Die Blume vor ihr schimmerte, als hätte sich ihre ganze Lebensenergie in Licht manifestiert. Egal wie viele Bilder Noé mit ihrem Handy davon machte, nichts kam ihrer Eleganz gleich. Mal war es zu dunkel, mal erkannte man nichts außer einem einzigen Lichtpunkt. Nie kamen die zarten Linien der Blütenblätter hindurch oder die Farbverläufe, die keinen Anfang und kein Ende erkennen ließen. Noé wäre vielleicht frustriert davon gewesen, wäre nicht das ganze Festival ein Wimmelbild an Attraktionen gewesen. Sie hatte schon so viele Dinge fotografiert, dass sie noch Wochen darüber schreiben könnte.
Allein die Blumen hätten sie den ganzen Tag in ihrem Bann halten können, doch die Haltung brachte sie an ihre körperlichen Grenzen. Die meisten würden sich über Bein- und Knieschmerzen beschweren, wenn sie aus der unangenehmen Hocke hochkamen, doch bei ihr lag das Problem am Hals. Im Gegensatz zu den meisten hatte sich ein Nagetier darum gelegt, das mehrere Kilos wog, woraufhin einige davon gegen ihren Nacken drückten. Sie unternahm den vergeblichen Versuch, die Stelle zu massieren, in der Hoffnung, dass sie am nächsten Morgen nicht mit drückenden Kopfschmerzen erwachen würde - eine bekannte Nebenwirkung, wenn sie ihre Freundin zu lange durch die Gegend trug.
Ihre Bewegung scheuchte Joella aus ihrer Starre und sachte stupste sie mit ihrem kleinen Hinterbein gegen den Störenfried.
"Du wirst mir irgendwann noch zu schwer", murmelte Noé und nahm sich vor, nach Diätplänen für Nager zu suchen. Allerdings konnte sie dem Wiesor nicht böse sein, schon gar nicht, wenn sie ihre pelzige Wange an ihrer rieb. Noé kraulte ihr Pokémon unter dem Kinn mit ihrem Zeigefinger, um die Zuneigung zu erwidern - auch wenn manche behaupten würden, dass Joellas Geste ein perfider Plan war, um weiter getragen zu werden.
Neben ihr lief Collin bei Fuß, was sie beruhigte und zugleich anspannte. Das Picochilla hatte seine ganz eigenen Probleme verursacht und erfahrungsbedingt wartete Noé nur auf seine nächste Idee. Sie hätte wissen müssen, dass bei ihrer Liebe zu Mode etwas an dem kleinen Racker hängengeblieben war. Wenn sie schlauer gewesen wäre, hätte sie ihn wohl sicherheitshalber im Arm festgehalten und nicht erst gemerkt, dass er abhanden gekommen war, als er zwischen den langbeinigen Models auf dem Laufsteg herum lief. Fasziniert hatte es nach oben geblickt, so als hätte es noch nie so etwas beeindruckendes gesehen. Noé konnte es ihm nicht verdenken. Keine Strähne fiel ungewünscht ins Gesicht, kein perfekt gebügeltes Kleidungsstück war verrutscht.
Nachdem man es gegen seinen Willen von der Bühne geholt hatte, hatte es sogar noch die Nerven gehabt, seine Trainerin mit einem "Warum bist du nicht mehr wie sie?"-Blick zu begutachten. Um es wieder gut zu machen, hatte sie ihm und Joelle je ein kleines, blau-grün gemustertes Band gekauft - und sich selbst einen riesigen Crepe wegen der Strapazen.
Diesen hatte sie mittlerweile erfolgreich vernichtet, doch ihr Magen schien nicht registriert zu haben, dass dort überhaupt etwas angekommen war. Normalerweise hätte sie sich jetzt über ihre Lebenshaltungskosten beschwert, die ihr Appetit mit sich brachte. Glücklicherweise hatte sie jeden Gedanken an Sparsamkeit bereits aus ihrem Kopf verbannt und sah das Lichtfestival als das, was es wirklich war: Eine große Gelegenheit, sich quer durch das Land zu essen. Überall gab es Spezialitäten, von denen die meisten ihr nichts sagten. Also wandte sie den ultimativen Trick an, der immer zu den besten Ergebnissen führte: Immer dahin gehen, wo es am Vollsten war, denn nur das wirklich gute Essen war das wert.
Dieser Plan ging sehr schnell nach hinten los. Die Wartezeit war wie im Flug vergangen, während zu allen Seiten etwas vorbeigelaufen war, das ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Mehrmals war sie peinlich berührt einen großen Schritt nach vorn getreten, weil sie nicht mitbekommen hatte, dass die Schlange schon kürzer geworden war. Als sie dann endlich an der Reihe war, merkte sie, dass es vielleicht doch ganz gut getan hätte, geradeaus zu schauen. "Oh...", machte sie nur, als ihr Blick über die 26 Beerensorten glitt, aus denen man sich sein eigenes Getränk zubereiten lassen konnte. "Das könnte etwas dauern", murmelte sie entschuldigend und machte einen Schritt zur Seite, damit die entscheidungsfreudigeren Personen hinter ihr den Vortritt bekamen.
"Saftladen", knurrte sie. Probeweise zog sie noch einmal das Getränk durch den Strohhalm, doch als ihre Geschmacksnerven erneut protestierend aufschrien, ließ sie es bleiben und gab das Getränk abwechselnd an ihre Begleiter weiter, während sie über das Gelände liefen. Eigentlich waren gerade die beiden Schuld an dem Geschmacksdesaster, weil Noé ihnen die Wahl überlassen hatte, doch der Verkäufer hätte sie warnen müssen, dass die Kombination aus bitter und trocken den Mund dazu brachte, sich komplett zusammen zu ziehen. Das glich fast schon Körperverletzung! "Na wenigstens schmeckt es euch", murmelte Noé und erfreute sich an den glücklichen Gesichtern der beiden, während sie schon nach dem nächsten Stand suchte, um ihr Glück erneut zu probieren.
OT: Hallo^^ Erst spät dazustoßen und dann noch so eine Wall of Text produzieren, fängt ja schon mal gut an. XD Natürlich könnte ich jetzt klischeemäßig mein Getränk bei der nächstbesten Kollision verkippen, aber nachdem sich schon gefühlt die Hälfte durch unfreiwilligen Körperkontakt getroffen hat, poste ich das einfach mal und schaue, ob sich vielleicht jemand meines Charakters erbarmt. Ihr dürft bestimmt auch den flauschigen Pelzkragen streicheln ;)
Der Saftstand ist übrigens an die Saftbar aus Illumina angelehnt, ich denke mal, dass die Chance groß ist, dass die beim Festival auch dabei sind^^