Ich verließ Turffield über eine kleine Brücke in Richtung Osten. Natürlich wurden meine Brillengläser sofort wieder dunkel, allerdings sprang mich dieses Mal kein Pokémon an.
„Hey“, rief eine Stimme und automatisch stoppte ich. Ich hatte keine Ahnung, wo oder wer die Person war, die mich gerade ansprach. „Jetzt ist es perfekt für ein Interview mit einem waschechten Arena-Challenger. Und was würde sich besser dafür eignen als ein Pokémon-Kampf?!“
Erschrocken blickte ich in die Richtung, aus der die Stimme kam. Meine Brillengläser wurden wieder durchsichtig und ich sah direkt in eine Kamera.
„Ein gutes Team aus Trainer und Pokémon strahlt regelrecht vor der Kamera“, behauptete der Typ, der das Gerät trug und ehe ich mich versah, hatten er und seine Kollegin, die offenbar die Reporterin war, die mich zuerst angesprochen hatte, ihre Pokémon aus den Bällen gelassen. Und nun konnte ich natürlich nicht nicht kämpfen, um nicht seltsam zu erscheinen.
Goldi machte kurzen Prozess mit dem Klikk des Kameramannes. Doch leider konnte ich Schnee nicht Dampfwalze einsetzen lassen, was dem gegnerischen Eguana sehr geschadet hätte, weil ich unter keinen Umständen mein Skunkapuh in Gefahr bringen wollte. Aber im Endeffekt hatte das gegnerische Pokémon trotzdem keine Chance und erleichtert beendete ich den Kampf.
Die Reporterin war dennoch äußert zufrieden mit den Geschehnissen. „Was für ein Potenzial!“, schwärmte sie und bestürmte mich mit Fragen zu meiner bisherigen Erfahrung.
Ich gab mir Mühe, die langweiligsten Antworten überhaupt zu geben. Ja, natürlich war diese Reise aufregend. Es ist eine tolle Erfahrung, so vielen Menschen zu begegnen. Klar freue ich mich über meinen ersten Orden. Besser niemand beachtete mich genug, um misstrauisch zu werden.
„Ich sollte jetzt aber wirklich weiter“, versuchte ich sie schließlich zum wiederholten Mal abzuwimmeln, als sie mir endlich zuhörte.
„Oh, aber natürlich. Die nächste Arena ruft schon“, flötete sie. „Ich wünsche dir noch viel Erfolg.“
„Vielen Dank“, sagte ich und wandte mich erleichtert zum Gehen. Jetzt musste ich nur noch ein Pokémon fangen, bevor ich wieder durchatmen konnte.
Wer auch immer die Kontrolle über meine Brille besaß, ließ mich tatsächlich ein paar Meter gehen, bevor er mir wieder die Sicht nahm. Vermutlich um den Schein gegenüber dem Fernsehteam zu wahren.
Es dauerte schließlich nicht lange, bis ich in ein Velursi hereinrannte. Ich schickte Perle in den Kampf und versuchte, es ein wenig zu schwächen, ehe ich einen Ball warf. Aber das Velursi hatte andere Pläne. Kaum hatte Perle seine Attacke beendet, stürmte es los und traf das Phlegleon frontal mit einem harten Gegenstoß. Mein geliebter Starter schwankte, hielt sich aber auf den Beinen. Dieser Fang würde mir einiges abverlangen.
Mit klopfendem Herzen rief ich Perle zurück und schickte stattdessen Schnee in den Kampf. Ich wusste, dass sie eine gute Verteidigung hatte und hoffte, dass mir das nun helfen würde. Allerdings schien es meinem Pampuli gar nicht gefallen zu haben, dass Perle so schwer getroffen worden war. Mit zwei schnellen Kicken besiegte sie das Velursi, statt mir eine Chance zum Fangen zu geben.
Wenigstens blieb ihm die Grausamkeit von Cosmas Pokébällen erspart. Und ich musste einfach mit den Pokémon gewinnen, die ich schon hatte … leichter gesagt als getan.
Ich ließ mir Zeit mit dem Vorankommen. Der Weg führte immer wieder sanfte Hügel hinauf und hinunter und ich genoss die Abgeschiedenheit. Wieder merkte ich, wie viel einfacher meine Aufgabe doch war, wenn ich nicht gleichzeitig Menschen, die mir etwas bedeuteten, belügen musste.
Trotz der unschönen Kämpfe nach dem Verlassen der Stadt, nutzte ich den Vormittag zum Trainieren. Am meisten konzentrierte ich mich auf Himbeere, weil sie noch ein paar Level zurücklag. Aber auch meine anderen Pokémon erhielten immer wieder neue Erfahrung, sodass Glöckchen sogar Sondersensor erlernte.
Gegen Mittag gönnte ich uns eine Pause; ich selbst war immerhin schon seit Sonnenaufgang auf den Beinen. An einem kleinen See, der sich an einen Hang schmiegte, stellte ich meinen Campingkocher auf und ließ meine Pokémon aus ihren Bällen. Ich hatte ihnen während des Trainings bereits einzeln zu verstehen gegeben, dass der erste Arenakampf gut ausgegangen war, aber sie alle hier beisammen zu haben, war noch etwas anderes.
Perle – wie auch Glöckchen, der in meiner Nähe blieb – nickte mir zu, ehe er es sich neben Schnee am Rande unseres Lagers gemütlich machte. Natürlich war es für mich manchmal etwas schwer, nicht mehr das verschmuste Memmeon an meiner Seite zu haben, aber Perles ruhige und überlegte Art war eine große Erleichterung. Perle war der einzige, der Cosma selbst kennengelernt hatte. Er wusste, was auf dem Spiel stand. Das hatte uns beide geprägt. Und ich konnte mich immer darauf verlassen, dass er das Team zusammenhielt. So wie er beispielsweise Schnee jetzt Gesellschaft leistete. Ich sah dem Pampuli deutlich an, wie es sich entspannte. Ich bezweifelte, dass Schnee sich jemals beschweren würde, aber auch für sie war es nicht einfach.
Schmetterling und Goldi sahen mich erwartungsvoll an.
„Alles in Ordnung“, beruhigte ich meine Pokémon. „Wir haben es geschafft. Wir haben den ersten Orden. Und den Rest werden wir auch schaffen. Aber jetzt sollten wir uns einfach entspannen.“
Amüsiert beobachtete ich, wie Schmetterling diese Aussage interpretierte. Mit erhobenem Balken lief er auf Himbeere zu und schon kurz darauf entbrannte ein freundschaftliches Kräftemessen zwischen den beiden. Zumindest hoffte ich, dass es freundschaftlich war, immerhin hatten die beiden bisher noch nicht sehr viel Zeit miteinander verbracht.
Als ich mir sicher war, dass die beiden sich nicht gegenseitig verletzen würden, wandte ich mich dem großen Topf zu, um für uns ein Mittagessen zuzubereiten. Auch Goldi hatte kurze Zeit später genug von den Wettkämpfen und rollte sich in der Nähe des Feuers zusammen. Merkur hätte sich bestimmt gerne dazugelegt. Wie gerne hätte ich alle meine Pokémon beisammen, aber Regeln der Liga erlaubte jedem Trainer nur sechs Pokémon dabeizuhaben. Ob Cosma da auch seine Finger im Spiel hatte?
Ich schüttelte den Kopf über meine Gedanken. Diese Regelung bestand schon ewig, vielleicht um junge Trainer nicht zu überfordern oder eine faire Grundlage für die Arena-Challenge zu schaffen. Nicht alles lief auf diesen Sadisten zurück.
Während ich kochte, kamen ein paar wilde Picochilla in mein Camp. Sie wirkten friedlich und ich warf ihnen gelegentlich ein paar Beerenstückchen zu. Zumindest so lange, bis Himbeere sich dazu entschied, sie zu verscheuchen. Hinterher sah sie mich mit einem so stolzen Gesichtsausdruck an, dass es mir das Herz brach. In ihren Augen hatte sie eine Bedrohung beseitigt. Ich war mir nicht sicher, ob sie immer schon so gewesen war oder ob sie nur einen Schutzinstinkt gegenüber ihrem Team entwickelt hatte, das so anfällig für äußere Einflusse war. „Es war nicht nötig“, sagte ich zu ihr. „Aber danke.“
Kurz huschte Verwirrung über ihr Gesicht, dann nickte sie nur und wandte sich anschließend wieder ihrem Training mit Schmetterling zu.
Ich ließ mir Zeit, während ich das fertige Curry in die Schalen für meine Pokémon füllte, und fragte mich, wie anders mein Team aussähe, wäre mir Cosma nie begegnet. Wie gerne hätte ich mich mit diesen Picochilla angefreundet. Warum auch nicht? Aber ich hatte tolle Partner. Partner, die alles für mich gaben. Also würde ich genauso alles für sie geben.
Ich habe im Nachwort zu Kapitel 19 erwähnt, dass ich mich dem ersten Loch in meiner Geschichte näherte. Es ist jetzt endlich zu. Wobei das nächste in Keelton folgen wird. Keelton ist ein einziger Flickenteppich aktuell. Und ich hab ja für dieses auch nur ein halbes Jahr gebraucht ...
Ein halbes Jahr. Das war so absolut nicht geplant. Und dieses Kapitel ist dabei ein wenig kürzer und wäre so schon länger fertig, aber ich wusste nie, wie ich danach weitermachen würde, weshalb immer die Möglichkeit bestand, dass dieses Kapitel selbst länger werden würde. Aber ich habe dann doch so viel geschrieben, dass das komplett ein eigenes Kapitel erhalten wird. Und da ich gestern den letzten Teil dazu geschrieben habe, gelobe ich feierlich, nicht wieder so ewig auf mich warten zu lassen. Und ich werde mich bemühen, die Lücken in Keelton möglichst bald alle zu füllen.
Rusalka, freut mich, dass dir die Ausflüge gefallen. Das sind die Teile, die immer etwas schwieriger sind, weil ich sie halt nicht abschreiben kann x3 Also vielleicht gefällt dir dann nächstes Mal auch, womit ich die Lücke gefüllt habe, auch wenn es im Gesamtzusammenhang etwas kurz kommen könnte^^
Zum Kapitel selbst noch: Innerhalb meines Word-Textes (an der Stelle des Absatzes) befindet sich folgende Aussage (wörtlich):
[Anmerkung der Autorin: Es war sehr unfair, als ich kurz danach einem Psiau begegnete, das ich super hätte fangen können und das mein Team auch noch viel besser ergänzt hätte. – Oder ein Knapfel!!! Das ist so unfair!]
Ich war nicht glücklich mit dem Velursi, dem ich begegnet bin^^" Und ich musste das offensichtlich festhalten, um es eines Tages hier ins Nachwort zu setzen. Und da so viel Zeit vergangen ist, gibt es jetzt eine neue Teamübersicht, obwohl sich nichts daran geändert hat:
Perle
Glöckchen
Merkur
Piano
Flügel
Schnee
Sunset
Goldi
Schmetterling
Himbeere
Im Team sind gerade Perle, Glöckchen, Schnee, Goldi, Schmetterling und Himbeere, auch wenn ich durch die tragbare Box häufiger mal durchwechsle, damit alle zumindest etwas Training abbekommen. Also alle außer Sunset ...
Das nächste Kapitel kommt schneller, versprochen!