Mhhm.... Fantasy. Das Genre und mich verbindet seit geraumer Zeit eine seltsame Form der Hassliebe. Angefangen hat alles als ich im Alter von zarten 7 oder 8 Jahren mit einer Tabletop-Gruppe von Dungeons&Dragons-Spielern konfrontiert wurde. Schnell habe ich angefangen mich für Zauberer, Zwerge, Drachen und all den anderen lustigen Kreaturen des Fantasy-Multiversums Seitdem war ich in die große Welt des Rollenspiels und das Genre der Fantasy verliebt. Mehr oder weniger. Als ich älter wurde fing ich an Fantasy-Literatur zu lesen, nur um zu bemerken, dass Tolkien gar nicht so gut ist wie viele Menschen gerne mal behaupten. Auch mit Reihen wie Eragon und Narnia konnte ich nie wirklich etwas anfangen. Fantasy... nein... Eigentlich spezifisch High-Fantasy war für mich zu dem Zeitpunkt bereits etwas, an dem ich nur Spaß haben konnte, wenn ich es AKTIV erlebe. Die meisten Geschichten in dem Genre waren oftmals zu abgedroschen, eindimensional und schematisch. Ein ehemaliger D&D-Leiter von mir hat mal gesagt „Hast du einen Fantasy-Roman gelesen, kennst du sie alle.“. Vielleicht ein wenig blauäugig generalisiert, aber traurigerweise sagt mir meine Erfahrung, dass diese Quintessenz wahrer ist, als man vielleicht glauben mag.
Mittlerweile bin ich in einer Phase angekommen, in der ich Schwierigkeiten habe mich überhaupt für klassische High-Fantasy zu motivieren. Egal welches Buch ich lese, egal welches Videospiel ich spiele und ganz gleich welches tolle Rollenspiel-Regelwerk ich lese... Alle haben sie dieselben Probleme. Elfen, Zwerge und Drachen habe ich schon so oft erlebt und nur selten waren sie mehr als ihre Rassenschablone. Versteht mich bitte nicht falsch... Ich will keineswegs Elfen, die anders sind, nur um anders als die Standard-Schablone zu sein. Denn dieses „Anders“ endet immer in demselben Problem, mit dem auch die Schablone zu tun hat. Alle halbwegs etablierten Rassen und Fabelwesen der High Fantasy leiden unter derselben Krankheit der monokulturellen Ausprägung. Diese Monokulturen werden immer über einen extrem kleinen Rahmen von besonderen Eigenschaften definiert (z.B hübsche, langlebige Elfen oder bärtige, saufende und grimmige Zwerge). Diesem Schema fallen nahezu alle Vertreter dieser Völker anheim. Tun sie es nicht, sind sie ein so krasser Gegenteil des klassischen Schemas, dass es lächerlich wird. Aber das Schema ist nicht mal das Problem. Auch im echten Leben werden verschiedene Völker über bestimmte Charakteristika definiert. Aber dort ist der große Unterschied, dass wir alle im Endeffekt immer noch Menschen sind. Und als Menschen verhalten wir uns, unabhängig kultureller Differenzen immer noch... menschlich.
Genau da liegt bei Fantasy-Rassen das Problem. Nahezu jeden Elfen kann man durch einen sportlichen, fitten Menschen ersetzen. Nahezu jeder Zwerg ist im Endeffekt nichts weiter als ein kleinwüchsiger Schotte (Vorsicht Hyperbel!). Sie sind selten bis nie die mystischen, fremdartigen Spezies als die sie verkauft werden. Sie sind meist genauso menschlich wie wir... nur mit einem übergeordneten Klischee-Filter. Ich habe in den Jahren nur sehr wenige Beispiele gesehen, in denen Elfen oder meinetwegen auch intelligente Drachen wirklich befremdlich gewirkt haben.
Und da ich all dieser pseudomenschlichen Monokulturen überdrüssig bin, widme ich mich gerne High Fantasy, die eben nicht den klassischen Schemata entspricht. High Fantasy, die es schafft ohne Elfen und Zwerge eine faszinierende, mystische Welt zu erschaffen. Bisher habe ich im Rahmen von Romanen und Videospielen vergeblich nach so etwas gesucht. Im Punkto klassische Tabletop/Pencil and Paper-Rollenspiele habe ich jedoch meine große Liebe gefunden. Ein nettes, kleines Fantasy-Setting genannt Exalted. Die Autoren des Settings haben es geschafft eine Welt mit vielfältigen Kulturen zu erschaffen, ohne von der Schablone des Menschen abzuweichen. Und alles, was nicht menschlich ist, ist WIRKLICH befremdlich. Beispielweise die sogenannten Raksha. Optisch kann ein Raksha zwischen einem besonders attraktiv wirkenden Petunientopf und einem entstellten Spitzohr, welches aussieht als hätte Cthulhu eine Elfe vergewaltigt, liegen. Charakteristisch sind diese netten Gestalten so Unemsnchlich in ihrem Denken und Handeln, dass viele Personen sie oftmals als „böse“ fehlklassifizieren. Diese Raksha sind in Wahrheit aber moralisch schlichtweg... leer. Sie sind die physische Manifestation von Geschichten und spielen eine überdreht-klischeehafte und festgefahrene Rolle vollkommen freiwillig, bis sie Ihnen zu langweilig wird. Amüsanterweise wirken Raksha, die Personen imitieren, in ihrem Handeln so überspitzt und abgedroschen, weil für sie das ganze Leben nichts als eine Geschichte ist. Sie verstehen menschliche Konzepte wie Konsequenzen und Emotionen nicht. Folglich handeln sie nur, wie es der Geschichte zuträglich ist. Oder wie sie glauben, dass es ihr zuträglich ist.
Derartige Geschöpfe würde ich gerne häufiger in Fantasy-Universen sehen. Entitäten, deren Moral und Denkweise so weit von der unseren entfernt ist, dass ihre bloße Existenz befremdlich wirkt. Und damit meine ich auch befremdlich für den Leser.
Weniger vermenschlichte Monokulturen. Mehr Spezies, die aufgrund ihres Verhaltens so fremdartig sind, dass das Setting seinen mystischen Flair wiedererlangt, den es spätestens dann verliert, wenn man zum zwanzigsten Mal eine Elfenrasse kennenlernt, die der urelfischen Schablone 1 zu 1 entspricht, aber anders genannt wird, um die Illusion zu erwecken es handle sich nicht um Klischee-Elfen. An dieser Stelle möchte ich mal die Behauptung aufstellen, dass all die Menschen, die Tolkien in den Himmel gelobt haben, an dieser langweiligen, eintönigen Situation Schuld sind. Tolkien wird so als der „Schöpfer“ der modernen High Fantasy verschrieen, wie Howard als Schöpfer der modernen Low Fantasy verschrieben wird. Seltsamerweise sieht man in der Low Fantasy aber keine 10.000 Geschichten über Barbarenkönige, die in zweitklassigen Verfilmungen von Arnold Schwarzenegger gespielt werden. Das Genre hat auch seine Probleme, aber die liegen eher an mangelnden, fähigen Autoren. All die Fantasy-Autoren von Heute, seien sie noch so fähig oder unfähig, verharren einfach auf den alten Sinnbildern Tolkiens, ohne sich selbst Gedanken zu machen. Und warum tun sie das? Weil es den Menschen gefällt. Die Fantasy-Fans mögen ihr eindimensionalen Monokulturen... oder viel mehr haben sie sich in all den Jahren der Stagnation so daran gewöhnt, dass sie gar nichts anderes mehr erwarten. Aber genauso wie Lovecrafts Art Cosmic Horror zu schreiben trotz ihrer Genialität einfach outdated ist, bedürfen die Schablonen mit denen das Genre der Fantasy arbeitet dringender Überarbeitung. Aus Bequemlichkeit wird jedoch nicht mehr daran herumgeschraubt, weil es sich immernoch verkauft. Und die Käufer kaufen es immernoch, weil sie sich an den Status Quo gewöhnt haben und glauben noch nicht übersättigt zu sein. Oder sie haben so viele Jahre damit verbracht, dass sie tatsächlich übersättigt sind und zu anderen Genres oder den wenigen Ausnahmen innerhalb des Genres übergangen.
Oder man wendet sich dem Rollenspiel zu. Dort werden die klassischen Elemente zwar oftmals ebenso eindimensional behandelt... aber da die Spieler selbst die Geschichte schreiben, liegt es auch an ihnen solche Aspekte zu verhindern. Eine gute Bekannte, die ich vor Jahren mal bei einer Runde Vampire:The Masquerade kennengelernt habe, meinte in dem Kontext mal sinngemäß „Warum sollte ich einen 600 Seiten Schmöker von irgendeinem alten Sack durchlesen, wenn die Geschichten die unser Dungeon Master sich ausdenkt, viel abenteuerlicher und interessanter sind? Obendrein kann ich da das Ergebnis selbst beeinflussen!“
Und ich muss der Aussage zustimmen. Aber vielleicht hat es auch einfach damit zu tun, dass ich das zweifelhafte Glück hatte, in meiner Jugend von meinem Babysitter in Dungeons and Dragons involviert zu werden...
Aber genug zur High Fantasy. Viele der Probleme lassen sich auch auf mein nächstes Thema übertragen. Urban Fantasy. Das Genre ist schon ein gutes Stück diverser als High Fantasy, was vor allem daran liegt, dass es mit vielen verschiedenen Subgenres harmoniert. Urban Fantasy kann sowohl auf einer High- als auch auf eine Low-Skala gespielt werden. Man kann sie auch an das Horror-Genre angliedern oder dem Weg der Dark Fantasy folgen. Auch hier habe ich echte Probleme Geschichten zu finden, die ich als wirklich gut erachte. Eines der wenigen, positiven Beispiele wäre Dresden Files. Das wohl negativste Beispiel, welches mir in den Sinn kommt, ist Harry Potter. Ich weiß, ich bin mit meiner Meinung eine Minderheit. Aber das Potter-Universum war mir noch nie sonderlich geheuer. Hauptsächlich deswegen, weil es ein gigantisches Plothole hat, welches das ganze Setting vollkommen unlogisch werden lässt. Und ja, man kann auch in einem Setting mit Magie von Logik ausgehen. Aber da ich ja keine haltlosen Vorwürfe in den Raum werfen will, beleuchte ich einfach mal was ich meine. Ob ich nun Rollenspiel in der World of Darkness betreibe oder Dresden Files lese... Gut durchdachte Urban Fantasy findet sich immer mit einem klaren Standpunkt ab. Die übernatürliche Welt befindet sich entweder im Schatten der „menschlichen Zivilisation“ oder hat diese komplett ersetzt. Letzteres klammern wir hier mal aus, weil das in HP definitiv nicht der Fall ist. Das Potter-Universum versucht deutlich ersteren Weg zu gehen und scheitert dabei fatal. Der erste Band hat das mit der Winkelgasse(ich glaube so hieß sie) ganz gut aufgegriffen. Eine inmitten einer Großstadt versteckte Kommune, die nur auf einem bestimmten Weg erreichbar ist, ergibt Sinn. Vermutlich würde sogar dafür hochgradig spezialisierte Magie erfunden. Damit kann ich noch konform gehen
Aber die Bücher haben auch ganze Dörfer und Landschaften gezeigt, die ausschließlich von Magiern besiedelt sind. Und wenn wir an dem Punkt ankommen, fängt meine Bullshit-Sirene an laut zu heulen. Ich gehe ja noch damit konform, wenn man sagt die Leute versuchen sich so gut wie möglich zu tarnen wenn zufällig jemand auf die Kommune stößt. Im Notfall wird bei 1-2 Einzelpersonen sogar das Gedächtnis manipuliert. Aber rein nach der Logik sollte es früher oder später mal passieren, dass Beispielweise ein Bauprojekt eine Magier-Kommune betrifft. Man kann schlecht wieder und wieder das Gedächtnis der Bauarbeiter löschen, solange jemand im Hintergrund nicht vergisst, dass da etwas getan werden muss. Früher oder später würde das erst mediale und dann wissenschaftliche, wenn nicht sogar militärische Aufmerksamkeit auf sich ziehen. An dem Punkt funktioniert es nicht mehr etwaige Probleme mit „because magic“ wegzurationaliseren. Und was ist mit all den Fabelwesen? Satelliten dürften auch mal einen Drachen mit aufnehmen. Personen dürften mal einer peitschenden Weide begegnen... Die Welt der Magie im Potter-Universum wurde soweit ich es gelesen habe(bis einschließlich Band 5) nie so weit in die menschliche Gesellschaft integriert, dass man solche Probleme unter der Hand lösen könnte. Ganz im Gegenteil hat die Darstellung auf mich immer den Eindruck zweier unabhängiger Parallelgesellschaften erweckt. Ein System, dass niemals funktionieren würde. Das regelt, auch wenn ich absolut kein Freund von Vampiren bin, die World of Darkness viel besser. Dort infiltrieren die Vampire sogar Regierungen, Militärs und Konzernriesen. Während ein großer Teil der Gesellschaft der sogenannten „kindred“ sich vollkommen in die moderne Gesellschaft integriert und nahezu lückendichte Tarnungen aufbaut, existiert gleichzeitig eine vampirische Parallelgesellschaft im Schatten der modernen Zivilisation. Natürlich kann da durch richtig gezogene Stricke (ganz ohne übernatürliche Kräfte) mal einen Mordfall aus den Akten verschwinden lassen oder eine geleakte Satellitenaufnahme als Fake abstempeln und die Beweisstücke vernichten/verändern. Es ist auch im Rollenspiel des Settings oft ein elementarer Bestandteil die sogenannte „Maskerade“ aufrecht zu erhalten und die Existenz des übernatürlichen vor dem Volksmund geheim zu halten. Bevorzugt mit mundanen oder nur subtil-übernatürlichen Effekten. Denn zu große übernatürliche Einflüsse (wie z.B. das Verändern von Erinnerungen) würden bei gehäufter Anwendung zu viele Ungereimtheiten hinterlassen. Und da ich unfähig bin über diesen elementaren, logischen Fehler hinweg zu sehen, wurde mir die Harry Potter Reihe durch meine eigenen Ansprüche systematisch madig gemacht.
Anyway... Da ich gerne mal kritische Standpunkte in den Raum werfe, fasse ich hier mal in einer klaren Aussage zusammen, was ich in den obigen Absätzen versucht habe zu verdeutlichen:
Die Geschichtsschreiber (Dazu zähle ich auch Storyboards für Filme, Videospiele und Serien) des Fantasy-Genres haben Angst vor Risiken und lassen ihre Welten deswegen stagnant auf einer „Ebene“, die erst durch Tolkien geschaffen und dann durch Dungeons and Dragons massentauglich gemacht wurde. Manche tun es aus mangelndem Können oder fehlender Kreativität, andere sind schlichtweg nicht risikofreudig genug um auf einer nicht oberflächlichen Ebene zu experimentieren. Solange dieser Stagnation nicht entgegengewirkt wird, wird es immer nur dieselben Geschichten über die selben ach so perfekten und/oder dramatischen Helden mit ihren ach so sonderbaren und besonderen Kameraden geben. Solange kein kreativer Geist über den Schatten Tolkiens springt, werden wir wieder und wieder die selben Monokulturen von Elfen und Zwergen sehen, die eigentlich viel menschlicher sind als ihre Schöpfer es uns gerne weiß machen würden. Wenn niemand sich traut den ersten Schritt zu gehen und Werke, die TATSÄCHLICH etwas neues ausprobieren, Randerscheinungen bleiben, werden die nächsten 60 Jahre für das Genre denselben Anstrich haben wie die letzten 50. Und das ist ein Zustand, den sich wohl niemand ernsthaft wünschen könnte.
tl;dr: Ich bin 'ne Fantasy-Tsundere.