zuvor …
„Argh!“, wütete eine gereizte Kleopatra, während sie mit den Schuhen im Matsch und einem vollkommen verdreckten Kleid eine schmierige, schmutzig-weiße Treppe hinauf schlurfte, ihre beiden Kumpanen im Schlepptau. „Das waren meine besten Stiefel!“, zeterte sie und warf wütend ihr goldblondes Haar zurück, welches noch in alter Glorie glänzte und seidig ihr Gesicht umrahmte. Als ihr himmelblauer Blick auf ihre Hand traf, fiel die Laune der Schönheitskönigin sogar noch weiter in den Keller, falls das überhaupt möglich gewesen war: „Und meine Fingernägel, ruiniert!“
„Wenigstens bist du nicht kopfüber in diesen widerlichen Schlamm gestürzt!“, ließ Adrian nun beleidigt verlauten, während er sich wie immer in seinem Goldspiegel betrachtete und dabei versuchte sein verfilztes, unordentliches Haar wieder zu richten, jedoch blieben seine Versuche fruchtlos.
Elias, der ebenfalls nicht sauber vom Höllentrip zuvor gekommen war, warf Adrian einen unmutigen Blick zu, ging aber nicht weiter auf dessen Bemerkung ein. Stattdessen betrachtete er mit großen Augen seine Umgebung. Alles wirkte so alt und hoheitsvoll, diese ganzen Treppen, Pfeiler und Brücken, die durch die hohen Gänge und Hallen unterhalb der Katakomben führten, einzig erleuchtet von den blauen Flammen an den Wänden. Der schummrige Schein verlieh dem gesamten Ort eine düstere und unheimliche Atmosphäre, viele hätten sich vor Angst nicht rühren können. Elias aber besaß genug andere Probleme, um sich von so etwas Lapidaren ablenken zu lassen.
„Kleo! Sei vorsichtig!“, rief er ihr besorgt zu, während er über einen auf den Boden liegenden, umgekippten Kerzenständer stolperte und sich nur dadurch vor dem Hinunterfallen der Stufen bewahren konnte, indem er sich an Adrians Jabot-Kragen festhielt. „Du könntest umknicken und dich verletzten, schließlich fehlt deinem einen Schuh der Absatz!“
„Das weiß ich selbst, du nutzlose Lusche!“, kam die gebrüllte und nicht unbedingt als freundlich zu kategorisierende Antwort, bevor die Schönheitskönigin weiter nach vorne humpelte, ihrem sehr besorgten Bruder nicht auch nur den Hauch der von ihm gewünschten Beachtung schenkte.
Urplötzlich blieb Adrian stehen, sodass der junge Silberling, der nur Augen für seine Schwester gehabt und deshalb nicht aufgepasst hatte, prompt in ihn hineinließ, woraufhin beide strauchelten und vorn über in den Matsch fielen.
Als Elias wieder aufstand, ignorierte er konsequent die lauten Beschwerden seines nun noch schmierigeren Cousins, da er stattdessen zusammen mit seiner Schwester über das staunte, was jetzt vor ihm lag. Eine weitere gigantische Halle erstreckte sich in unendlich scheinende Dunkelheit, die auch den gewaltigen, dunklen See, dessen Ufer aus schwarzem Sand bestanden, verschluckte. Gerade lag er still, keine einzige Welle kräuselte das ruhige Wasser, doch Elias spürte, dass irgendetwas mit diesem Gewässer nicht in Ordnung war. Wenn er es ansah, fühlte er auf einmal eine merkwürdige, ungute Beklommenheit in der Magengegend, die ihm sagte, er solle sich lieber davon fernhalten.
Die Blondine neben ihm schien jedoch das genaue Gegenteil vorzuhaben, denn sie näherte sich jetzt unverfroren dem langen, schwarzen Steinsteg, der weit in den See hinein führte und an dessen Ende ein einsames Ruderboot lag. Elias, der sie gerade davor warnen wollte, zu dem Wasser zu gehen, musste feststellen, dass nun auch Adrian ihn überholt hatte und sich auf den Weg zu ihrer einzigen Überfahrtsmöglichkeit machte. In Gedanken an den Schatz und dass es Alice helfen würde, seufzte der junge Lord schweren Herzens, überging seine Intuition und beeilte sich, zu den Anderen aufzuholen, um nicht alleine zurückzubleiben.
Beim Herantreten jedoch bemerkte er, dass sie nicht allein in der Halle waren. In der Dunkelheit vorher war es schwer auszumachen gewesen, doch jetzt fiel ihm die Silhouetten eines menschenähnlichen Wesens auf, welches auf dem Boot am Steg verweilte. Einige Schritte später schlug ihm ein süßlicher und zugleich doch widerlicher Geruch entgegen, was eindeutig nicht das Parfüm seiner Schwester war.
„Ist der Typ schon die ganze Zeit dort gewesen?“, fragte Adrian ihn flüsternd hinter vorgehaltenem Spiegel, nachdem er sich zu dem Silberling gebeugt und dem Vermummten, der sich einen langen, schwarzen Kapuzenmantel übergeworfen hatte, einen angewiderten Blick der verachtenden Sorte zugeworfen hatte.
„Keine Ahnung“, antwortete Elias, ohne den Fremden aus den Augen zu lassen. Irgendetwas schien merkwürdig an jenem zu sein, doch er konnte es nicht festnageln, was ihn störte. Es lag vielleicht daran, dass dieser Fährmann mitten in einem uralten, unterirdischen Tempel, welchen man nur über einen geheimen Eingang in den Katakomben von Schwarzstadt betreten konnte, auf einem Boot in einem unheimlichen See stand, ohne irgendetwas zu tun, aber der Silberling war sich nicht ganz sicher. Sicher hatte all das eine logische Erklärung, die ihm gerade einfach nicht in den Sinn kam.
„Riechen tut er schon mal wie Alices Doktor aus dem Mund!“, raunte sein Cousin ihm nun unverhohlen abfällig zu und verzog aufgrund des jetzt immer stärker werdenden Gestanks die Nase.
„Aber Adrian!“, zischte Elias in kleinbürgerlicher Empörung zurück. „Doktor Arachnid hat zwar einen sehr … äh … fragwürdigen Mundgeruch, aber garantiert liegt das am Magen!“
„Oder an schlechter Zahnpflege“, entgegnete der junge „von Goldhall“ verächtlich und stolzierte mit federnden Schritten voraus. Der Silberling seufzte, konnte aber nicht umhin ihm innerlich nickend zuzustimmen, vor allem weil alles an Herrn Arachnid von äußerst strittiger Natur war, anfangen vom perversen Lachen bis hin zu seiner überlangen Zunge.
Das Bild des widerwärtigen Arztes wurde doch sofort durch etwas noch Ekelerregendes weggewischt, als er zusammen mit seinen zwei Kumpanen beim Boot und seinem Besitzer angekommen waren und sie endlich sehen konnten, was unter der Kapuze lag. Während Adrian grün anlief, um dann stur auf seinen Spiegel zu starren, offenbar in der Hoffnung, das Antlitz seines Gegenübers dadurch vergessen zu können, setzten sowohl Kleo als auch Elias gleichzeitig einen Gesichtsausdruck auf, der ihren Gräuel kaum angemessen zur Geltung brachte. Der Fährmann war eine lebende Leiche.
Halbverwest und so abstoßend, dass der junge Starnoss-Spross froh war, nur die Hälfte seines Gesichts im dämmrigen Schein der Unterwelt erkennen zu können, blickte er die drei Neuankömmlinge streng aus einem blutunterlaufenden Auge mit leeren Pupillen an, während sich der andere Augapfel nach innen gedreht hatte. „Drei Goldmünzen!“, flüsterte er und seine Stimme war merkwürdig kehlig und blubbernd, sodass Elias das Gefühl hatte, die Zeit unter der Erde hätte seinen Stimmorganen nicht unbedingt gut mitgespielt. Außerdem stank er so stark aus dem Mund, dass Doktor Arachnid dagegen einer Parfümfabrik glich.
„Wie bitte?“, fragte Kleopatra spitz und mit aneinander gepressten Lippen, als ob sie kurz davor stand sich zu übergeben. Elias teilte ihre Gedanken und versuchte es jetzt Adrian gleichzutun und sich auf etwas Schönes zu konzentrieren, also namentlich seine Schwester.
„Drei Goldmünzen“, wiederholte der mysteriöse Mann ohne sich irgendeine Emotion anmerken zu lassen. „Sonst keine Überfahrt!“
„Warten Sie eine Sekunde“, antwortete die Blondine, schenkte dem Fährmann ein zuckersüßes, falsches Lächeln und zog sich dann mit ihren beiden Begleitern zurück, wobei sie beide an den Ohren mitschleifte, als wären sie unartige Schuljungen gewesen.
„Das hätte auch freundlicher gehen können“, zischte Adrian entrüstet, als sich die Drei ein paar Meter von dem unheimlichen Mann entfernt und nun tuschelnd die Köpfe zusammengesteckt hatten, um sich eine Strategie zurechtzulegen.
„Also, hat irgendjemand von euch drei Goldmünzen mit dabei?“, flüsterte die Blondine ohne auf die Beschwerden ihres Cousins einzugehen, nachdem sie dem Fährmann nochmal mit übertrieben gespielter Freundlichkeit zu gewunken hatte, was jenen jedoch augenscheinlich kalt ließ.
„Ich leider nicht“, flüsterte ihr Bruder jetzt bedrückt und ließ den Kopf hängen. Nie konnte er eine Hilfe für seine Schwester sein, immer war er nur eine Last. Dabei dachte er doch sonst immer an alles, wie hatte er bei seinen Vorbereitungen nur so etwas Essentielles wie Geld vergessen können? „Ich bin so eine Schande für Kleo“, dachte er vollkommen am Boden zerstört, während er sich immer weiter an diesem realistisch betrachtet kleinen Fehltritt hochhangelte, als hätte er soeben seine Schwester in einen Vulkankrater geschubst. Sein Cousin indes schien sich nicht im Entferntesten dafür Vorwürfe zu machen, denn er verkündete nur gelangweilt: „Ich hab auch nichts mit.“
„Was wärt ihr beiden Schwachköpfe nur ohne mich?!“, fauchte Kleo daraufhin verstimmt und schenkte ihren beiden Kumpanen einen Blick voll tiefer Missachtung, bevor sie in ihrer violetten, mit Federn ausstaffierten Handtasche herumkramte, offenbar auf der Suche nach etwas Kleingeld. „Komisch, wo ist es denn nur?“, murmelte sie und biss sich nachdenklich auf die Zunge, während sie immer tiefer in dem Mäppchen herumwühlte, sodass Elias sich wunderte, ob wohl bald ihr ganzer, schneeweißer Elfenbeinarm darin verschwinden würde. Was war das denn für eine geräumige Tasche?
„Ich finde es nicht!“, heulte die Schönheitskönigin nun frustriert auf, nachdem sie ihren Lidschatten aus der Unordnung hervorgeholt hatte und sich jetzt beleidigt schminkte.
„Was denn?“, fragte der Silberling sofort besorgt, da er nicht wollte, dass es seiner bezaubernden Schwester an irgendetwas mangelte und er seinen vorherigen Fehler wieder gutmachen wollte. Außerdem hasste er es sie leiden zu sehen, schon seit er klein gewesen war, hatte er sich schon immer gewünscht sie zu beschützen.
„Na, das Geld, das ich …“, begann die Blondine wütend, stockte dann aber mitten im Satz als hätte sie gerade der Blitz getroffen. Offenbar hatte sie sich daran erinnert, wo das Geld denn abgeblieben war. Anstatt es jedoch zu holen oder zu verfluchen, dass sie es irgendwo vergessen hatte, wandte sie sich mit einer so frostigen Miene, dass jeder Wintertag dagegen wie ein Mittag im Hochsommer wirkte, an ihren Bruder und gab ihm erst mal eine saftige Ohrfeige. Der Angegriffene wusste nicht mal, was los war und fühlte sich elend dafür, dass er schon wieder Prügel für irgendetwas hatte einstecken müssen, da keifte Kleo auch schon: „Das Geld mit dem ich mir meinen neuen Lippenstift gekauft habe, den ich dank dir verloren habe, du Affe!“
Die Hand an seiner schmerzenden roten Wange erinnerte sich Elias plötzlich schuldbewusst daran, wie er sie vor einiger Zeit erschreckt und sie dabei ihren Lippenstift verloren hatte. Schon damals hatte er sich so dafür geschämt, dass er zur Strafe auf dem Boden im Keller übernachtet hatte. Wie hatte er nur so tollpatschig sein können?
„Äh, notfalls könnten wir doch auch versuchen, ihm Adrians Brosche anzudrehen“, stammelte der Silberling reumütig, um von seinen Fehltritten von zuvor abzulenken. Sofort gefror die Luft im Saal zu einem Eiswürfel und die Temperatur sank irgendwohin zwischen Schneefall und Blizzard, während der Silberling plötzlich Adrians stechenden Blick im Nacken spürte. „Nein!“, kam die frostige Antwort auf seinen Vorschlag, bevor der junge Viscount sich wieder, doch jetzt äußerst verspannt, seinem Spiegelbild widmete.
„Gut, dann tritt jetzt wohl Plan B in Kraft“, flüsterte Kleopatra und warf ihre goldene Haarpracht zurück, während sie einen verführerischen Kussmund aufsetzte. „Meine Überzeugungskraft!“
„Aber Kleo …!“, wollte Elias gerade entrüstet und besorgt protestieren, da fiel Adrian ihm auch schon wieder ins Wort. „Ich glaube nicht, dass diese wandelnde Leiche dort hinten sich auch nur annähernd für deine nichtvorhandenen …“, doch bevor seinen Satz beenden konnte, hatte die Blondine ihm auch schon den Absatz in den Schuh gerammt, um ihn gewaltsam zum Schweigen zu bringen. Der Silberling beobachtete interessierte, wie sich die Gesichtsfarbe des jungen Lords von einer Sekunde auf die andere änderte und er so blass würde, dass jede Kalkwand dagegen wie ein Brathähnchen aussah. Dann biss er sich auf die Lippe, offenbar um zu verhindern, dass sich ihm ein Schmerzensschrei entrang und keuchte mit vor Qual unterdrückter Stimme: „Okay, okay, du hast Recht! Nur bitte, nimm deinen Schuh aus meinem Fuß!“
Elias kicherte belustigt, woraufhin er sofort einen weiteren bösen Blick von seinem Cousin kassierte, was er aber ignorierte. Stattdessen wandte er sich nun kleinlaut an seine Schwester, in der Hoffnung sie nicht wieder zu verstimmen: „Aber was, wenn die Idee fehlschlägt?“
„Dann …“, begann Kleopatra und warf sich dabei so stolz in die Brust, als hätte sie gerade eben einen Marathon gewonnen, „… improvisieren wir!“
Danach stöckelte sie, sofern das mit nur einem Absatz noch möglich war, wieder zurück zum Fährmann, gefolgt von ihrem Bruder, der ihr bewundernd, aufgrund ihres unglaublichen Einfallsreichtums, hinterher blickte und Adrian, der wirkte, als hätte man ihm gerade das Bein abgeschnitten.
„Hallo, Herr Bootsmeister“, rief die Blondine der halbverwesten Leiche mit spürbarer Spannung in der Stimme zu, die sie jedoch mit falscher Erregung zu überspielen versuchte. Sie warf sich in eine verführerische Pose, sodass sie sicher war, dass er ihr direkt ins Dekolleté schauen konnte, schenkte ihm einen begehrenden Kussmund und klimperte dabei unschuldig mit den langen Wimpern. Den Kapuzenmann ließ das kalt.
„Also, die Überfahrt kostet etwas?“, keuchte Kleo, hatte jedoch ein paar Schwierigkeiten beim Verführen, da sie sich davor hütete den Körper des Anderen anzufassen, was Elias durchaus verstehen konnte. Stattdessen legte sie lüstern den Finger an die Lippen und schenkte dem Stoischen einen Blick der unwiderstehlichen Sorte, bei dem sogar dem Silberling das Herz höher schlug. Sie war einfach so unglaublich.
„Drei Goldmünzen“, antwortete der Mann in Schwarz wieder tonlos und ohne sich von der Schönheit seiner Gesprächspartnerin ablenken zu lassen. Jene fuhr sich kurz mit der Zunge über die Lippen, wobei jeder ihrer Verehrer bisher dahin geschmolzen war, als wären sie alle aus Butter gewesen und fragte mit unschuldiger Lust in der Stimme: „Aber für mich gibt es doch einen Rabatt, oder? Wissen Sie, ich habe mich schon immer nach starken Männern wie Ihnen gesehnt. Wenn Sie wollen, können Sie auch mein Gärtner werden …“
„Drei Goldmünzen.“
„Glaubst du wirklich, es war in Ordnung, dass du ihn einfach so in den See geschubst hast, Kleo?“, fragte Elias besorgt seine Schwester die mit verstimmter Miene am Bug des Bootes saß, während Adrian und Elias sich hinten mit der Fortbewegung abstrampeln mussten.
„Halt‘ die Klappe und ruder‘!“