Spurwechsel
Wie kann es sein, dass sich zwischen uns so 'ne Scheiße stellt?
Vor nicht allzu langer Zeit teilten wir eine Welt
Doch sie gehörte nicht uns, wir lebten nur darin
Und müssen klar kommen, mit den Regeln die sie bringt
©Veedel Kaztro - Schubladen
An Freitagabenden erwachen die Menschenmassen wieder zum Leben. Die Schritte werden federnd, die Stimmen klingen erwartungsvoll und gut gelaunt. Das planlose Durcheinander scheint nichts mehr mit den mechanischen, synchronen Bewegungen des vorigen Morgens gemein zu haben. Selbst das Fiepen der S-Bahn Türen klingt zu dieser Zeit aufmunternd.
Auch in Marc machte sich die Wochenendeuphorie breit, als er die Bahn betrat. In Gedanken an die kommenden Tage versunken, ließ er sich auf einen Sitz fallen und sah aus dem Fenster.
Die abendliche Kulisse der Innenstadt rollte langsam an ihm vorbei und machte den spärlich beleuchteten Straßen des Industriegebiets Platz, bis auch diese dem dunklen Waldstreifen am Stadtrand wichen. Bald war es unmöglich hinauszusehen, die Fensterscheibe reflektierte nurnoch den hell erleuchteten Innenraum des Wagens.
Marc wandte den Blick vom Fenster ab und betrachtete stattdessen die junge Frau ihm gegenüber. Ihren Kopf an die Scheibe gelehnt saß sie zusammengesackt da und starrte mit leerem Blick und halb geöffnetem Mund auf den Boden. Sie sah direkt an einem aufgeklappten Notebook vorbei, welches sie auf ihrem Schoß abgelegt hatte und verkrampft festhielt. In ihrem ungeschminkten Gesicht saßen tief eingefallene Augen, unter denen sich riesige Augenringe eingenistet hatten. Bis auf das regelmäßige Heben und Senken ihrer Brust ging kein Lebenszeichen von ihr aus. Marc wollte gerade seinen Blick von ihr abwenden, als sie sich mit einer Hand ins Gesicht griff und eine blonde Sträne, die ihr auf die Nasenspitze gefallen war, hinter ihr rechtes Ohr klemmte.
Marc stutzte. Diese Bewegung kam ihm bekannt vor. Ein Gefühl der Vertrautheit kämpfte sich in Marcs Unterbewusstsein, überrollte jegliche Gedanken und Gefühle, bis nurnoch Platz für Unglauben und Neugierde übrig war. Bilder aus einer unbeschwerten, leichtfüßigen Zeit schossen ihm durch den Kopf, wurden zu Querschlägern und verdeckten ihm kurzzeitig die Sicht.
Ungläubig starrte er seinen Gegenüber an, sog jedes Detail in sich auf.
Nachdem er sich sicher war, dass ihm seine Augen keinen Streich gespielt hatten, sprach er schließlich: »Sara? Sag mal, bist du's wirklich?«
Beim Hören ihres Namens zuckte Sara erschrocken zusammen, als wäre sie geohrfeigt worden. Augenblicklich saß sie aufrecht in ihrem Sitz und blinzelte Marc verwirrt an. Ihre Pupillen weiteten sich kurz, als sie ihn erkannte.
»Marc«, antwortete sie langsam und starrte ihn schuldbewusst an. »Was machst du denn hier?«
»Wie was mache ich hier? Was machst du denn hier lautet doch wohl eher die Frage!«, erwiderte Marc, über beide Ohren grinsend. Er stand auf und breitete die Arme aus. »Na komm, lass dich drücken.«
Sara legte ihr Notebook etwas überstürzt beiseite, stand hastig auf und erwiderte Marcs Umarmung.
»Meine Fresse«, sagte Marc, als er Sara schließlich losließ und sie sich wieder in ihren Sitzen niederließen. »Lang isses her!«
Sara nickte und seufzte. »Ja, länger als mir lieb ist.«
»Wann warst du denn zuletzt da? An Karos 22em warst du doch, oder?«, überlegte Marc laut. »Das war ja auch schon vor über einem Jahr!«
»Ja, so lange schon«, murrte Sara. »Ich hatte seitdem nichtmal Zeit, meine Eltern zu besuchen, sie mussten zu mir hoch.«
»Wow. Das klingt, als wärst du gut eingespannt«, meinte Marc mitfühlend und musterte Sara erneut. Er fragte sich, ob er je so große Augenringe gesehen hatte.
»Oh ja«, lachte Sara lustlos. »Auf jeden Fall. Wenn ich etwas bin, dann eingespannt. Vorwärts im Galopp sagt man doch, oder?«
Marc grinste. »Ach ja? Sagt man das so bei dir in Berlin?«
»Ach, was weiß ich.«
Sie schwiegen kurz.
»Erzähl mal, wie geht's dir so?«, fragte Sara schließlich und lächelte warm. »Wie geht's der Truppe?«
»Ach, du weißt schon. Same old, same old. In der Firma gibts viel zu tun, aber es geht schon. In zwei Wochen geht's in Urlaub, von daher alles gut.« Marc hielt kurz inne, um seine Gedanken zu sammeln. »Bei den Jungs und Mädels ist auch alles mehr oder weniger beim Alten. Kiki und Sven hatten sich mal getrennt, sind aber wieder zusammen. Da hat sich also auch nicht viel getan. Steffen ist in die Stadt gezogen, direkt zum Marktplatz. Was gibts sonst? Nichts, eigentlich. Man trifft sich hin und wieder am See oder in der Drossel. Letztens hat der alte Sep sogar eine Runde aufs Haus gehen lassen.«
Sara zog die Augenbrauen hoch. »Was, wirklich?«
Marc nickte.
»Man, das hätte ich gern gesehn.«
»Ja, es war großartig. Er hat auch nach dir gefragt, aber niemand wusste was.« Er gab sein Bestes, nicht vorwurfsvoll zu klingen. »Von dir hört man ja nichts mehr.«
Sara lief rot an und sah beschämt zu Boden. »Ja, ich weiß. Und es tut mir echt Leid, weißt du? Wirklich. Aber ich komme nicht dazu, krieg's einfach nicht auf die Kette.« Sie seufzte. »Wenn ich nicht gerade in der Uni hocke, bin ich im Büro und mach den Hiwi. Während den Ferien halt in Vollzeit. Und dass sich Deadlines um solche Kleinigkeiten wie Freizeit oder ausreichend Schlaf scheren, wäre mir auch neu. Ich bin schon froh, wenn ich einmal die Woche Zeit finde, um joggen zu gehen.«
Marc betrachtete schweigend das Häufchen Elend, das ihm gegenüber saß.
»Schau mal hier«, fuhr Sara fort. »Ich besuche übers Wochenende meine Eltern, ja? Da könnte man ja meinen, dass man sich da etwas ausruhen könnte. Aber weit gefehlt! Nein, ich muss diesen Schwachsinn da...« Sie klopfte mit einem Fingerknöchel auf ihrem Notebook herum, das zusammengeklappt neben ihr lag. »...fertiglesen und eine Kolumne bis Montag fertiggeschrieben haben.« Sara schnaufte frustriert. »Wahrscheinlich wird es wieder darauf hinauslaufen, dass ich mit meinen Eltern zusammen essen und mich für den Rest der Zeit in meinem Zimmer verkriechen werde. Ganz wie früher eigentlich.« Sie lachte kalt.
»Puh«, sagte Marc. »Als ohör mal, wenn wir dir irgendwie helfen können...«
»Jaja...«
»...oder irgendwie Arbeit abnehmen...«
Sara unterbrach ihn. »Nein. Danke, aber nein. Ich muss das selber irgendwie auf die Kette kriegen.«
Es quietschte leise, als die Bahn langsam abbremste. Sara sah aus dem Fenster und Erleichterung machte sich in ihrem Gesicht breit, als sie eine ihr bekannte Häuserreihe erblickte.
»Du, ich muss los«, sagte sie, stand hastig auf, zerrte eine Reisetasche aus dem Gepäckträger und stopfte ihr Notebook hinein. »Mach's gut und sag den Anderen einen Gruß, ja?«
»Sicher, du auch«, antwortete Marc und sprang auf.
Sie umarmten sich noch kurz, dann gingen die Türen summend auf und Sara verließ eilig die Bahn.
»Melde dich bitte mal wieder, ja? Du bist doch in der Gruppe, oder?«, rief Marc ihr hinterher.
»Ja, ich versuch's!«, kam es zurück.
Marc sah Sara dabei zu, wie sie eiligen Schrittes den menschenleeren Bahnsteig entlangschritt. Fiepend schlossen sich die Türen wieder und die Bahn rollte los. Als Marc an Sara vorbeizog, winkten sie sich nochmal zu, dann verlor er sie aus den Augen.
Also ich habe noch nicht richtig Korrekturgelesen, verzeiht also bitte die Fehler.
Folgende Karten habe ich bekommen:
Alles anzeigenBedeutungen:
Die Herrscherin
Die Herrscherin repräsentiert die „weibliche Energie“. Gemeint ist das eher in einem naturphilosophischen Sinne, wo jeder nach so einer Art Yingyang-Prinzip sowohl männliches als auch weibliche Energie hat, die Karte bezieht sich also keineswegs ausschließlich auf Frauen. Tendenziell geht es hier aber eher um Gefühle und Sinne, während das männliche Gegenstück, der Herrscher, eher für Verstand und Strukturen steht. Beides sind wichtige und gleichberechtigte Teile einer Persönlichkeit.
[...]
Umgekehrt kann die Herrscherin mehrere Bedeutungen haben: Zum einen kann es sein, dass man sich zu sehr um jemanden kümmert. Das kann zum einen als Konsequenz haben, dass meine eigenen Bedürfnisse sträflich vernachlässigt oder auch, dass zu sehr bemuttert und den anderen so einschränkt.
Eine andere Bedeutung ist, dass einem der Alltag trocken und dröge erscheint und man nach einer erfüllenden, kreativen Aufgabe sucht.
Der Herrscher
Im naturphilosophischen Sinne greift der Herrscher den männlichen Aspekt der menschlichen Psyche auf (gemeint ist dabei, dass jeder Mensch nach einer Art Yingyang-Prinzip sowohl männliche als auch weibliche Aspekte in sich trägt). Während es beim weiblichen Gegenstück der Herrscherin eher um kreative Entfaltung, Empathie und Geborgenheit geht, verkörpert der Herrscher eher rationales Denken, Regeln und Strukturen, aber auch Zuverlässigkeit und den Willen/die Mittel zum Erfolg. Als Charakterkarte repräsentiert er als zuverlässiger Versorger und Ernährer oft Vater- und Autoritätsfiguren (die nicht zwingend, aber oftmals männlich sind).
[...]
Bedeutung umgekehrt:
Stichworte: rigide Strukturen, Missbrauch von Macht
Regeln sind schön und gut, können aber auch zu viel werden. Wenn der Herrscher verkehrt herum steht, heißt das, dass es zu viele, zu enge Regeln gibt, die das Leben einschnüren.
Es kann ebenfalls heißen, dass eine Figur oder Instanz zu viel Macht ausübt und so andere unterdrückt.
Die sonst zuverlässige Struktur und Sicherheit des Herrschers schlägt in engstirnige Sturheit um, die wenig Raum für individuelle Entfaltung lässt.
Je nach Situation und Kontext kann die Karte so zwei Empfehlungen aussprechen: Manchmal ist es klüger, mit den bestehenden Regeln mitzuschwimmen, auch wenn sie einem nicht gefallen, und das System langsam von innen zu verändern, sobald sich die Gelegenheit bietet.
Andersherum kann es auch sein, dass die Unterdrückung untragbar wird. Dann wird es Zeit, selbst die Dominanz an sich zu reißen, selber zum Macher zu werden und die Missstände auszusprechen und zu beseitigen.
Ganz anders kann der umgekehrte Herrscher aber auch das exzessive Fehlen von Regeln und Strukturen bedeuten. Dort wo Chaos herrscht, das eher schadet als guttut, kann Struktur für besseres Wachstum und Entwicklung sorgen (das gilt auf so ziemlich allen Ebenen).
Der Eremit
Eremiten sind Einsiedler und so geht es bei dieser Karte um Zurückgezogenheit, Selbstsuche und Meditation.
[...]
Bedeutung umgekehrt:
Stichworte: zu viel Tumult, Isolation, Einsamkeit
Umgekehrt hat der Eremit eigentlich zwei Bedeutungen: Entweder man verbringt nicht genug Zeit allein oder zu viel.
Im ersten Fall heißt das, dass es dringend Zeit wird, in sich zu gehen, man driftet vom Pfad der wahren Erfüllung ab, verliert sich im Kleinklein des Alltags und muss noch einmal die Richtung überprüfen, in die das eigene Leben gehen soll.
Im anderen Fall beginnt man, zu viel Zeit allein zu verbringen. Isolation und Einsamkeit sind auf Dauer nicht gut für die Psyche, Verbindungen zu anderen sind ein wertvolles Gut. Daher ist es auch wichtig, nicht nur auf seine eigenen Probleme zu achten und vollkommen von sich selbst absorbiert zu werden, sondern auch anderen zuzuhören.
Der Eremit kann in umgekehrter Ausrichtung auch andeuten, dass man sich sozial isoliert fühlt – also einsam, obwohl man nicht allein ist. Vielleicht durch den Mange von Bezugspersonen wie wahren Freunden. Er kann auch das Bedürfnis widerspiegeln, neue Leute kennenzulernen.
So habe ich die Karten vereinfacht interpretiert und in der Geschichte versucht umzusetzen:
umgekehrte Herrscherin: dröger Alltag
umgekehrter Herrscher: zu steife Strukturen
umgekehrter Eremit: Isolationsüberfluss
War eine lustige Aktion, ich hoffe ihr hattet so viel Spaß beim Lesen wie ich beim Schreiben! Danke @Wenlok Holmes fürs Organisieren :)