Zeit für den vorletzten Part dieser Geschichte. (:
Zuvor aber noch ein Danke an Rusalka für deinen Kommentar!
Freut mich sehr, dass du gleich wieder gut in die Geschichte reinkamst. (:
Es war mir tatsächlich sehr wichtig die Verbindung zwischen den beiden hier noch einmal deutlich zu zeigen. Fehler wurden gemacht, keine Frage, aber jetzt, wo es drauf ankommt, hat sich Koun doch richtig entschieden. Er lebt ein bissl viel in seinem Kopf muss man sagen, ein wenig mehr Tatendrang hätte ihm einiges erspart. Aber dann wäre die Geschichte auch ganz anders ausgegangen.
Das war mir tatsächlich wichtig zu zeigen, dass Hoshiko den Menschen die Angst vor Koun nimmt, da sie ja doch eine besondere Stellung hat. Jetzt ist es eindeutig an den Menschen sich zu entscheiden, was sie machen wollen.
Danke für deinen Kommentar. ^.^
Zuerst war es noch angespannt ruhig in den Straßen, als die Menschen begannen in den Häusern die wichtigsten Dinge einzupacken, doch schon bald erfüllten die Stimmen der Leute und die Laute der Pokémon die eiskalte Luft. Die Chevrumm standen eng beieinander im Schnee, zwischen ihnen blökten die Mähikel nervös. Das weiße, kalte Zeug unter ihren Hufen kannten die Pokémon nicht, da sie die Winter immer in ihren warmen Ställen verbrachten. Auch die Miltank waren sichtlich verunsichert, als sie aus den großen Gebäuden geführt wurden. Bissbark umkreisten die Herden, das ein oder andere Fukano bellte aufgeregt in den Straßen. Aus dem Gasthof traten ein paar reisende Trainer mit ihren Pokémon an der Seite. Gallopa und Pampross scharten im Schnee, als sie vor die Wagen gespannt wurden.
Über dem Dorf begannen die ersten Vogel-Pokémon zu kreisen — Tauboss, Ibitak und Staraptor zogen über die verschneiten Dächer dahin. Der Ruf eines Washakwil hallte durch die Luft bevor die Glocken anfingen zu läuten und einige zusammenzuckten.
„Beeilung! Beeilung!”, schrie jemand durch die Straßen. Die allgemeine Nervosität stieg sichtbar an, die Handgriffe wurden immer schneller und nachlässiger. Als eine Kiste mit Lebensmitteln von einem der Wagen zu kippen drohte, konnte nur die geistesgegenwärtige Psychokinese eines Morbitesse dies verhindern. Jedermann nahm so viel er tragen konnte und so viel gebraucht wurde. Die Trainer, die zu Besuch im Dorf waren, halfen tatkräftig mit und folgten gemeinsam mit den Bewohnern der Spur aus Irrlichtern zu Hoshiko und Kōun. Es dauerte eine ganze Weile bis sich alle dort versammelt hatten und bald standen die beiden einer großen Gruppe aus Menschen und Pokémon gegenüber.
„Kennt ihr den Weg ins nächste Dorf?”, fragte die Feuerfüchsin telepathisch die Dorfbewohner.
„Grundsätzlich ja”, gab jemand zurück, der sich aus der Menge löste und vortrat. Es war der Mann, in dessen Haus Hoshiko die letzten Monate gelebt hatte. „Aber der Weg ist im Winter beschwerlich und deshalb benutzen wir ihn nicht.”
„Geh voran und zeig wo es lang geht”, erwiderte sie darauf. „Die Schwierigkeiten werden wir lösen, wenn sie auf uns zukommen. Hier sind genügend Leute und Pokémon um dabei zu helfen.”
Niemand widersprach und Kōun war beeindruckt von der Zuversicht die Hoshiko ausstrahlte. Sie war gewillt die Dorfbewohner in Sicherheit zu bringen und langsam konnte er verstehen warum. Eine ganze Weile hatte sie bei ihnen gelebt und selbst, wenn es schwer für sie war, so gehörte es zu ihrer Art sich erkenntlich zu zeigen. So wie sie sich auch für die Rettung durch ihn dankbar gezeigt hatte.
Der Mann ging an den beiden Pokémon vorbei und führte die Gruppe an, die sich nun nach und nach in Bewegung setzte. Flug-Pokémon schlugen mit ihren Schwingen, die Hunde-Pokémon bellten ab und an, um die Herden anzutreiben — einige Miltank muhten unsicher und auch die Chevrumm und Mähikel blökten aufgeregt. Doch das Vertrauen in die Menschen war für diese Pokémon genug und wiederum war das Vertrauen der Bewohner in Hoshiko und Kōun groß genug, um ihnen Glauben zu schenken. Die Kraft der Sonne schwand langsam hinter den grauen Wolken. Noch war von der Lawine nichts zu sehen, doch das Absol spürte, dass die Katastrophe nicht mehr fern war. Er und die Feuerfüchsin flankierten den Zug, obwohl er sich immer wieder ein wenig zurückfallen ließ um darauf zu achten, dass niemand zurückblieb. Eine angespannte Stimmung herrschte in der Menge und er konnte die Blicke auf ihm spüren. Noch wunderten sie sich über sein Verhalten; all das was passiert war. Kōun ertappte sich dabei, wie er sich die Lawine direkt herbeisehnte. Nicht, weil dadurch diese Menschen und Pokémon ihre Heimat verlieren würden, sondern um zu beweisen, dass er nicht dafür verantwortlich war. Dass er sie davor gerettet hatte. Doch schon im nächsten Herzschlag bereute er diesen Gedanken — viel lieber hätte er etwas gegen die Katastrophe unternommen, wenn er gekonnt hätte.
Die kleinen Glocken, die die Chevrumm und Miltank um den Hals trugen, läuteten bei jeder ihrer Bewegungen und waren eine ganze Weile das einzige Geräusch. Der Mann an der Spitze führte sie auf einem Pfad einen Hügelhang hinauf. Aufgrund des vielen Schnees waren alle sehr konzentriert einen festen Halt zu haben. Die Trainer begannen die ersten Pokémon wieder zurück in ihre Bälle zu rufen, um sich ihrer Sicherheit gewiss zu sein. Plötzlich erklang ein Grollen in der Ferne und ließ alle erstarren.
„Die Lawine”, hauchte Kōun, als er sah wie sich auf dem entfernten Berghang eine weiße Masse löste. Der aufgewirbelte Schnee bildete eine große Wolke, als wolle er das grausame Schauspiel verschleiern. Sie waren zu weit entfernt, um alle genau sehen zu können, doch als das dunkle Band von Bäumen auf dem Berg plötzlich nicht mehr da war, ging ein Raunen durch die Gruppe. Die Pferde-Pokémon begannen unruhig in ihren Geschirren zu tänzeln und die Hunde-Pokémon klemmten die Ruten zwischen die Hinterbeine. Das Grollen wurde immer lauter und die Lawine kam dem Dorf immer näher. Kōun und Hoshiko beobachteten von verschiedenen Positionen aus, wie die Menschen begannen sich gegenseitig an den Händen zu halten oder auf andere Art einen Halt zu finden. Schließlich trafen die Schneemassen auf den Dorfrand und ergossen sich wie eine riesige, weiße Welle über die Häuser mit den roten Ziegeldächern. Weißer Rauch verschluckte schließlich die Szenerie und es dauerte viele verängstigte Herzschläge, bis sich dieser verflüchtigt hatte und das Ausmaß des Schadens offenbarte.
Die Wege zwischen den Häusern waren gefüllt mit Schnee und man sah nur noch wenige rote Häuserdächer. Die meisten waren von der weißen Masse verschüttet worden. Lediglich die Gebäude, die am äußeren Dorfwand und vom Berg am meisten entfernt waren konnte man noch erahnen. Betroffen blickten die Menschen und Pokémon auf ihr Zuhause zu dem sie nicht mehr zurückkehren konnten. Eine lange Zeit hatten viele von ihnen dort gelebt und die Älteren unter ihnen konnten die Tränen kaum zurückhalten, bei dem Anblick der Zerstörung. Nur noch schüchtern läuteten ein paar Glöckchen — auch den Pokémon war klar, was sie verloren hatten.
Wie lange die Dorfbewohner und Trainer reglos auf dem Berg standen, sich gegenseitig trösteten und versuchten Mut zu machen, konnte Kōun nicht sagen. Es kam ihm wie eine endlos lange Zeit vor, aber es missfiel ihm sie anzutreiben. Obwohl es immer dunkler wurde musste er ihnen die Möglichkeit geben zu trauern. Er selbst wollte den Gedanken lieber nicht zulassen, wie er sich fühlen würde, würde man ihn seiner Höhle berauben. Und doch war ihm klar, dass es für ihn einfacher war ein neues Heim zu finden, als für die Menschen. Sie verbanden etwas anderes mit einem festen Platz, als er. Ganz verstand das Absol das nicht, immerhin nutzte er seine Höhle lediglich als Schlafplatz. Sein ganzes restliches Leben fand draußen in den Bergen statt, auf den Wiesen und in den Wäldern. Doch er konnte in den Augen der Dorfbewohner sehen, dass für sie mit der Zerstörung ihrer Heimat etwas geendet hatte. Sie hatten keinen Einfluss darauf und das machte ihnen Angst. Die Ohnmacht in ihren Gesichtern war ihm unangenehm und er versuchte den Anblick zu vermeiden. Er wusste sowieso nicht, wie er sie hätte aufmuntern sollen.
Nach einer ganzen Weile erklang die Stimme des Mannes, der die Führung übernommen hatte. Kōun war in Gedanken gewesen und hatte seine Worte nicht verstanden aber daraufhin setzte sich die große Gruppe an Menschen zögerlich in Bewegung. Die eiskalte Luft war wieder erfüllt von dem Klang vieler kleiner Glöckchen und den verhaltenen Lauten der Pokémon. Blaue Flammen begannen neben den Menschen zu schweben und bäumten sich mit ihrem flackernden Licht gegen die aufkommende Dunkelheit. In dem Zug wurde eine Lampe nach der anderen entzündet, manche von Menschen getragen, andere hingen an den Wägen und schwangen hin und her. Je weiter sie gingen, desto mehr schienen alle auf ihr Ziel gerichtet zu sein. Das Tempo bekam eine Stetigkeit, die dem Absol gefiel. Zwar konnte er die Entfernung zum nächsten Dorf nicht gut einschätzen, aber hoffentlich würde so die Energie der Menschen lange genug für den Marsch reichen.
Sie erreichten die Kuppe des Hügels, auf dem sich ein Forst ausbreitete. Kōun erkannte eine Schneise zwischen den Baumstämmen, die ihm ungewöhnlich breit erschien. Auf diese wanderte der Zug aus Menschen und Pokémon zu. Diese Gegend war ihm unbekannt, aber er machte sich nicht die Mühe diese genauer zu betrachten. Dieses Mal musste er wohl seinen einstigen Feinden vertrauen, dass sie den richtigen Weg wählen würden. Die Luft war erfüllt von dem Stapfen der Stiefel im Schnee und dem allgegenwärtigen Läuten der Glocken um den Hals der Chevrumm und Miltank. Die Gallopa und Pampross schnaubten ab und an, die metallenen Riemen ihrer Geschirren klirrten, wenn sie den Kopf bewegten. Das Absol war an das Ende des Zuges zurückgefallen und achtete darauf, dass niemand den Anschluss verlor.
Hoshiko bedrückte die betretene Stille unter den Menschen. So ruhig kannte sie diese Leute nicht, schon gar nicht die Kinder. In ihren Augen sah sie den Schock, der ihnen die Stimme genommen hatte. Die Hunde-Pokémon, die den Menschen besonders treu ergeben waren, waren ebenso stumm geworden. Fukano und Bissbark liefen neben ihren Herren in derselben gebeugten Haltung her, wie diese es taten. Neugierig schaute die Feuerfüchsin zu dem Mann auf, in dessen Haus sie die letzten Monate verbracht hatte. Auch in seinem Gesicht saß eine Trauer, die sie nicht kannte.
„Ist das schon einmal passiert?“, fragte sie ihn schließlich telepathisch. Es dauerte eine Weile, ehe sie eine Antwort bekam, der Mann schien tief in Gedanken gewesen zu sein.
„Ja, ist es“, antwortete er schließlich. „Mein Urgroßvater hat davon erzählt. Als er in meinem Alter war, wurde das Dorf schon einmal durch eine Lawine zerstört. Damals war es noch kleiner gewesen, mit weniger Häusern. Ein paar Stunden, bevor die Schneemassen kamen, hatte er hier in diesem Wald ein Absol gesehen. Das war schon damals ein seltenes Ereignis. Er hatte seine Axt fallen gelassen und war sofort zurückgerannt um alle zu warnen. Deshalb war damals keiner zu Schaden gekommen. Sie hatten danach angenommen, dass es dem Absol missfallen hat, dass Bäume in diesem Wald gefällt wurden und es als Strafe die Lawine schickte. Deshalb wurde hier in all der Zeit kaum Holz geschlagen. Nur dieser Weg hier, die einzige Reiseverbindung zum nächsten Dorf, den haben wir in all den Jahren immer freigehalten.“
„Aber das Dorf wurde wieder aufgebaut“, schlussfolgerte Hoshiko und erhielt daraufhin ein Nicken.
„Als der ganze Schnee im Frühling geschmolzen war, sind alle zurückgekommen und haben getan was sie konnten, um das Dorf bis zum Winter wieder bewohnbar zu machen.“
„Dann werdet ihr das dieses Mal sicherlich auch wieder schaffen“, versuchte die Feuerfüchsin den Mann aufzumuntern. Tatsächlich zeigte sich ein verhaltenes Lächeln auf seinen schmalen Lippen.
„Auf jeden Fall. Wenn man hier lebt, weiß man, dass immer etwas passieren kann. In den ereignislosen Jahren, vergisst man das manchmal. Vielleicht werden nicht alle zurückkehren für den Wiederaufbau, so wie einst. Aber ich werde es tun“, erwiderte der Mann entschlossen. Er blickte hinter sich auf den Zug in der zunehmenden Dunkelheit und rief: „Bleibt zusammen, wir haben es bald geschafft!“
Einige Hunde-Pokémon bellten daraufhin und ein paar Chevrumm blökten. Hoshiko sah über die Schulter und bemerkte, dass die Menschen anfingen miteinander zu reden und mehr und mehr Stimmen erklangen, die sich in das stetige Knirschen des Schnees unter ihren Füßen mischten. Die Bäume neben dem Weg blieben stumm, ihre Konturen verwischten in dem schwindenden Licht, bis ihre Stämme nur ab und an von den flackernden, blauen Flammen der Irrlichter erleuchtet wurden. Diese schwebten lautlos in einer langen Kette hinter der Feuerfüchsin und folgten ihr. Sie hätte gern Kōun an ihrer Seite gehabt, aber in der Menge an Pokémon und Menschen waren sie voneinander getrennt worden.
„Er ist bestimmt weiter hinten“, dachte sie und versuchte sich damit zu beruhigen.
Je mehr die Nacht an Stärke gewann, desto aufmerksamer wurde Kōun. Ohne viel nachzudenken half er Fukano und Terribark aus dem Schnee, wenn sie in eine Vertiefung geraten waren. Er schnappte nach Beuteln die von Wägen zu fallen drohten und wies neugierige Mähikel zurecht, die sich von der Herde entfernten. Obwohl es so unwirklich für ihn war unter all diesen Menschen zu sein, so selbstverständlich kam es ihm nach kürzester Zeit vor, dass er nicht mehr darüber nachdachte. Irgendwo weiter vorne ging Hoshiko und das war für ihn Sicherheit genug.
Der Weg vor ihnen begann sich zu senken, als sie die Kuppe des Hügels überquert hatten und sich dem nächsten Tal näherten. Noch hörte der Wald nicht auf, weiterhin standen die Bäume stumm um sie herum, ließen nur den breiten, verschneiten Pfad frei, auf dem sie gingen. Er wand sich nach rechts, schlängelte sich den Hügel hinunter. Die Pferde-Pokémon schnaubte in ihren Geschirren, als sich das Gewicht der Wägen, die sie zogen nach vorn verlagerte. Sie gingen nun langsamer und vorsichtiger. Die ersten Menschen begannen die Feuerpferde zu führen und ihnen beruhigend auf den Hals zu klopfen. Immer öfter muhten die Miltank, denen es in ihrem kurzen, rosafarbenen Fell langsam zu kalt wurde. Mit energischem Bellen trieben die Bissbark sie weiter. Kinder wurden auf Schultern und Wägen gehoben, manch eines auch auf den Rücken eines Pampross, deren schwere Hufe tief in den Schnee einsanken, wodurch sie besonders langsam vorankamen. Kōun bemerkte, wie die Menschen immer langsamer wurden und begann sorgenvoll in den tintenschwarzen Himmel zu schauen. Doch dieser zeigte keinerlei Anzeichen eines baldigen Morgens. Ein wenig Angst bekam das Absol bei dem Gedanken, dass sie es zum nächsten Dorf vielleicht nicht für alle rechtzeitig schaffen würden. Gleichzeitig war er aber auch sehr beeindruckt von diesen Leuten. Auch wenn es für ihn merkwürdig war, dies zuzugeben.
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