So, nach einigen Monaten hab ich es jetzt auch endlich ma wieder geschafft, ein Kapitel zu schreiben. Irgendwie war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich nicht weiter kam, und dementsprechend weniger Lust hatte, daran zu schreiben. Zudem war es in der Schule recht hektisch, mit Klausuren und allerlei Zusatzkram, sodass ich am Wochenende anderen Aktivitäten nachgegangen bin ~ Ich hoffe, dass es jetzt wieder etwas flüssiger von statten geht. Eigentlich hatte ich vor, das Kapitel mit mehr Handlung zu füllen, allerdings wäre das weitaus zu viel an Text gewesen, deshalb gibt es das jetzt in zwei separaten Kapiteln, die mehr oder weniger der sonstigen Länge entsprechen. Außerdem habe ich den Startpost gründlich überarbeitet, wer will, kann sich das nochma ansehen bzw sich dazu äußern.
Doch an dieser Stelle, bevor ich das neue Kapitel präsentiere, möchte ich einma der Userin BlackLatias danken, die sich freundlicherweise kurzfristig als Betaleserin zur Verfügung gestellt hat, damit ich noch am heutigen Abend posten kann. Vielen, vielen Dank, meine Liebste, und auf dass dir das Kapitel schon beim ersten Lesen gefallen hat :3
Grüner Verrat
(White)
"Hast du dazu noch irgendetwas zu sagen?", feixte ich aufgebracht. Allmählich stahl sich das helle Tageslicht davon, weg aus meinem Zimmer, weg von der Welt, wobei es, seitdem es sich hier gezeigt hatte, ohnehin dunkler als normalerweise um diese Uhrzeit war. Die Tür fest verschlossen, das Fenster gekippt, ausschließlich unter solchen Umständen hatte er einem Gespräch mit mir eingewilligt, sodass ja niemand auf die Idee kam, uns zu belauschen. Ständig wanderte der Blick seiner grün-bläulich gefärbten Seelenspiegel, die im Grunde doch nichts über ihn verrieten oder gar seine Gesinnung, im Raum umher, suchte die Ecken nach potenziellen ungebetenen Gästen ab, die Ansätze der Bettunterseite, auf dessen Matratze ich hockte, glitt ins Badezimmer und wieder zurück. Ich wusste, er spürte zusätzlich, ob sich neben seiner Wenigkeit und mir jemand in unmittelbarer Nähe aufhielt, aber seine ewige Paranoia würde ihm noch einmal zum Verhängnis. Vorsicht, schön und gut, dagegen erhob ich nicht mein Wort, wenn eine Person allerdings zu jeder Zeit einen Feind in einem völlig ungefährlichen Umfeld vermutete, der sie als eine Art Schatten begleitete, die passende Gelegenheit abwartete, einen Anschlag zu verüben, dann fiel das meiner Meinung nach in die Schublade, die Anfänge des Wahnsinns beherbergte. Zudem verkörperte er exakt das, was er stets vermeiden wollte, nämlich, dass ihn jemand auf Schritt und Tritt beobachtete. Was tat er mir damit an?
Nie genoss man vollkommene Privatsphäre, nie, man fühlte sich ausspioniert, durfte ja keine falsche Bewegung ausführen, erst recht keinen falschen Gedanken denken, ansonsten folgten harte Strafen, die ich nicht unbedingt testen wollte. Dennoch schien es unabwendbar, mindestens einmal die Pein ertragen zu müssen, nach dem, was mein lieber 'Beschützer', so nannte er sich selbst, mir eben offenbart hatte. "Du irrst dich, das ist nicht möglich! Bislang erforderte es doch -"
"Zeiten ändern sich." Er lehnte mit vor der Brust verschränken Armen gegen den Dunkelholzschrank, gehüllt in eine weiße Jacke, nicht weit entfernt vom Fußende meines Schlafdomizils, fixierte ausnahmsweise mich, die ihre Beine angewinkelt und ihre Arme darum geschlungen hatte, um Wenigstens über geringen Halt zu verfügen. Ansonsten war keiner anwesend, der ihn mir hätte geben können. "Beabsichtigt oder nicht, ab sofort wirst du Konsequenzen für deine Aktionen tragen. Nur gerecht, du warst die Einzige, die nie einen Tribut zahlte."
"Hat er das angeordnet?" Meine Stimme, geprägt von Vorwürfen und Beschuldigung, klang gleichsam so verdammt weinerlich, unsicher, nahe den Tränen aufgrund meiner insgeheim gehegten Wut. "Das soll wohl ein Scherz sein!" Je länger meine zu Schlitzen verengten Augen in seinen Worten, sowie seiner Gestalt, seinem Verhalten stocherten, desto schneller schwand meine Fassung, naja, das, was am heutigen Tage davon übrig geblieben war. Die gesamte Konstruktion meines bereits vergangenen Lebens bröckelte, geriet ins Wanken, meine Erfahrungen schlugen Purzelbäume, meine Kenntnisse, die ich im Laufe der Jahre erlangt hatte, barsten auseinander und mischten sich neu, ein unendliches Durcheinander erzeugend. Welche Eigenschaft an mir änderte sich gerade? Womit verdiente ich ein derartiges Schicksal? Tja, somit zogen sie sich weiter zu, meine heiligen Fesseln, scheuerten an meinen Hand- und Fußgelenken, schabten Stück für Stück einzelne Hautschichten ab, um schlussendlich mittels meiner Wunden in meinen Leib einzudringen, mich ebenfalls von dort aus zu knechten. Ich spürte förmlich, wie das erste Blut sickerte, Eintritt gewährte, nicht mehr bloß meine Seele, sondern jetzt auch meine physische Existenz seiner Macht oblag. Er wäre in der Lage, mich auf der Stelle zu töten, ohne mit der Wimper zu zucken, sofern er dergleichen besaß...
Eine gewisse Angst kroch meine Kehle hinauf, am liebsten hätte ich laut geschluchzt, doch den Triumph verbot mein Stolz, ihm zu gönnen. Nein, vom Rang her stand ich höher, ich durfte keine Blöße zulassen, ihm keinerlei Schwachstelle servieren. Zwar schüchterte seine Unberechenbarkeit mich ein, und dessen war er sich durchaus bewusst, aber auf eine Niederlage meinerseits während eines Kampfes, egal welcher Art und Weise, liefe es trotzdem nicht hinaus, das hatte ich meiner Ehre, prinzipiell allgemein mir persönlich, geschworen. "Wenn ja, dann -"
"Nein, er hat nichts damit zu tun." Erstaunlich, seine so kurzatmigen Antworten schnitten mir immer wieder das Wort ab, seine Stimme, so scharf wie ein spitzer Dolch, sie stach in meine vorlaute Dreistigkeit, die es mir ermöglichte, stets einen mehr oder weniger passenden Kommentar parat zu halten. Dank ihr war es mir bereits oft gelungen, manch schwierige Situation besser zu händeln, sie besser zu verarbeiten, indem ich vermeintliche Trauer gar nicht erst an mich heran ließ, sie abwehrte, als sei sie etwas von abscheulicher Natur.
Teils ragten längere, grüne Strähnen in sein ernstes Antlitz, bedeckten Partien seiner Haut und seines Halses, sobald er sein Haupt gen bläulichem Boden neigte, seine Iriden, nach wie vor bedrohlich leuchtend, schienen ins Unendliche zu starren, abwesend. Er lachte spöttisch auf. "Du stießest neu dazu, Entwicklungen verzögern sich im Gegensatz zu Rekruten, die -"
"Rekrut?" Es war nicht so, dass ich seine Aussage akustisch nicht verstanden hätte, nein, doch missfiel mir diese Bezeichnung sehr. Sie bedeutete Unerfahrenheit, kindliche Naivität, Nachgiebigkeit, Unterwerfung ... mittlerweile dominierte purer Zorn meine Satzgefüge. "So siehst du mich? Jetzt hören Sie mir genau zu, Sie separater Großbuchstabe, wir wissen, das entspricht nicht der Wahrheit, sind Sie es immerhin gewesen, der mich zu dem machte, was nun Tag für Tag mein Leben bestimmt. Ich muss gestehen, den Schlamassel in Johto verdanke ich meiner eigenen Unachtsamkeit, doch ich sorge gleichsam für Ruhe in der Hinsicht. Und ganz nebenbei habe ich zusätzlich andere Probleme, die meiner vollen Aufmerksamkeit bedürfen."
"Zum Beispiel Drew?" Der Grünhaarige schnaubte. "Hör auf, dich selbst zu belügen, meine Liebe, dadurch wird es nicht glaubwürdiger, so sehr du dich sträubst, es hilft nichts." Herausfordernd funkelte ich ihn an, meine Seelenspiegel vermittelten reinen Hass. Am liebsten hätte ich mich gleich einer Furie auf ihn gestürzt, meine dann nicht mehr bloß halb ausgefahrenen Klauen an seinem vor Schmerz stöhnenden Leib gewetzt, wäre in meinem Triumph schwarz erblüht, wie eine Rose, sobald ihre Dornen bittersüßes Blut kosteten. Wie eine seiner Rosen... "Wo war dein Geliebter, als man dich widerwillig verführen wollte?"
"Wo warst du?" Hoffentlich ahnte er nicht, welch heilloses Chaos unser Gespräch in mir verursachte, allein meine aufrechte Haltung zu wahren fiel mir zunehmend schwerer, von meiner starken Fassade ganz zu schweigen. Natürlich, jeden Tag, jede Stunde drängte sich mir die Frage auf, warum ausgerechnet Black und nicht Drew zu meiner Rettung geeilt, wieso Letzterer bis jetzt nicht ein einziges Mal in meinem Krankenzimmer erschienen war, mir einen Besuch abstattete, damit ich sicher sein konnte, dass ihm an mir wenigstens ein kleines Bisschen lag; dass er sich im Gegensatz zu früher geändert hatte. Falsch gedacht. Er verkörperte nun mal die Freiheit in Person, band sich an nichts und niemanden, war seit Langem schon all den Pflichten entwichen, die mich von gewissen Oberhäuptern abhängig machten, denen ich so oder so gehorchen musste, da Rebellionen hohe Preise forderten, sehr hohe. Empfänge mich im Nachhinein ein besseres Schicksal, wäre ich ihm damals gefolgt, hätte die geschworenen Bande entzweit?
Meine Gesichtszüge entspannten sich etwas, als ich an meine Vergangenheit dachte. Meine unbeschwerte, federleichte, klare Vergangenheit, ohne Fehler, ohne Stress, ich vermisste sie so sehr. Die Spielereien, die mich als Kleinkind begleitet hatten, die Albernheiten, die Süßigkeiten, welche man erhielt, sobald man sich eine Wunde zugezogen hatte. Doch allen voran fehlte er mir, mein Vater. Wieso bloß war Black in Kenntnis dieser Erinnerung gelangt? Dabei hatte ich mich so intensiv bemüht, sie zu vergessen, zu verdrängen, um sämtliche meiner Schwächen zu eliminieren, ich wollte nicht noch einmal einen derartigen Verlust erleiden; wollte nicht mehr gefangen sein in der Trauer meiner Einsamkeit. Und der Braunhaarige hatte exakt den so ziemlich einzigen wunden Punkt anvisiert, unbeabsichtigt, aber sollte er wissen, wie viel Schaden er allein mit Hilfe jener wenigen Sekunden anrichten könnte, wäre ich ... machtlos. "Oder in Viola City? Immer das Gleiche, immer tauchst du erst nach dem Ereignis auf, wenn die Gefahr sich gelegt hat!" Unvermittelt stieß sich mein Gesprächspartner von seinem bisherigen Hintergrund ab, seine giftgrünen Locken wehten ihm in seiner Bewegung leicht hinterher, und stützte sich mit den Armen an der höher gelegenen Fußkante des Bettes ab. Vielleicht einen halben Meter betrug nun der Abstand zwischen unseren Gesichtern, Rage glühte in seinen Seelenfenstern, es schien, als stellten sie die letzte vorhandene, seine Wut bändigende Barriere dar, ehe seine Gedanken spitze Speere auf mich hetzten, mich zerstückelnd, bis ich um Gnade winselte. Selbst wenn dieser Fall einträte, kapitulieren würde ich niemals. Dennoch, so entschlossen und hauptsächlich auf mich eingeschossen er den Blickkontakt aufrecht hielt, andere Körperabschnitte erweckten in mir einen eher müden Eindruck. Seine Haut, fahl und blass, trocken, ohne Stabilität, als wäre er schon zwanzig Jahre älter. An seinen Handrücken zeichneten sich ansatzweise Sehnen und Arterien ab, widerwärtig, wie ich fand, tiefe Augenringe zierten die Ränder seiner Wangen, seine Lippen wiesen diverse Risse auf. Offenbar existierte unter uns etwas, was ich bisher versäumt hatte in Erfahrung zu bringen, oder man hatte es mir bewusst verschwiegen, mir war es einerlei. Irgendetwas an seinen Fähigkeiten erzeugte einen verheerenden Nachteil, so schlimm, dass es sich an der äußerlichen Hülle feststellen ließ, und das garantiert nicht grundlos.
"Wohl kaum, Teuerste. Was wäre heute geschehen, hätte ich nicht eingegriffen?" Sein Zeigefinger erhob sich aus der Umklammerung des Holzes, er deutete in etwa auf mein linkes Handgelenk. "Ich beobachte dich. Glaub nicht, mir wäre es entgangen, dass ihr euch näher gekommen seid; dass du dich beherrschen musstest, nicht in seine Arme zu gleiten; dass in seiner Gegenwart dein grauer Schleier fällt." Er presste jedes einzelne Wort in immenser Anstrengung heraus, nicht zu brüllen, knirschte fortwährend mit den Zähnen, seine Fingernägel schabten auf dem Holz unter ihnen und vermachten dem Bett schmale, nichtsdestotrotz tiefe Furchen.
"Was ist mit deiner Hand passiert?", warf ich ein, ohne unser stummes Gefecht abzubrechen, geschweige denn auf seinen Vorwurf zu reagieren. Es streute Sprösslinge der Unsicherheit in mir, keine Frage, weshalb ich vehement versuchte, vom Status der Angegriffenen in den der Angreiferin zu wechseln. Leider erzielte ich auf diese Weise keinen Erfolg.
"Ich habe gemerkt, welchen Blick du ihm gewidmet, und was du in seinem gelesen hast. Du hast dir nicht eine Sekunde lang gewünscht, es handele sich um Drew, der da vor dir sitzt, habe ich nicht recht?"
"Hör auf." Je mehr er mir davon berichtete, ich mir also über die gesamte Situation Gedanken machte, desto schneidender wurde aus mir unerfindlichen Gründen das Stechen in meiner Brust. Tausende Nadeln rammten sich in mein Herz, nicht bildlich, sondern wirklich in mein Organ, brannten, säten Feuer darin, es krümmte und wandte sich vor Qual, ohne eine Möglichkeit, dem entfliehen zu können - mein restlicher Körper fesselte es ja kontinuierlich an Ort und Stelle. Meine Temperatur stieg, während langsam Stich für Stich sein Debüt erlebte, die seltsamerweise ausschließlich den wichtigsten Muskel meiner Wenigkeit massakrierten. Das Atmen erschwerte sich, meine Finger krallten sich in die weiße Bettdecke, auf der ich saß. Finster starrte ich meinen Gegenüber an, von dem ich wusste, er nahm jegliche Geste meinerseits wahr. Ich trotzte dem Wunsch, ihn zu fragen, was genau mit mir passierte, das war eine Niederlage nicht wert. Allmählich gewöhnte man sich daran, Pein zu ertragen, da hielte ich es wohl noch ein Weilchen so aus.
"Du wolltest mit ihm reden, am liebsten Ewigkeiten lang, und in einer vollkommen anderen Art, bei der Worte unnötig wären; wolltest dich dem Feind hingeben, dich auf seine Seite schlagen, obwohl du weißt, es gäbe keine Flucht vor -"
"Sei endlich still, verdammt!" Meine rechte Hand presste ich mittlerweile auf den Abschnitt unterhalb meiner linken Schulter, Schweißperlen rannen seitlich an meiner Stirn hinab, und ich war froh, überhaupt ein Wort zu äußern imstande zu sein. Ich atmete eher ein als aus, schlichtweg aus der Motivation, überflüssige Bewegungen zu vermeiden, mir zusätzlichen Schmerz zu ersparen. Anstatt eines pumpenden Herzens fühlte ich einen flammenden Klumpen, so unglaublich schwer. Läge ich nicht bereits halb, würde er mich wahrscheinlich endgültig zu Boden drücken. Mit aller Kraft hielt ich meine Seelenspiegel offen, mein Sehfeld verlor beständig an Schärfe, doch ich fixierte weiterhin meinen Pseudoaufpasser. Ein hinterhältiges Lächeln bildete sich auf seinen spröden Lippen, diabolisch, während er gespannt meinen Leidensweg verfolgte. Einst dachte ich, ich empfände stärkere Zuneigung für ihn als geschäftliche, glaubte, er könne mir helfen, Vergangenes zu bereinigen, jedoch führte er nichts Besseres im Schilde als Drew. Ich sollte aufhören, Typen anhand ihrer Augen- und Haarfarbe auszuwählen, gerade grün neigte anscheinend zu Verrat, wo es prinzipiell die Farbe der Eifersucht symbolisierte. Hier galten andere Regeln. "Sag mir lieber, warum du ... so zugerichtet bist ..." Nach fast jedem Wort musste ich keuchen, es entspracht nicht meinem Willen, nur erkannte ich momentan keinerlei Alternative, mich nicht augenblicklich zusammen zu kauern und lauthals meinem Druck Luft zu verschaffen.
Die Helligkeit im Zimmer zog sich schleichend zurück, ich merkte, wie die Farben der Gegenstände hier an Ausstrahlung verloren, sich verdunkelten, und die Schattierungen an Stärke gewannen. Rauschend flatterten die bläulichen Vorhänge in den Launen des Windes, draußen wechselte der Himmel von nachmittäglichem Azur zu angehauchtem Violett. Einige Wolken passierten den Fensterausschnitt, teils beschienen, teils von der sinkenden Lichtquelle abgewandt, wodurch extreme Kontraste sie prägten. Ich schaute wieder zu meinem ... jetzt zu meinem Halbfeind. Er richtete sich zu seiner vollen Statur auf, drehte sich um und schritt zu dem gläsernen Portal meines Zimmers. Seine weiße Jacke spannte sich über seinen geraden Rücken, ihn bedeckten außerdem seine längeren, grünen Haare. Trotz der Tatsache, dass er dem männlichen Geschlecht angehörte, musste ich zugeben, diese Frisur stand ihm ungemein, und er wirkte damit alles andere als mädchenhaft.
"Alles hat seinen Preis.", entgegnete er stumpf. "Du hast deinen soeben kennen gelernt." Bevor ich bloß eine einzelne Silbe erwidern konnte, entledigte er seinen Körper jeglicher Festigkeit, er glich beinahe einer Flüssigkeit, die der Gravitation einen Streich spielte und nicht sofort den Boden begrüßte, sondern sich aufrecht erhielt. Die Grundzüge seiner Gliedmaßen vermochte man noch klar voneinander zu trennen, der Rest ähnelte einer géléeartigen Masse, sie wechselte im Laufe des Vorgangs von der Färbung seiner Kleidung, der Haare und Haut zu einem tiefen Schwarz. Schließlich fiel das Etwas in sich zusammen, man fand es sozusagen als düstere Pfütze auf dem blauen Teppich wieder, dort harrte es eine Weile aus. Mir war bewusst, welch verstörenden Einfluss der Anblick einer solchen Verwandlung, nein, einer solchen Gestalt auf andere Kreaturen ausüben musste, doch ich kannte es inzwischen zur Genüge. Einen Schatten, das verkörperte es in Wahrheit, das war seine Variation der Fortbewegung. So strömte er eine Unheil erzeugende Aura aus, es raubte seinem Umfeld jedes Quäntchen Wärme, jagte mir einen Schauer ein. Ich meinte, eine Sekunde lang seine sehenden Smaragde in dem lichtlosen Wirrwarr zu identifizieren, sie ermahnten mich ein erneutes Mal, dann schlängelte sich die düstere, zähflüssige Form den Boden entlang, kroch die Wand hinauf und entschwand durch das Fenster. Geistesabwesend spähte ich ihm hinterher, zumindest bis zu dem Limit verträumt, wie es der Schmerz in meiner Brust gestattete. Zwar hatte er nunmehr nachgelassen, komplett abgeklungen war er allerdings noch nicht.
Dass ich Antworten auf meine Fragen erhalten hatte, das durfte ich keineswegs behaupten, im Gegenteil, zusätzliche Rätsel hatten sich aufgetan, was sich ja als so hilfreich erwies.
Seufzend drehte ich mich auf den Rücken, musterte die hölzerne Zimmerdecke. Auf ihr befanden sich etliche Maserungen, dunkler als die Überdachung an sich, welche das Chaos in mir perfekt beschrieben. Verworren, ineinander verwoben, im Kreise führend, Schlingen bildend. Fing man eine von ihnen, besaß man alle - in meinen Augen eine Ungerechtigkeit höchsten Niveaus. Und hätte ich als Folge meiner neuen Erkenntnis nicht mein goldenes Armband gepackt, abgerissen und in die nächste Ecke geschleudert, wäre mir voraussichtlich dasselbe Schicksal widerfahren.