Hin und weg
...oder wie ich mal wieder vor lauter Tränen nichts sehen konnte
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Ich muss gestehen, dass ich deutsche Filme eigentlich ständig vernachlässige, da muss ich oft drauf hingewiesen werden, sonst gehen die völlig an mir vorbei.
Dieser Film aus dem letzten Jahr kann schonmal mit bekannten Darstellern wie Florian David Fitz, Jürgen Vogel und Hannelore Elsner aufwarten.
Es ist ein Rodamovie, dass sich über gut anderthalb Stunden mit dem Thema Sterbehilfe auseinandersetzt.
Kurzer Story-Umriss: Hannes (F. D. Fitz) und seine Freunde machen jedes Jahr eine groß angelegte Radtour, so auch dieses Jahr. Doch anstatt irgend etwas nettes in Südeuropa zu suchen oder etwas herausforderndes wie die Küsten Schottlands entscheidet Hannes, dass es nach Belgien gehen soll.
Der Grund wird schnell klar: Hannes, seine Freundin Kiki und seine Mutter (Elsner) teilen den Freunden mit, dass Hannes an ALS leidet, eine unheilbare Krankheit, die ihm langsam seiner körperlichen Fähigkeiten berauben wird, bis er schlussendlich pflegebedürftig wird. Erste Anzeichen merkt Hannes schon: konnte er früher noch ohne Probleme längere Touren mit dem Rad unternehmen, schafft er konditionell mittlerweile keine 20 km mehr am Stück.
Da er nicht zum Pflegefall werden will, beschließt Hannes, die Reise nach Belgien anzutreten, um dort Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Die Freunde sind natürlich geschockt, traurig, wütend, das volle Programm. Kurzzeitig steht der ganze Trip auf der Kippe, aber die Freunde beschließen, Hannes auf seiner letzten Reise weiter zu begleiten, kleine Krisen entstehen oder werden aufgelöst, am Ende stehen Belgien, ein Arzt, ein Bett, eine Injektion, Tränen - nicht nur bei den Schauspielern!
Ich muss sagen, dass man dem Film an mehr als einer Stelle anmerkt, dass er mit Musik, Großaufnahmen und ähnlichem an gewisse Gefühle appelliert. Trotz dieser Offensichtlichkeit an mancher Stelle hat mich der Film auch genau da gepackt. Es ist ein Film, in dem die Schauspieler allesamt eine mindestens solide Darstellung abliefern, gerade Jürgen Vogel, zu dem ich ein zwiegespaltenes Verhältnis habe, gefiel mir sehr gut als typischer Frauenaufreisser und Sprücheklopfer, dem man aber zwischendurch anmerkt, dass er wirklich Angst hat, sich dem Ende der Reise zu stellen. Es wird nicht explizit erwähnt oder gezeigt, aber gerade dieses Subtile gefiel mir und machte es insgesamt noch runder.
So manches ist natürlich vorhersehbar: das kriselnde Ehepaar, welches sich am Ende wohl wieder lieb hat, der Bruder, der erst total wütend auf Hannes ist, am Ende aber treu zu ihm steht, Hannes selber. Doch gerade Hannes, so vorhersehbar in manchen Szenen, so stark fand ich Fitz' Darstellung des Charakters gegen Ende des Films, gerade sein emotionaler Ausbruch am Lagerfeuer.
Aber ich wurde auch überrascht:
Vogels Charakter muss während der Tour die Aufgabe erfüllen, sich als Frau zu verkleiden. Das macht er auch, um die zu dem Zeitpunkt miese Stimmung zu heben. In einer Bar reißt er, NATÜRLICH, mal eben in Frauenkleidern mit seiner, mit Verlaub, Hackfresse, eine 20-jährige auf. Da hab ich erst noch gedacht: musste das jetzt sein? Welchen Mehrwert hat der Film dadurch? Aber dieses Mädel hat sich innerhalb kurzer Zeit wirklich gut in die Gruppe integriert und gerade Vogels Charakter dabei geholfen, offener mit seinen Gefühlen umzugehen. Definitiv die positivste Überraschung des Films!
Etwas fragwürdig fand ich den kleinen Twist am Ende. Es ist kein relevanter Spoiler, keine Sorge. ;) Sie kommen also schlussendlich bei dem Arzt an, der Hannes die tödliche Injektion verabreichen soll, sehen einen Leichenwagen vor der Praxis, aber dann stellt sich heraus, dass der Wagen für den Arzt selber war; dieser war am Abend zuvor plötzlich verstorben. Sie müssen also noch einen Tag warten, bis zu dem anderen Arzt können, der das Gutachten über Hannes mit verfasst hat. Ich sehe natürlich die Absicht des Regisseurs dahinter, aber im Grunde wurde der Film dadurch nicht mit mehr sinnhaften Szenen gefüllt.
Dazu hätte ich persönlich die letzten Minuten weggelassen, die nach Hannes' Tod spielen. Das ist aber wirklich Geschmackssache, wirklich schlecht fand ich das nicht, aber mir persönlich hätte es besser gefallen, wenn es mit Hannes' Tod geendet hätte.
Also viel Licht und Schatten? Mitnichten. Ich war ehrlich berührt von dem Film, kam gerade am Ende nicht mehr hinterher, Tränen zu verdrücken - dafür waren es zu viele. Das, was ich zu kritteln hatte, ist wirklich nur marginal, insgesamt war es ein sehr rundes Filmerlebnis, welches ich bei (deutschen) Dramen selten habe. Ich werde den Film bestimmt nicht alle paar Monate mal gucken, dafür ist er doch zu traurig, aber ich kann ich absolut empfehlen. Für ein 95-minütiges Auf und Ab der Gefühle vergebe ich 7,5/10 Punkt