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Gewinner des 10. Wettbewerbs - Saison 2012
Abschied nehmen
Informationstopic
Votetopic
[tab='Platz 1']
[subtab='Foxhound`71']
Einst mit dem Leben
Ein einzelner kleiner Wassertropfen macht sich von seinem Ursprung auf in ein für ihn unbekanntes Terrain. Er fließt über eine weiche, leicht unebene Oberfläche und folgt dabei einer vorgegebenen Route. Einen Weg, der bereits von unzähligen anderen Tropfen benetzt, auf ein bestimmtes Ziel hinführt. Ein Ziel, welches kein Zurück duldet.
Langsam steuert der Tropfen auf den niedrigsten Punkt des gesamten Terrains zu und sammelt sich an dieser Stelle. Er wird durch das nachfließende Wasser immer schwerer und die physikalischen Gesetze ziehen ihn immer weiter nach unten in den Abgrund… Immer mehr, immer weiter, bis er letztlich den Halt verliert und als glitzernde Wasserperle seinen Sturz in die Tiefe wagt…
Mit einem leisen Aufprall landet eine weitere Träne auf meiner bereits durchnässten Schnauze und lässt mich bei der plötzlichen Kühle leicht zusammenzucken. Die wievielte war es diesmal?
Ich öffne meine schwachgewordenen Augenlider und schaue mit getrübtem Blick in das Antlitz meiner „Herrin, die mit stark verzerrten Gesichtszügen über mich gebeugt der in ihr rührenden Trauer ihren Lauf lässt. Noch nie habe ich sie so erlebt - nicht in all der langen Zeit, in der wir zusammen auf Reisen waren.
Sie sieht mich an und die Tränen rinnen ihr noch schneller über die Wangen. Die Trauer frisst sie auf, dass spüre ich ganz genau und es schmerzt mich innerlich sehr, sie so zu sehen. Ich würde sie gerne trösten, doch ich schaffe es nicht einmal mehr, meinen Kopf richtig anzuheben. So strecke ich meine Zunge raus und schlecke ihr wenigstens über das Handgelenk. Bitte… weine nicht, Trip… Sei stark und trockne deine Tränen…
Ich mache sie mit einem tonlosen Laut auf mich aufmerksam. Sie hebt ihre Hand und streichelt mir über den zitternden Körper. Ihre Finger fahren mir sanft durch das pechschwarze Fell und über die stählernen Auswüchse auf meinem Rücken. Die Augenlider fallen mir zu und ich sauge die fürsorgliche Erfahrung auf, wie die trockene Erde den hereinbrechenden Regenschauer. In diesem Moment höre ich eine erstickte Stimme auf mich einreden: „Hundemon…? Bleib bitte da.“
Obwohl mir das Licht der untergehenden Sonne in den Augen brennt, öffne ich sie wieder, weil ich Angst habe, dass Trip sonst noch mehr weint. Sie zittert genauso wie ich, aber nicht aus Kälte. Und als ob sie es auch spüren würde, breitet sie die Arme um mich aus und umarmt mich so gut es geht, indem sie meinen Kopf und Hals an sich drückt. Ich höre keine Tränen mehr, die ihr über das nasse Gesicht laufen, sie schnieft nur vermehrt und ganz plötzlich fängt sie an, von früher zu erzählen…
Erinnerungen werden wieder in mir wach; Erinnerungen, die längst vergangen sind, aber ja… sie sind etwas Wunderbares…
Unsere erste Begegnung hat damals vor vielen Jahren an einem klaren Wintertag am „See der Wahrheit“ stattgefunden. Mein ehemaliger Herr hatte mich dort zurückgelassen, weil ich in seinen Augen eine Schande für sein Team und zu nichts nütze war. So lag ich da im Schnee, spürte aus Erschöpfung meine Pfoten nicht mehr und wollte nur noch einschlafen und die Welt um mich herum vergessen. Da hörte ich deine warme Stimme, die mich ins Leben zurückrufen wollte. Ich hätte gerne zugebissen, war aber zu schwach dafür gewesen und konnte mich auch nicht wehren, als du einen Pokéball auf mich warfst und ich darin gefangen blieb.
Erst als ich wieder zu mir kam, befreit von allen Schmerz und Leid, und du dort mit deinen jadegrünen Augen vor mir standest und fragtest, wie es mir ginge, verstand ich erst, dass du mir helfen wolltest. Aber ich verstand nicht warum… Ich musste immer alleine zurechtkommen, mein Herr hat mir nie geholfen. Du aber kanntest mich nicht und hast meine Wunden trotzdem versorgt. In mir bereitete sich ein seltsames Gefühl aus, welches sich nicht beschreiben ließ, aber auch nicht unangenehm war.
Und genau das war der erste Funke unserer Freundschaft gewesen, der sich in all den Jahren in ein gewaltiges Inferno entwickelt hatte und bis heute unverändert besteht.
Sie hört auf zu erzählen und hält mich weiterhin fest. Erneut fängt sie leise an zu weinen, aber es ist so still um uns herum, sodass ich glaube, dass sogar die Welt den Atem anhält. Am Horizont versinkt die Sonne bereits hinter den Bergen. Lange Schatten greifen nach uns, aber nur der Himmel spendet uns seinen Glanz, in dem er in einem feurig-goldenen Licht erstrahlt… Nur mein eigenes Feuer erlischt allmählich.
Trip, beruhige dich und lausche meinem Herzen. Höre genau hin, was es zu sagen hat. Es sagt dir, dass du um mich nicht trauern musst. Ich habe ein schönes Leben bei dir gehabt. Ein Leben voller schöner und trauriger Momente, die niemals vergessen werden.
Und du weißt doch, dass ich nicht mehr der Jüngste war, als wir uns damals begegneten.
Du hast dich stets um mich gekümmert, hast mich trainiert und mir damit eine zweite Chance gegeben, mich zu beweisen. Du zeigtest mir die schöne Seite des Lebens. Und dafür bin ich dir äußerst dankbar.
Das Band der Freundschaft zog sich in der langen Zeit immer enger um uns. Jeder Kampf machte uns stärker für die Gefahren der Zukunft… doch wir haben sie alle überwunden… Nur eine Prüfung muss noch bestanden werden… eine Prüfung des Lebens… der du dich alleine stellen musst…
Nun hör schon auf zu weinen… ich will nicht, dass du um mich trauerst. Bitte… hör auf…
Sieh mich an… du bist nicht allein. Ich bin bei dir… vertraue darauf. Ich werde immer bei dir sein.
Das Atmen fällt mir immer schwerer und das Heben meiner Flanken wird anstrengender. Ich fange an zu keuchen und das schreckt Trip auf, die mich sofort loslässt und meinen Kopf auf ihren Schoß bettet. Schmerzhaft ziehe ich die Luft in die Lungen und presse sie ebenso schmerzerfüllt wieder aus. Ich werde unruhig, weil mir die letzten Minuten so qualvoll dargeboten werden und Trip nur zu schauen kann, wie ich mich innerlich darum bemühe, wach zu bleiben und nach Luft zu japsen. Aber sie bleibt jetzt unnatürlich ruhig und redet mit mir, und wieder spüre ich diese Wärme in ihrer Stimme.
„Ich bin bei dir, Hundemon. Vertraue darauf.“ Diese Worte, sie ähneln den meinen. Ich sammle meine letzten Reserven und hebe den Kopf, um sie anzuschauen. „Eines Tages… werden wir uns wiedersehen.“ Und dann sehe ich es; ich sehe es in ihren jadegrünen Augen. Sie hat verstanden. Und sie hat selbst keine Angst mehr.
Langsam sinkt mein Kopf in seine Anfangsposition zurück. Ich fühle, wie mir immer schwerer wird. Mein Körper wird kraftloser und mir selbst sehr fremd. Trip spricht weiterhin mit mir und ihre Worte trösten mich. Ihre weiche Hand streichelt mir liebevoll den erschlafften Körper und das beruhigt mich. Allmählich vernebelt sich mein Blick, alles verschwimmt; aber ich habe keine Angst, denn ich weiß, dass Trip bei mir ist. Meine Gedanken und mein Geist werden träge, der Schmerz und das Unwohlsein in meiner Haut lassen nach. Ein entlastendes Gefühl ummantelt mich und nimmt mir die Sorge, dass ich sie womöglich alleine lasse. Aber sie wird nie alleine sein. Unser Abschied ist nicht bis in alle Ewigkeit.
Die Sonne wirft ihr letztes strahlendes Licht auf uns, ehe sie am anderen Ende der Welt untergeht und die Dunkelheit vollends über uns hereinbricht.
Die Augenlider fallen mir zu und schließen sich fest. Die pechschwarzen Flanken erbeben in ihrer Anstrengung ein letztes Mal, bevor sie stehen bleiben und in sich zusammenfallen. Ein kleiner schwacher Lufthauch entflieht meinen geschundenen Lungen und mein Herz hört für immer auf zu schlagen.
[tab='Platz 2']
[subtab='Snake']
Fragile
„Aonar!“
Das Mädchen mit den langen schwarzen Haaren hinter mir rief aufgeregt meinen Namen, weswegen ich mich zu ihr umdrehte und sehen wollte, was sie bedrückte.
„Was ist denn, Saol?“
Auf dem Boden kniend bedachte sie mir mit einem Fingerzeig, auf eine bestimme Stelle zu schauen. Ich ging ebenfalls in die Hocke und besah mir die kleine Wasserpfütze, die sich hier unerklärlicherweise gebildet hatte.
„Da, Wasser!“, rief sie stürmisch und bekam beinahe wieder das Problem, sich zu verhaspeln. Sie formte ihre Hände zu einer Schale und hob damit einen Teil des kühlen Nasses hoch. „Wir haben schon so lange keines mehr gesehen.“
„Ja, da hast du recht, aber dieses hier können wir nicht trinken“, antwortete ich schnell. Als sie mich mit einem fragenden Blick ansah, bedeutete ich ihr, sich die Konsistenz genauer anzusehen. „Siehst du es, in deiner Hand? Das Wasser hat eine schwarze Farbe angenommen. Wenn wir das trinken, würden wir krank werden, da unsere Körper das nicht vertragen.“
„Oh, verstehe.“ Mit Enttäuschung in der Stimme ließ Saol das verschmutzte Wasser auf den Boden prasseln und benetzte dabei leicht ihre simple Kleidung, das lediglich aus einem blauen, etwa knielangen Kleid bestand. Es schmerzte mich selbst auch zu sehen, wie sehr diese Welt schon verkommen war und doch wusste ich nicht mehr so genau, was eigentlich geschehen war.
Vor einiger Zeit - mir war entfallen, ob es Tage oder Wochen waren -, als ich mitten auf der Straße aufgewacht war, lag diese Stadt bereits in Trümmern; einem Inferno gleich waren Gebäude eingestürzt und hatten das Landschaftsbild drastisch verändert. Mir fielen dazu die Nachwirkungen eines Erdbebens ein, da dieses eine ähnliche Zerstörung mit sich brachte, aber ich hatte keine Erinnerung daran, was wirklich passierte.
Eine Sache jedoch war noch schlimmer und ich wäre fast daran vergangen - neben mir schien kein Mensch dieses Ereignis überlebt zu haben. Solange ich schon hier umherirrte, so sehr ich mir auch Gesellschaft gewünscht hatte; ich traf auf meiner bisherigen Suche niemanden. Einsam und verlassen wirkte diese Stadt. Einst so blühend, nun verwelkend. So auch ich.
Bis ich vor drei Tagen Saol traf.
„Komm, wir müssen weiter.“ Ich erhob mich in eine stehende Position und hielt dem Mädchen die rechte Hand als Hilfe entgegen.
„Mh“, war ihre knappe Antwort und sie griff nach meinem Handgelenk, woraufhin ich verschmitzt lächelte. Sie nahm mir dieses beständige Vorantreiben nie übel und war eher glücklich darüber, dass sie mit jemandem unterwegs sein konnte. Schließlich war auch ihre Existenz sehr speziell.
Unter hohen Steingebilden gingen wir hindurch, die wohl die Überreste eines Hochhauses bildeten. Beim Einsturz wurden sie wohl zufällig so angeordnet, dass sie eine Art Tunnel ergaben. Nach einigen Schritten auf der mit Rissen übersehenen Hauptstraße trauten wir unseren Augen kaum, als wir ein intaktes Gebäude einige Meter vor uns erblickten. Zu unseren Füßen hingegen lag ein Schild - vermutlich hing es einmal über dem Eingang und wurde hierher geschleudert - mit der Aufschrift „Bahnhof“. Nach einem kurzen Blickwechsel entschlossen wir uns, dort hineinzugehen und uns umzusehen. Unser Vorteil war, dass wir uns keine Worte mehr zusprechen mussten und trotzdem verstanden. Ob auch sie das gleiche Interesse in dieser Unterkunft sah, wusste ich jedoch nicht. Zumindest hoffte ich persönlich, dort jemand Lebendes anzutreffen.
„Aonar?“ Mit zarter Stimme riss Saol das Wort an sich. Nach einem kurzen Deuten in ihre Richtung fuhr sie auch gleich fort. „Meinst du, wir finden bald wieder etwas zu essen?“
„Keine Sorge“, bedachte ich ihr mit sanftem Ton, „wir haben noch etwas Proviant übrig und ich halte das schon durch. Du zumindest musst dir ja keine Sorgen darum machen.“
„Doch, das mach ich aber!“
Ihre leicht aufbrausende Art überraschte mich immer wieder und gab mir für einen kurzen Moment einen kleinen Trost. Dieses Mal konnte ich außerdem nicht anders, als darüber zu lachen.
„W-was ist denn so witzig?“ Offenbar gefiel es Saol nicht, dass ich mich über sie lustig machte. Es dauerte jedoch, bis ich unter meinem Kichern die richtigen Worte fand und aussprach.
„Nein, weißt du: Ich war einfach so lange allein und ich bin froh, dass du da bist.“
„Oh.“ Offenbar wusste sie darauf keine Antwort, weswegen eine längere Stille eintrat. „Das … ist für mich etwas schwierig zu verstehen, aber ich bin auch froh, dass ich mit dir reisen kann.“
„Ich weiß, ich gehe auch nicht näher darauf ein.“
Insgeheim wussten wir nämlich beide um ihre Identität, denn sie war …
„Tut mir leid … dass es nicht länger dauern wird …“ Plötzlich brach sie unter vermeintlicher Kraftanstrengung zusammen. Reflexartig drehte ich mich um und wollte ihr schon helfen, sah jedoch nur mehr ihren zarten Körper auf dem Boden liegen und wusste, dass etwas nicht stimmte.
„Saol, was ist los?“, rief ich unter plötzlicher Furcht vor dem, was sie sagen könnte. Ihre Antwort glaubte ich allerdings schon zu wissen.
„Ich glaube, meine Energie geht zur Neige. Das haben Androiden leider an sich.“
Meine Beine verließ die Kraft und ich ließ mich nach vorne fallen. Im letzten Moment stützte ich mich mit den Armen ab, um nicht hart aufzuprallen, aber das wäre mir ehrlich gesagt lieber gewesen, als diesen Anblick zu erleben. Langsam und so gut ich es konnte krabbelte ich vorwärts, um zu Saol zu gelangen. Schlussendlich saß ich kniend neben ihr und nahm sie in den Arm, um besser mit ihr reden zu können.
„Nein, sag das nicht! H-hörst du mich? Lass mich nicht zurück!“ Die Trauer beherrschte meine Worte und so sprach ich auf sie ein, doch sie schüttelte sachte ihren Kopf.
„Du weißt, dass es nicht geht. Es ist allein schon ein Wunder, dass ich bis jetzt noch stehen konnte. Normalerweise wäre nämlich schon lange Schluss gewesen, da die Leistung begrenzt ist. Vielleicht hat mich auch der Gedanke weitergetrieben, dich nicht allein zu lassen …“
„Ja, das wird es sein; und wir werden noch viel weiter reisen, nicht wahr?“
Sie schüttelte abermals den Kopf. „Nein. Du musst es wohl ohne mich tun.“
Mit panischem Gesichtsausdruck wollte ich ihr ein weiteres Mal erwidern, doch mir versagte die Stimme. Ich wusste nämlich, dass sie recht hatte.
„Aonar.“ Bestimmt sprach sie meinen Namen aus und legte mir ihre Hand auf die linke Wange, sodass ich sie spüren konnte. „Selbst, wenn ich vergehe, darfst du nicht aufgeben. Irgendwo da draußen wirst du weiteres Leben finden, da bin ich sicher und deswegen darfst und musst du weitergehen.“ Nach einer kurzen Atempause fügte sie noch hinzu: „Ich wäre gerne weiter bei dir geblieben, aber unsere Wege trennen sich wohl.“
„Nein, Saol, lass mich nicht zurück!“ Ich kämpfte bereits mit den Tränen und wollte sie aufhalten, aber sie fingen unweigerlich zu fließen an. Eine nach der anderen suchte ihren Weg zum Erdboden und versickerte dort im Grund. „Ich kann einfach nicht, ich war so lange allein, bis ich dich getroffen habe. Warum muss es enden? Wir … wir sind doch Freunde, oder?“
Diese eine Frage lag mir unweigerlich auf der Zunge und ich musste sie noch stellen. Warum ich das tat, wusste ich nicht. Eine Erwiderung würde mich ohnehin nur noch trauriger machen.
„… Ja. Ja, das sind wir.“ Die schwache Stimme des Mädchens drang bis zu mir durch und regte einen kleinen Schimmer der Hoffnung in meinem Herzen.
Eine nicht definierbare Zeit verging, in der niemand von uns etwas sagte, als sich das Mädchen doch noch einmal aufraffte.
„Mach’s gut; und pass auf dich auf …“, in diesem Moment rutschte ihre Hand von meiner Wange ab und fiel auf den Untergrund. „ … Aonar.“
Mit einem verzweifelten Aufschrei beglich ich diese Geste und brach in Tränen aus. Unkontrolliert sog ich Luft ein und stieß sie ebenso unregelmäßig wieder aus, während ich ihren nicht mehr funktionierenden Körper in den Händen hielt.
Nein; das stimmte nicht.
„Sie … war am Leben …“
Mehrmals hintereinander sagte ich schluchzend dieselben Worte. Wieder und wieder, als ob ich mir etwas beweisen müsste. Irgendwann stoppte ich allerdings und widmete mich allein meinen verbleibenden Tränen.
Unfähig, mich noch weiter zu bewegen, legte ich sie behutsam auf den harten Boden und ich mich neben sie; meine Hand in ihrer Hand. Weitere Schluchzer entkamen meiner Kehle und ich trauerte um diesen Verlust, der mir in diesem Moment erst richtig bewusst wurde. Wie zerbrechlich doch eine Freundschaft war, vermochte niemand zu erkennen, bis es so weit war. Selbst eine AI, eine künstliche Intelligenz, glich doch so sehr einem menschlichen Leben; das erkannte ich schnell.
Saol …
Nun war ich wieder allein. Allein auf dieser Welt, in dieser Stadt, in dieser Minute und ohne jemanden an meiner Seite. Mein fragiler Traum, mit jemandem zusammen zu sein, zerbrach wieder in endlos viele Scherben.
[subtab='Chess']
Irgendwann stirbt jede Hoffnung
„Es… Es tut mir Leid“, dachte ich. Mein Partner bemerkte nicht, was gerade mit mir geschah, ebenso wenig, wie ich. Bis vor ein paar Sekunden war noch alles normal gewesen, wir hatten den Zeitturm gerettet und Dialgas wahres Ich zurück geholt, doch nun trat die Wahrheit ein, die Reptain und Zwirrfinst nicht länger vor mir verschweigen konnten. Gelbliche und bläuliche Lichtpunkte umgaben mich, erst nur ein paar wenige, vereinzelte, doch mit jedem Moment stieg ihre Anzahl an. Ich wollte es nicht tun, doch die Worte platzen plötzlich aus mir heraus, ich hatte meinen Mund nicht mehr unter Kontrolle.
„Héri… Ich… Ich…“ Ich brachte es nicht übers Herz, meinem Partner von dem Geschehen zu berichten, doch nun war es tu spät. Ich hatte etwas gesagt, ich hatte ein Geräusch beschworen und somit die Aufmerksamkeit meines besten Freundes geweckt. Er drehte sich um und blickte mir in die Augen. In den seinen lag tiefe Trauer, als er sah was mit mir geschah, er hatte es also verstanden. Tränen quollen aus seinen gläsernen Augen und fielen anmutig gen Boden herab, bis sie dort wie ein Schiff an einer Klippe zerschellten und in tausende, kleine Teilchen zersprang.
„Vipé, bitte… Geh nicht!“, flüsterte Héri. Seine Stimme war schwach und zerbrechlich, sodass ich mich anstrengen musste um meinen Partner zu verstehen, „Ich brauche dich hier. Die Gilde braucht dich hier.“
Weitere Tränen glitten sein Gesicht hinab und vielen zu Boden, ich betrachtete sie und meinem besten Freund, die Ähnlichkeit der Beiden lag in der Trauer. Doch woher wusste Héri so viel? Ich konnte mich nicht erinnern, ihm etwas davon erzählt zu haben. Hatte er Reptain und mich etwa belauscht?
„Es tut mir Leid“, hauchte ich, „Du wirst weiterleben müssen!“
Héri blickte mich mit einem traurigen Blick an. Eine Spur Verwirrung lag in seinen Augen, doch ich redete einfach weiter.
„Geh nach Hause. Erzähl allen was passiert ist. Erzähle ihnen wer Reptain wirklich war und was Zwirrfinst verbrochen hat. Berichte allen von der Zukunft und dem verborgenen Land und beschreibe wie wir Dialga besiegt haben. Erkläre ihnen den Zeitturm und sorge dafür, dass alle Zahnräder der Zeit dorthin kommen, von wo sie stammen. Sag allen, das ich sie vermissen werde.“
Héri lag die blanke Trauer auf dem Gesicht, noch nie hatte ich etwas Derartiges gesehen, wie es sich hier, direkt vor meinen Augen abspielte. Auch mir entrann eine Träne, doch sie war nur der Vorbote auf einen ganz Schwall ihrer Sorte, auch wenn ihnen nicht viel Zeit blieb, gleich würde ich verschwinden…
„Es tut mir Leid, dass ich gehen muss, Héri, aber das Schicksal will es so… Du bist und bleibst immer… mein bester Freund.“
Mit diesen Worten brachte ich meinen Partner dazu, auf die Knie zu fallen. Er hatte die Hände zusammen gefaltet und betete zu Arceus, dieses Drama zu beenden, mich auf dieser Welt leben zu lassen – Doch betteln schien zwecklos. Héri war traurig und er hatte Angst. Was würde er nur ohne mich machen? Wie sollte er in der Gilde arbeiten, wenn er keinen Partner mehr hatte? Trauer überkam ihn und binnen weniger Sekunden schwappte diese auf mich über.
Das Licht wurde stärker und ich spürte, wie mein Atem zu stocken begann. Er wurde immer abgehackter, bis man es nur noch ein Hecheln nach Atemluft nennen konnte. Mit blanken Entsetzten musste mein Partner Héri beobachten, wie sein aller bester Freund, ich, dahin schied. Es musste ein grausames Gefühl für ihn sein.
Ich spürte wie mir langsam schwarz vor Augen wurde und mein Denken langsam begann auszusetzten. Der Herzschlag in meinem Körper, das rhythmische Schlagen, meines Lebenselixiers, stoppte ab und mein Körper verschwand in einem endlosen, unbekannten Raum. Zurück blieb Héri, mit seiner Trauer und seinen Gedanken. Er dachte an mich und an unsere schönsten gemeinsam Momente. Zurück an den Kampf gegen Groudon und an das Zahnrad der Zeit am Nebelsee. Damals wussten wir noch nicht, dass ich aus der Zukunft stammte, wir hatten Selfe um Hilfe gebeten. Er dachte zurück an den Kampf gegen Zwirrfinst und seine Zobiris, wie Celebi uns vor das Zeitportal gezaubert hatte und wir durch eben dieses zurück in die Gegenwart flüchten konnten. Seine Gedanken schweiften um die Momente auf dem Zeitturm, wie wir das Schatten-Dialga bekämpften und es schließlich besiegt hatten. Schließlich erinnerte er sich an unsere ersten gemeinsamen Sekunden, am Strand von Schatzstadt. Damals hatte er mich ohnmächtig im Sand vorgefunden, woraufhin sein wertvollster Schatz, der später als Schlüssel ins Vergorgene Land dienen sollte, gestohlen. Héri und ich hatten ihn zurückgeholt und nach einigen Überlegungen ein Erkungsteam gegründet. Es war wie als könnte ich seine Gedanken lesen und ohne zu wissen, warum ich es tat, begann ich zu sprechen. Meine Stimme klang anders, als wäre sie nicht die meine. Sie war leise und krächzte ein bisschen, doch trotzdem verstand mein Partner jedes Wort, welches ich ihm in meinen letzten Sekunden mitteilte.
„So hat es angefangen und so wird es enden.“
Mit diesem Satz tat es einen hellen Ton und das Licht ummantelte mich, bis es mich vollkommen verschlungen hatte. Mein Körper löste sich in tausende, winzige Partikel auf, bis auch diese vollends von dieser Erde verschwanden, es bleib kein Hinweis auf meine Existenz zurück, so als wäre ich nie geboren worden. Ich war gekommen als Mensch und ging als Pokémon, zurück blieb mein Partner Héri. Dort lag er - Allein und verlassen auf den Steinen des Zeitturms, welcher nun gerettet war, gerettet durch uns. Diese Rettung war mein Ende und gleichzeitig ein Neuanfang für meinen Partner. Er verharrte auf dieser denkwürdigen Brücke und weinte. Millionen von Tränen fanden ihren Weg aus seinen Augenliedern heraus, auf den steinigen Boden, wo sie langsam und qualvoll versickerten. Mit ihnen Héris letzte Hoffnung, mich wieder zu sehen.[/tabmenu]