Beiträge von Cresswell

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“

    Laverne fläzte sich auf dem breiten Bett und warf schlaftrunken einen Blick auf seine Armbanduhr. Kurz vor fünf Uhr … abends.
    Grummelnd richtete der junge Mann auf und fuhr sich kurz durch das unordentliche, schwarze Haar, bevor nach seiner gigantischen Brille griff und sie sich aufsetzte. Seine Sicht wurde nun klarer und er konnte seine Umgebung genauer erkennen. Er befand sich in einem mittelgroßen Hotelzimmer, mit Doppelbett, grünen Armlehnensessel, der perfekt auf den laufenden Plasmafernseher ausgerichtet war und einer Minibar. Dafür, dass es die teuerste Suite der gesamten Herberge war, fand der Dieb sie ziemlich erbärmlich, da hatte er schon Besseres gesehen.
    Übellaunig stand er auf und ging zum großen Kleiderschrank in der Ecke, um sich sein Outfit für die Nacht auszusuchen. Im Hintergrund hörte er die Newssprecherin gerade sagen: „ … -shalber wird derzeit davon abgeraten, alleine Waldspaziergänge zu unternehmen, bis sich die Lage geklärt hat. Und nun zum Wetter …“, doch Laverne hörte nicht mehr zu. Er stand vor der unglaublich wichtigen Entscheidung sein Kostüm zu wählen. Ihm entgegen strahlten die verschiedensten Kleidungsstücke, eines schriller als das andere. Gut, um Aufmerksamkeit zu erregen, … aber natürlich Markennamen, man wollte die potenziellen Freunde ja schließlich nicht vergraulen.
    Schlussendlich entschied der junge Mann sich für sein Lieblingskostüm, das von „Der Mann, der ein Niemand war“. Schwarze Stiefel, rote Hose, weißes Hemd, schwarzer, asymmetrischer Mantel und roter Schal. Die Farben standen ihm sowieso gut.
    Nachdem er sich fertig umgezogen hatte, schenkte er seinem Spiegelbild ein strahlendes Lächeln („Ich sehe heute aber auch wieder gut aus!“) und ging runter zum Restaurant um die Ecke, um sich ein paar Milchkaffees zu kaufen.


    Oscuras war ein kleines Dorf, absolut gar nichts für ein Großstadtkind wie Laverne. Die Straßen waren ihm zu eng, die Häuser zu grau und die Leute zu uninteressant. Überall nur unwichtige, langweilige Emotionen, nichts, was , ihn ansprach. In so einem Dorf gab es vermutlich auch niemanden, der irgendwie zur High Society gehörte oder durch den er an Geld kommen konnte. Wie enttäuschend …
    Seinen fünften Latte Macchiato Vanilla schlürfend stolzierte der junge Mann durch eine der größeren Straßen, auf der Suche nach einem Geschäft, in dem er das Geld eines Bekannten ausgeben konnte. Er hatte grad unglaublich Luft auf Sushi … Hatte dieses Kaff überhaupt ‘nen Asiaten? Vermutlich nicht. Laverne zog eine Schnute und betrachtete griesgrämig die ihm Entgegenkommenden.
    Die meisten Leute starrten ungläubig auf sein Outfit, einige mit einem leicht missbilligenden Gesichtsausdruck. Eine alte Frau, die große Ähnlichkeit mit einer Kröte hatte, schenkte seinem Mantel einen abfälligen Blick; Laverne spürte eine Welle der Empörung und ein wenig Scham von ihr ausgehen. „Wer ist die denn?“
    Er warf den leeren Plastikbecher in seiner Hand weg und fuhr mit der Hand in die Tasche, um sich einen weiteren Kaffee zu greifen, da wurde er plötzlich von hinten angesprochen. „Und sollte das Licht nur eine Lüge sein, so will ich in der Dunkelheit leben …“
    Ohne nachzudenken beendete Laverne den Satz, er kannte das gesamte Stück schließlich in und auswendig: „ … und von nun an nur noch ein Niemand sein!“ Mit einem freudigen Gesichtsausdruck wirbelte der Schwarzhaarige herum und blickte in das Gesicht seines Gesprächspartners. Es war ein junger Mann, kaum älter als er, der ihn freudestrahlend angrinste. Er war unscheinbar und sah ziemlich langweilig aus, wie auch der Rest der Bewohner dieses Orts. Sein dünnes, mausbraunes Haar war gerade und recht kurz, die Augen klein und zusammengekniffen, die Haltung gekrümmt und seine Kleidung sah aus, als ob er sie sich aus dem Altkleidercontainer gegriffen hätte. Lavernes Freude verflog.
    „Oh man, ich hab noch nie jemanden getroffen, der auch ein Fan von „Der Mann, der ein Niemand war“ war!
    “, rief der Junge aus und streckte dem Dieb, dessen Blick inzwischen derselbe wie der von der alten Dame zuvor gewesen war, eine schwitzige, käsigweiße Hand engegen. „James Johnson.“
    Laverne fiel auf, was für eine nervige, pfeifende Stimme sein Gegenüber, aber trotz aller Abneigung schüttelte er die Hand des anderen, wobei er jenem ein paar Glücksgefühle einpflanzte. „Freut mich, Jack.
    Äh, James.
    Wie auch immer …


    Ungefähr eine Stunde später befand sich Laverne mit einem neu errungenen Portmonee in der Tasche auf einen Pfad, der etwas außerhalb der Stadt führte. Jake (oder so) hatte sich als ziemlich leichte Beute erwiesen, nichts zu Anspruchsvolles. Nun gut, das war kein Wunder, da er durch die ständige Manipulation des Diebes zu abgelenkt gewesen war, um zu bemerken, wie jener ihm den Geldbeutel aus der Tasche gezogen hatte. Wie sich herausstellte war der Idiot reicher gewesen, als sein Aussehen hatte vermuten lassen. Laverne fand einige Hunderter und dazu noch eine Kreditkarte, die er sich selbst einsteckte. Außerdem war da noch irgendein Zettel an einen Doktor oder so, aber damit konnte er nichts anfangen, also schmiss er es weg.
    Inzwischen fragte der junge Mann sich, warum er überhaupt hier war. Irgendetwas war da gewesen, aber hatte keine Ahnung mehr, was ihn in diesem versifften Kaff hielt, außer natürlich, dass er mehrere Feinde quer über das Land verteilt besaß, denen er lieber ausweichen wollte. Aber trotzdem hatte er das Gefühl, dass es irgendetwas Besonderes gewesen war … Vermutlich hatte er es vergessen.
    Inzwischen war es recht dunkel geworden und die ersten Sterne funkelten am Himmel. Laverne begann gerade sich zu langweilen und einen weiteren Kaffee zu öffnen, da schlug ihm auf einmal eine Welle an Emotionen entgegen. Verwirrt und überrascht blickte er sich nach der Quelle dieses Gefühlssturms um. Es musste irgendwo eine Menschenansammlung in der Nähe sein. Tatsächlich entdeckte der Schwarzhaarige weiter oben auf der Wiese mehrere Leute, die sich dort gemeinsam versammelt hatten. Neugierig ging er näher. „Ist das hier so ’ne Art … keine Ahnung … Freiluftparty oder … Ritualmord, oder was?“
    Es war schwierig etwas Verständliches aus den ganzen verschiedenen Gefühlen herauszufiltern, wie es immer der Fall bei Gruppen war, aber hier war es für Laverne ziemlich eindeutig, welche Emotion bei allen überwog: Anspannung. „Also, so wie die hier drauf sind, ist es eher der Ritualmord …“, kommentierte der junge Mann abfällig und ließ den Blick schweifen. Man hatte ihn noch nicht gesehen. „Ganz ehrlich, das letzte Mal, als ich so ‘ne Stimmung gespürt hab‘, war bei der Beerdigung von …“
    Doch weiter kam er in seinen Gedanken nicht, da auf einmal, der nun nachtschwarze Himmel aufriss und ein fantastisches Spektakel enthüllte. Wellen aus Licht und vielfarbenden Flammen flossen über das Himmelszelt, als hätten die Engel den großen Farbeimer auf Wolke Sieben umgekippt. Dem jungen Mann blieb vor Erstaunen der Mund weit offen stehen. Inmitten dieses leuchtenden Spektakels erschien ein Stern, der über allem zu thronen schien wie ein König mit brillanter Krone. Laverne konnte den Blick nicht von ihm lassen, fast wie hypnotisiert.
    Ein Schrei riss ihn aus seiner Paralyse und als er sich umblickte, erkannte er mit großem Entsetzen, dass die anderen Leute auf der Grasfläche plötzlich angefangen hatten, es dem Stern gleichzutun und zu leuchten. Schlimmer noch, erst jetzt bemerkte er, dass das Symbol auf seiner linken Handfläche, welches er all die Jahre lang geheim gehalten hatte, ebenfalls anfing zu strahlen wie eine Taschenlampe, sogar durch seinen schwarzen Lederhandschuh durch.
    Oh, s-“, fluchte der Dieb panisch und versuchte stürmisch das helle Zeichen zu verdecken, doch jeder Versuch war vergebens. Schließlich ballte er die Hand zur Faust und steckte diese in die Hosentasche, in der verzweifelten Hoffnung, dass niemand ihn bemerkt hatte.


    OT: So, da ist nun auch mein Post. Zum Ende hin ist vermutlich nich mehr ganz Deutsch, aber ich bin müde und wollte das endlich fertig haben.

    Danke, Amatsu für deinen tollen Kommentar (wie üblich) :> Ich würde liebend gerne näher darauf eingehen, aber ich muss morgen früh raus (Sommerferien in Berlin schon vorbei ._.), weshalb ich dir das später in einem GB-Eintrag schreiben werde.


    Dies ist das vorletzte Kapitel. Ich versuche nächste oder übernächste Woche das Finale als Dreiparter zu posten.



    Sonnentänzerin


    Marie wich einigen Feuersalven aus und begab sich mit einem gekonnten Salto zum hinteren Ende des Saals, wobei ihre seidenen Tücher in der Luft flatterten. Sie landete sicher auf dem Boden und bereitete sich sofort darauf vor einige weitere Yin-Attacken zu entfesseln, während sich ihr strahlendblauer Blick in ihre Gegnerin bohrte. Graues Haar, welches von einem reichen, rot-goldenen Kopftuch verdeckt wurde; ein ausdrucksloses, junges Gesicht geprägt von goldenen, emotionslosen Augen und ein knappes, bauchfreies Tänzerinnen-Outfit, welches den weiblichen, gut gebräunten und ästhetischen Körper zur Schau stellte. Es war Salome.


    Nachdem sich die Nachtigall mit einem strahlend hellen Lichtblitz in die junge Frau verwandelt hatte, hatte Marie sich an einem anderen Ort wiedergefunden. Nach der unerträglichen Hitze der Arena war das Erste, was der Rothaarigen entgegenschlug, die kühlen Schatten des neuen Kampplatzes. Sie befand sich in einem orientalisch anmutenden Raum, dessen einzige Lichtquelle ein Glasdach über der Mitte des Zimmers war, sodass warmes Sonnenlicht das Zentrum des Saals erleuchten konnte. Der Boden und die Wände bestanden aus kaltem, bläulichem Stein, die Decke aus einer weißem, Marie nicht bekannten Masse, einzig der Untergrund in der Mitte zeigte sich als eine Fläche aus Holzparkett. Bis ins kleinste Detail kunstvoll verzierte Holzsäulen, die das halbkugelförmige Dach stützten, bildeten einen Kreis und grenzten dadurch das Herzstück des Saals vom äußeren Rand ab. Hinter dem Mädchen befand sich ein schlüssellochförmiges, hölzernes Tor, welches mit staatlicher Größe über sie ragte. In der Luft lag der starke Geruch von Leim, was Marie als leicht irritierend empfand.
    Dann fiel ihr ihre Kleidung auf. Anstatt ihrem typischen, konservativen Gewand aus schlichtem Hemd und knöchellangem Rock trug sie etwas, das überhaupt gar nicht ihrem Stil entsprach: das Kostüm einer Bauchtänzerin. Das knappe Oberteil, welches in unaufdringlichen Blautönen gehalten war, war kurzärmlig und besaß einen für Marie relativ freizügigen Ausschnitt, jedoch noch nichts, was an Kleos Anstößigkeit heranreichte. Es endete kurz unterhalb der Brust und besaß einige angenähte Stofffäden, an deren Enden Glasperlen hingen, die bei jeder Bewegung klimperten und den Rotschopf aus dem Konzept brachten. Der Rock war verhältnismäßig lang, weitaus länger als der, den Marie normalerweise trug, jedoch auch ungleich weiter geschnitten, sodass ihr mehr Bewegungsfreiheit zur Verfügung stand. Auch dieses Kleidungsstück war in einem dezenten Blauton gehalten, jedoch lagen einige seidene, dunklere Tücher über dem eigentlichen Stoff, sodass man nur einen Teil des eigentlichen Rockes sah. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, musste die Schwertkämpferin voller Missgunst feststellen, dass man sie in sehr hochhackige Schuhe gesteckt hatte. „Na toll!
    „Was … was soll das?!“, hörte Marie auf einmal eine wohlvertraute Quietschstimme neben sich. „Wieso sehe ich aus wie irgendein dahergelaufenes Flittchen?!“
    Kleopatra hatte man ebenfalls in ein thematisch zur Illusion passendes Kostüm gesteckt, welches sich nur in wenigen Dingen von dem des Rotschopfes unterschied. Gehalten in hellen, aggressiven Rottönen, war das Oberteil noch viel knapper als das des anderen Mädchens und zeigte das beeindruckende Dekolleté der Blondine in seiner ganzen Pracht. Marie sträubte sich zwar gegen das Gefühl, aber sie kam nicht umhin zu wollen, ihr Kostüm ähnlich voluminös ausfüllen zu können. Der Rock der Viscountess war genauso lang wie der der Rothaarigen, bestand jedoch aus einem dünneren, fast schon durchscheinenden Stoff. Abgeschlossen wurde auch dieses Gewand durch extrem hohe Schuhe, doch im Gegensatz zu Marie schien Kleo kein Problem mit diesem Umstand zu haben. In Hinblick auf ihr sonstiges Schuhwerk nicht weiter verwunderlich.
    Was das Mädchen jedoch am meisten verwunderte, waren die Haare ihrer vorherigen Gegnerin. Kleopatras langer, goldblonder Lockenwasserfall war zurückgebunden worden und ähnelte somit der Frisur Salomes. Was an der ganzen Sache merkwürdig wirkte, war der Zustand in der sich die Haarpracht befand: War sie zuvor noch schmutzig, verklebt und dreckig gewesen, glänzte sie nun wieder in alter, seidiger Schönheit im Zwielicht. Kleos wunderschönes Gesicht schien ebenfalls komplett sauber, wie nach einem langen, gründlichen Bad. Marie spürte, dass auch sie selbst kein bisschen schmutzig mehr war. Was bedeutete das?
    „Da ihr euch nicht ergeben wollt, bin ich gezwungen euch gewaltsam aus dem Spiel zu auszusortieren“, erläuterte die Bauchtänzerin, fast als hätte sie die Gedanken der Rothaarigen gelesen, die Situation nun emotions- und leidenschaftslos als würde es sich um eine belanglose Alltäglichkeit handeln, jedoch ohne die goldenen Augen von ihren Gegnerinnen zu lassen. Ihre absolute Gelassenheit wirkte seltsam einschüchternd, als ob sie wusste, dass sie die beiden Frauen im Halbschlaf besiegen konnte.
    „Was soll das alles, Salome?“, fragte Marie angespannt, während sie einige Schritte zurücktrat und die Ältere mit kühler Wut in den Augen fixierte. Innerlich bereitete sie sich bereits auf die Konfrontation vor, die unweigerlich folgen würde. Sie hatte die ungute Vorahnung, dass es kein Spaziergang werden würde und ihr Gefühl betrog sie nur selten.
    In ihrem Kopf wirbelten tausend Fragen umher, aufgescheucht wie ein Schwarm panischer Vögel. Was war mit Laila? Ging es Damian gut? Hatte Piero etwas mit dieser Sache zu tun? Die letzte Frage erübrigte sich fast, da ihre Gegnerin ja ausdrücklich von „ihrem Meister“ gesprochen hatte, aber es konnte immer noch sein, dass sie in Wahrheit jemand anderem diente. Der Narr erschien ihr nicht wie jemand, der so etwas machen würde. Jedoch war es trotz allem äußerst wahrscheinlich, dass er hinter allem steckte. Nur warum?
    „Ihr kennt euch?“, fragte Kleo verwirrt, wobei sie Maries Gedankenfluss unterbrach, und wandte sich missbilligend die Nase rümpfend an die Rothaarige. Es war ihr eindeutig anzumerken, dass sie nicht viel von der Tänzerin hielt, vermutlich Neid.
    „Flüchtig“, antwortete das Mädchen, die Augen weiterhin auf die derzeitige Bedrohung gerichtet. Selbst wenn das blonde Gift sich nun entscheiden würde, sie anzugreifen, ging von der Grauhaarigen doch größere Gefahr aus. Marie wusste weder welche Magie sie beherrschte noch wie geschickt sie im Kampf war. Sie konnte sich als einfach herausstellen, aber das war recht unwahrscheinlich. Im schlimmsten Fall war sie auf Adens Level und Marie wusste, dass sie dann allein nie eine Chance haben würde. Aber sie musste sie besiegen! Für Laila und Damian.
    Kleopatra schien mit dieser einsilbigen Antwort nicht zufrieden zu sein, denn sie wollte gerade den Mund aufmachen, um einen abfälligen Kommentar abzulassen, da wurde sie aber auch schon von der abwesenden Stimme Salomes unterbrochen: „Als letztes gewaltfreies Mittel zur Überzeugung gebe ich euch die Wahl.“ Nach einem leichten Schnippen ihrer Finger materialisierte sich auf einmal ein äußerst übel zugerichteter Elias bewusstlos einige Meter über ihrem Kopf schwebend.
    Marie riss überrascht die Augen auf und auch Kleopatras Gesicht zeigte für einen kurzen Moment ihren Schock, während die Geiselnehmerin des Jungen ungerührt weitersprach: „Wenn ihr nun aufgebt, wird ihm kein Leid geschehen und ihr werdet mit ihm und den anderen Ausgeschiedenen wiedervereint …“ Marie zog scharf die Luft ein. Laila ging es ähnlich wie Elias?! „Solltet ihr euch jedoch entscheiden zu kämpfen und verlieren …“, fuhr Salomé monoton wie eh und je fort, „… wird sowohl ihm als auch euch weitaus Schlimmeres erwarten als einfache Gefangenschaft.“
    „ Meine nichtsnutzige Verwandtschaft könnt ihr gern behalten …“, flüsterte Kleo abfällig und verzog den Mund als hätte sie zurzeit einen sehr widerlichen Geschmack im Mund. Marie konnte daraufhin nur den Kopf schütteln. Es war schließlich immer noch ihre Familie. Aber auch sie befand sich in einer Zwickmühle. Sollte sie wirklich Lailas Gesundheit aufs Spiel setzten und versuchen Salomé, von der sie nicht wusste wie stark sie eigentlich war, zu besiegen? War es vielleicht doch besser nachzugeben und ohne einen Kampf vom Feld zu ziehen? Aber was, wenn das alles nur eine Lüge war? Sollte sie sich einfach kampflos ergeben?
    „Aber…“, begann Kleo auf einmal unerwartet und ihre Stimme war nun bissiger als zuvor, was Marie leicht verwunderte. Ein kurzer Blick zur Blondine enthüllte, dass sie sich nun aufgerichtet hatte und mit kühlem Abscheu im Blick auf ihre Gegnerin starrte. „Ich lasse mir von niemanden etwas befehlen und schon gar nicht von irgendeiner dreckigen Zigeunerin!“
    Die erdbeerroten Lippen verformten sich zu einem hochmütigen Lächeln, die himmelblauen Augen zeigten, dass sie sich ihres Sieges sicher war. Der Rotschopf konnte innerlich nur den Kopf über den Leichtsinn der Anderen schütteln. Was wenn sie verlören? Was würde dann mit Laila und den anderen geschehen? Konnte sie das Risiko eingehen?
    In ihrem Kopf erklang plötzlich die Stimme ihrer Großmutter: „Wer nicht wagt, der kann auch nicht gewinnen. Oder anders gesagt: Wenn du es nicht versuchst, wirst du nie wissen, ob du es nicht vielleicht doch geschafft hättest!“ Wenn sie jetzt aufgab, würde sie in derselben Position wie Laila enden, sie musste es also wenigstens versuchen. Sie würde nicht zulassen, dass man ihre Schwester noch länger in Gefangenschaft hielt und würde, wenn es nötig war auch zum Äußersten gehen, um dies zu erreichen. So begab sie sich in Kampfstellung, während sie am bläulichen Schimmer neben ihr erkannte, dass auch Kleo ihre magischen Kräfte neu heraufbeschwor.
    Salomé reagierte zuerst überhaupt nicht, sondern beobachtete ihre entschlossenen Kontrahentinnen aus ihren mysteriösen, unlesbaren Goldaugen. Doch dann ließ sie urplötzlichen mit einem hellen Aufflammen eine feurige, lange Sichelklinge in ihrer Hand erscheinen und verkündete ungerührt: „Dann soll es Tod sein.“


    Marie konzentrierte ein weiteres Mal ihre Energie. Einige Schweißperlen glitzerten auf der Stirn der Rothaarigen, bevor sie sie mit einer schnellen Bewegung wegwischte. Ihr Körper hatte sich seltsam versteift, fast als hätte sie sich irgendwo verletzt, während ihr schweres, keuchendes Atmen ihre äußerst prekäre Lage zeigte. Ihre Muskeln schmerzten bei jeder Bewegung und ihr Kopf fühlte sich mehr und mehr so an als würde er jeden Moment zerspringen. Sie hatte ihre Reserven bereits aufgebraucht, viel Kraft blieb ihr nicht mehr zum Kämpfen. Doch sie musste sich jetzt zusammennehmen, nur ein letztes Mal.
    Hätte dieses dumme Blondchen nicht mein Schwert zerstört, hätte ich das Problem gar nicht!“, fluchte Marie in Gedanken, während sie sich aufraffte und einen letzten gewaltigen Yin-Schuss auf ihre Gegnerin abfeuerte. Es fühlte sich an, als hätte man ihr den Himmel von den Schultern genommen.
    Die Attacke, obwohl sie unsichtbar war, war doch deutlich zu spüren, fast wie ein Windstoß, der massiv geworden war. Der Druck dieser letzten Verzweiflungstat war so groß, dass eine Delle im Steinboden entstand, von dem viele verzweigte Risse ausgingen, während das Holzparkett im Zentrum des Saals mit einem lauten Krachen zersplitterte.
    Vollkommen zerstört und ohne die Kraft irgendeine weitere Großtat zu vollbringen, ließ sich Marie gegen die Steinwand hinter sich fallen und sank müde daran herab. Sie konnte nur hoffen, dass dieser letzte Akt der Hoffnungslosigkeit etwas bewirkt hatte. Ihre letzten Yin-Angriffe waren allesamt ohne große Mühe abgefangen und mit zugleich gefährlichen und beeindruckenden Kontern beantwortet worden. Salomé bediente sich einer Art materiellem Feuer, welches wie ein Schleier brennender Sandkörner majestätisch als ihre flexible Defensive diente. Zum Angriff nutzte sie ihre flammende Klinge, mit welcher sie immer wieder gigantische Feuerwellen entsandte, denen Marie jedes Mal nur um Haaresbreiten entgehen konnten. Aber dieses Mal konnte Salomé doch unmöglich die Oberhand gewinnen, oder?
    Ein paar Meter von der Rothaarigen entfernt, entfesselte Kleopatra eine ganze Armada leuchtendblauer Wasserbälle, sodass das Mädchen sich fast schon wunderte, warum der Saphirring an ihrem Mittelfinger nicht schon lange vor Überladung explodiert war. Die Blondine schien noch weitaus frischer und energetischer zu sein als Marie, zumindest quiekte und kreischte sie bei jeder Gelegenheit, die sich ihr bot, hysterisch rum. Das war jedoch sehr verwunderlich, bedachte man, dass Kleo von Anfang an ihre Magie weitaus öfter genutzt hatte als Marie.
    Wie viel magische Kraft besitzt dieses Weib?“, fragte der Rotschopf sich frustriert in Gedanken, während sie sich die Rippen hielt, um ihre außer Kontrolle geratene Atmung wieder in den Griff zu kriegen.
    Hast du mich gerade ,Weib‘ genannt?!
    Da du auf die Privatsphäre anderer Leute sowieso keine Rücksicht nimmst, erübrigt sich die Antwort!
    Du mieses, kleines …!“, doch bevor die Viscountess sich wutentbrannt den Obszönitäten hingeben konnte, wurde sie durch eine enorme Druckwelle unterbrochen und selbstverständlich auch umgeworfen. Da Kleopatra sich nicht auf ihre Attacke konzentriert hatte, war jene mit Maries Angriff zusammengeprallt noch bevor sie Salomé überhaupt erreicht hatte. Die folgende Reaktion war eine gigantische Explosion in der Mitte des Saals und ein orkanartiger Wirbelsturm aus Holzspänen, Steinsplittern und Glasscherben.
    Marie hätte schützend die Hände vor das Gesicht gehoben, wenn sie nicht mit solcher Brutalität gegen den Boden gedrückt worden würde. Zu ihrem Glück lag sie mit Gesicht gen Erde und keiner der gefährlich scharfen Trümmerstücke traf sie am Kopf. Der Großteil ihres Körpers blieb unversehrt, bis auf einige harmlose Kratzer und Schrammen, doch ein spitzes Glasstück hatte ihre Seite gestreift. Sie hatte schon den Schmerz schlimmerer Wunden erleben müssen, dennoch war dieses Gefühl, als würde ihre Haut um die Verletzung herum brennen wie ein Lagerfeuer, kein schönes.
    Kleopatra neben ihr war es offenbar besser ergangen, denn sie zeigte keinerlei Anzeichen irgendwelcher schwereren Blessuren, abgesehen von der nun abermals zerstörten Frisur natürlich. Doch das schien der Blondine als Grund für einen weiteren furiosen Wutanfall offenbar auszureichen.
    „Das ist alles deine Schuld!“, keifte sie nun lautstark quer durch den vollkommen zerstörten Saal ohne sich auch nur zu bemühen, es vor ihrer Gegnerin geheim zu halten. Eine telepathische Konversation hätte sich ohnehin als fruchtlos erwiesen, da Salomé zuvor bereits demonstriert hatte, dass sie diese belauschen konnte. „Du bist noch talentloser als dein idiotisches Trampeltier von Schwester!“
    Das war ein Schuss zu weit gewesen. Marie spürte wie sich ihr Körper trotz vollkommener Kraftlosigkeit ein weiteres Mal ruckartig anspannte. Wie konnte es dieses niederträchtige, abscheuliche Biest wagen auch nur ein böses Wort über Laila zu verlieren. Das war zu viel! Marie versuchte sich aufzurichten, während sie der Blondine einen Blick der absolut tödlichsten Sorte entgegen schleuderte. Ihr unglaublicher Hass auf dieses grauenhafte Scheusal vor ihr gab dem Mädchen die Kraft sich aufzurichten. Sie sammelte sich noch ein letztes Mal, den Blick voller Feindseligkeit auf die Blondine gerichtet. Sie fand etwas in sich, ein letztes bisschen Kraft, die sie nutzen konnte. Der letzte Angriff gegen das Monster in Engelsgestalt. Wenn Kleopatra nicht gewesen wäre, befände sich Laila jetzt gar nicht in Gefahr. Es war alles ihre Schuld! Marie hatte geschworen ihre Schwester zu rächen und das würde sie mit dieser finalen Attacke auch endlich tun.
    Die Viscountess betrachte die Rothaarige mit einer Mischung aus Abschätzung und Ekel. Ihr Blick hing an der immer noch blutenden Wunde ihres Gegenübers und aus dem angewiderten Zucken ihrer Mundwinkel konnte man schließen, dass sie, von dem was sie sah, nicht besonders angetan war. Jene fokussierte weiterhin ihren gesamten Willen darauf, der Blondine so viel Leid wie möglich anzutun. In nur wenigen Sekunden müsste sie dieses verabscheuungswürdige Gesicht nie wieder sehen.
    Die himmelblauen Augen Kleopatras flackerten für einen kurzen Moment zur Seite, nur um kurz danach vor Entsetzen weit aufgerissen zu werden. Bevor Marie sich jedoch auch nur ansatzweise wundern konnte, was die Blondine so erschrocken hatte, hatte jene bereits ihre Hand erhoben und auf die Rothaarige gerichtet. „Nixes Wut!“
    Das Mädchen wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte noch nicht die nötige Energie zusammen, um den Angriff zu kontern, geschweige denn einen Gegenangriff zu starten. So wie es nun aussah, würde diese kochendheiße Wassersalve sie umreißen wie eine zierliche Strohpuppe. Wie hatte Kleopatra nur herausgefunden, was sie plante? Hatte sie wieder ihre Pläne über die Multiverbindungsplatzierung abgefangen? Doch nun war es ohnehin zu spät, sich darüber Gedanken zu machen, in wenigen Sekundenbruchteilen würde sie dieser verheerende Angriff treffen und ihr mutmaßlich den Rest geben. Danach konnte sich Kleo alleine mit Salomé weiter prügeln und die Rothaarige hätte Laila ein weiteres Mal enttäuscht.
    Wie erwartet traf sie Nixes Wut mit voller Wucht und Marie wurde mehrere Meter zurückgeschleudert, doch überraschenderweise brannte ihr das Wasser nicht die Haut von der Brust. Statt der typischen brodelnd heißen Temperaturen besaß der Angriff trotz aller Härte eine ungewohnte Kühle, die zwar auch nicht unbedingt angenehm war, aber dennoch keine so schlimmen Effekte wie die normale Ausführung der Attacke besaß. Was war passiert? Ging Kleo nun etwa auch die magische Kraft aus?
    Doch bevor die Rothaarige auch nur die Möglichkeit besaß, diese Fragen laut auszusprechen, zeigte sich die Antwort von selber. Dort, wo der Rotschopf bis vor kurzem noch gestanden hatte, krachte nun eine bedrohlich züngelnde Flammensäule in den Wasserstrahl, aus dem ein lauter Knall und viel Dampf resultierten. Marie blickte entsetzt zur Ursprungsquelle dieses Hinterhalts und voller Schrecken wurde ihr klar, dass Salomé natürlich auch immer noch da war. Die vorherige Explosion schien ihr anscheinend nichts ausgemacht zu haben, da man keinen noch so kleinen Kratzer an ihrem Körper feststellen konnte. Wäre Kleopatra dem nicht zuvorgekommen, hätte die Attacke Marie mit voller Breitseite erwischt. Das bedeutete wiederum …
    Ein Schrei riss die Rothaarige aus ihren Gedanken. Die blonde Adelstochter hatte offenbar den Rückstoß ihrer Attacke genutzt, um der flammenden Niederlage zu entgehen, war jedoch nicht ganz so gut weggekommen wie ihre Verbündete. Obwohl sie dem Feuer haarscharf entronnen war, hatte sie etwas Anderes getroffen, denn ihr Bein zeigte eine beeindruckende Schnittwunde. Offenbar verbarg sich hinter Salomes Angriffen mehr als nur bloße Feuermagie.
    „Bist du denn zu gar nichts gut, du nutzloses Stück!“, kreischte die Blondine mit vor Schmerz noch schrillerer Stimme der jungen Frau auf der anderen Seite entgegen. Marie wusste nicht, was sie erwidern sollte. Ihr Gehirn hatte immer noch verarbeitet, dass Kleopatra, eine Frau, die sich in Rekordzeit zu einer ihrer am meisten verachteten Feinde erhoben hatte, ihr das Leben gerettet hatte. Nicht nur das, sie hatte außerdem die eigene Gesundheit dabei an zweite Stelle gestellt, eine Tat, die man von der selbstverliebten Kleo am allerletzten erwartet hätte. Das bedeutete im Endeffekt, dass sie diesem Püppchen ihr Leben schuldete.
    „Sitz da nicht so dumm rum und starr Löcher in die Luft! Tu doch endlich was!“
    Ein weiteres Gefühl mischte sich zu Maries Verwirrung: Irritation. Sie war nicht wirklich begeistert davon, dass jemand in einem solchen Ton mit ihr sprach, schon gar nicht Kleopatra. Dennoch kam sie in Gedanken nicht um den Fakt herum, dass ebenjene sie zuvor gerettet. Was sollte sie jetzt tun? Ihre Gedanken huschten zu Laila, daran, dass sie tot sein würde, wenn sie diesen Kampf nicht gewinnen würde. Sie musste siegen, sonst wäre es das Aus für ihre Schwester. Diese Erkenntnis erfüllte sie ein weiteres Mal mit Determination und so sammelte aus den letzten Fingerspitzen alle Kraft, die ihr noch zur Verfügung stand und versuchte aufzustehen.
    Doch trotz aller Bemühung scheiterte sie und musste letztlich ihre Niederlage eingestehen. Aber das wollte sie nicht, sie konnte einfach nicht aufgeben, nicht jetzt. Wenn sie sich beugen würde, wäre sie nicht die Einzige, die unter den Konsequenzen ihrer Entscheidung zu leiden hätte. Sie musste es einfach schaffen.
    Alles wegen diesen blöden Schuhen!
    Marie hatte all ihre sich gegenseitig bekämpfenden Emotionen in diesen Gedanken gesteckt, all ihre Frustration, Wut und Verwirrung auf die verdammten, hochhackigen Schuhe fokussiert. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es irgendetwas bringen würde, doch sie hatte sich geirrt. Von einer Sekunde auf die andere stand sie plötzlich und die Schuhe waren verschwunden. Um genau zu sein hatte sich ihr gesamtes Kostüm verändert.
    Anstatt des zuvor verrufenen Schuhwerks trug sie nun flache Eisenschuhe, die direkt in metallene Beinschienen mündeten, welche ihr bis zur Hälfte des Oberschenkels reichten. Um ihre Hüften herum trug sie einen sehr kurzen, braunen Rock, welcher ihr recht viel Beinfreiheit gab. Ihr Oberkörper war durch einen im Licht des einfallenden Sonnenlichts silbrig glitzernden Plattenharnisch verdeckt. Er passte ihr wie angegossen, als ob er für sie gemacht worden wäre. Auch fühlte er sich ungewöhnlich leicht an, sodass Marie sich wunderte, aus welchem Material er wohl geschmiedet worden war. Armschienen besaß sie keine, jedoch befanden sich an ihren Oberarmen kurz unterhalb ihrer Schulter dünne Eisenringe, an denen die Ärmel eines Kettenhemds befestigt worden waren. Die Hände des Mädchens wurden durch stählerne Panzerhandschuhe geschützt. Das feuerrote Haar war hochgesteckt worden und nur ein paar wenige Strähnen fielen heraus und umrahmten das verwirrt dreinschauende Gesicht wie eine flammende Einfassung. Um den ganzen die Krone aufzusetzen spürte die junge Frau an ihrer Seite etwas Schweres und als sie an sich herabblickte, sah sie ein Schwert. Nicht nur irgendein Schwert, sondern das Schwert ihrer Großmutter.
    „Aber …“, flüsterte sie ungläubig, während sie die Waffe immer noch betrachtete wie einen wieder zum Leben Erweckten, „… das ist unmöglich! Es ist zerbrochen worden!“
    Doch das Mädchen hatte keine Zeit sich weiter zu bewundern, denn ein panischer Aufschrei Kleopatras riss sie aus ihrer Faszination und reflexartig wich sie zur Seite aus, keine Sekunde zu früh. Dort, wo sie bis vor kurzem noch gestanden hatte, kollidierte nun ein gewaltiger Flammenstrahl mit der Wand und hinterließ einen großen, dunklen Brandfleck. Salomes Gesicht zeigte keine Regung, aber dennoch erschien es Marie so, als ob sie sich versteift hätte, fast als wäre ihr unwohl, während sie nun einen Angriff nach dem anderen abfeuerte und dabei mehrere Pfeiler zerstörte. Die Decke bröckelte bedrohlich.
    Aber trotz ihrer vorherigen Erschöpfung schaffte es Marie jeder einzelnen Feuerattacke zu entkommen. Ihr Körper zeigte keine Spur von Müdigkeit mehr, sie spürte noch nicht mal die Verletzung, die sie sich zuvor an ihrer Seite zugezogen hatte, fast als wäre sie verschwunden. Was für sie aber am Verwunderlichsten war: Ihr Körper war wieder voller Energie für einen Kampf. Sie wusste nicht wie das passiert war, aber nun musste sie diese letzte Chance nutzen. Sie musste Salome besiegen. Aber diese Aufgabe würde sie nicht alleine bewältigen können.
    Kleo!“, rief sie in Gedanken aus, hoffend, dass die Blondine kooperieren würde. „Kleo! Wir müssen zusammenarbeiten!
    Bitte!“, spuckte die andere telepathisch aus, als würde sie die bloße Idee bereits anekeln. „Bevor ich mit dir zusammenarbeite, lasse ich mich lieber vergiften, erschießen, erschlagen und ertränken! Gleichzeitig!
    Hör mir zu!“, fuhr Marie der Blondine unwirsch ins Wort ohne groß auf die Proteste zu achten. „Nur gemeinsam können wir Salome besiegen. Ich habe bereits einen Plan!
    _ _ _
    29. Kapitel mit 3600 Wörtern. Mein längstes Kapitel to date. Mein Beta-Leser hat leider Urlaub, aber ich hab mein möglichstes gegeben, es fehlerfrei on zu stellen. Ich bin nicht wirklich begeistert von dem Kapi, es geht mir alles zu schnell, aber ich wollte das Kapitel nicht noch länger machen ...

    Angenommen


    Name: Laverne Latro (oft unter dem Pseudonym "Lewis Liddel")
    Geschlecht: Männlich
    Alter: 17
    Lichtfarbe: Gräuliches Weiß
    Lichtstärke: Mittel


    Aussehen: Laverne ist für einen jungen Mann mit 1,72 m Körpergroße eher klein und unscheinbar geraten. Er ist eher schmächtig und wäre leicht zu übersehen, wäre da nicht seine farbenfrohe Erscheinung. Sein Schuhwerk besteht aus blank polierten, schwarzen Stiefeln, welche ungefähr kurz unterhalb seines Knies enden. Zu seiner knallroten Hose und seinem weißen Hemd trägt er einen Designer-Mantel, bei dem der linke Ärmel zur Hälfte abgerissen ist. Zusätzlich trägt er einen schwarzen Lederhandschuh an der linken Hand, um sein Symbol zu verdecken. Um den Hals hat er sich stets einen feuerroten Schal geschlungen, dessen Farbe sich furchtbar mit dem seiner Hose beißt. Sein wertvollster Besitz ist eine schlichte, schwarze Uhr, bei dem der Sekundenzeiger ein sich bewegender, doppelter Kreis ist.


    Die schwarzen Haare Lavernes sind nur flüchtig durchgekämmt und wirken deshalb oft unordentlich. Vorne sind sie recht lang und fallen ihm in die Stirn, während er sie hinten etwas kürzer trägt. Seine mittelgroßen Ohren werden hin und wieder komplett von ihnen verdeckt. Die dunkelblauen Augen versteckt er hinter einer großen Brille mit dickem, schwarzem Rand, welche in seiner dünnen Physiognomie fast erschlagend wirkt. Sein jungenhaftes Gesicht lässt andere immer wieder denken, dass er zwei oder drei Jahre jünger ist. Er ist ziemlich blass und besitzt runde Gesichtszüge, ohne starke Kieferkonturen, einer runden Stupsnase und dünnen Lippen. Zudem ist er bartlos. Einzig sein spitzes Kinn und seine starken Augenringe stechen etwas heraus.
    Zeichen: Das Zeichen von Laverne ist ziemlich klein und befindet sich auf der Handinnenfläche seiner linken Hand. Laverne behauptet, es sei ein Auge, in Wirklichkeit hat es jedoch mehr Ähnlichkeit mit einem Sichelmond.


    Eigenschaften: Laverne ist keine einfache Person. Im besten Fall ist er leicht irritierend, im schlimmsten personifiziertes Nervengift. Er kann keine Situation ernst nehmen, beniemt sich wie ein hyperaktives Kind mit Zuckerüberschuss und muss absolut alles kommentieren, egal ob es gerade angebracht ist oder nicht. Man kann nichts vor ihm geheim halten, da er eine Vorliebe hat, überall zu lauschen und mitzureden. Allerdings hat er nur zu den wenigsten Themen eine eigene Meinung und wenn, dann ist es das, was die anderen denken oder extrem oberflächlich.
    Insgesamt ist Laverne sehr oberflächlich, in seinen Freundschaften, seinem Verhalten und seinen Weltansichten, denn letztlich geht es ihm nicht um die anderen. Es geht ihm um sich selbst, er ist ein ausgewiesener Egoist. Egal, was er tut, er achtet darauf, dass für ihn etwas dabei rausspringt. Auch ist er sehr vorsichtig bei allem, was er tut, egal wie sehr er provoziert, es ist immer kalkuliert. Außerdem ist er ein unmoralischer Feigling, bei dem kein Versprechen gehalten wird, ein weiterer Anhaltspunkt auf seine Egozentrik. Am Ende darf immer nur er profitieren.
    Dabei ist er aber auch nie unfreundlich oder übermäßig arrogant. Leute, die ihn länger kennen und schon mehr von ihm wissen, sind zwar meistens weniger von ihm angetan, aber diejenigen, die er umschwärmt und die meist ebenso stereotyp sind wie er, werden oft von seinem Charme und seinem Humor eingewickelt. Zwar ist er von Natur aus brutal ehrlich, aber er weiß, wann es besser ist, seine Gedanken für sich zu behalten.
    Der junge Mann liebt die Aufmerksamkeit und tut gerne alles, um im Mittelpunkt zu stehen. Doch trotzdem ist darauf bedacht zum Mainstream dazu zugehören, immer nur als Schatten der populären Leute, in deren Kreise er früher oder später immer aufgenommen wird. Zudem weiß er genau wie soziale Strukturen funktionieren und manipuliert alles gerne so, dass er am Ende an der Spitze steht, denn Laverne ist ziemlich ambitioniert. Da er aber nicht der Fleißigste ist, bleibt er immer nur die zweite Geige und wird nie zum Anführer. Dies ist allerdings besser so, da er ein richtiger Tyrann sein kann, sollte er genügend Macht bekommen. Allerdings ist er äußerst flatterhaft und kann sich ohnehin nie lange auf eine Sache konzentrieren.
    Doch trotz allen negativen Charakteristiken, kann man ihm nicht nachsagen, dass er kein kurzweiliges Vergnügen ist. Tatsächlich schätzt auch er andere Leute, natürlich nur als Lust- und Nutzfreundschaften, aber dennoch kann es in kleinen Dosen sehr nett mit ihm sein. Er hat einen guten Sinn für Humor, ist für fast alles offen und dient als jemand, dem man die ganzen unwichtigen Alltäglichkeiten erzählen kann, die sonst keinen interessieren. Zudem ist er ziemlich kreativ.
    Er stiehlt alles, was ihm in die Finger gerät.


    Kraft: Ein Grund, weshalb Laverne es immer wieder schafft, sich trotz seines Schicksals als geborener Außenseiter in die High Society einzuschleichen, liegt an seiner Fähigkeit, die Emotionen anderer Leute zu spüren und zu verändern. So kann er zwar keine Gedanken lesen, aber er hat ein verstärktes Gefühl dafür, wie sich seine Mitmenschen fühlen. So besitzt er einen Vorteil darin, andere um seinen Finger zu wickeln und sich einzufügen. Zudem kann er die Emotionen seiner Mitmenschen manipulieren, sodass sie sich fröhlich, traurig oder wütend fühlen. Dafür braucht er jedoch einen kurzen Moment Körperkontakt, weshalb er es nicht auf Distanz anwenden kann. Zudem können sich ihm Leute mit starkem Willen widersetzen, ebenso solche, die von seinen Fähigkeiten wissen oder seinen wahren Charakter kennen, sodass sie sich nicht mehr täuschen können lassen. Andere Erleuchtete besitzen starke Resistenzen.
    Eine weitere Fähigkeit, die er nur sehr selten nutzt, ist die Macht Erinnerungen zu lesen. Laverne erklärt das damit, dass Erinnerungen Momente in unserem Leben sind, die sich aufgrund starker Emotionen in unser Gedächtnis eingebrannt haben. Jedoch ist lesen leichter gesagt als getan, da er ununterbrochenen Körperkontakt braucht, um in den Kopf des anderen einzudringen. Zudem fungiert einzig die Hand mit seinem Lichtmahl als Übergangsstelle, ein weiterer Grund, warum er diese Fähigkeit selten nutzt. Bevor er durch die verschiedenen Schichten des Gedächtnisses geforstet ist und die richtige Erinnerung gefunden hat, kann bis zu einer halben Stunde vergehen.

    Geschichte:
    Geboren wurde Laverne in eine relativ reiche Mittelklassenfamilie. Sein Vater war hoher Angestellter in einer Firma für Waffenproduktion, seine Mutter Hausfrau und Sängerin, die in der Vergangenheit einige kleinere Charterfolge ihr Eigen nennen konnte. Ihr erstes und einziges Kind empfingen die beiden Bewohner von Wejau mit großer Freude. Unerfahren und übermotiviert wie sie waren, verwöhnten sie ihren Jungen und kauften ihm alles, was sein Herz begehrte. Selbst nachdem er in seinem zweiten Lebensjahr zu einem Erleuchteten wurde, gaben ihn seine Eltern nicht weg, obwohl sie jedoch leicht unwohl um ihn herum wurden. Stattdessen versteckten sie sein Mal und taten so als wäre nie etwas gewesen. Tatsächlich ging diese Rechnung auf und die Latros schafften es der Welt das Bild einer glücklichen, ganz alltäglichen Familie zu präsentieren. Das lag vor allem daran, dass der junge Laverne bald herausfand, wie er seine Kräfte zu seinem Vorteil nutzen konnte und seine Eltern ständig zu seinen dauerfreundlichen, immer geduldigen Marionetten machte.
    Auch in der Schule gehörte er immer zu den beliebteren Schülern. Nicht wirklich auffällig, aber trotzdem kein Niemand. Sogar die Lehrer nannten ihn oft einen vorbildlichen, sehr charmanten Schüler, der sich in seiner Klasse durch seinen angenehmen Humor auszeichnete. Dies war vor allem nach langen Gesprächen Lavernes mit besagten Lehrkräften der Fall. Bei seinen massenhaften, sehr seichten Freundschaften war dies ebenfalls so, vor allem, da er sich stets in die populären Gruppen einkaufte. Das Geld davon bekam er entweder von seinen Eltern, „lieh“ es sich auf unbestimmte Zeit von anderen oder stahl es.
    Nachdem er mit sechzehn von der Schule abging, gelangte durch zahllose Kontakte, Betrügereien und Scheinverträge an eine ganze Menge Geld, sodass er es sich stets gut gehen lassen kann. Jedoch trifft ihn nun sein böses Karma, da er eine ziemlich viele Gangsterbosse über den Tisch gezogen hat und er in der kriminellen Unterwelt nicht unbedingt beliebt ist. Deshalb bleibt er nie lange an einem Ort und reist ständig umher. Mit seinen Eltern hat er keinen Kontakt mehr.


    Waffe: Da Laverne mehrere Kontakte zur kriminellen Unterwelt besitz, ist er an ein ziemlich teures Gewehr gelangt (ohne Wissen des Besitzers), welches er jedoch nur selten benutzt. Zudem besitzt Laverne einen Dreizack, von dem er denkt, dass er aus reinem Gold gemacht ist, welcher jedoch eigentlich nur eine sehr real wirkende Attrappe ist. Diesen hat sich der junge Dieb bei einem Antiquitätengeschäft "ausgeborgt".
    Besonderheiten: - Laverne ist eigentlich ein weiblicher Name, doch seine Mutter empfand ihn als künstlerisch
    - Ohne seine Brille ist Laverne so gut wie hilflos
    - Er hat eine Vorliebe für extravagante Kostüme
    - Er ist süchtig nach Milchkaffee
    - Laverne hat ein schreckliches Kurzzeitgedächtnis
    - Laverne neigt dazu viele Anglizismen während des Redens zu verwenden


    EDIT: Mein Gott war das eine schwere Geburt xD

    Ich persönlich halte Steckbriefe für äußerst sinnvoll, kann bei anderen FFs aber natürlich auch ohne sie auskommen. Es ist nur so, wie ich selber bemerkt habe, dass, wenn ich länger nicht an der FF gelesen habe, kaum noch Ahnung habe, wer wer ist. Genau dafür sind die Steckbriefe ja auch meines Erachtens da, um als Erinnerungsstütze zu dienen, damit Leute wie ich, die ein Gedächtnis wie ein Sieb haben, sich wieder besser in die Stories reinfinden können.
    Was ich selbst auch nicht mag und was anscheinend auch hier allgemeiner Konsensus ist, ist, wenn die Steckbriefe in die Geschichte einführen und die Charaktere vorstellen sollen. So etwas sollte innerhalb der Story stattfinden, weswegen ich die Steckbriefe auch immer erst on stelle, wenn der Charakter bereits vorgekommen ist. Meistens aktualisiere ich die Steckbriefe alle fünf Kapitel und füge die neuen hinzu. In einer Info vor den Steckbriefen habe ich sogar ausdrücklich geschrieben, dass die Steckbriefe nicht geeignet sind, wenn man ungespoilert in die Story gehen möchte. Viel mehr kann ich da ja auch nicht mehr tun.
    Meine Steckis sind auch nie besonders ausführlich. Meist kommt da nur Name, Bild, nocheinmal Aussehensbeschreibung, da die Bilder oft nur als ungefähre Orientierung dienen, Charaktereigenschaften, Namensbedeutung und Geburtsdatum mit Sternzeichen. Darunter steht dann ein kurzer Text, der Motivation und Beziehungen zu anderen Charakteren zusammenfasst. Das Aussehen und die Charaktereigenschaften sind auch nur sehr stichpunkthaft, da ich in Steckbriefen nie besonders lange Texte schreiben, dafür bin ich zu faul.


    Zum Thema mit den Bildern. Ich nutze meist Bilder von photobucket.com, wo es die Bilder bereits mindestens fünfmal gibt, weswegen ich als Copyright ähnlich wie Akira angebe, dass es bei den jeweiligen Künstlern liegt bzw. dass ich sie eben auf photobucket.com gefunden. Wenn ich dann doch mal ein Bild von deviantart.com verwende, verlinke ich darunter immer den Künstler. Meist lese ich auch die Bilbeschreibung, um zu sehen, ob der Abgebildete ein OC ist oder einem Manga entspringt, dann suche ich nach einem anderen Bild.

    Höllenfeuer


    Sofort begann Damian mit seinem Angriff. Diesmal war keine Zurückhaltung nötig. Um ihn herum erschien ein weiteres Mal der magische Zirkel und er wurde abermals von dem roten Licht umgeben, ein Zeichen, dass er sich erneut auf einen Zauber der zweiten Stufe vorbereitete. Er spürte wie die Magie durch ihn floss, ähnlich eines Blitzes, der schnell und aufschreckend durch seine Adern strömte; wie sein Stab die Energie aufnahm, quasi aufsaugte, gierig wie ein halbverdurstetes Tier und die Kraft durch das mystische Pentagramm vervielfacht wurde. Die Luft um ihn herum flimmerte vor lauter Macht, die elektrifizierend und einem Gewitter gleich die Atmosphäre drückte. Fast erschien es als ob sich der Raum für einen kurzen Augenblick verdüstern würde, obgleich der magische Zirkel mehr Licht als Schatten spendete. Inmitten dieses Schauspiels überirdischer Kräfte war der Zauberschüler als Zentrum des Angriffs. Die Augen voller kühler Entschlossenheit auf das Ziel gerichtet, rief er laut: „Flammenseele: Echsenschuss!“
    Wie zuvor bereits entlud sich der gesamte Druck, der sich innerhalb seines Katalysators aufgebaut hatte, in nur wenigen Sekundenbruchteilen mit einem gewaltigen Krachen, welches das gesamte Zirkuszelt erschüttern ließ. Vom Ring des Mönchstabes aus schoss ein unvorstellbar heißer Strahl purpurnen Feuers auf Piero zu, konzentriert, als ob die Flammen zu einer unglaublichen, alles zerstörenden Masse gepresst worden waren. Dieser Zauber war stark genug um ein Haus vollkommen zu pulverisieren, die bloße Nähe zu dieser Flamme war für jeden Menschen bis auf den Anwender tödlich. Unter normalen Umständen hätte der Magier nie zu so rabiaten Mitteln gegriffen um den Sieg zu erlangen, doch dieses Mal war es anders. Sie befanden sich in einer Illusion, einer sehr realitätsnahen zwar, aber dennoch nur in einem Gedankenspiel. Egal, was hier auch geschah, es war unmöglich, dass sich dies auf ihre Körper in der Wirklichkeit auswirken konnte. Deshalb war er frei Piero nun voller Genuss der verdienten Prügel zu unterziehen, die schon seit der ersten Begegnung überfällig gewesen war und zwar ganz ohne Tabus oder Beschränkungen. Diesmal hieß es kein Erbarmen.
    Der Narr indes schien von den sich ihm näherenden Flammen nicht beeindruckt zu sein, da er ihnen weiterhin mit der Ruhe eines verträumten Faultieres entgegenblickte. Damian lächelte kurz selbstgefällig auf. Falls dieser Idiot wirklich dachte, diese Attacke konnte ihm nichts anhaben, war er entweder extrem leichtsinnig oder extrem unwissend. Beides gereichte dem Magier zum Vorteil.
    Wenige Sekunden später hatte das purpurne Feuer den jungen Mann umschlossen und vollkommen eingenommen. Wütend brüllend wie ein wildes Tier loderten die Flammen, alles zerfressend, was sich ihnen in den Weg stellen würde, keine Gnade zeigend. Damian grinste selbstzufrieden, während er beobachtete wie sein Angriff sich langsam lichtete. Dieser Kampf war vorbei.
    Doch entgegen seiner Erwartungen löste sich die Illusion nicht auf. Stattdessen konnte er langsam eine Silhouette im Feuer ausmachen, einen herumtänzelnden Schatten, der nicht im Entferntesten so wirkte, als würde er gerade an höllischen Verbrennungen zu Grunde gehen. Doch bevor Damian seine Reaktion an die neue Situation anpassen konnte, wurden die tiefroten Flammen auch bereits komprimiert und in der Hand Pieros zu einem winzigen Ball konzentriert. Vor Schock und Unglauben gelähmt betrachtete der Zauberschüler wie Piero sanft gegen den Feuerball hauchte, welcher sich daraufhin zu einem Dutzend violett flammender Schmetterlinge verformte, die sich ihm langsam und unnatürlich glitzernd näherten.
    Ohne wirklich darüber nachzudenken erhob sich Damian in die Lüfte, um einige Meter Abstand zwischen sich und die merkwürdigen Geschosse zu bringen, während sein Kopf weiterhin versuchte, das zu verarbeiten, was gerade geschehen war. Wie konnte es nur sein, dass ein einfacher Narr wie Piero es geschafft hatte, einen Feuerzauber der zweiten Stufe abzuwehren und ihn für sich selbst zu nutzen. Der junge Mann war noch nie mit violetten Flammen konfrontiert worden, aber er konnte mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass dies Feuer der dritten und damit zweitstärksten Stufe waren, eine Naturgewalt, die nur wenige Menschen beherrschten.
    „Der Typ ist alles andere als ein einfacher Narr!
    “, fluchte Damian in Gedanken, während er im Zick-Zack hinter sich positionierten Pfeilern ausweichend immer weiter zurückflog, um den sich bedrohlich langsam näherenden Schmetterlingen zu entkommen. Alles ergab plötzlich einen Sinn, wie er von diesem Ort gewusst hatte, sich in die Illusion hatte einschleusen können und die Multifunktionsverbindung abgehört hatte. Aber wer war er? Ein Feind seines Meisters? Aufgrund seiner Affinität zu Feuermagie gut möglich. Jemand aus seiner Vergangenheit? Das würde erklären, wieso er gerade Damian aufgesucht hatte. Hieß das, er konnte ihm vielleicht wirklich etwas über seine verlorenen Erinnerungen sagen?
    Wie dem auch sein mochte, nun war es erst mal wichtig, diesen Clown zu besiegen und nicht von seinen Angriffen getroffen zu werden. Eine Berührung mit diesen Schmetterlingen hieße das Aus, Damian wollte sich ihre gewaltige Explosionskraft lieber erst gar nicht ausmalen. Wenn er diesen Kampf überstanden hatte, konnte er seine Fragen stellen. Jetzt musste er vollkomme Konzentration zeigen.
    „Und Damian-kun?“, rief Piero dem Magier fröhlich von unten zu, indes machte er keine Anstalten eine Angriffssalve zu starten, obwohl er seinen Gegner bereits ziemlich in die Enge getrieben hatte. „Wie gefällt dir mein Symphonisches Feuer?“ Inzwischen levitierte auch er, jedoch, so wie immer, kopfüber, während seine Narrenkrone den Gesetzen der Physik trotzte. „Nachdem du mir all dieses Material zum Bearbeiten gegeben hast, dachte ich mir, dass Falter am angebrachtesten wären. Du weißt ja …“, er schenkte dem jungen Mann ein freundliches Lächeln, „… als Symbol des nächsten Lebens.“
    „Symphonische Magie, also belebtes Feuer!“, erkannte der Magier und biss sich auf die Unterlippe. Dieser Umstand bestärkte ihn nur in seiner Annahme, dass der Narr ein perfekt ausgebildeter Feuermanipulator war, diese Art der Elementnutzung war hoch kompliziert und benötigte sehr viel Training und Begabung. Bis jetzt hatte er nur eine Person getroffen, die in der Lage gewesen war, Feuer zu beleben und das war sein Meister gewesen. Selbst dann waren es nur normale Flammen gewesen, keine Magie der dritten Stufe.
    Langsam kam er ins Schwitzen. Piero schien weitaus mehr Expertise als Damian zu haben und zu allem Überfluss konnten seine Kreationen den jungen Mann unabhängig von ihrem Meister angreifen. Wenn der Clown sich nun dazu entschied ernst zu machen und keine Zurückhaltung zu zeigen, wäre es mit ziemlicher Sicherheit aus für ihn. Er musste die Situation also ausnutzen solange Piero noch mit ihm spielte. Blitzartig und unerwartet zuschlagen, um das Ganze zu beenden, bevor die Situation völlig eskalierte. Das einzige Problem stellten nur die Falter dar. Eine Berührung und alle Hoffnungen auf den Sieg waren Geschichte, doch um sie auszuschalten, musste er zu ihrem Meister gelangen. Aber leider konnte er den Narren nicht erreichen, während sie zwischen ihnen waren. Es war ein Teufelskreis. Die einzige Lösung, die ihm noch offen stand, bestand darin, die Flammengebilde zu zerstören und gleichzeitig ihren Erschaffer anzugreifen. Aber wie sollte er das anstellen?
    Einer der Falter, seicht durch die Luft flatternd wie ein vom sanften Frühlingswind getriebenes Blütenblatt, streifte sacht einen Sitz der Tribünen über denen Damian schwebte. Der junge Mann riss entsetzt die Augen auf, doch es war bereits zu spät. Die Explosion, die daraus erfolgte, war so stark, dass es jedes normale Zirkuszelt pulverisiert hätte, doch da es sich um eine Illusion handelte, weitete sich der Raum nur weiterhin ins Unendliche aus, die Druckwelle in seinen unwirklichen Weiten gefangen haltend. Staub wirbelte auf und schluckte die Sicht, einzig Adrians hysterisches Quieken zeugte noch davon, dass sich Menschen in diesem Chaos befanden.
    Damian konnte weder vor noch zurück. Er war zu nah an der Detonation gewesen und die Schockwelle, die gefolgt war, hatte ihn bis ins Mark erschüttert. Er wusste nicht ob er flog oder fiel, hatte jeglichen Orientierungssinn verloren. Sein ganzer Körper fühlte sich taub an und langsam spürte er wie es um ihn herum schwarz wurde. Er versuchte gegen die Ohnmacht anzukämpfen, sich wieder zu fangen, um weiterzukämpfen, doch trotz aller angestrengten Versuche waren die Ergebnisse nur sehr dürftig. Was konnte er nur tun? Langsam fielen seine Augen zu …


    Ein sanfter Wind wehte durch den fremdländisch anmutenden Garten und lies die langen Gräser sacht zur harmonischen Melodie tanzen, die die säuselnden Blätter der Gewächse und das unaufhörliche Plätschern des Wassers vorgaben. Ein paar kleine Bäume spendeten Schatten und schotteten vor der unaufhörlich von oben herab scheinenden Flammenscheibe ab, während der strahlend blaue Himmel höchstens von vereinzelten großen, weißen Schönwetterwolken verdeckt wurde. Die zum Großteil exotische Büsche bewohnende Anlage war geprägt von Hügeln, die nur durch wenige winzige, sich durch die Erde schlängelnde Bächlein geteilt wurden. Jene mündeten in einen klaren Teich zu dem ein schmaler Weg weißen Kieses führte, welcher sich ähnlich dem Wasser zwischen kniehohen Bäumchen und großen, weißen Gesteinsbrocken wandte. Jene machten den Anschein als hätten sie hier bereits seit Anbeginn der Zeit gestanden, jedoch waren sie nur aus rein ästhetischen Gründen in den Garten importiert worden. Am anderen Ende des Ufers konnte man ein exotisches Gebäude erkennen, ähnlich eines Pavillon jedoch weitaus größer. Ein paar, kleine buntgesprenkelte Vögel saßen auf den schrägen Keramikdächern des Hauses und putzten sich, während ein Baumhörnchen auf dem Ast eines der größeren Bäume saß und interessiert seine Umgebung beobachtete. Die Luft war erfüllt vom Summen der vielen Insekten, die über die Wasseroberfläche zischten und dem Geruch unterschiedlicher exotischer Blumen, jeder verführender als der andere.
    Inmitten dieser Idylle lag ein Junge, nahe dem Wasser, in dem er offensichtlich zuvor gebadet hatte. Das nasse, dunkelbraune Haar klebte ihm auf der Stirn, während seine Augen geschlossen waren, da er offensichtlich schlief. Sein entblößter Oberkörper zeigte bereits einen furchtbaren Sonnenbrand und war ebenfalls noch nass vom Bad. Die einzelnen Wassertropfen, die man auf der durchaus blassen Haut vorfinden konnte, glitzerten brillant in der Sonne, das Licht brechend und zerstreuend, wodurch es wirkte, als würde der Junge glänzen wie ein Diamant. Für seine dreizehn Jahre war der Schlafende durchaus kräftig gebaut und dadurch, dass er noch nicht viel gewachsen war, wirkte er noch breiter als ohnehin schon. Die ausgeprägte Muskulatur zeugte von dem vielen Training, das er hinter sich haben musste, eindeutig harte Arbeit, motiviert durch einen strengen Lebensstil.
    „Meister Damian!“
    Sofort schreckte der Junge auf und blickte sich alarmiert um. Sein Lehrer hatte ihn gelehrt niemals unachtsam zu sein, sich unter keinen Umständen Blöße zu geben und doch war er eingeschlafen. Eigentlich sollte er gerade in diesem Moment im Dojo sein, um den Kampf ohne Magie zu üben, doch er hatte sich weggeschlichen, um sich ein wenig zu entspannen. Wenn das rauskäme, würde es Strafe geben. Hoffentlich hatte der alte Sklaventreiber ihn nicht entdeckt … und warum tat sein Oberkörper so weh?!
    Erst nach und nach beruhigte der Braunhaarige sich wieder und er erinnerte sich, dass es eine Mädchenstimme gewesen war, die ihn aufgeweckt hatte. Außer wenn heute Verwandlungen drangenommen wurden war er also in Sicherheit. Sein Blick traf auch schon bald auf die Ruferin: Eine junge Dame, vielleicht drei oder vier Jahre älter als er, eilte den Kiesweg auf ihn zu. Blass geschminkt waren ihre Gesichtszüge trotzallem stark östlich, wodurch sie äußerst exotisch wirkte. Das lange, rabenschwarze Haar hatte sie sich mit einer goldenen Nadel hochgesteckt, während ihre dunkelbraunen, warmen Augen den Amateur-Magier interessiert betrachteten. Ihre Kleidung bestand aus einem efeugrünen, langärmlichen Oberteil und einer schwarzen Hose über die sie eine weiße, mit Rüschen bestickte Schürze gespannt hatte. Ihre schlichten Holzschuhe knirschten auf dem Kies.
    „Oh, hey, Mei!“, rief Damian ihr freundlich zu, wobei er schnell aufstand, um sich dann betont lässig gegen einen Baum zu lehnen. Er kümmerte sich gar nicht erst darum sich sein Oberteil anzuziehen, stattdessen spannte er den Bauch kaum merklich an und schenkte der älteren Frau ein zähneblitzendes Lächeln.
    „Lord Aden verlangt nach Euch“, berichtete die Meid ihm höflich und deutete zur ehrvollen Begrüßung eine Verbeugung an. Sie hatte die Augen abgewandt, schließlich war es schamvoll einen Gast unbekleidet zu überraschen. Der junge Mann ließ enttäuscht den Kopf senken und bückte sich um sein Oberteil aufzuheben und sich über die Schulter zu werfen. „Danke für die Info“, er nickte der jungen Dame zu, um dann noch im Vorbeigehen noch flüsternd hinzuzufügen: „ Wir treffen uns heute Abend an der Brücke.“
    Mit einem zufriedenen Lächeln registrierte er wie sich die Wangen des Mädchens knallrot färbten und er begann fröhlich pfeifend zum alten Gebäude auf der anderen Seite zu gehen. Wenig später fluchte er laut auf, als er bemerkte, dass auch er, allerdings aus leicht anderen Gründen, krebsrot geworden war.
    Mei unterdessen rannte raschen Schrittes zu einem Busch in der Nähe hinter dem eine weitere Bedienstete hockte. „Er trifft sich mit mir!“, quietschte sie nun aufgeregt wie ein kleines Schulmädchen und kniete sich zu der anderen hin. Inzwischen redete sie in ihrer Muttersprache anstatt dem perfekten Aqueanisch, welches sie zuvor gesprochen hatte.
    „Nein!“, entgegnete die zweite Meid, welche für das westliche Auge nicht von der ersten zu unterscheiden war, ungläubig, aber ebenso begeistert.
    „Doch, Yuli!“, bestätigte Mei und blickte dem jungen Magier verträumt hinterher. „Das beweist es, wir sind füreinander geschaffen!“
    „Hey, was macht ihr da!“, rief eine dritte Meid, die gerade einen Korb voller Wäsche durch den Garten trug und die beiden anderen gesichtet hatte. Ihre Miene war streng und ihr Haar leicht unordentlich, aber ansonsten sah sie aus wie das Spiegelbild von Yuli.
    „Hi, Yuni!“, begrüßten die beiden ihre Mitarbeiterin und begannen sofort die neu Hinzugekommene in ihr Geheimnis einzuweihen. „Rate mal wer Mei ausgefragt hat!“
    „Wer?“
    „Na, Meister Damian, du Dussel!“
    „Was?! Aber - aber er ist doch schon mit mir zusammen!“


    Die Luft des kleinen Raums war erfüllt vom Qualm abbrennender Räucherstäbchen, welcher sich über alles wie eine undurchsichtige Nebelschicht legte. Als der Junge eintrat kniff er kurz die Augen zusammen, die sich erst an diese Umstände gewöhnen mussten und deshalb leicht tränten. Er unterdrückte den starken Drang zu husten und versuchte zwischen all den gräulichen Schwaden seinen Lehrer ausfindig zu machen.
    Aden saß auf der anderen Seite des Raumes. In tiefer Meditation schwebte er, die Beine im Schneidersitz gefaltet, die Hände im Schoß und die Augen geschlossen, knapp oberhalb der Reisstroh-Matte unter ihm. Seine Kleidung war dieselbe wie die seines Schülers, einzig in der Farbgebung unterschieden sie sich. Während der Junge helle und fröhliche Farben trug, war das Kostüm des alten Mannes dunkler und zurückhaltender.
    Das Gesicht des Feuermeisters zeugte von seinem hohen Alter. Braungebrannt und von vielen Falten gezeichnet war es, trotz seiner harten Züge, das Gesicht eines Denkers. Die markante Adlernase hielt die feine Halbmondbrille, während das starke, mittellange, graue Haar zurückgekämmt war, sodass es dem Mann nicht in die hohe Stirn fiel. Die ausdrucksvollen Wangenknochen und der säuberlich feingestutzte, grau-schwarze Bart ließen Aden fast wie einen Adligen wirken.
    Als sein Schüler eintrat und leise die Schiebetür hinter sich schloss, schlug der Magier seine dunklen Falkenaugen auf und sank lautlos zurück auf den Boden, wobei sein Blick sich in den seines Schülers bohrte. Damian, der sich inzwischen zwar schon daran gewöhnt hatte, dem aber trotzdem immer noch ein wenig unwohl war, wenn er sich in der Gegenwart seines Meisters befand, wippte vor und zurück und mied Blickkontakt. Immer wenn ihn der Feuerbändiger ansah, fühlte sich der Junge, als wäre sein Kopf transparent und man könne jeden einzelnen Gedanken darin lesen wie in einem offenen Buch. Das war ziemlich unangenehm, selbst nach gut zweieinhalb Jahren noch.
    Ein kurzer Moment der Stille kehrte ein bevor Aden seinem Lehrling mit einem leichten Nicken signalisierte, dass er sich setzen sollte. Damian ließ sich leise nieder und nahm nun Augenkontakt mit seinem Gegenüber auf. Sein Meister hatte meditiert, wie so häufig in letzter Zeit und Damian war es zur unliebsamen Aufgabe geworden mit den jungen Lehrlingen in der Schwertkampfschule den Umgang mit dem Stab zu erlernen. Der junge Mann hatte in den letzten Tagen spekuliert, woran es liegen konnte, dass Aden oftmals so abwesend war und sich immer wieder wegschloss, um lange Gespräche mit dem obersten Weisen dieser Einrichtung zu führen. War etwas geschehen, das dringender Notwendigkeit bedurfte. Neue Hinweise auf Damians Vergangenheit? Aber das konnte nicht sein, sonst hätte ihn sein Meister längst eingeweiht. Geschah vielleicht etwas in Aquea? Wenn ja, was genau?
    „Symphonisches Feuer!“, sagte Aden plötzlich in den für ihn üblichen harschen Ton und riss seinen Schüler somit aus dessen Gedanken. „Was kannst du mir darüber sagen?“
    „Symphonisches Feuer ist eine spezielle Art der Feuermagie, bei der der Anwender seiner Flamme eine Gestalt gibt und sie unabhängig von seinem Willen bewegen lässt“, sprudelte es sofort aus dem jungen Mann heraus als hätte jemand einen Schalter in seinem Kopf umgelegt. Er hätte gelangweilt geklungen, wenn er nicht gewusst hätte, dass Aden so etwas nicht im Geringsten dudelte. So klang Damian einfach mechanisch und gefühllos, während er innerlich die Augen verdrehte. Der alte Mann hatte ihn bis vor einem halben Jahr quasi unter Theorie in Form einer halben Bibliothek begraben und ihn jeden Fakt einzeln in sein Gedächtnis gebläut. Der Junge könnte all dies nicht einmal vergessen wenn er wollte. „Symphonisches Feuer ist eine der drei Unterkategorien der Feuermanipulation und, bei weitem, die schwierigste. Ein Merkmal, welches Symphonisches Feuer von der Technik des Irdischen Feuers unterscheidet, ist, dass es belebt ist, wohingegen Irdisches Feuer unbelebt ist und sich nicht unabhängig von seinem Meister bewegen kann.“
    Aden reagierte kaum auf das Gesagte, was üblicherweise bedeute, dass es korrekt war, sondern fuhr fort Fragen zu stellen: „Schwachpunkte des Symphonischen Feuers?“
    Damian hielt für den Bruchteil einer Sekunde inne, um sich die Informationen zurück in sein Gedächtnis zu rufen, dann antwortete er abermals wie aus der Pistole geschossen: „Symphonische Kreationen des Elements Feuers sind äußerst instabil. Sie lassen sich leicht durch Distanzangriffe außer Gefecht setzen, vorausgesetzt natürlich, dass sie die Energie der Konterattacke nicht aufnehmen und für sich selbst nutzen.“
    Daraufhin kehrte eine kurze Stille ein. Der Junge war recht zufrieden mit sich, dass er es immer noch gewusst hatte, während Aden kurz über den weiteren Tagesverlauf nachzudenken schien. Dann stand er auf und Damian, ganz der disziplinierte Schüler (auch, wenn ihm diese Disziplin aufgezwungen worden war), tat es ihm gleich.
    „Um genau diesen Fall zu vermeiden …“, erklärte der alte Mann, während er sich, von seinem Lehrling gefolgt ins Freie begab, „… wirst du heute eine neue Technik üben, um symphonischen Kreationen zu entgegen treten zu können!“
    Das Bild verschwamm langsam zu einem nicht mehr auseinanderhaltbaren Gemisch aus Farben, während die Stimme seines Meisters in einem Rauschen unterging. Das letzte, was man noch ausmachen konnte, war: „Du wirst deinen Stab brauchen …!“
    Dann schlug Damian die Augen auf.
    _ _ _
    Entschuldigung, dass es erst so super spät kommt >,< Ich bin gerade in Frankreich und wir haben erst gestern Abend Internet-Zugang bekommen. Das nächste Kapitel kommt aber wieder pünktlich.
    28. Kapitel mit 3000 Wörtern.

    Im Flammenring


    „Hallo, Damian-kun“, begrüßte ihn der Narr freundlich und winkte ihm einladend zu. „Schön, dass du es bis hier her geschafft hast.“
    Nun bemerkte der junge Magier auch, dass sich die Illusion während des strahlenden Aufleuchtens ein weiteres Mal gewandelt hatte. Er befand sich in einem langen, dunklen Gang, dessen Wände anscheinend aus bunten Stofffetzen zusammengenäht worden waren. Hinter Piero lag ein Ausgang durch den helles Licht in den Korridor fiel und viele laute Stimmen drangen dahinter hervor, aufgeregt redend und rufend, fast als erwarteten sie die beiden Zauberer. Der Boden war flach getretene Erde, staubig und vertrocknet, die Luft stickig und abgestanden. Der Clown selbst wirkte so wie immer: Das lange, rabenschwarze Haar hing ihm unordentlich ins blass geschminkte Gesicht, während die orangeroten Augen verträumt ins Leere blickten und scheinbar nicht das sahen, was normale Menschen erblicken konnten. Auch sein feuerrotes, mit goldenen Stickereien verziertes Narrenkostüm war das Gleiche, das er auch bei ihrer letzten Begegnung getragen. Alles schien normal, aber Damian wusste dennoch, dass dem nicht so war.
    „Wie hast du …?!“, wollte der junge Mann gerade genervt beginnen seinem Unbehagen Ausdruck zu verleihen, da stockte er plötzlich, als er endlich bemerkte, was absolut überhaupt nicht stimmte. Er hatte sich merkwürdig gefühlt, hatte gewusst, dass etwas nicht so war wie es sein sollte. Als er seinen Arm endlich im Licht sah, traf es ihn wie ein Blitzschlag. „Was - Was hast du mit meiner Kleidung gemacht?!“
    Tatsächlich trug Damian nicht mehr sein altes, fremdländisch anmutendes Kostüm, sondern etwas, das entfernt an eine kunstvolle Version der Bekleidung wandernden Volkes erinnerte. Anstatt seiner Zori konnte er nun goldene, metallene Schuhe, welche vorne lang und spitz zuliefen, sein Eigen nennen, von denen der eine nur bis zum Knöchel reichte und von da an unter einem der Hosenbeine versteckt war, während der andere zeigte, dass sie eigentlich stiefelähnlich waren. Die weiten, durch die unterschiedlich langen Hosenbeine asymmetrisch gestalteten Stoffhosen hatten etwas merkwürdig Orientalisches an sich, was vor allem an den vielen künstlerischen Mustern und Stickereien lag. Ähnlich verhielt es sich auch mit der eng anliegenden, körperbetonenden Lederweste, welche matt im Licht glänzte, und an deren Seite ein langer, weitgeschnittener Stoffärmel befestigt war, dem das Gegenstück jedoch fehlte. Gehalten war das gesamte Kostüm in einem feuerroten Ton, der gut zu dem ebenfalls recht eigenen Gewand Pieros passte, gelegentlich durchbrochen von schwarzen und goldenen Streifen und kunstvollen Mustern und Stickereien, welche meist in dunklen Blautönen gehalten waren. Insgesamt konnte man sagen, dass Damian wie ein äußerst extravaganter und wohlhabender Straßenkünstler aussah.
    Dem jungen Mann gefiel der Wandel jedoch überhaupt nicht. Er kam sich affig in diesem Aufzug vor und sein Oberteil war ihm viel zu eng. Dementsprechend aufgebracht war auch der Blick, den er dem leicht amüsiert wirkenden Narren zuwarf. Jener hatte sich abermals in seine Lieblingspose, die kopfüber Schwebende, versetzt und beobachtete belustigt die Reaktion seines Gegenübers. „Ich habe mir die Freiheit genommen, dich umzukleiden, Damian-kun“, erklärte er wie immer abwesend träumerisch als wäre es für ihn das Alltäglichste auf der Welt. Der Zauberschüler, der alles andere als begeistert war, wollte gar nicht erst an die verstörenden Möglichkeiten, wie diese Szenerie ausgesehen haben könnte, denken und versuchte sich abzulenken, indem er alles aus diesem kranken Clown heraus prügelte, was er wissen wollte. Leider war „versuchte“ hierbei das Wort von Wichtigkeit.
    „Wie …?“, knurrte er und ging einige bedrohliche Schritte auf Piero zu, dieser jedoch schien sich dadurch kaum beeindrucken zu lassen, sondern lächelte immer noch geistesabwesend ins Leere und summte traumverloren vor sich hin. Doch gerade als der wütende Magier ihn packen wollte, entglitt er seinem Griff wie fließendes Wasser oder Sand, der einem aus den Händen rinnt und löste sich mit den Worten: „Eine Fantasie, die in der Realität verankert ist“ in dünne Rauchschwaden auf, sodass einzig noch sein Lächeln als Nachbild in der Luft verharrte.
    Wütend ballte Damian die Hände zu Fäusten und biss sich frustriert auf die Unterlippe. Schon wieder war ihm dieser Hampelmann entwischt. Der Kerl war glitschiger als ein Aal. Aber so schnell würde er nicht aufgeben, nicht bevor er diesem widerlichen Narren das dümmliche Grinsen aus dem Gesicht gewischt hatte. Er hatte sich nicht durch diesen kindischen Wettbewerb gekämpft, nur damit man ihm seinen Preis am Ende vor der Nase weg stahl … und er wollte seine alten Kleider zurück!
    Da hinter ihm eine Sackgasse war, rannte er nun dem Licht entgegen, in der Hoffnung Piero dort aufzufinden. Die Geräuschkulisse wurde lauter und ein seltsamer Geruch stieg ihm in die Nase. Es war eine Mischung aus Schweiß, der abgestandenen Luft und, was am seltsamsten war, dem Fell einer Katze. Bei all dieser Skurrilität konnte der Meister dieses Chaos nicht weit sein.
    „Was hat dieser dumme Clown nur nun schon wieder angestellt?“, grummelte Damian verdrossen, fest verankert in der Überzeugung, dass Piero vermutlich abermals dabei war Himmel und Erde auf den Kopf zu stellen. Eine Idee, die man ihm trotz hoher Unwahrscheinlichkeit zutrauen konnte.
    Als er durch den dünnen, buntbestickten Stoffvorhang trat, blendete den jungen Mann das plötzliche, intensive Licht, sodass er schnell die Arme vor die tränenden Augen riss. Das war nun schon das wievielte - sechste Mal - dass das in der letzten Stunde passiert war? Wenn das so weiter gehen würde, müsste er bald darüber nachdenken, sich einen Blindenhund anzuschaffen. Nur nach und nach konnte erkennen, was um ihn herum geschah und wo er sich befand. Lauter Beifall und ein paar anerkennende Pfiffe hießen ihn willkommen und während seine Sicht langsam zurückkehrte, konnte er die Verursacher dieser durchaus schillernden Geräuschkulisse erkennen. Er befand sich mitten in einer überdimensional großen Manege. Über ihm spannte sich ein so changierend buntes Zelt, das es jedem vor Farbenfreude fast die Netzhaut wegätzte und er sich plötzlich zurück in den Vulkankrater wünschte.
    „Als ob meine Augen an diesem Abend nicht schon genug traktiert worden sind!“
    Auf Tribünen und Sitzplätzen, die ringartig um den Schauplatz positioniert waren, hatten sich bereits viele aufgeregte Menschen niedergelassen, darunter eine Menge Kinder, die anscheinend alle auf sein Erscheinen gewartet hatten. Die Luft war furchtbar stickig, was bei der Masse an Leuten in einem einzigen Raum nicht weiter verwunderte und obwohl es nichts im Vergleich zum Krater von zuvor war, war Damian trotzdem unangenehm warm im vielfarbigen Licht, welches von den vielen Scheinwerfen, die sich auf einer höher gelegten Etage befanden, auf ihn geworfen wurden.
    „Bitte nicht!“, stöhnte er flehend auf und massierte sich genervt die Schläfen, da er von diesem ganzen Bild und den damit verbundenen Erinnerungen Kopfschmerzen bekam. „Ich hasse den Zirkus!“
    Auf einmal begann es überall zu knallen und zu zischen, sodass der junge Magier erschrocken zusammenfuhr und sofort seinen Stab kampfbereit hielt, nur um dann hustend mit den Armen durch die Luft zu wirbeln, da die Bühne urplötzlich in Rauch gehüllt wurde. Aufgrund dessen wurde auch das letzte bisschen saubere Luft in dieser Freakshow kontaminiert und man war nicht mehr in der Lage die Hand vor Augen zu sehen. Von allen Seiten blinkte es nun und ohne weitere Vorwarnung brach die Hölle über diesen ohnehin schon nicht zu Damians Lieblingsplätzen gehörenden Ort herein. Aus dem nichts erschienen Akrobaten, die wilde Saltos und gefährliche Luftsprünge vollführten und Messerschlucker, die sich ein Schwert nach dem anderen in den Rachen steckten. Über dem Braunhaarigen schwangen sich Trapezkünstler mit aufregenden Manövern durch die Luft, während er weiter hinten eine Schlangenbeschwörerin erkannte, deren hypnotisches Flötenspiel in all dem unerträglichen Lärm unterging; Tänzerinnen, die mit vielen Ringen und Seilen um sich wirbelten und Reiter auf ihren großen, weißen Stuten, welche über die verschiedensten Hindernisse sprangen.
    In der Mitte dieses Chaos konnte Damian endlich und von der absurden Situation inzwischen mehr als gestresst sein Ziel ausmachen. Dort, zwischen mit Torten um sich schmeißenden Zwergen in lachhaft schlecht gemachten Kostüm, stand, mit einem Bein auf einem großen, roten Ball balancierend und gleichzeitig mit mehreren bunten Tüchern jonglierend, Piero, wie immer selig lächelnd als gehöre er gar nicht zu diesem verrücktem Trupp dazu. Nun gut, im engeren Sinne tat er das auch nicht, schließlich war das hier alles eine Illusion, aber der Zauberschüler war nicht hier um Erbsen zu zählen.
    „Da bist du!“, rief er ihm entgegen, während er einigen Stelzenläufern die Beine unter dem Körper wegschlug, um Platz zu bekommen. „Was soll dieser …?“ Doch wie schon zuvor wurde vor Beendigung seines Satzes von dem Narren unterbrochen.
    „Ah, Damian-kun!“, fuhr ihm der fröhlich lächelnde Piero ins Wort und deutete ihm an näher zu kommen. „Wie schön, dass du es noch rechtzeitig zur Vorstellung geschafft hast.“
    Der Angesprochene verengte seine Augen zu Schlitzen. War das etwa die Art von Scherz, die dieser verachtenswerte Unzurechnungsfähige als witzig empfand. „ ,Wie schön, dass du es noch rechtzeitig zur Vorstellung geschafft hast‘ – Wie schön, dass meine Faust noch rechtzeitig deine Visage getroffen hat!“
    Aber dieser sehr auf seine Kosten spielende Humor war nicht das einzige, was Damian aufregte. Etwas stank hier ganz gewaltig und er meinte damit nicht das wandelnde Irrenhaus im Hintergrund. Pieros Erscheinen ging nicht mit rechten Dingen zu, ebenso wie dieser Ort und das ganze Szenario, welches sich ihm bot. Das war nicht möglich, niemand war in der Lage einen solchen Spruch zu infiltrieren und es gab nur einen Weg die Wahrheit herauszufinden.
    „Wie hast du das geschafft?“, fragte Damian kühl, während sein Blick Piero förmlich durchbohrte. Jener ließ sich absolut nichts anmerken als er mit seinem typischen, undurchschaubaren Lächeln auf den Lippen entgegnete: „Was denn?“ Inzwischen vollführte er einen einhändigen Handstand auf dem Ball, mit der zweiten Hand fuhr er indes weiter fort die Tücher zu fangen. Er schien nicht so als würde er den jungen Mann ernst nehmen, was jenen sehr reizte. Elias war ein Quälgeist gewesen, aber gegen diesen durchtriebenen Clown wirkte er wie ein Segen.
    Doch der Magier atmete einmal tief ein und blieb ruhig, andernfalls hätte er dem laufenden Nervengift vor sich vermutlich sofort einen Schlag ins Gesicht verpasst. Aber aus dem Training mit Aden wusste er, dass es manchmal besser war sich zu beherrschen und sein feuriges Temperament etwas zu zügeln. Im Kampf war es allzeit wichtig einen kühlen Kopf zu bewahren und seinem Gegner stets einen Schritt voraus zu sein, sowohl während einer körperlichen als auch geistigen Auseinandersetzung. „Wer seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat, der hat auch den Kampf nicht unter Kontrolle!“, hörte er die strenge Stimme seines Meisters klar wie einen Frühlingsmorgen in seinen Erinnerungen widerhallen. Kein Wunder, hatte er dem hitzköpfigen Schüler diesen Satz auch immer und immer wieder mit stählerner Härte eingebläut.
    „Die Regeln dieser Illusion besagen, dass nur diejenigen an dem „Spiel“ teilnehmen dürfen, die von mir aufgesagt wurden und zugestimmt haben“, erklärte Damian jetzt und die Anspannung in seiner Stimme war, trotz der Ruhe, um die er sich krampfhaft bemühte, kaum zu überhören. Dieser Narr regte ihn auf.
    „Wenn die Regeln starrsinnig sind, muss man sie sich halt etwas zurechtbiegen“, antwortete Piero und Damian zuckte unwillkürlich zusammen. Hatte er sich etwa auch in die Verbindungsplatzierung eingeschleust? Aber das war unmöglich.
    „Das kann nicht sein!“, meinte Damian und seine Stimme wurde nun lauter und energischer aufgrund der überraschenden und schockierenden Offenbarung. „Ich bin der Spielmeister und man kann …!“
    „Es gibt nur einen Spielmeister!“, unterbrach ihn der Narr plötzlich forsch und der Junge verstummte. Um sie herum war es auf einmal still geworden, die Lichter wirbelten und blinkten nicht mehr, die Tiere und Akteure waren verstummt, ja, nicht einmal mehr das Publikum sagte irgendetwas. Alle Aufmerksamkeit lag jetzt auf den Streitenden. Damian fühlte sich mehr als unwohl und das lag nicht nur an der überraschend eingekehrten Stille, die er sich vor ein paar Minuten noch herbeigesehnt hatte. Es war etwas in Pieros Ton gewesen, das ihn verschreckt hatte, ein merkwürdiges Gefühl der Beklommenheit, welches ihn plötzlich überkam. Das Gesicht seines Gegenübers war so friedlich und träumerisch wie immer, aber die Stimme, mit der er gerade gesprochen hatte, passte ganz und gar nicht mehr zu der von ihm aufgesetzten Maske. Der sonst so höfliche Redestil des Narren, der wirkte, als hätte er zuvor eine halbe Tonne Beruhigungstrank geschluckt, war durch einen kühlen, fast schon scharfen Ton ersetzt worden und irgendetwas in Damian sagte ihm, dass es nicht ratsam war, dagegen anzusprechen. Diese Intuition, die sich in seinem Kopf breit machte gefiel ihm ganz und gar nicht. Es war nicht wirklich Angst, eher eine Mischung aus Scheu und Ehrfurcht, die er sich nicht erklären konnte.
    Auch Piero schien nun bemerkt zu haben, dass die Fassade leicht gebröckelt hatte, denn als er fortfuhr, war sein Ton wieder passend zum Gesichtsausdruck so selbstvergessen wie eh und je: „Und, mein lieber Damian-kun, wir können froh sein, dass er sich gerade mit anderen Sachen beschäftigt.“ Der junge Mann schluckte schwer, doch langsam kehrte wieder die altbekannte Abneigung anstelle seiner verwirrten Gefühle zurück. Doch bevor er sich überhaupt wieder richtig gesammelt hatte, ging der Narr auch schon weiter im Text ohne sich irgendwelche Emotionen mehr anzumerken: „Wie ich dir bereits gesagt habe, wünsche ich mir einen Kampf mit dir. Allerdings sollten wir die Einsätze etwas erhöhen, findest du nicht? Schließlich soll es ja spannend bleiben!“
    Mit diesen Worten schwenkte einer der Scheinwerfer auf einmal auf einen Punkt rechts von Piero und der junge Mann blickte geschockt auf die Farce, die sich ihm darbot. Gefesselt von der Decke schwebend hing dort eine bewusstlose Laila, Rücken an Rücken mit einem panisch um sich strampelnden Adrian. Unter ihnen hatte man einen ziemlich großen Käfig aufgebaut in dem aufgeregt hin und her trabend und ab und an ein lautes Brüllen von sich gebend ein weiteres Monster auf sie wartete. Der stolze, aber gefährliche Kopf und Leib gehörte einem Löwen, dessen lange Mähne ihn majestätisch als König der Tiere krönte und dessen scharfe Zähne selbst dem Magier Ehrfurcht fühlen ließen. Doch hinten, dort, wo eigentlich der Schwanz hätte sein sollen, veränderte sich das Tier auf einmal. Das Fell wich giftgrünen Schuppen, welche in einem gefährlich zischenden Schlangenkopf endeten. Die gelben Reptilien-Augen blickten erwartungsvoll auf das künftige Mal, während ihre gespaltene Zunge ab und an in die Luft schoss um den Geruch ihres Essens zu testen.
    „Sollte ich den Kampf verlieren …“, fuhr der Clown an Damian gewandt fort, ohne auch nur im Entferntesten auf das Flehen und Bitten des Adligen einzugehen, „… dann gehört der Schatz dir und ich ziehe mich zurück. Der weitaus wahrscheinlichere Fall ist jedoch, dass ich gewinne und dann …“ ein lautes Rattern ertönte und die beiden Gefesselten wurden noch etwas weiter hinunter gelassen. Adrian quietschte hysterisch. Piero schenkte dem Zauberschüler sein typisches verträumtes Lächeln. „Nun, sagen wir es so: Es wird unschön werden.“
    Für den Magier gab es keinen Rückweg mehr. Die Stirn in Falten gelegt und Augen geschlossen schien er kurz über seine Lage zu sinnieren, während er sich, wie so oft, auf die Unterlippe bis. Das ständige Rufen von Adrian war dabei weniger hilfreich als behindernd. „Bitte nicht! Ich bin doch viel zu hübsch, um zu sterben!“ Unter ihnen brüllte die Bestie gereizt auf und das wütende Lärmen war laut und deutlich im gesamten Zirkuszelt zu vernehmen. Einige Flammen züngelten um die Mundwinkel des Ungetüms. Das würde im wahrsten Sinne des Wortes ein Spiel mit dem Feuer werden.
    „Du schlägst mir also vor …“, schloss Damian seine Gedanken ab, während er den unbekümmert herumtänzelnden Narren weiterhin kühl betrachtete, „… das ich einen Hinweis auf meine Vergangenheit und einen antiken Schatz als Zusatz erhalte und alles, was ich dafür tun muss, ist, dich so zusammenzufalten, dass du froh sein kannst, wenn du dein Essen danach mit einer Schnabeltasse zu dir nehmen musst?“ Ein schalkhaftes Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Braunhaarigen, während er sich abermals für den Kampf bereit machte: „Klingt amüsant!“
    „Wenn man es so ausdrückt, tatsächlich“, antwortete Piero freundlich und ohne den leisesten Hauch von Ironie in der Stimme, bevor er mit einem Schnippen seiner Finger das Schlachtfeld leerte. Urplötzlich lösten sich sämtliche Menschen und Tiere, bis auf die beiden Kontrahenten sowie Adrian, Laila und die Chimäre, in Luft auf und hinterließen nur ein paar ihrer Accessoires. Zeitgleich spürte Damian wie sein Körper wieder von Energie durchflossen wurde. Überrascht stellte er fest, dass all seine Erschöpfung und jegliche Wunde, die von den vorherigen Kämpfen, ja, selbst von seiner Begegnung mit dem Höllenhund, wie weggewischt zu sein schien. Er war bei voller Stärke und hatte alle Möglichkeiten offen. Leicht fragend blickte er zum Narren, der nun einige Meter von ihm entfernt weiterhin levitierte und dem Zauberschüler ein höfliches Lächeln schenkte.
    „Damit es gerecht bleibt, habe ich deine sämtlichen Behinderungen ausgemerzt!“
    „Gut!“, grinste Damian und machte sich kampffertig, den Stab in den Händen und bereit loszulegen. „Jetzt kann der richtige Spaß beginnen!“
    _ _ _
    27. Kapitel mit 2700 Wörtern.


    Lichterloh


    Mit einem gewaltigen Krachen gefolgt von einer strahlend hellen Explosion, deren Druckwelle den Ascheregen mit sich riss, kollidierten die beiden Kämpfer. Wie rabenschwarzer Schnee, der vom kalten Dezemberwind getrieben, immer und immer wieder Pirouetten zum kalten Takt des Winters drehen musste, wirkte dies vor der blendenden Kulisse des Kampfes, der wie die Sonne selbst am Hang des Vulkans das rote Glühen der gefährlichen Lava mit seine silbernen Strahlen erstickte. Es war eine malerische Szenerie, ein Kampf voller Intensität vor den spuckenden Feuerberg. Etwas Eindrucksvolleres konnte man nur selten miterleben.
    Doch die beiden Kontrahenten hatten wenig Nerven dafür sich ihrer fantastischen Umgebung und Atmosphäre bewusst zu werden, da sie sich gerade mitten in einer Schlacht um den Sieg befanden. Ihre beiden Magien waren aufeinander getroffen, hatten sich wie zwei wütende Eber ineinander verkeilt und lösten damit unbeabsichtigt einen gigantischen Luftsog aus, dessen brutale Winde den Qualm des Vulkanes mit sich zogen, sodass er wie ein schwarzer Wirbelsturm über der flammenden Insel wütete. Die einzelnen stärkeren Felder der Mächte, die karambolierten, lösten kleinere Detonationen am Rande des Kampfes aus, aber diese waren nur eine Nebensächlichkeit verglichen mit dem wirklichen Kampffeld. Blitze verschiedenster Farben und Formen zuckten und krachten um das Zentrum des Kampfes und die Magie hier war so zentriert und zusammengedrückt, dass einem die Luft zum Atmen verging.
    Damian biss die Zähne zusammen und ließ noch mehr seiner ohnehin schon recht angefressenen Magie in den fast schon hysterisch zuckenden Flammenwall fließen. Diesmal würde er nicht verlieren, Elias hatte keine Chance! Jener wiederum legte noch mehr Wucht in den wild blitzenden, auch bereits sehr grobschlächtigen Angriff und verengte seine Augen zu Schlitzen, während die Anstrengung ihm deutlich ins Gesicht geschrieben war. Die Atmosphäre verdichtete sich weiter als der Tornado aus pechschwarzen Aschewolken, der sich inzwischen über um sie herum gebildet hatte, immer stärker wurde und ihnen die Haare aus dem Gesicht peitschte. Immer größer wurde der Druck der auf beiden Parteien lastete, doch keiner war gewillt aufzugeben. Dieser Kampf würde bis zur letzten Sekunde voller Einsatz gefochten werden.
    Doch schlussendlich kam auch diese Konfrontation zu einem jähen Ende. Mit einem weiteren lauten Getöse, gegen das jedes Orchester blass ausgesehen hatte, stoben die beiden Magier auseinander und die Magie löste sich. Ungezügelt und ungebremst entließ sie ihre immense Energie in Form eines unvergesslichen Lichtblitzes, der die Insel ein weiteres Mal zum Beben brachte. Vom Vulkankrater schwappten einige weitere Lavaflüsse über den Rand und bahnten sich ihren zerstörerischen Weg gen Wasser.
    Damians Schutzwall zerbarst in tausende kleine Flammen, die sich allesamt züngelnd, wie die zurückgelassenen Federn eines sterbenden Phönix, in Luft auflösten. Doch auch seinem Gegner erging es nicht besser. Anstatt den jungen Magier mit seinem Angriff zu treffen, wurde auch er von der enormen Stärke ihres Aufeinandertreffens zurückgeschleudert, während sein Zauber, abertausend leuchtenden Glühwürmchen gleich, gen Himmel flog und dort in den schmutzigen Rauschschwaden verschwand. Dies war ein Unentschieden gewesen.
    Doch keiner der beiden jungen Männer wollte es so enden lassen und so fuhren sie sofort fort, den anderen mit ihren Flüchen zu bombardieren. Damian hatte jetzt ernsthaft genug von all dem. Er hatte zwar nicht zu so harten Methoden greifen wollen, aber diese trotzige Nervensäge ließ ihm ja keine andere Wahl. Es wurde Zeit Geschütze eines anderen Kalibers zu benutzen. Mit einem Gesichtsausdruck, der zeigte, dass er inzwischen schon reichlich angefressen von der Situation war, sammelte er einen Großteil der in seinem Körper verbleibenden Magie, um seinen letzten Zauber vorzubereiten. Dies würde das Ende sein.
    Auch Elias schien sich abermals auf einen starken Zauber vorzubereiten, denn zum dritten Mal leuchtete sein Körper in dem silbrigen Licht auf, noch intensiver als zuvor. Er wirkte wie eine Leuchtfackel inmitten des feurigroten und kohleschwarzen Höllenszenarios. Selbst dem hellen Vollmond hätte er Konkurrenz machen können, wäre er nicht durch den finsteren Wirbelsturm verdeckt gewesen. Die düsteren Todeswolken, die sich über dem Kampf zusammenballten, als wollten sie der düsteren Arena die bedrohliche Krone aufsetzen, wirbelten im Sog der beiden Mächte, sodass es wirkte, als würde sich ein Loch im Firmament auftun. Blitze zuckten, Donner grollte und auch der Vulkan brüllte immer noch und spuckte sein tödliches Inneres über die steinerne Insel, während die aufgeregte See röhrte und hohe Wellen gegen die scharfen Küsten schmetterten. Doch keines dieser Dinge interessierte die beiden Kämpfer, für sie gab es nur ein Ziel: den Kampf zu gewinnen. Jetzt war es an der Zeit, diese Schlacht zu beenden und beide brachten abermals ihre stärksten Techniken zum Einsatz. Es würde alles auf ein zweites Kopf-an-Kopf-Rennen hinauszulaufen.
    Ein paar kurze Sekunden der Stille vergingen, gedrückt von Anspannung und Erschöpfung. Doch es war nur die Ruhe vor dem Sturm, der unmittelbar später über die Insel hereinbrechen sollte.
    Mit einem energischen Ruck deutete Damian mit seinem goldenen Mönchsstab auf seinen Gegner und rief: „Flammenseele: Herzlanze!“ Der Ring seiner Waffe explodierte und aus ihr hervor trat ein titanenhafter Feuerstrahl. Doch es war keine normale Flammensäule, die dem Silberling wie eine wütende Bestie ins Gesicht brüllte. Stattdessen hatte Damian die zweite Stufe seiner Magie entfesselt, ein purpurzüngelndes Geschoss, dessen Dichte weitaus höher war als bei natürlichem Feuer und welches demnach auch bei weitem gefährlicher war. Dies würde niemand überstehen können.
    Doch auch Elias blieb nicht tatenlos. Der junge Adlige hüllte sich abermals in einen Blitz silbernen Feenlichts und schoss Damian wie vorher mit atemberaubender Geschwindigkeit entgegen, das Schwert im Anschlag und bereit zuzuschlagen. Der Zauberschüler indes hatte jetzt alle Kraft in seine Beine gesteckt und schoss im Windschatten seines mystischen Angriffs auf Elias zu, bereit ihn mit seinem Stab zu kontern. Jetzt gab es keine Zurückhaltung mehr.
    Ein ganz besonders starker Blitz krachte mit einem lauten Donnern auf dem Boden der Insel ein und erleuchtete für einen kurzen Moment das Geschehen in seinem erblindend hellen, harten Licht. Beide Parteien waren nur noch wenige Haaresbreiten voneinander entfernt, in ein paar Sekundenbruchteilen würden sie sich in der Luft kreuzten. Aus den Gesichtern der Kämpfer sprach der blanke Siegeswille, keiner war gewillt aufzugeben. Damians Kopf schien so gut wie leer zu sein, sein einziger Gedanke war nur noch diesen Kampf endlich zu beenden. Die Zeit zog sich unglaublich in die Länge und gleichzeitig ging auch alles so schnell. Sekunden kamen dem jungen Mann wie Minuten vor, die Auseinandersetzung mit dem Viscount zählte bereits eine halbe Ewigkeit. Vor ihm sah er Elias, der ebenfalls einen Ausdruck purer Kampfeslust in den Augen hatte. Sie kamen sich näher, schleppend, als ob man sie mit Gewichten beschwert hätte. Sein Kopf tat ihm von dem ganzen Schwefel in der Luft und der lauten Umgebung weh.
    „Gib doch endlich auf!“
    Dann krachten beide Kräfte ineinander und die Insel erbebte erneut. Damian erkannte überhaupt nichts mehr, fast erschien es ihm als würde sich auf einmal ein weißer Schleier über alles legen. Jedes Ding verblasste, die Insel, sein Gegner und er selber; alles verschwand. Da war nur noch dieses Licht, dieses alles verschluckende, jedes Ding unterdrückende Leuchten. Er spürte wie seine Magie ihn verließ, aus jeder Pore seines Körpers floss. War er überhaupt noch da? Es fühlte sich an als hinge er in einer Schwebe zwischen Existenz und Vergehen. Was geschah hier? Sollte er auch einfach so verschwinden? Aber das wollte er nicht, nicht so, nicht auf diese Weise! „Das lasse ich nicht zu!“ In seiner Hand lag irgendetwas. Ein Stab? Warum war er wieder da?
    Damian schlug die Augen auf. Alles war in Weiß getaucht, aber es war anders als vorher. Seine Füße berührten festen Untergrund. Offenbar stand er, doch auch unter ihm befand sich anscheinend nur weiße Leere. Der junge Mann wirbelte verwirrt herum. Was war das hier für ein Ort? Ein endloser, weißer Raum? Auf einmal vernahm er ein Geräusch und drehte den Kopf in die Richtung, aus der es gekommen war. Er erblickte einen zitternden Elias, der sich ebenfalls irritiert umsah. Da ging dem jungen Magier ein Licht auf und er verstand, warum sie waren, wo sie waren.
    Doch bevor er seine Gedanken ausführen konnte, hatte Elias ebenfalls Blickkontakt aufgenommen, sein Schwert ergriffen und war ohne weitere Vorwarnung auf ihn zugestürmt. Der Braunhaarige hob gerade noch rechtzeitig seinen Stab, um die Klinge abzuwehren, da fuhr der Silberling auch schon fort weiter auf ihn einzudreschen. Das Klirren von Metall auf Metall und das Knirschen als Stab und Schwert einander schabten hallten gespenstisch laut und lange im leeren Raum wieder.
    Unter den stetig auf ihn einprasselnden Angriffen seines Gegners und von dessen vollkommen aggressiven Kampfstil quasi so gut wie festgesetzt, brachte Damian mit zusammengepressten Zähnen hervor: „Du weißt echt nicht wann man seine Niederlage akzeptieren sollte!“
    „Das sagst du mir?!“, zischte der Silberling und schlug noch härter und schneller aus, sodass sein Gegner immer mehr in die Defensive gezwungen wurde.
    „Touché“, entgegnete jener mit einem kühlen Lächeln auf den Lippen, bevor eine trickreiche Parade seines Gegners abblockte. „Aber ich gewinne trotzdem!“ Doch die Realität sah leider anders aus. Elias war der bei weitem überlegende Schwertkämpfer und in dieser Illusion schien es nicht möglich zu sein seine Magie zu benutzen. Offenbar hatte das „Spiel“ befunden, dass sie lange genug gekämpft hatten und wollte nun offenbar, dass sie das Ganze schnell und einfach ohne magische Mittel hinter sich brachten. „Wieso passiert mir das eigentlich immer? Was hab ich Fortuna je angetan, dass sie mich so vernachlässigt?“, seufzte der junge Mann innerlich auf, da er immer größere Schwierigkeiten bekam, den anderen zu blocken, geschweige denn überhaupt noch irgendeine Konterattacke auszuführen. Aber er war nicht umsonst um die halbe Welt gereist und hatte fünf Jahre lang die Hölle durchstehen müssen. „Wenn die Regeln etwas starrsinnig sind, dann muss man sie sich halt ein wenig zurechtbiegen …“
    „Wenn ich gewinne, glaubst du das Kleo mich dann hassen oder noch mehr bewundern wird als vorher?“, begann Damian und setzte ein schelmisches Lächeln auf, als er erkannte, dass dem jungen Adligen die Röte ins Gesicht stieg. Er biss wirklich immer auf dasselbe an. Es war schön, wenn die Gegner so durchschaubar waren. „Wer weiß, vielleicht teile ich den Schatz ja sogar mit ihr … Natürlich nur gegen spezielle Gegenleistungen!“
    Sofort bereute er so weit gegangen zu sein, denn der nächste Schlag von Elias war so hart, dass er ihm den Stab aus den Händen schlug. Mit einem lauten Klirren landete dieser ein paar Meter von den beiden Kämpfenden entfernt und blieb ruhig auf dem schneeweißen Untergrund liegen. Damian riss die Hände hoch und ging reflexartig ein paar Schritte zurück, als ihm die Spitze der Waffe an den Hals gelegt wurde. „Gut, das ist mehr als ungünstig. Heute ist aber auch wirklich nicht mein Tag!“
    „Kleo würde sich niemals mit jemanden wie dir abgeben!“, fauchte der Silberling mit einer Mischung aus Zorn und Ekel im angewiderten Gesicht. Er wirkte, als würde er dem Zauberschüler am liebsten ins Gesicht spucken. „Ich würde es nicht erlauben!“
    „Wer bist du, ihr Vater?“, retournierte Damian, jedoch ohne die Augen vom Schwert zu lassen. Obwohl er versuchte es mit kesser Lässigkeit zu überspielen, konnte man eindeutig die Anspannung und Nervosität aus seinen Worten heraushören. Das war ein gefährlicher Drahtseilakt, auf dem er sich hier befand, ein falscher Schritt konnte das Ende bedeuten. Hoffentlich benahm sich Elias, nun da er de facto gewonnen hatte, so beherrscht wie er sich gegeben hatte, wenn um etwas ging, das nicht mit seiner Schwester zu tun gehabt hatte.
    „Ihr Bruder!“, antwortete jener nun mit vor Wut zu Schlitzen verengten Augen und die Spitze seiner Klinge kam dem Kehlkopf seines Gegners noch ein gutes Stück näher. Nur noch ein kleiner Schritt, quasi eine Haaresbreite und Damian würde unter der Erde bleiben müssen.
    „Eher ihre Schwester …“, konterte der junge Mann deshalb nur in Gedanken, da er wusste in welcher unsicheren Lage er sich befand. Zu weit treiben wollte er es auch nicht. Aber dennoch war er immer noch nicht gewillt aufzugeben, schließlich hatte er weiterhin ein Ass im Ärmel. Mit einem gespielten Seufzer ließ er frustriert die Hände sinken und geknickt, aufgrund der peinlichen Niederlage, den Kopf hängen, jedoch nicht ohne den Silberling stetig im Blick zu behalten. „Da der Kampf nun entschieden ist, kehren alle wieder an einen gemeinsamen Ort zurück. Das heißt auch, dass du endlich mit deiner geliebten Kleo wiedervereint sein wirst …“, murrte er übellaunig und hob dann den Kopf, um mit dem Kinn auf einen Punkt hinter den Silberling zu deuten. „Wenn man vom Teufel spricht …“
    „Kleo!“, rief Elias erfreut aus und wirbelte herum. Doch bevor er auch nur im Entferntesten ahnen konnte, dass man ihn hintergangen hatte, hatte Damian ihn bereits mit voller Wucht sein Knie in den Bauch gerammt. Dem Verratenen quollen vor Schock und Schmerz die Augen aus den Höhlen und er schien ein wenig auf den Boden zu spucken, da versetzte ihm der Zauberschüler mit einem flachen Handschlag auf den Hals auch schon den Rest. Der junge Mann sackte zusammen, das Schwert fiel ihm aus der Hand und rollte klirrend über den Boden, während dessen Besitzer sich vor Qual krümmend auf der Seite wandte.
    Mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf dem Gesicht und auch sehr erleichtert, dass sein Plan aufgegangen war, beugte sich Damian über den Besiegten und meinte fröhlich grinsend: „Ich kann es gar nicht glauben, du bist auf den ältesten Trick der Welt reingefallen!“
    „Das … das w-war ungerecht!“, keuchte der Silberling mit vor Schmerz und Wut zusammengebissenen Zähnen, während er sich weiterhin krampfhaft den Bauch hielt. Nun beugte sich der Zauberschüler mit einem noch süffisant-frecheren Grinsen über ihn und flüsterte als Antwort: „Ich bin eben ungerecht“
    Mit diesen Worten und einen fast schon ekelerregend selbstzufriedenen Lächeln von Seiten Damians als Abschiedsgruß entschwand Elias in das Reich der Ohnmacht und wurde, wie sein Cousin davor, aus der Illusion geworfen. Der Kampf war entschieden. Aber wie sich herausstellen sollte, war die Schlacht noch längst nicht vorbei.


    Marie und Kleo standen sich gegenüber, beide ohne Waffen. Die Sonne über ihnen brannte heiß vom azurblauen, wolkenlosen Himmel auf sie herab, während ihre heißen Strahlen langsam das durchnässte Schlachtfeld trockneten und den Schlamm verhärteten. So heiß war dieser Ort und so hitzig der tobende Kampf der beiden Kriegerinnen, dass Dampf vom Boden aufstieg und als leichter Nebelschleier über der Arena lag. Das Publikum auf den Tribünen johlte und klatschte immer lauter, viele standen inzwischen sogar schon angesichts der spannenden Auseinandersetzung.
    Die Rothaarige hatte genug, sie wollte das Ganze jetzt zu Ende bringen. Vor ihr stand das blonde Gift, ein hochnäsiges Lächeln auf den kirschroten Lippen, die Hand an der Hüfte, offenbar stolz darauf ihrer Gegnerin um deren Waffe gebracht hatte. „Auch dafür wird sie büßen müssen!“, tobte der Rotschopf in Gedanken an das zerbrochene Erbstück. Ihre Großmutter hatte immer großen Wert darauf gelegt, dass ihre Enkelin die Klinge gut behandelte und nur wegen so eines eitlen, verzogenen Prinzesschens war es zerbrochen. Was würde die alte Dame nur sagen, wenn sie von dem Verlust erfahren würde. Marie mochte sich die grausame Kälte in ihrem Blick gar nicht vorstellen. Nein, es stand fest, Kleo würde dafür zur Rechenschaft gezogen werden!
    „Na, wer hat jetzt „Tribut gezollt“, Missy?“, erklang die gehässige Quietschstimme ihrer Kontrahentin im Ohr des Mädchens und sofort wünschte sie sich, sie könnte irgendetwas dagegen ausrichten. Davon bekam man ja Kopfschmerzen! „Ein klitzekleiner Tipp: Ich nicht!“
    „Noch nicht!“, antwortete der Rotschopf bissig und begann wieder damit die Energien ihres Körpers in ihrer Faust zu sammeln. Ohne Waffe müsste sie halt auf die herkömmliche Weise kämpfen. Sobald sie an Kleopatra rangekommen war, wäre der Kampf entschieden.
    „Oh, bitte!“, schallte das unerträglich schrille Lachen der Viscountess in ihrem Kopf wieder und vor sich erkannte sie, wie der Saphir an ihrem Mittelfinger abermals begann zu leuchten. „Gegen meine Wassertechniken hast du doch noch nicht mal den Hauch einer Chance! Sieh doch endlich ein, dass du verloren hast und lass mich zu meinem Damian!“
    „Allzu gerne!“, retournierte Marie kühl und begab sich zum wiederholten Male in Kampfposition. Jetzt hieß es alles oder nichts. „Aber vorher stampfe ich dich in den Boden!“
    „Witzig … nicht wirklich!“

    Marie straffte sich, sie spürte wie die Kraft durch ihren Körper flutete und noch einmal jede einzelne Zelle belebte. Vor ihr hob das blonde Gift ihren Arm, bereit jeden Zauber aus ihrem Sortiment als Bombardement zu verwenden. Gleich würden sie sich wieder zum Tanzen begeben, anmutig und elegant in grausamer Entschlossenheit. Nur noch wenige Sekundenbruchteile, die Ruhe vor dem Sturm. Beide Parteien waren bereit, jeden Moment konnte es passieren. Doch bevor Marie auch nur einen Schritt wagen konnte, wurde sie unterbrochen.
    „Aufhören!“
    Erschrocken wirbelte der Rotschopf herum und aus dem Augenwinkel erkannte sie wie sich auch Kleopatra verwirrt umschaute. Eine tiefe, melodische Frauenstimme hatte sie vollkommen unerwartet vom Kämpfen abgehalten. Weise und reif hatte sie sich angehört, wissend und geheimnisvoll. Doch das merkwürdigste war, dass diese Stimme in ihre Verbindungsplatzierung eingedrungen war, etwas das eigentlich nur Leuten die selbst am „Spiel“ beteiligt waren, möglich sein sollte. Aufgebracht sah sich die Rothaarige nach einer möglichen Verdächtigen um. Konnte es jemand aus dem Publikum gewesen sein? Aber das war unmöglich, alle Leute in diesem Stadium waren nur Marionetten, ein Teil der Illusion, sie besaßen kein eigenes Bewusstsein. Aber sonst war hier niemand.
    Dann fiel ihr Blick plötzlich auf die Nachtigall. Der wunderschöne, farbenfrohe Vogel hatte sich mitten auf dem Feld platziert, aufgrund seiner Größe kaum auszumachen, wäre da nicht sein prachtvolles Gefieder gewesen, und starrte die beiden Kämpferinnen aus seinen schwarzen Knopfaugen heraus streng an. Er wirkte merkwürdig unpassend da inmitten dieser stechenden Hitze, wo seine eigentliche Heimat doch im fernen Osten lag. Aber er konnte doch unmöglich gesprochen haben. Oder?
    Da jedoch erklang ein weiteres Mal die monotone Frauenstimme: „Euer Kampf wurde hiermit offiziell abgesagt.“
    Nun hatte auch Kleo den geheimnisvollen Vogel bemerkt und wandte sich leicht irritiert an Marie: „Hast … hast du das Vieh auch gerade sprechen hören?“
    „Was meinst du damit? Was ist mit den anderen?“
    , rief der Rotschopf gedanklich nach der geheimnisvollen Telepathin aus, Kleo vollkommen ignorierend. Ihre Gedanken kreisten um Damian und Laila. War etwas passiert? Hatte man sie verschleppt? Langsam quoll Panik in ihrem Herzen auf und benebelte ihre Sinne. Was geschah hier nur?
    „Eure gescheiterten Teamkollegen befinden sich in unserer Obhut“
    , antworte die Frauenstimme weiterhin so emotionslos wie ein Eiswürfel. „Was Damian betrifft, jener hat eine Unterredung mit meinem Meister“


    Lautes Klatschen, urplötzlich gespenstisch in den weißen Hallen nachklingend, erregte Damians sofortige Aufmerksamkeit. Er wirbelte herum, bereit gegen jeden anzutreten, doch zu seiner Überraschung war hinter ihm niemand sonst zu erkennen. Er war ganz allein in diesen leeren, endlosen Räumen.
    „Bravo, bravo!“, erschallte auf einmal eine Stimme in seinem Kopf und das trotz seiner Abschirmung. Zu allem Überfluss war sie ihm auch noch unheimlich vertraut und erweckte nur wenig Freude in ihm. Aber es war klar gewesen, dass er hier auftauchen würde. Schließlich hatte er sie erst auf diese alberne Schatzjagd geschickt. „Auch diese zweite Prüfung hast du mit Bravour bestanden Damian-kun. So toll hast du dich geschlagen, dass ich nicht anders kann, als dich persönlich zu testen.“
    Der golden-rote, wunderschöne Falter flatterte sanft wie ein von der zarten Sommerbrise getriebenes Blatt auf den Kämpfer zu. Jener begab sich in Kampfstellung, seinen Stab hatte er wieder aufgelesen. Das würde wahrhaft interessant werden. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Magiers. Gleich zwei Wünsche wurden ihm auf einmal erfüllt. Offenbar war er der Glücksgöttin doch nicht so verhasst, wie er gedacht hatte. Inzwischen war der Schmetterling kurz vor ihm zum Halten gekommen. Ein paar Sekunden schwebte er noch vor dem Feuermeister, graziös schwingend wie eine zum Leben erweckte Blüte, die Flügel graziler als der schönste Kristall. Dann ging er gleißend in Flammen auf.
    Damian schloss kurz die Augen als das Licht ihn blendete. Als er sie wieder aufschlug, hatte sich der geheimnisvolle Spielmeister endlich offenbart. Es war Piero.
    _ _ _
    26. Kapitel mit 3300 Wörtern

    Schneeflamme


    Die Klinge berührte das Wasser und durchschnitt es mit einem ohrenbetäubend lauten Zischen. Marie spürte wie ihr Schwert durch Kleopatras Magie fuhr als wäre es in der Sonne erwärmte Butter und hörte wie die Attacke sich in Luft auflöste. Ein Stein von der Größe eines Berges fiel ihr vom Herzen. Sie hatte es geschafft! Nixes Eifersucht war von ihr annulliert worden!
    Ihr Blick fiel auf ihre Gegnerin, die vollkommen außer sich zurückstolperte. „Das ist unmöglich!“, schrie die Blondine, die wunderschönen Augen und den sinnlichen Kussmund in Unglauben und Schock aufgerissen. „Niemand kann Nixes Eifersucht zerstören!“
    Maries Blick verhärtete sich. Nun war es an der Zeit es diesem blonden Gift zurückzahlen. Jetzt würde sie endlich für alle ihre Grausamkeiten und für jeden Schlag, den sie Laila zugefügt hatte, büßen müssen. Sie atmete noch einmal tief ein und bereite das große Finale ihres Tanzes vor. Jetzt musste alles stimmen, Perfektion war das Minimum, alles andere wäre ein Fehlschlag. Dies war der schwierigste Teil der Technik, die ihr den Sieg verschaffen würde. Wieder horchte sie auf die Energien in ihr, lauschte auf die Wogen und Wellen, die in ihren Adern zirkulierten und sie ähnlich eines kühlen Bergbaches sanft und dennoch treibend durchflossen. Aber dieses Mal musste sie tiefer in sich gehen, konzentrierter und fokussierter als zuvor sein, denn anders als vorher brauchte sie nicht mehr die Kräfte ihrer äußeren Sphäre, sondern die der Inneren. Im Gegensatz zu den Yin-Techniken, die grob und gradlinig waren, besaßen die sogenannten Yang-Formen eine weiche und formbare Funktion, die sich nur mit einem hohen Maß an Geduld und Beherrschung lenken ließ. Richtig eingesetzt konnte dieser Stil trotz der geringeren Durchschlagskraft weitaus verheerender als alles vorherige sein. Noch nie hatte der Rotschopf es geschafft, dies zu vollbringen, aber heute würde es anders sein. Sie spürte, dass sie jetzt endlich bereit war.
    Langsam wie dickflüssiger Sirup schälte sich die Yang-Kraft aus der Yin-Kraft heraus und anders als zuvor war diese Energie angenehm warm, ähnlich einem entspannenden Bad in einer heißen Quelle. Stockend und nur äußerst zögernd sammelte sich die Energie im kühlen Metall von Maries Schwert und das Mädchen wandte alle geistige Fassung, die sie besaß, auf, um die Macht zu halten. Die Prozedur war so anstrengend, dass der Rothaarigen eine Schweißperle über die Stirn lief und sie vor Schmerz das Gesicht verzog.
    Doch dann war es endlich soweit und mit einem harten Schmetterschlag entließ Marie die Kraft in Richtung ihrer Kontrahentin. Sofort fühlte sie sich, als hätte man ihr den Himmel von den Schultern gehoben und ein erleichterter Seufzer entfuhr ihr. Das Johlen des Publikums wurde lauter und begeisterter, doch das Mädchen kümmerte sich nicht darum. Viel wichtiger war Kleopatra.
    Jene wurde nun von der Attacke ergriffen und unter einem lauten Kreischkonzert, gegen das selbst die grölende Menge nicht ankam, in die Luft geschleudert, um dann mit einem unspektakulären Plumpsen auf den Boden zu fallen. Neben ihr zerfiel ihre Peitsche in viele, kleine Lederstückchen. Marie verzog kurz enttäuscht den Mund, ließ sich aber sonst keine Emotion anmerken, sondern bereitete stattdessen einen Nahangriff vor. Innerlich war sie jedoch alles andere als begeistert. Sie hatte die Technik immer noch nicht perfektioniert, weshalb ihre Attacke, die eigentlich Kleopatra hatte ausschalten sollen, nur die Peitsche zerpflückt hatte. Offenbar war sie immer noch nicht bereit, die Yang-Techniken einzusetzen. „Aber wie auch immer, jetzt, da sie ihrer Waffe beraubt ist, kann ich sie locker im Nahkampf besiegen. Mein Sieg verschiebt sich also quasi nur …
    Meine … meine kostbare Peitsche!“, erklang plötzlich eine hohe, schrille Stimme in im Kopf der Rothaarigen und sie erkannte voller Entsetzen, dass die telepathische Verbindung die ganze Zeit aktiv gewesen war. Kleopatra hatte jede einzelne ihrer Taktiken belauschen können. Jene, die sich inzwischen anhörte, als stünde sie kurz vor einem hysterischem Zusammenbruch, wandte sich nun direkt an ihre Gegnerin aus ihrer Stimme sprach der blanke Hass: „Du … DU HAST MEINE PEITSCHE ZERSTÖRT, DU SCHLAMPE! Das war echtes Wildechsenleder, ich habe ein halbes Vermögen für die ausgegeben!
    Mörderin“, routinierte Marie kühl, ohne sich von den krakeelten Beleidigungen ihrer Feindin ablenken zu lassen. Diese Frau ekelte sie mit jedem weiteren Wort mehr an.
    „Ich werde gleich zu einer, du dummes Miststück!“, kreischte Kleo laut auf und als sie aufstand, warf sie der Angreiferin einen Blick zu, bei dem andere auf der Stelle tot umgefallen wären. Doch Marie ließ das kalt, sie hatte ihr Schwert im Anschlag und war bereit zu zuschlagen. Dieses Monster würde bezahlen für alles, was sie getan hatte und nichts würde die Schwertkämpferin davon abhalten, ihre Strafe auszuführen. Dieser Kampf war so gut wie vorbei. „Zeit, Tribut zu zollen!“
    „Denkst du wirklich, es wäre so einfach?!“, antwortete Kleo gehässig und ihr Saphir leuchtete ein weiteres Mal in diesem unerträglichen, himmelblauen Ton auf. Aus dem Gesicht der Blondine sprach ihr Zorn als sie ihre Hand gen Himmel streckte und durchdringend schrill rief: „Nixes Wut!“ Abermals entließ sie einen gigantischen, siedenden Strahl leuchtendblauen Wassers, dessen Hitze sogar den ersten an Intensität überbot. Wie ein verheerender Rammbock schoss er durch die Luft, schneller und wuchtiger als jede vorherige von Kleos Attacken. Jeder der davon erwischt werden würde, wäre die Niederlage geweiht.
    Unglücklicherweise war Marie zu nah an der Blondine und zögerte einen Moment zu lange, um vollkommen auszuweichen. Zwar schaffte sie es, einer Treffer auf voller Breitseite zu entgehen, aber der Angriff streifte ihren Arm und riss sie einige Meter nach hinten. Der Schmerz war infernalisch, es fühlte sich an als würde sich ihre Haut abpellen. Es war so intensiv, dass ihr die Tränen kamen und sie einige Momente wie in einer Schmerzensstarre gefangen war. Ihr ganzer Kopf war benebelt von Qual, sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alle ihre Sinne schienen wie ausgeschaltet, einzig die Pein war da, wie sie ihren ganzen Arm erfüllte.
    Doch sie durfte sich nicht unter kriegen lassen! Wenn sie sich jetzt übermannen ließ, hatte Kleo so gut wie gewonnen und das durfte sie unter keinen Umständen zulassen. Nicht nur wegen des Schatzes, der war ihr eigentlich egal, sondern weil sie Laila finden musste. Wenn ihrer Schwester etwas zugestoßen wäre, könnte sie sich das nicht verzeihen. Sie war die wenige Familie, die sie sich hatte erkämpfen können. „Reiß dich zusammen, Marie, sei keine Memme!“, sprach sie sich selbst gequält Mut zu. „Ich muss jetzt stark sein! Ich muss mich konzentrieren und dem Ganzen hier ein Ende setzten!
    Das will ich sehen!“, erklang plötzlich wieder die verhasste Stimme Kleopatras in Maries Kopf und sie fuhr zusammen. Sofort kam alles zurück, die Arena, die ohrenbetäubenden Menschenmengen und ihre boshaft grinsende Gegnerin. Ihr Arm pulsierte immer noch ununterbrochen, aber Marie brachte alle vorhandene Konzentration auf, um den Schmerz mit Hilfe ihrer Energie einzudämmen. Keine Sekunde zu früh, denn nun begann Kleopatra sie ein weiteres Mal mit Bataillonen von Wasserbällen zu beschießen. Das Schlachtfeld glich inzwischen einem modrigen Sumpf, überall war eine wässrige, knöchelhohe Schlammschicht, sodass Marie einige Schwierigkeiten hatte sicher zu stehen. Selbst die von oben herab scheinende, intensive Sonne konnte den Morast nicht schnell genug vertrocknen lassen.
    „Tanz ein wenig mehr!“, rief das blonde Gift dem immer unbeholfener ausweichenden Mädchen mit einem heimtückischen, falschen Lachen zu, bevor sie ihr einige weitere Wasserangriffe entgegen schleuderte. „Nixes Rache!“
    Die Wasserbälle verformten sich nun zu spitzen und gefährlich aussehenden Dolchen, die schneller und härter als zuvor auf die Rothaarige einschossen. Jene befand sich in einer Zwickmühle, da das Manövrieren im Schlick, der einst trockener Sandboden gewesen war, sich als immer schwieriger herausstellte. Ausweichen und versuchen langsam an Kleopatra heranzupirschen war keine Möglichkeit mehr, nicht unter diesen Bedingungen. Der einzige Ausweg, der ihr blieb, war sich den Weg zu der Viscountess freizukämpfen. Aber hatte sie noch genug Energie für so einen Zug? „Sie will, dass ich tanze?“, wiederholte Marie in Gedanken und die Abscheu gegen ihre Kontrahentin ließ sie für kurze Zeit ihren schmerzenden Arm vergessen. Die Wut auf dieses Biest und der Wunsch endlich von diesem unangenehmen Ort zu verschwinden und ihre Schwester zu suchen, gaben ihr die Kraft und den Willen, weiterzumachen. „Dann werde ich tanzen!“
    Sie hatte das Schwert wieder im Anschlag und schloss kurz die Augen. Ihre Emotionen waren stärker als zuvor, doch sie musste sie ignorieren, wegsperren. Einzig die Macht war es, die zählte, wie sie durch ihren Körper pulsierte und sie immer und immer weiter antrieb. Das kühle Feuer, das in ihr loderte und mit kalter Hitze ihre Entschlossenheit zementierte, um die Kräfte, die in jedem schlummerten, zu erwecken und zu lenken. Dieses Mal würde es einfacher sein, der Stil, den sie nun vorbereitete, war simpler, defensiver, aber gleichzeitig auch brutaler. „Tanz des Silberhelms!“
    Das Metall ihrer Klinge verhärtete sich. Jetzt war es an der Zeit zurückzuschlagen. Die Schritte dieser Technik waren bei weitem nicht so komplex wie die der Schlangenschwinge, aber zeigten dennoch Wirkung. Mit der Präzision eines Revolvers und der Härte eines heran preschenden Stiers schlug, hackte und rammte sich Marie ihren Weg zu der Gegnerin. Die Paradigmen, die sie zu beachten hatte, waren überschaubar, fast schon lächerlich schlicht im Vergleich zu den Vorherigen. Ihr Gesicht blieb kühl und unnahbar, wie immer, aber auch gedanklich war sie vollkommen fokussiert. Nichts würde sie mehr davon abhalten, den Kampf zu gewinnen.
    „Da wäre ich mir nicht so sicher, Herzchen!
    “, entgegnete Kleopatra belustigt in Gedanken und durch all den Nebel, den das ständige Aufeinandertreffen von Klinge und Wasser erzeugt hatte, konnte Marie überrascht feststellen, dass ein überlegenes Lächeln die kirschroten Lippen ihrer Kontrahentin kräuselten. Noch bevor der Rotschopf jedoch wundern konnte, warum das so war, wurde er auch schon plötzlich an den Fußgelenken in die Luft gezogen. „Nixes Verführung!“, erkannte die Kämpferin schockiert, als die Magie auch schon einen schmerzhaften, magischen Schock durch ihren Körper sandte. „Sie muss die Magie als Falle im Matsch versteckt haben, um mich unvorbereitet zu treffen!“ Aber da hatte dieses dumme Blondchen Marie gehörig unterschätzt. Fast reflexartig zog sie sich nach oben und schnitt in einer schnellen Oberkörperdrehung die Ketten Kleopatras mit ihrem Yin-Schwert durch, bevor sie zu stabil werden konnten. So etwas gehörte zur Basisausbildung ihrer Großmutter, damit konnte man sie nicht lange aufhalten.
    Doch Kleopatra hatte noch ein Ass im Ärmel. Den Arm mit dem unermüdlich leuchtenden Saphir am Finger in die Höhe gestreckt, rief sie, nachdem ein kurzes, selbstzufriedenes Lächeln über ihr Gesicht gehuscht war: „Nixes Eifersucht!“ Marie befand sich gerade im Fall, da schoss der mächtige Wasserpfeil schon auf sie zu, schneller als es jede von Kleos Arttacken je getan hatte. Das Mädchen hatte keine Zeit sich auf den Angriff vorzubereiten, er war zu schnell und sie zu schwach. Also tat sie, ohne darüber nachzudenken, einfach instinktartig das Nächstbeste um sich zu verteidigen und blockte die Attacke mit ihrem Schwert ab. Ein Fehler.
    Mit einem lauten Knallen explodierte der Wasserpfeil an der Metalloberfläche und aufgrund der darauffolgenden Druckwelle wurde Marie zurückgeschleudert. Unsanft landete sie im Schlamm, sodass ihre Haare und Kleidung sich mit dem Wasser vollsogen und der Dreck sich an ihrem ganzen Körper festsetze. Dann erklang ein lautes Klirren und Marie schlug die Augen auf und sprang auf. Während des Fluges hatte sie versehentlich ihr Schwert fallen lassen, das nun einige Meter von ihr entfernt lag. Ein Schock fuhr durch ihre Glieder. Der Klinge ihrer Großmutter hatte das Aufeinandertreffen mit Kleopatras Attacke nicht gut getan. Sie war zerbrochen.


    Ein Beben, von solcher Intensität, wie man es noch nie erlebt hatte, erschütterte die karge aus schwarzem Gestein bestehende Vulkaninsel. Die Wellen des kalten, dunklen Meeres schwappten in heller Aufregung gegen die abweisenden, schroffen Steinküsten, deren Schärfe und Dürre alles andere übertrafen. Es gab kein Leben auf diesem ungemütlichen Stückchen Land mitten in den illusionären Weiten des unendlichen Ozeans. Kein Baum stand dort, keine Pflanze blühte, alles war leer und dem grausamen Tod selbst gleich. Einzig ein Schmetterling hatte sich zu dieser unerbittlichen Insel verirrt, vielleicht auf der Suche an Blumen. Es war ein äußerst schönes Tier, mit großen, märchenhaft gemusterten Flügeln und goldener Farbe. Die zarten, durchscheinenden Linien, die wie ein Mosaik seine Flügel zierten waren von einem fast schon hypnotisierend orangeroten Ton, ähnlich einem mystischen Feuer, welches sanft die lichtlose Nacht erleuchtete und die Schatten vertrieb.
    Das Schauspiel, welches sich diesem erstaunlichen Tier nun bot, war ein monumentales Naturspektakel von legendären Ausmaßen. Der über der Einöde thronende, majestätische Berg, der einer Krone gleich die Insel um ein Vielfaches eindrucksvoller erscheinen ließ, war das Zentrum der gigantischen Erschütterung. Schwarzer, toxischer Qualm, dichter als es jede Gewitterwolke je hätte sein können, verdunkelte den bis dahin noch sternenklaren Himmel und verlieh dem ohnehin schon gefährlichen Szenario eine äußerst bedrohliche Atmosphäre. Asche und flammende Geröllklumpen regneten vom Himmel herab und krachten auf den schwarzen Gesteinsboden, während blubbernd und rot glühend die tödliche Lava den Vulkan nun verließ. Flüssen aus geschmolzenen Rubinen ähnelnd bahnte sie sich ihren Weg nach unten und bildete am Abhang teuflische Seen, die die Insel mehr und mehr einer Hölle auf Erden ähneln ließ.
    Doch unerwartet brachen aus dem dichten Asche- und Rauchvorhang, der den Krater wie ein widerlicher Todesschleier umgab, zwei Menschen heraus. Es waren Damian und Elias, die immer noch mitten im Kampf steckten.
    „Du weißt echt nicht, wann Schluss ist, oder?“, fragte Damian genervt, als ob ihn eine lästige Fliege verfolgen würde, während er dem Silberling einige Feuerbälle entgegen schleuderte. Jener wich mehr schlecht als recht aus und erwiderte die Attacke seinerseits mit einigen schwächlichen Feenlicht-Rittern. Er atmete schwer und schien extrem angeschlagen zu sein, eine Folge von Damians zerstörerischem Angriff. Der Zauberschüler war zwar nach diesem Kraftaufwand auch nicht mehr ganz auf der Höhe aber gegen Elias wirkte er wie neu geboren. Nachdem sein Echsenschuss, der aus einer Mischung von Elias‘ Feenlicht und seiner eigenen Feuermagie bestanden hatte, den Feenlicht-Turm zerrissen hatte, als wäre es ein Blatt Papier gewesen, hatten beide Gegner aus dem Vulkankrater fliehen müssen, da sich das Innere der Erde angefangen hatte zu regen. Es erschien fast wie eine Bestrafung der Sonne, eine apokalyptische Untergangsszenerie, die man nur selten zu sehen bekam.
    Damian hatte damit gerechnet, dass die Illusion sich auflösen würde, aber er hatte die Hartnäckigkeit seines Gegners unterschätzt. Trotz aller Widrigkeiten war der Adlige weiterhin dabei den fast schon entschiedenen Kampf weiter auszufechten. „Ich bewundere Ausdauer …“, meinte Damian und ein überhebliches Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, als er die kraftlosen Angriffe ganz lapidar mit seinem Stab abwehrte, „… aber was willst du mir noch entgegensetzen? Sieh es ein, du bist am Ende.“
    „Noch lange nicht!“, entgegnete Elias verbissen und schien seine letzten Kraftreserven zu sammeln, da sein ganzer Körper inzwischen anfing in dem hellen, silbrigen Licht seiner Feenlichtmagie zu leuchten. Damian zog belustigt eine Augenbraue hoch. Dieser Verzweiflungsakt war lächerlich, kein Manöver, das Elias noch versuchen würde, könnte ihm etwas anhaben. Doch sein Hochmut bewies ihm abermals das Gegenteil.
    „Feenlicht: Läufer!“
    Der Magieschüler erwartete nichts, doch das wurde ihm zum Verhängnis, denn plötzlich schoss ihm ein greller Blitz entgegen. Zuerst wunderte er sich, was das für eine Art von Angriff war und versuchte den Strahl mit seinem Stab zu absorbieren. Doch kurz darauf musste er überrascht feststellen, dass es keine einfache Magieattacke war. Denn innerhalb des hellen Feenlichtes befand sich Elias und zu spät bemerkte der Magier wie der junge Starnoss-Spross mit seinem Schwert ausholte und zuschlug. Er versuchte seinen Stab noch rechtzeitig hochzureißen, um den Aufprall abzufangen, doch er war nicht schnell genug.
    Mit einem lauten Krachen kollidierten die beiden Kämpfer und Damian wurde gen Boden geschleudert. Er schlug ein paar ungewollte Saltos, wobei er das Gefühl bekam, er säße in einem sich immer wieder drehenden Stuhl, bevor es ihm, wenn auch äußerst unbeholfen, gelang kurz vor einem Bad in der unnatürlich heißen Lava zu bremsen. Mit einem leichten Schwindelgefühl schwankte er ein wenig in der Luft und versuchte sich wieder zu fassen. Das war eine recht eigenartige Erfahrung gewesen und hatte keine Lust, sie noch einmal zu durchleben. Unter ihm blubberte das flüssige Gestein und aufgrund der extrem warmen Dämpfe beeilte sich der ohnehin reichlich angekokelt aussehende junge Mann schleunigst ein paar Meter in die Höhe zu steigen.
    Als sein Kopf wieder klarer wurde, biss er sich leicht frustriert auf die Unterlippe und warf dem nun wieder vorne liegenden Gegner einen von seinem Unmut zeugenden Blick zu. Diesmal war dieser Wicht zu weit gegangen. Er hatte Damian nur durch einen miesen Trick rankriegen können, es war nicht die Schuld des Magiers gewesen. „Was erlaubt sich dieser Knirps eigentlich?!“, grummelte er verstimmt während er weiter nach oben flog. „Glaubt er wirklich mit irgendwelchen Verzweiflungstaten könnte er das Ruder noch rumreißen?“
    Tatsächlich wirkte der Silberling nicht so als könnte er noch viel länger kämpfen, um ganz präzise zu sein, schien er noch ausgelaugter als vorher. „Kein Wunder, wenn der Volltrottel auch meint physische Magie einsetzen zu müssen …“, maulte Damian missmutig in Gedanken, während er bereits wieder dabei war, sich eine Strategie zurechtzulegen und seinen Stab derweil ein wenig arbeiten ließ. „So etwas ist weitaus belastender als alles andere … was mich auf eine gute Idee bringt.“ Ein leichtes, listiges Lächeln schlich wieder auf sein Gesicht und seine Laune besserte sich ein wenig. Trotzdem war er dieser Konfrontation mehr als müde geworden und hoffte jetzt endlich einen Schlussstrich unter der Sache ziehen zu können. „Dieser Giftzwerg ist wirklich nerviger als jede Klette!“, regte er sich gedanklich weiter über den Silberling auf und sein Gesichtsausdruck wurde abermals zu einer verdrossenen Schnute. „Aber zum Glück lässt er sich auch leichter manipulieren als ein gutgläubiges Schaf!“
    „Hey, Verlierer!“, rief er ihm nun herausfordernd zu und sah wie Elias‘ sich abermals ruckartig straffte. Die Gesichtsfarbe des jungen Adligen war inzwischen fast weiß, aber er war dennoch nicht gewillt aufzugeben. „Bewundernswert oder einfach nur dumm?“ Aus den blaugrünen Augen des silberhaarigen Jungen sprach der blanke Hass, als er sein Schwert wie eine Streitaxt umklammerte und wütend zum kecken Magier hinunter starrte, der, entgegen seiner eigentlichen Laune, ein selbstzufriedenes, aufgeblasenes Grinsen aufgesetzt hatte, mit dem er jedem hätte zur Weißglut treiben können. Den Trick hatte er sich von Adrian abgeschaut.
    „War das wirklich alles was du drauf hast? Dieser Feenlicht-Läufer ist ja schwächer als all der andere Schrott, den du mir bis dahin präsentiert hast und selbst das war schon ziemlich, wie soll ich das nett ausdrücken …?“, Damian legte gespielt den Finger an die Lippen und tat so als würde er das passende Wort suchen, während er belustigt die Reaktion seines Gegners betrachtete, „ ...erbärmlich passt gut!“
    Eigentlich hatte er es für unmöglich gehalten Feindseligkeit in dieser Form noch steigern zu können, aber der Silberling bewies ihm das Gegenteil. Perfekt für seinen Plan. „Zeig mir doch endlich mal, was du wirklich kannst, falls da überhaupt noch was kommt!“ Elias Schwert leuchtete wieder auf, sein Blick brannte sich förmlich in den Damians.
    „Wenn du mich besiegen willst, musst du schon etwas härtere Geschütze ausfahren …“, fuhr Damian fort seinen Gegner zu reizen, wobei er bei allen Sticheleien immer seinen Stab bereit hielt. Der Typ vor ihm war eine tickende Zeitbombe und wieder unvorbereitet getroffen zu werden, wäre mehr als unvorteilhaft. „Kleo ist ja sowieso immer enttäuscht von dir, aber wenn du hier auch noch verlierst …“ und schon wieder hatte er das empfindliche Thema angesprochen. Das Ergebnis war wie erwartet.
    Mit einem wütenden Aufschrei hüllte sich Elias ein weiteres Mal in sein silbernes Licht ein und stürmte vorwärts. Doch dieses Mal war die Technik anders, es schien nicht Feenlicht-Läufer zu sein. Es wirkte behäbiger, aber gleichzeitig auch stärker. Gleichzeitig formten sich mehrere Speere vor ihm, fast als wolle er diese in Damian hinein rammen. Doch jener war vorbereitet, den goldenen Stab im Anschlag. Um ihn herum erschien abermals ein Bannkreis, doch dieser unterschied sich von dem vorherigen. Er war weniger kompliziert, besaß aber einen doppelten Außenring.
    „Flammender Bannkreis!“
    Eine hohe Mauer einzig aus Feuer bestehend schloss plötzlich vor dem jungen Magier empor, doch Elias ließ sich dadurch nicht stoppen. Er hielt weiter Kurs auf seinen Feind, offenbar in der Hoffnung die Barriere des anderen durchstoßen zu können. Er kam näher und näher, die Spitzen seiner Feenlichter berührten schon fast den feurigzüngelnden Wall.
    Dann kollidierten die beiden Mächte miteinander.
    _ _ _
    25. Kapitel. 3300 Wörter. Steckbriefe werden aktualisiert.

    @McNuke: Vielen, vielen Dank für den langen, konstruktiven Kommentar :> Normalerweise würde ich ja hier darauf eingehen, aber weil es schon spät ist, werde ich später in einer PN oder so ins Detail gehen.



    Lack und Leder


    Ein sanfter Wind wehte durch die staubigen, trockenen Korridore der gigantischen, uralten Arena und ließ die Sandkörner auf den abertausenden Plätzen federartig in der Luft tanzen. Wie ein magischer Schleier erhoben sie sich und verschlechterten die Sicht der Zuschauer auf das Schauspiel, das sich in wenigen Sekunden ereignen würde. Doch was kümmerte es jene? Sie waren nur seelenlose Marionetten, illusionäre Puppen, einzig dazu erschaffen worden den falschen Schein des „Spiels“ zu wahren, indem sie in einer längst vergessenen Sprache brüllten, riefen, johlten und kreischten. Doch interessierten sie sich nicht wirklich für den Kampf zwischen der Adelstochter und dem Waisenmädchen, denn kein Gedanke war in ihrem Geist. Sie alle waren nur leere Hüllen.
    Eine kurze Zeit der Stille herrschte zwischen dem Rotschopf und der Blondine. Dann seufzte Marie kurz und begann: „Ein Duell ohne Beschränkungen?“ Ohne eine weitere Vorwarnung begab sie sich in Kampfstellung, den bohrenden Blick auf ihre Gegnerin gerichtet. „Ich akzeptiere!“
    Mit diesen zwei simplen Worten stürmte der Rotschopf plötzlich nach vorne, das Schwert im Anschlag und die kühlen, leuchtendblauen Augen einzig auf Kleopatra fixiert. Sie hatte ihre innere Kraft in ihren Beinen gebündelt und preschte nun mit einer Geschwindigkeit nach vorne, die jeden Geparden vor Neid hätte erblassen lassen. Alles um sie herum verblasste zu einem nicht unterscheidbaren Mix aus Farben und Geräuschen, doch sie ließ sich nicht ablenken. Ihr Ziel war die Viscountess vor ihr.
    Jene seufzte nun ebenfalls hörbar auf und ließ ihre lange, schwarze Lederpeitsche laut knallen. Ein überlegenes Lächeln umspielte ihren erdbeerroten Kussmund. „Dann zeig‘ mir mal was du drauf hast, Gör!“ Doch kaum hatte sie diese Worte gesprochen, war Marie bereits direkt vor ihr und holte mit ihrer Klinge aus. Für einen kurzen Moment erkannte die Rothaarige wie ihrer Kontrahentin die hübschen Gesichtszüge entglitten, als sie erschrocken zurückstolperte. Die Angreiferin verzog keine Miene, aber innerlich konnte sie nicht anders als ein schadenfrohes Lächeln aufzusetzen. Dieses Püppchen sollte endlich für das bezahlen, was sie ihrer Schwester angetan hatte. Keine Gnade!
    Doch bevor Marie zuschlagen konnte, um ihrer Gegnerin einen wohl vernichtenden Schlag zu versetzen, hatte sich das blonde Gift schon wieder gefangen und hieb mit ihrer Peitsche aus, sodass ein weiteres Knallen durch das Stadium hallte. Das Mädchen sah den Angriff jedoch bereits im Voraus kommen und wich deshalb geschickt mit einem eleganten Sprung zur Seite aus, bevor sie versuchte einen Konter zu wagen. Aber sie unterschätzte die Reichweite der Waffe ihrer Feindin und das Geschick mit der jene ihr Werkzeug zu handhaben wusste. Ein Fehler wie Marie verbittert feststellen musste. Ein weiterer, unangenehm klingender Knall ertönte und das Publikum johlte noch energischer als zuvor.
    Mit einem weiten Salto rückwärts brachte sich die Schwertkämpferin außerhalb von Kleopatras Reichweite. Während des Fluges flatterte ihr langes, rotes Haar in der Luft, sodass man den Eindruck bekommen konnte ihr Kopf stünde in Flammen. Mit geschickter Gewandtheit landete sie abermals in einer dynamischen Kampfposition einige Meter von ihrer Rivalin entfernt auf dem sandigen Boden, wobei sie ein wenig Staub aufwirbelte. Auch um die Blondine herum hatte sich der Sand im windigen Netz der Lüfte verfangen und umgab die Schönheitskönigin wie ein majestätisches Gewand der Natur.
    Doch Marie hatte keine Zeit sich für die sehenswerte Szene zu interessieren, da sie sich bereits wieder in Bewegung befand, jedoch immer darauf achtend außerhalb von Kleos Reichweite zu bleiben. Auf ihrer Haut war ein leuchtendroter Striemen, der sich quer über den gesamten Arm zog, zu erkennen, ein Geschenk der Viscountess. Die Rothaarige ließ sich keine Reaktion auf die schmerzhafte Erfahrung anmerken, doch hinter ihrer kühlen, unnahbaren Fassade schäumte sie vor Wut und Enttäuschung. Wie hatte sie nur so einen elementaren Fehler begehen können? Den Gegner aufgrund der eigenen Gefühle zu unterschätzen war so ziemlich das Dümmste, was man als Kämpfer tun konnte. Wie hatte ihre Großmutter immer beim Training gesagt: „Instinkt und Logik sind die Waffen, die ihr führen müsst!“ Genau das hatte sie vernachlässigt. Ihre Emotionen hatten die Oberhand gewonnen und dazu geführt, dass sie Kleopatra vollkommen ohne Sinn und Verstand angegriffen hatte. So etwas durfte nicht noch einmal passieren.
    Wie eine flinke Katze schoss der Rotschopf auf einmal nach vorne, das Schwert im Anschlag und auf die Blondine zu. Sie musste die Schwäche der Anderen austesten und versuchen deren Kampfstil zu analysieren und auszutricksen. Dafür täuschte sie einen hohen Wirbelschwung, auch genannt „Glatter Blattschnitt“, an, nur um dann blitzschnell in die Hocke zu gehen und zu versuchen Kleos verwundbare Seite zu treffen. Die Blondine reagierte wie erwartet und schlug mit ihrer Peitsche zu, sodass Marie ausweichen konnte, um anschließend ihren wahren Angriff durch zuführen. Wie ein roter Schatten, der einem verführerischem Dämon gleich um eine giftige Rose tanzte, wirbelte sie grazil an dem Konter der blonden Adligen vorbei und holte zum Schlag auf deren ungeschützte Seite aus. Doch ein weiteres Mal hatte sie die Reichweite und Fertigkeit von Kleo und deren Waffe unterschätzt.
    Noch bevor Marie sich auch nur des Sieges sicher hätte sein können, hatte sie bereits ihren Reflexen nachgegeben und war zurück gesprungen. Gerade noch rechtzeitig, denn nicht mal wenige Sekundenbruchteile später knallte die Peitsche ein weiteres Mal und wirbelte den Staub auf. Es war ein gefährliches Spiel und beide Kontrahentinnen würfelten noch mit gleichem Geschick. Bis jetzt konnte man noch nicht absehen, wer diesen Kampf gewinnen würde.
    Während des Sprunges studierte die Rothaarige ihre Lage, die kühlen Augen auf Kleopatra gerichtet. Nahkampf war zu diesem Zeitpunkt so gut wie unmöglich, dafür ging die Blondine zu gut mit ihrer Waffe um. Aber der Fernkampf würde ihr Aufgrund des Magievorteils ihrer Gegnerin zum Nachteil gereichen. Was sollte sie nur tun? „Kleo mag zwar eine gute Kämpferin sein, aber eines wird ihr das Genick brechen: ihr Hochmut! Wenn ich sie überrasche, könnte ich sie wie Laila im vorherigen Duell überrumpeln.“ Der Gedanke an das Schicksal ihrer Schwester versetzte ihr einen Stich, doch sie durfte sich nicht ablenken lassen. Wenn sie nicht vollkommen mit ihrem Kopf und Geist im Geschehen war, würde sie wieder einen Fehler machen und sie musste dieses Duell gewinnen, um Laila näherzukommen. Andernfalls wäre ihr Opfer umsonst gewesen. „Falls ich keinen Blitzsieg erreichen kann, muss ich versuchen ihre Peitsche zu zerstören. Ansonsten kann ich nicht an sie rankommen …“, schloss die Schwertkämpferin ihre Gedanken und landete mit anmutiger Sanftheit auf dem Boden, ihr Blick im Gegensatz dazu durchbohrte mit stechender Kühle das hochnäsige Lächeln des blonden Giftes.
    Durch den klaren, blauen Himmel hoch über den beiden Frauen flog, die bunten, kurzen Schwingen weit ausgebreitet, eine Nachtigall, die schwarzen unergründlichen Augen auf das Schlachtfeld gerichtet. Wie merkwürdig einen solchen Vogel hier aufzufinden. Er schien nicht zur Szenerie zu passen, wirkte deplatziert und falsch. Wie für ihn das Schauspiel auf der Erde wohl aussehen musste? Vermutlich wie ein gefährlicher Tanz zweier Kriegerinnen, die in Anmut und Bedrohlichkeit ihre Waffen schwangen und zum blutigen Gesang des Kampfes ein Werk von Hass, Kälte und Hitze ausfochten. Eine Schlacht des Willens.
    „Wie lange soll das noch so weiter gehen?“, lachte Kleopatra schrill auf und aus ihrer Stimme sprach ihre unglaubliche Arroganz. „Egal, was du tust, du kommst eh nicht an mich ran und ich habe noch gar nicht richtig angefangen, Herzchen!“
    Ein weiteres Peitschenknallen ertönte, doch Marie war außer Reichweite und ignorierte die Provokationen der Viscountess. Dieses Püppchen würde sich bald an der eigenen spitzen Zunge verschlucken! Mit einem ruhigen Atemzug sammelte sich der Rotschopf nun und machte sich bereit. Ihre Gesichtszüge entspannten sich, sie war friedlich und ruhig, einer Schlafenden ähnlich. Sie spürte die Energien durch ihren Körper fließen wie kühles, erfrischendes Wasser, welches ihre glühende Haut benetzte. Doch in ihrem Inneren brannte ein Feuer, eine unerbittliche Flamme, die alles verzehrte, alles fraß und nur darauf wartete entlassen zu werden und wild toben zu können. Aber das durfte sie nicht zulassen, für sie zählte einzig die Kraft ihrer äußeren Sphäre, der härteste, aber auch gleichzeitig gröbster Teil ihres Geistes. Die innere Flamme in Zaum haltend ließ Marie ihre Macht langsam wie sanfte Meereswellen durch ihren Körper pulsieren, um sie bedächtig zu bündeln und in ihren Arm zu leiten.
    „‘Stellt euch einen Ball vor, den ihr ganz fest drücken müsst, damit er euch nicht entflieht!‘“
    … und dann entlasst ihn kontrolliert in eine Richtung!“, fuhr Marie gedanklich fort, holte ruckartig mit ihrer Faust aus und stieß sie mit aller Kraft wieder nach vorne. Sie spürte den Druck von ihr weichen und fühlte wie die Energie aus ihrer Hand schoss. „Der Yin-Schlag!
    Vor ihr gab Kleopatra einen überraschten und erschrockenen Schrei von sich und voller Genugtuung im Blick erkannte die Rothaarige wie das blonde Gift im hohen Bogen durch die Luft und hinten auf den sandigen Untergrund krachte. Sie hatte einen Ausdruck ungläubigen Entsetzens im Gesicht, fast als konnte sie es nicht fassen getroffen worden zu sein. Marie konnte sich ein kurzes Zucken der Mundwinkel nicht verkneifen, bevor sie abermals ihre Energie in den Beinen sammelte und nach vorne sprintete. Wenn sie die Blondine nun um ihre Peitsche erleichterte, dann wäre das Miststück schutzlos und würde sich ergeben müssen. Der Kampf war so gut wie entschieden.
    Nachdem Kleo mit einem amüsanten Quieken auf dem Boden der Tatsachen aufkam und mit einem leisen „Wie …?“, den Kopf hob, war Marie bereits so gut wie bei ihr. Die Schwertkämpferin sah wie sich die himmelblauen Augen ihrer Kontrahentin vor Schock weiteten, als jene erkannte, dass sie in wenigen Sekunden verloren haben würde. Hinter dem berechnenden Ausdruck triumphierte der Rotschopf bereits, den Sieg schon auf der Zunge und sehnsüchtig darauf hoffend, dass sie bald ihre Schwester wiedersehen konnte.
    Doch plötzlich stellten sich ihre Nackenhaare auf und ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Was war das für ein böses Gefühl? Sie zögerte einen winzig kleinen Moment, quasi nur einen Bruchteil einer Sekunde geriet sie ins Stocken, verwirrt und abgelenkt durch die ungute Vorahnung, die sie beschlichen hatte. Keinen Moment zu früh.
    Mit einem zornigen Kampfschrei entließ Kleopatra einen gewaltigen, kochendheißen Wasserstrahl, der ungefähr die Dicke eines Baumstammes besaß. Gerade noch rechtzeitig konnte Marie zur Seite rollen, da schoss das dampfende Wasser auch schon mit einer solchen Wucht über sie hinweg, dass selbst der Luftstrom stark genug war, um sie ein wenig mitzureißen. Hinter sich vernahm sie eine mittelstarke Erschütterung, als der Angriff in die hohen, steinernen Wände der Arena krachte. Sie hatte zwar keine Zeit sich umzudrehen, um den Schaden zu begutachten, aber sie wettete darauf, dass dort, wo vorher noch massiver Stein gewesen war, jetzt bestimmten ein ziemlich einschüchterndes Loch klaffte.
    Stattdessen seufzte die Rothaarige innerlich auf und bereitete sich auf einen zweiten Yin-Schlag vor. Jetzt hatte sie nur noch eine Möglichkeit Kleo zu besiegen: Das blonde Gift langsam seiner Waffen zu entledigen. Das war eindeutig komplizierter.
    Ein weiteres Mal entließ Marie, wenige Augenaufschläge nachdem ihr ihre Gegnerin die Attacke entgegen geschmettert hatte, die Macht, die sie in ihrer Faust angesammelt hatte, um sie abermals gegen die Blondine zu verwenden. Eine so gut wie nicht sichtbare Welle ging von ihrer Hand aus, fast als hätte sie sanft die Oberfläche eines Sees berührt. Man könnte den Angriff mehr fühlen als sehen, das war ihr Vorteil.
    Doch zu Maries großem Erstaunen und auch Entsetzen schien Kleopatra, trotz ihrer Unvertrautheit mit den östlichen Kampftechniken, ebenfalls die Attacke spüren zu können. Denn mit einem lauten „Nixes Zeitvertreib!“, feuerte sie einige ihrer großen Wasserbälle gegen Maries Yin-Faust und beide Attacken kollidierten mit einem lauten Krachen mitten im Flug. Die Wasserkugeln zersprangen in tausende in der Sonne glitzernde Tropfen, die sich als sanfter Nebel in der Luft verfingen, dort zart wie der erste Frühlingstau schwebten und das helle Licht der Sonne in seine unzähligen, strahlenden Farben spaltete.
    Doch dieser Schleier wurde sofort von weiteren Wasserkugeln zerrissen, die mit einem bedrohlichen Zischen auf Marie zuschossen. Jene schaffte es mit einigen geschickten Akrobatikeinlagen dem drohenden Schicksal zu entfliehen, sodass Kleos Angriffe allesamt den sandigen Boden küssten und ihn langsam aber sicher in ein schlammiges Morastfeld verwandelten. Doch die Blondine gab nicht auf und mit dem Temperament einer wild gewordenen Furie schlug sie ihrer Gegnerin immer und immer wieder ein weiteres Bombardement aus Attacken entgegen. Offenbar war jetzt Schluss mit den Spielchen.
    Marie wusste, dass, wenn sie weiterhin auswich, es nur eine Frage der Zeit war, bis sie einen Fehler machen würde und einen Treffer einstecken müsste. Aber andernfalls waren ihre einfachen Angriffe nicht dazu ausgelegt, um so einen Kampf zu führen und das würde ihr ebenfalls zum Nachteil gereicht werden. Es gab nur eine Möglichkeit das Blatt zu wenden. Der Rotschopf seufzte. Jene Technik war sehr kompliziert und benötigte extrem viel Konzentration. Außerdem hatte sie diesen besonderen Stil nie innerhalb eines aktiven Kampfes eingesetzt und sie wusste, dass das einen gewaltigen Unterschied ausmachen konnte. Was wenn sie einen Fehler machte? Das konnte das sofortige Aus für sie bedeuten. Allerdings würde sie auf kurz oder lang sowieso ausscheiden, wenn sie diesen Schritt nicht wagte. Es war eine Zwickmühle.
    Marie atmete tief ein und schloss kurz die Augen, weiterhin den Attacken ihrer Gegnerin ausweichend. Ihre Sinne waren durch das Training ihrer Großmutter geschärft. Sie beruhigte und sammelte sich. War sie wirklich bereit für so einen Schritt? War es nötig alles auf eine Karte setzen? Was sollte sie nur tun? Was würde ihre Schwester machen? Ihre Gedanken schweiften zu Laila. Sie zu finden und falls nötig zu retten war das Hauptanliegen. Nichts war wichtiger.
    Das Mädchen straffte sich. Neuer Mut beflügelte ihre Füße und ihren Geist. Die Augen weiterhin geschlossen, bereitete sie sich vor. Endlich wusste sie, was sie tun musste. Es lag an ihr und wenn dies der einzige Ausweg war, dann durfte sie ihren Blick nicht abwenden. Das war nicht ihr Weg, sondern der eines Feiglings. Sie schlug die Augen auf. Jetzt war sie am Zug.
    Die Energie durchströmte Marie und sie fühlte wie sie sie bestärkte und sie führte. Die Wellen waren nun treibend, geleiteten sie auf den Weg zum Sieg und wuschen alles weg, was sich ihr entgegen stellte. So begann er, der „Tanz der Schlangenschwinge“, eine uralte, komplexe und vor allem zerstörerische Technik, den die Magier aus dem fernen Osten entwickelt hatten, um jeden Gegner zu eliminieren und nun würde sich die Rothaarige an seiner Prüfung messen. Mit bedächtiger Anmut begann sie nun sich zu wirbeln, zu drehen, die verschiedenen Schritte auszuführen und mit niederschmetternder Gewalt jeden von Kleopatras Angriffen zu zerfetzen, als bestünden sie aus Papier. Es war eine schwierige Choreographie aus Stellung, Hieben und Paradigmen. Ständig musste sie wechseln zwischen irdischem und geistigem, zwischen ihrer Yin-Kraft und der normalen Klinge des Schwertes. In wechselnder Balance befanden sich ihre Hände und Füße, ihr Werkzeug und ihr Körper. Das Schwert in ihren Fingern war nicht länger nur ein Instrument, es gehörte inzwischen zu ihr, war Teil ihres Seins und auch durch es floss ihre Macht in regelmäßigen Abständen.
    So brachte sich Marie weiter und weiter nach vorne und mit jedem Schritt wurde ihre Gegnerin hysterischer, denn deren Angriffe waren inzwischen so gut wie effektlos. Doch die Schwertkämpferin war nicht beruhigt, denn der schwierigste Teil kam erst noch. Das große Finale, der letzte Akt ihrer Technik mit dem sie auch diesen Kampf abschließen wollte. Aber bisher hatte sie es noch kein einziges Mal geschafft. Was wenn es diesmal misslingen würde?
    „Bleib, wo du bist!“, kreischte Kleopatra und schoss einige weitere Wasserbälle auf das Mädchen, jedoch ohne nennenswerte Ergebnisse zu erzielen. Marie erkannte wie sich die Blondine frustriert auf die Lippe biss. Offenbar lief es nicht so wie sie sich das vorgestellt hatte. Der Rotschopf lächelte kurz flüchtig auf, um dann sofort wieder ernst zu werden. Sie durfte sich nicht ablenken lassen, sonst würde alles in sich zusammenfallen.
    Doch die Viscountess schien nicht gewillt zu sein aufzugeben, denn nun hob sie ihre lange, feingliedrige Elfenbeinhand und rief zornig aus: „Nixes Eifersucht!“ Marie spürte wie ihr Herz kurz stehen blieb. Das war die Attacke, mit der dieses Flittchen ihre Schwester besiegt hatte, der Spruch, mit dem man einen ausgewachsenen Mann niederschlagen konnte. Die Zeit schien sich auf einmal in Baumharz verwandelt zu haben, welcher zäh und dickflüssig dahinglitt. Was würde nun passieren? Was sollte sie nur tun?
    Der im Ring an Kleos Mittelfinger eingefasste Saphir leuchtete auf einmal strahlendblau auf und mit einem gewaltigen Knall entlud sich die magische Kraft des blonden Giftes in Form eines auf Marie zurasenden Wasserpfeils. In nur wenigen Augenblicken würden sie aufeinandertreffen. Sollte sie ausweichen? Aber dann müsste sie die Technik abbrechen und der Sieg wäre wieder in weite Ferne gerückt. Was sollte sie nur tun?
    Dann hatte der Pfeil sie erreicht. Im allerletzten Moment vertraute Marie ihren Instinkten und führte einen schwungvollen Wirbelschnitt aus. Ihr Herz raste vor Angst und Erregung, die Kräfte in ihr pulsierten aufgeregt und für wenige Momente ungezähmt durch ihren Körper. Sie fühlte sich als würde sie innerlich gleich zerrissen werden, ihre Haut war wie in Flammen, während die Yin-Kraft eiskalt durch ihre Venen flossen, sodass sie sich am liebsten schütteln würde, doch sie durfte nicht. Sie hatte alle Energie in der messerscharfen Kante ihres blattdünnen Schwertes gesammelt und auch ihre restliche Kraft war einzig und allein in diesen Schlag geflossen. Dies waren die letzten Schritte. Sie durfte nicht scheitern!
    _ _ _
    24. Kapitel mit 2800 Wörtern.

    Quecksilber


    Strahlend hell hüllte das Licht der beiden aufeinandertreffenden Kräfte den Vulkankrater ein und erstickte das tiefrote Glühen des geschmolzenen Inneren mit Leichtigkeit. Es schien wie ein vom Himmel gefallener Stern, der sich nun, immer noch brillant wie ein Edelstein, den heißen Untiefen der Erde näherte. Die Luft war erfüllt von Macht, eine Spannung die alles abtötete und wie ein gewaltiger Druck selbst die Atmosphäre in die Knie zwang. Doch nur kurze Zeit später entlud sich auf einmal die gesammelte Energie und eine Explosion seltener Stärke erschütterte den Vulkan, ließ die Lava höher spritzen und die steinernen Wände beben und bröckeln. Indes suchte die verbleibende Macht in Form einer gigantischen Lichtwelle zu entfliehen, wurde aber von den begrenzenden Felsen aufgehalten und zerbarst an ihnen in Millionen kleine, silbern glitzernde Funken.
    Ein dumpfes Krachen erklang plötzlich, als jemand, der zuvor im Zentrum des Duells gewesen war, jetzt hart auf dem Boden aufkam und dort mit einer dichten Staubwolke in das Gestein donnerte. Als sich langsam der Nebel und der aufgewirbelte Dreck verzogen, erkannte man bereits an der großgewachsenen Silhouette, dass es sich um Damian handelte. Jener rieb sich den schmerzenden Kopf, während er sich leicht orientierungslos umblickte. Dieser wummernde Schmerz in seinem Schädel machte ihn ganz schummrig und sein Körper pulsierte immer noch von der zuvor gebrachten Anstrengung und dem harten Aufprall, der sein Unterliegen bewiesen hatte. Seine Knochen schmerzten und seine Muskeln fühlten sich an als würden sie bei jeder Bewegung zerreißen. „Gut“, stellte er in Gedanken fest, während er ein Auge geschlossen und mit vor Mühe zusammengebissenen Zähnen langsam versuchte die in seinem Körper unkontrolliert zirkulierende Magie wieder in die richtigen Bahnen zu lenken, um sich wieder aufzuhelfen. „Vielleicht war ich ein kleinwenig leichtsinnig …“
    Über ihm, in seiner Sphäre silbernen Lichts, schwebte Elias, der seinerseits jedoch ebenfalls recht angeschlagen aussah und sich schwer atmend die Brust hielt. Er wirkte in keinster Weise zufrieden oder übermütig, nun, da er seinen Gegner zu Boden gezwungen hatte, sondern hatte immer noch einen grimmigen und kämpferischen Ausdruck im Gesicht und bedachte Damian mit einem düsteren Blick. Offenbar schien er fest entschlossen zu sein seinem Gegner eine vollkommene Niederlage zu bereiten, war aber dennoch beherrscht genug, um nicht alle Etikette über Bord zu werfen und wild auf den Magier einzuschlagen.
    „Mir soll’s recht sein“, kommentierte jener nun die derzeitige Situation, während er seinen Körper sehr schleppend wieder beruhigte und die Schmerzen isolierte, um abermals kampfbereit zu werden. Allmählich entspannten sich seine Nerven wieder und das gedankliche Magiekonstrukt nahm erneut Form an, auch wenn es immer noch unscharf und instabil war. Da der junge Mann nicht mit einer Niederlage seinerseits gerechnet hatte, war seine magische Kraft dementsprechend noch lose und unbeständig. Schock war Gift für einen Magier, ein Grund weshalb viele professionelle und mächtige Nutzer dazu neigten eine kalkulierende und unantastbare Fassade aufrechtzuerhalten. Aber Damian hatte nicht umsonst fünf Jahre unter Aden trainiert, ihn konnte so etwas nicht für lange aus der Bahn werfen.
    Da er jedoch wusste, dass er noch ein paar Momente brauchen würde, um wieder vollständig aktiv werden zu können, versuchte er etwas Zeit zu schinden und Elias in ein Gespräch zu verwickeln. „Nette Technik!“, rief er dem silberhaarigen Jungen mit einem schelmischen Lächeln zu, während er so tat, als würde er sich etwas Staub von der Kleidung klopfen, um damit zu überspielen, dass er immer noch nicht genug Kraft besaß, um sicher zu stehen. „Beinahe hättest du mich gehabt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass jemand wie du seine Magie so einzusetzen weiß …“
    „Bist du fertig?“, fragte der junge Adlige kühl und entgegnete Damians unbekümmerten Blick mit einem finsteren Ausdruck. Es war offensichtlich, dass er nichts für kleine Unterhaltungen zwischendurch übrig hatte und für seinen Gegner auch keinerlei Sympathien empfand. Für ihn zählte nur den Kampf so schnell wie möglich weiterzuführen.
    Das lag auch in Damians Interesse, allerdings wollte er sich noch schnell eine Strategie zusammenlegen und seine Magie festigen, weshalb er weiterhin stur versuchte etwas Information aus Elias heraus zu kitzeln. „Mich würde interessieren, welchen Zauber du benutzt hast“, rief er ihm mit einem fröhlichen Lächeln, hinter dem er nur allzu geschickt seine Intentionen verbarg, zu. Seine Magie war nun abermals so gut wie solide und er machte sich bereits dazu bereit sich vom warmen Steinboden abzustoßen und einen Angriff zu starten. Der Vulkan blubberte aufgeregt, fast als würde er aufgeregt auf die gespannte Stimmung reagieren.
    „Meine Magie trägt den Namen Feenlicht: Turm“, antwortete Elias nun kühl auf die Frage seines Gegners ohne diesen dabei auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. „Es ist ein unüberwindbarer Defensivzauber, der bereits seit Generationen von meiner Familie genutzt wird!“
    „Ist das so?“, fragte der junge Magier daraufhin interessiert und ein leicht schalkhaftes Lächeln huschte kurz auf sein Gesicht, abseits seiner sonstigen Überlegenheit. Die Worte des Viscounts hatten ihn neugierig gemacht und ein kleines, aber starkes Feuer in ihm geweckt, ein Verlangen nach einem Test. So stark brannte die Flamme seines Wissensdurstes in ihm, dass es andere wahrscheinlich behindert hätte. Doch Damian half es seine Kampfeslust zu schüren und neue Motivation zu gewinnen, denn jetzt hatte er ein Experiment, dem er sich hingeben konnte. Wie sehr er Aufregung und Ungewissheit doch liebte. „Dann testen wir mal, was dieser unüberwindbare Defensivzauber so hergibt!“
    Mit diesem Gedanken als Antrieb stieß sich der junge Mann vom Boden ab und schoss mit einer solchen Geschwindigkeit auf Elias zu, dass selbst dessen Lichtpfeile dagegen blass aussahen. Doch anstatt wie zuvor schon in seinen Gegner zu rammen und eine eher physische Form der Magie zu benutzen, entschied Damian sich für einen anderen Ansatz. So flog er einen eleganten Bogen um seinen Rivalen herum und während dieser noch dabei war herumzuwirbeln, hatte der Magier bereits im Manöver mehrere seiner Feuerkugeln abgeschossen, die jetzt auf den Silberling zu zischten.
    Er wusste natürlich, dass seine Feuergeschosse aller Wahrscheinlichkeit nach nichts bringen würden, wenn die absolute Verteidigung nicht nur Angeberei gewesen war, aber dies war auch nicht der Grund gewesen, warum er diesen Angriff gestartet hatte. Ihn reizte eher die genaue Reaktion des Schutzzaubers, auf welche Art seine Offensive annulliert werden würde. Ein überlegendes Lächeln zierte seine Lippen, während er mit vor Neugierde brennenden Augen sein Experiment betrachtete. Was würde wohl passieren?
    Wie erwartet hatten die Attacken keinerlei Wirkung auf die Barriere des Adligen, welcher nun abermals ausholte, um mit einem vor Wut und Abscheu verzerrten Gesicht einige seiner Feenlicht-Verfolgungsprojektile zu entlassen. So übermütig wie eh und je schlug der Magier einige Saltos, um den durch die Luft zischenden Geschossen auszuweichen, während er noch im Manöver mit einigen weiteren, stärken Feuerbällen konterte. Es war zwar mehr als offensichtlich gewesen, dass dies auch in Zukunft nichts außer unnötiger Magieverschwendung auf seiner Seite zum Kampf beitragen würde, aber dennoch konnte er einige interessante Schlüsse aus den Beobachtungen ziehen. Auch jetzt erkannte Damian selbstgefällig grinsend, dass die Rückwirkung sich nicht von der vorherigen unterschied. Als die Flammenkugel sich dem Silberling näherte, zerbarst das Geschoss an seiner silbrig leuchtenden Sphäre, als wäre es eine Seifenblase und die einzelnen Feuerzungen leckten an der Lichtkugel. Doch anstatt sich in Luft aufzulösen und ein wenig Rauch in den Himmel zu entlassen, perlte seine Magie an der äußeren Schicht von Elias‘ Zauber ab und rollte wie ein Wassertropfen über die Fläche hinweg, bevor sie sich hinter dem jungen Viscount wieder vereinte und dort als Feuerball einer der Wände entgegen flog. Ein lautes Krachen zeugte von der schlussendlichen Zerstörung der Attacke.
    Der junge Magier lächelte zufrieden aufgrund der wertvollen Informationen, die er erhalten hatte und nun wie immer im Kampf schnell und analytisch verarbeitete, um sie zu seinem Vorteil nutzen zu können. „Diese Art der Abwehr lässt auf eine Oberflächenresonanz schließen, die Weise, in der meine Flammen über den Defensivzauber tropften, ist charakteristisch für Verteidigungsmagie dieser Kategorie“, folgerte er in wenigen Sekunden, indes wich er weiterhin geschickt den nun regelmäßig durch den Raum schneidenden Attacken aus und versuchte gleichzeitig Abstand zu dem Silberling zu wahren. Physischer Kontakt hatte sich schon davor nicht als gut für ihn herausgestellt.
    „Dann sehen wir mal, ob sich das Ganze noch weiter eingrenzen lässt“

    Damian schlug noch einige weitere stilvolle Saltos und Pirouetten, bevor er plötzlich herumwirbelte und wieder von seinem goldenen Stab Gebrauch machte. Dieser kreiste so schnell vor ihm, dass es wirkte, als schwebe eine runde Scheibe in der Luft, bereit ihm seinerseits gegen Angriffe von Elias als Schutzschild zu dienen. Sofort war sein Einsatz von Nöten, denn kaum hatte der Zauberschüler in der Bewegung inne gehalten, krachten auch schon mehrere Feenlicht-Attacken in seine absorbierende Barriere hinein, ohne welche der junge Mann jetzt vermutlich in zwei Teilen hätte nach Hause gehen können. Doch so nahm der ungewöhnliche und seltene Katalysator des Magiers nur die Kraft seines Gegners auf und begann in der hellen, silbernen Farbe von Elias‘ Magie zu leuchten.
    Jener hielt wegen der unerwarteten Wendung der Ereignisse kurz überrascht inne, reagierte jedoch mit bei weitem mehr Würde als es sein jämmerlicher Cousin zuvor getan hatte. Doch bevor der Adlige irgendetwas Anderes tun konnte, als kurz die neu eingetretene Lage zu überblicken, hatte Damian auch schon seinen Gewinn aus der leichten Verwirrung seines Gegners gezogen und mit einem kurzen Schnippen die gewaltige Kraft der Bannmagie „Spiegelndes Dreieck“ entlassen.
    Sofort blitzte der Stab strahlend hell auf und nur wenige Sekunden später raste die gesammelte Magie des Adligen mit einem lauten Zischen auf ihn zurück. Jener konnte nicht schnell genug ausweichen und so krachte das Feenlicht mit der vollen Breitseite in Elias hinein. Aber anstatt zu kollidieren und den Silberhaarigen auf den Boden zu schmettern, erklang plötzlich ein leises Ploppen und das Licht von Damians Attacke wurde von Elias‘ Schild absorbiert.
    Der Zauberschüler verzog kurz die Mundwinkel und seine Augen verengten sich, allerdings schaffte er es jedoch, sich einigermaßen schnell wieder zu fassen und begann abermals die neuerscheinenden Geschosse seines Kontrahenten mit dem goldenen Stab abzufangen. Es wäre ein Glücksfall gewesen, wenn sein vorheriges Manöver funktioniert hätte und die Glücksgöttin lächelte ihm leider nur in den wenigsten Momenten zu. „Und das, obwohl ich doch so ein Händchen für Frauen hab‘…“.
    Doch trotz allem hatte er eine weitere wichtige Erkenntnis aus dem gescheiterten Angriff gezogen. Sollte er jetzt einen weiteren Versuch wagen? War es wirklich nötig noch weiter nachzuforschen oder reichten seine Ergebnisse bereits aus, um den ultimativen Angriff zu wagen? In seinem Kopf ratterte es ununterbrochen, während er weiterhin Angriffen seines Gegners auswich oder sie absorbierte. Seine Gedanken waren zweigeteilt, als würde ein Kampf zwischen Logik und Verlangen toben, welcher ihn unentschlossen hin- und herwanken ließ. Einerseits hatte er zwar bereits eine grobe Idee davon, wie man den Zauber umgehen konnte, aber seine Theorie brachte auch ein gewisses Risiko mit sich, während er auf der anderen Seite endlich den Kampf beenden und von hier verschwinden wollte.
    Die schwere Luft machte ihm langsam zu schaffen und auch sein großer Magieverbrauch sowie seine immer mehr außer Kontrolle geratenen Verletzungen machten sich allmählich bemerkbar. Ein Blick auf seinen Gegner verriet ihm, dass auch diesem der Kampf an den Reserven nagte. Es wurde Zeit die Sache zu Ende zu bringen. Aber war es auch wirklich klug bereits jetzt aufs Ganze zu setzen? Ein Fehltritt bedeutete das Aus.
    „Naja … Dreifach hält besser!“, beschloss der Zauberschüler mit einem frechen Grinsen und aktivierte ein weiteres Mal die Kraft seines Stabes, um die Feenlichter zu entfesseln. Doch dieses Mal würde er die Sache anders als zuvor gestalteten. „Zeit für etwas mehr Abwechslung!“
    Erneut schoss der gewaltige Lichtstrahl, leuchtend hell wie die gebündelte Kraft der Sonne selbst, auf den Silberhaarigen zu, sich seinen Weg durch den schwefligen Rauch des Vulkans bahnen und dabei alle ihm entgegenkommenden Konterangriffe wie dünnes Papier zerfetzend. Doch trotz nähernder Gefahr wich Elias nicht aus, sondern blieb augenscheinlich ruhig im Angesicht der alles vernichtenden Attacke. Nicht Verwunderlich, wenn man in Betracht zog, dass ihm nichts weiter passieren konnte, seine Barriere war undurchdringbar und selbst dieser gigantische Feenlicht-Strahl würde sie höchstens stärken. So dachte der Adlige zumindest.
    Mit höchster Zufriedenheit beobachte Damian wie Elias kurz das Gesicht verzog und plötzlich ein überraschter Ausdruck in seine Züge trat, als ihm etwas Blut über die Wange lief. Obwohl der Zauberschüler den Anblick der roten Flüssigkeit nicht ertragen konnte, setzte er ein überaus schelmisches Lächeln auf. Nun hatte er endlich das letzte Puzzelstück, um diese Auseinandersetzung ein für alle Mal zu beenden. Zum Schluss war er doch überlegen und ein einzelner Stein hatte ihm den Triumph gebracht. „Dieser Kampf ist vorbei!“, sagte er sich selbst und er konnte nicht umhin, als etwas Stolz zu empfinden. Aber was sollte man auch anderes von ihm er erwarten? Er war schließlich, ohne Übertreibung, ein Genie.
    „Hey!“, rief er Elias jetzt fröhlich zu und wich mit spielender Leichtigkeit einigen weiteren Angriffen aus. In Damians Augen leuchtete die überlegende Gewissheit auf und er schenkte dem Silberling einen herablassenden Blick, während er weiterhin die Manöver seines Kontrahenten umging, als wäre das alles nur ein kurzweiliger Zeitvertreib. Das war es für ihn letztlich auch nur noch. Nichts, was Elias noch tun würde, könnte ihn aufhalten, er wusste, dass er gewonnen hatte. Also warum nicht noch ein wenig mit der Gefahr spielen, bevor er es endgültig beendete?
    „Ist das wirklich alles, was du drauf hast?“, fragte der Zauberschüler und mimte nun falsche Enttäuschung aus der man jedoch deutlich die Arroganz heraushören konnte. „Ich dachte, du wolltest es mir zeigen“
    Elias verzog das Gesicht zu einer zornigen Grimasse und biss die Zähne zusammen, während er immer härter mit seinem Schwert ausschlug, um somit noch mehr Angriffe zu entlassen. Eine Geste, die Damian nur ein mildes Lächeln entlockte, während er weiter fortfuhr seinen Gegner zu necken: „Vermutlich meintest du damit einfach nur, dass du mal wieder beweisen wirst wie lächerlich du in Wirklichkeit bist …“
    „Halt‘ die Klappe!“, brachte der Silberling zähneknirschend hervor und sein Blick wurde immer hasserfüllter.
    „Was, wenn nicht? Fängst du dann an zu heulen?“, rief der Magier dem Adligen entgegen und obwohl er so tat, als ob er über eine ganz normale Alltäglichkeit reden, konnte man trotzdem das schadenfrohe Vergnügen aus seiner Stimme heraushören. „Renn doch am besten zu deiner Schwester, da du ihr ja eh ständig am Rockzipfel hängst …“
    „Sei ruhig!“, antwortete Elias und der Ton seiner Stimme wurde mit jedem Wort gefährlicher. Damian spürte, dass er ihn langsam an die Grenze brachte. Sein Lächeln wurde breiter. „Kein Wunder, dass sie immer so angespannt ist, wenn ich sie wäre, hätte ich dich schon längst irgendwo ausgesetzt“, nahm er das Gespräch wieder auf und die grausame Belustigung in seinem Tonfall war kaum noch zu überhören, wobei er sich jedoch auch keine Mühe mehr machte sie zu verstecken. Dieser Wicht war einfach viel zu amüsant.
    „Halt‘ die Klappe!“, rief der junge Viscount und seine Stimme wurde lauter. Es war nur noch eine Frage von wenigen Augenblicken bis er explodieren würde. Ein plötzliches, markerschütterndes Grollen ließ Damian kurz zusammenfahren, doch er beruhigte sich schnell wieder. Offenbar wurde der Vulkan immer aktiver, denn das Magma blubberte nun ununterbrochen, als würde es gleich hochschießen und die beiden Kämpfer verbrennen, während immer schwärzerer und dichterer Rauch aufstiegen. Es wurde zunehmend gefährlicher, aber gerade das machte ja den Kick aus und außerdem hatte der junge Mann einfach zu viel Spaß, um jetzt alles zu beenden.
    „Wie schade, dass so eine wunderschöne Frau eine solche Schande wie dich zum Bruder hat“, seufzte Damian und schnippte sich in typisch eleganter Manier die Haare aus der Stirn. „Ich frage mich wie sie die Kindheit mit dir überlebt hat, denn …“
    Aber nun war der ohnehin schon dünne Geduldsfaden von Elias komplett gerissen. Mit einem Aufschrei, der nur vom lauten Brüllen des Vulkans übertönt wurde, befand sich Damian plötzlich in einem Sturm aus Lichtattacken, die allesamt auf ihn einprasselten. „HALT DIE KLAPPE, HALT DIE KLAPPE, HALT DEINEN VERDAMMTEN MUND!!!“, hörte Damian Elias‘ zornentbrannten Schreie, während er alle Mühe hatte zwischen dem gewaltigen Beben des Vulkans und den stetig auf ihn eindreschenden Angriffen irgendetwas zu erkennen, geschweige denn gute Konter auszuführen.
    „Du hast doch gar keine Ahnung! Du weißt gar nichts, nichts von uns! Du weißt nicht …!“, erklang die Stimme des Silberlings und es wirkte wie eine merkwürdige Mischung aus Trauer und Wut. Er hatte das Gesicht in den Händen vergraben und schien kurz vor einem kompletten Nervenzusammenbruch zu stehen. Sein ganzer Körper zitterte unkontrolliert, was bei dem hohen Magieverbrauch nicht weiter verwunderlich war und als er den Kopf wieder hob, konnte man erkennen, dass er kreideweiß geworden war, als hätte er zuvor einen Schock erlitten. Er schwankte in der Luft hin und her, es erschien fast so, als ob er sich nicht mehr lange halten konnte.
    „Wie es scheint, habe ich einen Nerv getroffen“, entgegnete Damian auf einmal trocken. Elias wirbelte erschrocken herum. Dort, hinter einer großen Aschewolke, schwebte der junge Zauberer, vor ihm sein rotierender, goldener Stab, der inzwischen so bedrohlich hell leuchtete, als ob es die Sonne selbst wäre.
    Der Magier konnte nicht umhin ein kurzes, zufriedenes Lächeln auf sein Gesicht schleichen zu lassen. Dank Elias‘ großem Ausbruch vorhin, hatte er genug Magie gesammelt, um seinen Plan endlich in die Wirklichkeit umzusetzen. Dazu kam noch der schöne Effekt, dass sein Gegner von dem konstanten Magieverbrauch während des Kampfes so geschwächt war, dass sein Schutzschild vermutlich leichter zerbersten würde als ein Kartenhaus. Mehrere Flammensäulen schossen nun von unten gen Himmel, ein paar nur wenige Meter von den beiden Kämpfern entfernt. Der Vulkan war kurz vor seinem Endstadium. Es wurde Zeit die Sache zu beenden.
    „Warum …“, brachte Elias mit vor Wut zitternder Stimme hervor und als er seine Hände zu Fäusten ballte, traten die Knöchel weiß hervor. „WARUM VERSCHWINDEST DU NICHT EINFACH!?!“
    „Mit Vergnügen!“, antwortete Damian grinsend, bevor er sich auf seinen finalen Angriff konzentrierte. Der vor ihm in der Luft wirbelnde Stab stoppte und blieb still zwischen Himmel und Erde schwebend, strahlender als die Sterne am Firmament. Langsam und majestätisch ergriff der junge Magier den Stab mit seinen beiden Händen und schloss die Augen, fast als wolle er meditieren. Nun begann auch er in einem unnatürlichen feurigrotem Glanz zu leuchten und es schien als wäre er nun ebenfalls von einer schimmernden Schutzschicht umgeben, während er weiterhin voll konzentriert wirkte, fast als könnte ihn nichts mehr aus der Fassung bringen. „Spiegelndes Dreieck: Infusion!“
    Um ihn herum erschien urplötzlich ein feuerroter Bannkreis, dessen Runen so intensiv glühten, dass man meinen konnte, jemand habe diese antiken Zeichen mit einer Flamme in die Luft geschrieben. Es hatte etwas Mystisches, fast schon Göttliches wie der junge Mann im Zentrum des Zirkels schwebte und von einem geheimnisvollen Leuchten umgeben war. Selbst Elias schreckte kurz in Ehrfurcht zurück, während sogar der wütende Vulkan vor Anspannung für wenige Augenblicke zu verstummen schien.
    Dann schlug Damian die Augen auf. Ein schelmisches Lächeln umspielte seine Lippen. „Flammenseele: Echsenschuss!“
    Der Vulkan explodierte.
    _ _ _
    23. Kapitel mit 3100 Wörtern. Sorry, dass es so spät kommt, hab schon wieder eine kleine Blockade ._.



    Feuerfrost


    Kaum waren die letzten Worte gesprochen, schon ging Damian in die Offensive. Dieser Kampf wäre vorbei, bevor er begonnen hatte. Mit einem selbstsicheren Lächeln auf den Lippen sammelte er einen kleinen Teil der durch ihn pulsierenden, magischen Kraft und leitete ihn in den goldenen Stab in seiner Hand. Normalerweise hielt er zwar nicht viel von Katalysatoren, aber für das Grobe konnte man sie ab und an schon gebrauchen. Schneller und schneller erhöhte das Gold seine Temperatur, da es immer mehr von der Kraft des Zauberers absorbierte, um sie schließlich geballt gegen seinen Gegner zu schleudern. Damian grinste. „Salamander: Feuerball!“
    Mit einem lauten Zischen entließ er seine konzentrierte Macht in Form leuchtender, großer Feuerbälle, die vom Ring des Mönchsstabes aus auf Elias zu schossen. Ihre Geschwindigkeit konnte sich zwar nicht mit den Feenlichtern messen, aber sie war dennoch beachtlich. Einer Miniaturausgabe der Sonne ähnelnd rasten sie auf den Adligen zu, bereit ihn in die Knie zu zwingen und den Kampf zu beenden. Damian wiegte sich bereits siegessicher.
    Doch dann stellte er auf einmal überrascht fest, dass seine Attacke sich plötzlich in Zwei gespalten hatte. Allerdings besaß er zu wenig Zeit, um sich darüber zu wundern, denn ein lautes Rauschen verriet ihm, dass etwas nicht stimmte. Er besaß ein ungutes Gefühl und tatsächlich konnte er sich gerade noch rechtzeitig nach hinten fallen lassen, bevor eine silbern leuchtende Lichtwelle über ihn hinweg sauste und dabei einige funkelnde Partikel in der Luft zurück ließ. „Was zur …?“, flüsterte der junge Mann verblüfft, da vernahm er abermals das Geräusch des Angreifers und rollte sich geschickt in der Luft zur Seite, aber zu langsam. Ein plötzlicher, stechender Schmerz an den Rippen verriet ihm, dass er gestreift worden war. Er kniff kurz die Augen zusammen, um den Schmerz unter Kontrolle zu bekommen. Wenn er jetzt seinen Instinkten nachgeben würde, würde seine Flugmagie sich in Wohlgefallen auflösen.
    Doch schon wieder kamen Schockwellen auf ihn zu, diesmal waren es drei auf einmal, die einen leuchtenden Schweif hinter sich her zogen. Damian schnalzte mit der Zunge und ließ sich nach unten fallen. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er alles andere als begeistert war, abermals Verfolgungsprojektile auf den Fersen zu haben. Dazu kam noch, dass diese Dinger weitaus gefährlicher und schneller aussahen als die Feenlicht-Jäger. Ein kurzer Blick zu seinem Gegner verriet ihm, dass dieser offenbar noch lange nicht sein gesamtes Repertoire ausgeschöpft hatte. Mit einem Blick als wollte er ein Blutbad sehen, hieb er immer und immer wieder mit seinem Schwert in die Luft ein und befreite mit jedem weiteren Schlag eine neue Attacke.
    „Sein Schwert dient ihm offenbar als Katalysator“, erkannte der Magier, während er mit einigen gewagten Manövern versuchte sich den Lichtangriffen zu entziehen, was sich aber als schwierig zeigte, da immer mehr und mehr Verfolger hinzukamen und er im Krater nur begrenzten Raum zum Ausweichen besaß. Die Wunde, die ihm zugefügt worden war, pulsierte immer noch schmerzhaft und trug nicht zur Verbesserung der Situation bei. Zwar benutzte er schon einen Teil der Magie, um die Impulse einzudämmen, aber da war ja auch noch der Schnitt, den ihm Adrian beigebracht hatte und auch dieser benötigte ein wenig Aufwand. „Wenn das so weiter geht, dann werde ich wohl landen müssen …“
    Mit einem Looping wich er drei Geschossen aus, die daraufhin in die Wand knallten, sodass einige Brocken abbrachen und in die Lava stürzten. Ein weiteres Grollen war zu vernehmen und das Blubbern unter ihnen schien stärker zu werden. „Was für eine prekäre Situation“, seufzte Damian innerlich und bereitete sich darauf vor, die Angriffe von Elias zu annullieren. Wenn sie vom gleichen Typus wie die Jäger-Attacken seines Cousins waren, dann würde es sich als leicht erweisen, sie loszuwerden. Allerdings durfte er diesmal nicht so viel Zeit für Spielereien verwenden, es war wichtig, dass er das hier zu Ende brachte.
    Neben sich hörte er wieder ein paar der Angriffe sich nähren und aus den Augenwinkeln erkannte er ihren silbrigen Glanz, der sich von dem roten Leuchten, das die Höhle erhellte, unterschied. Er lächelte kurz selbstsicher auf und schoss nach unten gen Boden, wobei er eine wirbelnde Schraube drehte, fast als wollte er sich den Stein bohren. Dann kurz bevor er das Kampffeld berührte, riss er sich wieder nach oben, um zu sehen, ob er Erfolg gehabt hatte. Zu seiner großen Zufriedenheit war tatsächlich ein Großteil der silbernen Geschosse in der Luft aneinandergeraten und zerplatzt, genau wie er es geplant hatte.
    „Also wieder das alte Spiel“, schloss er selbstgefällig, besaß jedoch keine Zeit sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen, da Elias bereits eine weitere Ladung seiner Angriffe entließ. „Eigentlich schade …“, fuhr er großspurig in Gedanken fort, während er zwei weitere Jäger aneinander raten ließ und damit einige weitere Explosionen auslöste. „Ich hatte mich im Grunde sogar auf eine Herausforderung gefreut. Aber was soll man schon von so einem Adelsschnösel erwarten?“
    Doch der junge Magier war zu unaufmerksam geworden, denn während er sich, hochmütig wie immer, bereits im Vorteil gewähnt hatte, war ihm ein weiterer Angriff gefährlich nah gekommen und hatte sein Bein gestreift. Da er nicht auf den Schmerz vorbereitet gewesen war, überraschte ihn der plötzliche Impuls, der durch seinen Körper schoss, umso mehr und er wankte in der Luft. Ganz kurz ließ er sich von der Wunde aus dem Gleichgewicht bringen, nur um es dann doppelt zu bereuen, da er sofort ein weiteres Mal gestreift wurde. Frustriert und versuchend den Schmerz zu unterdrücken biss er sich auf die Unterlippe und bemühte sich seine Magie wieder unter Kontrolle zu bringen, bevor er noch mehr Schaden davon tragen würde.
    „Es wird langsam Zeit, das Ganze zu beenden!“, beschloss er mürrisch und hoffte, dass ihm so ein grobes Missgeschick nicht nochmal passieren würde. Wenn der Kampf noch weiter andauern würde, müsste er aufs Fliegen verzichten, um sich auf das Duell zu konzentrieren und das wäre bei verfolgenden Attacken eher unvorteilhaft. „Verfolgungsmagie dieser Art hat eine ganz bestimmte Schwäche ...“, wiederholte er in Gedanken und begab sich wieder in den Sturzflug, die braunen Augen konzentriert und leicht verdrossen aufs Ziel gerichtet, „… und zwar meine Strategie Alpha!“
    Elias riss die Augen auf, als er erkannte, was der junge Magier vorhatte. Sein Gesicht verwandelte sich in eine aufgeregte Grimasse, was Damian mit einem spielerischem Lächeln erwiderte, während er direkt auf den Viscount zuschoss, die vielen Feenlichter direkt hinter sich. Der Braunhaarige beschleunigte, als er sah, dass sein Gegenüber wieder mit seinem Schwert ausholte, welches gefährlich hell leuchtete. Offenbar hoffte er Damian einen direkten Frontalschlag zuzufügen, während dieser versuchte seine Angriffe umzuleiten. Der Magier lächelte leicht auf und zog eine Augenbraue hoch. Verglichen mit ihm waren die Bewegungen des Adligen schneckenartig, zu langsam als das er rechtzeitig angreifen konnte. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bevor sie aufeinander treffen würden.
    „Du oder ich?“, fragte Damian rhetorisch aus, um dann kurz vor Elias wieder scharf nach oben zu fliegen. Ein lautes Krachen unter ihm, verriet ihm, dass sein Plan aufgegangen war. Es war ein weiteres Grollen vom Vulkan zu vernehmen, während eine große Rauchwolke ihm die Sicht auf seinen bemitleidenswerten Gegner verdeckte. Damian hatte sein blasiertes Lächeln aufgesetzt und meinte selbstzufrieden: „Ich.“
    „Wohl eher nicht!“, erklang plötzlich jedoch Elias Stimme und bevor Damian irgendetwas anderes machen konnte, als verwirrt dreinzublicken, schoss auch schon etwas aus dem Dampf heraus auf ihn zu, wobei die giftigen Nebel in der Luft entzwei gerissen wurden. Überrascht erkannte der Magier, dass es sich um eine gewaltige, magische Kugel aus silbernem Licht handelte, die ihm so schnell näher kam, dass er noch nicht einmal Zeit genug hatte, ein Ausweichmanöver zu planen. Innerhalb der Kugel befand sich Elias, der so ernst wie eh und je, die Augen voller Hass auf seinen Gegner gerichtet hatte und an dessen rechter Hand einer der unscheinbaren Ringe des Silberlings so hell leuchtete, als wäre es eine Sternschnuppe. Er hatte mit seinem Schwert ausgeholt, offenbar bereit zum Zuschlagen, sollte er sein Gegner in Reichweite kommen.
    Kurz bevor sein Angreifer ihm zu nahe kommen konnte, machte es endlich wieder Klick in Damians Kopf und er suchte nach einem Weg, der Kugel auszuweichen. Innerhalb weniger Sekundenbruchteile ging er alle ihm offenstehenden Möglichkeiten im Kopf durch, doch er war zu träge, der Angriff befand sich bereits direkt vor ihm. In kaum mehr als einem Wimpernschlag würden sie aufeinandertreffen und er war ungeschützt. Was sollte er nur tun?
    Reflexartig stieß er seinen Stab an die Kugel, spürte wie er auf etwas traf, dass ungefähr die Härte von Granit besaß und nutzte mit einer Mischung aus Verzweiflung und Aufregung seine letzte Chance. Das Adrenalin rauschte durch seinen Körper, sein Herz raste schneller als er es sich je hätte vorstellen können. Es war schon lange her seit er so einen Kick gehabt hatte, seit er sich in so einer aufreibenden Lage befunden hatte. Doch merkwürdigerweise störte ihn die erneute Erregung nicht, im Gegenteil. Diese Gefahr berauschte ihn wie ein guter Wein, seine Droge, die seine langweilige Realität auseinander riss. Wann hatte er sich das letzte Mal so gut gefühlt?
    Alles schien in der Zeit stehen geblieben zu sein, die dickflüssig wie Sirup dahin tropfte, aber dennoch erschien alles so unglaublich schnell. Es war so surreal, als ob er in eine Ekstase versetzt worden war. Mit einer einmaligen Kraftanstrengung, stieß der junge Magier sich mit Hilfe seines Stabes von der Kugel ab, flog langsam über sie hinweg, während sein Gegner nicht bemerkte, was geschah. Sein Herz raste vor Aufregung, während sein Gehirn wie ausgeschaltet zu sein schien, benebelt vor Freude und Panik. Seine Emotionen vermischten sich und ergaben einen wunderbar exzessiven Cocktail der Euphorie.
    Dann erkannte der junge Mann aus dem Augenwinkel heraus etwas, das ihn wieder zurück in das Reich der Logik riss, als ob er auf einmal mit kaltem Wasser bespritzt worden wäre. In seinem nun klaren Kopf formte sich sofort ein handfester Plan, um diesen Kampf wieder herumzureißen. Die hintere Seite von Elias‘ Schutzwall flackerte nur schwächlich, ein Hinweis darauf, dass er seine Magie nur vorne konzentriert hatte. Seine Rückendeckung war demnach erbärmlich und für Damian eine offene Stelle, perfekt für ein Gegenmanöver.
    Ohne weiter darüber nachzudenken, zog er seinen Stab mit sich und stieß die stumpfe Seite in den Lichtball. Lautes Knistern ertönte und Blitze zuckten plötzlich ohne Vorwarnung als kleine Schockwellen von dem Angriff weg, eine Reaktion der beiden aufeinandertreffenden Magien. Der Magier sammelte noch mehr Kraft in seinen Armen und leitete ferner auch noch eine größere Menge seiner magischen Reserven in die Attacke. Wenn er jetzt triumphierte, würde das, einem absoluten Sieg gleichkommen. Dann läge es einzig an Marie und ihrem Kampf und selbst wenn sie verlöre, Kleopatra würde sicherlich keine Herausforderung für den jungen Magier darstellen.
    Er zog die Augenbrauen zusammen und sein Blick traf jetzt auf den von Elias, der nun auch endlich gemerkt hatte, was sein Gegner vorhatte und mit allen Kräften versuchte ihn aufzuhalten. Sein Ring leuchtete stärker und intensiver denn je, ein Zeichen für die großen Anstrengungen, die der Silberling unternahm, um den Sieg zu erringen. Er hatte die Zähne zusammengebissen und hielt sich den Arm, in den er so viel Energie pumpte, dass die Adern hervortraten. Seine Augen verrieten seinen unermüdlichen Kampfgeist, doch auch Damian war nicht bereit kleinbeizugeben und sammelte seinerseits immer mehr magische Kraft in seinem Stab, sodass dieser inzwischen fast so stark strahlte wie der Ring Elias‘ und dazu auch noch kurz vor dem Schmelzpunkt zu sein schien. „Bald habe ich die Schmerzgrenze erreicht!“, analysierte er seine Lage, bevor er noch eine Welle Energie entließ, wodurch der Stab ein Stück tiefer in die Schutzhülle fuhr. Er grinste kämpferisch und flüsterte: „Ich bin am Gewinnen!“
    „Nein, ich!“, brachte sein Kontrahent hervor, wobei man die Anstrengung aus seiner Stimme heraushören konnte. Der Zauberschüler antwortete mit einem Schnalzen der Zunge und legte sein gesamtes Gewicht in den Angriff hinein. Der Druck war inzwischen so stark, dass auch der Vulkan jetzt heftig am Beben und Brodeln war, fast als stünde er kurz vor einem Ausbruch. Inzwischen waren Elias und Damian fast Stirn an Stirn, während ihr Haar aufgrund des starken Luftstroms, den der gewaltige Aufprall der beiden Mächte erzeugte, wild herumwirbelte. Aus ihren aggressiven Gesichtern sprach ihr Siegeswille. Beide Parteien waren nicht bereit aufzugeben.
    „Ich werde nicht verlieren!“


    Lautes Grölen begrüßte Marie als der Nebel sich verzog und sie ihr neues Schlachtfeld betrachten konnte. Sie hörte viele verschiedene Menschenstimmen, Frauen, Kinder und Männer, die sich alle zu einem aufgeregten Chor aus Erwartung und Erregung zusammenschlossen. Ihre Füße berührten sandigen Untergrund, während sie die plötzliche Helligkeit der Sonne blendete. Ihre Strahlen waren unangenehm wärmer als zuvor und schon bald war Marie viel zu heiß, sodass ihr die ersten Schweißperlen über die Stirn rannen. Die Luft war trocken und staubig und es war kein Vergnügen einzuatmen, da man schon bald Halsschmerzen bekam sowie das unglaubliche Verlangen, etwas zu trinken. Der Himmel über ihr war azurblau und nur einige weiße Wolken bedeckten ihn.
    Die Geräuschkulisse war inzwischen so unerträglich laut geworden, dass Marie sich die Ohren zu halten musste, um nicht einen permanenten Hörschaden davon zu tragen. Offenbar befand sie sich inmitten einer riesigen Arena wie sie sie schon in Geschichtsbüchern gesehen hatte. Auf den hohen, steinernen Tribünen saßen abertausende von Menschen, die allesamt hier zu sein schienen, um das Spektakel, dass in wenigen Augenblicken stattfinden würde, zu betrachten. Aus ihren Gesichtern sprach Vorfreude auf die kommende Gewalt, etwas, das Marie anekelte.
    Ihr gegenüber stand zu ihrem großen Missvergnügen Kleopatra, deren blondes, unordentliches Haar matt in der Sonne glänzte und die wohl ebenfalls nicht mit solch warmen Temperaturen gerechnet hatte. Ihr Blick verriet, dass auch sie nicht sonderlich erfreut war, gegen Marie antreten zu dürfen.
    „Was soll das?“, keifte sie wütend und wischte sich etwas Schweiß von der Stirn, während sie sich wütend umblickte und den kirschroten Kussmund missbilligend spitzte. „Warum bin ich hier mit der da?“
    „Das wüsste ich auch gerne …“, dachte sich die Rothaarige und schenkte der Blondine einen Blick der tödlichen Sorte. Dieses Miststück hatte ihre Schwester grausam besiegt und brutal zu Boden geschlagen. Sie wusste nicht wie ihr Bruder noch damit leben konnte, so ein Biest als Schwester zu haben. Laila hatte ihr nie etwas getan und sie hatte trotzdem keine Gnade walten lassen.
    Plötzlich schreckte Marie zusammen. Laila! Wo war sie? Hektisch blickte sie sich um, suchte nach einem Zeichen von dem schüchternen Mädchen, doch es war nichts zu sehen. „Wo ist sie? Wo kann sie nur sein?“, rief sie in Gedanken verzweifelt aus und sie spürte wie ihr Unmut immer weiter zu nahm und sich mit einer zweiten Emotion vermischte: Angst. Was wenn Laila etwas passiert war? Was geschah mit denjenigen, die ihre Kämpfe verloren hatten?
    „Damian!“, dachte sie alarmiert und hoffte, dass ihr Freund sie hören konnte. Er wusste sicher, wo man ihre Gefährtin hin transportiert hatte, daran bestand kein Zweife. Er kannte schließlich die Regeln. „Damian, antworte mir!“ Keine Reaktion. Was war nur los? War ihre Verbindung unterbrochen oder blockte er sie willentlich? Dieser dumme Pfau! Es war doch alles seine Schuld, seinetwegen war Laila verletzt worden. Wenn sie ihn danach in die Finger bekam, würde er sich wünschen, er hätte diese Dummheit nie begangen. Wenn Laila etwas passiert war, konnte sie das ihm nie verzeihen. Sie war das letzte bisschen Familie, das sie besaß und wenn sie wegen seinem Übermut jetzt verwundet worden war, dann musste er die Folgen tragen.
    „Der einzige Weg zu Laila zu kommen, ist, das hier schnell zu beenden!“, erkannte sie nach einer kurzen Zeit der panischen Wut und richtete ihren Fokus auf das blonde Gift vor ihr. Sie musste sie besiegen und diesem Wahnsinn so schnell wie möglich ein Ende bereiten. Außerdem hatte Kleopatra noch für ihre Grausamkeit zu zahlen. Das Mädchen straffte sich, den eiskalten Blick auf ihre Gegnerin gerichtet und ihr Schwert in Position. Sie würde diesen Kampf gewinnen.
    „Das möchte ich sehen!“, erklang plötzlich die verhasste Stimme Kleos in ihrem Kopf, offenbar hatte sie zuvor mitgehört. Auch sie hatte sich jetzt in Stellung begeben, die Peitsche im Anschlag und einen leuchtenden Ring am Finger. Sie würde also Magie benutzen. Dann wäre Marie im Nachteil, denn sie besaß keine magischen Fähigkeiten, während ihre Gegnerin ein ganzes Arsenal an Techniken beherbergte und zum Einsatz bringen würde. Das konnte sie nicht zu lassen.
    „Wir werden einen rein waffenbasierten Kampf führen!“, erklärte Marie kühl in Gedanken, weil das Johlen der Menge inzwischen zu laut geworden war, um sich gegenseitig auf herkömmliche Weise zu verstehen.
    „Natürlich nicht!“, entgegnete Kleopatra schnippisch und warf ihr Haar zurück, um der Rothaarigen ein arrogantes Lächeln zu schenken, welches jene mit abweisender Kühle erwiderte. „Ein Kampf ohne Beschränkungen!“
    „Das wäre aber ungerecht mir gegenüber!“, antwortete das Mädchen in Gedanken, obwohl sie genau wusste, dass dieses Argument nichts bringen würde. Als ob sich dieses boshafte Flittchen um Ehre und Anstand Sorgen machen würde. Tatsächlich antwortete sie wie erwartet mit einem arroganten Lächeln im Gesicht: „Heul doch, Kleine! Ich gewinne den Kampf so oder so, aber ich will es möglich schnell machen!“
    „Wenn das so ist, kannst du doch auch auf deine Magie verzichten!“, kam es wieder von Marie so kalt und zynisch wie immer. Sie musste sich beeilen und dieses Biest besiegen, um nach ihrer Schwester zu sehen. Ihre Laune war auf dem Tiefpunkt und in dieser Situation war nicht mit ihr zu Spaßen.
    „Nein, werde ich nicht!“, erwiderte die Blondine zickig und das Schnippische in ihrer Stimme verleitete das rothaarige Mädchen fast dazu, die Regeln einfach zu vergessen und sofort anzugreifen. Wie sie diese Art von Frauen verabscheute, diese kleinen Prinzessinnen, die glaubten, dass sich die ganze Welt nur um sie und ihre Wünsche und Bedürfnisse drehen würde. Nie kamen diese Püppchen darauf, dass es auch andere Menschen auf dem Planeten gab, die auch ein Leben hatten und nicht nur dazu da war ihres erträglicher zu machen.
    Doch sie beherrschte sich. Wer wusste, was geschehen würde, wenn sie die Auflagen dieser Illusion missachten würde und ein ungezügelter Wutausbruch half Laila in dieser Situation auch nicht weiter. So atmete sie einmal tief durch und beruhigte sich. Sie versuchte alles andere auszublenden, sich trotz der Umstände zu entspannen und ihren Geist treiben zu lassen. Ihre Großmutter hatte es ihr immer so beigebracht: Ruhe ist der Schlüssel. Wenn man nicht seine Fassung bewahrte, konnte man nie hoffen, irgendetwas zu erreichen. Sie durfte nie vergessen, sie war Leuten wie Kleopatra immer einen Schritt voraus und würde immer auf sie herabsehen können.
    Nachdem sie einigermaßen gelassen geworden war, öffnete sie sich wieder der Diskussion und meinte kühl: „Wir können diesen Kampf nur beginnen, wenn wir uns auf eine Art des Duells einigen. Andernfalls bleiben wir hier länger als nötig!“
    „Glaub ja nicht, dass du mit deinem Vorschlag durchkommst!“, fauchte Kleopatra uneinsichtig und schnaubte ungläubig auf. „Ich bleibe dabei, ein Kampf ohne Einschränkungen!“
    Marie seufzte kurz und ging in sich, nicht sicher, was sie jetzt noch tun sollte. Doch der Gedanke an ihre Schwester brachte sie in die richtige Richtung. „Ein Duell ohne Beschränkungen“, begann sie und begab sich in Kampfstellung, den bohrenden Blick auf ihre Gegnerin gerichtet. „Ich akzeptiere!“
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    22. Kapitel mit 3100 Wörtern. Sorry, dass es erst so spät kommt, ich war ziemlich unmotiviert in den letzten Tagen.

    Vorspiel


    Elias blickte schüchtern zu seinem Gegenüber herüber, während er unruhig auf seinen Zehen hin und her wippte. Das rothaarige Mädchen, Marie hieß sie, soweit er wusste, schenkte ihm einen bohrenden Blick, bevor sie sich wieder abwandte und mit zusammengepressten Lippen einen Baumstumpf in der Nähe betrachtete. Der Silberling war ebenfalls äußerst verunsichert und hatte sogar leichtes Schuldbewusstsein, dennoch wusste er überhaupt nicht warum. Schließlich war es seine Gegnerin gewesen, die Kleopatra vulgär beleidigt und angegriffen hatte, obwohl ihr nichts vorzuwerfen gewesen war. Sie hatte diese Laila vielleicht etwas hart rangenommen, aber das war sicher nicht absichtlich gewesen. Sie hatte sich verteidigen wollen und hatte dabei etwas überreagiert, aber das war noch lange kein Grund, sie wüst zu beschimpfen. Außerdem war es Laila gewesen, die den Kampf begonnen hatte, damit hatte sie Kleo provoziert, wie hätte sie anders handeln sollen. Warum musste seine zerbrechliche Schwester sowieso an dieser sinnlosen Brutalität teilnehmen?
    „Das ist alles nur die Schuld von diesem Damian!“, wütete der junge Mann in Gedanken und dachte voller Hass an den arroganten und eingebildeten Magier. „Schon seit er damals mit meiner Schwester gesprochen hatte, wusste ich, dass an dem irgendetwas faul war. Jetzt hat sich eindeutig bewiesen, dass er Kleo nicht würdig ist, schließlich lässt er sie hier einfach so kaltblütig kämpfen, obwohl sie solche Gewalt gar nicht verkraften kann!“ Schon allein, wenn ihm das überhebliche Grinsen dieses frauenaufreißenden Lügners vor dem geistigen Auge aufkam, hätte er am liebsten hineinschlagen wollen. Wie konnte er es nur wagen, sich an Kleo so heran zu schmiegen?! Nur weil sie hübsch, unschuldig, begabt und gutherzig war? Jeder Mann sah an der Blondine nur diese Oberflächlichkeiten, einzig Elias wusste ihre wahre Schönheit zu schätzen. Er musste sie vor solchen Leuten wie Damian beschützen, denn die würden sie nur eiskalt ausnutzen und dann zurücklassen. Sie wollten sie ihm wegnehmen, doch das würde er nicht zu lassen. Er schuldete ihr noch so viel …
    Der junge Viscount wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ihn aufs Neue die stechenden Blicke Maries trafen. Sie wirkte immer noch sehr bissig und ihr Mund war inzwischen eine gerade, schmale Linie, was nie etwas Gutes bedeutete.
    „Äh …!“, begann Elias sofort zu stammeln, während er spürte wie ihm das Blut in den Kopf schoss und er wild gestikulierend versuchte die Peinlichkeit der Situation etwas einzudämmen. Allerdings erschien es ihm so als verschlimmerte er alles nur. „Also … ähm … k-können Sie fechten?“, fragte er beklommen und vermied es das Mädchen direkt anzusehen. Stattdessen tat er so als würde er zu einer lustig geformten Wolke sprechen, die gravierende Ähnlichkeit zu einem Fuchs hatte.
    „Nein“, kam die einsilbige Antwort und die Atmosphäre näherte sich daraufhin in immer größer werdenden Schritten dem Gefrierpunkt. Elias zuckte fast zusammen als die eisige Antwort kam und er wagte es kurz in das Gesicht der Rothaarigen zu sehen. Zu seinem großen Entsetzen war ihr Blick offenbar noch missmutiger geworden und ihre Mundwinkel zuckten gefährlich, während sie die Augenbrauen zusammengezogen hatte und dem Adligen sehr düstere Blicke schenkte.
    Allerdings änderte sich, nachdem er ihr in die Augen geschaut hatte, überraschenderweise auf einmal die Art des Mädchens. Ihr Blick wanderte kurz von seinen Augen etwas weiter runter, bevor eine leichte Röte in ihre Wangen schoss, woraufhin sie kurz merkwürdig das Gesicht verzog und sich dann abrupt von dem Silberling abwandte, sodass er nur noch ihren feuerroten Haarschopf sehen konnte.
    Elias verwirrte das noch mehr, aber da ihr Gesicht nicht mehr ganz so verbissen aussah, fasste er neuen Mut und meinte: „Weil … ich würde lieber magische Gewalt vermeiden, weshalb ich fragen wollte, ob wir nicht ein waffenbasiertes Duell ausführen wollen …“
    Das Mädchen reagierte nicht und sofort fing der Starnoss-Sproß wieder panisch an wilde Gesten zu vollführen, um seine Nervosität zu überspielen, etwas, das ihm vollkommen misslang. Bevor er doch über die eigenen Worte stolpernd sich weiter blamieren konnte, unterbrach Marie, um das erste Mal, seit sie auf dieser Waldlichtung waren, eine mehrsilbige Antwort anzustimmen: „Ich kann zwar nicht Fechten, kann aber trotzdem mit meinem Schwert umgehen.“
    Mit diesen Worten nahm sie etwas aus ihrer Tasche, das große Ähnlichkeit mit einem Schwertgriff hatte und richtete es auf Elias. Dieser blickte kurz verwundert, doch dann drückte der Rotschopf einen Knopf an der Seite und mit einem leisen Zischen wurde eine lange, schmale Klinge ausgefahren. Das blankpolierte Metall glänzte im Sonnenlicht und wirkte dünner als ein Stück Papier. Der Silberling wirkte kurz überrascht, da man solche Technik in Aquea selten zu Gesicht bekam, lächelte dann unsicher und aktivierte den Ring an seinem Zeigefinger. Dieser leuchtete kurz silbrig auf und verformte sich dann seinerseits in ein langes Schwert, welches von einem schwachen, silbernen Glanz umgeben war. Dies war eine magische Schutzhülle, die verhinderte, dass er seine Gegnerin ernsthaft verletzen würde.
    Beide Kontrahenten standen sich nun gegenüber und starrten einander an. Marie wirkte kühl, aber missmutig, während Elias unsicher von einem Fuß auf den anderen trat und sich hemmte den ersten Angriff zu starten. Er wollte eigentlich gar nicht kämpfen und schon gar nicht gegen ein Mädchen. Man musste das andere Geschlecht mit Respekt und Höflichkeit behandeln, das hatte ihm seine Mutter immer gesagt. Aber was war in diesem Fall das Richtige? Vielleicht sah es die Rothaarige auch als Beleidigung an, wenn er sie nicht anständig bekämpfen würde. Fühlte sie sich dann womöglich nicht von ihm ernst genommen, weil er zauderte? War das der Grund, warum sie so schlecht gelaunt wirkte?
    „Äh, also …“, stotterte er verlegen und warf ihr einen peinlich berührten Blick zu, bevor er sofort wieder zu seinen Füßen sprach, weil ihr Blick so düster wirkte. „S-sollten wir nicht anfangen?“ Sofort wollte er, er hätte es nie gesagt. So ein unsensibler Weg seine Unsicherheit hervorzubringen, garantiert dachte das Mädchen jetzt sicher, er hätte die Subtilität eines Holzhammers.
    Erstaunlicherweise kam jedoch keine kühle oder harsche Antwort, sondern nur ein zittriges „J-ja“, sodass der Silberling verwundert aufblickte, um zu sehen, was los war. Doch fast, als würde sie sich genauso für das kurze Aufflackern von Scheu schämen, warf sie ihm einen umso kälteren Blick zu, als ob sie damit ihren Fehler von zuvor gutmachen wollte.
    Bevor Elias jedoch weitere Versuche unternehmen konnte, diese prekäre Situation irgendwie aufzulockern, erklang auf einmal die laute Stimme Kleopatras in seinem Kopf: „Wohin muss ich dir eigentlich treten, damit du endlich anfängst, du hirnloser Trottel?!“ Ihr Tonfall war harscher als normal, was etwas hieß, denn sie war auch sonst er forsch zu ihrem Bruder. Jener war jedoch nicht eingeschüchtert von der Ungeduld des blonden Gifts, sondern rief nur erfreut wie ein kleines Kind: „Kleo!“ Dann begann er sofort sich besorgt nach dem Zustand seiner geliebten Schwester zu erkundigen, um sicher zu gehen, dass ihr absolut nichts fehlte.
    „Halt‘ die Klappe, Elias!“, unterbrach Kleo seine rührenden Fürsorglichkeitsbekundungen jedoch sofort gereizt, woraufhin Elias sofort aufhörte, sich aber nicht davon abhalten konnte, innerlich erleichterte Freudensprünge zu machen. Seiner Schwester ging es gut und ihr war nichts passiert. Das war das Wichtigste.
    Dann traf sein Blick auf Maries und sofort zerbarst seine Fröhlichkeit in tausend kleine Scherben. Sie war plötzlich angespannt, ihr Gesichtsausdruck war zu einer Mischung aus Zorn, Bestürzung und Verbitterung verkommen, der dem Starnoss-Sprössling einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Natürlich, er hatte ganz vergessen, dass ihre Mannschaft nun einen Mitspieler verloren hatte und dazu noch ihre Schwester. Das musste sehr schwer für sie sein, er konnte sich kaum vorstellen, wie er sich gefühlt hätte, wenn Kleo die Verliererin gewesen wäre. Aber er war sich sicher, dass sie Laila nicht schlimm behandelt hatte, garantiert ging es ihr gut und sie war nur sanft in die Ohnmacht geglitten. Kleo würde schließlich nie zu sinnloser und übertriebener Gewalt greifen.
    Er wollte gerade Worte des Mitgefühls und der Versicherung, dass ihrer Schwester nichts passiert war, an sie richten, da wurde der Silberling ein weiteres Mal unterbrochen. Diesmal war es jedoch nicht die Blondine, sondern die verhasste Stimme dieses Damians. „Ich glaube das wird so nichts mehr …“, meinte er gelangweilt und obwohl Elias ihn nicht sehen konnte, hatte er sein schmieriges Grinsen genau vor Augen. Er konnte nicht glauben, dass sich seine Schwester zu einem Scharlatan wie dem hingezogen fühlte. Sicher hatte dieser schleimige Lügner sie mit einem Liebeszauber belegt! Andernfalls hätte sie sich niemals auf einen dreckigen Landstreicher wie ihn eingelassen.
    „Deine Komplimente ehren mich“, kam es nun amüsiert von dem Magier, sodass Elias spürte wie ihm das Blut in den Kopf schoss und er die Hände ballte. Diese arrogante Gewissheit in der Stimme des jungen Mannes brachte ihn jedes Mal aufs Neue zur Weißglut. Könnte er doch nur selbst gegen diesen Heuchler antreten, aber der Feigling hatte ihn ja gegen seine Freundin in den Kampf geschickt. So ein Widerling!
    „Dein Wunsch sei mir Befehl“, hüstelte der Zauberschüler wieder und schien das belustigte Kichern kaum noch halten zu können. Der Adlige knirschte mit den Zähnen, doch dann geschah plötzlich etwas vollkommen Unerwartetes. Sekunden zuvor hatte er noch auf grünem Gras gestanden und die Insekten zirpen gehörten, da löste sich alles um ihn herum auch schon in weißen Dampf auf und nahm ihm die Sicht. Er erschrak und trat hilflos um sich, doch nichts half. Es war fast so als wäre er schwerelos in einer Schwebe gefangen und konnte weder vor noch zurück. „Zeit, das Ganze etwas durchzumischen!“


    So elegant wie immer landete Damian auf der steinernen Plattform, die erschien, nachdem der weiße Nebel sich verzogen hatte. Neben ihm fiel Adrian eher schlecht als recht auf den kühlen, rauen Untergrund und blieb dort stöhnend liegen, woraufhin Damian ihm einen eher irritierten Blick, sich aber sonst nicht weiter mit dem Viscount beschäftigte.
    Offenbar befanden sie sich mitten in einem Vulkankrater. Weit unter ihm blubberte und dampfte die stechendrote Lava vor sich hin, bereit alles zu schmelzen, was auch wagte in seine Nähe zu kommen. Hohe, massive Steinwände ragten hoch hinauf, sodass der junge Magier über sich nichts weiter als ein kreisförmiges Stück nachtdunkles Firmament erkennen konnte, von welchem einzig die wenigen Sterne kalt und abweisend auf ihn herab funkelnden. Er verzog angewidert die Nase nachdem er kurz den unangenehmen beißenden Geruch eingesogen hatte und hustete, da ihm der Schwefel die Lunge verätzte. Was für ein wenig behaglicher Ort, an dem er seine nächste Schlacht ausführen musste. Hoffentlich konnte er diesen Kampf schnell hinter sich bringen.
    Ihm gegenüber materialisierte sich langsam Kleopatras Bruder, der sich verwirrt und aufgebracht umsah. Damian schenkte ihm zur Begrüßung ein Lächeln von falscher Freundlichkeit, bevor er, wieder sein ehrliches, überhebliches Grinsen auf dem Gesicht, einige Worte an ihn richtete. „Da du ja so darauf bestanden hast …“, begann er und schenkte dem Silberling, der jetzt selbst anfing zu husten, einen belustigten Blick, „… und deine Gegnerin offenbar auch keine Motivation besaß, um mit dir zu kämpfen, dachte ich mir, dass wir die Kampfpaare vielleicht mehr unseren Bedürfnissen anpassen sollten.“
    „Warum, du …“, brachte der junge Mann unter Zähneknirschen hervor, bevor er weiter fortfuhr zu husten, da der Vulkan nun ein gefährliches Grollen von sich ließ und der Dampf jetzt stärker als zuvor hervortrat. Es hätte beunruhigend sein können, wenn Damian nicht gewusst hätte, dass sich das ganze Szenario nur in ihren Köpfen abspielte. Es bestand absolut keine Gefahr, weswegen er recht entspannt in den Kampf gehen konnte. Auch der penetrante Gestank störte ihn nach wenigen Sekunden nicht mehr, da er aufgrund gewisser Ereignisse bereits gestählt auf solche Situationen reagieren konnte. Aden war während des Trainings nie pingelig gewesen. „Leider …“
    Elias indes tat sich schwerer mit den Umständen, schien sich jedoch auch langsam wieder aufzuraffen, da er anscheinend wieder genug Kraft besaß, um Damian einen hasserfüllten Blick zu zuwerfen, welchen jener mit einem herablassend amüsierten Lächeln erwiderte. Dieses Adelsbübchen würde genauso wenig eine Herausforderung für den jungen Magier sein wie sein Cousin. Dieser ging jetzt auch wieder seiner zweitliebsten Beschäftigung nach dem Betrachten seines Selbst nach: Rumjammern.
    „Ah!“, rief er als hätte man ihm eine tödliche Wunde zugefügt, während er sich auf dem Boden hin und her rollte und theatralisch die Hände gen Himmel streckte. „Licht!“, hauchte in absurder und vollkommen überdrehter Dramatik auf. „Ich sehe ein Licht!“
    „Das sind die Sterne“, kam es trocken von Damian, doch der Silberling schien die überspitzten Gebärden seines Verwandten weitaus ernster zu nehmen, als er es eigentlich hätte tun sollen. Er rannte zu dem jungen „von Goldhall“, offenbar um nachzusehen, ob es ihm gut ging und rief besorgt: „Adrian!“
    „Elias!“, antwortete jener pathetisch und ergriff schwach die Hand des anderen, während er den zweiten Arm weithin zum Himmelszelt hin gestreckt hatte. „Auch wenn mein Leben schwinden wird …“, röchelte er als wäre es sein letzter Todeshauch und ließ nun schwach seinen Arm sinken, um dann weiter zu lamentieren, „… bin ich bereit zu gehen! Denn solange die Erinnerung …!“
    „Kannst du die lächerlichen Teile überspringen und zum Punkt kommen?“, unterbrach ihn der Magier gelangweilt, während er sich eine Strähne aus dem Haar schnippte und die Augenbrauen gehoben auf seine Gegner herabblickte. Das Gerede ermüdete ihn und er wollte endlich einen halbwegs annehmbaren Kampf haben. Ansonsten hätte sich der Ausflug ja überhaupt nicht gelohnt.
    „Ruhe!“, fauchte Adrian und richtete sich plötzlich mit aufgebrachtem Blick auf, endlich sein Schmierenschauspiel fallen lassend. „Du versaust mir meinen Moment im Rampenlicht!“
    Doch bevor er fortfahren konnte, weiterhin den Sterbenden zu spielen, wurde sein Körper auf einmal in ein helles Licht gehüllt, sodass Elias erschrocken zurückstolperte. Der Goldhall-Nachkomme riss entsetzt die Augen auf, als sich sein Körper langsam begann aufzulösen. „Was passiert hier?“, quiekte er angsterfüllt und versuchte aufzustehen, doch seine Beine waren bereits verschwunden. „Nein, ich will nicht …!“
    „Hast du nicht gerade eben noch etwas davon gefaselt, dass du bereit bist zu gehen, oder so?“, kommentierte Damian trocken und spielte geistesabwesend mit seinem Stab herumspielte. „Du kannst dich freuen, weil du nämlich ein absoluter Verlierer bist, schmeißt dich die Illusion jetzt raus aus dem Spiel.“
    „Was, aber …!“, begann Adrian bestürzt, bevor auch schon sein Oberkörper sich in gleißendes Licht auflöste und seine Stimme langsam verschwand. Das Letzte, was man noch von den hohen Wänden widerhallen hören konnte, war ein schwülstiges: „Räche mich, Elias!“ Danach war die hohe, jungenhafte Stimme des Lords endlich verstummt.
    „Bin ich froh, dass der nicht mehr da ist“, seufzte Damian erleichtert, da ihm der junge Viscount bereits gehörig auf die Nerven gegangen war und er jetzt zuletzt seine Ruhe hatte. Naja, fast. Elias war schließlich noch da und sein Gesichtsausdruck verriet, dass er alles andere als gut zu sprechen auf den jungen Magier war. Damian schenkte ihm als Erwiderung ein weiteres freches Grinsen, bevor er sich abermals in die Lüfte erhob, um etwas über seinem Gegner zu stehen. „Also?“, fragte er und die Arroganz in seiner Stimme war kaum zu überhören. „Wollen wir anfangen?“
    „Du…“, zischte Elias erzürnt und in seinem Blick war eine Nuance, die man durchaus als blanken, ungezügelten Hass bezeichnen konnte. Ein wenig übertrieben, wie Damian fand, schließlich hatte er sich nur mit seiner Schwester amüsiert und sie hatte den ersten Schritt gemacht. Was wollte dieser Wicht also eigentlich?
    „Was hast du gemacht?!“, schrie der Silberling wütend zu Damian hoch und brachte sich gleichzeitig in Kampfstellung, während er seinen Gegner weiterhin voller Abscheu in den Augen fixierte. Der junge Zauberer rollte mit den Augen. War der Typ schwer von Begriff oder brauchte er einfach nur einen Grund, um ihn anzubrüllen.
    „Hier die Kurzversion: Da du und Marie nichts auf die Reihe gekriegt habt, nahm ich mir die Freiheit, den Kampf aufzulösen und euch beiden neue Partner zu zuteilen“, erklärte er kurz desinteressiert, während er auf seinen Kontrahenten herabblickte und seinen Stab herumwirbeln ließ. „Das mit dem Ortwechsel hatte ich aber nicht geplant. Es scheint, als würde sich die Illusion mit jedem neuen Duell ebenfalls verändern.“
    Die Augenbrauen weiterhin wie zwei Pfeile zusammengezogen, durchbohrte der Blick des Silberlings den fliegenden Magier, der seinerseits weiterhin höchst ungerührt den Adligen betrachtete und ihn nicht für voll nahm. Was konnte diese Memme schon ausrichten?
    Nach einer kurzen Pause, auf die eine angespannte Stille folgte, erhob er wieder seine Stimme und fragte kurz herablassend: „Ein Kampf ohne Regeln? Es soll schließlich schnell gehen.“ Das selbstsichere Lächeln auf seinen Lippen verriet, dass er sich seines Sieges gewiss war, was Elias offenbar noch wütender machte, denn er rief ihm nun zornig entgegen: „Es ist alles nur deine Schuld! Deinetwegen …“
    „Können wir die großen Worte sein lassen?“, unterbrach ihn Damian desinteressiert, machte sich innerlich aber schon auf den Kampf bereit. Diesmal wollte er gleich hundert Prozent geben. „Ich hab Besseres zu tun als hier zu stehen und mit die Atemwege zu zerstören.“
    Der Silberling ballte erzürnt die Hände zu Fäusten, sodass die Knöchel weiß hervortraten und er schrie seinem Gegner hitzig entgegen: „Du wirst noch bereuen mich unterschätzt zu haben!“
    „Das will ich sehen.“
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    21. Kapitel mit 2800 Wörtern.

    Ketten und Peitschen


    „Okay, bringen wir das schnell hinter uns!“, seufzte Kleopatra genervt, während sie herablassend wie eh und je auf ihre Gegnerin starrte. Dieses blonde Gör besaß nicht mal den Hauch einer Chance gegen sie. Sie musste sie jetzt nur schnell abfertigen und dann konnte sie endlich zu ihrem Damian. Außerdem war es hier kalt und unschön, kein Ort an dem sie lange bleiben wollte.
    „O-okay!“, antwortete das Mädchen unsicher und brachte sich in Kampfstellung, die Fäuste gehoben und schützend vor ihrem Oberkörper positioniert. Kleo lächelte hochmütig und zog belustigt eine Augenbraue hoch. Glaubte dieses dumme Ding etwa tatsächlich sie würde sich auf ihr Niveau herunterlassen und mit ihrem Körper kämpfen? Wenn ja, dann hatte sie sich mächtig geschnitten, denn die Viscountess zog jetzt eine zusammengerollte Peitsche von ihrem Gürtel und ließ sie einmal laut und bedrohlich knallen, sodass das Mädchen eingeschüchtert zusammenzuckte.
    „Wir kämpfen ohne Beschränkungen!“, rief die Blondine und es war keine Frage sondern eine Feststellung. Sie bestimmte hier die Regeln, schließlich würde sie sowieso gewinnen. Sie kräuselte ihren kirschroten Kussmund. Das sollte amüsant werden.
    „Gu-gut!“, kam es stotternd von der Anderen, die nach wie vor dort stand und anscheinend nicht vorhatte aus der Defensive zu kommen. Kleo biss sich genervt auf die Unterlippe. Was sollte das, jetzt musste sie auch noch die Initiative ergreifen? „Naja, Damen zuerst …“
    Sie hob ihre rechte Hand und sammelte dort ihre magische Kraft. Sofort begann der in ihren am Mittelfinger steckenden Ring eingefasste Saphir herrlich blau zu leuchten, im himmelblauen Ton ihrer Augen. Die Blondine setzte ein arrogantes Lächeln auf und durchbohrte ihre erschrockene Kontrahentin mit einem eiskalten Blick bevor sie rief: „Nun dann, Nixes Zeitvertreib!“
    Über ihrer dem Himmel zu gestreckten Hand erschien ein hellblauer, leuchtender Wasserball von der Größe einer Melone, den sie mit einem eleganten Schlenker ihrer feingliedrigen Hand ihrer Gegnerin entgegen schmetterte. Jene blickte für einen kurzen Moment so als hätte sie der Blitz getroffen, doch dann wich sie mit einem gewagten Hechtsprung zur Seite hin aus, sodass Kleo verstimmt die Nase rümpfte. Doch das war noch längst nicht alles, denn anstatt wieder stehen zu bleiben und auf den nächsten Angriff zu warten, rollte sich die Konkurrentin geschickt ab, was die Viscountess natürlich nicht anerkannte, und schien sich nun auf den alten Spruch „Angriff ist die beste Verteidigung“ zu besinnen. Denn jetzt stürmte sie auf Kleopatra zu und ihr Gesicht hatte das letzte bisschen Furcht verloren, sie schien jetzt vollkommen konzentriert zu sein. Die Adlige zog abfällig eine Grimasse und schleuderte der Angreiferin nun einige weitere Wasserbälle zu, doch das Mädchen wich allen geschickt aus, sodass sie nur den eisigen Boden trafen und dort in ein paar Tropfen und Schneesplitter zerplatzten.
    Das blonde Gör war Kleopatra inzwischen bereits ganz nah gekommen und holte gerade zu einem gewaltigen Faustschlag aus, der die Lady sicherlich mitten in den Magen getroffen hätte. Da Kleo das nicht im Entferntesten erwartet hatte, stolperte sie entsetzt ein paar Schritte zurück und wäre wegen ihres fehlenden Absatzes beinahe beinah auf dem Gesäß gelandet, bevor ihr wieder bewusst wurde, dass sie eine Peitsche in der Hand hatte. Mit einem lauten Aufschrei holte sie aus und ließ ein weiteres lautes Knallen ertönen. Sie hatte ihre Gegnerin an der Hand getroffen, die jetzt einen roten Streifen aufwies, und ihr war es somit gelungen, die Attacke zu stoppen. Reflexartig schlug Kleo gleich ein weiteres Mal zu, diesmal traf sie das Mädchen im Gesicht, sodass diese schmerzerfüllt aufschrie und sich schützend die Hände vor die Augen hielt, die angefangen hatten zu tränen. Doch die Viscountess war jetzt in Rage gekommen, sodass sie die Andere brutal mit einem Fußtritt von sich weg stieß und wütend keifte: „Nixes Wut!“
    Ein heftiger, dicker und kochendheißer Wasserstrahl wurde von ihrem Ring entlassen und schoss auf die am Boden Liegende zu, die sich verwirrt und verschreckt umblickte. Tränen des Schmerzes liefen ihr über die Wangen, denn sie schien nicht mehr solch harten Schlägen gerechnet zu haben, da wurde sie auch schon von Kleopatras magischer Attacke getroffen und nach hinten geschleudert, wo sie reglos liegen blieb.
    „Laila!“, schrie plötzlich eine schrille Mädchenstimme so laut in Kleos Kopf, dass die Adlige erschrocken zusammenfuhr. Das war die Stimme dieser rothaarigen Vogelscheuche, die Schwester des blonden Görs, gewesen. Warum musste sie sich denn jetzt einmischen, als wäre das irgendetwas Schlimmes oder Weltbewegendes gewesen.
    „Kleo, hättest du das nicht vielleicht etwas sanfter machen können?“, erklang nun auch Elias flehentlich verzweifelte Stimme, sodass sie genervt ihre Augen verdrehte und sich wünschte, diese Memme wäre nicht da. Dieser nervige Giftzwerg war das Letzte, was sie gerade brauchte, weshalb sie auch wie üblich fauchte: „Halt die Klappe, Elias! Ist ja nicht so, als hätte ich sie umgebracht!“
    „Nicht umgebracht!“, empörte sich das Mädchen in ihrem Kopf und ihre Stimme zitterte vor unterdrückter Wut, was in Kleopatra kühle Belustigung hervorrief. „Du hast sie ins Gesicht gepeitscht, du dummes Flittchen!“
    „Hey!“, rief der Silberling wütend und die Blondine hoffte, dass er sich jetzt endlich mal gehen lassen und seine Gegnerin fertigmachen würde, doch da wurden sie alle auch schon durch das zittrige Stimmchen Lailas unterbrochen: „Bitte! Hört auf zu streiten!“
    Kleo lächelte überheblich und wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen wieder dem blonden Gör zu. Jene war jetzt abermals schwankend auf die Beine gekommen und klopfte sich etwas Staub vom Kleid, wobei sie der Adligen einen missmutigen Blick zuwarf. Ein langer, roter Striemen, der sich quer über ihr Gesicht zog, zeugte von Kleopatras Peitschenschlag, doch offenbar schien der Schmerz nachgelassen zu haben oder sie hatte sich einfach besser unter Kontrolle, denn das Mädchen schien diese Verletzung auf einmal nicht weiter zu stören. Stattdessen begab sie sich in eine Art Gebetsstellung, sodass das blonde Gift amüsiert die Mundwinkel verzog. Was sollte das jetzt? Hoffte dieses dumme Ding etwa, da sie durch Beten irgendetwas erreichen könnte? Lächerlich!
    „Laila!“, hallte Maries Stimme in der Verbindungsplatzierung erneut und ihr Tonfall verriet eine Mischung aus Besorgnis und Erleichterung. „Laila, geht es dir gut! Sollen wir den Kampf abbrechen?“
    „Ist schon in Ordnung, Schwesterherz!“, flüsterte die Blondine, die sich aufgerichtet hatte und die Hände immer noch vor der Brust gefaltet hatte, als wolle sie die Sonne und ihren König anrufen. Doch zu Kleos großem Entsetzen blieb es nicht dabei. Stattdessen begann sie jetzt plötzlich in einem warmen, dunkelgrünen Ton, der der Farbe eines Waldes im Frühling glich, zu leuchten. Ihr Kleid und Haarband begannen nach oben zu schweben, als ob von unten ein Wind käme, bevor schließlich Laila selbst abhob und sich von der Erde loslöste. „Ich war unvorsichtig und habe vergessen Großmutters geheime Technik anzuwenden“, hauchte sie jetzt weiter und in ihren Worten schwang Trauer und Schuld mit, während ihr Gesicht sich entspannte, sodass sie aussah als würde sie friedlich träumen. Kleo hatte fassungslos die Augen aufgerissen, derweil war sie weiter zurückgetaumelt und stammelte: „Das … was ist das?“
    „Tut mir leid, dass ich dir Sorgen bereitet habe“, fuhr Laila fort und näherte sich wieder dem Boden, ihre Verletzungen indes verheilten zu Kleopatras großem Schrecken binnen weniger Wimpernschläge. „Ich verspreche dir …“ Ihre Füße berührten den Boden und das Leuchten ließ nach, auch wenn sie immer noch von einem gewissen Glimmen umgeben war. Mit einem Mal schlug sie wieder die Augen auf und ihr Blick war anders, selbstsicherer und bereit zum Kampf. Dann beendete sie ihren Satz so klar und laut, dass es jeder hören konnte: „Ich gewinne!“ Kleopatra erschauerte.
    „Das wirst du!“, kam Maries sanfte Antwort und aus ihrer warmen Stimme klang das viele Vertrauen heraus, welches sie in ihre Schwester hegte. Danach brach die telepathische Verbindung abermals ab und die beiden Blondinen waren erneut allein miteinander.
    Kurze Zeit später richtete Kleopatra sich wieder auf und setzte nochmals ihr arrogantes und herablassendes Lächeln auf. „Das Kleinkind hat jetzt also gelernt hart zu reden!“, meinte sie laut und ließ ihr schrilles, lügnerisches Lachen über die ganze Eiswüste hallen. Dieses Mädchen konnte ihr keine Gefahr werden, warum machte sie sich Sorgen. Sie hatte alles unter Kontrolle. „Große Worte!“, schrie sie ihr zu und ihre Stimme wurde immer greller und durchdringender, während sie sich über ihre Gegnerin ausließ. „Aber …“, meinte sie abschließend und ihr falsches, zähneblitzendes Lächeln wurde noch breiter und künstlicher, „… jetzt möchte ich Taten sehen!“
    Ohne weitere Vorwarnung stürmte Laila daraufhin auf Kleo zu, die, aufgrund der plötzlichen Aktionsfreude ihrer Kontrahentin, verwirrt die Augen aufriss, sich im nächsten Moment aber wieder fasste und bedrohlich die Peitsche knallen ließ. Doch zu ihrem großen Erstaunen schien ihre Konkurrentin die direkte Methode inzwischen abgelegt zu haben, denn anstatt sie geradlinig anzugreifen, warf sie der Blondine stattdessen ein paar Kugeln zu. Die Viscountess, die aus Instinkt heraus die Arme vors Gesicht nahm, bemerkte nicht wie die Kugeln vor ihr landeten und sofort einen dichten Rauch absonderten. Kleopatra hustete und verlor jegliches Orientierungsgefühl, da wurden ihr plötzlich die Beine unter dem Körper wegschlagen, sodass mit einem unintelligenten Geräusch und einem sehr überraschten Ausdruck auf dem sonst so selbstgefälligen Gesicht auf den eiskalten, harten Boden unter ihr knallte. Doch kaum hatte ihr Rücken den Untergrund berührt, schon wurde sie gewaltsam auf den Bauch gedreht und ihre Hände festgehalten.
    Nach einem kurzen Moment der Überraschung bemerkte die junge Adlige, dass man sie auf dem Boden fixiert hatte. Wütend kreischend strampelte sie um sich und versuchte sich zu rollen, um der Gefangenschaft zu entkommen, doch all ihre Versuche waren sinnlos.
    „Das ist der dritte geheime Griff einer uralten Technik, die mir meine Großmutter beigebracht hat“, erklärte Laila ruhig und ohne sich von dem Krakeelen ihrer Gegnerin aus dem Konzept bringen zu lassen, während sie sie weiterhin auf dem Eis internierte. „Du kannst nicht entkommen.“
    „Nein!“, brüllte das blonde Gift zornig, wobei sie versuchte das Mädchen mit ihrem verbleibenden Absatz im Gesicht zu treffen und ihr dabei ein Auge auszustechen. Sie würde nicht gegen so ein dummes Miststück verlieren und vor allen nicht auf so erbärmliche Weise! Sie musste sich irgendwie befreien. Wütend sammelte sie ihre Magie ein weiteres Mal in ihrer Hand und sie spürte wie der Saphir ein weiteres Mal hell leuchtete: „Nixes Eifersucht!“
    Vor ihrem Ring bildete sich ein Pfeil aus Wasser, der, nachdem Kleopatra diese Worte geschrien hatte, sich rasend schnell in Bewegung setzte und direkt auf Laila zu schoss. Diese konnte nicht schnell genug reagieren und wurde deshalb direkt in die Brust getroffen, wo der Pfeil explodierte und sie hoch in die Luft schleuderte.
    Kleo, die nun wieder frei war, hechtete hastig zu ihrer Peitsche, die einige Meter von ihr entfernt lag und hob sie auf, bevor sie sich wieder ihrer Gegnerin zuwandte, die jetzt mit einem lauten Krachen auf dem Eis aufgekommen war. Die Blondine setzte wie so oft schon ein spöttisches Lächeln auf, wobei sie mit ihrem typischen herablassenden Funkeln in den kühlen, blauen Augen abfällig betrachte wie das blonde Mädchen wieder zitternd auf die Beine kam. Auf ihrer Brust war nun ein roter Fleck zu sehen, ein Überbleibsel von Nixes Eifersucht.
    „Mich wundert, dass du noch stehen kannst!“, rief die Viscountess ihr nun hochnäsig zu und gab ein weiteres helles, künstliches Lachen von sich, bevor sie die Andere abermals mit ihren eisigen Blicken durchbohrte. „Nixes Eifersucht ist eigentlich dazu konzipiert einen ausgewachsenen Mann bewusstlos zu schlagen, warum bist du also so schnell wieder auf den Beinen?“
    „Weil ich gewinnen werde!“, antwortete Laila ernst und wollte schon den nächsten Angriff starten, da verlor sie urplötzlich den Halt unter den Füßen und viel abermals auf den kalten Grund. Kleopatra ließ noch ein schrilles, boshaftes Lachen durch die Eislandschaft hallen, bevor sie mit einem Schnipsen ihrer langen Finger Laila in die Luft katapultierte und zu sich schweben ließ. Das Mädchen verzog ihr Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse, während sie kopfüber in der Luft baumelte und verzweifelt versuchte ihr Kleid davon abzuhalten, der Schwerkraft nachzugeben. Um ihre Füße hatte sich eine aus Wasser bestehende Kette gebunden, die offenbar stark genug war, sie zu halten und bewegungsunfähig zu machen.
    „Dachtest du wirklich, man könnte mich so einfach besiegen?“, fragte das blonde Gift sie nun mit niederträchtiger Belustigung und die Tücke in ihren Worten sprang einen geradezu an, bevor sie ein weiteres gehässiges Lachen von sich gab. „Meine Attacke Nixes Verführung kettet jeden Mann geradezu an mich. Weißt du, ich liebe es abgöttisch mit Ketten und Peitschen zu spielen!“
    Mit diesen Worten ließ sie ihre Waffe ein weiteres Mal knallen, gefolgt von Lailas gepeinigtem Aufschrei. Mit der Freude des bösen Vergnügens in den Augen beobachtete Kleo jetzt, wie die Striemen, die ihr Schlag dem Mädchen zugefügt hatte, langsam verschwanden. Nun wurde der Adligen alles klar. Dieses merkwürdige Gebet hatte eine heilende Schutzschicht um das blonde Gör herum aufgebaut, was verhindert hatte, dass sie von ihren Attacken außer Gefecht gesetzt wurde.
    „Wenn dem so ist …“, flüsterte Kleo und das Funkeln in ihren eisigen Iriden wurde noch eine Spur boshafter, „… brauche ich mich ja gar nicht mehr zurückzuhalten!“ Die Furie in ihr war erwacht. Mit einer ausgestreckten Hand sammelte eine gewaltige Masse an magischer Kraft in ihrem Ring, sodass dieser stärker leuchtete als jedes Licht, dass Adrian je hätte produzieren können, und hielt ihren Katalysator nun direkt vor Laila Gesicht. Jene hatte einen flehentlichen und verzweifelten Gesichtsausdruck aufgesetzt, ihre Augen, die zuvor noch so selbstsicher gewesen waren, zeugten jetzt von ihrer großen Angst. Doch kein Bitten und Betteln kam über ihre Lippen und Kleopatra hatte nicht vor Mitleid zu zeigen.
    „Nixes Wut!“, rief sie mit einem herzlosen Lächeln auf den Lippen und entließ damit ihre gigantische Attacke. Ein Strahl von der Dicke eines Baumstammes, bestehend aus kochendheißem Wasser, schoss auf das blonde Mädchen und traf sie mit der vollen Breitseite. Sie wurde gewaltsam zurück geschleudert, die Wassermassen ließen sie durch die Luft fliegen wie eine Stoffpuppe, bevor sie mit einem lauten Krachen gegen einen Eisberg knallte, der sofort begann bei der enormen Hitze zu schmelzen. Sie wurde noch ein paar Sekunden von der schieren Wucht der Attacke gegen das Eis gepresst, bevor die Viscountess von ihr abließ. Sofort sackte sie bewusstlos zusammen, was aufgrund der Brutalität, mit der ihre Gegnerin vorgegangen war, nicht weiter verwunderte.
    Kleopatra hatte jetzt ihr selbstgefälliges, breites Lächeln aufgesetzt und meinte herablassend: „Spiel, Satz und Sieg!“
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    20. Kapitel mit 2300 Wörtern. Startpost aktualisiert.

    Styx


    „Oh, ich kann nicht mehr!“, beschwerte sich Adrian, während er das Ruder unsinnig und dazu noch vollkommen falsch ausgeführt, durch das dunkle Wasser pflügen ließ. „Ich krieg‘ keine Luft mehr, mein Kopf tut weh und mein Rücken auch!“
    „Hör auf mit der Heulerei, du Memme!“, fauchte Kleo, die seit dem Zwischenfall mit dem Bootsmann verständlicherweise nicht mehr die beste Laune hatte, was davor aber auch nicht der Fall gewesen war. Vor ihr gab eine Laterne, die am Bug des Bootes befestigt war, schwach ein bläuliches Leuchten von sich. Sie war angegangen, nachdem das Gefährt sich in Bewegung gesetzt, vermutlich ein magischer Mechanismus, der von der Kraft des Ruderers abhängig war. Ihre klägliche Lichtstärke war ein Armutszeugnis von Adrians halbherzigen Bemühungen.
    „Du machst es falsch!“, meinte Elias nun streng an seinen Cousin gewandt, während er ebenfalls am Rudern war, sich dabei jedoch weitaus geschickter anstellte. „Du brauchst eine andere Technik …!“
    „Mach‘ es doch besser!“, entgegnete der junge „von Goldhall“ bissig, hörte jedoch nicht auf es weiterhin falsch auszuführen. Statt dem Beispiel des Silberlings zu folgen, nörgelte er weiter darüber, dass ihm alles wehtat und warum gerade er diese schweißtreibende Arbeit bekommen hatte. Der Starnoss-Sprössling biss sich wütend auf die Lippe, versäumte es aber weiter zu argumentieren, da er wusste, dass man Adrian in dieser Stimmung nicht zur Vernunft bringen konnte. Eher hätte er mit einem Stein streiten können.
    Kurze Zeit später war es dann auch soweit, der Viscount-Nachkomme stoppte vollkommen und widmete sich statt seiner Aufgabe lieber seinem Spiegelbild. Er atmete als wäre er gerade eben zwei Stunden am Stück gerannt, obwohl sie gerade mal fünf Minuten unterwegs gewesen waren und versuchte wie üblich erfolglos sein Haar herzurichten. „Was tut dieser Idiot!“, empörte Elias sich in Gedanken und warf dem Faulenzer einen wütenden Blick von der Seite zu. „Er behindert uns die ganze Zeit!
    Inzwischen war das blasse Leuchten der Laterne zu einem noch mitleiderregenden Glimmen degeneriert, um jetzt, da auch Elias aufgehört hatte zu Rudern, vollkommen zu erlöschen. Nun war es stockfinster im Saal und durch die unheimliche Stille, die sowohl Wasser als auch Schwärze verbreiteten, schien es, als hätte die Dunkelheit die Adligen verschluckt. Allerdings nur bis Kleopatra bemerkte, dass etwas nicht stimmte.
    „Was soll das?“, keifte sie und ihre Stimmlage verriet, dass sie nicht zu Scherzen aufgelegt war. „Rudert gefälligst weiter, ihr Trottel!“
    „Aber ich kann nicht mehr!“, heulte Adrian auf, nur um dann von seiner Cousine zurechtgestutzt zu werden: „Ich sag es nicht noch einmal, du Hampelmann! Fang jetzt an!“
    „Tss!“, gab der junge Adlige frustriert von sich, bevor er nasal wie immer und so beleidigt klingend, als hätte man gerade eben seine Mutter beleidigt: „Erst mal mach‘ ich Licht! In dieser Dunkelheit kann ich überhaupt nichts erkennen und die Leuchte da vorne bringt es ja nicht wirklich.“
    „Das liegt auch an dir!“, knirschte Elias mit zusammengebissenen Zähnen, inzwischen eindeutig genervt von seinem Cousin, doch jener entschied diesen nicht unbedingt freundlichen Kommentar zu ignorieren. Stattdessen hob er, obwohl das natürlich niemand sehen konnte, seine Hand und rief: „Feenlicht: Sphäre!“ Wie zuvor auch schon schoss ein gleißendes, goldenes Licht von dem Ring an seinem Finger und blendete die Adligen. Doch dieses Mal flog es nicht bis unterhalb der Decke, sondern begann als kleine, glänzende Kugel um das Boot herum zu schweben.
    Gerade als die Augen des Silberlings sich an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatte, hörte er ein lautes Platschen. Auf der Stelle wirbelte er herum, da er sofort befürchtete, seine Schwester sei in den schwarzen See gefallen und drohte nun zu ertrinken, doch als er sie sah, war sie nicht im Wasser, sondern saß nach wie vor am Bug des Bootes. Enttäuscht drehte er den Kopf, denn er hatte gehofft, sie in einem todesmutigen Akt der Ritterlichkeit retten zu können, doch dieser Gedanke war nun zerplatzt.
    Er drehte den Kopf zu Adrian und sah, dass auch er noch auf dem Boot verweilte, doch er beugte sich tief über die Wasseroberfläche und wirkte äußerst aufgebracht. „Ich habe meinen Spiegel in den See fallen lassen!“ Offenbar ging ihm dieser Verlust sehr nahe, denn er hatte das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzogen und schien seiner verlorenen Goldscheibe wirklich nachzutrauern. Auch Elias war nicht erfreut aufgrund dieses Schwunds, jedoch aus leicht anderen Gründen. „Da geht noch mehr Geld, das wir eigentlich hätten sparen können …
    „Jetzt hör auf dich wegen so einer Kleinigkeit aufzuregen!“, schnaubte Kleo abfällig und ihr Bruder musste ihr sofort gedanklich zustimmen, da der Schatz jetzt eine höhere Priorität hatte und sie ohnehin immer recht hatte. Schließlich hing Alices Leben davon ab und wenn Adrian sich nicht endlich mal zusammenriss, würde er bald weit mehr nachtrauern als nur einem Spiegel.
    Er war gerade im Begriff, all diese Gedanken auszusprechen, da wurde sowohl seine Aufmerksamkeit als auch die seiner Verwandten zurück auf die stille Wasseroberfläche gelenkt. Der einzige Unterschied war, dass der See überhaupt nicht mehr ruhig und glatt war, sondern das nun ein paar Blasen, dort wo die Goldplatte versunken war, auftauchten. Kleopatra hob verwirrt die Augenbrauen, während Adrian, wie immer wenn er verwundert war, fragend die Lippen schürzte. Elias selbst wusste nicht genau warum, aber irgendwie wurde er jetzt immer unruhiger, je mehr Blasen die Oberfläche kräuseln ließen. Was war nur dieses ungute Gefühl, dass ihn schon die ganze Zeit verfolgt hatte, fast als würde sein Magen sich bei jedem Blick auf das finstere Wasser zusammenkrampfen.
    „Äh, Leute!“, meinte er nun, ohne die Augen vom Wasser zu lassen. „Sollten wir nicht lieber weiterrudern?“ Doch er wurde urplötzlich durch den durchdringenden, schrillen Schrei seiner Schwester unterbrochen und ein weiteres lautes Platschen unterbrochen. Als er sah, was gerade aus dem Wasser gesprungen war, ging es ihm ähnlich wie der Blondine und er konnte einfach nicht anders als einen vollkommen schockierten Schreckensschrei von sich zu geben, während seine Augen entsetzt auf dem Ding lagen.
    Es war ein Wesen, das man selbst beim besten Willen nicht mehr als menschenähnlich bezeichnen konnte. Es besaß vier Gliedmaßen, zwei oben und zwei unten, jedoch vermochte niemand zu erkennen, was davon jetzt Arm oder Fuß war, denn sie sahen alle vier gleich aus. Sie waren so extrem dürr, dass man meinen konnte, jemand hätte tatsächlich nur Haut über einen Knochen gespannt und endeten in je vier langen, in der Luft umher schwenkenden Fühlern, die alles um sie herum abtasten, offenbar weil das Wesen keine Augen hatte. Auch der Körper insgesamt wirkte seltsam ausgehungert und ungesund dünn, als hätte es seit Jahren nichts Anständiges mehr zum Fressen bekommen. Anstelle von Kopf und Hals ragte oben aus dem Körper der Kreatur ein widerlicher Kopfstumpf, welcher nur ein unförmiges, vertikal verlaufendes Maul aufwies. Die Haut besaß einen eklig grünen Ton und war merkwürdig aufgedunsen, wohl, weil sie so lange Zeit im Wasser verbracht hatte.
    Den grauenhaften Schlund weit aufgerissen, sodass man alle sieben großen und spitzen Zähne einzeln bewundern konnte, sprang es jetzt auf die Adligen zu, die so verstört von dem Anblick der Bestie waren, dass sie unfähig waren, irgendetwas Anderes zu tun, als in einer Schreckensstarre zu verharren. Elias‘ Kopf war wie leergefegt, seine Augen lagen nur noch auf dem Ding, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft massakrieren würde. Irgendwo in ihm flammte plötzlich der Gedanke auf, dass er seine Schwester beschützen müsste, doch seine Arme und Beine blieben aus irgendeinem Grund funktionslos, als ob Kopf und Körper ihre Verbindung zueinander gekappt hätten. Er musste doch irgendetwas tun! Warum war er nur so ein Feigling?
    Doch bevor Elias‘ Körper wieder in Bewegung kam, als ob seine Vorwürfe ihn aufs Neue beleben würde, langsam verglichen mit den Bewegung des Monsters, hatte Adrian bereits und vermutlich rein reflexartig gehandelt. Mit einem Quieken und einem Gesichtsausdruck als hätte er einen übergroßen, ekligen Käfer vor sich stehen, hatte der junge Viscount sein Ruder gehoben und es gegen den Körper des Wesen geschmettert, als wäre es eine Axt. Sein selbst erstauntes Gesicht zeugte davon, dass er selbst keine Kontrolle über seine Reaktion gehabt hatte, doch zur noch größeren Überraschung aller Anwesenden half es sogar. Das Monster nämlich gab ein übelkeitserregendes Knacken von sich und seine obere Hälfte trennte sich mit einer großen Menge von Blut und anderen Unappetitlichkeiten von seinem Rumpf und flog in die Dunkelheit, wo es mit einem lauten Platschen verschwand. Sein zweiter Teil tat es ihm gleich.
    „Was …?“, fragte Elias schockiert, doch bevor seine Frage ausformulieren konnte, wurde er durch eine noch erschreckendere Offenbarung ihn unterbrach. Denn nun war das Wasser in heller Aufregung, überall blubberte es und die vorher kaum vorhandenen Wellen wurden jetzt stärker, sodass das Boot, in dem die drei Adligen saßen, heftig wackelte. Alle drei blickten sich kurz an und dachten zurück an das Wesen aus dem Wasser.
    „Rudert!“, schrie Kleo und ihre beiden Kumpanen ließen sich das nicht zweimal sagen. Mit der Angst im Nacken bald einer ganzen Armee dieser blutrünstigen Bestien gegenübertreten zu müssen, legten sich sowohl Elias als auch Adrian ins Zeug, sodass ihr Feenlicht kaum noch hinterher kam und die Lampe am Bug so hell strahlte, dass man meinen konnte, ein Stern sei vom Himmel gefallen.
    „Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr!“, keuchte der junge „von Goldhall“ bald schon vor sich hin, hörte er aber nichtsdestotrotz nicht auf, wofür der Silberling ihm auch dankbar war. Von hinten vernahm er plötzlich laute, gurgelnde Rufe, sodass er versucht war, in die Dunkelheit zu spähen, doch er beherrschte sich. Er würde es garantiert bereuen, sich nicht aufs Rudern konzentriert zu haben.
    „Schneller!“, kreischte Kleopatra immer schriller und schriller werdend, während auch sie es vermied nach hinten zu blicken. Stattdessen stierte sie stur geradeaus fast als hoffte sie, dass sie die Probleme dadurch ignorieren könnte. Elias konnte ihren Wunsch nur allzu gut nachvollziehen und obwohl ihm bereits die Arme vom vielen Hin-und-her-bewegen schmerzten, packte er noch mehr Kraft und Energie in sie hinein, in der verzweifelten Hoffnung ihren Verfolgern dadurch zu entrinnen. Hinter sich hörte er Adrian immer noch jammern: „Meine Arme, mein Rücken, mein Hals! Ich kugel‘ mir hier die Schultern aus!“ Er beschloss ihm keine Beachtung zu schenken, da sie weitaus größere Probleme als die kleinen Wehwehchen seines Cousins besaßen. Denn es schien ihm als wurden die Laute ihrer Verfolger immer näher rücken und von einer erneuten Panikwelle gepackt, beschleunigte er noch einmal und brachte seinen Körper an die äußersten Grenzen seines Leistungsvermögens. Er spürte wie das Blut durch seinen Körper pumpte, sein Herz raste so schnell als würde es ihm gleich aus der Brust springen und sein Kopf vibrierte bei jeder Bewegung wie ein Glocke, die gerade wild geläutet wurde. Seine Arme waren inzwischen vor Schmerz taub geworden, doch er hörte nicht auf zu rudern. Sie mussten weg, so schnell wie möglich!
    Doch ihre Bemühungen waren vergeblich. Urplötzlich erklang ein lautes Krachen gefolgt von einem Aufschrei Adrians. Elias wirbelte herum und sah ein großes Loch im Holzboden durch den jetzt das schwarze Wasser herein sprudelte. „Wir sinken, wir sinken!“, quietschte Adrian, während er hilflos dort saß als hätte man ihn gefesselt. Auch Kleo schien nicht recht zu wissen, was sie jetzt tun sollte und blickte panisch vom Loch zum unruhigen See und wieder zurück, während Elias als erstes aktiv wurde und begann, das Wasser behelfsmäßig aus dem Boot zu schöpfen. Doch es war ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, denn das Loch war viel zu groß und das dunkle Nass trat zu schnell ein, als das die drei Adligen mit ihren Händen allein in der Lage gewesen wären, das Boot zu entleeren.
    Plötzlich hörte der Silberling ein abscheuliches Sauggeräusch und auf einmal wurde ihm die Sicht genommen, während er gewaltsam nach hinten gerissen wurde. Eklige, glitschige Tentakeln fuhren über seine Haut und zu seinem Entsetzen spürte einen heißen, modrigen Atem Nacken. Er versuchte sich noch kurz zu wehren, doch der überraschte Schock ließ ihn zu einer leichten Beute werden. So fiel er nach hinten, während ihn einige spitze Stacheln in den Rücken stachen und mehrere Schmerzwellen durch seinen Körper jagten. Dann traf er auf die Wasseroberfläche.
    Alles wurde schwarz als er unter Wasser gezogen wurde und Massen auf ihn einstürmten. Er bekam keine Luft mehr und öffnete den Mund, doch er schluckte nur die finstere Brühe. Es lief in seine Lungen, während ihm mehr und mehr der Sauerstoff ausging, widerlich modrig schmeckend, fast als hätte er alte Algen im Mund. Ihm wurde schwindelig und sein Bewusstsein entglitt ihm mehr. „Das ist das Ende, allein von irgendwelchen Monstern gefressen, vermutlich ertrinke ich vorher … und das Schlimmste ist, dass ich noch nicht mal Kleo beschützen konnte. Ich bin wirklich eine Schande!
    Auf einmal schoss ein so durchdringender Schmerz durch sein Bein, dass er aufgeschrien hätte, wenn er nicht unter Wasser gewesen wäre. Es brannte als hätte man ihn in Feuer gelegt und Wunde schien äußerst tief zu sein. Als nächstes fühlte er plötzlich eine furchtbare Pein im Gesicht, doch aufgrund der Finsternis erkannte er nicht was passiert war. Sein Kopf war nun leer, nur noch die Qual war da, wie sie durch seinen Körper pulsierte wie ein aggressives Gift, das ihn von innen heraus zerstörte. Er hörte Zischen und Blubbern, doch er sah absolut nichts. Dann tauchte das Feenlicht, welches zuvor das Boot umkreist hatte durch die Wasseroberfläche und erleuchtete das dunkle Gewässer.
    Er war schon sehr tief nach unten gezogen worden, um sich eine ganze Horde von Monstern, manche mit Hörnen, andere besaßen viele blinde Augen und lange Fühler. Direkt vor sich war ein Exemplar, das einem Menschen noch am ähnlichsten sah. Es war ähnlich dem vorherigen Wesen knochendürr und wies eine ungesunde, grün-gräuliche Haut auf. Zwischen den krallenhaften Fingern und Zehen befanden sich lange Schwimmhäute und auf dem totenkopfartigen Schädel waren noch ein paar lange, dünne Haare übrig. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem des Silberlings entfernt, doch zu seinem großen Entsetzen wies es weder Augen noch Nase auf, von Ohren ganz abgesehen. Einzig ein gigantisches, allesverschlingendes Maul, welches weit geöffnet war, sodass Elias in die Dunkelheit dahinter blicken konnte. Die Angst lähmte ihn.


    Weiter oben strampelten auch Kleopatra und Adrian, die sich aneinander klammerten und versuchten gegen die vielen Horden von Unwesen anzukommen, jedoch erfolglos. Die Blondine war von Angst und Panik erfüllt, ihr Gehirn wie ausgeschaltet. Sie wollte hier nicht sterben, sie durfte nicht. Dann erblickte sie den silbernen Haarschopf ihres Bruders, der schon sehr weit nach unten gezogen worden war. Eine ganze Schar von Monstern hatte sich um ihn versammelt und das Wasser um ihn herum war merkwürdig rot gefärbt. Eines der Wesen kam ihm nun immer näher, das Maul aufgerissen und offenbar bereit zuzuschlagen. Im Kopf der jungen Dame machte es urplötzlich Klick. Ihr Fokus lag wie versteinert auf Elias, ihr Geist schien wie leergefegt, ihre Augen waren weit aufgerissen, doch sie sah nichts.
    Einige Augenblicke vergingen, die Kleo wie Jahre vorkamen. Neben ihr mühte ihr Cousin sich immer noch ab, doch es schien ihr, als würde er sich in nur sehr, sehr langsam bewegen, als wäre die Zeit dickflüssig wie Baumharz geworden. Dann brach es auf einmal aus der Blondine heraus.


    Ein Strahl hellblauen Wassers durchdrang mit der Kraft einer heran preschenden Eisenbahn das dunkle Wasser. In der Dunkelheit der See leuchtete er ähnlich einer Sternschnuppe am Nachthimmel und hob sich vom schwarzen Gewässer des Sees ab, als wäre es eine andere Flüssigkeit. Wie ein langer Arm schleuderte er die Wesen, die um Elias herum waren beiseite, wobei er die meisten zerfetzte, fast als wären sie aus Papier gemacht worden und ergriff den Silberling sanft, ehe er ihn nach oben zog. Aus dem Augenwinkel sah er, dass auch Adrian von einem ähnlichen Strahl erfasst worden war und zu seiner Schwester hingezogen wurde, die verwirrt um sich blickte. Offenbar bemerkte sie nicht, dass sie der Ursprung des Wassers war, denn sie leuchtete im selben bläulichen Ton, den auch das Wasser besaß. Ihre goldenen Haare schwebten unter Wasser wie ein Schleier und ihre großen, himmelblauen Augen waren weit und erschrocken aufgerissen. „Wie schön sie doch ist …“, dachte Elias glücklich und ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, bevor er sich der dunklen Umarmung der Ohnmacht hingab. Das Letzte, was er hörte, war ein lauten Platschen und Adrians Ruf: „Kleo! Was hast du gemacht?!“


    Elias erlangte langsam sein Bewusstsein wieder. Viele kleine Steine piekten ihn in die Wange und hinter sich hörte er das Rauschen der Wellen. Er wollte die Augen öffnen, doch aus irgendeinem Grund schaffte er das nicht. Sein Körper schien wie gelähmt zu sein, unfähig sich zu bewegen. Er spürte etwas Wasser in seiner Lunge und hustete laut aus, um wieder nach Luft schnappen zu können.
    „Siehst du, es hat geholfen!“, hörte er plötzlich Adrians nasale Stimme laut über sich. Er klang sowohl erleichtert, als auch stolz. Abermals versuchte der Silberling seine Augen zu öffnen, doch es war, als ob seine Augenlider an die Haut geklebt worden waren.
    „Aber er ist verletzt, guck dir mal diese Wunde an!“, hörte er seine Schwester und hätte vor Erleichterung und Freude einen Luftsprung machen können, wäre er nicht in so miserabler Verfassung gewesen. Ihr ging es gut, das war das Wichtigste. Ihre Stimme war laut und hysterisch, so wie sie normalerweise sprach, wenn etwas mit ihrer Frisur nicht stimmte oder sie sich einen Fingernagel abgebrochen hatte. Doch jetzt war es irgendwie anders, da war eine Komponente in ihrem Ton, den Elias nicht wirklich zuordnen konnte.
    „Oh, ja!“, antwortete Adrian jetzt und auch er hörte sich panisch an. Was war nur los? Langsam öffnete der Starnoss-Spross sein rechtes Auge einen Spalt breit, doch sehen konnte er erst mal nichts. „Was machen wir denn nun!“, rief sein Cousin aus und er wirkte immer unruhiger und aufgeregter.
    „Ich weiß nicht!“, entgegnete seine Schwester und auch sie nahm stetig an Verzweiflung zu. „Wäre doch nur ein Heilmagier hier!“
    „Wenn Alice nur hier wäre, sie besitzt Heilkräfte“, stimmte Adrian mit ein und erinnerte Elias sofort schlagartig an das Mädchen. Alice! Wo … Hoffentlich ging es ihr gut. Sie brauchten den Schatz, um sie zu retten, es kam jetzt wieder in seinen Kopf. Er hatte keine Zeit hier herumzuliegen! Langsam versuchte seine Augen zu öffnen und sich zu bewegen, doch sein Körper war immer noch taub und unbeweglich. Doch nach und nach kam wenigstens seine Sehkraft wieder. Nun konnte er schon unscharfe Silhouetten erkennen, die sich hektisch hin und her bewegten.
    „Zuerst müssen wir die Blutung stoppen!“, erklärte der junge „von Goldhall“ jetzt und kurz darauf hörte man ein lautes Ratschen, gefolgt von Kleos wütender Stimme: „Hey! Die Hose hab‘ ich ihm zum Geburtstag geschenkt!“
    „Dann ist sie wenigstens zu irgendetwas gut!“, gab ihr Cousin hitzig zurück und Elias spürte wie ihm etwas ums Bein gelegt wurde. Als der Stoff seine Haut berührte, durchzuckte ein heftiger Schmerz seinen Körper und ein starkes Brennen ging von seinem Bein aus, sodass er unwillentlich das Gesicht verzog. „Das tut ihm weh, du Stümper!“, kreischte Kleo und aus dem Laut danach schloss ihr Bruder, dass sie Adrian weggeschubst hatte.
    „Was machst du? Du bindest es falsch, Kleo!“, meinte Adrian schroff, bevor er sich offenbar wieder an die Bandage machte.
    „Ich wollte ihm ein hübsches Schleifchen binden!“, hörte er Kleo sich beleidigt rechtfertigen, bevor der junge Viscount ihr forsch antwortete: „Lass mich das machen! Meine Mutter war Ärztin, ich weiß, wie das geht!“
    „Kleo“, hauchte der Silberling jetzt plötzlich und wunderte sich, warum seine Worte so merkwürdig schwach klangen. Normalerweise war er doch auch nicht so anfällig für Verletzungen. Er durfte sich vor seiner Schwester nicht so zeigen, am Ende würde sie noch denken, er wäre wirklich eine Memme. „Kleo, du hast mich … uns gerettet“, fuhr er fort und ein stolzes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, während er weiterhin versuchte etwas zu erkennen. „Du bist so … unglaublich.“
    „Halt‘ die Klappe, Elias!“, fauchte seine Schwester ihn an, doch es war nicht ihr übliches, genervtes und aggressives Zurechtstutzen. Es war irgendwie anders und das machte ihn glücklich.
    _ _ _
    Kapitel 19. 3300 Wörter. Nächstes Kapitel kommt am 18. Februar.

    Hier kommt auch schon Kapitel 18 mit 3400 Wörtern (neuer Rekord für mich :>). Nächstes Kapitel kommt am 4. Februar und trägt den Titel "Styx". Schreibe derzeit an Kapitel 23, hoffe, dass ich in den Winterferien wieder etwas produktiver werde :>
    War nicht so richtig bei der Sache, als ich es Korrektur gelesen habe, deshalb könnten vielleicht noch ein paar (mehr) Fehler drin sein.


    Fauxpas


    Mit diesen Worten und einem so hochmütigen Lächeln im Gesicht, dass man ihn am liebsten in ebenjenes schlagen wollte, entließ er eine gewaltige Woge goldenen Lichts, sodass Damian geblendet die Augen schließen musste.
    Als er sie wieder öffnen konnte, bot sich ihm ein nicht unbedingt beruhigender Anblick. Vor ihm und auch über ihm hatten sich zehntausende von goldenen Kugeln gebildet, die dort zwar noch untätig schwebten, aber auf ein Zeichen ihres Meisters sofort auf ihn einprasseln würden. Ein kurzer Blick hinter sich bestätigte den jungen Magier in der Vermutung, dass sich dort auch ein ganzes Bataillon an Feenlichtern stationiert hatte, bereit anzugreifen.
    „Mein letztes Gericht“, erklärte Adrian und der Ausdruck in seinem Gesicht wurde mit jedem weiteren Wort, das er sprach, unausstehlich anmaßender. Das Leuchten seiner linken Hand war nun zu einem schwachen Glimmen erloschen und jetzt erkannte der junge Magier, dass an jedem Finger, selbst am Daumen, ein Ring der protzigen, goldenen Sorte steckte, wie schon an seinem rechten Zeigefinger.
    „Meine Attacke Feenlicht: Armee ist ein Angriff ohne Ausweichmöglichkeit, eine Technik, die die „von Goldhall“s schon seit Generationen benutzen“, gab er nun so vollkommen von sich selbst eingenommen an, dass er gar nicht bemerkte, dass Damian nicht im Entferntesten verängstigt oder bestürzt aussah. Es war eher eine Mischung aus anerkennender Überraschung und schnellem Analysieren der Lage. Da ihm alle Wege versperrt waren und ihn diese Projektile wohl sowieso schneller erwischen würden, als er bis drei zählen konnte, machte ein Flugmanöver wenig Sinn. Deshalb ließ der junge Mann sich wieder auf den Boden der Platte nieder und spürte wie die leichte Belastung durch den konstanten Magieverbrauch nachließ. Adrian, der indes sowohl weiterhin darüber schwafelte wie er von Anfang an schon die Oberhand behalten und sein Gegner nie auch nur eine Chance gehabt hatte, als auch, dass Damian sich nicht von seiner „überlegenen Überlegenheit“ überwältigen lassen sollte, bemerkte nicht, dass ebenjener gerade dabei war mit seinem goldenen Stab unauffällig ein paar leichte Linien auf die Platte zu zeichnen. „Das eignet sich perfekt.
    „Bist du bald mal fertig?“, fiel der junge Zauberschüler dem Adligen nun gelangweilt ins Wort und stoppte damit den unerschöpflichen Redeschwall seines Gegners, der nur, wie immer eigentlich, dazu gedient hatte, dessen Ego noch größer aufzublasen als es ohnehin schon war. „Es wird Zeit diesem stupiden Hin-und-her endlich ein Ende zu setzen.“
    Adrian hob aufgrund dieser Aussage überrascht die Augenbrauen, wunderte sich in seiner oberflächlichen Beschränktheit jedoch nicht, ob sein Kontrahent nicht vielleicht eine Gegenstrategie besaß, wenn er schon so herausfordernd wirkte, sondern entgegnete nur hochmütig: „Von mir aus gerne.“
    Damit hob er die Hand und mit einem Schnippen der Finger schoss die Armee aus Feenlichtern von allen Seiten her auf Damian ein. Ein lautes Krachen ertönte, als manche Geschosse auf den Boden einschlugen und eine Menge glitzernder Staub wirbelte auf und versperrte die Sicht auf den Angegriffenen, während ein schwaches Beben die Platte erschüttern ließ. Adrian, der jetzt ein äußerst selbstzufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht hatte, wartete darauf, dass der Nebel sich verzog und er den Besiegten mit ein paar herablassenden Sprüchen weiter demütigen konnte. Doch als ein kühler Wind die Staubwolke davon trieb, bemerkte der Adlige zu dessen offensichtlichem Entsetzen, dass der Magier unauffindbar war.
    „Nach oben gucken“, rief Damian ihm nun zu und Adrian folgte dessen Rat nur um dann bestürzt festzustellen, dass sein Gegner es geschafft hatte, sich wieder vollkommen unverletzt in die Lüfte zu schwingen. Ein breites Ebenbild des Lächelns, welches der junge Viscount noch bis vor Kurzem zur Schau getragen hatte, auf den Lippen blickte der Braunhaarige jetzt in vollkommen überheblicher Eitelkeit auf seinen Gegner herab. Vor ihm schwebte zeitgleich auch sein Mönchsstab, der jetzt golden leuchtete und sich so schnell drehte, dass man ihn nur noch als helle Scheibe in der Luft erkennen konnte.
    „Was? Aber … aber wie?“, stammelte Adrian vollkommen fassungslos, während er mit weit aufgerissenen Augen den schwebenden, jungen Mann anstarrte.
    „Wenn ich jetzt kurz meine Magie erklären dürfte“, begann Damian süffisant, wobei sein Lächeln immer und immer breiter wurde und der selbstgefällige Ausdruck in seinem Gesicht sich um das Zehnfache verstärkte. „Wie du sicher nicht bemerkt hast, habe ich ein wenig defensive Bannmagie gewirkt, nämlich den Zauber Magnetverschiebung. Dieser hat es mir möglich gemacht all deine schönen, kleinen Lichtbälle auf einen einzigen Gegenstand zu lenken, um genau zu sein auf meinen Stab“, erläuterte er, indessen wich der blasierte Ausdruck in seinem Gesicht immer noch nicht, sondern erlangte sogar noch einen Hauch von Zufriedenheit als er den entgeisterten Gesichtsausdruck Adrians sah, der wirkte, als hätte ihn soeben der Blitz getroffen. „Es wird langsam mal Zeit, dass dieser Kriecher den Begriff Ehrfurcht ins Gehirn gebrannt bekommt.“
    „Und wie du sicher auch nicht wusstest, ist dieser Mönchsstab auch ein Katalysator genauso wie dein Ring. Allerdings ist er nicht billige Fabrikware …“, meinte er mit einem abfälligen Blick auf die protzigen Goldklumpen, „… sondern ein handgefertigtes Meisterstück aus dem östlichen Kaiserreich, aber das ist jetzt vermutlich nicht von Interesse. Wie dem also sei, dieser Stab hat folglich deine Magie aufgenommen, da in ihn die Bannmagie Spiegelndes Dreieck eingearbeitet ist. Das ermächtigt ihn aber nicht nur fremde Magie zu absorbieren …“, Damian Blick hatte nun einen leicht schadenfrohen Ton, während besagter Stab immer heller zu leuchten begann und Adrians Augen sich indes noch mehr weiteten, „… sondern auch reflektieren!“
    „Nein!“, flüsterte der junge Lord entsetzt, um dann einige Schritte zurück zu stolpern und etwas lauter zu rufen: „Du kannst nicht …!“
    „Du wirst abserviert“, unterbrach ihn Damian und mit diesen Worten und einem amüsierten Zucken seiner Mundwinkel entlud sich die geballte Macht von Adrians Feenlichtattacke, welche jetzt auf ihren Herrn einprasselte. Jener, der versucht hatte nach hinten weg auszuweichen, wurde von seinen eigenen Lichtgeschossen getroffen und mit einem lauten Krachen, gefolgt von einer weiteren Glitzerwolke nach hinten geschleudert, sodass er mit einem lauten Ausruf des Grauens über die Kante der Goldplatte stolperte und in den Abgrund darunter stürzte.
    „Adrian!“, erklang es plötzlich so laut in Damians Kopf, dass er kurz aufschrak. Es war Elias‘ Stimme gewesen und das obwohl der junge Magier sich von der Gruppentelepathie weggesperrt hatte. Offensichtlich hatten er und auch Marie dem Kampf zugesehen und waren jetzt so geschockt durch den Verbleib von dem jungen Lord, dass sie es sogar geschafft hatten, durch die psychische Barriere Damians zu brechen.
    „Damian! Was hast du getan?!“, rief Marie jetzt bestürzt und ihre Stimme schwankte zwischen Zorn und Erschütterung. Ehe sie sich jedoch erst richtig warmlaufen und ihrem Kameraden eine Tirade vorgehalten hatte, die sich gewaschen hatte, unterbrach sie dieser vorsorglich und meinte gelassen: „Keine Sorge, der kommt wieder.“
    „Wa-“, begannen sowohl die Rothaarige als auch der Silberling verwirrt, als Damian die Finger vor die Lippen setzte und flüsterte: „Drei … zwei … eins …“
    Kurz nachdem er angefangen hatte, erklang auf einmal ein langgezogener Schrei, der immer und immer lauter wurde, bis schließlich mit einem gewaltigen Krachen urplötzlich Adrian vom Himmel fiel und mit dem Gesicht nach unten auf den Boden donnerte. Damian hatte sein übliches unschuldig-belustigtes Lächeln aufgesetzt, während von den beiden geistigen Betrachtern erst mal überhaupt nichts außer verdattertem Schweigen kam.
    Schließlich war es die schwache Stimme des jungen „von Goldhall“s, die die verdutzte Stille unterbrach. Mit einer in die Höhe getreckten Hand, hauchte er ein klägliches „Zahlen bitte!“

    Einige Stunden zuvor …

    „Argh!“, wütete eine gereizte Kleopatra, während sie mit den Schuhen im Matsch und einem vollkommen verdreckten Kleid eine schmierige, schmutzig-weiße Treppe hinauf schlurfte, ihre beiden Kumpanen im Schlepptau. „Das waren meine besten Stiefel!“, zeterte sie und warf wütend ihr goldblondes Haar zurück, welches noch in alter Glorie glänzte und seidig ihr Gesicht umrahmte. Als ihr himmelblauer Blick auf ihre Hand traf, fiel die Laune der Schönheitskönigin sogar noch weiter in den Keller, falls das überhaupt möglich gewesen war: „Und meine Fingernägel, ruiniert!“
    „Wenigstens bist du nicht kopfüber in diesen widerlichen Schlamm gestürzt!“, ließ Adrian nun beleidigt verlauten, während er sich wie immer in seinem Goldspiegel betrachtete und dabei versuchte sein verfilztes, unordentliches Haar wieder zu richten, jedoch blieben seine Versuche fruchtlos.
    Elias, der ebenfalls nicht sauber vom Höllentrip zuvor gekommen war, warf Adrian einen unmutigen Blick zu, ging aber nicht weiter auf dessen Bemerkung ein. Stattdessen betrachtete er mit großen Augen seine Umgebung. Alles wirkte so alt und hoheitsvoll, diese ganzen Treppen, Pfeiler und Brücken, die durch die hohen Gänge und Hallen unterhalb der Katakomben führten, einzig erleuchtet von den blauen Flammen an den Wänden. Der schummrige Schein verlieh dem gesamten Ort eine düstere und unheimliche Atmosphäre, viele hätten sich vor Angst nicht rühren können. Elias aber besaß genug andere Probleme, um sich von so etwas Lapidaren ablenken zu lassen.
    „Kleo! Sei vorsichtig!“, rief er ihr besorgt zu, während er über einen auf den Boden liegenden, umgekippten Kerzenständer stolperte und sich nur dadurch vor dem Hinunterfallen der Stufen bewahren konnte, indem er sich an Adrians Jabot-Kragen festhielt. „Du könntest umknicken und dich verletzten, schließlich fehlt deinem einen Schuh der Absatz!“
    „Das weiß ich selbst, du nutzlose Lusche!“, kam die gebrüllte und nicht unbedingt als freundlich zu kategorisierende Antwort, bevor die Schönheitskönigin weiter nach vorne humpelte, ihrem sehr besorgten Bruder nicht auch nur den Hauch der von ihm gewünschten Beachtung schenkte.
    Urplötzlich blieb Adrian stehen, sodass der junge Silberling, der nur Augen für seine Schwester gehabt und deshalb nicht aufgepasst hatte, prompt in ihn hineinließ, woraufhin beide strauchelten und vorn über in den Matsch fielen.
    Als Elias wieder aufstand, ignorierte er konsequent die lauten Beschwerden seines nun noch schmierigeren Cousins, da er stattdessen zusammen mit seiner Schwester über das staunte, was jetzt vor ihm lag. Eine weitere gigantische Halle erstreckte sich in unendlich scheinende Dunkelheit, die auch den gewaltigen, dunklen See, dessen Ufer aus schwarzem Sand bestanden, verschluckte. Gerade lag er still, keine einzige Welle kräuselte das ruhige Wasser, doch Elias spürte, dass irgendetwas mit diesem Gewässer nicht in Ordnung war. Wenn er es ansah, fühlte er auf einmal eine merkwürdige, ungute Beklommenheit in der Magengegend, die ihm sagte, er solle sich lieber davon fernhalten.
    Die Blondine neben ihm schien jedoch das genaue Gegenteil vorzuhaben, denn sie näherte sich jetzt unverfroren dem langen, schwarzen Steinsteg, der weit in den See hinein führte und an dessen Ende ein einsames Ruderboot lag. Elias, der sie gerade davor warnen wollte, zu dem Wasser zu gehen, musste feststellen, dass nun auch Adrian ihn überholt hatte und sich auf den Weg zu ihrer einzigen Überfahrtsmöglichkeit machte. In Gedanken an den Schatz und dass es Alice helfen würde, seufzte der junge Lord schweren Herzens, überging seine Intuition und beeilte sich, zu den Anderen aufzuholen, um nicht alleine zurückzubleiben.
    Beim Herantreten jedoch bemerkte er, dass sie nicht allein in der Halle waren. In der Dunkelheit vorher war es schwer auszumachen gewesen, doch jetzt fiel ihm die Silhouetten eines menschenähnlichen Wesens auf, welches auf dem Boot am Steg verweilte. Einige Schritte später schlug ihm ein süßlicher und zugleich doch widerlicher Geruch entgegen, was eindeutig nicht das Parfüm seiner Schwester war.
    „Ist der Typ schon die ganze Zeit dort gewesen?“, fragte Adrian ihn flüsternd hinter vorgehaltenem Spiegel, nachdem er sich zu dem Silberling gebeugt und dem Vermummten, der sich einen langen, schwarzen Kapuzenmantel übergeworfen hatte, einen angewiderten Blick der verachtenden Sorte zugeworfen hatte.
    „Keine Ahnung“, antwortete Elias, ohne den Fremden aus den Augen zu lassen. Irgendetwas schien merkwürdig an jenem zu sein, doch er konnte es nicht festnageln, was ihn störte. Es lag vielleicht daran, dass dieser Fährmann mitten in einem uralten, unterirdischen Tempel, welchen man nur über einen geheimen Eingang in den Katakomben von Schwarzstadt betreten konnte, auf einem Boot in einem unheimlichen See stand, ohne irgendetwas zu tun, aber der Silberling war sich nicht ganz sicher. Sicher hatte all das eine logische Erklärung, die ihm gerade einfach nicht in den Sinn kam.
    „Riechen tut er schon mal wie Alices Doktor aus dem Mund!“, raunte sein Cousin ihm nun unverhohlen abfällig zu und verzog aufgrund des jetzt immer stärker werdenden Gestanks die Nase.
    „Aber Adrian!“, zischte Elias in kleinbürgerlicher Empörung zurück. „Doktor Arachnid hat zwar einen sehr … äh … fragwürdigen Mundgeruch, aber garantiert liegt das am Magen!“
    „Oder an schlechter Zahnpflege“, entgegnete der junge „von Goldhall“ verächtlich und stolzierte mit federnden Schritten voraus. Der Silberling seufzte, konnte aber nicht umhin ihm innerlich nickend zuzustimmen, vor allem weil alles an Herrn Arachnid von äußerst strittiger Natur war, anfangen vom perversen Lachen bis hin zu seiner überlangen Zunge.
    Das Bild des widerwärtigen Arztes wurde doch sofort durch etwas noch Ekelerregendes weggewischt, als er zusammen mit seinen zwei Kumpanen beim Boot und seinem Besitzer angekommen waren und sie endlich sehen konnten, was unter der Kapuze lag. Während Adrian grün anlief, um dann stur auf seinen Spiegel zu starren, offenbar in der Hoffnung, das Antlitz seines Gegenübers dadurch vergessen zu können, setzten sowohl Kleo als auch Elias gleichzeitig einen Gesichtsausdruck auf, der ihren Gräuel kaum angemessen zur Geltung brachte. Der Fährmann war eine lebende Leiche.
    Halbverwest und so abstoßend, dass der junge Starnoss-Spross froh war, nur die Hälfte seines Gesichts im dämmrigen Schein der Unterwelt erkennen zu können, blickte er die drei Neuankömmlinge streng aus einem blutunterlaufenden Auge mit leeren Pupillen an, während sich der andere Augapfel nach innen gedreht hatte. „Drei Goldmünzen!“, flüsterte er und seine Stimme war merkwürdig kehlig und blubbernd, sodass Elias das Gefühl hatte, die Zeit unter der Erde hätte seinen Stimmorganen nicht unbedingt gut mitgespielt. Außerdem stank er so stark aus dem Mund, dass Doktor Arachnid dagegen einer Parfümfabrik glich.
    „Wie bitte?“, fragte Kleopatra spitz und mit aneinander gepressten Lippen, als ob sie kurz davor stand sich zu übergeben. Elias teilte ihre Gedanken und versuchte es jetzt Adrian gleichzutun und sich auf etwas Schönes zu konzentrieren, also namentlich seine Schwester.
    „Drei Goldmünzen“, wiederholte der mysteriöse Mann ohne sich irgendeine Emotion anmerken zu lassen. „Sonst keine Überfahrt!“
    „Warten Sie eine Sekunde“, antwortete die Blondine, schenkte dem Fährmann ein zuckersüßes, falsches Lächeln und zog sich dann mit ihren beiden Begleitern zurück, wobei sie beide an den Ohren mitschleifte, als wären sie unartige Schuljungen gewesen.
    „Das hätte auch freundlicher gehen können“, zischte Adrian entrüstet, als sich die Drei ein paar Meter von dem unheimlichen Mann entfernt und nun tuschelnd die Köpfe zusammengesteckt hatten, um sich eine Strategie zurechtzulegen.
    „Also, hat irgendjemand von euch drei Goldmünzen mit dabei?“, flüsterte die Blondine ohne auf die Beschwerden ihres Cousins einzugehen, nachdem sie dem Fährmann nochmal mit übertrieben gespielter Freundlichkeit zu gewunken hatte, was jenen jedoch augenscheinlich kalt ließ.
    „Ich leider nicht“, flüsterte ihr Bruder jetzt bedrückt und ließ den Kopf hängen. Nie konnte er eine Hilfe für seine Schwester sein, immer war er nur eine Last. Dabei dachte er doch sonst immer an alles, wie hatte er bei seinen Vorbereitungen nur so etwas Essentielles wie Geld vergessen können? „Ich bin so eine Schande für Kleo“, dachte er vollkommen am Boden zerstört, während er sich immer weiter an diesem realistisch betrachtet kleinen Fehltritt hochhangelte, als hätte er soeben seine Schwester in einen Vulkankrater geschubst. Sein Cousin indes schien sich nicht im Entferntesten dafür Vorwürfe zu machen, denn er verkündete nur gelangweilt: „Ich hab auch nichts mit.“
    „Was wärt ihr beiden Schwachköpfe nur ohne mich?!“, fauchte Kleo daraufhin verstimmt und schenkte ihren beiden Kumpanen einen Blick voll tiefer Missachtung, bevor sie in ihrer violetten, mit Federn ausstaffierten Handtasche herumkramte, offenbar auf der Suche nach etwas Kleingeld. „Komisch, wo ist es denn nur?“, murmelte sie und biss sich nachdenklich auf die Zunge, während sie immer tiefer in dem Mäppchen herumwühlte, sodass Elias sich wunderte, ob wohl bald ihr ganzer, schneeweißer Elfenbeinarm darin verschwinden würde. Was war das denn für eine geräumige Tasche?
    „Ich finde es nicht!“, heulte die Schönheitskönigin nun frustriert auf, nachdem sie ihren Lidschatten aus der Unordnung hervorgeholt hatte und sich jetzt beleidigt schminkte.
    „Was denn?“, fragte der Silberling sofort besorgt, da er nicht wollte, dass es seiner bezaubernden Schwester an irgendetwas mangelte und er seinen vorherigen Fehler wieder gutmachen wollte. Außerdem hasste er es sie leiden zu sehen, schon seit er klein gewesen war, hatte er sich schon immer gewünscht sie zu beschützen.
    „Na, das Geld, das ich …“, begann die Blondine wütend, stockte dann aber mitten im Satz als hätte sie gerade der Blitz getroffen. Offenbar hatte sie sich daran erinnert, wo das Geld denn abgeblieben war. Anstatt es jedoch zu holen oder zu verfluchen, dass sie es irgendwo vergessen hatte, wandte sie sich mit einer so frostigen Miene, dass jeder Wintertag dagegen wie ein Mittag im Hochsommer wirkte, an ihren Bruder und gab ihm erst mal eine saftige Ohrfeige. Der Angegriffene wusste nicht mal, was los war und fühlte sich elend dafür, dass er schon wieder Prügel für irgendetwas hatte einstecken müssen, da keifte Kleo auch schon: „Das Geld mit dem ich mir meinen neuen Lippenstift gekauft habe, den ich dank dir verloren habe, du Affe!“
    Die Hand an seiner schmerzenden roten Wange erinnerte sich Elias plötzlich schuldbewusst daran, wie er sie vor einiger Zeit erschreckt und sie dabei ihren Lippenstift verloren hatte. Schon damals hatte er sich so dafür geschämt, dass er zur Strafe auf dem Boden im Keller übernachtet hatte. Wie hatte er nur so tollpatschig sein können?
    „Äh, notfalls könnten wir doch auch versuchen, ihm Adrians Brosche anzudrehen“, stammelte der Silberling reumütig, um von seinen Fehltritten von zuvor abzulenken. Sofort gefror die Luft im Saal zu einem Eiswürfel und die Temperatur sank irgendwohin zwischen Schneefall und Blizzard, während der Silberling plötzlich Adrians stechenden Blick im Nacken spürte. „Nein!“, kam die frostige Antwort auf seinen Vorschlag, bevor der junge Viscount sich wieder, doch jetzt äußerst verspannt, seinem Spiegelbild widmete.
    „Gut, dann tritt jetzt wohl Plan B in Kraft“, flüsterte Kleopatra und warf ihre goldene Haarpracht zurück, während sie einen verführerischen Kussmund aufsetzte. „Meine Überzeugungskraft!“
    „Aber Kleo …!“, wollte Elias gerade entrüstet und besorgt protestieren, da fiel Adrian ihm auch schon wieder ins Wort. „Ich glaube nicht, dass diese wandelnde Leiche dort hinten sich auch nur annähernd für deine nichtvorhandenen …“, doch bevor seinen Satz beenden konnte, hatte die Blondine ihm auch schon den Absatz in den Schuh gerammt, um ihn gewaltsam zum Schweigen zu bringen. Der Silberling beobachtete interessierte, wie sich die Gesichtsfarbe des jungen Lords von einer Sekunde auf die andere änderte und er so blass würde, dass jede Kalkwand dagegen wie ein Brathähnchen aussah. Dann biss er sich auf die Lippe, offenbar um zu verhindern, dass sich ihm ein Schmerzensschrei entrang und keuchte mit vor Qual unterdrückter Stimme: „Okay, okay, du hast Recht! Nur bitte, nimm deinen Schuh aus meinem Fuß!“
    Elias kicherte belustigt, woraufhin er sofort einen weiteren bösen Blick von seinem Cousin kassierte, was er aber ignorierte. Stattdessen wandte er sich nun kleinlaut an seine Schwester, in der Hoffnung sie nicht wieder zu verstimmen: „Aber was, wenn die Idee fehlschlägt?“
    „Dann …“, begann Kleopatra und warf sich dabei so stolz in die Brust, als hätte sie gerade eben einen Marathon gewonnen, „… improvisieren wir!“
    Danach stöckelte sie, sofern das mit nur einem Absatz noch möglich war, wieder zurück zum Fährmann, gefolgt von ihrem Bruder, der ihr bewundernd, aufgrund ihres unglaublichen Einfallsreichtums, hinterher blickte und Adrian, der wirkte, als hätte man ihm gerade das Bein abgeschnitten.
    „Hallo, Herr Bootsmeister“, rief die Blondine der halbverwesten Leiche mit spürbarer Spannung in der Stimme zu, die sie jedoch mit falscher Erregung zu überspielen versuchte. Sie warf sich in eine verführerische Pose, sodass sie sicher war, dass er ihr direkt ins Dekolleté schauen konnte, schenkte ihm einen begehrenden Kussmund und klimperte dabei unschuldig mit den langen Wimpern. Den Kapuzenmann ließ das kalt.
    „Also, die Überfahrt kostet etwas?“, keuchte Kleo, hatte jedoch ein paar Schwierigkeiten beim Verführen, da sie sich davor hütete den Körper des Anderen anzufassen, was Elias durchaus verstehen konnte. Stattdessen legte sie lüstern den Finger an die Lippen und schenkte dem Stoischen einen Blick der unwiderstehlichen Sorte, bei dem sogar dem Silberling das Herz höher schlug. Sie war einfach so unglaublich.
    „Drei Goldmünzen“, antwortete der Mann in Schwarz wieder tonlos und ohne sich von der Schönheit seiner Gesprächspartnerin ablenken zu lassen. Jene fuhr sich kurz mit der Zunge über die Lippen, wobei jeder ihrer Verehrer bisher dahin geschmolzen war, als wären sie alle aus Butter gewesen und fragte mit unschuldiger Lust in der Stimme: „Aber für mich gibt es doch einen Rabatt, oder? Wissen Sie, ich habe mich schon immer nach starken Männern wie Ihnen gesehnt. Wenn Sie wollen, können Sie auch mein Gärtner werden …“
    „Drei Goldmünzen.“


    „Glaubst du wirklich, es war in Ordnung, dass du ihn einfach so in den See geschubst hast, Kleo?“, fragte Elias besorgt seine Schwester die mit verstimmter Miene am Bug des Bootes saß, während Adrian und Elias sich hinten mit der Fortbewegung abstrampeln mussten.
    „Halt‘ die Klappe und ruder‘!“

    So, ich habe jetzt bis zu Kapitel 21 vorgeschrieben, weswegen ihr bis dahin mindestens einen regelmäßigen 2-Wochen-Abstand zwischen den Kapiteln erwarten könnt :>


    Lichtertanz


    Gerade noch rechtzeitig schaffte es Damian mit einem steilen Flug nach oben, dem qualvollen Aufspießen durch Adrians Attacke zu entgehen. Mit einem lauten Zischen hörte er sie unter sich durch die Luft schießen, während er weiter nach hinauf eilte. An seiner Seite spürte er die Wunde, die seine Unaufmerksamkeit ihm verursacht hatte, unangenehm pochen. Sie war nicht tief, doch trotzdem ein Störfaktor in einem Spiel, das sich jetzt um einige Schwierigkeitsgrade erhöht hatte. Er verzog verdrossen den Mund, nachdem er merkte, dass ihm die Projektile wieder auf den Fersen waren. Nicht, dass diese simple Verfolgungsmagie irgendein Problem für den jungen Mann darstellte, schließlich hatte er gute fünf Jahre unter Aden gelernt, aber trotzdem war das ein nicht wünschenswerter Schönheitsfehler. Wäre sein Meister jetzt hier, er würde ihn für seine Unachtsamkeit herbe zurechtstutzen.
    „Naja, nicht, dass das ein Unterschied vom Normalzustand wäre …“
    Mit einem scharfen Schlenker nach rechts brachte der Magier nun die Lichtpfeile aus der Bahn und entfernte sich dabei immer weiter von ihnen. Inzwischen hatte er auch das goldene Schlachtfeld mit seinem Gegner aus der Sicht verloren, da er sich lieber auf das Abschütteln und Annullieren der Feenlicht-Jäger konzentrierte. Unter sich erkannte er einen weitentfernten, merkwürdig blassen Nebel, der die Sicht auf das, was unter ihm lag, nahm. „Vermutlich die Illusionsbegrenzung“, erkannte Damian, während er nun auf eine sich vor ihm auftürmende Wolke zustürmte. Dort wollte er untersuchen, ob die Geschosse, die ihm jetzt abermals dicht auf den Fersen waren, nur auf Sicht funktionierten.
    Kurze Zeit nachdem er in das weiche Weiß der Wolke eingetaucht war, bereute er es auch schon wieder. Anstatt nämlich, wie er es sich in Gedanken vorgestellt hatte, angenehm und sanft zu sein, war dieser kurze Ausflug vor allem eins gewesen: nass. Als Damian wieder auftauchte, spürte er wie ihm das Haar an der Stirn klebte und er hatte ein Gesicht aufgesetzt, das sich als nur mäßig begeistert von der Erfahrung präsentierte. Es trug nicht zu seiner Laune bei, dass kurz nach ihm auch sofort die Feenlichter aus dem trügerischem Weiß schossen und schneller denn je wieder die Verfolgung aufnahmen.
    Okay, auf Sicht fliegen die Dinger schon mal nicht“, hakte der junge Magier genervt in Gedanken ab, als er sich wieder auf den Rückflug zur Platte vorbereitete. „Entweder werden sie also von Magie im Allgemeinen angezogen oder sie sind bereits auf mein Magiemuster abgestimmt…“ Das Magiemuster war eine Art magischer Fingerabdruck, bei jedem Wesen unterschiedlich und individuell. Perfekt für Jagdzauber wie Adrians Feenlicht-Attacke geeignet und oftmals auch benutzt. Trotzdem bezweifelte Damian, dass es selbst beim heutigen Stand der Technik möglich wäre, so eine doch recht anspruchsvolle Magieform in einen Katalysator wie Adrians Ring einzubauen. Dieser jedoch schien sich eine Menge auf seinen Glückstreffer einzubilden, was ein weiterer Grund war, warum er zurück zur Platte flog. Zum einen wollte er ein Experiment wagen und zum anderen seinen Gegner nochmals bloßstellen.
    Als er erneut am eigentlichen Schauplatz des Duells angekommen war, erkannte er, dass Adrian abermalig dabei war sich in dem spiegelnden Untergrund zu betrachten und dabei versuchte, seine Haare wieder einigermaßen zu ordnen. Als er nun den Zauberschüler erkannte, setzte er seinen üblichen arroganten Gesichtsausdruck auf und meinte hochnäsig: „Kommst du schon zurückgekrochen?“, doch Damian ignorierte ihn. Sein Fokus lag auf den Lichtpfeilen, die ihm immer noch geradezu an den Fersen klebten und stetig an Geschwindigkeit zunahmen. Wenn er nicht bald etwas tun würde, müsste er am Ende mit zwei Löchern im Bauch in die Gaststätte zurückkehren. Keine angenehme Vorstellung.
    Doch zum Glück hatte er bereits einen Plan, um auszutesten zu welcher Art von Verfolgungsmagie „Feenlicht: Jäger“ gehörte. Er begann wieder steil nach oben zu fliegen, doch dieses Mal drehte er dabei eine Schraube, sodass dem adligen Beobachter schon allein beim Zusehen schlecht wurde. Anschließend beendete er das Manöver mit einem gewagten Salto, um dann hinterher selbstzufrieden festzustellen, dass sein Experiment geglückt war. Denn tatsächlich, waren sich die drei Geschosse während der Schraube des Magiers so nah gekommen, dass sie sich gegenseitig angezogen und dadurch in einem lauten Knall zerplatzt und nichts außer einer golden glitzernden Rauchwolke zurückgelassen hatten.
    Mit einem Ausdruck ungläubiger Enttäuschung im Gesicht betrachte Adrian wie die letzten Reste seines ehemaligen „Hauptgerichts“ nun zu Nichts dezimiert dem Boden entgegen schwebten. „Das ist doch nicht …!“, flüsterte er frustriert, um dann aber von dem feixenden Damian unterbrochen zu werden, der inzwischen elegant kurz über dem Boden zum Halten gekommen war und den Anderen seine Überlegenheit durchaus spüren ließ.
    „Was ist los, Chefkoch?“, rief er ihm selbstgefällig entgegen und verschränkte in überheblicher Art die Arme vor der Brust, während er den Adligen hochmütig musterte. „Sind dir die Rezepte ausgegangen?“
    Der junge Mann in dem zerfetzten Kostüm biss sich wütend auf die Lippe und warf dem schwerelosen Magier einen äußerst hasserfüllten Blick zu, bevor er seinen Finger ein weiteres Mal auf ihn richtete und bissig retournierte: „Nein, aber du darfst gern Nachschlag haben!“
    Mit einem lauten Krachen platzten vom protzigen Goldring förmlich sieben weitere seiner Jägerprojektile, die sich nun ihren Weg zu Damian bahnten. Dieser, jetzt, da er hinter ihren Trick gekommen war, setzte jedoch nur gelangweilt-blasiertes Lächeln auf und ließ sich auf ein weiteres Katz-und-Maus-Spiel ein. Diese monotone und stümperhafte Magie konnte ihm nicht gefährlich werden, warum sollte er da nicht noch ein wenig mit dem Reiz spielen und eine Verfolgungsjagd durch den Himmel genießen. So etwas erlebte man schließlich auch nicht alle Tage und es war so gut wie vollkommen ungefährlich.
    Während er also entspannt ein paar Wolken umflog und den warmen Sonnenschein im Rücken spürte, hinter ihm war indes das Zischen seiner Verfolger hörbar, dachte er, dass er doch seinen Geist öffnen könnte, um zu erfahren, wie weit die anderen mit ihren Kämpfen gekommen waren. Kleo hatte Laila vermutlich bereits besiegt, ihm war nämlich nicht bekannt, dass das Mädchen irgendwelche Selbstverteidigungskräfte besaß. Ihre Schwester allerdings …
    Als er kurz die Augen schloss, um sich zu konzentrieren, bemerkte er, dass in seinen Gedanken plötzlich ein Bild von dem Schauplatz, der ihn zurzeit am meisten interessierte, hell aufflammte als würde er durch klares Fenster sehen. Offenbar ein Nebeneffekt ihrer telepathischen Verbundenheit. Die Szenerie, die in seinem Kopf Gestalt angenommen hatte, zeigte eine idyllische grüne Blumenwiese inmitten eines Waldes. Marie stand nur wenige Meter von seinem Sichtpunkt aus entfernt und schien unsicher über ihre Aufgabe zu sein. Sie hatte sich auf ihre Unterlippe gebissen und knetete nervös die Hände, als eine leichte Brise ihr langes, rotes Haar kurz aufwehen ließ. Ihr gegenüber stand Elias, dem ebenfalls recht mulmig zu sein schien und der sich offenbar ziemte den ersten Schritt zu machen. Damian verdrehte kurz innerlich die Augen, um sich dann belustigt zu fragen, was denn mit dem temperamentvollen Rotschopf geschehen war. Das normalerweise bissige und zynische Mädchen, wirkte plötzlich wie ein unsicheres Kleinkind, das zu schüchtern war, um auf einen anderen zuzugehen. Ihr Blick war nach unten auf das Gras gerichtet und sie schien sich nicht darüber im Klaren zu sein, was sie nun tun sollte
    Was ist denn mit ihr los?“, meinte der Magier gedanklich und achtete penibel darauf, dass seine inneren Worte unhörbar für alle anderen waren. Schließlich wollte er später nicht von einer wütenden Furie zu Brei geschlagen werden. „Ist das Raubtier etwa zur Hauskatze mutiert? Oder hat sie schlicht und ergreifend keine Lust auf eine Auseinandersetzung?“
    Ein Blick in ihre nur sehr schlecht geschützten Gedanken, verriet ihm, dass er falsch lag. Statt irgendwelchen Unmutes darüber, dass sie einfach mal in einen Kampf hineingezogen worden war, fand er nur ein wildes und verwirrtes Gewirr aus sich gegenseitig widersprechenden Gedanken, die sich hauptsächlich und erstaunlicherweise um ihren Gegner und dessen gutes Aussehen drehten. Das überraschte den jungen Magier, doch seine Verwunderung verwandelte sich alsbald in eine Mischung aus Vergnügen und einer leichten Prise Spott über kläglichen Männergeschmack seiner Freundin.
    Also wirklich, Marie…“, ließ nun für alle verlauten und man konnte eindeutig die Schadenfreude aus seinen Gedanken heraushören. „Ich hätte nie gedacht, dass dein Typ klein und komplexbeladen ist.“
    Wa-was?!“, erschrak sie aufgebracht und ihre innere Stimme war eindeutig schriller als sonst. Auch erkannte Damian mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen, dass die Farbe ihres Kopfes sich jetzt stetig mehr und mehr dem Ton ihrer Haare annäherte. „Ich-ich habe…!“
    „Ein freier Oberkörper und schon fließen die Hormone…“, mokierte der junge Mann sie amüsiert weiter, während er fast wie im Schlaf ein paar Angriffen durch die Feenlichtjäger auswich.
    Das ist…“, empörte sich seine Freundin ungehalten, doch die Hitze in ihrem Kopf stieg stetig an, ebenso wie die Tonhöhe ihrer Stimme, wie der Magier spüren konnte. Er wollte jetzt davon ablassen sie zu brüskieren und stattdessen lieber darauf kommen, dass sie endlich mal anfangen sollte, Elias in die Schranken zu weisen, da wurde ihm diese Aufgabe auch schon von einer anderen weiblichen Stimme abgenommen.
    Elias, du dummer Volltrottel! Jetzt beeil dich endlich und gewinn‘ dein Duell gefälligst!“ Kleopatra schien offenbar nicht bester Laune zu sein, denn ihre Stimme zeugte nicht unbedingt von Geduld. Dies war allerdings, wenn Damian es richtig in Erinnerung hatte, Dauerzustand bei ihrem nervigen Bruder. Für ihn sehr verständlich.
    Aber Kleo…!“, wollte dieser nun kleinlaut zu seiner Verteidigung vorbringen, doch seine Schwester war nicht in der Stimmung um zu Verhandeln. „Kein Aber, du Memme!“, keifte sie und ließ damit jedwede Gegenargumente sich in Wohlgefallen auflösen. „Hör‘ auf den Edelmann zu spielen und fang‘ an zu kämpfen. Eine Schande bist du, sonst nichts!“
    Damian nickte zustimmend, obwohl er sich im Klaren darüber war, dass niemand ihn sehen konnte und fügte dann in seiner typischen charmant-koketten Art hinzu: „Du solltest dir auch mal Kleos Worte zu Herzen nehmen, Marie! Das ist nicht der beste Ort, um seinem Fortpflanzungstrieb freien Lauf zu lassen.“
    „Was?!“, meinte die Rothaarige entrüstet und Damian merkte, dass sich ihre Scham langsam in Wut auf ihren Freund umwandelte. Jetzt wäre es wohl der beste Zeitpunkt die Verbindung abzubrechen, um nicht doch noch Opfer einer zornigen Furie zu werden. „Das muss ich mir von dir nicht sagen…!“, fing seine Kameradin sich auch schon an in Rage zu reden, doch zu dem Glück des jungen Magiers wurde sie ein weiteres Mal von Kleopatra unterbrochen, diesmal jedoch eine Tonlage höher und weitaus zuckriger als zuvor. „Damian!“, quietschte die Blondine und sofort waren ihre Gedanken gefüllt von lauter zweideutigen Eindeutigkeiten, die den jungen Mann jedoch nicht im Entferntesten störten. Sein Geist hatte nämlich genau dieselben Gedanken inne. „Ich vermisse dich so! Hier ist es so kalt ohne dich. Ich hoffe, du kommst bald, um mich zu wärmen!“, kam es in ganz unschuldiger Kleinmädchenmanier von der jungen Frau als ob sie gerade dabei war qualvoll zu erfrieren.
    Keine Angst, mein Stern!“, antwortete Damian, heldenhaft wie der Ritter, der hübsche Prinzessin vor dem gefährlichen Drachen rettete. Natürlich war ein Großteil seiner Zuneigung nur gestellt, eine Farce, die sowohl die Blondine als auch er notgedrungen spielten. Ihre Neigung zueinander war viel eher körperlicher als platonischer Natur. Trotzdem waren beide zum stillschweigenden Einverständnis gekommen, dass man zumindest den Schein waren sollte. „Ich zeige deinem missratenen Cousin nur kurz, wo seine Grenzen liegen und danach wird dir sehr heiß werden.“
    „Mach ihn fertig, mein Galan!“, hauchte Kleo in ihrer bezeichnend-anregenden Art, ehe Damian sich wieder seinem Kampf zuwandte. Kurz bevor seinen Geist abermals verschloss, hörte noch kurz ein aufgebrachtes „Kleo!“ von Elias, was sie wie so oft mit „Klappe, Elias!“ erwiderte.
    Sich wieder auf seinem Kampf konzentrierend, vollführte Damian einige weitere, ziemlich ausgefallende Flugmanöver, mit denen er schließlich die Anzahl seiner Verfolger auf vier herunter dezimieren konnte. Aus dem Augenwinkel erkannte er voller Genugtuung, dass Adrians Gesicht mit jedem weiteren zerstörten ein wenig saurer geworden war und seine olivgrünen Augen ihm Blicke der hochgiftigen Sorte entgegenwarfen.
    „Jetzt bleib‘ doch mal eine Sekunde still, so treffe ich dich ja gar nicht!“ rief er ihm frustriert zu, während er wie üblich an seinen Haaren herumfummelte. „Da ist ohnehin nichts mehr zu retten“, war Damians abfälliger Kommentar, nachdem er spaßeshalber einige weitere Saltos gewagt hatte.
    „Tss“, ließ der junge Viscount verdrossener denn je verlauten, als sich zwei weitere Projektile als nutzlos erwiesen. Beleidigt schob er die Lippen vor und setzte ein enttäuschtes und auch sehr unzufriedenes Gesicht auf. „Wo bist du aufgewachsen, im Zirkus?“
    „Nicht ganz“, flüsterte Damian, jedoch so, dass sein Gegner ihn nicht hören konnte und entschied, dem Ganzen jetzt endlich ein Ende zu bereiten. Es war langsam an der Zeit, dass er den Adligen besiegte und außerdem wurde dieses ständige Hin-und-Her auch langsam ermüdend. Also begab er sich ganz plötzlich auf einen Steilflug direkt auf Platte zu. Er sah sie vor sich immer näher kommen, der goldene Untergrund war ihm bald so nah, dass er schon die einzelnen Dellen, die Adrians Angriffe auf ihr hinterlassen hatten, hätte zählen können. Doch er behielt einen kühlen Kopf und ließ sich nicht verunsichern.
    Kurz bevor er mit der Nasenspitze das Gold berührt hätte, riss er seinen Körper plötzlich nach oben und schoss wie ein Flitzebogen nur wenige Haaresbreiten von der Platte entfernt über jene hinweg. Hinter sich hörte er einen lauten Aufprall und er spürte eine leichte magische Vibration in der Luft, woraus er schloss, dass einer seiner restlichen Verfolger nicht so schnell wie er hatte ausweichen können und dementsprechend mitten in die schwebende Plattform gekracht war.
    Als er einen kurzen Blick nach hinten warf, bemerkte er, dass alle so gut wie alle der Feenlicht-Jäger vernichtet worden waren und ihm nur noch ein einziger an den Fersen haftete. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Perfekt!“
    Er erhöhte jetzt seine Geschwindigkeit, lenkte ein wenig nach rechts und raste jetzt direkt auf Adrian zu. Jener wusste zuerst gar nicht was los war und starrte den Magier mit einer Mischung aus Verwunderung und Erstaunen im Gesicht an, ehe er endlich bemerkte, was dessen Plan war. Der junge Mann riss entsetzt die Augen auf und stolperte zurück, wobei er ein weiteres Mal bewies, dass er die Reflexe eines im Koma liegenden Faultiers besaß, bevor Damian auch schon direkt vor ihm war.
    „Wohl bekommt‘s!“, rief er ihm mit einem Lächeln auf den Lippen zu, dass man irgendwo zwischen falscher Freundlichkeit und Boshaftigkeit einordnen konnte, als er auch schon wieder scharf nach oben schoss, sodass die Feenlicht-Attacke, die nicht schnell genug abbremsen konnte, direkt in ihren Herrn hineinflog.
    Wäre der junge Lord nicht rechtzeitig genug ausgewichen, hätte er vermutlich eine recht unschöne Oberkörperverletzung auf äußerst schmerzhafte Weise erhalten und wäre dazu noch disqualifiziert gewesen. So hatte er es aber durch einen gewagten Sprung zur Seite geschafft, diesem Schicksal zu entgehen und hatte nur eine leichte Streifwunde erleiden müssen. Enttäuscht schürzte Damian die Lippen und beobachtete wie der Lichtpfeil nun das Schicksal seiner Kumpanen teilte und sich mit einem Knall in viel Glitzerstaub auflöste. Offenbar hatte die Magie, nachdem bei einem Angriff auf ihren Meister beigetragen hatte, sich selbst deaktiviert. „Sieh mal einer an“, meinte der junge Mann in Gedanken und setzte einen leicht überraschten Gesichtsausdruck auf. „Ich wusste gar nicht, dass die Katalysatoren so eine Funktion haben. Das Ding muss ganz schön teuer gewesen sein“, schlussfolgerte er und dachte an den pompösen Goldring am Finger seines Gegner.
    Besagter Kontrahent lag jetzt auf dem Boden der Platte und klagte lauthals über seine unglaublich schlimmen Kratzer. Wie ein aufgeregtes Kleinkind rollte er über den goldenen Untergrund und jammerte dabei ungeniert, während Damian entnervt die Augen verdrehte. „Auauauauau!“, heulte er und hielt sich dabei die Stelle an seinem Arm als wäre seine gesamte rechte Körperhälfte kurz davor auseinander fallen. „Ah! Es tut weh! Es brennt! Es tut so weh! Aaaautsch!“
    „Du wiederholst dich“, unterbrach Damian den Leidenden gelangweilt und fuhr sich einmal durch die Haare, da ihn eine Strähne im Gesicht nervte. „Jetzt stell‘ dich mal nicht so an. Ich wurde schließlich auch getroffen und ich hab nicht so ein Drama draus gemacht.“ Ein leises Pochen besagter Stelle am Rücken schien seine Aussage unterstützen zu wollen, auch wenn Adrian natürlich unmöglich wissen konnte, dass sie schmerzte.
    Jener warf dem Magier jetzt wie so oft schon einen Blick zu, als hätte er soeben kaltblütig einen Hundewelpen um die Ecke gebracht, bevor er wieder anfing sich lamentierend zu rechtfertigen: „Ich besitze halt eine sanftere Konstitution als so ein rüpelhafter Grobian wie du!“
    „Oh, Verzeihung, Milady“, entgegnete der junge Mann nun mehr als belustigt und hob fragend seine Augenbraue, während er sich mit einem ziemlich amüsierten Lächeln auf den Lippen scheinheilig erkundigte: „Warum habt Ihr mir denn nicht schon davor gesagt, dass euer sensibles Gemüt so etwas nicht aushält?“
    Ein tödlicher Blick war die Antwort, bevor der Adlige aufstand als sei nie etwas gewesen und sich schnippisch weiter echauffierte: „Eigentlich wollte ich ja nicht zu solchen rabiaten Mitteln greifen, aber da du mir ja augenscheinlich keine andere Wahl lässt …“
    „Oh“, fiel Damian ihm höhnisch ins Wort und aus jeder einzelnen Silbe, die er sprach, sprang einem der Sarkasmus förmlich an: „Was kommt jetzt? Wirfst du mit Blumen nach mir? Oder holst du die Armee der rosafarbenen Schmetterlinge?“
    „Nichts dergleichen“, antwortete Adrian und blieb dabei todernst, fast so als hätte er die Ironie hinter den Worten seines Gegners nicht verstanden. „Hat er vermutlich auch nicht …“, ließ der junge Magier spöttisch in Gedanken verlauten, während er weiterhin hochnäsig wie eh und je auf den anderen hinunter starrte. „Nicht das irgendetwas, was dieser Wicht mir noch entgegenzusetzen hätte, meinen Sieg auch nur im Ansatz gefährden könnte.“
    „Allerdings …“, fuhr der junge Adlige nun fort und schien offenbar seine alte, selbstgefällige Art zurückzugewinnen, wobei er nun seine linke Hand hob, die auf einmal begann strahlend hell zu leuchten, fast als hätte sie eines der Feenlichter eingefangen, „… habe ich noch mein zuckriges Dessert!“
    ___
    17. Kapitel mit 2900 Wörtern. Und die nächsten Kapitel werden auch solche großen Brocken x3

    So, nachdem ich gestern versäumt hatte zum einjährigen Jubiläum zu posten, mach ich das heute einfach mal :>


    Leichenlichter


    Marie fand sich auf einer grünen, idyllischen Waldlichtung wieder. Die hellen Strahlen der Sonne blendeten sie zunächst, sodass sie ihre Augen schließen musste und die Hände vor das Gesicht nahm, um sich vor dem gleißenden Licht zu schützen. Als sie sich an den Schein gewöhnt hatte, erkannte sie, dass sie nicht die einzige Anwesende an diesem merkwürdig normalen Ort war. Ihr gegenüber stand Elias, der sich auch reichlich verwirrt umschaute und offenbar ebenfalls nicht genau wusste, was gerade vor sich ging. Nach einer kurzen Zeit des Betrachtens konnte sie nun auch endlich ihre Umgebung anständig erkennen. Viele bunte Blumen blühten auf dem saftigen, mit Tau versetzten Gras, welches gesünder und farbiger als alles, was Marie zuvor gesehen hatte, aussah. Weiter hinten konnte sie ein paar hohe Bäume erkennen, welche jedoch aus irgendeinem Grund in Nebel gehüllt waren. Über sich erkannte sie den strahlendblauen Himmel, nur von wenigen weißen und flauschig wirkenden Wolken bedeckt. Alles schien friedlich und ruhig zu sein.
    Alle herhören!“
    Marie schreckte auf. Urplötzlich war Damians Stimme in ihrem Kopf erklungen, so laut, als würde er direkt neben ihr stehen. Verwirrt sah sie sich um, es war niemand außer ihr und dem Adligen auf der Lichtung zu sehen, alles war harmonisch, nur ein paar goldene Schmetterlinge flatterten umher und glitzerten im Sonnenlicht. „Hast du…?“, wandte der Rotschopf sich nun an den Silberling, der ebenso wie sie überrascht um sich geschaut hatte, doch sie wurde abermals durch die Stimme ihres Freundes unterbrochen, welche immer noch deutlich in ihrem Kopf widerhallte.
    Ihr fragt euch sicher, was gerade passiert ist…“
    „Nein, wie kommt er nur darauf?“, dachte Marie bei sich und wurde zunehmend genervter. Es war so gut wie klar, dass der junge Magier die Gruppe erneut in irgendetwas hineingezogen hatte, dass sie und Laila mal wieder ausbaden mussten. Warum genau sie sich deshalb mit einem ihrer „Feinde“ auf einer Lichtung befand, war da eigentlich nur eine Frage von nebensächlichem Interesse. Demnächst sollte dieser Idiot die Rothaarige und ihre Schwester gefälligst nicht mehr in seine Angelegenheiten verwickeln.
    Zu Maries Erstaunen und auch zu ihrer Bestürzung, antwortete Damians Stimme jedoch auf ihre nicht laut ausgesprochenen Gedanken, wobei er sich nicht unbedingt erfreut anhörte: „Er wollte gerade dazu kommen!“
    „Was? Aber wie…?“, fragte sich Marie verwirrt, als ihr die schrille Stimme Kleopatras antwortete: „Eine Multiverbindungsplatzierung! Hast du davon etwa noch nie etwas gehört, du dummes Mädchen?!“
    „Eine Art Gruppentelepathie“, erklang nun auch Elias bei weitem weniger hochnäsige Stimme in dem Kopf des Rotschopfes, offenbar in einem verzweifelten Versuch die Unhöflichkeit seiner Schwester etwas zu unterdrücken. Das Mädchen erkannte, dass der junge Mann ihr von der anderen Seite der Lichtung her freundlich zu lächelte, was sie jedoch kalt ließ. Er war der Bruder dieses Biestes, dass sie zuvor als „dumm“ betitelt hatte und hatte nichts hinzuzufügen? Außerdem hatte sie gesehen, dass er jedem hübschen Mädchen den Hof gemacht hatte, nicht unähnlich Damian, weshalb sie nicht unbedingt von dem Silberling angetan war. Letztendlich war auch er nur ein weiterer oberflächlicher Adliger, der vor einem tyrannischen Püppchen wie seiner Schwester kleinbeigab.


    Kleopatra war nicht amüsiert. Zum einen hatten sie die Erlebnisse des heutigen Abends mitgenommen und auch deutliche Spuren hinterlassen, zum anderen befand sie sich in einer Umgebung, die ihr nicht unbedingt zusagte: Einer Eiswüste. Momentan war es windstill, doch trotzdem war es frostig kalt, was nicht zuletzt an ihrer eher knapp bemessenen Kleidung lag. Vor ihr erstreckte sich eine ewigweiße, schneebedeckte Ebene vollkommen ohne irgendeine Art der Vegetation. Alles war still, aber es war keine friedliche Ruhe, sondern eine Stummheit, die alles verschluckte und der ganzen Atmosphäre einen leicht gruseligen Ton gab. Nicht das Kleopatra Angst gehabt hätte, eher war sie um ihr Aussehen besorgt. Die Temperaturen hier waren furchtbar für ihre Haare. In der Ferne konnte sie einige eisige Hügel erkennen und ab und an ragte aus der weißen Ebene eine Art kleiner Eisberg hervor, der aussah als hätte man ein gigantisches Messer in die Erde gerammt. Der Himmel war dunkel und bedeckt, kein einziger Stern war zu sehen vom Mond ganz zu schweigen.
    Was für eine grauenhafte Gegend! Absolut unzumutbar für jemanden wie sie, diese trockene Kälte war unglaublich schlecht für ihre Frisur. Mit einem nun gequälten Blick wandte sie sich ihren Fingernägeln zu, die durch die Abenteuer in den Tunneln unter Schwarzstadt sehr viel Schaden zu sich genommen hatten. Der violette Lack war größtenteils abgeblättert und ein Großteil der Nägel war zu allem Überfluss auch noch abgebrochen. Was für eine Katastrophe! Wie sollte sie das je wieder wettmachen, Schönheit wie die ihre musste bis ins Detail perfekt sein und erforderte sehr viel Zeit und Aufwand, doch nun war all das zu Nichte gemacht worden. Fürchterlich!
    Als sie ihre Augen schmerzerfüllt abwandte, erkannte sie, dass ihr gegenüber ein ihr unbekanntes, blondes Mädchen stand, welches zitternd die Arme um den Körper geschlungen hatte. Sofort machte es bei dem blonden Gift Klick und sie konzentrierte sich jetzt darauf, Fehler bei der anderen jungen Dame zu suchen. Mit einem herablassenden Lächeln auf den Lippen wanderten die himmelblauen Augen von dem unordentlichen, etwas strohigen Haar, über das genähte Sackkostüm, welches Kleo nicht Kleid titulieren wollte, bis hin zu den billigen Schuhen. „Keine Schönheit“, setzte die Blondine als Fazit, während sie, eine gezupfte Augenbraue gehoben, das Gesicht des Mädchens musterte. „Ziemlich fettes Ding…“, ließ sie sich in Gedanken aus, womit sie Lailas leichte Gesichtsfülle extrem übertrieben darstellte, wohlwissend, dass jeder sie hören konnte. „Und wer hat diese Schminke aufgetragen? Sieht aus wie bei einer Zehnjährigen, die in einen Farbtopf gefallen ist…“
    Scheint ja dein Ebenbild zu sein…“, ertönte urplötzlich die nasale Stimme Adrians in Kleos Kopf und sein Tonfall war der typisch gelangweilt-arrogante, der die Blondine immer wieder zur Weißglut trieb.
    „Wer hat dich denn gefragt?!“, fauchte sie deshalb als Antwort, während sie sich wünschte, dass ihr Cousin hier wäre, sodass sie ihn kopfüber in das Eis unter ihr rammen könnte. Dieser nervige, kleine Idiot raubte ihr stets das letzte bisschen ihrer ohnehin sparsam bemessenen Geduld, weshalb sie sich in seiner Anwesenheit auch oftmals zu Gewaltverbrechen mittlerer Schwere hinreißen ließ. Aber wem ging dieser Affe nicht auf die Nerven?
    „Ich muss dir voll und ganz zustimmen, Kleo“, erklang nun die kokette Stimme Damians, was die Schönheitskönigin sofort dazu verließ von „Wutausbruch“ auf „Liebäugeln“ umzustellen. „Oh, Dammi!“, heulte sie mit künstlicher Unschuld und setzte unbewusst ihren Hundeblick auf. „Wo bist du? Und warum bin ich hier mit…äh…“ Sie betrachte kurz ihr Gegenüber. Was hatte ihr neuste Begierde nochmal gesagt, wie hieß das blonde Gör? Lulu? Nein, es war Lily gewesen. Oder doch Laura?
    Laila!“, erklang es energisch in ihrer Ohrmuschel und die Blondine ahnte, dass es sich bei dieser wütenden Stimme nicht um die von dem schüchternen Mädchen vor ihr handelte. Das musste die andere Vogelscheuche, die mit ihrem Dammi unterwegs gewesen war, sein, die Rothaarige. „Das Mädchen, das zu dumm war, um eine Multiverbindungsplatzierung zu erkennen“, spöttelte sie höhnisch in Gedanken und eine deutliche Welle des Unmutes schwappte ihr entgegen.
    Kleo, bitte!“, meinte ihr Bruder fast flehentlich, doch sie unterbrach ihn mit einem schroffen: „Klappe, Elias!“ Noch jemand, den sie am liebsten von irgendwo herunterstoßen wollte, einfach nur, weil er da war.
    „Können wir zur Punkt kommen?“, mischte sich Damian jetzt wieder ein und seine Stimme war eindeutig ein paar Nuancen kühler als zuvor, was Kleo sofort auf den Silberling zurückführte. Wem ging dieser Giftzwerg nicht auf die Nerven?


    „Die Prüfung des Schatzes sieht wie folgt aus…“, erklärte Damian, während er sich genervt die Schläfen massierte. Diese Gruppe war für ihn eindeutig zu laut und zu nervig. Keiner von ihnen wusste, wie man die innersten Gedanken während der Platzierung willentlich wegsperrte, weshalb es quasi Dauerlärm gab und alles durcheinanderging. Der Magier musste sich wirklich konzentrieren, damit seine Nachricht laut und deutlich zu den anderen durchdrang, was sich natürlich als ziemliche Herausforderung darstellte. Kleo und Marie waren gerade dabei sich lautstark anzufeinden, Elias versuchte zu schlichten und Laila war wie immer eigentlich verwirrt. Einzig von seinem Gegner, Adrian, vernahm er nichts, was aber vermutlich daran lag, dass der Spiegeljunge es nicht so mit dem Denken hatte.
    Unsere Gruppen müssen jetzt gegeneinander kämpfen, wobei wir alle in Paare eingeteilt worden sind. Die Partei, die die meisten Siege zu verzeichnen hat, ist der Besitzer des Schatzes“, begann der junge Magier nun seine Erläuterungen und vernahm zu seinem Gefallen, dass er endlich die Aufmerksamkeit aller besaß. „Unser Schlachtfeld ist eine alles einnehmende Illusion…“, fuhr er fort und schnippte sich kurz eine lästige Strähne aus dem Auge, bevor er weiter ausholte, „…außerdem sind wir wie ihr sicher schon gemerkt habt, telepathisch verbunden.“
    „Ja, das haben wir alle bemerkt!“, hörte er eine von Maries zynischen Randbemerkungen, doch er beschloss sie zu ignorieren.
    „Vor dem Kampf müsst ihr euch einigen, ob ihr mit Magie, Waffen oder frei von diesen Einschränkungen kämpfen wollt. Wer als Erstes das Bewusstsein verliert, ist disqualifiziert. Das war alles“, schloss er seine Ausführungen und hoffte, dass jeder das doch recht primitive Prinzip verstanden hatte, auch wenn er sich bei manchen nicht unbedingt sicher war. Adrian und Laila schienen nämlich nicht wirklich zugehört zu haben, doch das war ihm jetzt ziemlich egal. Er würde so oder so gewinnen und selbst wenn Laila verlor, würde Marie das wieder wettmachen. Dieses verzogene Adelsbübchen hatte ohnehin keine Chance gegen sie, soviel war klar.
    Damian verschloss nun seinen Geist, damit ihn das nervige Gerede der Anderen nicht beim Kampf stören würde, und konzentrierte sich jetzt auf seinen Gegner und ihren Aufenthaltsort. Offenbar handelte es sich um eine gigantische, weitläufige Goldplatte, die hoch oben in der Luft schwebte. Die Sonne erschien ihm so viel größer als normal zu sein und strahlte heiß auf die beiden Kontrahenten herab. Der Himmel über ihm war so blau wie er es selbst an den schönsten Sommertagen noch nie gewesen war. Aus dem Augenwinkel konnte der junge Mann ein paar Wolken an ihm vorbeiziehen sehen, doch sein Hauptinteresse lag auf dem Adelssöhnchen vor ihm. Jener hatte die ganze Zeit sein Spiegelbild auf dem goldenen Untergrund betrachtet, doch schien nun ebenfalls bereit zur Konfrontation zur sein. Damian erwiderte den herablassenden Blick seines Gegners mit einem selbstsicheren Lächeln. „Der sollte kein Problem darstellen. Maximal fünf Minuten…“
    „Ich schlage vor wir tragen ein magiebasiertes Duell aus“, meinte Adrian in nasaler Hochmütigkeit, während er geistesabwesend an seinen Haaren herumfummelte, sie allerdings nicht wieder zu alter Glorie bringen konnte. Doch trotz der aufgetragenen Überheblichkeit, konnte Damian erkennen, dass ein olivgrünes Auge kurz zu seinem Mönchsstab huschte. Offenbar hatte der Adlige diesen noch gut in Erinnerung und wollte ein Szenario, wie es sich auf dem Marktplatz zugetragen hatte, verhindern. Der junge Magier lächelte. Dieser Lackaffe wusste offenbar nicht, dass er den Stab auch genauso gut für magische Zwecke einsetzten konnte und eigentlich sogar noch weitaus effektiver.
    „Mir ist alles recht“, antwortete der Braunhaarige deshalb unbekümmert, während er seinen Gegenüber weiterhin blasiert musterte. „Ein Kinderspiel…“
    „Nun dann!“, kam es jedoch plötzlich von dem jungen Viscount und ohne jede weitere Vorwarnung richtete dieser mit einer übertrieben theatralischen Geste seinen linken Zeigefinger auf den Magier. Der daran steckende, protzige Goldring begann auf einmal strahlend hell zu leuchten und entließ dann mit einem lauten Zischen eine blendende Kugel goldenen Lichts, welche auf den Magier zu raste. Jener war leicht überrascht, jedoch nicht sonderlich überwältigt, sondern tat einige elegante Schritte zur Seite, wodurch das Geschoss ihn verfehlte und in der Leere hinter ihm verschwand.
    Mit einem jovialen Lächeln auf den Lippen analysierte Damian kurz die Lage, um sich dann in seiner typischen herablassenden Art an Adrian zu wenden. „War das alles?“, fragte er belustigt, während er seinen langen, goldenen Stab hin und her schwingen ließ. „Ein wenig Feenlicht? Mit deinem Ring als Katalysator, ziemlich erbärmlich…“
    Der junge „von Goldhall“ schnalzte indes verstimmt mit der Zunge, das Gesicht zu einer leicht missmutigen Grimasse verzogen. Die olivgrünen Augen zeigten eine leichte Verstimmung als er in einem Tonfall, aus dem man seine Kränkung nur ganz leise heraushören konnte, meinte: „Das war nur der Vorgeschmack! Zeit für den Hauptgang!“
    „Bis jetzt fehlte mir eindeutig das Salz in der Suppe!“, spöttelte Damian laut, bevor er sich in Kampfstellung brachte, was mit einem Zucken der Augenbraue von dem jungen Lord zur Kenntnis genommen wurde. Jener entfesselte nun mit einer weiteren ausladenden Geste eine ganze Salve seiner Feenlichtpatronen, die golden schillernd auf den jungen Zauberschüler zu jagten. Mit einer sanften Drehung wich dieser jedoch ein paar Kugeln aus, bevor er drei andere mit seinem goldenen Stab abblockte und glitzernd platzen ließ wie ein paar überreife Tomaten.
    „Nicht schlecht“, bemerkte Adrian herablassend und mit einem arroganten Lächeln auf den Lippen, bevor er noch mehr seiner Kugeln auf den Braunhaarigen schmetterte. „Aber ich bin besser!“
    Der Zauberschüler gab als Antwort ein gelangweiltes Gähnen von sich, bevor er anfing sich zu konzentrieren und die in seinem Körper pulsierende Magie in seine Füße zu lenken. Er spürte wie sie warm ähnlich einer heißen Flüssigkeit seinen Körper durchströmte, fühlte wie sie sich in seinen Zehen sammelte. Neben ihm schlugen einige Projektile ein und ließen die Plattform auf der er stand kaum merklich erbeben, doch er durfte sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das Erste, was Aden ihm damals beigebracht hatte, war die Macht des inneren Friedens. Magie war in erster Linie ein sehr instabiles Gedankenkonstrukt, das bei dem kleinsten Ungleichgewicht in sich zusammenstürzen konnte wie ein Kartenhaus. Unter anderem einer der Gründe, warum die meisten Leute sich auf Katalysatoren wie beispielsweise die Ringe, die Adrian trug, verließen. Dadurch brauchte man nur die rohe, magische Kraft sammeln und der Rest wurde durch den jeweiligen Gegenstand erledigt. Praktisch, aber letztlich äußert grob und uneffektiv.
    Damian schlug die Augen auf und sah direkt vor sich eine goldene Kugel, welche nur noch wenige Haaresbreiten von ihm entfernt war. Sie würde ihn unweigerlich ins Gesicht treffen, doch der Magier behielt seine Ruhe. Einen Augenaufschlag später war er urplötzlich verschwunden, sodass der Ball ins Leere schoss. Der junge „von Goldhall“ blickte sich verwirrt um, doch dann erkannte er mit einem erstaunten Ausdruck im Gesicht, dass Damian sich nicht in Luft aufgelöst hatte. Stattdessen schwebte er nun über ihm und blickte im wahrsten Sinne des Wortes von oben auf seinen Gegner herab, ein sowohl stolzes als auch arrogantes Grinsen im Gesicht.
    Das wird ja einfacher als ich gedacht hatte.“
    „Das, das…“, stammelte Adrian fassungslos während er bestürzt den fliegenden Zauberschüler anstarrte, „…das ist Schummeln!“
    „Lass mich überlegen“, entgegnete dieser belustigt und tat so als würde er kurz nachdenken. „Nö.“
    „Tss“, zischte der junge Lord verschnupft und seine Augen verengten sich zu Schlitzen bevor er nasal wie immer und nun wieder mit einem selbstgefälligen Lächeln im Gesicht verlauten ließ: „Vergiss nicht: Wer hoch steigt, fällt tief!“
    Mit diesen Worten schleuderte er Damian eine weitere Reihe von Lichtbomben entgegen, die ihn dieses Mal in einer x-förmigen Formation angriffen. Der Attackierte ließ sich dadurch jedoch nicht aus der Fassung bringen, sondern flog einige simple Manöver, sodass ihn abermals kein Geschoss treffen konnte. Obwohl er schon so oft zusammen mit Aden geflogen war, empfand er es immer noch als berauschendes Gefühl. Der Wind, der einem entgegen rauschte und ihm die Haare aus dem Gesicht blies, diese leichte Ahnung der Schwerelosigkeit und was für ihn wohl am wichtigsten gewesen war, der Eindruck der Freiheit. Als könnte er alles tun, überall hin und wäre nicht mehr durch an die Erde und ihre Ketten gebunden. Doch jetzt durfte er sich das nicht zu Kopfe steigen lassen, schließlich war es wichtig, immer konzentriert zu sein.
    Nach einigen weiteren Luftmanövern, analysierte er die Lage. Im Endeffekt war es immer dasselbe Spiel, der Adelsbengel feuerte ein paar Feenlichter auf ihn, er wich aus und das Ganze wiederholte sich. Im Endeffekt hätte der Zauberschüler den Kampf bereits viel früher beenden können, doch das Necken des anderen Jungen amüsierte ihn. Ein wenig Spaß durfte ja sein.
    „Was denn?“, rief er Adrian nun erheitert zu, während er sich fast wie im Schlaf einigen weiteren Lichtprojektilen entzog, die nun im konstanten Dauerbeschuss auf ihn einprasselten. „Fallen dir keine geschmacklosen Wortwitze auf Essen mehr ein?“
    „Mein Repertoire ist noch nicht gänzlich erschöpft!“, antwortete der junge Adlige mit einer Mischung aus Frust und wütender Anmaßung in der Stimme, während sein Zeigefinger so hell leuchtete wie eine Sternschnuppe. „Es ist angerichtet!“
    Von seinem goldenen Ring spalteten sich drei weitere Feenlichter ab, doch diese wirkten anders als die vorherigen. Sie verformten sich beim Flug zu bedrohlich langen pfeilartigen Gebilden, die sogar noch an Geschwindigkeit aufnahmen, als sie auf Damian zuschossen. Ihre mörderisch wirkenden Spitzen zischten nur haarscharf an ihm vorbei, nachdem er einen intelligenten Zug zur Seite gemacht hatte. Er merkte, dass nun die harten Geschütze ausgepackt wurden. „…oder die scharfen Gewürze, wie man es ausdrücken möchte…“, fügte er vergnügt in Gedanken hinzu. Dieser Kampf war noch immer ein leichter Zeitvertreib für ihn, die Magie war zwar inzwischen wenigstens etwas anspruchsvoller geworden, aber immer noch keine Herausforderung.
    Zu seiner Verwunderung erkannte er, dass Adrian trotz der abermaligen Verfehlung ihm überheblich wie eh und je entgegen lächelte. Der Zauberschüler hob eine Augenbraue, aber dann erkannte er plötzlich aus dem Augenwinkel heraus, wie etwas auf seinen Rücken zu raste. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig sich herumzudrehen, als die magischen Pfeile von zuvor ein Stück seines Hemdes zerfetzten. Er spürte ihre Hitze und ein pochender Schmerz verriet ihm, dass sie ihn zumindest gestreift hatten. Zum Glück konnte er einen Großteil des Schmerzes durch seine Magie unterdrücken, um nicht aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden, doch trotzdem war das ein nicht wünschenswerter Zustand.
    „Darf ich vorstellen?“, meinte Adrian nun laut und seine Stimme lief vor lauter Selbstgefälligkeit fast über, da er offenbar dachte er hätte seinen Gegner nun in der Falle. „Das Hauptgericht des Abends! Meine Attacke Feenlicht: Jäger verfolgt gnadenlos ihr Ziel, um es dann, wenn es erschöpft ist, schlussendlich niederzustrecken!“
    Wie um seine Worte zu bestätigen, machten die drei Projektile eine Kehrtwende, um dann noch schneller und gefährlicher auf Damian zu zustürmen. „Bon Appetit!“
    ___
    16. Kapitel mit 3000 Wörtern. In letzter Zeit bin ich gut mit dabei x3

    Hallo :>


    Da ich mir ganz extrem unsicher bei meinen Kampfszenen bin und sie auch insgesamt meist als eher suboptimal betrachte :/ Leider kann ich nie genau den Finger auf das legen, was mich stört, weshalb ich mal den Service der Schreibschule nutzen wollte, um es hier auseinandernehmen zu lassen. Hoffentlich mache ich damit keine Umstände...



    Hoffentlich könnt ihr mir irgendwie helfen.


    lG Cheshire :>

    Tartaros


    Das helle Licht des Feuers, welches in Damians Hand flackernd brannte, erleuchtete einen Teil des hoheitlichen Raumes, den die Gruppe nun betreten hatte. Marie kam angesichts des fantastischen Blickes, der sich ihr bot, kaum noch aus dem Staunen heraus und das obwohl sie in dieser Nacht bereits äußerst viel an Unglaublichem gesehen hatte, doch die Schönheit dieses Saales überstieg alles Vorherige.
    Nachdem sie von der Kammer des Höllenhundes einem kleinen Pfad, der später in eine Treppe gemündet hatte, weiter hinunter gefolgt waren, waren sie in eine weitere, gigantische Höhle gelangt, die sich nun vor ihnen erstreckte. Anders als die Schreinkammer jedoch, welche sehr in die Höhe gegangen war, dehnte sich dieser Saal in Weite aus, sodass es wirkte, als wäre es eine riesige Luftblase inmitten des Gesteins. Viele steinerne Wege führten in das Zentrum der Grotte, umgeben von unzählbaren, kleinen Teichen, welche still dort lagen und das Licht des Feuers widerspiegelten. Ausstaffiert war all dies mit abertausenden von Edelsteinen, welche, in allen Farben, Größen und Formen, das Licht Damians brachen und um ein Vielfaches schöner wiedergaben. Fern konnte Marie die Ufer eines dunklen Sees erkennen, dessen Strände, wie es schien, aus schwarzem Sand bestanden und dessen Wellen eine unheimliche und dennoch schöne Melodie spielten, welche Geist und Körper beruhigten.
    „Ziemlich beeindruckend“, flüsterte sie, während sie gemeinsam mit ihrer Schwester und Damian knirschend den Pfad zu der höher gelegenen Plattform entlang ging und dabei die zahlreichen Kristalle betrachtete, welche ihre überwältigte Reflexion zurückwarfen.
    „Ja…“, flüsterte Laila schwach, derweilen sog sie mit großen Augen alle Eindrücke um sich herum ein, fast als würde sie glauben, dieser Raum könnte sich gleich als eine gigantische Illusion entpuppen. Über das ganze Staunen hatte die Blondine sogar vergessen weiterhin die Seelen der Toten zu besänftigen und ihre sonstige Panik zu verbreiten. Sie lief einfach wie ein orientierungsloses Lamm hinter Damian her, während sie sich von der Pracht des Raumes erschlagen ließ. Der Zauberschüler indes war anscheinend nicht besonders ergriffen von der Szenerie, die sich ihm bot, stattdessen wirkte er mehr wie ein ungeduldiges Kind, das darauf wartete, seine Geburtstagsgeschenke auszupacken. „Nichts, was ich nicht schon gesehen hätte“, kommentierte er kurz abfällig, wofür Marie ihn schon wieder hatte schlagen wollen, bevor er weiter nach vorne eilte, um endlich im Zentrum des Raumes anzukommen. „Ich will wissen, ob dieser ominöse Schatz wirklich hier ist. Weil wenn nicht…“, meinte er und ein fröhliches, aber doch leicht schalkhaftes Lächeln stahl sich bei dem Gedanken Piero aufzumischen auf sein Gesicht. Er hoffte offensichtlich eindeutig auf das Letztere.
    „Ich glaube, wir sollten uns alle Drei wünschen, dass Piero die Wahrheit gesagt hat, nicht wahr, Damian?“, fragte Marie schnippisch und tat einige schnelle Schritte nach vorne, um den Magier zu überholen und vorneweg zu gehen. Schließlich brauchten sie das Geld, um die Gaststätte ihrer Großmutter zu retten und außerdem schätzte sie Piero nicht als die Art Mensch ein, die Andere einfach nur aus Spaß belog. Natürlich war er etwas verschroben, aber trotzdem wirkte er nicht wie ein Betrüger und Intrigant, zumindest auf sie nicht und ihre Menschenkenntnis hatte sie bis jetzt nur selten getäuscht.
    Der Zauberschüler zog ein Gesicht, das eine Mischung aus Missmut und Kränkung zeigte, bevor er sein Tempo erhöhte, um nicht hinter die Rothaarige zurückzufallen. „Dieser Clown wirkte auf mich aber alles andere als vertrauenswürdig“, gab er als Erwiderung und man konnte deutlich die Abneigung aus seiner Stimme heraushören. Im Gegensatz zu Marie war er ganz und gar nicht von dem wandernden Narren angetan gewesen.
    „Wenn das so ist, wieso hast du uns dann hierhin mitgeschleppt?“, fauchte das Mädchen und ging noch ein wenig schneller, damit Damian sie nicht überholen konnte. „Mitten in der Nacht?“, betonte sie noch einmal äußerst gereizt, während sie ihrem Freund einen Blick der ganz tödlichen Sorte zuwarf. Sie würde ihm das vermutlich noch in fünfzig Jahren nachtragen und zwar auch völlig berechtigt wie sie fand. Es hätten bereits so viele Sachen passieren können, dass man eigentlich von Glück sprechen konnte, dass Damian bis jetzt nur ein paar verkohlte Haarspitzen aufwies. Schließlich waren sie zuvor einem Monster entkommen, das sie alle mit Leichtigkeit hätte töten können, wenn Laila sie nicht gerettet hätte. „Und das alles nur, weil Herr Abenteurer mal wieder sein übergroßes Ego unter Beweis stellen musste…“
    „Ihr hättet ja nicht mitkommen müssen“, gab der junge Mann nun trotzig zurück und ähnelte mehr denn je einem beleidigten Kleinkind, das soeben zu Recht gewiesen wurde, seine Fehler aber nicht einsehen wollte. „Euch hat keiner gezwungen!“
    „Nicht gezwungen?“, fragte Marie halb spöttisch halb ungläubig, während es schien, als wollte sie mit ihren Blicken den Zauberlehrling durchbohren. „Du hast uns geradezu genötigt!“
    „Das stimmt überhaupt nicht!“, entgegnete dieser nun aufgebracht und beeilte sich damit noch schneller zu laufen, fast als hoffte er den ständigen Beschwerden seiner Begleiterin zu entkommen.
    „Und wie das stimmt!“, retournierte Marie und auch ihre Stimme wurde nun eindeutig hitziger, während sie ebenfalls an Tempo aufnahm, um ihren Freund auch ja nicht flüchten zu lassen. „Nur weil du nicht einsehen willst, dass du einen Fehler gemacht und mal wieder zuerst gehandelt bevor du nachgedacht hast…“
    „Nur weil du eine Zicke bist!“, unterbrach sie Damian forsch und mit einem Ausdruck im Gesicht, als hätte er einen ziemlich unangenehmen Geschmack im Mund, während seine Wangen sich leicht rötlich färbten. Auch Marie spürte nun wie ihr das Blut in den Kopf schoss, sodass ihr Gesicht sich nun langsam der Farbe ihrer Haare anglich. „Mit dir kann man sich echt nicht vernünftig unterhalten!“, regte sie sich auf und griff den Jungen augenblicklich am Kragen, um ihn mit Gewalt zurückzuziehen und ihn so zu zwingen ihr in die Augen zu schauen. Er warf ihr daraufhin einen todesbeleidigten Blick zu, als sei sie diejenige gewesen, die zuerst ausfällig geworden war und zog ein gekränktes Gesicht. Sie erwiderte den Ausdruck nicht minder zornig, sodass es eine kurze Weile lang zu einem intensiven Starrkampf kam, bevor von beiden ein einstimmiges „Laila, sag doch mal was dazu!“ kam.
    „Äh…“, ertönte die schüchterne Stimme der Blondine von weiter hinten aus der Höhle und erst jetzt merkte Marie, dass sie und Damian bereits fast im Zentrum angekommen waren, während sie gestritten und Laila zurückgelassen hatten. Jene beeilte sich nun zu ihren beiden Gefährten wieder aufzuholen, wobei sie fast über einen aus dem Boden ragenden Edelstein gestolpert wäre. „Also ich bin nicht ganz mitgekommen…“, keuchte sie, als sie vor den beiden Anderen Halt machte und sich die offensichtlich stechende Brust hielt. Das blonde Haar hing ihr unordentlich ins Gesicht und ihr Kopf war rot wie eine Tomate, allerdings aus leicht anderen Gründen als es bei Damian und Marie der Fall war.
    Das merkt man…“, war der gedankliche Kommentar des Rotschopfes dazu, während sie sich bereits wieder beruhigte. Wenn Laila es mal wieder schaffte, ungewollt die Situation aufzulockern, konnte man ihr eigentlich nur dankbar dafür sein. Ansonsten wären vermutlich viele vorherige Unstimmigkeiten in Mord und Todschlag eskaliert. Anstatt also auf Damian einzuschreien, wie sie es eigentlich zuvor vorgehabt hatte, versetzte sie ihm einfach nur einen Klaps auf den Hinterkopf und begann weiter zum erhöhten Zentrum zu schlendern. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass der Zauberschüler sich eingeschnappt die schmerzende Stelle hielt, aber sonst nicht weiter auf ihren Streit einging. Offenbar wusste er doch, dass er noch recht unversehrt davongekommen war und wünschte sich wohl doch nicht, es wieder drauf ankommen zu lassen. Auf der anderen Seite konnte sie erkennen, dass Laila offensichtlich reichlich verwirrt dreinblickte und nicht so recht wusste, was gerade genau passiert war, es aber auch nicht weiter ansprach.
    Vor dem Rotschopf erhob sich nun eine golden glänzende, reich verzierte Treppe, die hinauf auf die Plattform führte, welche den Mittelpunkt der Halle darstellte. Angesichts dieser Pracht war sich Marie bereits sicher, dass Piero ganz bestimmt nicht gelogen hatte, als er etwas von einem Schatz unter Schwarzstadt erzählt hatte. Wenn das Gold sogar gereicht hatte, um als Material für die Treppe zu dienen, mochte man sich gar nicht erst ausmalen, was einen weiter oben erwartete. Vermutlich abertausende von Gold- und Silbermünzen, unendlich viele Ketten, Armbänder, Ringe und Kronen mit eingefassten Diamanten und Juwelen, Rubinen und Saphiren.
    Nachdem die Drei jedoch ganz oben ihr Ziel erreicht hatten, nachdem sie die letzten paar Stufen hinauf gehastet waren, voller Spannung, Vorfreude und erregter Erwartung auf das, was kommen würde, mussten sie erstmal eine herbe Enttäuschung erfahren. Auf der erhöhten Ebene war auf dem ersten Blick nichts Ungewöhnliches zu finden. Ein paar dreckige Schlammpfützen, einzelne groteske Rattenmutationen, die hier unten ein zu Hause gefunden hatten und sie nun wütend anzischten, da Damians Feuer sie blendete und ein paar goldene Münzen auf dem Boden, jedoch weit, weit weniger als zuerst angenommen. Dann erblickten sie allerdings eine große, weiße Steintruhe, welche in der Mitte des Zentrums stand, unberührt und verschlossen.
    Sofort eilten alle drei hin, um sie näher zu untersuchen und vielleicht dort den Schatz zu finden, dem sie inzwischen voller Vorfreude entgegenfieberten, doch die ersten Versuche des Zauberschülers, den schweren Marmordeckel von der Truhe zu bewegen, blieben fruchtlos. Auch Marie schaffte es trotz größter Mühen nicht etwas zu bewirken, das Ding bewegte sich keinen Millimeter weiter. Schließlich gaben sie auf und fielen auf den Boden, um kurz zu verschnauften und nachzudenken, wie es jetzt weitergehen sollte. Das konnte doch nicht sein, sie waren so kurz vor ihrem Ziel, hier durften sie nicht scheitern.
    „Steht da nicht vielleicht irgendetwas auf dem Deckel geschrieben, oder so?“, fragte die Rothaarige verzweifelt und die Stille durchbrechend, während sie sich erschöpft an den steinernen, sargartigen Behälter lehnte. Ihre Arme schmerzten vom vielen Schieben und ihr Kopf pulsierte, als würde das Blut dort gewaltvoll gegen die Schädeldecke schlagen. Die Luft hier unten war überhaupt nicht gut und außerdem war ihr ziemlich kalt. Wenn das noch lange so weiter ginge, würde sie sich mit Sicherheit eine Erkältung holen. Ein hohes Niesen neben ihr, verriet dem Mädchen, dass Laila sich bereits eine eingefangen hatte. „Wunderbar, das wird immer besser…
    Damian, der auch reichlich ausgelaugt und mürrisch aussah, beugte sich nun nach vorne, um die Gravuren auf dem Truhenrand genauer in Augenschein zu nehmen. Marie wartete gespannt auf das, was kommen würde. Hoffentlich keine unmögliche Aufgabe wie beispielsweise…
    „Hier steht…“, begann Damian und kniff die Augen zusammen, um die verblasste Schrift halbwegs erkennen zu können, „…dass wir es bis in das Heiligtum der ewigen Dunkelheit oder sowas geschafft haben und…“, er stockte und kratzte etwas Moos von der nächsten Zeile. Marie lauschte gespannt. Gut, „Heiligtum der ewigen Dunkelheit“ klang jetzt nicht unbedingt nach einem Ort, an dem sie gerne war, aber trotzdem war noch alles in Ordnung. „Lass dort bitte nur nichts von einer Prüfung…
    „Die nächste Zeile sagt etwas über eine Art Prüfung…“, fuhr der Zauberschüler nun fort und ließ Maries Hoffnung damit Platzen wie schmierige Seifenblasen, „…aber…“, er räusperte sich kurz und wollte fortfahren, doch bevor er das tun konnte, wurde er unerwartet unterbrochen.
    „Halt!“, rief urplötzlich jemand und sowohl Marie als auch Damian sprangen auf, bereit zum Kampf mit allen Monstern, die dort auch kommen mögen. Erstaunlicherweise war es jedoch weder ein gigantischer Wächter noch ein Monstrum wie der dreiköpfige Höllenhund von oben. Stattdessen erkannten sie, wie drei der erbärmlichsten Gestalten, die Marie je gesehen hatte, die Treppe, die zum See hinunter führte, herauf wankten. Nach einer kurzen Weile des Betrachtens erinnerte sie sich sogar daran, wer die drei waren.
    Kleo, Adrian und Elias stolperten vollkommen durchnässt, verdreckt und außer Atem die Treppe hinauf, um dann keuchend vor Marie und Damian Stopp zu machen und erst einmal prustend nach Luft zu schnappen. Die Drei wirkten als hätten sie gerade einen sehr langen, sehr anstregenden Wald und Wiesen-Lauf hinter sich, bei dem sie von Mutter Natur offenbar nicht die beste Seite kennengelernt hatten. Adrian, dessen Haar vollkommen ruiniert und nicht unmerklich verfilzt wirkte, trug eine zerfetzte Hose, die vermutlich einmal weiß gewesen war, nun aber eher so aussah, als hätte man sich darauf übergeben. Auch sein Hemd besaß eine nicht näher zu kategorisierende Farbe, die vermutlich erst später ihren Weg in den Samt gefunden hatte. Sein ehemals goldener Gehrock war zerfetzt und hatte allen Glitzer und Glanz verloren, sodass er einem dreckigen Lupen näher kam als dem Kleidungsstück eines Adligen. Das Gesicht des Jungen zierten indes mehrere Kratzer und ein Veilchen, wobei Marie sich denken, wer dafür vermutlich verantwortlich gewesen war.
    Kleopatra, deren goldene Haarpracht ebenso zerstört war, wie die ihres Cousins, was allerdings nur wenig ihrer von Natur gegebenen Schönheit nahm, war noch am besten von dem Trio davongekommen, auch wenn es sie ebenfalls recht übel erwischt hatte. Die Tonnen von Schminke, die man normalerweise in ihrem Gesicht vorfinden konnte, waren allesamt komplett verlaufen und verwischt, wodurch ihr hübsches Puppengesicht merkwürdig farbenfroh wirkte, sodass Marie nicht umhin konnte amüsiert zu lächeln. Ihr schwarzes Minikleid war genauso wie das Kostüm Adrians in Mitleidenschaft gezogen worden, jedoch hatte es von Anfang an schon aus so wenig Stoff bestanden, dass man keine nennenswerten Verluste aufzählen konnte. Einzig die Farbe hatte sich von einem dunklen, seidigen Schwarz zum Ton von Exkrementen gewandelt, was auch an ihr nicht unbedingt vorteilhaft aussah. Zudem hatte die Schönheitskönigin mehrere von ihren zahlreichen Armbändern zurücklassen müssen, ebenso wie einer ihrer schwarzen Lederstiefel einen Absatz, wodurch sie leicht humpelte, was sich Marie als nicht sonderlich angenehm vorstellte.
    Am schlimmsten hatte es jedoch Elias erwischt. Die silbernen Haare klebten dem jungen Mann vor den Augen, wodurch seine Sicht offensichtlich erheblich eingeschränkt wurde, denn er hatte sich in die falsche Richtung, weg von der Truhe aufgestellt. Marie konnte außerdem einige blutrote Strähnen ausmachen, woraus sie schloss, dass er auch körperlich am meisten abbekommen hatte. Das Bild seines Gesichtes verstärkte diesen Eindruck nur noch. Neben dem zu seinem Cousin passenden Veilchen hatte der Silberling mehrere Schnittverletzungen, die sein wunderschönes Antlitz entstellten und Marie vermuten ließen, dass die Adligen offenbar einen ähnlich harten Kampf wie sie gegen den Höllenhund hinter sich hatten. Eine besonders auffällige Narbe befand sich unterhalb seines rechten Auges, quer verlaufend und immer noch blutend. Schon allein den Anblick empfand der Rotschopf als schmerzhaft und sie konnte nicht umhin Mitleid für den jungen Aristokraten zu fühlen. Sicher, garantiert war er ein genauso oberflächlicher Idiot wie seine Verwandten, aber trotzdem hatte auch er so etwas nicht verdient. Ein Schuh fehlte ihm, weshalb er barfuß durch den Matsch hatte laufen müssen und seine ehemals grünkarierte Hose hatte unterschiedlich lange Beine. Passend dazu fehlte ihm der rechte Ärmel seines schmutzigen Hemdes, welches allgemein nur noch aus Fetzen zu bestehen schien, wodurch Marie, nicht zu ihrem Missvergnügen, erkennen konnte, dass er trotz schlanker Statur ziemlich muskulös war.
    „Ihr… ihr dürft…“, brachte Adrian hechelnd hervor, während er wirkte als würde er gleich zusammenbrechen und sich an die stechende Brust fasste. „Ihr…oh, bei der Sonne, ich sterbe!“
    „Dann mach es schnell!“, keifte Kleo, die jedoch ebenfalls nicht sonderlich fit wirkte und sich den offenbar schmerzenden Rücken hielt. „Ich habe keine Lust mir die ganze Zeit dein Rumgeheule anzuhören, nur weil du die Ausdauer einer Gurke besitzt!“
    „Ich... ich…!“, entrüstete sich der junge „von Goldhall“ atemlos, ohne jedoch wirklich etwas herauszubringen, während sein Gesicht die Farbe gekochten Hummers annahm. „Meine…meine Konstitution… ist dafür nicht… das liegt in der Familie!“
    „Das stimmt nicht!“, meldete sich Elias nun zu Wort, der, obwohl er am schlimmsten aussah, wohl der Fitteste der Drei war. Sein Gesichtsausdruck war streng, während sein Blick klagend auf seinem Cousin lag. „Das liegt nur daran, weil du zu faul bist, irgendetwas für deine Ausdauer zu tun und stattdessen lieber in deinem Zimmer rumlungerst!“
    Adrian antwortete mit einem Blick, der verriet, dass er dem Silberling eindeutig den Tod wünschte, während er nun langsam wieder besser Luft bekam. Prustend begann er in einem Tonfall, der vor unterdrücktem Unmut geradezu überlief: „Fällst du mir etwa in den Rücken?“
    „Könnt ihr zum Punkt kommen?“, unterbrach Damian das Hin-und-her gelangweilt, während er sich etwas genervt die Wange kratzte. Marie musste ihm zustimmen, diese privaten Kleinkriege konnten die Adligen auch woanders ausfechten. Viel mehr interessierte sie die Frage, was die Drei hier zu suchen hatten beziehungsweise wie sie hier her gekommen waren. Dass sie wegen des Schatzes hier waren, erschloss sich jedem logisch denkenden Lebewesen von selbst.
    „Wir sind hier, weil wir diesen Schatz als unser Eigentum erklären!“, verkündete Adrian nun laut und wichtigtuerisch, nachdem er mit einer dramatischen Geste auf die weiße Truhe gedeutet hatte. Marie hob spöttisch eine Augenbraue. „Wenn er meint…
    „Natürlich darf Damian etwas abhaben!“, fügte Kleo plötzlich hinzu, nachdem sie den jungen Magier entdeckt hatte und klimperte unschuldig mit den Wimpern. „Sie wissen nicht, wie sehr es mich verlangt hat, Sie wiederzusehen“, hauchte sie nun, während sie sich an den Braunhaarigen schmiegte und ihm einen lustvollen Blick zuwarf. Jener erwiderte die Geste mit einem charmant-koketten Lächeln, bevor er der Schönheitskönigin eine Strähne aus dem Gesicht nahm und ihr die Hand sanft unter das Kinn legte, sodass ihre beiden Körper und Gesichter noch näher zusammenrückten. „Auch ich verlangte nach einer Wiedervereinigung mit Euch, meine Schönheit. Gerade an diesem dunklen Ort leuchten Eure herrlichen Augen heller als jeder Stern am Firmament und spenden mir Licht in der Finsternis!“
    Marie spürte, dass ihr schlecht wurde. Wenn die beiden so weiter machten, wusste sie, dass sie sich gleich übergeben würde und zwar mitten auf Damian. Wie konnte er nur so sehr mit diesem furchtbar künstlichen Püppchen rumturteln und warum musste er dabei reden als sei er einem uralten Märchenbuch entsprungen? Das war nicht nur überaus albern, sondern auch noch über alle Maßen schmalzig und kitschig. Ein Blick auf Kleopatras Bruder verriet ihr, dass jener Ähnliches dachte, Adrian indes beäugte sich in einer Pfütze auf dem Boden, da er offenbar seinen Spiegel bei der abenteuerlichen Ankunft verloren hatte und Laila blickte, wie immer eigentlich, verwirrt zwischen der ihr fremden Dame und Damian hin und her.
    „Jemanden wie dich würde ich wirklich zu gern zu meinem Gärtner machen“, säuselte Kleopatra nun, während ihr Mund sich immer mehr dem von Damian näherte. Marie wusste nicht genau, was sie damit meinte, wunderte sich aber nicht, dass die beiden bereits per du waren. Wenn Hormone mit im Spiel waren, ging so etwas sehr schnell.
    „Das reicht jetzt, Kleo!“, meinte Elias laut, als er sich auf einmal zwischen die beiden Turtelnden drängte und dem Zauberschüler dabei einen Blick der tiefsten Verachtung zuteil kommen ließ. Er schien immer noch sehr überempfindlich zu reagieren, wenn seine Schwester mit Männern anbändelte. „Wir werden das Geld für die Medizin doch nicht mit so einem Landstreicher…!“, begann er wütend, doch ein gepfefferter Schlag auf den Hinterkopf von Seiten der Blondine unterbrach ihn.
    „Musst du dich denn immer einmischen, du dummer Trampel?!“, keifte sie nun, packte Elias am Kragen seines Hemdes und schüttelte ihn kräftig durch.
    „Aber…“, wollte der Angegriffene noch schwach zur Verteidigung vorbringen, wurde dann aber von Damian übertönt, der jetzt ein strahlendes, wenn auch sehr spitzbübisches Lächeln aufgesetzt hatte und laut über alles andere hinweg ausrief: „Das trifft sich gut, denn dieser Schatz kann nicht einfach so mitgenommen werden. Also: Adrian von Goldhall, Elias und Kleopatra von Starnoss! Wir, Marie Cassis, Laila Bleueclaire und ich, Damian, fordern euch im Namen des Heiligtums der ewigen Dunkelheit zu einem Kampf um den Schatz der Toten heraus. Nehmt ihr diese Herausforderung an, um euch des Schatzes als würdig zu erweisen?“
    Eine Weile lang herrschte daraufhin Stille, während alle Anwesenden nur verdutzt auf Damian starrten, der so stolz wirkte, als hätte er gerade eben ein Lob für einen gut gehaltenen Vortrag bekommen. Marie wusste nicht, welchem Gefühl sie nachgeben sollte. Einerseits war sie nicht unbedingt begeistert, dass ihr Freund die drei Adligen einfach so zu einem Duell herausgefordert hatte, ohne vorher ihre Meinung einzuholen, andererseits musste sie ihr Lachen unterdrücken, weil die Art und Weise wie er es ausgedrückt hatte, einfach nur lächerlich gewesen war.
    Elias wie Kleo wirkten noch vollkommen überrascht, als es Adrian war, der schließlich antwortete. Er hatte einen fragenden Gesichtsausdruck aufgesetzt, wobei er die Lippen vorgeschoben und die Augenbrauen gehoben hatte, doch im Allgemeinen schien er eher leicht irritiert als stark verwirrt zu sein. So antwortete er, ohne die genauen Konsequenzen auch nur im Entferntesten zu erahnen: „Ja, warum nicht?“
    Die Höhle löste sich vor Maries Augen auf. Sie erkannte nur noch das zufriedene Grinsen Damians und die panisch-wütenden Gesichter von Kleopatra und Elias, bevor eine weiße Leere ihr die Sicht nahm.
    ___
    Kapitel 15. 3300 Wörter und damit mein längstes Kapitel. Charaktersteckbriefe sind aktualisiert worden