Beiträge von Cyndaquil

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    Hallo Caroit!


    Ich hab mich jetzt ein wenig in deinem Topic umgesehen — hat sich ja ganz schön viel getan! — und war mir erst gar nicht sicher, was ich genau kommentieren möchte. Dachte mir aber dann, ich nehme mir dein Akrostichon vor. (Falls du zu einem Werk eventuell noch gar kein Feedback bekommen hast, gib gern Bescheid, dann äußere ich mich dazu auch, falls du das möchtest!)


    Verliebt

    Zum einen weiß ich nun endlich, wie diese Gedichtform(?) heißt, wenn die Buchstaben ein Wort ergeben. Zum anderen, finde ich es schön, wie du hier verschiedene kleine Bilder mit den wenigen Aussagen gezeichnet hast.

    Das Lyrische Ich wartet sehnsuchtsvoll und erwartungsvoll im Sonnenschein. Sehnsucht passt zur Verliebtheit natürlich perfekt, aber auch die Erwartung ist da immer sehr groß. Der Sonnenschein macht die Szene gleich warm und hell. Die folgenden Rosenblätter geben der Szene dann eine zusätzliche Zartheit. Für mich aber auch eine kräftige Portion Farbe, weil ich bei der Rose tatsächlich gleich eine rote Rose vor Augen hab. (Dabei ist meine Lieblingsrose die von der Sorte „Tequila“, die in einem starken, dunklen Orange beginnt und je weiter sie sich öffnet immer heller wird. Am Ende ist sie dann cremefarben bis weiß.)

    „Liebe ist das wahre Sein“ fand ich eine wichtige Aussage. Zwar schreibst du hier — für mich jedenfalls — von der romantischen Verliebtheit, was streng genommen noch nicht Liebe ist, aber(!) Liebe ist ein sehr wichtiges Gefühl. In all ihren Formen. Und da Menschen ja soziale Wesen sind, können wir ohne Liebe tatsächlich kaum glücklich existieren.

    „Irgendwann seh’n wir uns wieder“ klingt fast so, als würde das Warten, das in der ersten Zeile noch angesprochen wurde, vorerst kein bestimmtes Ende haben. Zu Beginn klang es noch so, als würden sie sich quasi gleich sehen, aber so scheint es mir fast, als würde das Lyrische Ich ein wenig Tagträumen.

    Ah, kein Liebesgedicht ohne die Erwähnung des Herzens! Gefällt mir aber, dass du „wild und frei“ hier als Adjektive verwendest, weil das für mich danach klingt, dass die beiden Liebenden nicht voneinander abhängig sind. Und das find ich schön. Bei den Bebilderten Stunden dachte ich gleich an Fotos und es wirkte auf mich, als hätte das Paar nicht nur bereits Erinnerungen in Bild und Ton — du sprichst ja auch Lieder an — sondern auch etwas, was der Wartezeit ein wenig den Stachel nimmt. Und nachdem du mit „Tage ziehen schnell vorbei“ endest, bleibe ich mal bei meiner Wartezeit-Theorie und hoffe, dass die beiden sich bald wiedersehen! Natürlich können auch Tage, die mit Zweisamkeit gefüllt sind, schnell vorbeigehen. Eventuell ziehen aber auch die Tage schnell vorbei, bis die beiden sich nicht mehr für lange Zeit trennen müssen? Ach ja, so viele Möglichkeiten!


    Mir hat dieses Akrostichon sehr gut gefallen und ich finde, du hast aus dem Wort „Verliebt“ eine schöne kleine Geschichte gemacht. (:


    Fröhliches Schreiben!

    — Cynda

    Hallo Kräme!


    Tatsächlich war ich mir nicht ganz sicher, ob ich richtig sehe, als ich dein neues Sammlungstopic gesehen hab. Like: could it really be Kräme?! Aber als ich es geöffnet hab, war mir klar: jap, es ist Kräme! Und ich freu mich sehr darüber, wieder was von dir zu lesen! Und nein, ich glaube nicht, dass dich irgendjemand vergessen hat. Meiner Erfahrung nach, passiert das im Internet eher weniger, dafür haben wir zu viele Spuren hinterlassen.

    Insofern: willkommen zurück! (: Bleib, solang es dir Freude bereitet, denn darum sollte es gehen.

    So und jetzt les ich mir deine drei Drabble durch.


    NevermoreEverMore

    War zuerst unsicher, ob ich sie getrennt voneinander oder als Gesamtwerk betrachten soll, jetzt wird’s vermutlich ein Mischmasch. Und dieser hoffentlich nicht zu verwirrend.

    Nevermore erzählt sehr deutlich in für mich deutlich Bildern, von dem was übrig bleibt, wenn etwas vorbei ist. Du verwendest hier sehr schön die Bilder von Stille, Schatten und Asche — alles Überbleibsel. Stille kehrt ein, wenn kein Laut zu hören ist, Schatten ist der Mangel an Licht (und sammeln sich bei dir auch noch in Ecken, was den imaginären „Raum“ verkleinert) und Asche bleibt übrig, wenn das Feuer das Brandmaterial komplett aufgebraucht hat. Selbst wenn du nicht geschrieben hättest, dass die Farben verschwunden sind, hätten allein diese sprachlichen Bilder dafür gereicht, dass ich in dem Drabble keine Farben wahrnehme.

    Weil du von Du und Ich redest, musste ich natürlich gleich an die Trennung einer Beziehung — romantisch, freundschaftlich, familiär — denken. Mein viel zu romantisches Hirn (bin da leider sehr hoffnungslos), denkt gleich an die Trennung zweier Liebenden, an den Punkt in einer Beziehung, wo irgendwas oder auch nichts passiert ist und man merkt, dass es nicht mehr dasselbe ist. (Maybe I’m projecting a little bit too much, because … life is hard and love is complicated or vice versa.)

    Mir persönlich hat der Schlusssatz sehr gefallen, dass es nicht das Ende ist, sondern ein Ende. Ohne zu sehr auf mein persönliches Chaos einzugehen, ist das tatsächlich auch so eine Erkenntnis, die ich vor einiger Zeit hatte. Nur weil eine Sache endet, endet nicht gleich alles. Wir alle hatten in unserem Leben schon viele „Enden“, die sich unterschiedlich anfühlten. Und es ging immer weiter. Manches mal schwerer als vorher, manches mal leichter.

    Und weil Ende und Anfang so nah beieinander liegen, geht es in deinem zweiten Drabble Ever um den Anfang. Und ich merke gerade, dass dieses Drabble sehr viel klarer mit den Umständen umgeht. Das erste Drabble war geprägt von Überforderung. Zwar war da am Ende auch Akzeptanz, aber erst im zweiten Drabble merk ich, dass eine Verarbeitung der Geschehnisse im Ich stattgefunden hat. Dass es immer noch schmerzt, aber nicht mehr überwältigt. Weil da jetzt auch eine Richtung ist. Das Ich kann zurückblicken, ohne sich schlecht zu fühlen und kann nach vorne sehen, ohne die Vergangenheit als Ballast zu empfinden. Aus der Nacht wird der Tag, wie du schreibst. Interessant fand ich, dass du auch schreibst, dass der Horizont derselbe ist. Das hatte auf mich beim Lesen eine spannende Wirkung. Der Horizont ist derselbe: also waren die Möglichkeiten schon immer alle da, auch wenn die Umstände vorher anders waren. Oder, der Horizont ist immer derselbe, weil sich die Umstände erst ändern, wenn mensch es selbst tut. (Eventuell bin ich auch einfach zu philosophisch drauf, keine Ahnung.)

    Du endest wie das Drabble zuvor, nur mit Anfang, anstatt Ende. Das hat mich tatsächlich zuerst etwas verwirrt. Letztendlich dachte ich mir: ja, natürlich, so wie es viele Enden gibt, gibt es auch viele Anfänge. Nicht jeder Anfang ist „life changing“ oder muss es sein. Viele sagen „jetzt fängt mein Leben an!“ oder es ist dieses Ziel worauf mensch unbewusst vielleicht hinarbeitet. Etwas, was mensch vor Augen hat. Aber anfangen kann mensch immer. Und Anfänge hat mensch auch immer. And maybe that’s just life?

    Dein letztes Drabble More gibt dann viele Antworten darauf, was die anderen beiden Drabble aussagen — und das freut mich, weil ich einerseits so herausfinden kann, was du genau gemeint hast, andererseits aber trotzdem nicht den Eindruck hab, dass ich es falsch verstanden hab.

    Das letzte Drabble, mit dem sehr passenden Titel „More“, spricht von der Ewigkeit. Die sprachlichen Bilder sind auch hier wieder sehr schön und klar. Besonders natürlich der Funke der zum Feuer wird. Ich mag diese Vorstellung immer sehr, wenn es um innere Heilung und das Zurückerlangen von etwas geht, was mensch scheinbar verloren hat. Denn wie du schreibst, „es“ war nie weg. Und du bleibst mit dem „es“ hier sehr vage, weshalb ich gar nicht sagen kann, worauf du dich genau beziehst, aber das macht nichts. Weil du dich damit auf vieles beziehen kannst.

    Vielleicht enden auch viel weniger Dinge, als wir so denken? Natürlich kann es sein, dass man gewisse Personen nicht mehr sieht, aber enden deshalb die Erinnerung an diese Personen? Nur, wenn wir es wollen. Und nur, wenn die andere Person es will, werden wir vergessen werden.

    Und vielleicht ist mehr „Ewigkeit“ als wir uns denken, weil wir alle Spuren hinterlassen.

    Es ist auf jeden Fall sehr spannend, darüber nachzudenken und deshalb, danke für den (philosophischen?) Input! Nachdem meine Drabble meist konkrete Szenen oder Naturbeschreibungen darstellen, find ich es immer spannend zu lesen, was andere Schreibende aus dieser Textform so herausholen. Man darf die Wirkung von Kurzprosa nicht unterschätzen!


    In diesem Sinne: fröhliches Schreiben! (:

    — Cynda

    Hallo Alaiya!


    Wie passend, dass du deine diesjährige Halloween-Geschichte auch wieder hier hochlädst und ich zufällig im November auch ein wenig kommentier. Ich hätte sie sowieso auf deinem Blog gelesen, weil ich sehr neugierig war, als ich deine Tweets dazu gelesen hab. (:

    (Und so wie ich mich kenne, wird das hier ziemlich langes Feedback …)


    Pan

    1919 — Ilse

    Interessanterweise fand ich die Zeitangabe in dem Titel dieser kurzen Geschichte ganz praktisch, weil man anhand des Textes erst gegen Ende eine Ahnung bekam, welches Jahr das sein könnte. So hatte ich mir alles gleich etwas älter vorgestellt.

    Mir hat gleich der Start sehr gut gefallen, wie ich Ilse gleich als hartarbeitende Person kennengelernt hab, die auf dem Weg nach Hause ist. Absolut verständlich, dass ihr die Füße wehtun, nach so einer langen Schicht! Tatsächlich war auch eine meiner Fragen zu Beginn, warum Ilse wohl in Berlin ist, aber diese Frage hast du quasi im Text beantwortet — oder eher nicht beantwortet, denn Ilse wusste es ja selbst nicht mehr.

    Sie ist müde, ihr tun die Füße weh und der morgige Tag verspricht genauso anstrengend, wie er heutige zu werden und trotzdem folgt sie der Musik, die ihr plötzlich auffällt. Und erreicht das „Pan“. Und was zuerst wie ein gewöhnliches Tanzlokal an einer merkwürdigen Stelle in der Stadt aussieht, entpuppt sich als queeres Tanzlokal, in dem sich scheinbar ein großer Teil der LGBTQIA+ Szene zu treffen scheint. Und nachdem du beschreibst, dass dort auch Personen in ihrer Arbeitskleidung tanzen, scheinen keine starren Kleiderregeln zu gelten.

    Ilse ist irgendwie beschämt und irgendwie doch fasziniert und nachdem sie von den zwei Frauen so nett begrüßt wird, geht sie an die Bar. Dass der Barkeeper ihren Namen kennt, zeigt den Fantasy-Aspekt der Geschichte. Allgemein hab ich den Eindruck, dass dieser Herr eine wichtige Rolle hat. Ilse ist ziemlich steif, aber Magda und der Drink helfen die Sache aufzulockern und ich hatte am Ende auch den Eindruck, dass es eine gute Idee gewesen war, dass Ilse hergekommen ist. Eine Weile zu bleiben, wenn am nächsten Tag eh nur die Spätschicht wartet, schadet sicherlich nicht!


    1923 — Herbert & Ernst

    Als nächstes erzählst du von Herbert und Ernst. Anfangs erfahre ich nur etwas von Ernst und zwar, dass er Matrose ist, jünger als Herbert und die beiden sich möglicherweise nach diesem Abend nicht mehr wiedersehen werden. Das ist schon etwas traurig, aber bei der Berufswahl wohl verständlich, gerade, wenn man illegal liebt. Später erfahre ich noch, dass Herbert Dichter ist und irgendwie find ich das spannend und gleichzeitig ein wenig schade, dass ich nicht mehr erfahre. Aber das ist in Ordnung, denn es geht ja um das Pan!

    Die beiden sind also schon eine Weile unterwegs, haben sich jetzt für etwas Ruhe und Intimität in eine Seitengasse zurückgezogen, als Ernst Jazzmusik hört und tanzen will. Ich fand diese jugendliche(?) Begeisterung echt schön, mit der er Herbert dann hinter sich her zieht, der ja berechtigte Zweifel hat, ob man die beiden tatsächlich in den Ort lässt, von der die Musik herkommt. Sie finden also ihren Weg durch die Straßen von Schöneberg und kommen am Pan an, dass sie, nun, ich denke, ich kann durchaus sagen mit offenen Armen empfängt. Und die beiden können tanzen, solang sie wollen und ohne irgendwelche Angst haben zu müssen.

    Ich hab mich wirklich sehr für die zwei gefreut! (:

    Nach zwei Geschichten zum Pan sehe ich schon etwas den Fantasy-Aspekt, nur noch nicht, wo es „Dark-Fantasy“ ist, aber eventuell wird es noch dunkel … obwohl ich es keinem der kommenden Protagonisten wünsche, denn Ilse, Herbert und Ernst sind so sympathisch!


    1929 — Emma

    Mhm, okay, nach dieser Geschichte glaube ich langsam den „Dark“ Aspekt zu merken. Und ja, ich habe die Tags vor der Story ebenso wie die Contentnotes gelesen, aber irgendwie gingen die dann komplett verloren, als ich anfing zu lesen.

    Aber zuerst zu Emma!

    Sie erzählt einer Frau, die ihr gegenübersitzt, von einem Dr. Hirschfeld, der Emma mit dem Begriff „Transvestit“ bekannt gemacht hat und ihr erzählt hat, dass er sie möglicherweise operieren kann, damit sie mehr sie selbst sein kann. Ich kenn mich nicht genug aus, ob das zu der Zeit schon möglich und sicher war, aber ich würde es Emma natürlich sehr wünschen! Obwohl solche Operationen sicherlich — damals wie heute — kostspielig sind.

    Annika ihr gegenüber sagt, dass sie Hirschfeld nicht kennt und noch dazu sagt sie etwas, was auch in der Geschichte mit Ilse vorkam: sie war schon immer hier. Sie hat vergessen, seit wann sie im Pan ist, aber es scheint sie auch nicht zu stören. Und auch Emma ist da schon ganz in den Bann des Pan gezogen. Verstehen kann ich das schon gut, das Pan ist ein sicherer Ort für alle queeren Menschen und warum sollten sie diesen auch verlassen? Obwohl es bestimmt auch Leute gibt, die diese Personen jetzt vermissen, denn wenn die wirklich alle aus verschiedenen Zeiten stammen und du startest ja mit 1919, dann wäre allein Ilse schon zehn Jahre im Pan! Ich frage mich, ob diese „ewige Nacht“ auch das Altern stoppt?

    Ob der Barkeeper etwas in die Drinks tut? Ich bin mal gespannt, ob du vielleicht am Ende noch ein wenig auflösen wirst, wer der Barkeeper ist, denn „goldene“ Augen sind schon nichts alltägliches … und wie das Pan diese queeren Personen anzieht ist auch sehr magisch.


    1933 — Egon

    1933 … der Anfang der dunklen Zeit. Wenn „Anderssein“ vorher schon gefährlich war, spätestens ab dann, war es lebensgefährlich. Und da bin ich sehr froh, dass Egon es geschafft hatte zu fliehen und nicht gefasst zu werden. Denn leider wurde 1933 auch das erste KZ in Dachau errichtet.

    Ich war ja froh, dass er sich eine kleine Pause gegönnt hatte, denn irgendwie hatte ich durchaus bissl Angst, dass er am Ende vielleicht doch jemandem auffällt und er Schwierigkeiten bekommen würde. Gut, dass seine Kleidung ihn nicht irgendwie verrät.

    Das Gute am „Innehalten“ — so to say — ist in dieser Geschichte ja auch, dass es der Musik des Pan die Möglichkeit gibt, ihn zu erreichen. Noch bin ich mir nicht sicher, ob die Musik ihn auch erreicht hätte, wenn er weiterhin so wild gerannt wäre.

    Als er dann beim Pan ankommt versucht er gleich alle zu warnen. Find ich sehr verständlich von ihm, wenn man da einen großen Saal voller Menschen sieht und weiß, dass sie möglicherweise alle in absehbarer Zeit von der Polizei aufgegriffen werden können. Zuerst hört ihm niemand zu, dann stoppt die Musik und alle wenden sich ihm zu, aber keiner scheint zu verstehen, was er da sagt. Nun, wenn meine Theorie stimmt — und das würde ja zu deinen Tags passen — sind im Pan Leute aus verschiedenen Jahren versammelt und da sie das Pan im Laufe der Zeit nie verlassen haben, ist es für sie nicht nachvollziehbar, warum die Polizei, die früher ja nie Probleme gemacht hat, diese jetzt auf einmal machen sollte.

    Auch die politische Lage ist ihnen fremd. (Hitler, who?!) Fast möchte ich diese Menschen beneiden …

    Auch hier ist wieder der Barkeeper eine Person, die auf den Plan tritt und Egon beruhigt. Ihm sagt, dass die Polizei das Pan nicht finden wird und nicht betreten kann. Und natürlich ist das schwer für Egon zu verstehen, aber es hilft ihm dann doch sich zu beruhigen und sich sicher zu fühlen.

    Fast frage ich mich, ob der Barkeeper irgendwas spezielles in seine Drinks mischt. Ob die Magie in den Drinks oder in dem Ort ist. Oder vielleicht in der Musik? Nun, ich bin gespannt, was der letzte Text bringen wird. Von der Machtergreifung Hitlers springst du jetzt mitten in den Zweiten Weltkrieg.


    1943 — Rosa

    In diesem Text beginnst du nun aus der Sicht des Barkeepers. Du beschreibst, dass er als einziger das Chaos draußen wahrnimmt, die Sirenen, die Bombeneinschläge und wie das Pan scheinbar in einer anderen Dimension ist. Interessanterweise scheint er hier auch vergessen zu haben, wer er ist. Irgendwie hatte ich angenommen, dass zumindest eine Person im Pan weiß, was es ist, wie es zustande kam und warum es seit so langer Zeit schon ein sicherer Hafen für queere Personen ist, aber wenn selbst er es nicht weiß … oder nicht mehr weiß, besser gesagt.

    Aber ich freu mich darüber, dass es diese Dimension hier gibt, dass er all diese Personen gerettet hat. Dass niemand verschleppt wurde und sie sogar den Krieg vergessen konnten. Denn ja, natürlich haben sie es verdient ohne Angst zu leben und zu lieben!

    Und das erklärt dann auch die Musik, die diese Personen scheinbar zufällig erreicht hat: der Barkeeper hat diese auf magische Art zu den Leuten geschickt, damit sie Sicherheit finden konnten. Ja, Jazz ist sicherlich nicht die Musik der 1940er — was auch immer man zu der Zeit im Deutschen Reich hören durfte, die Nazis waren, glaub ich, nicht für ihren Musikgeschmack bekannt? —, aber vielleicht ist das auch ein Vorteil. Weil es so neugierig macht. Und jetzt eben Rosa erreicht, die es nicht geschafft hatte in einen der Bunker zu kommen und jetzt durch Schöneberg irrte.

    Obwohl es ja durch die vorherigen Texte klar war, dass sie hierher kommen würde, sobald sie die Musik hörte und sicher war, hab ich mich trotzdem so für sie gefreut.


    Einerseits ist es ja doch gruselig, diese ganzen Personen in einer anderen Dimension, leben scheinbar ewig, vergessen ihr früheres Leben vielleicht und doch sind sie hier sicher. Ich frage mich gerade, ob das ein hoher Preis für Sicherheit ist. Oder ob es letztendlich nicht so wichtig ist, weil diese Personen es alle verdient haben, keine Angst zu haben. Traurig, dass es eine andere Dimension sein muss und ein magisches Wesen, dass sie beschützt. Aber irgendwie für mich auch eine schöne Fantasie.


    Diese kleinen Geschichten haben mir wirklich sehr gut gefallen. (: Die Idee war sehr gut, dein Schreibstil ist schön zu lesen und es lässt mich nachdenklich zurück. Und doch freu ich mich einfach für alle Charaktere, dass sie im Pan sicher sind.

    Viel Erfolg bei deinem NaNo-Projekt und fröhliches Schreiben!

    — Cynda

    Hallo Sanny1!


    Willkommen im FF-Bereich im Bisaboard. (:

    Eigentlich kann ich mit Creepypastas nicht so viel anfangen, aber ich wollte deiner Geschichte eine Chance geben und war echt positiv überrascht.

    Deshalb dachte ich mir, ich lass dir ein wenig Feedback dazu da!


    Eine von vielen Masken

    Mir gefiel ja schon der erste Satz gut. Er hat gleich vorweg genommen, dass etwas passieren wird, aber noch nicht, wie genau. Danach erzählst du uns etwas über den Ich-Erzähler, woher er kommt, was seine Eltern beruflich machen und welche Probleme er hat. Gerade körperliche Besonderheiten können ja schnell sehr belastend werden, weil man sie nur schwer ändern kann. Und gerade Dick-sein oder Mehrgewicht ist immer noch — leider! — ein häufiger Grund von Mobbing. Da verwundert es mich auch nicht, wenn der Protagonist zu einem ängstlichen Menschen heranwächst, der sich wenig zutraut. Vermutlich konnte er auch nie zeigen, was er konnte, weil er ständig auf sein Äußeres reduziert wurde.

    Er stellt sich also eine persönliche Mutprobe und geht zum Windkraftwerk. Das klingt erstmal nicht nach viel, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass er sich dafür schon sehr überwinden musste und wie anstrengend das für ihn gewesen sein musste! Ich war tatsächlich überrascht, als er plötzlich angesprochen wurde und dann auch noch von Driftlon. Fand es aber sinnvoll, dass Geist-Pokémon genau wie Psycho-Pokémon mit Menschen kommunizieren können. Ich mein, warum auch nicht?

    Zu dem Zeitpunkt hatte ich den Eintrag von Driftlon gar nicht so sehr im Kopf, deswegen dachte ich mir: oh, gut, es ist nur Driftlon, das ist ja harmlos. But wait! Plötzlich sind es mehr und als der Protagonist dann hochgehoben wurde, fiel es mir wieder ein, dass Driftlon ja Kinder verschleppen! (Zieht natürlich auch einen schönen Kreis zurück zum Anfang deiner Geschichte.) Ich war dann kurz beruhigt, als er sich von den Driftlon befreien konnte, aber das war leider nicht das Ende des Schreckens, denn da kam plötzlich ein Drifzepeli ins Spiel und nahm ihn einfach mit.

    Und damit beginnt fast schon ein zweiter Teil der Geschichte, denn die Entführung endete damit, dass der Protagonist starb. Mit zwölf Jahren, das ist echt tragisch und zeigt doch, dass die Welt der Pokémon bei Weitem nicht nur eitler Sonnenschein ist.

    Die Eindrücke, die du danach beschreibst sind bedrückend und unangenehm. Zu dem Zeitpunkt hatte ich den Eindruck, dass sich der Ich-Erzähler in Drifzepeli selbst befindet und dass es wohl schon einige Seelen gefressen haben musste, weswegen es dort drin wohl inzwischen bissl eng ist. Das war jedenfalls das, was für mich Sinn gemacht hat. Drifzepeli wird dann gefangen und durch den Entfessler werden die Gefangenen frei gelassen.

    Und jetzt kommen die Makabaja ins Spiel, mehr noch, der Protagonist ist selbst eines und zeichnet sich nun seine eigene Maske. Hier war wohl der gruseligste Teil, dass der Protagonist wohl schon sehr lang tot sein musste. Und da frag ich mich dann: wie lang ist dieses Drifzepeli durch die Gegend gezogen? Wie alt war wohl die älteste Seele die es verzehrt hatte? Wenn schon der Protagonist seit langem tot war …

    Deine Geschichte endet schließlich damit, dass überraschenderweise der Protagonist mit einem anderen Menschen, einem Forscher, spricht. Und seine Geschichte erzählt hat, um nicht nur seine, sondern auch die Geschichte der anderen Makabaja zu verbreiten.

    Die PokéDex-Einträge haben im Zusammenhang mit einer konkreten Story gleich noch mal eine andere, intensivere Wirkung auf mich. Den Eintrag von Makabaja fand ich schon immer traurig, aber gerade bei den Einträgen von Driftlon und Drifzepeli dachte ich mir: hoffentlich kommt das nicht zu oft vor, dass Kinder von denen verschleppt werden! Aber jetzt so eine Geschichte zu lesen, zeigt das dann doch deutlicher.


    Diese Kurzgeschichte hat mir wirklich sehr gefallen, auch schreiberisch war sie solide und ich mag sowohl den Aufbau, als auch die Erzählweise von dir sehr. (: Die Thematik an sich empfinde ich gleichermaßen als gruselig, als auch traurig. Wundert mich, dass es auch solche Creepypastas gibt. Hast auf jeden Fall mein Bild des Genres verändert!


    Fröhliches Schreiben!

    — Cynda

    Hallo Ponk!


    Bevor ich mit meinem Kommentar anfange, muss ich erst noch dazu sagen, dass ich nicht besonders bewandert in Gedichten bin. Ich fand es allerdings so spannend, dass du mit Gedichtformen spielst, die ich gar nicht kannte, dass ich mich gern mithilfe eines Kommentars damit beschäftigen wollte.

    Da ich aber nicht so viel von Gedichten versteh, kann es gut sein, dass ich viele Feinheiten nicht wahrnehme.


    Ich hab mir Lust auf’s Spiel herausgesucht.

    Und ich muss sagen, dass ich von diesem Blitz sehr eingenommen bin. Die Regelmäßigkeit, der Wörter, die diese Gedichtform vorgibt, sorgt wirklich für einen schnellen Takt. Ich glaub, am besten haben mir die verschiedenen Bilder gefallen, die du mit den kurzen Sätzen skizziert hast. Zuerst ist das Lyrische Ich noch allein, aber es ist frei und ganz bei sich selbst. Das war ein schönes Bild, find ich.

    Regen und Meer als weitere Elemente, die ich gerade in Zusammenhang mit der Seele in den Zeilen zuvor ganz spannend fand. Regen kann zwar zu einer traurigen Stimmung führen, er kann aber auch sehr angenehm sein. Und das Meer ist einfach so unendlich weit und tief: so wie man sich gemeinhin auch die Seele vorstellt.

    Besonders lustig fand ich die Kombi: Blau mach ich / Blau machst du

    Zum einen, weil es wieder zu dem Freiheitsmotiv zu Beginn zurückkehrt, zum anderen, weil das Lyrische Ich jetzt ein Du gefunden hat, welches offenbar ähnlich tickt. Sie sind zusammen, wenn auch nur kurz, denn das Lyrische Ich muss wieder fort. Vermutlich der Freiheitsdrang, aber das muss ja nicht bedeuten, dass die beiden sich nicht wiedersehen. Die nächsten Verse seh ich als kleine Reise: es geht in die Berge, da ist man dem Himmel sehr nah und da betrachtet das Lyrische Ich die Wolken und denkt nach. Dabei kommen gewisse Fragen in den Kopf, aber es verweilt nicht zu lang dabei, denn da ist wieder Zweisamkeit, weil es jetzt Hand in Hand mit jemandem geht. So hab ich mir das jedenfalls vorgestellt.

    Dass es dann plötzlich Winter ist, fand ich im Zusammenhang mit dem Reisemotiv wieder gut, weil so der Eindruck entstanden ist, dass wirklich Zeit vergangen ist. Bei der Schneeballschlacht gefiel mir, wie du beide Seiten beleuchtet hast, dass eine Seite verlieren muss, damit die andere gewinnen kann.

    Du endest damit, dass das Lyrische Ich verloren im Wald und im Spiel ist und zuerst dachte ich, dass es ja bissl gruselig ist, sich im Wald verlaufen zu haben. Aber ich denke, das Lyrische Ich sieht das wieder als Spiel an, deshalb spielt es die Flöte und mit dem Feuer. Zuerst hab ich das nicht im übertragenen Sinn gelesen, sondern wirklich, als würde das Lyrische Ich mit dem Feuer spielen. Was zu der furchtlosen Persönlichkeit passen würde, die das Lyrische Ich für mich hier an den Tag legt. Aber auch im übertragenen Sinne, wird das Lyrische Ich dadurch mutig und abenteuerlustig. Und nach all dem, was es in diesem Blitz erlebt hat, passt das ja auch ganz gut!


    Eine wirklich sehr spannende Gedichtform von der ich tatsächlich noch nie etwas gehört hatte. Freut mich immer, auf diese Art und Weise noch etwas zu lernen. (: Bin gespannt, woran du dich noch versuchen wirst!


    Fröhliches Schreiben!

    — Cynda

    Huhu!


    Wenn ich mir so anschau, was du in den vergangenen Jahren alles hier veröffentlicht hast, dann fällt mir auf, wie wenig ich davon kenne. (Manches durfte ich schon lesen, aber anderes noch nicht.) Das kommt natürlich davon, dass ich hier nicht reingeschaut hab. Hätte mich wohl trotz meiner Bisaboard-Abwesenheit überwinden sollen.

    Bevor ich jetzt aber weiter über Fehler in der Vergangenheit rede, sollte ich daran arbeiten, es in Zukunft besser zu machen. All about going forward.


    Ich hab mich also ein wenig umgeschaut und fand dein Drama „Bar Keeper’s Hold“ sehr spannend, also werd ich dazu bissl was sagen.


    Bar Keeper’s Hold

    Was dieses Drama natürlich auszeichnet ist die Dynamik zwischen den Charakteren. Ich find’s ja lustig, dass der Vampir anfängt, dass er mal „Jemand“ war, aber überhaupt nicht spezifiziert, was das genau bedeutet. Die Hexe scheint es zu wissen — oder sie hat diese Aussage schon so oft gehört, dass sie weiß, dass es sinnlos ist ihn weiter zu befragen. Die Mumie weiß natürlich überhaupt nicht, worum’s geht.

    Der Barkeeper scheint ein „normaler“ Typ zu sein, das betont er ja auch die ganze Zeit, aber so ganz nehm ich ihm das nicht ab. Vor allem, nachdem der Mensch reinkommt und die drei anderen Gäste sich darüber wundern. Dann kann der Barkeeper ja nicht einfach ein gewöhnlicher Mensch sein!

    (Ich hätte den Vampir übrigens auch nicht für betrunken gehalten, aber vielleicht ist er auch ein sehr geübter Trinker? Und dann merkt man das nicht so.)

    Warum wundert es mich nicht, dass der Mensch gleich ein Bier will? Nicht, dass Bier ein … minderes Gesöff wär — da dat i mi als boarischstämmiger Mensch ja Sindn fiarchtn! —, aber nachdem der Vampir Rotwein hat und ich mir schon etwas exklusive Getränke für Hexe und Mumie vorgestellt hab (trinkt die Mumie vielleicht Pyramidenbräu?!) ist Bier so herrlich, ja, irgendwie vorhersehbar. Aber vielleicht soll das ja auch so sein: die Menschen, einfach nix neues unter der Sonn.

    Es spricht auch irgendwie für diese überzogene „der Kunde ist König“ Einstellung der Menschen, dass ihm zweisekündiges Warten wie eine Ewigkeit vorkommt. Ja, hätt ihm der Barkeeper vielleicht den Wunsch schon beim Eintritt von den Augen ablesen sollen oder was?!

    Der Mensch macht dann natürlich den Fehler den 818 Jahre alten Vampir zu beleidigen, indem er auf dessen Fahne aufmerksam macht. Ganz naiv ist der Mensch natürlich auch nicht, weil er genau weiß, was der Vampir mit ihm machen könnte, aber anstatt all diesen Kram mit „in die Burg verschleppen“ zu machen, wirft sich der Vampir einfach gleich auf sein Opfer.

    Versteh auch den Barkeeper, dass der Vampir dafür aufkommen muss. Ich mein, das Reinigungspersonal wird bestimmt nicht für solche Sachen bezahlt! Witzig auch, wie der Vampir gleich sagt: Joa, nehmen wir einfach die Mumie dafür, die verständlicherweise dafür kein Verständnis hat. Überraschend, wie der Barkeeper dann gleich aus seiner Haut fährt und den Vampir zurechtweist. Das hätte ich nach seinem ruhigen Auftritt bisher gar nicht erwartet. Aber so wie die Mumie ihn später fragt, scheinen Barkeeper und Vampir sich eventuell zu kennen.

    Ich hab jedenfalls viel Spaß dabei darüber zu rätseln, wer der Barkeeper genau ist und wer der Vampir mal war. Und ich hatte auch viel Spaß bei diesem Drama und was du aus den vorgegebenen Zeilen gemacht hast. Es war eine schöne Szene mit interessanten Charakteren und nun ja, abseits des Ausfalls des Vampirs ja auch recht unblutig. Ich mein, wenn ein Vampir vorkommt, darf man wohl nicht auf fehlendes Blut hoffen.


    Mag es ja sehr, wie deine Texte immer wieder überraschen und freu mich schon darauf, wieder mehr zu lesen — vor allem das, was ich bisher noch nicht kenne.


    Fröhliches Schreiben!

    — Cynda

    Drei Jahre später … komm ich endlich mal dazu hier fertig zu veröffentlichen.

    Und damit: Hallo zusammen!

    Vermutlich sind die meisten Leser jetzt schon verschwunden, aber das macht nichts. Wer sich spoilern möchte, kann das gern auf ff.de tun, wo die Geschichte schon seit November 2018 vollständig veröffentlicht ist.

    Bevor aber der neue Part dieser Geschichte online geht, geh ich natürlich noch sehr gern auf die Kommentare ein. Vielen Dank Rusalka und Rex Lapis!





    Mit einem kurzen Blick um sich erkannte sie die stählernen Stöcke. Ihre roten Augen leuchteten kurz bedrohlich auf, bevor sie den Männern mit einer unsichtbaren Kraft ihre Gewehre aus den Händen schlug. Dumpf kamen die Waffen auf dem Schnee auf. Erschrocken wichen die Dorfbewohner ein paar Schritte von der Feuerfüchsin zurück.
    „Krümmt ihm ein Haar und alles steht in Flammen!”, rief Hoshiko den Menschen telepathisch entgegen. Die Hunde-Pokémon klemmten die Ruten zwischen die Hinterbeine und drückten sich leise winselnd auf den Boden. Verwundert drehten sich die Männer zu den Pokémon und merkten, dass das Vulnona es ernst meinen musste. Um ihre Worte zu untermauern ließ sie mehrere Irrlichter um sich und das Absol erscheinen, die sich schnell in einem großen Kreis drehten.
    „Tretet zurück! Legt die Waffen weg!”, erklang schließlich eine Stimme aus der Masse. „Oder wollt ihr die Neunschwänzige verärgern? Wisst ihr nicht, wozu sie in der Lage ist?” Augenblicklich fielen Stöcke, Harken und Knüppel in den Schnee. Zufrieden nickte die Feuerfüchsin und richtete sich auf, doch der Kreis aus Irrlichter drehte sich weiterhin mahnend. Sichtbar ehrfürchtig betrachteten die Dorfbewohner das Pokémon vor ihnen und warteten darauf, was als nächstes geschehen würde. Hoshiko ließ ihre neun Schweife sinken, deren Spitzen dasselbe Blau besaßen, wie auch die flammenden Irrlichter.
    Kōuns Herz schlug schnell, aber er konnte nicht sagen warum. Hatte er Angst? Er spürte wie seine Pfoten feucht wurden, es aber nicht am Schnee lag. War das vor ihm wirklich Hoshiko? Aus ihren sechs Schweifen waren neun geworden, die sie sichtlich stolz trug. Ihre einst kurzen Beine waren gewachsen, sie war nun nur unwesentlich kleiner als er. Auf ihrem Kopf trug sie einen wilden Fellschopf und längeres Fell bedeckte ihre Brust. Am meisten beeindruckte ihn jedoch ihr Fell. Das einst goldene Fell war einem kühlen Silber gewichen — eine Farbe, die er zuvor noch nie gesehen hatte. Selbst ohne Sonnenlicht besaß es einen edlen Schimmer. Fast wie das der Sterne.
    Schließlich drehte sie sich zu ihm um und als sich ihre Augen trafen, konnte Kōun kaum glauben, was er sah. Er hatte ungeheuchelten Zorn erwartet, Verbitterung und sich sogar auf blanken Hass eingestellt. Aber nie hätte er erwartet Erleichterung in ihrem Blick zu sehen. Und warum tat gerade das so weh?
    „Du bist wirklich da”, flüsterte sie, als sie einige Schritte auf ihn zukam. „Ich wusste, du würdest kommen.”
    „Sie wusste es? Sie hat auf mich gewartet?” Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass sie tatsächlich nach all der Zeit noch auf ihn warten würde. Sie war hier, die ganze Zeit und er hatte sich damit getröstet, dass sie ihn nicht mehr sehen wollte. Er hatte alles von sich geschoben und es damit gerechtfertigt, dass sie es hier besser hätte. Aber war dem wirklich so? Eigentlich wusste er es gar nicht und hatte es sich doch stetig eingeredet. Nicht einmal war er in all der Zeit in der Nähe gewesen und hatte nach ihr gesehen. Er hatte ihre Treue die ganze Zeit verleugnet, nur damit er leichter damit zurechtkam. Doch hier stand sie nun vor ihm, nach all den Tagen die seit ihrer Trennung vergangen waren und machte ihm keinerlei Vorwürfe. Er war zu überrascht von der Situation um etwas zu erwidern, er spürte nur, wie die Schuld sich schmerzhaft in sein Herz grub.
    „Ich bin so froh dich zu sehen!”, meinte die Feuerfüchsin als sie schließlich vor ihm stand. Dabei legte sie ihren Kopf ein wenig schief, sichtlich glücklich. Kōun spürte wie seine Augen feucht wurden und seine Beine zu zittern begannen. Er ertrug den Anblick ihrer roten Augen nicht mehr und senkte den Kopf.
    „Hoshiko … es tut … mir so … leid …”, brachte er mit Mühe hervor, als die ersten Tränen seine Schnauze entlang liefen und nasse Spuren in dem dunkelblauen Fell hinterließen. „Ich hab gedacht … du hättest mich vergessen … du würdest mich nicht mehr wiedersehen wollen … nachdem ich dich allein gelassen hatte. Hätte ich gewusst, dass du … auf mich wartest … wäre ich schon viel früher gekommen. Es tut … mir so leid … Bitte verzeih mir.”
    Sein ganzer Körper zitterte unter dem Schluchzen und am liebsten wäre er einfach verschwunden. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie es sein würde der Feuerfüchsin wieder in die Augen zu sehen. Die ganze Zeit war er zu sehr damit beschäftigt gewesen sie zu vergessen und als Teil seiner Vergangenheit zu akzeptieren. Kōun fühlte sich wie ein Verräter ihr gegenüber, die stetig darauf gehofft hatte, dass er zurückkommen würde. Und er hatte sie einfach im Stich gelassen. Die Schuldgefühle bohrten sich schmerzhaft in sein Inneres.
    Nie hätte Hoshiko gedacht, sie würde das standfeste Absol weinen sehen. Ihn so zu sehen tat ihr weh. Es war für sie nicht von Bedeutung was er gedacht hatte oder wie er annehmen konnte, sie würde ihn einfach vergessen. Was interessierte sie die Vergangenheit? Kōun stand hier, direkt vor ihr. Nichts anderes hatte in diesem Moment eine Bedeutung für sie. Vorsichtig machte sie einen Schritt auf ihn zu und überwand die letzte Distanz zwischen ihnen. Sie berührte mit ihrer Schnauze das weiße Fell auf seinem Kopf — es war ganz feucht von dem vielen Schnee und trotzdem konnte die Feuerfüchsin den ihr bekannten Geruch wahrnehmen. Ihr Herz schlug schneller, als sich eine wohlige Wärme in ihrem Inneren ausbreitete. War es die Erleichterung nicht mehr allein zu sein? War es die Freude ihn endlich wiederzusehen? Das Gefühl des Glücks, dass ihr Wunsch in Erfüllung gegangen ist? Hoshiko konnte nicht sagen, was es war, das sich wie eine behagliche Decke über ihren Schmerz legte. Sie hoffte bloß, dass Kōun es auch spürte.
    Als er die Berührung auf seinem Fell wahrnahm, hob er den Kopf und sie sahen sich in die Augen. Er schämte sich so sehr für alles, in diesem Moment aber besonders für sein tränenfeuchtes Fell. Ihr Blick hielt ihn jedoch davon ab wegzusehen. Waren sie sich schon jemals so nah gewesen? Es schien eine andere Nähe zu sein, als die, die sie zuvor gekannt hatten. Die Feuerfüchsin schloss die Augen und berührte mit ihrer Nase seine. Ein warmes Kribbeln zog durch sein Fell als sein Herz erneut schneller schlug. Er spürte wie kurz die Angst vor dem Unbekannten an ihm zupfte und schließlich einfach verschwand. Zögerlich begann er es zu genießen und ließ seine Augen zufallen, während ihr beruhigender Duft seine Nase erfüllte. So intensiv war dieser Moment für ihn, dass er kaum mitbekam als er endete. Erst als ihre Zunge über seine feuchte Wange fuhr, öffnete er verwundert die Augen.
    Sie war über ihre eigenen Taten erstaunt, aber es fühlte sich so richtig an. Vorsichtig leckte sie über das kurze, dunkle Fell, das sein Gesicht bedeckte in der Hoffnung, ihn damit von seiner Traurigkeit zu befreien. Er sollte nicht weinen oder sich für die Vergangenheit schuldig fühlen.
    Schließlich machte Kōun einen Schritt nach vorne und vergrub seine Schnauze in ihrem Hals. Im Gegenzug legte Hoshiko ihren Kopf auf seinen Nacken. So verharrten sie mehrere Augenblicke und mit jedem Herzschlag fühlten beide wie eine Last von ihnen genommen wurde. Die Schwere der Einsamkeit wurde Stück für Stück von ihrer Zweisamkeit abgetragen, bis nichts mehr davon übrig war.
    „Ich verzeih dir”, flüsterte die Feuerfüchsin und das Absol machte einen Schritt zurück, um in ihre roten Augen zu sehen. „Das Wichtigste ist, dass wir wieder zusammen sind.”
    Er konnte nur schlucken und lächelnd nicken. Die Beiden hatten die Menschen um sie herum vergessen, erst in diesem Moment wurde ihnen wieder bewusst, dass sie gar nicht allein waren. Unsicher blickte Kōun um sich, doch Hoshiko setzte sich in den Schnee und ließ ihre Irrlichter in der kalten Luft verharren. Gebannt starrte er auf die schwebenden blauen Flammen, die sich langsam eine nach der anderen auflösten, als hätte ein plötzlicher Windhauch sie gelöscht. Sein Blick fiel auf die Berge um sie herum und mit einem Mal kam die Vorahnung zurück. Vor seinem inneren Auge sah er, wie die Schneemassen sich von den Hängen lösten und ihren Weg Richtung Tal nahmen, umgeben von riesigen Wolken aus Pulverschnee. Die Feuerfüchsin bemerkte den plötzlichen Ausdruck von Angst in seinen Augen und fragte: „Kōun, was ist los?”
    „Wir müssen hier weg. Sofort!”, erwiderte er. „Eine Lawine wird hernieder gehen und das gesamte Dorf unter sich begraben. Wir müssen uns in Sicherheit bringen!”
    Und mit einem Mal wurde Hoshiko bewusst worüber die Menschen immer gesprochen hatten. Welchen Hintergrund all die Geschichten über die Absol hatten. Sie brachten keine Katastrophen herbei, sie sahen diese voraus! Schnell erhob sie sich und sah sich die umstehenden Menschen an, die weiterhin gebannt auf die beiden Pokémon starrten. Zwischen den Dorfbewohnern standen die Hunde-Pokémon, viele mit eingeklemmter Rute. Auch sie wussten was kam, konnten es aber nicht so klar sehen wie Kōun.
    „Packt eure Sachen!”, forderte die Feuerfüchsin die Menschen telepathisch auf. „Evakuiert das Dorf, sofort! Ihr dürft keine Zeit verlieren.”
    „Warum?”, murmelten einige und wechselten verwunderte Blicke.
    „Das liegt an dem Absol! Es war zu lange hier, jetzt wird eine Katastrophe über uns hereinbrechen!”, rief eine Stimme aus der Menge und die ersten griffen nach ihren Waffen im Schnee.
    „Seid nicht dumm!”, knurrte Hoshiko verärgert. „Das Absol ist gekommen um euch vor der Lawine zu warnen, die kommen wird. Wozu sollte er sein Leben aufs Spiel setzen hierher zu kommen, nur um euch ein Unglück zu bringen? Denkt nach!”
    Sie blickte in die Runde der unentschlossenen Dorfbewohner, die verwirrte Blicke wechselten. Die Hunde-Pokémon winselten leise. Eine Gruppe von Sniebel tauchte aus dem Schatten eines Gebäudes auf und überquerte schnell den Platz. Immer wieder starrten sie zu den Bergen, bevor sie zwischen zwei Häusern verschwanden.
    „Jeder hier spürt es. Es ist euer Ende, wenn ihr nicht flieht!”, rief die Feuerfüchsin noch einmal eindringlich. „Ich werde gehen. Ich vertraue ihm.” Demonstrativ wischte sie mit ihren neun Schweifen über den Schnee und ging in Richtung Dorfrand — Kōun folgte ihr in geringem Abstand. Er war neugierig, was die Menschen nun tun würden. Sie hatten die Warnung erhalten, sie wussten nun, was auf sie zukam. Aber würden sie wirklich auf ihn hören und Hoshikos Rat folgen?
    Sie hatte sich verkneifen müssen die Dorfbewohner anzuflehen. Obwohl sie sich zwischen den Gebäuden immer ein wenig eingesperrt gefühlt hatte, so waren die Leute hier doch gut zu ihr gewesen und hatten sie gesund gepflegt. Nie hatten sie ihr etwas anderes als Respekt und Freundlichkeit entgegen gebracht. Sie wusste, dass die Dorfbewohner in ihr ein besonderes Pokémon sahen und ihr mehr Macht zusprachen als sie besaß. Und gerade aus diesem Grund war die Feuerfüchsin sicher, dass sie diese Haltung bewahren musste. Ihr Vertrauen in Kōun war unerschütterlich und nur, wenn sie das auch deutlich zeigte würden die Menschen ihr folgen.
    Die Leute waren verwirrt, denn sie verstanden nicht, was gerade vor ihren Augen geschehen war. Sie alle kannten die Geschichten von den Absol, den weißen Unglücksbringern, die in den Bergen lebten und man nicht verärgern durfte. Es gab viele solcher Erzählungen, manche klangen glaubwürdiger als andere, aber ihnen allen war gemeinsam, dass die schneeweißen Pokémon gefährlich waren. Keiner wusste, warum sie Katastrophen über die Menschen brachten und jeder ging anders damit um. Die anfängliche Angst war schnell in Wut umgeschlagen, in den Wunsch sich vor dieser Rasse zu verteidigen.
    Doch nun war all das ins Wanken geraten, als die Neunschwänzige ihnen das genaue Gegenteil gesagt hatte. Mehr noch: sie vertraute diesem Absol! Vulnona waren schon immer verehrte Pokémon gewesen, jedes Kind wusste um ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten. Dass sie die menschliche Sprache beherrschten und sich in Form von Telepathie mitteilen konnten. Ihre Klugheit war allgemein bekannt, kaum einer würde wagen sie in frage zu stellen. Sie lebten lange und wurden deshalb sehr weise, da sich die magische Energie in ihren neun Schweifen sammeln soll. Aber sie waren auch gefährlich, sehr freiheitsliebend und viele Geschichten erzählten von ihrer nachtragenden Art und Rachsucht. Man sollte sich einem Vulnona niemals unvorsichtig nähern, denn sonst könnte man verflucht werden oder von ungezügeltem Feuer getroffen werden.
    Gab es für dieses mächtige und schlaue Pokémon einen Grund sie anzulügen? Wenn sie dem Dorf wirklich hätte schaden wollen, hätte sie das nicht schon längst getan?
    „Alle Mann zurück in die Häuser. Packt eure Sachen! Ihr drei dort drüben, holt die Miltank und Chevrumm aus den Ställen. Achtet auf die Mähikel! Beladet die Karren nicht mit zu viel, damit sie nicht zu schwer werden. Vorwärts, vergeudet keine Zeit!”, hallten schließlich die ersten Befehle über den Platz und die Menschen stoben in unterschiedliche Richtungen. Wild bellten die Hunde-Pokémon als sie ihren Besitzern folgten. Zufrieden blickte Hoshiko über die Schulter zurück auf einen leeren Dorfplatz.
    „Kōun”, wandte sie sich schließlich an das Absol neben ihr, „weißt du, wo das nächste Dorf ist? Wir müssen den kürzesten Weg für sie finden. Ich weiß nicht, ob sie eine Nacht draußen überstehen.”
    Er überlegte kurz und antwortete: „Genau weiß ich es nicht, ich war nur einmal in der Nähe und das war im Sommer vor einiger Zeit. Es ist etwas größer als dieses Dorf hier, deshalb bin ich nicht lange in der Umgebung gewesen, aber der Weg zwischen den beiden ist nicht weit. Die Bewohner hier reisen oft in den warmen Monaten dorthin, aber ich denke, sie haben ihre Gründe, dass sie es im Winter nicht tun.”
    „Das heißt, die Leute hier müssten den Weg eigentlich kennen?”
    „Eigentlich ja”, erwiderte Kōun, fügte aber hinzu, „Wir können sie ja dorthin begleiten, sie fühlen sich bestimmt sicherer, wenn du in der Nähe bleibst.”
    „Wahrscheinlich”, meinte die Feuerfüchsin leise. „Stört dich das nicht?”
    „Nein, warum sollte es?”, entgegnete er lächelnd. „Ich geh mit dir wohin du willst.”
    Hoshiko konnte nicht anders als ihm einen dankbaren Blick zu schenken und ihre Schnauze in seinem langen weißen Brustfell zu vergraben.
    „Gehen wir”, beschloss sie schließlich und ließ hinter sich einige Irrlichter erscheinen. Gemeinsam liefen sie Seite an Seite zum Dorfrand, hinter ihnen markierte eine Spur aus kleinen blauen Flammen den Weg. Die Feuerfüchsin wollte sichergehen, dass die Dorfbewohner nach ihren Vorbereitungen sie auch finden würden.


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    Hallo Aka. (:

    Freut mich, wenn meine Gedanken hilfreich sind! Es hat mir auch geholfen deine Rückmeldung zu lesen und festzustellen, dass ich ein paar Dinge zu voreilig bewertet hab.

    Finde ich tatsächlich ganz süß, aber eher vielleicht als Einleitungstext in den Pokédex und nicht direkt bei den Informationen(?) Ich trenne - zumindest bisher - so etwas gerne von wirklichem Informationsinhalt und habe deshalb direkt an so etwas gedacht.

    Das macht tatsächlich Sinn, daran hatte ich in dem Moment nicht gedacht. Dann wäre vermutlich eine neutralere Formulierung der Entwicklungen besser. (: Muss sagen, dass ich es ganz gut finde, wie Pokéwiki das macht: Bild + Name des Pokémon und seiner Entwicklung und dazwischen steht, wie man die Entwicklung erreicht. Dafür kann man entweder die offiziellen Artworks -- wie Pokéwiki das macht -- nehmen oder die Sprites. Was evtl. in der Zeit von 3D-Modellen für einen Spieler sogar vertrauter ist. (Einzig mag ich bei Pokéwiki nicht, wie sie das bei Evoli als einzige lange Liste gemacht haben, aber Evoli ist ja auch sehr speziell mit den vielen Entwicklungen.)

    Ich hab oft das Gefühl ich muss den Lesern die Sachen "zum Fraß vorwerfen" damit sie dort hin gehen, wo ich es gerne hätte - mal ganz plump gesagt.

    Oh, das kann ich gut verstehen! Es ist schwierig das Verhalten von Usern vorherzusehen, also empfinde ich es als ganz normal, dass du versuchst sie ein bissl zu "lenken". Ist dann wieder die Frage der Präsentation -- möglicherweise war das hier auch etwas, was nur ich so sehe. Am besten noch ein paar weitere Meinungen einholen!

    Ja, genau die mein ich. (:

    Das trifft mich jetzt etwas, weil wir uns da viele Gedanken zu gemacht haben lol Sogar mehr als zu normalen anderen Teilen :x Kannst du vielleicht genauer ausführen wie du dir das vorstellen würdest? Klarere Trennung der DLC-Teile? Sollte man sowas wie "Neue Pokémon" dann auch für die Teile trennen? Falls ud magst kannst du da gerne mal deinen Eindruck schildern bzw. ein paar Wünsche äußern damit das beim 2. DLC-Teil besser wird (und man schauen kann was man noch so ausbessern kann)

    Das tut mir leid, ich wollte das nicht so herüberkommen lassen, als wäre die Seite absolut schlecht. ^^"

    Mir persönlich fehlt bei der Seite so bissl die Struktur. Die beiden Bilder am Anfang, die einen Überblick bieten empfind ich als bissl verloren und ohne Kontext. Daher rührt bei mir hauptsächlich der Eindruck, dass die Seite improvisiert wäre. Ich denke, eine Überschrift alá "Neuerungen" oder "Veröffentlichung und Unterschiede" könnte da helfen. Da könnte man unter den Bildern dann die Punkte "Neue Pokédexe" und "Pokémon tauschen" als Unterpunkte aufführen, anstatt wie jetzt als Überschriften mit sehr wenig Text.

    Alles ab dem ersten DLC wirkt auf mich dann wieder geordneter -- nur find ich's komisch, dass die Kurzübersicht am Ende steht, glaub, dass die am Anfang direkt unter dem Icon der DLCs mehr Sinn machen würde.

    Grundsätzlich fänd ich's tatsächlich nicht verkehrt, wenn jedes DLC seine eigene Seite hätte, diese müssten allerdings von den vorherigen Seiten auch unterstützt werden. Vielleicht ließen sich die beiden Icons der Erweiterungen schon in der Infobox von STSD einbinden.

    Mhm ... mein erster Impuls beim Trennen der Pokémonlisten (neue und wiederkehrende) nach DLC ist ja, andererseits ist das bissl redundant und eine komplette Liste macht mehr Sinn. Gibt es denn die Möglichkeit die Liste sortierbar zu machen? Oder die Liste als Tabmenü aufzubauen, sodass man einmal "komplett" alle neuen und wiederkehrenden Mons hat und dann aber noch mal trennen kann, nach Rüstungsinsel und Schneelande? Dann könnte man die Ansicht der jeweiligen Tabs bei dem jeweiligen DLC verlinken, müsste aber nicht zwei Unterseiten erstellen. Ansonsten könnte man hier natürlich auch mit den Icons plus Unterschrift arbeiten, weil nur das DLC als Unterschrift unter dem Mon zu nennen, vielleicht leicht zu übersehen ist. Und fast bin ich geneigt die Listen von den "ganz" neuen Mons mit den neuen Galar-Mons zusammenzufassen auf einer Seite und mit Überschriften zu trennen -- aber das ist persönliche Präferenz, lol.

    Das wär tatsächlich alles. (: Die Seiten zum ersten DLC find ich gelungen, es ist tatsächlich nur diese Übersichtsseite, die mir nicht ganz so gefallen hat, aber ich kann verstehen, dass die Darstellung nicht einfach ist. (Ist ja auch nichts, womit man sich bisher bei den Games beschäftigen musste.)

    Wie stellt man das dar? Wie führt man User da gut durch sodass die alles finden?

    Das kann ich sehr gut nachvollziehen! Und ich wünschte, ich hätte konkretere Vorschläge hier. ^^" Ich selbst würde an der Stelle auch viel brainstormen; schauen, wie andere es machen; was mir bei diesen Seiten gefällt und was nicht; und Input von anderen Leuten holen. Ich befürchte auch, dass es keine "perfekte" Lösung gibt, aber vielleicht kann man durch das Kombinieren von mehreren Ideen etwas finden, was nutzerfreundlich ist. (:

    Wird es :D Da ist tatsächlich noch einiges Größeres geplant auf das man sich freuen kann.

    Umso besser, das freut mich sehr! :D

    Was ich auf jeden Fall mitnehmen werde ist, neben deinem Feedback, auch der Punkt dass einiges mehr in einem Dialog mit Nutzern passieren kann und sollte, um ein ideales Ergebnis zu erzielen.

    Das ist auf jeden Fall eine gute Idee! Wie du selbst sagst, tritt einfach eine gewisse Betriebsblindheit ein, was absolut normal ist. Und nachdem die Seite ja für User verschiedenen Alters und verschiedenen Wissensstufen geeignet sein sollte, hilft es bestimmt, wenn man die Community ein bissl einbindet. (:


    Ich freu mich jedenfalls, wenn mein Feedback hilfreich war und Anregungen geben konnte. Viel Erfolg weiterhin! Feurigel

    Servus miteinand!


    Ich hab's ja schon im Allgemeinen Feedback zu Bisafans angekündigt, dass ich einen zweiten Teil geplant hab. Und dieses Feedback kommt jetzt. (Sollte ich mich irgendwo wiederholen zu dem was ich im Allgemeinen Feedback bereits geschrieben hab, tut's mir leid. Hab mir da leider keine Notizen gemacht.)

    Auf geht's!


    Bisasam Pokédex


    Tl;dr


    + Auswahl verschiedener Dex-Listen gleich zu Beginn möglich

    + gut strukturierte Dex-Einträge

    + Bilder des PokéDex-Projektes geben den Einträgen zusätzlichen Charme

    + eingeklappte Kategorien verkürzen vermutlich Ladezeiten


    - reine Piktogramme um Entwicklungen zu erklären ist je nach Pokémon bissl zu wenig

    - Hovertext über Piktogramme wird auf mobilen Geräten nicht angezeigt

    - fehlende Verlinkung zum PokéDex-Projekt lässt unwissenden Leser sich wundern



    Glumanda Anime


    Tl;dr


    + sehr gute Navigation mit deutlicher Unterscheidung der einzelnen Staffeln

    + gute Übersichtsseiten der einzelnen Staffeln mit den nötigen Informationen

    + einzelne Episodenseiten haben guten Aufbau und sind passend bebildert


    - Kategorie "Aktuelles" aufgrund unterschiedlich großer Bilder etwas chaotisch



    Schiggy Manga


    Tl;dr


    + gute Navigation für Pokémon Adventures

    + deutliche Darstellung, welche Bände bereits vollständig zusammengefasst wurden

    + schöne Bebilderung mit den Cover der Bänden und Panelbildern bei den einzelnen Kapiteln


    - Kategorie wirkt durch fehlende Updates etwas vernachlässigt

    - drei verschiedene Arten den Manga darzustellen (Arcs, Bände, Kapitel) vielleicht zu viel des Guten



    Pikachu Spiele


    kein Tl;dr hier, weil ich hier verschiedenes anspreche und sich das nicht gut zusammenfassen lässt. Tut mir leid! ^^"


    Chimpep Sammelkarten

    Nun, ich denke, in diesem Terrain kann ich wirklich nichts betragen. Das Sammelkartenspiel ist mir absolut unbekannt, ich kenne weder die Regeln, noch blicke ich bei den verschiedenen Decks durch. Die Präsentation der aktuellen Sets auf der Hauptseite der Kategorie gefällt mir gut und ich fand den Link zu den weiteren bzw. älteren Sets auch gut sichtbar — hab den unteren zuerst entdeckt, den im Text nicht. Da mir bei den Karten hauptsächlich die Artworks gefallen — wie gesagt, ich hab davon sonst absolut keine Ahnung — find ich's natürlich schön, dass die Karten hier als Ganzes zu sehen sind, man sich durchklicken kann und selbst ohne Wissen einfach ein paar hübsche Bilder anschauen kann. Das ist ne schöne Sache!


    Hopplo Strategie

    Yay, noch eine Kategorie, wo ich vielleicht lieber nichts sagen sollte, weil ich mich erneut nicht auskenne. Ich denke mal, dass diese Kategorie sicherlich eine besondere Maintenance hat, weil die Guides sicherlich regelmäßige Anpassungen benötigen, nachdem in Gen8 ja doch einiges anders war als zuvor in Gen7? Oder hab ich da was falsch im Kopf? Was mir jedenfalls aufgefallen ist, ist dass die Daten bei der VGC ziemlich outdated sind. Als aktuelle Saison wurde 2017 hier angegeben und das ist ja doch schon eine Weile her. Und abseits von den Regionals, die in Düsseldorf stattfanden, sind die Daten bei den beiden folgenden Events auch sehr dürftig gehalten. Ich glaube fast, hier würde es mehr Sinn machen diese Unterseite zu streichen. Wenn sie nicht aktuell ist, bringt sie niemandem etwas und wenn sie nicht gepflegt wird noch weniger. Ich weiß nicht, wie der Strategie-Bereich im BB so aufgebaut ist, aber wenn die Infos dort zeitnah gepostet werden, wäre eine Verlinkung dahin langfristig vermutlich sinnvoller. Ansonsten kann ich zu der Kategorie wenig sagen, die Guides sehen gut aus, bin allerdings nicht tief eingestiegen, kann deren inhaltliche Qualität deshalb nicht bewerten. Vom Layout find ich diese Kategorie recht klassisch, was hier für eine gute Übersicht sorgt.


    Memmeon Tauschbasar

    Den Tauschbasar mag ich ja für seine Anti-Cheat Policy und wie stark darauf geachtet wird, dass keine Cheats im Umlauf kommen. Ich schätze eine klare Haltung und das ist eine, die sicherlich alte und neue User des Tauschbasars sehr schätzen. Dass die Verteilungen hier ebenfalls aufgelistet sind, macht nur Sinn. Alles in allem find ich es eine schicke, kleine Übersichtsseite, vor allem über die Guides unten hab ich mich gefreut, denn ich finde, Wissen um das Erkennen von Cheats sollte weit verbreitet werden! Einzig die Formatierung ist hier ein wenig komisch und ich frage mich, ob an der Erweiterung dieses Bereiches tatsächlich gearbeitet wird. Ich sag mal so: als Userin lese ich gerne, wenn eine Sache ein work in progress ist, weil ich dann weiß, dass ich später "mehr" erwarten kann. Blöd ist nur, wenn dieses "mehr" einfach nicht kommt. Und im Internet vergeht die Zeit ja gefühlt zwei Mal so schnell wie in der Realität ...

    Ansonsten kann ich auch hier nur sagen, dass ich die Informationen als gut präsentiert empfinde.


    Evoli Schlusswort

    Und das war's soweit! Ja, ich weiß, es gäbe noch die Kategorie "Weiteres". Die hab ich mir auch angesehen und musste feststellen, dass sich hier wirklich so alles sammelt, was woanders nicht reinpasst. Zum Bisatainment Bereich hab ich tatsächlich ein paar Gedanken, aber ob die in naher Zukunft mal aufgeschrieben werden, verspreche ich an dieser Stelle lieber nicht. (Oder hab ich mich schon mal zu Bisatainment geäußert? Ach, egal.) Fanwork scheint mir auch eine Kategorie zu sein, die hauptsächlich aus Verlinkungen zum Board besteht, auch wenn ein paar der Guides auf Bisafans selbst gepostet sind. Von der Präsentation her ist es übersichtlich und gut gemacht, aber hier merkt man doch relativ deutlich, dass für diese Kategorie kein konkreter Plan existiert. Kann hier allerdings auch wenig Vorschläge geben, um ehrlich zu sein. Dieser Bereich ist definitiv mit den Bereichen im Bisaboard gewachsen und ich weiß noch nicht, ob das so gut ist. Natürlich kann man Pokémon in all diesen Bereichen irgendwie einbauen, aber ich denke das bei "Fanwork" die meisten Personen nur an Fanarts und Fanfictions denken und weniger an Fotografie, Handwerk, Video und GFX. Natürlich kann man da auch Pokémon mit reinbringen, aber meiner Ansicht nach, benötigt die Fanwork Kategorie auf Bisafans ein Konzept. Im Bisaboard kann weiterhin alles geboten werden, aber ich finde es eine Überlegung wert, was auf der Hauptseite wirklich vertreten sein muss, weil es einen deutlichen Bezug zu Pokémon hat. Die meisten Leute werden über kurz oder lang auch im Board vorbeischauen, allein schon, weil Board und Bisafans doch stark miteinander verknüpft sind — allein schon die News. Aber ich denke kein Besucher wird sich wundern, wenn bspw. der Fotografie-Bereich NICHT auf Bisafans vertreten ist, weil das in meinen Augen nur im Kontext der Community Sinn macht. Naja, das sind so meine Gedanken hierzu. Ich bin ja fast soweit zu sagen, dass man abseits der Zeichenkurse, die afaik spezifisch für Bisafans angefertigt wurden, kein Fanwork auf Bisafans zeigt, sondern da dann eben auf die einzelnen Fanwork-Bereiche im Bisaboard verlinkt.


    Großes Lob an euch, ich finde Bisafans macht durchaus was her und ich merke, dass ihr euch Mühe gebt die Seite so aktuell und ansehnlich wie möglich zu halten, trotz der Masse an Informationen, die hier untergebracht ist. Dass da einzelne Kleinigkeiten "hinten runter fallen" ist nachvollziehbar. Darf halt nur nicht zu lange der Fall sein, sonst wird das irgendwann ein wenig unprofessionell und selbst einem Gelegenheitsbesucher fällt irgendwann auf, dass manche Kategorien wesentlich weniger Pflege erhalten als andere. Da fänd ich's schön, wenn zumindest ein bissl dagegen gearbeitet wird. Wie schon erwähnt: muss nicht viel sein, aber man muss merken, dass sich etwas tut. Ich wünsche euch jedenfalls weiterhin viel Erfolg mit der Seite! (:

    Vielen Dank an Rusalka für dein Kommi. (:


    Es stimmt, dass da eine gewisse Entwicklung zwischen Manu und Torben ist, die ich so nicht geplant hatte. Ich rede mich mal damit heraus, dass Torben manches Mal zeigen will, dass er älter ist als Manu und deshalb anfangs noch so distanziert war, aber eigentlich können sich die beiden schon gut leiden.

    Danke für dein Lob! Es war mir schon wichtig, dass Echo "andersartig" ist, aber deshalb nicht weniger menschlich. Und eben auch durch ihre vorherigen Erfahrungen geprägt ist und da vertraut man nicht einfach mal so einem dahergelaufenen Menschen -- auch wenn er freundlich war!


    Und hier kommt dann auch schon der letzte Teil dieser Kurzgeschichte. Danke an alle für's Lesen, ich hoffe, ihr hattet Spaß dabei. (:


    An Bord der Donau

    (III / III)


    „Leider, ja“, erwiderte er. „Schlösserknacken war dummerweise nicht Teil meiner Ausbildung.“ Ein weiteres Mal seufzte er, bevor er weiter sprach: „Das Problem ist, dass ich nichts sehen kann, wenn ich die Lampe nicht in der anderen Hand halte, aber ich kann mit nur einer Hand nicht arbeiten.“

    „Gibt es einen anderen Weg?“, fragte die Harpyie und schob die leere Brotdose von sich.

    „Naja, ich könnte noch versuchen entweder den Bügel zu durchtrennen oder die Winkelösen irgendwie aufzubrechen. Aber keine Ahnung, wie schnell das geht, es ist ziemlich dickes Metall.“ Frustriert kratzte er sich am Kopf, als er angestrengt nach einer weiteren Lösung suchte.

    „Abseits von Knacken und Aufbrechen bleibt halt nur noch an den Schlüssel selbst zu kommen. Aber das ist auch nicht einfacher.“ Mit einem Mal kam Manu die ganze Sache unmöglich vor, doch aufgeben wollte er trotzdem noch nicht. Er griff nach einem Montiereisen, steckte es in den Spalt zwischen Tür und der letzten Gitterstrebe und stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Seine Idee war, dass durch den Druck irgendwas sich verbiegen oder nachgeben würde. Entweder eine der Winkelösen oder sogar Bügel des Schlosses. Doch egal, wie sehr er sich auch anstrengte, es tat sich nichts.

    Keuchend gab er diesen Versuch auf.

    „Vielleicht ... soll es sein so“, sagte Echo in ruhigem Ton. „Es war nett von dir, es zu versuchen.“

    Ihre Kette klirrte, als sie den Kopf auf den Metallboden legte.

    „Moment“, erwiderte Manu schwer atmend, „noch bin ich nicht fertig. Wenn Knacken und Aufstemmen nicht funktioniert, muss eben die Säge ran.“ Er legte das Montiereisen wieder auf den Boden und griff nach einer kleinen Metallsäge. Lange musste er nicht überlegen, wo er anfangen wollte zu sägen und setzte direkt am Bogen des Vorhängeschlosses an. Da bei den meisten dieser Schlösser der Bogen links zu öffnen war, sägte er genau an dieser Stelle, wo er hoffte, dass es weniger auffallen würde. Die Stille zwischen ihm und Echo wurde von dem gleichmäßigen Geräusch der Metallsäge gefüllt.

    „Geht durch wie Butter“, meinte er zufrieden, was die Harpyie neugierig den Kopf heben ließ. Zum Feiern war es allerdings noch zu früh. Immerhin musste er auch den richtigen Zeitpunkt erwischen, denn wenn er Echo hier herausholte würde sicherlich komplettes Chaos an Bord ausbrechen, sobald der Kapitän von seiner fehlenden Fracht erfuhr.

    „Funktioniert?“, hörte er die Harpyie leise fragen. Manu nickte deutlich, als er die Säge absetzte und auf den Boden legte.

    „Ich kann den Bogen des Schlosses aufsägen, dann fällt es einfach herunter. Als nächstes muss ich jetzt herausfinden, wie ich dich von deiner Kette befreie, damit du hier herauskommst.

    Sie erwiderte nichts darauf, begann allerdings den Haken am Boden des Käfigs genauer zu betrachten. Manu vermutete, dass es eine einfache Konstruktion sein musste, sonst hätte Zeppelin am Tag zuvor die Länge nicht so einfach verändern können. Im besten Falle war es nur ein Karabiner mit Schraubverschluss oder ein Kettenschnellverschluss.

    „Was siehst du?“, fragte er neugierig, nachdem Echo die Kette zu untersuchen begann und immer wieder daran zog. Es dauerte einige Augenblicke, bis die Harpyie auf seine Frage reagierte. In dieser Zeit war nur das Klirren der Kettenglieder zu hören.

    „Haken mit ... dicker Stelle. Ganz rau“, antwortete Echo leise.

    „Das ist gut, das lässt sich leicht öffnen“, erwiderte Manu erleichtert.

    „Wie?“, wollte sie gleich wissen und ihre Stimme klang gereizt.

    „Das raue Metallteil kann man drehen. Es wird dann locker, rutscht nach unten und man kann den Haken öffnen“, erklärte er ruhig. „Aber der Käpt'n hat's sicher fest zugedreht, dass man viel Kraft braucht.“ Echo erwiderte nichts, sah nur den Karabiner an und versuchte daran zu drehen, während Manu sich wieder dem Sägen zuwandte. Er wollte das Metall so weit wie möglich durchsägt haben, dass er später nur noch wenige Sekunden brauchen würde, um es vollständig zu durchtrennen. Manu hoffte, dass seine Arbeit unbemerkt bleiben würde, sollte Zeppelin noch einmal auftauchen. Es vergingen mehrere Augenblicke in denen die beiden nicht miteinander sprachen. Echo hatte ihre Versuche den Karabiner zu öffnen bereits wieder eingestellt, da sich das Metallteil einfach nicht bewegen wollte. Stattdessen beobachtete sie Manu, der im Schein der Petroleumlampe sägte.

    „Okay“, stieß er schließlich aus und setzte sich auf den Boden. „Das ist jetzt soweit vorbereitet. Den letzten Rest kann ich problemlos durchsägen und dann wäre dieses Problem schon mal gelöst.“ Er war mit seiner Arbeit wirklich zufrieden und hätte das durchaus gern gleich beendet, aber dafür war es noch zu früh.

    „Wie ist der Plan?“, fragte Echo sichtlich neugierig. Sofort konnte Manu darauf nicht antworten, denn er hatte noch keinen konkreten Plan, nur ein paar Ziele. Ziel Nummer eins wäre, dass Echo aus diesem Käfig rauskommt, was bedeutete, dass er die Tür und die Halterung ihrer Kette öffnen musste. Ziel Nummer zwei wäre Echo unbemerkt aus dem Lagerraum zu bekommen und so lange zu verstecken, bis sie in Molln ankommen würden. Dort musste er es dann mit ihr von Bord schaffen.

    Die größte Frage war allerdings, wann oder ob der Kapitän das Verschwinden von Echo bemerken würde. Sollten die Lagerarbeiter nicht eingeweiht sein, wovon Manu ausging, durfte Echo nicht hier sein, wenn es ans Ausladen ging. Zeppelin musste sie also vorher hier herausschaffen und in der Donau versteckt halten, bevor er sie wieder hier einsperrt. Oder in Molln verkauft, worüber Manu allerdings lieber nicht nachdenken wollte. Er schob jeden Gedanken an einen möglichen Schwarzmarkt für Fabelwesen so weit weg, wie er nur konnte, weil seine Fantasie ihm nur furchtbare Bilder in den Kopf pflanzte. Die Arbeitsbedingungen vieler Menschen waren schlimmer als seine eigenen und wenn Menschen schon andere Menschen so schlimm behandeln konnten, konnte es Fabelwesen unmöglich besser gehen als Tiere. Zwar war er trotzdem neugierig genug, dass er Echo gerne gefragt hätte, woher sie kam und wie sie hier gelandet war, doch nachdem sie dieses Thema von selbst nie aufgebracht hatte, wollte er es auch dabei belassen.

    „Ich hab noch keinen konkreten Plan“, antwortete er schließlich. „Erstmal muss ich dich da rausholen und dann müssen wir uns verstecken, bis wir in Molln ankommen. Ich weiß nicht, wann der Käpt'n wieder nach dir sehen wird, um dich vor unserer Ankunft im Mollner Hafen hier herauszuholen. Es kann sein, dass wir sehr schnell auffliegen und dann müssen wir improvisieren.“ Er zuckte mit den Schultern: „Zur Not schaff ich dich irgendwie aufs Oberdeck und du fliegst weg.“

    „Was passiert dann mit dir?“, wollte sie wissen und klang besorgt. Manu packte sein Werkzeug wieder in seine Hosentaschen, als er wieder mit den Schultern zuckte und sie nicht ansah.

    „Keine Ahnung. Im besten Falle werfen sie mich in Molln nur von Bord, im schlimmsten Fall konstruiert der Käpt'n irgendeine Geschichte und ich land in nem Gefängnis für wie lang auch immer.“ Manu hob den Kopf und konnte im Schein der Petroleumlampe ihren verängstigten Gesichtsausdruck sehen, woraufhin er sich an einem Lächeln versuchte.

    „Mach dir keine Sorgen, immerhin geht's um dich. Solang du hier rauskommst, ist mir egal, was mit mir passiert.“

    Echo ließ den Kopf hängen, als sie leise sagte: „Ich weiß nicht, wie gut ich noch fliegen kann.“

    „Wie meinst du das?“, fragte der junge Matrose und versuchte dabei nicht allzu geschockt zu klingen. Das hatte er noch gar nicht als Möglichkeit in Betracht gezogen.

    „Ist lange her, dass ich geflogen bin“, erwiderte sie unsicher. „Ich hab Angst, dass ich es nicht mehr kann. Oder dass man mir die Flügel gestutzt hat und ich weiß es nicht. Ich hab nachgesehen und alles sieht gut aus, aber man hat mir so oft damit gedroht …"

    Ihre Stimme brach und sie schwieg. Manu wollte sie trösten, aber er wusste nicht wie. Selbst wenn er angeboten hätte nachzusehen, hätte er möglicherweise nichts bemerkt. Als er ihre Flügel das erste Mal gesehen hatte, sahen sie für ihn normal aus. Aber er war bei Weitem kein Experte.

    „Ich bin mir sicher, dass du noch fliegen kannst“, erwiderte er und versuchte so viel Überzeugung wie er konnte in seine Worte zu legen, trotz seiner eigenen Zweifel. „Denn, wenn du es nicht mehr könntest, dann wüsstest du das bestimmt. Du bist vielleicht ein wenig aus der Übung, aber verlernt hast du's bestimmt nicht. Und sicherlich waren das nur leere Worte von den Leuten, die dich gefangen haben. Die wollten, dass du an dir selbst zweifelst, damit du nicht versuchst zu fliehen.“

    Echo sagte nichts darauf, was auf Manu wirkte, als würde sie darüber nachdenken. Er langte durch die Gitterstäbe, um Brotdose und Metallbecher wieder einzusammeln, nachdem nun die Werkzeuge wieder in seinen Hosentaschen verstaut waren.

    „Ich muss jetzt los, meine Sachen packen, aber ich komm später wieder. Spätestens morgen kommst du hier raus, versprochen“, sagte er lächelnd, als er aufstand. Sie hob schweigend den Kopf, während er ihr kurz mit der Petroleumlampe zuwinkte und sich auf den Weg aus dem Lagerraum machte. Doch zuvor holte er noch seine Kiste, denn deren Inhalt wollte er auf jeden Fall mitnehmen.

    So leise wie möglich schloss er die Tür des Frachtraums hinter sich. Mit beiden Armen trug Manu die Kiste vor der Brust, darauf standen die Brotdose und die Thermosflasche. Damit nichts davon herunterfiel musste er vorsichtig die Treppen hinaufsteigen und ging langsamer als gewohnt zurück zu seinem Quartier. Er begegnete auf dem Weg ein paar Matrosen, die ihm verwunderte Blicke zuwarfen, ihn aber nicht auf die Kiste ansprachen. Manu war durchaus froh darüber, auch wenn er sich bereits überlegt hatte, was er auf solche Fragen antworten würde.

    Erleichtert seufzte er, als er in seine Kabine trat. Zu seiner Überraschung war Torben gar nicht da, aber er hatte auch nicht auf die Uhr gesehen. Manu dachte nicht weiter darüber nach, sondern ging zu seinem Spind im hinteren Teil der Kabine und holte seinen großen Rucksack heraus, in den er daraufhin alles verstaute, was sich in dem Spind befand. Das viele Reisen und die kurzen Aufenthalte in den Häfen, zusammen mit einem geringen Lohn, hatten ihn davon abgehalten viele Gegenstände anzusammeln, seit er auf der Donau lebte und arbeitete. Deshalb passte auch alles problemlos in den Rucksack. Die fünf Bücher wickelte er zum Schutz in Kleidung und verstaute sie anschließend als letztes; die Kiste stellte er in den Spind, den gepackten Rucksack davor. Als er damit fertig war, hörte er hinter sich die Tür aufgehen und Torben kam herein.

    „Was machst du?“, fragte sein Kamerad, der mit einer Zeitschrift in der Hand gerade die Kabinentür schloss.

    „Ich habe gepackt. Gibt es schon eine genauere Prognose, wann wir in Molln ankommen werden?“

    „Du ziehst das wirklich durch, was?“, erwiderte Torben als er sich auf sein Bett setzte, worauf Manu nickte.

    „Jap, weil es das einzig Richtige ist.“

    „Verstehe. Und nein, noch gibt es keine konkrete Prognose, jedenfalls hab ich nichts mitbekommen. Spätestens zwei Stunden vor Ankunft werden wir ja eh benachrichtigt“, erwiderte sein Kamerad.

    „Das könnte zu spät sein“, seufzte er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich muss Echo vor dem Käpt'n aus dem Käfig kriegen. Denn ich bezweifle, dass er sie drin lässt, bis es ans Ausladen geht. Er muss sie vorher aus dem Frachtraum holen und irgendwie verstecken.“

    „Echo? Heißt die Harpyie so?“, fragte Torben interessiert, was sein Kamerad bejahte. „Irgendwie würd ich sie jetzt doch gern sehen, bin durch dein Engagement ganz schön neugierig geworden.“

    „Vielleicht wirst du das eh“, erwiderte Manu nachdenklich. „Eventuell wär's gar nicht mal so dumm, Echo hier bei uns zu verstecken.“

    „Hältst du das nicht für etwas riskant? Wir sind nicht gerade abgeschieden von den anderen Quartieren und jederzeit kann sich hier eine Tür öffnen und sie entdecken“, gab sein Freund zu bedenken. Natürlich hatte er auch seine Zweifel an der Idee, aber wenn er es richtig anstellte, könnte er Echo ohne gesehen zu werden hierher bringen: nämlich mitten in der Nachtschicht. Die meisten Matrosen, die für die beiden anderen Schichten eingeteilt sind, würden zu diesem Zeitpunkt schlafen. Sicherlich gab es ein paar, die möglicherweise munter wären, aber die würden sich vermutlich nicht auf den Gängen aufhalten, da nachts in den meisten Teilen des Schiffs an der Beleuchtung gespart wurde und man sich nur mehr mit Petroleumlampe fortbewegen konnte.

    „Es geht nicht anders“, beschloss Manu, „ich muss Echo heute Nacht da herausholen und hoffen, dass ich es vor dem Käpt'n schaffe. Ansonsten war alles umsonst.“

    „Dann solltest du dich aber jetzt aufs Ohr hauen“, erwiderte Torben, als er sich auf seiner Matratze ausstreckte. „Es ist schon fast acht Uhr und Schichtwechsel ist um 23 Uhr.“


    Drei Stunden später klingelte Torbens Wecker, dessen durchdringendes Piepen er mit einer geschickten Handbewegung ausstellte. Manu kletterte bereits vom oberen Stockbett, als sein Kamerad sich auf der Matratze aufsetzte. Sie wechselten keine Worte, nickten sich nur zu, während Manu seine Arbeitshose anzog, in der sich noch sämtliche Werkzeuge befanden, die er am Schloss des Käfigs ausprobiert hatte. Er nahm alle bis auf die Metallsäge heraus und legte sie auf den Boden, danach ging er zur Tür und verließ die Kabine. Der Gang war dunkel, nur jede zweite Lampe brannte und auch nicht mit voller Stärke. Da Manu verhindern wollte, dass er Aufmerksamkeit erregte, konnte er keine Petroleumlampe mitnehmen und musste sich stattdessen mit dem Halbdunkel zufrieden geben. Er war in der Vergangenheit nie um diese Uhrzeit draußen gewesen, außer in sehr seltenen Fällen um die Toilette aufzusuchen. Leider war es dieses Mal nicht so einfach.

    Als er bei der Metalltreppe angekommen war, hinunter zum Maschinenraums zu kommen, hörte er, wie dort die Türen geöffnet wurden. Ein paar bekannte Gesichter gingen mit einer Petroleumlampe und in einer Unterhaltung vertieft in Richtung Speisesaal. Die Spätschicht hatte also offiziell Feierabend und die Nachtschicht hatte im Maschinenraum die Arbeit aufgenommen. Manu wartete bis er die Worte der anderen Matrosen kaum noch hören konnte, bevor er die Treppe hinunterging und zum Frachtraum ging. Noch mehr als ohnehin schon achtete er auf jedes Geräusch, welches er nicht dem unterschwelligen Brummen der Motoren zuordnen konnte. Seine Anspannung legte sich erst ein wenig, als er den dunklen Frachtraum betrat und die Petroleumlampe entzündete.

    Nachdem die Lampe noch dort hing, wo sie sein sollte und die elektrischen Lampen nicht brannten, war sich Manu sicher, dass der Kapitän nicht hier war. Trotzdem lauschte er angestrengt und versuchte mit seinen Stiefeln so leise wie möglich aufzutreten, um nicht gehört zu werden. Er spähte um eine mannshohe Kiste herum, die ihm den Blick auf den Käfig versperrte, fand zu seiner Erleichterung aber niemanden dort vor. Eilig lief er zu Echo, die aufgrund des Geräusches seiner Schritte den Kopf hob.

    „Da bin ich“, sagte er etwas außer Atem, stellte die Lampe ab und fing sofort zu sägen an. Die Harpyie beobachtete ihn schweigend dabei, wie er konzentriert und mit schnellen Bewegungen arbeitete. Es dauerte nur wenige Sekunden bis das restliche Metall am Bogen des Vorhängeschlosses durchgesägt war.

    „Geschafft!“, entkam es Manu sichtlich erleichtert, als er die Metallsäge wieder in seine Hosentasche steckte und das Schloss abnahm. Es fühlte sich surreal, wie sich die Tür zum Käfig schließlich öffnen ließ und als er hineinging war er sich für einen Moment nicht sicher, ob er das alles nicht träumte. Echo schaute ihn entgeistert an, als könnte sie es auch nicht glauben. Für einen Augenblick sahen sie sich verdutzt an, bevor Manu sich wieder besann, in die Hocke ging und die Befestigung der Kette untersuchte. Es kostete ihn einige Anstrengung und mehrere Versuche den Schraubverschluss des Karabiners zu lösen. Sägen wollte er hier nicht versuchen, da die Kette recht robust wirkte und er annahm, dass es zu lange dauern würde. Als er schon fast darüber nachdachte, es doch zu versuchen, ließ sich der Verschluss endlich öffnen. Seine Handfläche war zwar wund gescheuert, aber das störte ihn nicht.

    „Endlich sind wir dieses Ding auch los“, sagte er breit grinsend, als er den Karabiner öffnete und von der Öse am Metallboden löste. Manu stand auf und hielt Echo die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Verdutzt blickte sie einen Moment auf die ausgestreckte Hand, sah ihm ins Gesicht und nahm die Hilfestellung schließlich an.

    Mit einem kurzen Ruck zog er sie auf die Füße und bemerkte erneut, wie wenig Echo zu wiegen schien. Die Kette klirrte leise, als die Harpyie vor ihm stand.

    „Darf ich mir den Halsring mal ansehen?“, fragte er, woraufhin sie nickte und den Kopf hob. Manu tastete das Metall ab und suchte nach einem Verschluss oder etwas ähnlichem, fand aber zuerst nur das Gelenk des Rings. Schließlich fiel ihm auf, dass das erste Kettenglied, das von dem Halsring abging ein Karabiner war, der mit einer Zange und jeder Menge Kraft verbogen wurde, sodass er sich nicht mehr öffnen ließ.

    „Elende Verbrecher“, fluchte Manu halblaut und griff wieder nach seiner Metallsäge. „Das dauert jetzt leider ein wenig, weil ich nicht weiß, wie schnell das durch ist.“

    Echo erwiderte nichts und hielt nur weiterhin ihren Kopf oben. Es dauerte mehrere Augenblicke bis das Metall durchgesägt war. In dieser Zeit bewegte die Harpyie nur ab und an die Flügel, stand sonst aber vollkommen still. Manu fragte sich kurz, ob das eine Eigenart dieser Lebewesen war, doch er hatte keine Zeit darüber nachzudenken und nachdem Echo noch nicht ein Wort gesagt hatte, erschien es ihm auch nicht als guter Zeitpunkt danach zu fragen. Als der Karabiner schließlich durchgesägt war, fädelte Manu ihn aus den Ösen am Halsring. Die Kette landete klirrend auf dem Metallboden, was Echo kurz zusammenzucken ließ. Manu kümmerte sich nicht darum, sondern öffnete den Halsring. Das Gelenk quietschte und war schwergängig, aber er konnte ihn schließlich weit genug öffnen, um die Harpyie von dem Metallring zu befreien.

    „Na, geht doch“, sagte er triumphierend und legte die Metallsäge auf den Boden. „Und jetzt nichts wie raus hier.“

    Echo folgte ihm nur zögerlich aus dem Käfig und als Manu nach der Petroleumlampe griff, sah sie sich eingeschüchtert im Frachtraum um.

    „Alles in Ordnung?“, fragte er und hoffte, dass sie ihm antworten würde. Ihre Stille verunsicherte ihn, auch wenn er es hauptsächlich darauf schob, dass sie vermutlich nicht fassen konnte, was hier gerade passierte.

    „Ja“, sagte sie schließlich leise. „Ich kann nur nicht glauben, was geschieht.“

    „Ich auch nicht, aber wir müssen hier weg, bevor uns noch jemand sieht“, erwiderte er und hielt ihr erneut die Hand hin, die sie ergriff und sich von ihm mitziehen ließ. Schnellen Schrittes durchquerten sie den Frachtraum, bis sie bei der Tür angelangten. Manu löschte die Petroleumlampe und hängte sie wieder an ihren vorgesehenen Platz. Danach öffnete er so leise wie möglich die Metalltür nach draußen. Nur wenig Licht drang herein, sodass er wieder nach Echos Hand griff, um sie nach draußen zu führen. Die Krallen der Harpyie klangen auf dem geriffelten Metallboden vor dem Frachtraum besonders kratzig, sodass Manu Angst hatte, das Geräusch könnte Aufmerksamkeit erregen. Außerdem sah er selbst in dem wenigen Licht, dass Echo vom Laufen ein wenig erschöpft schien. Kurzentschlossen trat er vor sie und ging mit dem Rücken zu ihr in die Hocke.

    „Steig auf“, flüsterte er und sah sie erwartungsvoll über die Schulter an. Echo zögerte einen Moment, trat dann aber doch näher und schlang ihre Arme um Manus Hals, während er unter ihre Greifvogelbeine griff. Er erhob sich und ging langsam zu seiner Kabine.

    Die Harpyie wog wirklich nicht viel, was ihn einmal mehr verblüffte. Ob das daran lag, weil sie fliegen konnten oder ob Echo einfach unterernährt war, konnte er nicht sagen. Den Gedanken schob er jedoch zur Seite, denn jedes Geräusch ließ ihn kurz zusammenzucken. Seine Schritte erschienen ihm lauter als sonst und in der fahlen Dunkelheit hatte er ab und an das Gefühl Schemen zu sehen. Doch niemand war zu sehen. Die Maschinen der Donau stampften im Bauch auf halber Kraft und Manu wusste, dass die Nachtschicht hauptsächlich Reparaturen vornahm und allgemein drauf achtete, dass nicht plötzlich etwas ausfiel. Die restliche Crew müsste schlafen, selbst auf der Brücke ist nachts nur mehr Minimalbesetzung. Manu fragte sich, ob der Kapitän ebenfalls schlief oder sich vielleicht gerade auf den Weg zum Frachtraum machte. Die Vorstellung, dass Echos Verschwinden jeden Moment auffliegen könnte, ließ ihn die letzten Meter zu seiner Kabine etwas schneller laufen. Erleichtert atmete er aus, als er die Metalltür öffnete und mit Echo auf dem Rücken schnell hineinging.

    Torben schreckte bei dem Geräusch der Kabinentür hoch. Mit einer reflexartigen Armbewegung schaltete er das elektrische Licht ein und erhellte die ganze Kabine. Echo und Manu mussten die Augen aufgrund der plötzlichen Beleuchtung schließen.

    „Ist nicht die Möglichkeit“, entkam es Torben entgeistert, während sein Kamerad in die Knie ging, damit Echo wieder festen Boden unter den Krallen hatte.

    „Sag bloß, du hast mir bis zum Schluss nicht geglaubt“, erwiderte Manu vorwurfsvoll, worauf der Matrose nur schief grinsen konnte.

    „Tut mir leid, aber die Sache klang doch etwas unglaublich.“

    „Darf ich vorstellen: Echo, das ist Torben und Torben, das ist Echo“, sagte Manu leise und setzte sich auf den Boden.

    „Öhm, hallo“, wandte sich sein Kamerad sichtlich schüchtern an die Harpyie, die ihn nur ansah und kurz nickte, bevor sie in die Hocke ging und Manu erwartungsvoll ansah.

    „Wie geht es weiter?“, fragte Echo leise. Er seufzte kurz, bevor er die Beine zum Schneidersitz verschränkte: „Wir müssen erstmal warten, denn ohne in der Nähe vom Mollner Hafen zu sein, macht es keinen Sinn von Bord zu gehen.“ An Torben gewandt fragte er: „Wie lang denkst du, dass es noch dauern wird?“

    „Puh, schwer einzuschätzen. Aber ich denke, bei der jetzigen Geschwindigkeit und den mangelnden Problemen mit dem Wetter, könnten wir durchaus in ein paar Stunden dort sein“, antwortete der Matrose und sah auf seinen Wecker. „Jetzt ist fast 2 Uhr früh.“

    „Dann sollten wir wohl noch ein bissl Schlaf kriegen können“, dachte Manu laut und wollte Echo gerade sein Bett anbieten, da hatte sie sich schon seitlich auf den Boden gelegt und mit ihren Flügeln umschlossen. Er bedeutete Torben das Licht auszuschalten und kletterte derweil auf die obere Matratze des Stockbetts.


    „Guten Morgen“, tönte die sachliche Stimme von Leonard Merten durch den Lautsprecher. „Ich möchte euch darüber informieren, dass wir den Hafen von Molln in einer Stunde erreichen werden. Alle Matrosen auf ihre Posten!“

    Manu und Echo schreckten gleichzeitig aus dem Schlaf. Die Harpyie aufgrund der fremden Stimme, die plötzlich die kleine Kabine gefüllt hatte und Manu aufgrund der Tatsache, dass es die Stimme des ersten Offiziers war. Das kam nur sehr selten vor und führte dazu, dass sich sein Magen in dunkler Vorahnung zusammen krampfte.

    „Wo ist Torben?“, fragte Echo, als der Matrose vom Stockbett herunterkletterte. Sein Kamerad lag nicht mehr in seinem Bett, doch ihn verwunderte das weniger.

    „Torben ist arbeiten“, antwortete er ihr deshalb, als sie sich erhob. „Ich hoffe, er hat eine gute Ausrede gefunden, warum ich nicht ebenfalls auf der Schicht erschienen bin.“ Er wandte sich um und schulterte seinen Rucksack. Gestern hatte er seine Arbeitsklamotten nicht ausgezogen, besonders wohl fühlte er sich nicht darin, aber es erschien ihm am besten die robuste Kleidung anzubehalten. Die mit Angst vermischte Aufregung machte ihn unruhig und er fingerte deshalb an den Trägern seines Rucksacks herum, während er auf die Kabinentür starrte. Echo wirkte in ihren Bewegungen ebenfalls unruhig.

    Manu konnte nicht sagen worauf er wartete. Darauf, dass alle Matrosen der Spät- und Nachtschicht auf ihre Posten gegangen waren? Oder darauf, dass Echos Verschwinden bemerkt wurde und ihnen nichts anderes übrig blieb, als auf das Oberdeck zu fliehen? Aber was dann? Molln war noch eine Stunde entfernt.

    Um sich abzulenken dachte Manu darüber nach, was möglicherweise passiert war. Denn je mehr er darüber nachdachte, desto weniger hielt er es für wahrscheinlich, dass der Kapitän mithilfe der Crew Echo suchen würde. Zwar fielen ihm sofort ein paar seiner Kameraden ein, die ohne Nachzufragen jeden Befehl von Zeppelin ausführen würden, aber da war ja auch noch Merten. Würde der erste Offizier so einer Sache wirklich zustimmen? Ob Zeppelin ihn eventuell erpresste? Oder ob Merten wirklich keine Ahnung hatte, was vor sich ging? Die Möglichkeiten waren vielfältig. Und obwohl Manu nicht schlecht über Adler denken wollte, so war auch der Chefingenieur ein Kandidat, der genauso eingeweiht sein konnte oder wie alle anderen von nichts wusste.

    Eine plötzliche Stimme aus dem Lautsprecher ließ Manu und Echo gleichermaßen zusammenzucken.

    „Alle Matrosen aufgepasst. Wir werden den Hafen von Molln in einer halben Stunde erreichen.“ Es war wieder Mertens Stimme, sachlich und neutral wie üblich. Kurz nachdem er verstummt war, meldete sich eine andere Stimme zu Wort, die bei dem Matrosen und der Harpyie zu ängstlichem Herzklopfen führte. Es war Zeppelins Stimme, die durch die kleine Kabine hallte und deren Wut nur schwer zu leugnen war. Aber es war nicht dieselbe Wut, die Manu kannte, wenn irgendwas an Bord schief lief. Etwas, worüber man lachen konnte, weil es einen selbst nicht betraf und man wusste, dass der Kapitän jemandem zwar den Kopf waschen würde, aber die Sache damit auch abgeschlossen wäre. Das hier war etwas anderes. Vor dieser Stimme hatte er Angst.

    „Ich will Manuel Ahorn auf der Brücke sprechen. Sofort! Sollte ihn jemand an Bord sehen, will ich, dass er zu mir gebracht wird!“

    „Wir müssen los“, sagte Manu nur und zog einmal mehr die Träger seines Rucksacks fest. „Wir müssen auf jeden Fall zum Oberdeck. Selbst, wenn wir es nicht rechtzeitig zum Hafen schaffen, kannst du dann wegfliegen.“

    „Aber dann erwischen sie dich“, entkam es Echo entsetzt und ihre aufgewühlten Gefühle ließen sie über die Silben der Worte stolpern. Fast hätte Manu sie nicht verstanden.

    „Das ist egal, hier geht's nicht um mich“, erwiderte er ernst, als er auf die Kabinentür zuging und angestrengt lauschte. Er konnte nichts hören, aber das würde sicherlich nicht lang so bleiben.

    „Los geht’s", sagte er, als er die Tür öffnete und nach draußen trat. Echo folgte ihm vorsichtig, doch auch wenn sie ihre Schritte behutsam setzte waren diese nicht zu überhören. Mit einem Handzeichen bedeutete Manu, dass sie ihm folgen sollte und so liefen sie den hell beleuchteten Gang entlang. Ohne anzuhalten nahm er die erste Treppe Richtung Oberdeck. Sie erreichten die nächste Ebene, auf der sich die Brücke befand. Gerade als sie sich der nächsten Treppe zuwandten, ging eine Tür auf. Manu stoppte nicht und Echo hielt sich dicht hinter ihm, aber der durchdringende Ruf der folgte ließ sie kurz zusammenzucken.

    „Käpten!“, schrie jemand und sie hörten schwere Schritte hallen, was ihre Geschwindigkeit nur noch erhöhte. Manu nahm zwei Metallstufen auf einmal, was sich Echo schnell von ihm abschaute. Endlich bei der Tür zum Oberdeck angekommen, warf er sich dagegen, während er die Klinke herunterdrückte. Helles Sonnenlicht blendete ihn kurz, doch er lief weiter, den Arm über die Augen gelegt, bis er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Echo ging es hinter ihm genauso und er drehte sich deshalb rasch zu ihr um, als er ihre Schritte nicht mehr hörte. Sie stand blinzelnd auf dem Metallboden und betrachtete fasziniert die Umgebung.

    Um sie herum war blauer Himmel, in der Entfernung bewegten sich Wolken in verschiedenen Höhen. Die Rotoren drehten sich schnell und mit verschieden lauten Surrgeräuschen, glänzten dabei im Sonnenlicht. Manu konnte Echo ihre Faszination schwer übel nehmen, musste sie aber auch aus dieser heraus reißen. Er ging auf sie zu, griff nach ihrer Hand und zerrte sie das Oberdeck entlang zum Bug der Donau. Sie mussten so viel Abstand zwischen sich und dem Aufgang zum Oberdeck bringen wie möglich. Jeden Moment konnten Zeppelin und andere Matrosen hier auftauchen.

    „Was jetzt?“, fragte Echo laut, trotzdem wären ihre Worte von einer plötzlichen Windböe fast fortgeweht worden. Sie beobachtete Manu dabei, wie er seinen Rucksack vom Rücken nahm und stattdessen an der Brust trug. Mit einer Hand an der eisernen Reling blickte er nach vorn. Der Hafen war bereits deutlich vor ihnen zu erkennen, trotzdem betrug der Abstand immer noch mehrere hundert Meter.

    „Ich hab mir gedacht“, wandte er sich an die Harpyie, „dass ich dich wieder auf den Rücken nehme und wir dann zum Landesteg gleiten.“

    „Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“, gab Echo unsicher zurück, als sich ihre Hände an die Reling krallten. Manu konnte ihre Angst verstehen, aber es war die einzige Möglichkeit. Obwohl es an Bord Fallschirme für den Notfall gab, hatte er nicht an einen solchen als Hilfsmittel zur Flucht gedacht. Hauptsächlich deswegen, weil er diesen kaum steuern konnte und er sich damit die geringsten Chancen ausgerechnet hatte überhaupt im Mollner Hafen zu landen.

    Sie sahen beide dabei zu, wie die Donau dem Hafen immer näher kam. Die Landestege tauchten schließlich im Dunst auf.

    „Noch ein bisschen näher“, dachte Manu, als eine laute Stimme die Stille durchbrach.

    „Da sind sie!“, schrie Zeppelin, woraufhin sich der Matrose und die Harpyie umwandten. Fünf Männer kamen hinter dem Kapitän auf das Oberdeck. Zu Manus Entsetzen trugen sie alle Waffen und kamen mit militärischer Selbstsicherheit auf ihn und Echo zu.

    „Keine Bewegung, Junge. Du hast dich schon genug in die Scheiße geritten. Bring mir meine Fracht wieder, sofort!“, befahl Zeppelin, während zwei Männer ihre Gewehre hoben und auf die Ausreißer zielten. Manus und Echos Blicke trafen sich und er formte ein „Flieg los“, lautlos mit den Lippen, doch in ihrem Blick war zu viel Angst, sodass sie seinen Hinweis nicht verstand.

    „Wird's bald oder müssen wir euch holen kommen?“, drohte Zeppelin und man hörte ihm an, dass seine Geduld erschöpft war. „Das ist deine letzte Chance auf eine Zukunft an Bord, Junge. Ansonsten verbringst du den Rest deines Lebens in einem Gefängnis.“

    „Das ist eher Ihr Platz und nicht meiner!“, schrie Manu ihm entgegen. Er hielt es nicht mehr aus stumm vor dem Kapitän zu stehen. Zeppelin hob gerade zu einer Erwiderung an, da kippte die Donau ein Stückchen zur Seite, sodass die Männer kurz ihre Balance zu verlieren drohten. Manu überlegte nicht lang und sagte zu Echo: „Steig auf meinen Rücken, jetzt!“ Ohne zu zögern trat sie hinter ihn und schlang ihre Arme um seinen Hals. Der Matrose stieg über die Reling, was sich aufgrund seines Gepäcks und dem Gewicht von Echo, mochte es auch noch so gering sein, als Herausforderung herausstellte. Mit der rechten Hand hielt er sich weiterhin fest und sein rechtes Bein befand sich noch auf dem Metallboden des Oberdecks, während sein linkes Bein im Freien hing und er mit dem linken Arm Echos Raubvogelbein festhielt.

    „Sobald wir fallen, musst du die Flügel aufspannen, sonst ist es vorbei, verstanden?“, wandte er sich an Echo, die nichts darauf erwiderte. Die Landestege vom Mollner Hafen kamen immer näher und die Donau kippte ein weiteres Mal leicht zur anderen Seite. Manu hatte keine Ahnung, warum das große Luftschiff sich derartig bewegte, denn er konnte keine Turbulenzen feststellen. Was auch immer im Inneren des Schiffes vorging, es war zu ihrem Vorteil. Doch Zeppelin und seine Männer waren keine Anfänger und näherten sich trotz der unüblichen Bewegungen der Donau mit schweren Schritten den Flüchtenden.

    „Ich hasse es, wenn man sich in meine Angelegenheiten einmischt, Junge“, rief Zeppelin ihnen zu und im nächsten Moment knallte ein Schuss, als das Schiff erneut leicht zu einer Seite kippte. Der Schuss dröhnte noch in Manus Ohren, als er die Reling losließ und sprang.

    Für einen kurzen Moment fühlte er sich schwerelos, während er mit seinem rechten Arm nach Echos zweitem Bein griff. Doch die Schwerkraft war unerbittlich und ließ ihn und die Harpyie ruckartig mehrere Meter in die Tiefe stürzen. Ein heller Falkenschrei durchdrang die Stille, als Echo ihre schneeweißen Flügel ausbreitete und versuchte mit dem zusätzlichen Gewicht klarzukommen. Sie wurden vom Wind von einer Seite zur anderen gedrückt und trotz angestrengtem Flügelschlagen war es für sie unmöglich an Höhe zu gewinnen. Das Halten der Flughöhe war für sie schon eine Herausforderung.

    Manu bemerkte, wie Echo ihre Hände von seinem Hals nahm und diese stattdessen unter seine Arme schob. Sie versuchte ihn so besser zu tragen.

    „Es ist nicht mehr weit!“, rief er ihr zu. „Sobald du über dem Steg bist, lass mich einfach fallen.“ Sie reagierte nicht darauf, konzentrierte sich voll auf das Fliegen. Die Landestege kamen immer näher und Manu konnte die ersten Menschen sehen, die im Hafen ihren Arbeitstag begannen. Nur noch wenige Meter trennten ihn und Echo von dem rettenden Metall, welches sich zu ihnen streckte.

    „Wir sind fast da“, sagte er, doch sein Herzschlag konnte sich noch nicht beruhigen, denn er hörte Echos angestrengtes Keuchen. Ihre Kräfte gingen sichtlich zur Neige.

    „Ich kann nicht mehr“, entkam es ihr erschöpft und sie sackten einige Meter in die Tiefe, als sie kurz aufhörte mit den Flügeln zu schlagen, da sie versuchen wollte zu segeln. Doch der Wind kam aus der falschen Richtung und hätte sie allein vielleicht tragen können, aber nicht mit dem zusätzlichen Gewicht.

    Manu sah nach unten und erkannte den Landesteg unter sich.

    „Wir sind da, geh runter oder lass mich los!“, rief er ihr zu. Wie auf Kommando sackten sie erneut einige Meter nach unten und Manu bereitete sich auf den Fall vor.

    „Lass los!“, rief er Echo erneut zu, während er ihre Beine los ließ. Sichtlich widerwillig lockerte die Harpyie ihren Griff um seine Arme. Manu fiel mit einem Schrei auf den Metallboden, das Gewicht seines Rucksacks ließ ihn nach vorn fallen. Obwohl er versuchte sich mit den Armen abzufangen, drückte er sich seinen Rucksack gegen die Brust, was ihm kurz die Luft aus den Lungen presste. Hektisch zog er Riemen von den Armen und setzte sich nach Luft schnappend auf den Boden.

    Echo segelte über ihn hinweg und schaffte es nach mehreren Metern das Metall des Landestegs unter den Krallen zu haben. Trotz ihrer Landung auf beiden Beinen, war ihre Geschwindigkeit zu schnell, sodass sie nach vorn stolperte und schließlich zitternd mit hängenden Flügeln zu Boden sank.

    Die ungewöhnliche Ankunft war von mehreren Schaulustigen beobachtet worden und die ersten Hafenarbeiter näherten sich Echo sichtlich überrascht und neugierig.

    „Ist alles in Ordnung mit dir, Junge?“, fragte ein hochgewachsener Arbeiter Manu, als dieser sich gerade auf die unsicheren Beine kämpfte.

    „Ja, alles klar“, erwiderte er ohne den Mann anzusehen, schnappte sich seinen Rucksack und stolperte zu Echo.

    „Alles in Ordnung?“, wollte er von ihr wissen, als er ihr die Hand hinhielt, um ihr aufzuhelfen. Sie ging auf die Frage nicht ein, ergriff aber seine ausgestreckte Hand und ließ sich hinterher ziehen. Mit einer Mischung aus wackeligem Laufen und Stolpern suchten sie ihren Weg durch den Hafen. Manu ignorierte die Blicke, die sie auf sich zogen und versuchte jedem Hafenarbeiter so schnell wie möglich aus dem Weg zu gehen oder gar nicht erst zu nahe zu kommen. Zu seiner Überraschung blieb es aber bei verwunderten Blicken, keiner der Männer versuchte sie aufzuhalten.

    Der Matrose zerrte die Harpyie zwischen mannshohe Holzkisten und metallene Container hinter sich her, bis er sich schließlich sicher genug fühlte. Keuchend lehnte er sich an einige gestapelte Metallboxen und rutschte mit dem Rucksack auf dem Rücken daran herunter, bis er nach Luft schnappend auf dem Boden saß. Den Griff um Echos Hand hatte er bereits gelockert, sodass diese einfach aus seiner glitt. Die Harpyie ging ebenfalls in die Hocke und rang nach Luft. Sie zitterten beide vor Anstrengung; die Vorstellung sich noch weiter bewegen zu müssen kam beiden wie Folter vor.

    Viele Augenblicke brauchten die Flüchtenden, bis sich ihre Atmung soweit beruhigt hatte, dass sie nicht mehr wie gehetzte Tiere keuchten. Manus Herz schlug heftig vor Anstrengung und Angst. Obwohl er wusste, dass die Donau zum Andocken mindestens eine halbe Stunde braucht, fühlte er sich im Hafengebiet nicht sicher. Und dabei ging es ihm nicht mal um sich selbst, Echo war hier einfach nicht sicher.

    „Wir haben's geschafft“, brachte er schließlich mit kratziger Stimme hervor. Sein Hals war vom Keuchen ganz trocken. „Tut mir leid, dass du dich so anstrengen musstest.“ Die Harpyie antwortete nicht darauf, sah ihn nur aus dunklen Augen an und schüttelte leicht den Kopf.

    „Danke“, sagte Echo schließlich. „Ohne dich, weiß ich nicht, wo ich wär.“

    „Hab ich gern gemacht“, erwiderte Manu und lächelte. „Am besten fliegst du gleich nach Hause. Ich hab keine Ahnung, was auf der Donau gerade los ist, aber sie werden bestimmt nach dir suchen.“

    „Ich weiß nicht, ob ich stark genug dafür bin. Und ... ich will dich hier nicht zurücklassen“, entgegnete Echo besorgt. Er wusste, dass er viel von ihr verlangt hatte, aber Manu hatte keine Ahnung, ob er sich gemeinsam mit ihr verstecken konnte. Immerhin waren sie nicht in einem kleinen Ort, sondern in einer Handelsstadt. Zwar behagte ihm die Vorstellung nicht, sich sofort von ihr verabschieden zu müssen, mit geringer Hoffnung, sie je wiederzusehen, aber es war besser für sie, wenn sie den Vorsprung ausbaute. Anstatt von ihm zurückgehalten zu werden.

    Schwerfällig erhob sich Manu vom staubigen Boden.

    „Leider weiß ich nicht, wie gut man sich hier als Harpyie verstecken kann“, begann er, während er sich unsicher umsah. „Aber zur Not schlagen wir uns einfach irgendwie durch.“ Echo nickte lächelnd und wirkte zu seiner Erleichterung nicht mehr ganz so erschöpft. Er spähte in Richtung Landestege, ob er bereits bekannte Gesichter erkennen konnte, aber da waren nur die fremden Hafenarbeiter zu sehen. Also ging er schnellen Schrittes mit Echo in die andere Richtung, um den Hafen zu verlassen.

    Obwohl es einen zentralen, breiten Weg gab, versuchte Manu diesen so gut es ging zu meiden und lief mit Echo immer wieder zwischen mannshohen Containern und Kisten parallel, sodass sie nicht so leicht zu entdecken waren. Schließlich kamen sie zu einem großen Marktplatz an dem verschiedene Stände aufgebaut waren und es vor Leuten nur so wimmelte. Die Marktschreier priesen ihre Ware an, dazwischen liefen Hausfrauen und Kinder.

    Manus erster Impuls war diese Menschenmasse zu meiden, doch dann sah er etwas, was ihn reflexartig dazu brachte sich die Augen zu reiben. Denn er konnte kaum glauben, was er sah. Dort standen Greife und rissen sich große Fleischbrocken zurecht. Die Stände waren auch keine Holzbuden, wie Manu sie von anderen Städten kannte, sondern erinnerten ihn nach genauerem Hinsehen an Kutschen mit Tragflächen und Rotoren.

    „Fliegende Händler!“, stieß er erstaunt hervor. Es gab sie also wirklich! Als Torben ihm das erste Mal vor zwei Jahren von ihnen erzählt hatte, hatte er es erst für Seemannsgarn gehalten. Wenn die Leute in Molln auf Greife nicht negativ reagierten, dann waren Fabelwesen hier vielleicht gar keine Seltenheit?

    „Verzeihung?“, sprach eine ältere, weibliche Stimme ihn von der Seite an.

    „Ja?“, erwiderte er und blickte in das faltige Gesicht einer grauhaarigen Dame. Sie trug ein einfaches Kleid und hatte einen Flechtkorb gefüllt mit ihren Einkäufen bei sich.

    „Ich möchte mich natürlich nicht einmischen, aber Sie sehen ein wenig erschöpft aus. Darf ich Ihnen ein gutes Gasthaus empfehlen? Oder sind Sie nur auf der Durchreise?“, wandte sie sich an ihn und blickte dabei aber auch erwartungsvoll zu Echo.

    „Ich ..., also wir ähm“, begann Manu etwas überfordert und fuhr sich durch die braunen Haare. Die Dame reagierte überhaupt nicht überrascht auf Echo, was ihn einfach nur verwirrte.

    „Ein Gasthaus wäre schön“, sagte die Harpyie an seiner Stelle, um die geduldige ältere Frau nicht zu lang auf eine Antwort warten zu lassen.

    „Dann kommen Sie gern mit, wissen Sie, meine Tochter hat vor kurzem eines eröffnet. Hat lang darauf gespart das alte Posthaus zu kaufen und für die Renovierung haben alle zusammen geholfen“, erzählte die Dame freundlich und Manu konnte deutlich hören, wie stolz sie auf ihre Tochter war. Er wechselte einen Blick mit Echo, die ihm ermunternd zunickte. Sie hatte scheinbar auch ein gutes Gefühl bei dieser Frau. Letztendlich blieb dem Matrosen ohnehin nichts übrig, also beschloss er, dass sie sich das Gasthaus auf jeden Fall anschauen konnten. Sollten sie sich doch nicht wohlfühlen, könnten sie ja immer noch etwas anderes suchen. Aber die Aussicht auf eine Bleibe ließ ihn seine Angst vor Zeppelins Wut erstmal ausblenden.


    Die Donau landete nach Vorschrift und im Zeitplan im Hafen von Molln; im offiziellen Protokoll für die Handelsgesellschaft wurde die Reise als eine von vielen ohne Zwischenfälle dokumentiert. Trotzdem blieb das große Handelsschiff länger als üblich im Hafen und die Matrosen, die auf Landgang waren, schienen etwas oder jemanden zu suchen. Schon bald hatte sich herumgesprochen, dass ein flüchtiger Matrose gesucht wurde. Die Gerüchte begannen sich in Molln zu überschlagen: er soll Wertsachen gestohlen, die Donau manipuliert haben und manch einem kam zu Ohren, er habe einen Mord begangen.

    Ein paar Journalisten griffen in den Kolumnen der Lokalblätter die Gerüchte auf, doch offizielle Ermittlungen wurden nie angestellt. Mit einer zweitätigen Verspätung ging die Donau wieder in die Luft, mit neuer Fracht auf den Weg zum nächsten Hafen, der in Wörgl lag.

    Vielen Dank an Mandelev und Rusalka für eure Kommis! (:


    Mandelev

    Danke für dein Lob! Ich war mir tatsächlich ein wenig unsicher, ob der Alltag von Manu nicht zu langweilig ist, deshalb freut's mich, wenn du das nicht so empfunden hast. (: Und es freut mich auch, dass meine spontane Idee, einfach Google-Maps für Ortsnamen zu öffnen, wohl gar nicht so naiv war, wie ich dachte. Hab wirklich gedacht: "Mei, was bin ich unkreativ, dass ich mir nicht mal Ortsnamen ausdenken kann!" Aber letztendlich: wozu was ausdenken, wenn es schon so hübsche Ortsnamen gibt?

    In Krabat gab es einen Merten? Wow, das hatte ich komplett vergessen.

    Adler mag ich auch sehr, auch wenn er keine so große Rolle hat, aber ich konnte ihn mir so gut vorstellen. Er ist so ein richtiger Vollblutmechaniker.

    Danke noch mal für deine Gedanken zu diesem ersten Part -- bin schon neugierig, was du zum nächsten Teil sagen wirst. (:


    Rusalka

    Drabble-Kommi -- gewieft! :3

    Danke auch für dein Lob! Es freut mich, wenn dieser Mix aus "Alltag" und "Magie" hier so gelungen ist. Über Harpyien liest man wirklich nicht oft, aber ich denke, das liegt hauptsächlich daran, weil sie so unterschiedlich dargestellt werden. Die meisten werden sie eher als Antagonisten wählen, weil sie ja doch keinen so guten Ruf haben. Die Harpyien in dieser Welt sind allerdings ein recht friedliches Volk. Aber es ist eben auch eine kapitalistische Welt und ja, was man zu Geld machen kann, wird zu Geld gemacht.

    Schön zu hören, dass ich eine gewisse Bodenständigkeit herüber gebracht hab, weil das war durchaus mein Ziel! :D

    Danke für deine Gedanken in hundert Wörtern, freu mich schon, was du zum nächsten Part sagen wirst.



    An Bord der Donau

    (II / III)


    Die vier Stunden vergingen schneller, als Manu es sich vorgestellt hatte. Torben kam zurück und sie arbeiteten weiter mit dem stetigen Geräusch der Maschinen, welches Manu an diesem Tag besonders genoss. Denn es hielt seinen Kameraden davon ab ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Zwar versuchte Torben es trotzdem, aber darauf reagierte er einfach nicht. Als das schrille Pfeifen das Ende der Frühschicht ankündigte kam ihnen Adler entgegen.

    „Manu“, wandte der Chefingenieur sich an ihn, „ich hab dich bei der Frühstückspause nicht gesehen. Du warst doch dort, oder?“

    „Nein, Herr Adler, das war ich nicht“, gab Manu offen zu. Es hatte keinen Zweck seinen Vorgesetzten anzulügen und das wollte er auch gar nicht. Der Chefingenieur sah ihn einen Augenblick ernst an. Schließlich sagte er: „Das kommt nicht noch mal vor, verstanden? Wenn du mir hier aufgrund von Unterzucker umkippst ist das lebensgefährlich.“

    „Aye, Herr Adler, kommt nicht wieder vor“, erwiderte er gehorsam und ging gemeinsam mit Torben zum Mittagessen. Inzwischen knurrte sein Magen so laut, dass er ihn nicht mehr ignorieren konnte. Glücklicherweise war die Speisekarte heute ganz nach seinem Geschmack, denn es waren sechs Matrosen in der Küche eingeteilt, die allesamt aus Restaurantfamilien stammten. Deshalb genoss Manu wenig später seine Semmelknödel mit einer sämigen Fleischsoße. Torben saß ihm gegenüber und drehte seine Spaghetti Bolognese um die Gabel. Sie hatten noch nicht viele Worte heute gewechselt, da Manu schlichtweg nicht reden wollte. Er bemerkte, dass das seinen Kameraden störte, aber es war ihm gleich.

    „Was machst du jetzt?“, fragte Torben plötzlich ohne ihn anzusehen, ganz auf das Aufwickeln der Spaghetti fokussiert.

    „Das einzig Richtige“, erwiderte Manu und versuchte dabei möglichst neutral zu klingen. Er schob sich ein Stück seines Knödels in den Mund, sah auf und bemerkte Torbens fragenden Blick.

    „Was heißt das?“, wollte er wissen, doch Manu ging darauf nicht ein, sondern stellte eine Gegenfrage.

    „Bis nach Molln brauchen wir noch zwei Tage, oder?“

    „Ungefähr, ja. Vielleicht auch drei. Warum?“, entgegnete Torben verwirrt.

    „Nur so, damit ich weiß, wie lang ich Zeit hab.“

    „Für was?“, wollte sein Kamerad wissen und Manu bemerkte eine leichte Verzweiflung in seiner Stimme. Es überraschte ihn etwas, denn bisher hatte Torben sich nie anmerken lassen, dass er sich Sorgen um etwas machte.

    „Ich muss gestehen“, fuhr Torben leiser fort, als er sein Besteck auf den leeren Teller legte, „dass ich immer noch nicht weiß, ob ich dir helfen soll. Doch wenn ich es tue, geh ich ein Risiko ein, das ich nicht eingehen will, deshalb wär's vermutlich klüger die ganze Sache einfach zu ignorieren. Trotzdem möchte ich, dass du eines weißt.“

    „Und das wäre?“, fragte Manu interessiert und schob sich den letzten Löffel Soße in den Mund.

    „Dass ich dich vermissen werd.“

    Er war so sprachlos, dass er nichts darauf erwidern konnte und Torben einige Augenblicke mit dem Löffel im Mund anstarrte.

    „Du siehst ein bisschen dämlich so aus“, meinte sein Kamerad leise lachend, woraufhin Manu schnell den Löffel aus dem Mund nahm.

    „Kannst du's mir verübeln? Hätte nie gedacht, dass du mich vermissen könntest“, erwiderte er mit einem Schulterzucken.

    „Tja, jetzt weißt du's. Wird langweilig werden ohne dich.“

    „Aber helfen möchtest du mir trotzdem nicht?“, wollte Manu wissen, als er sein Besteck auf den Teller legte. Torben schüttelte den Kopf: „Ich würd gern, aber ich kann's mir nicht leisten von diesem Schiff zu fliegen.“

    „Denkst du nicht, dass wir woanders Arbeit finden würden?“

    „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Kannst mich ruhig feige und bequem nennen, aber ich mag es hier an Bord und denke, dass es woanders wesentlich schlimmer sein könnte“, antwortete Torben und fuhr sich durch seine blonden Haare. Manu konnte seinen Gedankengang nachvollziehen, denn er war genauso gern wie sein Kamerad an Bord der Donau. Aber er konnte das Lebewesen im Frachtraum nicht ignorieren. Torben nahm sich Manus Teller und sagte: „Ich nehm das für dich mit. Tu was du nicht lassen kannst, aber pass auf, in Ordnung?“

    „Mach ich. Danke“, erwiderte Manu lächelnd und stand auf. Während Torben die Teller zurück zur Essensausgabe brachte, machte er sich auf den Weg aus dem Speisesaal. Aus dem Korb am Eingang, der mit den übrigen Brezen vom Morgen gefüllt war, nahm er sich zwei mit, das würde niemanden misstrauisch machen. Danach ging er zurück zu seiner Kabine. Er traf mehrere Matrosen, die aus der Richtung der Frachträume kamen, aber keiner von ihnen war Lagerarbeiter. Fast war er ein wenig enttäuscht, denn er hätte gern gewusst, ob außer ihm noch jemand die Harpyie entdeckt hatte. Aber gerade dieser Gruppe von Matrosen wollte er auf keinen Fall davon erzählen. Es handelte sich um eine Gruppe von sechs hochgewachsenen und durchtrainierten Männern, die alle einen militärischen Hintergrund hatten. Sie waren nicht direkt unfreundlich, aber Manu empfand sie als grob und ihr Humor war zeitweise eher makaber. Hauptsächlich waren sie auf der Brücke der Donau eingesetzt, wo sie ihre Befehle direkt vom Kapitän erhielten. Manu wollte sich nicht vorstellen, wie sie auf die Harpyie reagieren würden.

    In seiner Kabine angekommen ging er direkt zu seinem Spind und holte eine Thermosflasche, sowie eine metallene Brotdose heraus. Er brach die zwei Brezen in passende Stücke, sodass sie in die Dose passten und verließ danach die Kabine mit der Thermosflasche in Richtung des Waschraums. Als er die Tür öffnete hörte er im hinteren Teil Wasserplätschern, doch vorne bei den Toiletten und den Waschbecken war niemand. Sorgfältig wusch Manu die metallene Flasche aus, bevor er sie mit frischem Wasser füllte.

    „Willst du einen Ausflug machen?“, sprach ihn plötzlich jemand an und er drehte sich erschrocken um. Neben ihm stand Marcel, mit einem grauen Bademantel bekleidet, der sich gerade mit einem Handtuch die schulterlangen, schwarzen Haare trocknete.

    „Nein, wie kommst du darauf?“, erwiderte Manu verwirrt, weil er nicht verstand, worauf Marcel hinaus wollte. Dieser zuckte mit den Schultern, als er meinte: „Naja, warum sonst solltest du deine Thermosflasche so gründlich ausspülen?“

    „Ach so, das meinst du. Naja, ich dachte mir, ich sollte sie wieder mal sauber machen. Und öfter benutzen, gerade jetzt wo's Sommer wird“, versuchte er sich an einer halbwegs glaubwürdigen Erklärung.

    „Wenn du es sagst“, kam nur von Marcel, als dieser den Waschraum verließ. Manu atmete kurz durch und war dankbar dafür, dass sein Kamerad nicht neugierig war. Bevor noch andere Leute ihm Fragen stellen konnten, verließ er ebenfalls den Waschraum und schnappte sich die Brotdose aus seiner Kabine.

    „Jetzt muss ich es nur ungesehen zu Frachtraum zwei schaffen“, dachte er, während die Tür hinter ihm zufiel.


    Wenige Minuten später schloss Manu die Tür vom Frachtraum so leise wie möglich hinter sich. Zu seiner Überraschung war er niemandem auf dem Weg begegnet, denn die zweite Arbeitsschicht des Tages hatte angefangen, sodass ein Teil der Matrosen gerade bei der Arbeit war. Die anderen Matrosen aus seiner Schicht hatten sich wahrscheinlich auf dem Oberdeck getroffen oder schliefen in ihren Kabinen, vielleicht saßen sie aber auch noch redend im Speisesaal. Manu selbst verbrachte seine Nachmittag sonst meist ebenfalls auf dem Oberdeck und genoss die Aussicht. Auch nach drei Jahren an Bord, war er immer noch begeistert und fasziniert von der Tatsache durch die Luft zu reisen.

    Manu öffnete wieder das runde Fenster in der Nähe der Tür und stellte Box und Flasche auf den Boden. Danach griff er zur Lampe, entzündete sie und nachdem er sich die Box unter den Arm geklemmt hatte und die Flasche in der anderen Hand hielt, machte er sich auf den Weg durch den Frachtraum. Er war weiterhin vorsichtig und lauschte nach Geräuschen, doch abseits des allgegenwärtigen Motorenbrummens konnte er nichts hören. Vorsichtig spähte er um die letzte Kiste, die seinen Blick zu dem abgeschlossenen Käfig versperrte. Die Harpyie lag zusammengekrümmt auf der Seite, eine Position, die für Manu nicht nur unbequem wirkte, sondern auch für sie schwierig zu ändern schien, waren doch ihre Arme immer noch am Körper fixiert. Als Manus Schritte sich näherten, regte sich die Harpyie und bewegte den Kopf ein wenig. Er versuchte sich so zu nähern, dass sie ihn sehen konnte, weil er sie nicht unnötig erschrecken wollte. Die Krallen kratzten über den Metallboden, als sie versuchte sich aufzurichten, doch sie gab es nach wenigen Versuchen auf und blieb liegen. Ihr gegenüber stellte Manu außerhalb des Käfigs die Lampe auf dem Boden; daneben legte er die Metallbox. Er setzte sich im Schneidersitz hin, die Thermosflasche in der Hand.

    Während er den Deckel von der Metallflasche schraubte, fragte er: „Hast du Durst?“

    Es dauerte einige Augenblicke, bis die Harpyie darauf reagierte und Manu hoffte, dass sie nur von dem Angebot zu überrascht war. Sie hob den Kopf und nickte, woraufhin er den Deckel der Thermosflasche, der als Becher diente, mit Wasser füllte.

    „In Ordnung“, erwiderte er, als er um den Käfig herumging, bis er bei ihr angekommen war. Das Licht der Lampe reichte nicht weit genug, sodass er nur im Halbdunkeln die Fesseln betrachten konnte. Er hatte vermeiden wollen mit einem Messer zu arbeiten, aber die Knoten machten einen gut gebundenen Eindruck. Die würde er nicht so leicht lösen können und Zeit wollte er damit auch nicht vergeuden. Manu griff in seine Hosentasche und holte sein Taschenmesser hervor.

    „Bitte nicht bewegen, ich schneide das Tuch durch“, sagte er, als er durch die Stäbe griff. Glücklicherweise lag sie nah genug, sodass er sie gerade noch erreichen konnte. Vorsichtig führte er das Messer zwischen den Stoff und den Haaren der Harpyie. Es dauerte mehrere Momente, bis sich die scharfe Klinge durch den groben Stoff geschnitten hatte, doch schließlich war auch die letzte Faser durchtrennt und das Tuch glitt zu Boden. Erleichterte atmete Manu aus, als er das Messer wieder wegsteckte.

    „Ich helf dir, warte kurz“, meinte er leise bevor er seine Hand zwischen ihren Arm und den Metallboden schob. Mit weniger Anstrengung als er vermutet hatte, schaffte er es, ihren Oberkörper anzuheben, sodass sie sich aus eigener Kraft aufsetzen konnte. Mit kratzenden Krallen und dem Klirren der Kette rutschte sie zurück und lehnte sich an die Eisenstäbe, was Manu vor Überraschung zurückweichen ließ. Er hörte, wie sie mehrere Male tief ein- und ausatmete.

    In der Zwischenzeit nahm er den Becher auf und steckte ihn zwischen die Stäbe. Sie bemerkte die Bewegung, drehte schnell den Kopf und betrachtete den Metallbecher eine Weile. Auf Manu wirkte sie skeptisch und er überlegte bereits, wie er sie zum Trinken ermutigen sollte, als die kurze Distanz überwand und ihre Lippen an den Rand des Bechers legte. Vorsichtig kippte er den Becher, den sie gierig leerte.

    „Noch mehr?“, fragte er lächelnd, woraufhin sie nickte. Manu lief zurück zu seiner Lampe und holte die Thermosflasche. Er füllte den Becher erneut, den die Harpyie wieder vollständig austrank, dieses Mal ein wenig langsamer.

    „Fühlst du dich besser?“, wollte er wissen, als er den Becher wieder auf die Flasche schraubte. Sie nickte, vermied aber ihn anzusehen. Manu griff wieder nach seinem Taschenmesser und ließ die Klinge aufschnappen. Obwohl er nicht geplant hatte, sie von ihren Fesseln zu befreien, konnte er den Anblick schließlich nicht mehr ertragen. Es war schon schlimm genug, dass sie in einem Käfig mit einer Kette um den Hals saß, aber zu sehen, wie die dicken Seile ihr die weiß-grauen Flügel an den Körper pressten wollte er nicht mehr dulden.

    „Halt kurz still, ich schneid die Seile durch“, sagte er und griff wieder durch die Metallstäbe. Die Harpyie schien wie erstarrt, während er mit seinem Messer am ersten Seil herum sägte, das Oberarme und Flügel an ihren Körper fixierte. Mit einem kurzen Schnalzen durchtrennte die Klinge schließlich das grobe Seil. Manu ging direkt zum nächsten über, welches mit demselben Geräusch zerschnitten wurde. Ganz auf das Schneiden konzentriert, bemerkte er nicht, wie sich die Harpyie anspannte. Das letzte Seil befand sich auf Höhe ihres Bauches und Manu musste sich herunterbeugen, um es in dem Halbdunkel zumindest ein wenig erkennen zu können. Als auch dieser Strick endlich durchtrennt war, setzte Manu sich seufzend auf.

    „Geschafft“, sagte er erleichtert und ließ die Klinge seines Taschenmessers wieder einschnappen. Er steckte es gerade wieder in seine Hosentasche, als die Harpyie sich vor ihm plötzlich erhob und eilig von ihm weg stolperte. Sie schaffte nur wenige Schritte, bevor sie nach vorn fiel und die Hände zu Hilfe nehmen musste, um auf allen Vieren weiter zu krabbeln. Die Kette um ihren Hals klirrte und ihre Krallen kratzten hektisch über den Metallboden. Bei dem Ring angekommen, an dem ihre Kette befestigt war, hielt sie inne und ging in die Hocke. Schwer atmend und mit leicht geöffneten Flügeln drehte sie sich zu ihm um.

    Manu brauchte einige Momente, in denen er sie einfach nur mit offenem Mund anstarrte. Sie war von kleiner, zierlicher Statur, aber durch ihre Flügel wirkte sie trotz ihres erschöpften Zustandes kampfbereit und er wollte ihre Krallen lieber nicht zu spüren bekommen. Er schaffte es schließlich seinen Mund zu schließen und aufzustehen. Mit der Thermosflasche in der Hand, ging er um den Käfig herum und zurück zur Lampe. Die Harpyie folgte ihm erst nur mit dem Kopf, drehte sich aber doch zu ihm um. Manu setzte sich neben die Lampe im Schneidersitz auf den Boden, öffnete die Metallbox und nahm ein Stück Breze heraus. Durch die Metallstäbe hielt er es ihr entgegen: „Hier für dich.“

    Es dauerte eine Weile, bis sie sich zögerlich und gebeugt näherte. Eine Armlänge von seiner Hand entfernt verharrte sie, schnappte sich schnell das Brezenstück und machte zwei Schritte zurück um außer Reichweite zu sein. Manu beobachtete, wie die Harpyie einen kleinen Bissen zum Kosten nahm, bevor sie eilige den Rest aß.

    „Schmeckt's dir?“, fragte er grinsend. „Ich hab noch mehr, du kannst so viel haben, wie du möchtest.“ Er nahm die Metallbox, die gerade so breit war, dass sie zwischen die Metallstäbe hindurch passte. Kauend schaute sie von ihm zu der gefüllten Box und wieder zu ihm. Erneut näherte sie sich vorsichtig, blieb allerdings dieses Mal bei der Metallbox hocken und nahm ein Brezenstück nach dem anderen heraus. Vorsorglich füllte Manu wieder den Deckel der Thermosflasche mit Wasser und stellte diesen ebenfalls dazu. Ihn selbst machte es immer sehr durstig, wenn er Brezen aß, deshalb nahm er an, dass es ihr vielleicht ähnlich ergehen würde. Tatsächlich griff sie nach einer Weile nach dem Becher und trank einige Schlucke.

    Manu konnte gar nicht sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Die Angst hier entdeckt zu werden war weit in den Hintergrund gerückt, dafür war er von der Harpyie zu fasziniert. Während er ihr beim Essen zusah beschäftigte ihn immer wieder die Frage, wer sie hierher gebracht hatte und zu welchem Zweck.

    Existierte etwa ein Schwarzmarkt für Fabelwesen? Gab es Jäger, die sich darauf spezialisiert hatten? Besonders verstörte ihn aber die Tatsache, dass es unweigerlich jemand von dieser Mannschaft war, der die Harpyie hier versteckt hatte. Von niemandem konnte er es sich vorstellen, selbst diejenigen, die er nicht mochte, hatten auf ihn niemals einen so durchtriebenen Eindruck gemacht. Er war immer stolz darauf gewesen, dass er auf der Donau als Matrose leben und arbeiten durfte, einem der Handelsschiffe mit dem besten Ruf in diesem Land. Doch jetzt war er sich nicht mehr so sicher, ob er sich hier noch wohlfühlte.

    Das Geräusch von Metall auf Metall holte ihn aus seinen Gedanken, als die Harpyie den Becher und die Box in seine Richtung schob. Beide waren leer.

    „Fühlst du dich besser?“, fragte er, als er die beiden Dinge auf seine Seite der Metallstäbe holte. Sie nickte lächelnd, dabei bewegte sie ihre Flügel ein wenig. Manu fiel auf, dass sie entspannter wirkte und ihn interessiert ansah. Er drehte den Deckel auf die Thermosflasche und sagte: „Wie heißt du?“

    Es folgte ein Stille, die ihn fast davon überzeugt hätte, dass die Harpyie gar nicht sprechen konnte. Doch er konnte sehen, dass sie scheinbar nach den richtigen Wörtern suchte. Sie öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder und zögerte. Manu überlegte schon, ob er sich zuerst vorstellen sollte, als die Harpyie etwas sagte.

    „Echo“, kam es schließlich aus ihrem Mund. Sie schien über die Silben zu stolpern, was ihn spekulieren ließ, dass seine Sprache für sie vielleicht schwierig auszusprechen war.

    „Ein schöner Name“, erwiderte er lächelnd. „Ich heiße Manuel, aber du kannst mich Manu nennen.“ Echo nickte verstehend und fragte: „Du neuer Käufer?“

    „Käufer?“, erwiderte er verwirrt. „Wie kommst du darauf?“

    „Kein Käufer?“, hakte sie enttäuscht nach, worauf Manu den Kopf schüttelte.

    „Wer ist dein jetziger Käufer? Wer hat dich hierher gebracht?“

    „Großer Mann“, brachte sie hervor. Bei der Art, wie sie die Silben betonte, hörte sich Manus Muttersprache wie ein fremder Dialekt an.

    „Ist Kapitän“, fügte sie hinzu. Die Worte hallten in seinem Kopf nach und er weigerte sich, das zu glauben.

    „Bist du sicher?“, hakte er mit skeptischer Stimme nach. Echo zuckte zusammen, tat einen Schritt zurück und entfaltete ihre Flügel ein wenig.

    „Ja“, erwiderte sie leise. Manu konnte es immer noch nicht fassen, aber er wusste auch, dass sie keinen Grund hätte ihn zu belügen. So viele Fragen tauchten in seinem Kopf auf, dass er sich nicht entscheiden konnte, welche er zuerst stellen sollte. Auch wenn er nicht wusste, ob Echo ihm überhaupt weitere Antworten geben konnte, immerhin war sie hier eingesperrt. Er öffnete den Mund, da er sich schließlich für eine Frage entschieden hatte, als die elektrischen Lampen an der Decke des Frachtraums plötzlich leuchteten.

    „Verflixt“, fluchte er und konnte schwere Schritte hören. Er pustete das Feuer der Lampe aus und schlüpfte so schnell wie möglich aus seinen Stiefeln, bevor er sich die Thermosflasche und die Brotbox unter den rechten Arm klemmte. Mit der linken Hand hob er die Schnürsenkel seiner Stiefel und die Lampe auf. Nur mit Socken an den Füßen lief er zu einer Ansammlung von Kisten und quetschte sich zwischen zwei mannshohe Holzboxen. Mit klopfendem Herzen stand er vor Anspannung zitternd da und konnte nur hoffen, dass Echo ihn nicht verraten würde.

    Die schweren Schritte kamen immer näher, bis sie schließlich stoppten. Echos Kette klirrte und Manu hörte, wie ihre Krallen über den Metallboden kratzten.

    „Was zum Henker?“, erklang plötzlich eine tiefe Stimme, die Manu sofort erkannte. „Wie konntest du dich von deinen Fesseln befreien? Verflixte Harpyie!“ Wieder hörte er die schweren Schritte, das Knacken eines Schlosses und ein unbekanntes Quietschen. Vorsichtig linste er an der Holzkiste vorbei. Kapitän Zeppelin hatte die Tür zu Echos Käfig geöffnet. Sie hatte sich in den hinteren Teil geflüchtet, so weit wie möglich weg von der Tür und vom Kapitän.

    Manu sah, wie Zeppelin ein paar Schritte auf Echo zuging, bevor er stehen blieb und sich nach unten beugte. Um mehr zu erkennen, war Manu zu weit weg, hörte aber erneut das Klirren einer Eisenkette und sah, wie Echo ruckartig nach vorn gezogen wurde. Verzweifelt stemmte sie sich dagegen, versuchte in dem engen Raum mit ihren Flügeln zu schlagen, doch sie kam dem Kapitän immer näher.

    „Er zieht sie an der Kette zu sich!“, verstand Manu schließlich die Situation. Als sie nur noch wenige Schritte von Zeppelin entfernt war, hörte er einen kurzen Falkenschrei, der ihn zusammenzucken ließ. Echos Schrei erstarb jedoch sogleich, als sie grob nach vorn gerissen wurde, das Gleichgewicht verlor und auf dem Boden landete.

    „Noch ein Mucks und ich schneid dir die Zunge raus“, drohte der Kapitän laut genug, dass Manu es hörten konnte. „Deine Stimme hat auf deinen Kaufpreis keine Auswirkung, also hindert mich nichts daran.“ Zeppelin ging in die Knie und hantierte am Boden herum. Nach einigen Augenblicken stand er wieder auf. Da Manu vermutete, dass der Kapitän jetzt gehen würde, versteckte er sich wieder. Es vergingen mehrere Minuten, in denen er nicht sehen konnte, was geschah, nur die Schritte Zeppelins zeigten an, dass er noch da war. Schließlich quietschte die Tür, erneut knackte das Vorhängeschloss und das Geräusch der Stiefel wurde leiser. Manu wartete weiterhin, bis plötzlich das Licht ausging und er nichts mehr sah. Seufzend entspannte er sich und trat vorsichtig aus dem Spalt zwischen den beiden Holzkisten. In seinen Taschen suchte er nach der Streichholzschachtel, die er sich vor mehreren Wochen mal von Torben geliehen und doch nie gebraucht hatte. Jetzt wäre sie seine Rettung. Er fand die kleine Pappschachtel schließlich in der Seitentasche an seinem linken Hosenbein.

    Einen Augenblick später brannte die Petroleumlampe wieder, wenn auch nicht mehr lang, wie Manu feststellen musste. Eilig schlüpfte er in seine Stiefel und lief zu Echo. Sie lag regungslos am Boden.

    „Echo?“, fragte Manu leise, als er bei dem Käfig angekommen war. „Bist du in Ordnung?“

    Langsam hob sie den Kopf und stemmte sich mit den Armen vom Boden ab. Er sah, dass die Kette bereits gespannt war, was es Echo nicht möglich machte sich weiter aufzurichten, schon gar nicht aufzustehen.

    In diesem Moment musste Manu sich entscheiden.

    „Ich hol dich da raus. In zwei Tagen sind wir im nächsten Hafen und dann …“ Er brach ab, als ihm bewusst wurde, dass er keine Ahnung hatte, wie er vorgehen sollte. In zwei Tagen konnte noch viel passieren. Es kam ihm einerseits zu lang und andererseits zu kurz vor. Echos Blick konnte er nicht deuten. Glaubte sie ihm? Oder dachte sie, dass er log?

    „Ich weiß, du hast keinen Grund mir zu glauben, aber ... ich werd's dir beweisen“, sagte er schließlich mit so viel Überzeugungskraft, wie er konnte, trotz der nagenden Zweifel in seinem Kopf. „Ich muss jetzt los, aber morgen komm ich wieder.“

    Echo legte ihren Kopf auf den Metallboden und schloss die Augen. In Manu wechselten sich Wut und Enttäuschung ab und er wünschte sich, dass sie noch etwas sagen würde. Aber sie schwieg, obwohl er noch mehrere Augenblicke mit der Petroleumlampe in der Hand vor dem Käfig stand. Schließlich wandte er sich ab und ging, als er bemerkte, dass die Leuchtkraft der Lampe langsam abnahm.

    „Ich kann es ihr nicht verübeln“, ging es ihm auf dem Rückweg durch den Kopf. „Warum sollte sie mir vertrauen? Sie kennt mich nicht länger als den Kapitän.“

    Zu seiner Überraschung fand er das Fenster neben der Tür des Frachtraums weiterhin geöffnet. Zeppelin schien es nicht bemerkt zu haben. Manu schloss es, löschte die Lampe und nahm sie mit nach draußen. Petroleum konnte er im Maschinenraum erhalten, das würde auch weniger auffallen. Vorsichtig öffnete er die Tür und lauschte einige Momente, bevor er sich nach draußen wagte. Er ging direkt zu seiner Kabine, damit er die Brotbox und die Thermosflasche loswerden konnte. Dort angekommen wunderte er sich, dass Torben nicht da war.

    „Ist es vielleicht schon Zeit fürs Abendessen?“, fragte er sich. Als er mit der Lampe wieder hinaus auf den Gang trat, blickte er auf die Uhr und stellte fest, dass es bereits 18 Uhr war. Er beschloss, dass er sich zuerst um das Petroleum kümmerte und danach in den Speisesaal gehen würde.


    Im Maschinenraum schenkte ihm keiner Beachtung, obwohl es gar nicht seine Schicht war. Doch die meisten Matrosen waren zu beschäftigt und alle, die es offenbar nicht waren, schienen sich nicht darüber zu wundern. Das Petroleum wurde in kleinen Metallfässern in einem Stahlschrank aufbewahrt. Das Nachfüllen ging schnell, obwohl Manu aufpassen musste nichts zu verschütten. Als die Lampe wieder gefüllt und damit einsatzbereit war, verließ er den Maschinenraum. Er überlegte einige Momente, ob er die Lampe gleich zurück in den Frachtraum bringen sollte oder sie auf dem Weg dorthin abstellen. Aber sollte jemand auf die Lampe stoßen konnte es sein, dass diese verschwinden würde und das konnte Manu sich nicht leisten. Also lief er zurück zu Frachtraum zwei, hing die Lampe wieder an ihren Haken und ging von dort direkt zum Speisesaal. Der Raum war gefüllt mit den Stimmen der Matrosen und dem Geräusch von Besteck auf Tellern.

    Es gab Lasagne, was einem Festtagsessen gleich kam, denn nur selten machten sich die Matrosen beim Küchendienst die Mühe so etwas Aufwendiges zu kochen. Die Stimmung in der Küche musste also besonders gut sein. Im Speisesaal war sie es jedenfalls. Von einer Gruppe von Matrosen erklang heftiges Gelächter. Als Manu mit seinem gefüllten Tablett überlegte, wo er sich hinsetzen sollte, stand plötzlich Torben neben ihm. Sein Zimmerkollege bedeutete ihm zu folgen und Manu ging hinterher, bis sie zu einem Tisch in der Nähe der lachenden Gruppe kamen, wo bereits Torbens Tablett stand.

    „Ich hab dich seit Stunden nicht gesehen, hab mir wirklich Sorgen gemacht“, begann Torben sofort das Gespräch, als Manu sich gerade erst hingesetzt hatte. „Wie lief’s?“

    „Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen sollte“, meinte er leise, als er sich eine Gabel Lasagne in den Mund schob.

    „Warum nicht?“, wollte sein Kamerad verwundert wissen, als er mit seinem Messer das Gericht auf seinem Teller bearbeitete. Am liebsten wäre es Manu gewesen, dass er erstmal hätte essen können, bevor er Torbens Fragen beantworten musste. Seine Stimmung war ohnehin gedrückt und er wollte zumindest das seltene Ereignis einer Lasagne genießen. Aber so wie Torben ihn kauend ansah, wusste Manu, dass er keine Wahl hatte.

    „Ich weiß, warum die Harpyie hier ist“, antwortete er leise, während er auf seinen Teller sah.

    „Ernsthaft? Das ging ja schnell“, erwiderte Torben verwundert. „Hat sie es dir gesagt?“

    „Nicht ganz“, sagte Manu. „Ich sag's dir, aber du darfst jetzt nicht laut werden, in Ordnung?“

    „Alles klar“, flüsterte sein Zimmerkollege, dabei steckte er sich demonstrativ ein großes Stück der Lasagne in den Mund.

    „Der Käpt'n war da und hat nach der Harpyie gesehen.“

    Torben zuckte zusammen, erstarrte in der Bewegung und sah ihn entsetzt an. Manu war froh, dass Torbens Mund voll war und er diesen geschlossen hielt. Als der Matrose schließlich wieder anfing zu kauen, fuhr Manu leise fort: „Ja, hat mich auch überrascht. Und jetzt weiß ich noch weniger als vorher was ich machen soll.“

    „Hat er dich nicht gesehen?“, fragte Torben nachdem er geschluckt hatte, woraufhin Manu den Kopf schüttelte.

    „So blöd bin ich nun auch wieder nicht.“

    „Und, was hat er gemacht?“

    Am liebsten hätte er diese Frage überhört. Er wollte die Situation nicht noch einmal wiederholen, die ihn jeden Respekt vor dem Kapitän gekostet hatte.

    „Erzähl ich dir später“, raunte er und schob sich eine weitere gehäufte Gabel in den Mund. Sein konsequenter Blick auf den Teller vor sich zeigte seinem Zimmerkollegen, dass er nicht in der Stimmung war die Sache zu vertiefen. Torbens Blick spürte er noch eine Weile, aber er ignorierte ihn und hörte schließlich auch wieder das klassische Schaben von Metall auf Keramik, als sein Gegenüber weiter aß. Die Stille zwischen ihnen war nicht angenehm, aber Manu blendete es so gut es ging aus. Ab und an griff er zu dem Metallbecher Wasser neben sich um einen Schluck zu trinken. Ihre Teller waren schließlich geleert und beide Matrosen standen auf um ihr Geschirr zurück zu bringen. Schweigend gingen sie nebeneinander zu ihrer Kabine. Als sich die Tür hinter den beiden schloss, atmete Manu erleichtert durch, während Torben sich mit verschränkten Armen auf sein Bett setzte.

    „Also?“, begann sein Kamerad fragend.

    „In Ordnung“, erwiderte Manu seufzend, „ich erzähl's dir, aber mach mich nicht dafür verantwortlich, wenn ich dein Weltbild damit zerstöre.“

    „So schlimm?“, entgegnete Torben verwirrt, während sein Gegenüber sich gegen die Wand lehnte. Manu ging nicht darauf ein, sondern fuhr fort: „Zeppelin will die Harpyie verkaufen.“

    „Das ist nicht dein Ernst, oder? Jetzt verarscht du mich!“, entkam es seinem Kameraden in einer Mischung aus Entsetzen und Unglaube.

    „Seh’ ich so aus?“, sagte er ernst, verschränkte die Arme vor der Brust und Torben schüttelte darauf langsam den Kopf. „Ich vermute, er wird sie auch gekauft haben. Was bedeuten würde, dass unser Kapitän nicht nur seine eigene Regel bricht, keine lebende Fracht zu transportieren, sondern Lebewesen schmuggelt.“

    „Alter“, hauchte Torben, „was glaubst du, wie lang das schon laufen könnte?“

    „Wer weiß?“, erwiderte Manu schulterzuckend. „Theoretisch könnte er gleich nach dem Desaster mit den beiden Pfauen damit angefangen haben. Vielleicht ist die Harpyie auch sein erster Schmuggel. Es ist mir absolut egal, wie lang er das schon macht. Wenn er es schon länger macht, dann wundere ich mich, wie all diese Lebewesen überhaupt überleben konnten. Er hatte nicht einmal Wasser für sie dabei!“ Bei seinem letzten Satz musste er sich dazu zwingen nicht zu laut zu sprechen. Natürlich hatte es keinen Sinn Torben anzuschreien, aber er war immer noch geschockt von dem, was er gesehen hatte. Der Schmuggel war dabei nicht einmal das Schlimmste für ihn. Sicherlich war es ein Verbrechen und er wollte sich gar nicht ausmalen, woher Echo kam und wohin sie gebracht werden würde. Doch die Tatsache, dass Zeppelin sich nicht mehr um die Harpyie kümmerte als um eine Kiste voller Maschinenteile machte Manu unbeschreiblich wütend. Ohne Versorgung würde sie genauso in dem Frachtraum sterben wie die beiden Pfaue.

    „Was für ein Mistkerl“, fluchte Torben leise. „Wenn er schon dreckige Geschäfte machen muss, kann er sich wenigstens anständig um seine Fracht kümmern.“

    „Ich muss sie da rausholen“, sprach Manu weiter, ohne auf seinen Zimmerkollegen einzugehen. „Ich kann eh nicht mehr hierbleiben.“

    „Meinst du es bringt was, wenn wir uns an Adler wenden? Oder Merten?“, fragte Torben, doch sein Gegenüber zuckte nur mit den Schultern.

    „Keine Ahnung, ob die nicht genauso dran beteiligt sind. Nur weil sie nicht dort auftauchen, heißt es nicht, dass sie nicht doch was damit zu tun haben.“

    „Ich arbeite schon lang mit Adler und kenne seinen Standpunkt. Er war schon immer gegen lebende Fracht, weil die Donau dafür einfach nicht ausgelegt ist. Die Frachträume sind zu dunkel, es gibt zu wenig Frischluft und der ganze Aufbau ist einfach nur für verpackte Fracht gebaut worden. Er sagt auch immer, dass das der Grund ist, warum wir keine Passagiere mitnehmen, weil die Donau ein Handelsschiff ist und kein Vergnügungskreuzer“, erzählte Torben. Manu hätte ihm gerne geglaubt und er zweifelte auch nicht daran, dass sein Kamerad genau das sagte, was er wusste. Aber ob das tatsächlich der Wahrheit entsprach oder nicht, konnte er nicht einschätzen.

    Seufzend begann er seine Arbeitskleidung auszuziehen und in etwas Bequemeres zu schlüpfen. Es war zwar noch nicht sehr spät, aber er war müde und wollte nur noch ins Bett. Torben tat es ihm gleich und wenige Minuten später lagen beide auf ihren Matratzen. Während sein Zimmerkollege noch ein wenig beim Schein einer Petroleumlampe las, drehte Manu sich im Bett darüber auf eine Seite, schloss die Augen und hoffte bald einzuschlafen.

    Sein Kopf arbeitete noch einige Zeit, doch schließlich übermannte ihn der Schlaf, wenn auch nur ein leichter. Er erwachte einige Stunden später durch die Geräusche, die Torben beim Aufstehen machte, sodass sie gemeinsam zu ihrer Schicht im Maschinenraum erschienen. Eine hochgezogene Augenbraue war alles, was der Chefingenieur an Verwunderung zeigte und teilte den beiden schon zu Beginn spezielle Aufgaben zu. Manu verbrachte schließlich seine gesamte Arbeitszeit damit Zahnräder auszumessen und Modelle aufzuzeichnen. Keine besonders spannende Aufgabe, aber sie hielt ihn beschäftigt genug, dass die Schicht sich merkwürdig kurzweilig anfühlte. Die Frühstückspause ließ er dieses Mal nicht ausfallen, sagte aber wenig. Torbens Gesprächsansätze ließ Manu entweder unkommentiert oder antwortete so knapp, dass sein Gegenüber darauf nichts erwidern konnte. Schließlich gab sein Kamerad es auf, was ihm nur recht war.

    Gedanklich beschäftigte sich Manu damit, wie er Echo aus dem Käfig holen sollte. An den Schlüssel für das Vorhängeschloss zu kommen war mehr als unmöglich, immerhin besaßen den nur Zeppelin, Merten und Adler und keiner von den dreien würde ihn einfach herausgeben. Es war nicht einmal sicher, ob sie ihn überhaupt bei sich trugen oder in ihren Kabinen aufbewahrten, was einen Diebstahl für Manu zu schwierig machte, um ihn wirklich in Betracht zu ziehen. Es blieb also nur eine Möglichkeit: rohe Gewalt.

    Was er dazu brauchte, hatte er sich schnell ausgedacht, doch danach war er damit beschäftigt zu überlegen, wie er ungesehen mit dem Werkzeug zum Frachtraum kommen konnte. Ihm blieb immerhin nicht viel Zeit und die Gefahr von Zeppelin entdeckt zu werden war auch nicht kleiner geworden.


    Ein paar Stunden später saß er mit Torben beim Mittagessen. Es gab mal wieder Knödel, was Manu mit der momentanen Situation zwar nicht versöhnte, aber zumindest dafür sorgte, dass er Appetit bekam. Mit gut gefülltem Teller saß er kauend Torben gegenüber, der schließlich meinte: „Alles klar, was geht in deinem Kopf vor?“

    „Mh?“

    „Dass du bei der Frühstückspause wenig sagst, bin ich ja gewöhnt, du bist einfach kein Morgenmensch. Aber dein Blick ist schon die ganze Zeit so abwesend, als wärst du gar nicht hier“, erklärte sein Zimmerkollege und führt die Gabel zum Mund.

    „Würde dir an meiner Stelle vermutlich auch so gehen“, erwiderte Manu zwischen zwei Bissen. „Immerhin muss ich herausfinden, wie ich den Käfig aufbekomme.“

    „Schlüssel stehlen?“, schlug Torben achselzuckend vor, erhielt daraufhin aber ein kurzes Kopfschütteln.

    „Zu riskant. Außerdem weiß ich nicht mal, ob sie die Schlüssel bei sich tragen oder in ihren Kabinen haben. Ich hab keine Zeit irgendwelche Sachen zu durchwühlen.“

    „Was willst du dann machen?“

    „Ich dachte, ich brech entweder das Vorhängeschloss auf oder zerstör die Gitterstäbe ... irgendwie“, sagte Manu mit gerunzelter Stirn. „Wenn ich nur wüsste, wie ich das schnell bewerkstelligen kann.“

    „Abseits von Sägen fiele mir nichts ein“, erwiderte Torben achselzuckend. „Ich würde aber meinen, dass das Aufbrechen des Schlosses im Zweifelsfall schneller geht. So wahnsinnig schwer kann das nicht sein, immerhin hat der Lagerkäfig auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Das Schloss dürfte also auch etwas älter sein.“

    „Aber warum hat ihn noch nie jemand aufgemacht?“, wollte Manu wissen.

    „Zu viel Respekt?“, spekulierte sein Kamerad. „Ich kann nicht für die anderen sprechen, aber mich hat nie interessiert, was dort aufbewahrt wird. Und ich kenne auch keine Geschichte, dass es mal jemand gemacht hat.“

    „Das ist auch irgendwie komisch“, murmelte er und starrte in seinen Teller. „Als hätte es auf diesem Schiff noch nie ein schwarzes Schaf gegeben …"

    „Mhm, wenn du's so sagst, ist es natürlich merkwürdig“, gab Torben zu. „Ist schon sehr unrealistisch, dass es wirklich nie jemand versucht hat. Aber wir können leider nicht einfach die älteren Matrosen fragen, ob sie davon gehört haben. Oder gar wissen, wie es geht.“

    „Leider“, seufzte Manu bevor er den letzten Löffel Soße in den Mund steckte. „Ich werde also einfach ein paar Dinge ausprobieren müssen.“

    „Gehst du jetzt gleich?“, fragte Torben, woraufhin Manu nickte. Für einen kurzen Moment schien sein Zimmerkollege mit sich zu hadern, als wolle er sagen, dass er mitkommen würde. Doch stattdessen meinte er nur: „Viel Erfolg. Geh ruhig schon, ich bring dein Tablett weg.“

    Fast hätte Manu sich dazu hinreißen lassen ihn umstimmen zu wollen, aber er wusste, dass das nicht möglich war. Torben würde ihm nicht helfen, so wie er gesagt hatte. Etwas, das Manu gerade jetzt besonders störte, denn er konnte Unterstützung gut gebrauchen. Vor allem von der einzigen Person, der er genug vertraute.


    Kurze Zeit später stand er mit der gefüllten Thermosflasche und einem belegten Brot in der Brotdose vor der Tür zu Frachtraum zwei. In den Taschen seiner Arbeitshose befanden sich mehrere Werkzeuge, von denen er hoffte, dass sie ihm beim Aufbrechen des Schlosses nützlich sein würden. Er hatte sie vorhin aus einer Werkzeugkiste im Maschinenraum genommen und konnte nur hoffen, dass ihn niemand gesehen hatte. Noch ein letztes Mal lauschte er nach einem nahen Geräusch, bevor er die Tür öffnete und den Frachtraum betrat.

    Echo bewegte sich nicht, als Manu auf den Käfig zuging. Er fragte sich, ob sie vielleicht gerade schlief oder ihn willentlich ignorierte. Obwohl er nicht sagen konnte, warum, war er sich doch sicher, dass sie ihn vom Kapitän unterscheiden konnte. Aber vielleicht war sie auch einfach nur zu schwach? Ein Gedanke, der ihn nur noch mehr darin bekräftigte sein Wort zu halten und sie zu befreien.

    „Hallo Echo“, grüßte er leise, als er sich vor der Käfigtür auf den Boden setzte. Es dauerte mehrere Momente, bevor die Harpyie sich rührte. Manu hatte die unangenehme Stille genutzt und die Werkzeuge aus seinen Taschen genommen, die er jetzt im Schein der Petroleumlampe auf den Boden legte.

    „Was ist das?“, hörte er Echos Stimme und sah sofort auf. Sie stützte sich mit den Händen vom Boden ab, die Metallkette war stramm gespannt. Neugierig zog sie sich ein wenig nach vorn, um einen besseren Blick zu haben, doch Manu vermutete, dass sie trotzdem nicht viel erkennen konnte.

    „Werkzeuge“, antwortete er lächelnd. „Ich möchte versuchen das Schloss hier aufzubrechen.“ Er griff zur Thermosflasche, schraubte den Deckel ab und füllte diesen mit Wasser.

    „Hast du Durst?“

    Echo nickte, woraufhin Manu aufstand und ihr den Becher durch die Stäbe rechts von ihr schob. Er war wirklich froh, dass der Käfig nicht quadratisch sondern rechteckig war. So weit wie sein Arm reichte, schob er den Metallbecher zu ihr, den sie vorsichtig mit einer Kralle näher heranzog. Genauso verfuhren sie mit der gefüllten Brotdose, sodass Echo kauend Manu dabei beobachtete, wie er das Vorhängeschloss inspizierte.

    Es war relativ schwer und die Messingoberfläche bereits angelaufen. Der Bügel des Schlosses, der zwei hervorstehende Winkelösen miteinander verband, glänzte silbern. Das Schlüsselloch befand sich unten am Schloss und ließ Manus Hoffnung sinken. Er besaß kein Werkzeug, welches in den schmalen, für genau einen Schlüssel geeigneten Schlitz passen würde. Trotzdem wollte er es versuchen und stocherte mit dem kleinsten Schlitzschraubendreher in dem Schloss herum. Doch nichts bewegte sich. Auch mehr Kraft half nichts und die Tatsache, dass er nicht genug Licht hatte, machte es auch nicht einfacher. Seine Frustration steigerte sich nach einer Weile mit jedem Moment mehr, bis er schließlich entnervt seufzte und sich auf den Boden setzte.

    „Es ist schwierig“, sagte Echo in die entstandene Stille. Aufgrund ihrer fremden Betonung der einzelnen Silben konnte Manu nicht erkennen, ob das eine Frage oder eine Feststellung war.

    Wie nutzt ihr die Funktion und welche Inhalte veröffentlicht oder seht ihr dort am liebsten?

    Ich wusste lange Zeit gar nicht, wie ich die überhaupt nutzen möchte, hab allerdings dann dieses Jahr im Juni ein kleines, monatliches Projekt gestartet. Das lief dann parallel zur Veröffentlichung auf meinem Wordpressblog. Zumindest für einen Monat war ich damit ebenfalls jemand, der "täglich" einen neuen Blogpost schreibt. Ansonsten würde ich die Blogfunktion tatsächlich eher für (un)regelmäßige Veröffentlichungen von Prosatexten nutzen. Eventuell auch Poesie, käme darauf an, welche Ideen ich umsetzen möchte und was ich -- aus welchem Grund auch immer -- nicht im FF-Bereich posten möchte.

    Mich persönlich interessiert an den Blogs vor allem kreative Ideen und interessante Texte. Hatte allerdings bisher noch nicht so viel Zeit mich viel durch die Blogs zu klicken und welche zu finden, die ich länger verfolgen möchte.


    Gibt es Kategorien, die ergänzt werden müssen?

    Möchte hier Cassandra worden, ihre Vorschläge find ich sehr gut. Mehr würde mir tatsächlich nicht einfallen, da mich persönlich auch nur die Fanwork-Kategorie besonders interessiert und da wär's schon schön, wenn Text und visuelle Medien voneinander zu unterscheiden wären.


    Habt ihr generelle Verbesserungswünsche für die Blogs?

    Nachdem die Dailys die Tagwolke wohl zerschiessen wäre ich ja fast dafür, die Tagwolke einfach abzuschaffen. Muss allerdings dazu sagen: ich bin da altmodisch und kann mit Tagwolken grundsätzlich nichts anfangen, weil die Begriffe so schnell 24pt oder größer erreichen und ich das einfach nicht leiden kann, wenn da an der Seite mich Begriffe "anschreien" -- vor allem, wenn ich nicht weiß, was sie aussagen.

    Wäre es vielleicht möglich, dass die Funktion "Bearbeiten" bei einem Blogpost oder Blog an sich nicht als erstes "Löschen" anzeigt und erst als zweites "Bearbeiten"? Ich find das bissl unglücklich.

    Ansonsten fallen mir jetzt keine Verbesserungsvorschläge ein.


    Was die Dailys betrifft muss ich sagen, dass ich recht gut darin bin, die zu ignorieren. Natürlich hat man wie überall im Forum das Problem, dass die Gefahr besteht, sobald man auf Seite 2 rutscht, dass man komplett ignoriert wird. Wie Mandelev schon erwähnt hat, würde es sicherlich helfen, wenn die Abonnieren-Funktion weniger versteckt wäre und sich jeder interessierte Leser seine persönliche Blogroll zusammenstellen kann. Dann wär's grundsätzlich wurscht, wer auf Seite 1 ist, die Leser finden ihren Content.

    Bin übrigens auch der Ansicht, dass zu viele Regelungen jetzt nicht so sinnvoll sind, wenn noch nichts komplett aus dem Ruder gelaufen ist und es arge Regelverstöße gab.

    Ich denke, die Hauptproblematik könnte hier auch sein, dass "Blogging" und "Microblogging" eben doch zwei Paar Schuhe sind und gern vermischt werden. Blogging im klassischen Sinne sind -- meines Wissens nach -- längere Einträge, die regelmäßig aber selten täglich kommen. Microblogging ist tumblr, wo manche Blogs eben auch fünf bis zehn Posts am Tag raushauen. Und nachdem die Blogs hier aber ins Forum integriert sind und man keine spezifische "Timeline" dafür hat, sammelt sich alles in einem großem Becken. Vielleicht wär's da fast sinnvoller keinen Punkt "abonnierte Artikel" sondern "abonnierte Blogs" zu haben, wo man als Abonnent eine Übersicht erhält, ähnlich, als würde man seine eigenen Blogs ansehen. (Und falls es das schon gibt, umso besser, jetzt muss ich's nur noch finden!)

    Und wie Cassandra schon meinte: Vorschaubilder. Die fänd ich auch besser für die Artikel-Ansicht. (:

    So, nach zwei Jahren wollte ich mal wieder was hier veröffentlichen. Es handelt sich um eine meiner -- noch wenigen -- Fantasy-KGs. Insgesamt sind es 18k Wörter, weswegen es die Geschichte in drei Parts geben wird.


    Vorher noch ein wenig Trivia und dann geht's los! (:

    -- Inspiration für die Darstellung der Luftschiffe ist eine Mischung aus Xenoblade Chronicles 2, Final Fantasy und Das Schloss im Himmel

    -- Um die Maschinenteile möglichst richtig zu benennen hab ich während des Schreibens immer wieder in Wikipedia recherchiert

    -- Der Ausspruch "Erfroren sind schon viele, erstunken noch keiner" ist im Österreichischen und Boarischen bekannt. In Österreich sagt man: "Dafraun san schau vü, dastunga nu kana." Und in Bayern bekannt als: "Dastunga is no koana, owa dafroan san scho vü." (Wörtlich: Erstunken ist noch keiner, aber erfroren sind schon viele.")

    -- Die Namen der Ortschaften sind real und befinden sich alle in Niederösterreich, allerdings hab ich nicht auf geografische Korrektheit geachtet, sondern nur hübsche Namen herausgesucht

    -- Echos Aussehen basiert auf diesem Bild der Künstlerin sandara und ich kannte die Zeichnung, bevor ich die KG geschrieben hab

    -- Der Name des Kapitäns ist eine offensichtliche Anspielung an die einzigen Luftschiffe unserer Zeit: die Zeppeline

    -- Die Charaktere sind ziemlich aus dem Bauch heraus benannt, lediglich Merthen recherchierte ich kurz

    -- Es existiert noch kein konkretes Worldbuilding für diese "Welt", aber vielleicht wird daraus noch was


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    An Bord der Donau

    (I / III)


    Nachtruhe lag über dem Lufthafen Plaika. Wie schlafende Giganten schwebten die eisernen Luftschiffe vor Anker. Kein Rotor machte ein Geräusch, nur ab und an rasselte eine Eisenkette, wenn ein stärkerer Windstoß durch den Hafen fuhr. Vor Stunden waren die letzten sauberen Geschäfte im Licht der Sonne abgewickelt worden. Zufrieden stellte er fest, dass die Geschichten über Plaika stimmten. Die Verschärfung der Handelsgesetze hatte tatsächlich dazu geführt, dass sich des Nachts niemand mehr im Hafen befand. Jegliche Fracht durfte nur unter strenger Kontrolle bei Tageslicht verladen werden.

    Doch das störte ihn nicht. Die Ware, die er hier erwerben wollte, würde keiner der wachsamen Beamten am nächsten Tag zu Gesicht bekommen.

    Er hatte den vereinbarten Treffpunkt unter einer der wenigen Lampen erreicht. Die Glühbirne war grell und als er direkt darunter stand, konnte er die Welt außerhalb des Lichtkegels nur noch als undeutliche Schemen erkennen. Mit verschränkten Armen lehnte er sich gegen den Laternenpfosten und wartete.

    Nach einiger Zeit konnte er gleichmäßige Schritte auf dem metallenen Boden hören, welche von dem leisen Rasseln einer Kette und dem Geräusch von Krallen begleitet wurde. Er richtete sich auf, als er knapp außerhalb des Lichtkegels eine Gestalt erblickte.

    „Guten Abend", begann sein Gegenüber zu sprechen. „Habe ich mit Kapitän Zeppelin zu tun?“

    „Haben Sie“, erwiderte er mit verschränkten Armen. „Steht unser Handel noch?“

    „Gewiss, ich habe hier was Sie bestellt haben“, antwortete die gesichtslose Stimme und streckte eine Hand in den Lichtkegel. Ein schwarzer Lederhandschuh kam zum Vorschein, der restliche Arm war mit dunklem Stoff bedeckt.

    „Sehr gut. Ich möchte die Ware sehen, bevor ich bezahle. Damit sind Sie doch sicherlich einverstanden.“ Kapitän Zeppelin war ein erfahrener Mann. Diese Geschäfte hatten sich in den letzten Monaten als sehr lukrativ herausgestellt und bisher hatte er immer das erhalten, was er wollte. Trotzdem war er weiterhin vorsichtig und wollte dem mysteriösen Händler klarmachen, dass er sich nicht übers Ohr hauen ließ.

    „Aber natürlich“, erwiderte sein Gegenüber und zog die Hand zurück. Mit einem plötzlichen Kettenklirren wurde eine Gestalt in den Lichtkegel gestoßen, die ächzend auf dem metallenen Boden liegen blieb. Der von unzähligen Bartstoppeln umringte Mund des Kapitäns verzog sich zu einem breiten Grinsen. Das war genau das, was er bestellt hatte.

    Der Lederhandschuh wurde erneut in den Lichtkegel gestreckt und der Kapitän griff in die Innentasche seiner Lederjacke. Ein dickes Bündel Geldscheine kam zum Vorschein, die er dem Verkäufer mit einem kräftigen Handschlag übergab. Von dem Begleiter seines Handelspartners nahm er die Kette entgegen, die am Halsring seiner Ware hing.

    „War schön mit Ihnen Geschäfte zu machen, Kapitän“, verabschiedete sich die gesichtslose Stimme und verschwand in der Dunkelheit.

    „Darauf kannst du wetten“, murmelte er zufrieden zu sich selbst. Er zog die Kette nach oben, um seine neue Errungenschaft zum Aufstehen zu bewegen. Sichtlich mühsam kämpfte sich das Geschöpf auf seine Krallen. Als es schließlich zitternd und unsicher vor ihm stand, sah es zu ihm auf. Das dicke Tuch über dem Mund hinderte das Wesen daran einen Laut von sich zu geben, sodass die Angst dem Kapitän aus dunklen Augen entgegen schrie.

    Ungerührt drehte er sich um und zog das stolpernde Geschöpf hinter sich her. Diese Ware würde ihm sehr viel Geld bringen.



    „Aufstehen ihr Leichtmatrosen!“, hallte die laute Stimme des Kapitäns durch die Lautsprecheranlage und weckte jeden unsanft, der nicht bereits wach war. Manu wurde aus dem Tiefschlaf gerissen, was ihn von einem Moment auf den anderen kerzengerade mit klopfendem Herzen in seinem Bett sitzen ließ.

    „In zwei Stunden legen wir ab, also ab auf eure Posten. Ich sag's nicht noch mal!“, beendete der Kapitän seinen morgendlichen Weckruf.

    „Du solltest dir wirklich einen Wecker zulegen“, wandte sich Torben an den verwirrten Manu, der sich gerade den Schlaf aus den Augen rieb.

    „Aber den brauch ich doch nicht, wenn der Käpt'n uns weckt“, erwiderte er gähnend.

    „Wenn du es sagst“, meinte Torben schulterzuckend, während er sich das Arbeitshemd zuknöpfte. Danach schnappte er sich seine Waschtasche und verließ die Kabine. Als die Metalltür sich hinter seinem Zimmerkollegen schloss, spielte Manu für einen Moment mit dem Gedanken sich wieder hinzulegen. Doch er entschied sich dagegen, stand auf und zog sich ebenfalls seine Arbeitsuniform an. Er gähnte laut, als er seinem Kameraden in den Gemeinschaftswaschraum folgte. Auf dem Weg dorthin konnte er niemanden sonst aus der Mannschaft entdecken und ihn beschlich das ungute Gefühl, dass der Rest wohl bereits seit einer Weile wach war.

    Als er den großen Waschraum betrat wünschte er den anderen Matrosen einen Guten Morgen. Drei von ihnen putzten sich über den Waschbecken an der rechten Wand die Zähne und konnten deshalb nur nicken. Aus einer der gegenüberliegenden Toilettenkabinen schallte jedoch ein Morgengruß zurück.

    „Ich hoff, du hast da drin ein Fenster auf, Sam“, witzelte Manu, nachdem er seine hölzerne Zahnbürste auf die Ablage eines der Waschbecken gelegt hatte.

    „Offenes Fenster?! Für wie dämlich hältst du mich eigentlich, Jungchen? Da frier ich mir doch meinen Allerwertesten ab. Du weißt ja wie das gute alte Sprichwort geht …", begann Sam, doch Manu beendete seinen Satz: „Erfroren sind schon viele, erstunken noch keiner.“

    „Ich würde allerdings meinen Geruchssinn gern behalten“, kommentierte Torben grinsend das Gespräch, als er an Manu vorbei zur Tür ging. „Wir sehen uns dann später im Maschinenraum.“ Auch die anderen zwei Kameraden, die sich mit Torben zusammen die Zähne geputzt hatten, gingen an Manu vorbei und verließen den Waschraum. Im hinteren Teil, wo sich die Duschen befanden, plätscherte Wasser und immerhin saß der alte Sam noch auf dem Klo. Aber abseits davon, schien tatsächlich der Rest der vierzigköpfigen Mannschaft auf ihrem Posten zu sein. Oder zumindest bereits beim Frühstück.

    Manu ging in eine der Toilettenkabinen, bevor er sich die Zähne putzte. Als er vor drei Jahren auf diesem Luftschiff angeheuert hatte, hätte er sich nie träumen lassen, dass er sich mal öfter und gründlicher als jemals zuvor in seinem Leben die Zähne putzen würde. Doch Kapitän Zeppelin hatte mehrere Jahre in der Armee gedient und legte großen Wert darauf, dass seine Mannschaft gepflegt und gesund war. Manu spülte gerade zum letzten Mal seinen Mund aus, als Sam zufrieden seufzend aus der Toilettenkabine trat. Von den Duschen her betrat Stefan mit einem Handtuch um die Hüften den Raum.

    „Hier ist noch jemand?“, fragte er verwundert. „Ich dachte, ich wäre der Letzte.“

    „Offensichtlich nicht, Jungchen“, erwiderte Sam lachend, bevor er mit der Zahnbürste in seinem Mund herumfuhrwerkte.

    „Warum bist du überhaupt so spät dran?“, wollte Manu verwirrt von Stefan wissen. „Sonst bist du doch immer der Erste?"

    „Ich hab mit Adler gestern ein paar Überstunden geschoben. Einer der unteren Rotoren hat komisch gerasselt und wir haben ewig nicht herausgefunden woran's lag. Am Ende war's ne Unwucht in einem der Kugellager“, erklärte Stefan und fügte hinzu, „deshalb muss ich mich heut auch nicht so beeilen, weil der Chef ja Bescheid weiß. Wir sehen uns!“

    Manu wusch sich noch das Gesicht und verließ mit Sam gemeinsam den Waschraum. Sie brachten beide noch ihre Waschsachen zurück in ihre Kabinen, bevor sie zum Frühstück joggten. Im Speisesaal, eine Ebene über den Mannschaftsquartieren, war zu Manus Erleichterung schon mehr los. Die große Uhr, die gegenüber der Tür hing, zeigte zwar, dass bereits eine dreiviertel Stunde vergangen war, seit er sich aus dem Bett gehievt hatte, aber die entspannte Stimmung unter den anwesenden Matrosen bedeutete zumindest schon mal keine Probleme. Fürs Erste jedenfalls.

    „Speck am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen“, verkündete Sam neben ihm und ging schnellen Schrittes auf die Essensausgabe zu.

    „Stimmt, heut haben Erwin, Josef, Matthias und John Küchendienst. Die kriegen nichts anderes als Spiegeleier mit Speck zustande“, erinnerte sich Manu grinsend, als er sich ein Tablett schnappte und Sam folgte.

    Einige Augenblicke später saß er vor einem heiß dampfenden Spiegelei mit knusprig gebratenem Speck und zupfte sich seine Semmel in mundgerechte Stücke. Torben saß ihm gegenüber und trank seinen Kaffee; Sam hatte sich zu der Gruppe gesellt, die für den Frachtraum zuständig war. Obwohl die Sitzflächen der Bänke nur aus Metall waren und man es nicht lange aushielt auf ihnen zu sitzen, schienen nur die wenigsten Matrosen im Raum es eilig zu haben aufzustehen. Torben eingeschlossen, den Manu beim Lesen einer Zeitschrift beobachtete.

    „Wo hast du die her?“, fragte er seinen Zimmergenossen zwischen zwei Bissen.

    „Von dem Stand am Rand vom Hafen“, antwortete Torben ohne ihn anzusehen. „Ich sollte für Adler gestern ein Ersatzteil besorgen und hab mir die hier gegönnt.“

    „Und worum geht's da?“, hakte Manu weiter nach. Die Schrift war für ihn zu klein um etwas lesen zu können und das Cover verdeckte sein Kumpel mit einer Hand.

    „Ich befürchte“, erwiderte Torben langsam, „dafür bist du noch ein wenig zu jung.“

    „Ach laber nicht!“, entgegnete Manu laut. „Du bist auch nur drei Jahre älter als ich.“

    „Drei Jahre können viel ausmachen, weißt du?“, meinte sein Kumpel mit einem wissenden Unterton in der Stimme, leerte seine Kaffeetasse mit einem Schluck und stand auf.

    „Mistkerl“, fluchte Manu leise, der genau wusste, dass Torben eine Menge Spaß dabei hatte ihn aufzuziehen. „Als wär da so ein großer Unterschied zwischen zwanzig und dreiundzwanzig.“ Er beobachtete missmutig, wie Torben den Speisesaal verließ, danach aß er den Rest seines Frühstücks schneller auf, als geplant und brachte sein Tablett weg.

    Manu wollte ebenfalls gerade den Speisesaal mit ein paar anderen Matrosen verlassen, als die Stimme des Kapitäns aus dem Lautsprecher schallte.

    „Ich hoffe auch die letzten Leichtmatrosen schaffen es endlich auf ihre Posten. In einer Stunde legen wir ab und wenn ihr mich überraschen wollt, dann sind wir im besten Fall schon in dreißig Minuten weg von hier. Überrascht mich!“

    „Aye, aye!“, riefen einige der Matrosen lachend, auch wenn sie wussten, dass der Kapitän sie nicht hören konnte. Manu machte sich schnellen Schrittes auf den Weg in den Maschinenraum.


    Der große Raum begrüßte jeden mit dem brüllenden Lärm der Maschinen. Nur im Hafen, wenn das große Luftschiff von dem lautlosen, riesigen Ballon gehalten wurde und die unzähligen Propeller schwiegen war es im Maschinenraum ungewöhnlich ruhig. Ab und an hörte man in dieser Ruhe das Fluchen von einem Matrosen und das Geräusch von metallenem Werkzeug, das auf den Boden fiel.

    „Guten Morgen, Herr Adler. Melde mich zum Dienst“, begrüßte Manu den Chefingenieur, der gerade ein großes Zahnrad prüfend betrachtete. In einiger Entfernung stand Torben und putzte die Blätter eines kleinen Rotors.

    „Wird aber auch Zeit“, erwiderte Raphael Adler ohne ihn anzusehen. An Bord riefen ihn alle nur mit seinem Nachnamen. Die Ärmel seines grauen Arbeitshemdes waren hochgekrempelt und seine kräftigen Hände glänzten von schwarzem Öl. Niemand wusste, ob selbst die beste Seife es schaffte die dunkle Farbe von seiner Haut zu waschen.

    „Wie du siehst ist Torben bereits fleißig, er wird den Rotor sauber machen und dann am Heck wieder einbauen. Stefan hat den Schaden gestern bemerkt“, begann Adler mit tiefer Stimme. Danach drehte er sich von dem Zahnrad weg und schaute Manu direkt an. „Du schnappst dir die Kanne Öl dahinten und ölst die Luftschrauben dreizehn, vierzehn und siebzehn am Oberdeck. Die quietschen nämlich ganz fürchterlich und ich will nicht, dass sich das Material abnutzt. Neue Luftschrauben sind teuer und drei auf einmal austauschen könnte fast nen Monat Wasser und Brot für die ganze Mannschaft bedeuten.“

    „Aye, aye, bin schon unterwegs“, erwiderte Manu gehorsam, lief zum Regal hinter Torben und nahm die mit Schmieröl gefüllte Kanne heraus.

    „Und nicht trödeln, gell? Hier gibt's noch ne Menge anderes zu tun, sobald die alte Dame wieder zufrieden brummend in der Luft ist!“, rief Adler dem Matrosen hinterher, als dieser bereits die Tür des Maschinenraums geöffnet hatte.

    Manu lief durch die Gänge des Luftschiffes, die von kleinen elektrischen Lampen beleuchtet wurden. Immer wieder kamen ihm weitere Matrosen entgegen, die auf dem Weg zum Maschinenraum oder den vier Frachträumen waren, die sich auf derselben Ebene befanden; nämlich unten im Bauch des Luftschiffes. Auf seinem Weg auf das Oberdeck nahm er zwei Metallstufen auf einmal, bis er schließlich laut schnaufend die letzte Tür öffnete, die ihn von der Außenwelt trennte. Das helle Sonnenlicht blendete ihn, sodass er mit dem linken Arm sein Gesicht verdecken musste. Es dauerte mehrere Momente, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten.

    „Wow“, formten Manus Lippen lautlos, als er seinen Blick schweifen ließ. Rechts von ihm stand die Sonne exakt auf gleicher Höhe wie er selbst. Eine gleißende runde Scheibe, die das Dunkel der Nacht bereits komplett vom Himmel vertrieben hatte und die vereinzelten Wolken orange färbte. Links von ihm wurde der Hafen langsam wach und als er an die Reling trat, konnte er sehen, wie bereits mehrere Arbeiter zwischen großen und kleineren Kisten umhergingen. Außer der Donau lagen noch zwei größere Handelsschiffe und ein kleineres Luftschiff vor Anker. Es erregte Manus Aufmerksamkeit, weil er keine Rotoren entdecken konnte. Stattdessen ragten zwei große Zylinder aus dem Heck des Schiffes.

    „Ob das eines dieser Kerosin-Schiffe ist?“, fragte er sich. Die Konstruktion war auf jeden Fall auf Schnelligkeit ausgelegt, nicht auf das Befördern von Lasten. Deshalb kam dieses Luftschiff auch ohne Parkballon aus und konnte von den eisernen Parkklammern des Hafens gehalten werden. Für ein großes Handelsschiff wie die Donau unmöglich, die Klammern würden abbrechen wie Zweige. Manu legte den Kopf in den Nacken und blickte von unten auf den großen beigefarbenen Ballon. Er war mit einem speziellen Gas gefüllt und genauso lang wie die Donau. Mühelos hielt er das schwere Schiff in der Luft, sodass nur ein paar starke Eisenketten nötig waren um ein Abdriften zu vermeiden.

    Die Stimmen vieler Männer drangen zu ihm herauf und er blickte nach unten. Unter dem strengen Blick von uniformierten Beamten wurden die letzten Kisten über eiserne Rampen in den Bauch der Donau befördert. Manu erkannte den ersten Offizier Leonhard Merten an seiner Uniform, wie dieser Handzeichen gab und die Verladung nicht weniger streng dirigierte.

    Schnell riss er sich von dem Anblick los und widmete sich seiner Aufgabe, die von Adler genannten Rotoren zu ölen. Wenn er zu lange für diese einfache Anweisung brauchen würde, würde Adler ihn zur Strafe nur noch den Maschinenraum schrubben lassen. Eilig lief er zu den genannten Rotoren am Heck der Donau. Im Sonnenlicht glänzten die Propeller golden. Sie bestanden aus Aluminiumbronze, was sie besonders verschleißfest machte und damit bestens für den Luftschiffbau eignete. Trotzdem konnten sie kaputt gehen, weshalb sie eine Menge Pflege benötigten.

    Obwohl die einzelnen Rotoren nicht beschriftet waren, wusste Manu genau, welche Adler gemeint hatte. Sein erstes Jahr an Bord hatte der junge Matrose damit verbracht jeden einzelnen dieser Propeller kennenzulernen. Wie sie für die Steuerung benutzt wurden, warum sie unterschiedlich groß waren oder ihre Rotorblätter verschiedene Formen und Längen aufwiesen. Und natürlich welche Zahl zu welchem Propeller gehörte.

    Dreizehn und Vierzehn erkannte er schnell, nicht nur, weil sie nebeneinander waren, sondern auch identisch aussahen. Sie befanden sich ziemlich mittig am Heck und ihre Blätter waren eine Armlänge lang und die breiteste Stelle war zwei Hand breit. Prüfend bewegte er die Rotoren ein wenig und hörte sofort das Quietschen. Mit der Ölkanne verteilte er das Schmieröl dort, wo sich die Stange des Propellers in dem Zylinder drehte. Er bewegte den Propeller erneut und das metallische Quietschen war verschwunden.

    Propeller Siebzehn war eine größere Variante und befand sich an Backbord. Er war zu groß um ihn zu drehen, deshalb musste Manu sich hier auf die Aussage von Adler verlassen, dass Schmieröl notwendig war. Eine kleine, metallene Leiter führte zu dem Propeller, die der Matrose schnell hinauf- und nach getaner Arbeit hinunterkletterte.

    „Fertig“, sagte er zufrieden zu sich selbst, als er sich abwandte und zurück zum Maschinenraum ging. Im Inneren der Donau fiel sein Blick auf die Uhr, die an der Wand vor der Tür zum Maschinenraum hing. Die Zeit des Abflugs war gekommen und als er die Metalltür öffnete, konnte er es auch hören.

    „Alle Mann auf ihre Posten!“, schrie Adler durch den gesamten Raum. „Maschinen werden gestartet! Nehmt eure Hände aus den Zahnrädern. Haltet euer Werkzeug fest und greift euch die nächste Haltestange!“ Manu gehorchte und griff automatisch die Eisenstange direkt neben der Tür. In einigen Metern Entfernung legte Adler einen schweren Hebel um und das ruhende Metall im Raum erwachte zum Leben.

    Die Zahnräder, groß und klein, begannen sich erst zögerlich, dann immer schneller und gleichmäßiger zu drehen. Kolben fingen an zu stampfen, Metall traf auf Metall und ein Ruck ging durch das große Schiff, als es einen kurzen Sprung in die Luft machte. Die Propeller, die für die Höhe verantwortlich waren liefen auf voller Kraft und hatten damit den Parkballon abgelöst.

    „Trupp vier!“, schrie Adler aus voller Kehle durch den Raum. „An Deck mit euch, holt den Parkballon runter!“ Fünf Matrosen liefen an Manu vorbei, er selbst machte sich auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz. Auch ohne konkrete Anweisungen von Adler, hatte er einen eigenen Bereich in der großen Maschinerie. Er war zusammen mit Torben und zwei anderen Matrosen für die Instandhaltung der Werkzeuge verantwortlich. Diese Arbeit hatte er in den vergangenen drei Jahren gelernt; erst vor kurzem hatte er unter Adlers peniblem Blick eine Prüfung abgelegt und konnte sich seitdem selbst organisieren. Wie üblich war seine Werkbank bereits mit kaputtem Werkzeug übersät.

    „Wer in aller Welt arbeitet hier eigentlich?“, schimpfte er. „Sind das wirklich Männer oder schlecht programmierte Roboter?“ Dabei hob er einen völlig verbogenen Schraubenschlüssel hoch.

    „Der dürfte wohl Bekanntschaft mit ein paar Zahnrädern gemacht haben“, kommentierte Torben und erntete von Manu einen entgeisterten Blick.

    „Wie?!“, fragte er, doch sein Kollege zuckte nur mit den Schultern.

    „Frag mich doch nicht, immerhin mach ich denselben Job wie du. Woher soll ich wissen, wie die anderen Mechaniker ihr Werkzeug benutzen?“

    Seufzend verschaffte Manu sich einen Überblick über die kaputten Werkzeuge und welche er zuerst reparieren sollte. Torben setzte sich an seine eigene Werkbank, wo er sich einem weiteren Propeller widmete. Adlers Stimme erhob sich erneut über den stetigen Lärm: „Alle Mann festhalten! Wir legen ab!“

    Gleichzeitig griffen Manu und Torben die Haltestangen, die sich neben ihren Werkbänken befanden und es gab einen kurzen Ruck nach vorne. Die zwei riesigen Luftschrauben am unteren Heck waren angesprungen und trieben das Luftschiff nach vorne. Damit waren sie auf dem Weg zum nächsten Hafen. Und für Manu begann ein weiterer Arbeitstag an Bord der Donau.


    Satt und müde verließ Manu den Speisesaal, mit dem Ziel bald in sein Bett zu fallen. Die Nächte waren besonders kurz, wenn sie auf dem Weg zum nächsten Hafen waren, da der Maschinenraum zu jeder Uhrzeit besetzt sein musste. Die Einteilung des Schichtdienstes hatte Adler heute bekannt gegeben. Manu war während der ganzen Reise für die erste Schicht eingetragen, die vor Sonnenaufgang anfing. Die Vorstellung allein drückte seine Stimmung, denn er tat sich mit dem frühen Aufstehen schwer.

    „Was soll’s", seufzte er, als er die schmalen Metallstufen zu seiner Kabine hinaufstieg. Doch kurz vor der Metalltür fiel sein Blick auf eine der Uhren, die im Gang hingen. Es war noch zu früh und er wusste, dass er nicht würde schlafen können. Also beschloss er, die Zeit zu nutzen.

    Seine Stiefel klangen viel zu laut auf den metallenen Treppen, aber er wusste, dass niemand auf ihn achten würde. Trotzdem drehte er sich noch mehrere Male um, um zu prüfen, dass ihm niemand folgte. Vorsichtig öffnete er die Tür zu Frachtraum zwei und schlüpfte hindurch. Das stetige Wummern der Maschinen war deutlich zu hören, schließlich befand sich der Maschinenraum ganz in der Nähe. Die Luft war stickig und es herrschte diffuses Zwielicht, da die wenigen Bullaugen an der Wand weit auseinander lagen. Eines von ihnen befand sich an der Außenwand direkt neben der Tür und Manu öffnete es einen Spaltbreit. Anstatt den Lichtschalter zu betätigen, der die vielen elektrischen Deckenlampen anschalten würde, griff Manu nach der Petroleumlampe, die neben der Tür hing. Sie war für Notfälle gedacht, wenn die Elektrizität nicht funktionieren sollte. Er zweckentfremdete sie jedoch, da er es für unnötig hielt den ganzen Frachtraum zu erleuchten. Mit den Streichhölzern auf dem Regal entzündete er die Lampe und ging los.

    Es war niemandem außer den Lagerarbeitern gestattet den Frachtraum ohne Erlaubnis einer ranghöheren Person zu betreten. Das wusste Manu. Er wusste aber aus Erfahrung der letzten Jahre, dass die Lagerarbeiter auf einem Flug tatsächlich weniger zu tun hatten, als die meisten anderen Matrosen an Bord. Deshalb war es für ihn ein leichtes sich hier einzuschleichen, obwohl es immer ein hohes Risiko bedeutete. Niemand wusste, welche Strafen es für das Herumtreiben im Frachtraum gab, weil es bisher noch niemand versucht hatte. Oder sie alle so gut darin waren unerkannt zu bleiben wie Manu.

    Im Hafen von Ferlach, ihrer Station vor Plaika, hatte er einem Buchhändler eine kleine Kiste voll Bücher abgekauft. Ursprünglich war diese in seiner Kabine gewesen, aber weil er Torbens Neugierde kannte, hatte er sie hier im Frachtraum untergebracht. Im hinteren Teil gab es ein paar windige Metallregale, an denen manche Ladung entweder verstaut oder gesichert wurde und er hatte seine kleine Kiste dort einfach dazugestellt. Sie wurde von zwei größeren Kisten verdeckt, die erst im kommenden Hafen von Molln entladen werden würden. Und weil seine unbeschriftete Kiste auf jeden Fall in Molln Aufmerksamkeit erregen würde, hatte er beschlossen den Inhalt jetzt durchzusehen und zu entscheiden, was er damit machen würde.

    „Es wird vermutlich doch darauf hinauslaufen, dass ich mir Torbens dummes Gerede eine Weile antue, wenn er ungefragt in meinen Sachen herumwühlt“, dachte er resigniert. Manu schämte sich nicht für die Bücher, die er gekauft hatte, aber er wusste, dass die anderen sich sicherlich eine Weile über ihn lustig machen würden, würden sie diese sehen. Zwar gab es einen kleinen Anteil an Matrosen, der kaum lesen und schreiben konnte, aber Torben und die meisten aus dem Maschinenraum gehörten leider nicht dazu.

    Seine Schritte gaben dem stetigen Summen der Motoren taktvolle Untermalung, während er zielstrebig durch den großen Raum zu dem Regal lief. Er zog die beiden anderen Kisten, die mit Seilen an dem Metallregal fixiert waren, ein wenig zur Seite und holte seine Kiste hervor.

    Vorsichtig hob er den hölzernen Deckel ab, legte ihn neben sich und nahm eines der Bücher heraus. Kurz strich er über den roten Ledereinband in dem mit goldener, schnörkeliger Schrift der Titel eingeprägt war, bevor er das Buch aufschlug. Manu konnte lesen und schreiben, auch wenn er die Schule nur vier Jahre besucht hatte. Probleme machte ihn allerdings die Schrift, die in diesen älteren Büchern verwendet wurde. Er konnte die Buchstaben deswegen nicht immer entziffern, aber die Bilder hatten es ihm angetan. Alle paar Seiten prangte eine detaillierte Karte auf dem Papier, mit blasser Farbe illustriert und mit einfachen Buchstaben beschriftet. Die Orte sagten ihm nichts, er wusste nicht einmal, ob es sich um reale oder fiktive handelte. War das vor ihm ein Märchenbuch? Oder die Aufzeichnungen eines Kartographen? Er wusste es nicht, denn bisher hatte er noch keine Ruhe gehabt zu lesen, nur die Bilder hatte er mit wachsender Begeisterung betrachtet.

    Vorsichtig legte er das Buch zurück in die Kiste und nahm ein anderes heraus. Diesem fehlte der Buchrücken, sodass man die Fadenheftung sehen konnte. Die Buchdeckel waren schlichter Karton, schmucklos und einfach. Es war handschriftlich geschrieben und die Buchstaben standen in blauer Tinte auf dem weichen Papier. Zu Manus Freude besaß der Schreiber eine gut leserliche Handschrift. Auf dem schlichten Buchdeckel war kein Titel und der Text begann ohne Überschrift. Es war ihm ein Rätsel, woher dieses Buch kam und wer der namenlose Autor war. Doch anstatt sich in dem Text zu verlieren, legte er es wieder zurück. Noch drei weitere Bücher lagen in der Kiste. Diese hatten alle ordentliche Einbände, einer rot, die anderen schwarz. Er wollte gerade nach einem anderen greifen, als er das deutliche Rasseln einer Kette hörte.

    Es ließ Manu überrascht innehalten. Das gleichmäßige Surren des Motors erfüllte den Raum, sodass nur lautere oder nahe Geräusche dieses kurz übertönen konnten. Behutsam legte er den Deckel wieder auf die hölzerne Kiste und verstaute sie in ihrem Versteck. Er hob die Petroleumlampe auf, auf der Suche nach der Quelle des Geräusches. Es ertönte nun immer und immer wieder, der Klang wurde begleitet von einem Kratzen und Klappern auf dem Metallboden. Für Manu klang es wütend oder verzweifelt, als würde ein Kampf hier in diesem Frachtraum ausgefochten werden. Eine Reihe mannshoher Kisten versperrte ihm die Sicht auf den hinteren Teil des Frachtraums, doch er wusste, was sich dort befand. In einem eisernen, abschließbaren Käfig wurden die Waren aufbewahrt, die dem Kapitän, ersten Offizier und Chefingenieur gehörten. Nicht mal die Lagermatrosen hatten einen Schlüssel für das Vorhängeschloss. Konnte das Geräusch von dort kommen?

    Als der Lichtkegel von Manus Lampe hinter der letzten Kiste hervorkam, hatten die Geräusche mit einem Mal aufgehört. Neben dem Surren des Motors und seinen Stiefeln auf dem Metallboden war nichts mehr zu hören. Verdutzt näherte er sich dem Käfig, leuchtete mit ausgestreckter Hand durch die Gitterstäbe. Und hätte beinahe die Petroleumlampe vor Schreck fallen gelassen.

    Das Licht fiel auf zwei krallenbewehrte Greifvogelfüße. Weiße Federn bedeckten die Oberschenkel und den menschlichen Torso des Wesens bis zur Brust. Raue Seile fixierten die federlosen Arme zusammen mit den zwei mächtigen Flügeln am Körper der Gestalt. Der Kopf war bedeckt mit einer Mischung aus kurzen hellbraunen Haaren und Federn, der Mund von einem dicken Tuch verdeckt. Verängstigte schwarze Augen blickten ihm entgegen. Um den Hals des Wesens hing ein Eisenring an dem eine Kette befestigt war, die wiederum mit einem Haken am Boden des Frachtraums fixiert wurde.

    Manu drehte sich abrupt um und rannte zurück zum Ausgang. Seine eiligen Schritte untermalten das Maschinensurren für einige Augenblicke mit einem schnellen Takt, bis er schließlich keuchend und mit klopfendem Herzen die Tür erreichte.

    „Was habe ich da gerade gesehen?“, fragte er sich, während er nach Luft rang. Er stellte sich zu dem leicht geöffneten Bullauge.

    „Die Donau transportiert keine lebende Fracht“, erinnerte er sich deutlich an die Worte des Kapitäns an seinem ersten Tag an Bord.

    „Aber warum ist in dem Käfig dort ein Lebewesen?“, fragte er halblaut. Manu mochte nicht viel wissen, aber er erkannte eine Harpyie, wenn er sie sah. Er kannte die Geschichten, die man sich erzählte. Einer Sage nach, hatte ein Himmelsdrache den Meerjungfrauen Falkenflügel geschenkt, als er sah, wie sehr sie die Seefahrer vermissten, deren Schiffe zu fliegen gelernt hatten. In so manchem Hafen hatte er von den Harpyien und anderen Fabelwesen gehört, aber er hätte nie gedacht, jemals eines zu Gesicht zu bekommen.

    Doch nicht die Überraschung über eine leibhaftige Harpyie vor ihm ließ sein Herz wild schlagen. Er wusste, er hatte etwas entdeckt, was für seine Augen nicht bestimmt war.

    „Was soll ich jetzt machen?“, fragte er sich, als er das Fenster schloss und das Licht der Lampe löschte.

    Vorsichtig öffnete er die Tür des Frachtraums einen Spalt, zwängte sich hindurch und schloss sie wieder. Er achtete darauf, ob ihn auch niemand gesehen hatte, bis er endlich den Gang zu seiner Kabine erreichte. Erst in diesem Moment erlaubte er sich zu entspannen. Trotzdem überschlugen sich in seinem Kopf die Gedanken. Als er die Tür zur Kabine öffnete lag Torben bereits auf der unteren Matratze des Stockbetts und las in derselben Zeitschrift, wie schon heute morgen. Manu ging wortlos an ihm vorbei und begann sich aus seiner Arbeitskleidung zu schälen. Sein Zimmergenosse legte die Zeitschrift auf seinen Bauch, dabei musterte er ihn mit hochgezogener Augenbraue.

    „Warum so still?“, fragte Torben schließlich. „Ich hab dich seit dem Abendessen nicht mehr gesehen und da hast du gar nichts zu erzählen?“

    Manu antwortete nicht sofort. Einerseits wollte er seinen Kameraden einweihen oder zumindest fragen, ob so etwas schon vorgekommen war. Vielleicht war es ja ein offenes Geheimnis, dass ab und an lebende Fabelwesen an Bord waren, nur er hatte es nicht mitbekommen? Andererseits wollte er Torben nicht in diese Sache mit reinziehen. Wenn niemand die Harpyie sehen durfte, hatte Manu ungewollt nicht nur einen Befehl missachtet, sondern war möglicherweise auch noch Zeuge unsauberer Geschäfte an Bord. Da es ihm gar nicht erst erlaubt war in den Frachtraum ohne Anweisung eines Vorgesetzten zu gehen, wog sein Vergehen umso schwerer.

    Letztendlich war er mit Torben auch gar nicht so gut befreundet. Sie kamen miteinander als Matrosen an Bord ganz gut aus, aber wirklich viel wussten sie voneinander nicht. Vertraute er Torben genug, ihn nicht bei den Ranghöchsten zu verpfeifen?

    „Hey, Erde an Manu! Was ist los mit dir?“, fragte sein Zimmergenosse und machte einen sehr verwirrten Eindruck.

    „Hat die Donau schon einmal lebende Fracht transportiert?“, wollte Manu wissen, als er sein Arbeitshemd auf einen Kleiderbügel hängte.

    „Wie kommst du darauf?“, erwiderte Torben verwundert, richtete sich dabei auf und legte die Zeitschrift zur Seite. „Lass mich mal überlegen ... ich bin jetzt fünf Jahre hier und in dieser Zeit gab es keine lebende Fracht. Als ich hier anfing, erzählte man mir, dass der Käpt'n in seiner Anfangszeit mit der Donau auch lebende Fracht transportiert hat. Auf kurzen Strecken hauptsächlich, meist Hühner und Hasen.“ Manu hatte inzwischen bequemere Kleidung angezogen und sich auf den Stuhl zwischen den zwei Spinden gesetzt, die im hinteren Teil der Kabine standen.

    „Aber irgendwas ist passiert“, überlegte sein Zimmerkollege und kratzte sich dabei am Kopf. „Ach ja, die Sache mit den zwei Pfauen!“

    „Pfaue?“, meinte Manu verwirrt.

    „Ja, für den Vogelgarten in Melk. Käpt'n Zeppelin willigte ein die beiden zu transportieren, aber die Strecke war lang und sie kamen aufgrund von Turbulenzen nicht gut voran. Er hatte sich in der Reisezeit vertan und konnte die Vögel nicht durchgehend versorgen. Als es ans Ausladen der beiden ging, lagen sie tot in ihrem Reisekäfig.“ Torben seufzte, ob der Vorstellung. „Danach hat Zeppelin wohl nie wieder einen Transport lebender Fracht angenommen und schließlich die Regel aufgestellt, dass die Donau nur Güter ohne Herzschlag transportiert.“ Er richtete sich von dem Bett auf und streckte die Arme zum Dehnen von sich.

    „Aber wie kommst du darauf?“, fragte er erneut, doch Manu wich seinem Blick aus.

    „Nur so, ist mir einfach in den Sinn gekommen.“

    „Spuck's aus“, forderte Torben mit vor der Brust verschränkten Armen. Manu spürte, wie sein Zimmerkollege ihn durchdringend ansah und sich nicht mit einer weiteren Ausrede zufrieden geben würde. Er seufzte, als er schließlich aufsah.

    „Ich glaub, ich hab was gesehen, was ich nicht sehen durfte“, begann er zögerlich zu erzählen.

    „Und was war das? Lebende Fracht?“, bohrte sein Kamerad weiter, als er sich wieder auf sein Bett setzte. Manu nickte kurz und sprach weiter: „Ich will dich da nicht reinziehen, deshalb will ich es dir auch eigentlich gar nicht erzählen.“

    „Ah, deshalb also“, erwiderte Torben lächelnd und fuhr sich durch die kurzen blonden Haare. „Mach dir da mal keine Gedanken. Ich erzähl's keinem weiter, aber ich bin zu neugierig.“

    „In Ordnung, aber es ist wirklich wichtig, dass das nicht die Runde macht. Nicht, bis ich weiß, was ich tun soll“, sagte Manu und erhielt von dem Matrosen ein zustimmendes Nicken. „Ich hab mich in Frachtraum zwei geschlichen …"

    „Du hast was?!“, platzte es aus Torben heraus. „Bist du wahnsinnig?!“

    „Hey, nicht so laut“, entgegnete Manu scharf.

    „Entschuldige“, kam die kleinlaute Erwiderung. „Ich hätte nur nie gedacht, dass du so etwas Dummes machen würdest. Wir sind nicht befugt einen der Frachträume zu betreten. Und das weißt du.“

    „Klar weiß ich das“, fuhr er fort. „Aber ich habe etwas gekauft, was ich dort untergebracht hab und nachdem hab ich geschaut.“

    „Wie groß ist es denn, dass es hier in der Kabine keinen Platz hat?“, wollte Torben wissen.

    „Es hätte schon Platz“, antwortete Manu ungeduldig, da er dieses Thema nicht vertiefen wollte, „aber ich wollte verhindern, dass mich jeder fragt, was in der Kiste ist.“

    „Das wär aber bei Weitem sicherer gewesen, als sie im Frachtraum zu verstecken“, erwiderte der Matrose kopfschüttelnd.

    „Ist ja gut“, fuhr er seinen Zimmerkollegen an, „ich hab's verstanden. Ich hätte das alles verhindern können, wenn ich die Kiste hierher genommen hätte. Hab ich aber nicht. Willst du jetzt wissen, was ich deshalb gesehen hab oder weiter über mögliche Szenarien sprechen?“

    Torben hob abwehrend die Hände: „In Ordnung, tut mir leid. Erzähl weiter.“

    „Gut“, meinte Manu und nahm seine Erzählung wieder auf. „Ich hab im Frachtraum nach meiner Kiste geschaut, weil ich wusste, dass ich sie dort nicht mehr lang lagern kann, ohne, dass sie entdeckt wird. Deshalb war ich dort. Aber als ich dort war und darüber nachgedacht hab, hab ich plötzlich ein Geräusch gehört. Ein Kettenrasseln. Ich bin dem gefolgt und kam zu dem Metallkäfig, in dem der Käpt'n, Merten und Adler ihre persönlichen Waren wegschließen. Und dort hab ich dann die lebende Fracht gesehen.“ Er stoppte, wartete auf eine Reaktion von Torben. Sein Zimmerkollege schien über das plötzliche Ende überrascht und fragte gleich: „Und, was ist es genau? Irgendein Tier? Es ist aber kein Mensch, oder?“

    „Es ist ... beides“, antwortete Manu und erntete einen verständnislosen Blick von Torben.

    „Wie ‚beides‘?"

    „Es ist eine Harpyie.“

    Der Satz hing in der Luft, als sein Kamerad ihn ungläubig anschaute.

    „Das ... das ist ein Scherz, oder? Du tischt mir hier Seemannsgarn auf!“, erwiderte er, als er anfing gepresst zu lachen.

    „Nein. Wir haben eine lebende Harpyie im Frachtraum“, sagte Manu mit ernster Stimme.

    „Aber, wer ..., ich meine ..., warum? Wieso? Ich kapier das nicht!“, entkam es Torben sichtlich verwirrt. Manu zuckte mit den Schultern, immerhin waren es dieselben Fragen, die er sich auch stellte.

    „Am meisten frage ich mich aber, was ich jetzt machen soll“, erwiderte er seufzend.

    „Nichts“, meinte Torben, „selbst wenn es sich um Schmuggel oder sonst etwas handelt, kannst du nichts tun. Die Fracht gehört entweder Zeppelin, Merten oder Adler und keiner von denen wird sich von uns was sagen lassen. Vor allem, wenn es Zeppelins Ware ist. Jede Einmischung sorgt dafür, dass du beim nächsten Hafen vom Schiff fliegst.“

    Manu wusste, dass sein Kamerad recht hatte. Egal, wem die Harpyie gehörte, er konnte nichts tun. Obwohl Zeppelin die Regel aufgestellt hatte, dass lebende Fracht nicht mehr transportiert wird, würden Merten und Adler so eine Aktion nicht hinter dem Rücken des Kapitäns durchführen. Und wenn die Harpyie Zeppelin selbst gehörte, waren einem einfachen Matrosen wie ihm die Hände gebunden. Trotzdem konnte er das nicht akzeptieren.

    „Das ist keine Fracht“, zischte Manu wütend. „Das ist ein Lebewesen.“

    „Wie auch immer“, erwiderte Torben mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Wenn du dich einmischst, fliegst du von Bord.“


    Die Worte hallten noch lang in Manus Kopf wieder, als er danach schlafen ging. Sein Zimmerkollege hatte noch ein wenig auf ihn eingeredet, aber er hatte sich nichts davon gemerkt. Die Nacht war kurz gewesen, er hatte kaum schlafen können und es doch irgendwie gemeinsam mit Torben rechtzeitig zu seiner Schicht geschafft. Das Frühstück hatte Manu einfach ausfallen lassen, der Gedanke an Essen war ihm schon zu viel gewesen. Er merkte deutlich, dass sein Kamerad ihn mehr als sonst beobachtete, aber das war ihm gleich. Gähnend saß Manu an seinem Arbeitstisch und reparierte ein Werkzeug. Die meisten Schäden wiederholten sich, sodass er mehrere Stunden dasselbe tat und sich wie ein Arbeiter am Fließband einer großen Fabrik vorkam.

    Er ließ die Frühstückspause ausfallen, obwohl Torben ihn dazu drängte. Doch Manu gefiel sein momentaner Arbeitsrhythmus und er hatte immer noch keinen Appetit. Außerdem war es ihm ganz recht für kurze Zeit allein zu sein. Seit dem Aufwachen hatte er sich gefragt, ob sich wohl jemand um die Harpyie im Frachtraum kümmerte. Ihm ging die Geschichte mit den zwei Pfauen nicht aus dem Kopf und er machte sich Sorgen. Vor allem der Gedanke, dass das Überleben der Harpyie dem Käufer eventuell gar nicht wichtig war, ließ ihn erschaudern. Wer an Bord konnte so grausam sein?

    Natürlich wusste Manu, dass man auf einem Luftschiff aus härterem Holz geschnitzt sein musste, aber selbst wenn Zeppelin und Merten unnahbar wirkten und eine enorme Autorität ausstrahlten, hätte er sie nie als grausam beschrieben. Adler schon gar nicht. Er war ruppig und hatte sicherlich mehr Interesse an seinen Maschinen, als an Lebewesen, aber er war auch sehr fair und achtete immer darauf, dass es den Matrosen unter ihm gut ging. Wenn Adler mitbekommen hätte, dass er nicht in der Frühstückspause war, hätte er Manu eigenhändig dorthin geschleift.

    Er blickte von seinem Werkzeug auf die Uhr, die in einiger Entfernung an einem hervorstehenden Rohr hing.

    „Noch vier Stunden“, dachte er, „und dann muss ich mich entscheiden.“