Es dauerte nicht lange, und Ilonie erreichte, zusammen mit Ki, den Eisenzaun von vorhin wieder. Sogleich trat die Serkane in die Richtung, in der sie den Geruch ihres Rucksacks feststellte - da dieser einen speziellen Duft hatte, war es ein Ding der Unmöglichkeit, den zu verlieren - hob ihn auf und untersuchte den Platz nach dem Tiegel, in dem das grüne Wundermittel noch immer sein müsste. Fehlschlag, dachte sie enttäuscht, als sie es nicht fand und fuhr sich verärgert mit den Fingern durch ihr strohblondes Haar. Seufzend wandte sie sich zu ihrem Wegbegleiter. "Danke, dass Sie mich begleitet haben, oder dass ich sie begleiten durfte... Und gerne würde ich Ihnen die Salbe nun überreichen, nur - leider finde ich sie nicht mehr." Sie drehte ihren Kopf zu Nori, welcher anscheinend auch nichts gesehen hatte. Das heisst, gesehen hatte er eigentlich schon etwas, und zwar seinen komplett kahlen Knochen, den er liegen gelassen hatte. Nun kaute er wieder leidenschaftlich darauf herum. "Du könntest mir wenigstens helfen beim Suchen... Du bist heute äusserst undankbar, weisst du das?", sagte sie leise, und der Halbwolf reagierte somit auch gar nicht auf ihre Worte. Ob Ki das tat, dass war Ilonie eigentlich egal. Unter den Serkanen galt es als eine edle Angewohnheit, mit ihren Tieren zu sprechen. Gaia soll die Tiere genau so wie die Serkane, die Menschen und all die anderen Lebensformen geschaffen haben, auch sie können denken wie fühlen. Spricht man mit ihnen, wird Gaia Gnade walten, sollte man ihr Kind, die Erde, verletzten. Völliger Quatsch in Ilonies Augen - Und doch treibt sie ein winziger, nicht unterdrückter Instinkt trotzdem immer wieder dazu, ihre Sünde irgendwie zu verharmlosen. Oder sie tut es eifach, weil sie Nori eben mag. Wie soll man sagen - Er ist ein guter Freund und Wegbegleiter. Ist ihr doch egal, ob dass ihre 'Sünde' abnschwächt oder nicht. Es ist doch alles so lächerlich, alles.
"Vielleicht könnte es die ursprüngliche Besitzerin wieder an sich genommen haben...", sagte Ilonie leicht bedauernd. Sie sah in Richtung Gebäude. Erst jetzt bemerkte sie, dass jemand am Eingang stand. Sie kniff die Augen zusammen, verdammte gedanklich ihre Kurzsichtigkeit und schnupperte kurz. Aus dem Adelshaus kam ihr ein eigenartiger Duft entgegen. Sie wandte sich nochmals zu Ki.
"Am besten, Sie wenden sich an die eigentliche Besitzerin. Ich kann sie momentan nicht sehen, aber - Falls sie irgendwo eine Katze auf zwei Beinen sehen: Das ist sie. Sie riecht nach Wald, falls sie sich unsicher sind." Sie zeigte zum Eingang. "Wie es scheint, ist nun Besammlung. Vielleicht sieht man sich ja wieder." Sie hob die Hand zum Abschied, pfiff Nori zu sich und trat dann in die Richtung, in der auch die anderen Teilnehmer liefen, sprangen, trotteten, oder was die Leute eben sonst noch tun, um sich fortzubewegen.
Der Herr, welcher all sie seltsamen Gesellen vor dem riesigen Anwesen hereinlud, hatte einen weissen Haarschopf, weshalb Ilonie ihn etwas älter schätzte. Ebenfalls weiss war seine Kleidung. Das liess ihn zwar sauber und edel aussehen, jedoch roch er seltsam fremd und unangenehm. Menschen nannten soetwas Parfüm - Vielleicht hatte er soetwas auch angewendet. Vielleicht hatte er aber auch von Natur aus einen solchen Duft. Aber Ilonie konnte ihn, im wahrsten Sinne des Wortes, nicht riechen. Auch der Blick, wie er über die Menge streifte, erschien ihr nicht sehr sympathisch. Sie konnte ihm ansehen, dass ihm die Gesellschaft, die sich hier befand, nicht gefiel. Zugegeben - Für eine Expedition erwartet man nicht zwangsläufig einen Wolf, einen Echsenmenschen, jemanden, dessen Gesundheit selbst ein kurzsichtiger Serkane als äusserst kritisch einstufen würde, eine Katze, pardon, Katzendame, einen Pelzmantelträger, der einem falschen Gott folgte, eine Elfe, einen normalen Menschen, noch ein normaler Mensch mit seltsamer Kleidung, und noch einen Menschen, welcher ständig von 'wir' redet. Sie sah sich nochmals prüfend um. Waren das alle? Nein, da war noch jemand. In der Nähe des Zaunes. Ilonie hatte die Person gar nicht bemerkt - Eine Frau mit hellbraunem Haar und einem grünen Kleid. Und einem Bogen. Wieso war sie ihr nicht schon früher aufgefallen? Wahrscheinlich, weil sie es auch gar nicht wollte - an ihrem grimmigen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wollte sie keine Gesellschaft. Auch egal. Neugierig trat Ilonie in das traute Heim des Fürsten ein.
Im Inneren des Anwesens war es nicht besonders prunkvoll oder adelig, eher auf nötigste reduziert, fast spartanisch. Okay, die wenigen Dinge, die man erkannte, waren sicher alles andere als billig, und es war immer noch klar, dass hier ein äusserst mächtiger Herr wohnte. Während Ilonie durch einen langen, blanken Gang schritt, spürte sie plötzlich etwas wie Respekt vor dem Fürsten. Für ein solches Gebäude benötigt man Tonnen Baumatreal... Unter den Serkanen wäre dieshier ein Todesurteil von Gaia persönlich, soetwas zu erbauen. Innerhalb dieser vier Wänden erkannte man kein Stückchen Natur, kein Notiz von Gaia. Man brauchte doch irgendwie Mut, soetwas zu erschaffen, oder sich erschaffen lassen. Aber, ganz ehrlich - Hier könnte sie's gut aushalten.
Ohne ein Wort zu sagen, trottete sie dem Mann im weissen Anzug und den schwarzen Handschuhen nach, neben ihr Nori. Irgendwie schon seltsam - Hier drin wirkten die beiden komplett falsch, und für einen Moment kam Ilonie sich sogar ziemlich schäbig vor. Was suchte jemand in einem solch' edlen Gang, welcher sich nicht einmal Geld für ein Jagtmesser leisten konnte, seine Kleidung selbst machen musste und sich sein Essen ebenfalls selbst jagte? Sie hätte sich wenigstens Schuhe anziehen können - schon den ganzen Tag verweilten diese ein ihrem Rucksack, während sie barfuss herumlief. Oder sie hätte sich die Haare irgendwie kämmen können. Aber, halt, sie hatte ja gar keine Haarbürste. (Mehr. Aber Halbwölfe sind nunmal schwierig.) Aber wenn schon - Spielt kaum eine Rolle. Ob sie nun besonders reich oder bettelarm erschien, war ihr herzlich egal. Sie konnte auch ohne Geld erstaunlich gut leben. Warum sollte sie sich deshalb also umkrempeln? Sie war eine einfache Serkane, auf der Suche nach Technik. Wer einer schäbigen Person nicht hilft, dem würde Ilonie sowieso nicht vertrauen.
Während sie noch in Gedanken versunken war, gelangte die kuriose Gruppe schliesslich ans Ende des Ganges, wo ein Butler, welcher aus der Sicht der Blonden dem Nichts auftauchte, die Türe öffnete.
Der Raum dahinter erinnerte Ilonie sofort wieder an das Gefühl, sich äusserst schäbig zu fühlen. Dashier war nun adelig udn prunkvoll. Unter ihren nackten Füssen lag ein roter, feiner Teppich mit einem speziellen Muster, an den Wänden buhlten sicherlich keine billigen Gemälde um die Aufmerksamkeit der Gäste, teure Möbel mit Kerzen standen im Raum und ein riesiger Kronleuchter unterstrich den Reichtum des Fürsten. In der Mitte stand ein einladender, grosser Tisch, welcher allerlei Nahrungsmittel bereithielt - ihren Duft konnte Ilonie vom Eingang aus klar und deutlich riechen. Als sie etwas weiter hineintrat, erkannte sie eine Karte an der entferntesten Wand. Welche, konnte sie leider nicht sagen - Verdammte Kurzsichtigkeit.
"Bitte nehmen sie Platz. Ich werde ihnen nun die genauen Einzelheiten schildern", sagte der Mann in Weiss. Interssiert trat Ilonie noch etwas näher an den Tisch und griff einfach mal zu - Kurz darauf landete ein äusserst salziges Gebäck in ihrem Mund und liess jenen praktisch komplett austrocknen. Ohne die Miene zu verziehen, streckte sie unauffällig Nori den ungeniessbaren Snack zu, welcher ihn gierig verschlang und dannach heftig den Kopf schüttelte. Ilonie lächelte.
"Hm? Das ist aber merkwürdig für Wells. Ansonsten bevorzugt er es doch, solche Angelegenheiten selbst zu erledigen." Die Serkane sah auf und entdeckte den Echsenmenschen mit dem Koffer in der Hand, den sie vorher draussen gesehen hatte. Er wirkte, als sähe er diese prunkvolle Welt tagtäglich und schien überhaupt nicht beeindruckt.
"Der Fürst ist momentan in einer wichtigen geschäftlichen Angelegenheit verwickelt und kann deshalb heute nicht hier sein", lautete die Antwort. "Mein Name ist Maximilian Crowford und ich werde diese Aufgabe an seiner Stelle übernehmen. Verlieren wir keine Zeit." Er drehte sich zu Karte.
"Wie sie alle sicher sicher entweder gehört oder möglicherweise sogar selbst miterlebt haben, ist die Situation in dieser Welt mehr als nur fraglich. Allerorts gehen höchst Dinge vor, die nicht mehr seit dem Erscheinen Gaias vorgekommen sind. Das Auftauchen neuer völlig neuer und aggressiver Arten unter Tieren und Pflanzen oder merkwürdige Krankheiten, die in einigen Fällen sogar kilometerweit alles Leben befallen sind nur Beispiele." Er sah kurz nach hinten, fuhr dann fort. "Auch hier in Duran sind wir nicht vor diesen Geschehnissen sicher. Hier-" Er zeigte auf ein winziges Dorf, ein paar kilometer nördlich von Mischara. "-in Dara soll eine Rankenart gesichtet worden sein, die mehrere hundert Meter in einer Woche wächst und sich so ziemlich von allem ernährt was sich sich bewegt." Er zeigte auf einen grösseren, blauen Fleck - Vermutlich ein See, doch Ilonie stand zu weit weg, sodass sie das nicht mit völliger Sicherheit sagen konnte. "Am Kristay-See hat sich laut einiger Wanderer ein großes Reptil niedergelassen, den Drachen aus alten Sagen nicht unähnlich. Solche Vorfälle sind zahlreich und anscheinend ohne jede Verbindung. Normalerweise würden diese Fälle im einzelnen keine Überraschung sein, aber in dieser Zahl und Verbreitung können sie einfach nicht natürlich sein. Hinzu kommt, dass immer öfter von Fluktuationen im Ätherstrom an den betroffenen Stellen berichtet wird. Und dann wäre da noch..." Maximilian schien zu zögern, schüttelte den Kopf. Ilonie legte leicht verwirrt den Kopf schräg. Wollte er der Gruppe etwas vorenthalten? "Dazu später mehr. Wie den auch sei. Die größte Sorge bereit dem Fürsten das Dorf Dranga,-" Er zeigte auf einen weiteren Fleck, "wo eine merkwürdige Mutation an einigen Wölfen beobachtet würde. Die Einwohner meinen, dass sie immer noch ziemlich scheu gegenüber Menschen sein sollen. Trotzdem scheinen immer mehr Leute zu verschwinden. Ob dies an diesen komischen Wölfen liegt, dem Verursacher der Mutationen oder einen vollkommenen anderen Grund hat ist nicht klar, aber dennoch hat der Fürst große Sorge um das Dorf." Vom Echsenmenschen ging ein Schnauben aus. Dies verstärkte ihren Verdacht, dass er sich hier anscheinend bestens auskannte. "Ich denke, es ist nun klar, was ihre Aufgabe ist: Finden sie heraus, was die Dorfbewohner verschwinden lässt und wenn möglich beseitigen sie den Verursacher, falls es denn einen gibt. Es wäre auch vom größten Interesse, wenn sie herausfinden könnten, ob ein Zusammenhang zu anderen Ereignissen besteht. Selbst für den winzigsten Hinweis sollen sie bereits ein hohes Honorar bekommen, das verspricht ihnen der Fürst." Er drehte sich wieder zur Gruppe. "Falls noch Fragen sein sollten, dann zögern sie nicht, diese zu stellen."
Es wurden einige Fragen gestellt, welchen die Serkane etwas gelangweilt zuhörte. Also, das war der, eigentlich klare, Auftrag...
Aber das konnte eine recht lange Mission werden. Eine, wie soll man sagen... Fast ein wenig eine Firschungsexpidition. Wolfswesen, die Menschen verschleppten... Und soetwas liess Gaia zu? Verdammte Mörderin.
Aber es sollte doch irgendwie möglich sein. Immerhin, bei solch' verrückten Teilnehmern - und Ilonie zählte sich dabei amüsiert hinzu - sollte selbst soetwas möglich sein. Zwar - Die Frage der jungen Dame, warum man nicht einfach Soldaten schickt, schien in den Augen der Serkane durchaus berechtigt. Ob diese Truppe hier wohl eine Art Söldnerarmee war? Und was, wenn diese Truppe schlicht und einfach nicht gut genug war und schlussendlcuh ebenfalls den Wölfen zum Opfer fiel?
Etwas wie ein kalter Schauer lief Ilonie den Rücken herunter, aber sogleich versuchte sie, dass unangenehme Gefühl wieder zu verdrängen.
Sie war hier. Wenn sie jetzt abhaute, war sie ein Feigling. Und diese Tatsache ging ihr gewaltig gegen den Strich. Ilonie konnte sich verteidigen, notfalls sogar mit Magie. Sie war eine fast ausgebildete Jägerin. Notfalls könnte sogar Nori eingreifen. Sie sah keinen Grund, weshalb sie jetzt den Schwanz einziehen sollte, wenn die Chance, diese Mission nicht beenden zu können, eigentlich recht klein war. Um sich abzulenken, griff sie noch einmal nach einem Snack, welcher etwas geniessbarer als der erste war, wenn nicht sogar ziemlich gut schmeckte. Ob sie wohl etwas davon mitnehmen könnte?
"Ich frage mich, wie wir mit Ihnen oder dem Fürsten kommunizieren können, falls es etwas zu benachrichtigen gibt", schoss sie plötzlich los, nachdem sie ihren Happen hinuntergeschluckt hatte. "Ausserdem - wie lange dauert die Reise nach Dranga überhaupt? Ich bin nicht von hier, weshalb mir das Gebiet hier eher unbekannt ist, 'tschuldigung", meinte sie locker, ohne sich anmerken zu lassen, wie sie sich vor einem Moment noch fühlte.