Da ich nicht gerne andere zu was zwinge, hier meine Auswahl an Gedichten, die ich gerne kommentieren möchte:
Wenn du endlich sprichst
Sind die Blätter in Farbe
Und mein Herz aus Stein
Ein Gedicht, welches mir heute beim Stöbern aufgefallen ist. Finde das Ende überraschend, da es zuerst so erwärmend klingt (wer mag die farbigen Blätter im Herbst nicht?) und dann plötzlich dieser Stein, der sich so kalt und hart anfühlt. Gefällt mir wirklich sehr sehr gut.
Ich bin ein Virus
Ich bin super ansteckend
Mit guter Laune
Was wie ein klassisches Corona-Gedicht beginnt, endet mit einer kleinen Pointe, die mich auch wirklich zum Schmunzeln gebracht hat. Ein Virus, von dem ich mich gerne anstecken lasse.
Worte verschwinden
im Raum, in der Zeit; vergeh’n.
Sie schweigen dahin.
Ein schönes kleines Gedicht, welches mich ein bisschen in Gedanken versetzt hat. Gibt es Worte, die ich gerne an eine Person richten würde? Wenn man etwas nicht ausspricht, ist es dann bereits vergangen, bevor es überhaupt begonnen hat. Sterben Worte, die an eine Person gerichtet waren erst mit dem Tod deren Person oder schon vorher? Du schreibst allgemein so tolle Gedichte aber dieses hat mich momentan berührt, hoffen wir, dass diese geschriebenen Worte nicht allzu schnell vergehen werden.
Himmelsschrei
Es breitet sich der Himmel über mir
Meist blau, mal grau, mal rot und nun tiefschwarz
Wie Pech, wie Ebenholz, wie dunkles Harz
erscheint als einer Welt verschlossne Tür.
Von dort erhoffe ich mir ein Gesicht
es heißt, dass damals schon in alten Zeiten
aus jenseitigen Sphären guten Leuten
ein Helfer kam und brachte neues Licht.
Doch zischt ein Blitz, es zucken dunkle Schatten
sie ziehen durch das Land bis in die Tiefe
Verhängnis groß, dem Himmel sei's geklagt!
Doch es beginnt das Schreien zu ermatten
nur noch, als ob von ferne jemand riefe
das Dämmerlicht weicht neuem Duft – es tagt.
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Mir persönlich gefällt dein Sonette, besonders die Gliederung
Wie schön du die Gewitterdämmerung/ Abenddämmerung im ersten Quartette einleitest, der Leser spürt durch die vielen, kleinen Aufzählungen, dass sich ein Sturm nähert, wenn ich so darüber nachdenke erfasst mich selber sogar klein wenig ein Unbehagen, doch dann folgt schon das zweite Quartet, ein Hilferuf (auch an uns gerichtet? Es wirkt so, als würdest du uns dazu aufrufen, dir beim Sonettenkranz zu helfen, falls das beabsichtigt war, empfinde ich dies als coole Anekdote), bei dem ich gerne wüssen würde, wer dieser geheimnisvolle Helfer ist.
Dann das erste Terzett, welches mit dem "doch" auch blitzartig den Leser wachrüttelt und gut aufzeigt, dass eben etwas, der Blitzschlag, passiert ist. Passt auch wieder zu dieser geladenen Stimmung aus deinem ersten Quartett
Das zweite Terzett beginnt weiterhin "aggresiv", meiner Meinung nach etwas zu stark, für das es schon in der ersten Zeile "ermattert", jedoch merkt man im Verlauf des Terzettes gut, wie die Stimmung abflacht, das "Unheil" verschwindet und sich die Wolken/ die dunkle Nacht schlichtet(-n) und mit dem Duft und dem beginnenden Tag wieder ruhe und Frieden einkehrt.
Muss ehrlich gestehen, ich mag dein Sonette, besonders auch dank den vielen ruckartigen Aufzählungen in der ersten und dritten Strophe und dem kleinen Lichtblick in der 2. Strophe, finde du hast das Wechselspiel zwischen "Hell" und "Dunkel" sehr gut hingekriegt.
Ich setz mal das Sonett von Mandel fort, keine Ahnung, worauf ich damit eigentlich hinauswill lmao
Das Dämmerlicht weicht neuem Duft – es tagt
und meinem Geist eröffnen sich die Weiten,
von denen ich seit längst vergess'nen Zeiten
nicht Zeuge war trotz kraftzehrender Jagd.
Von fremdem Licht bin ich vollends umgeben,
von fremdem Duft und auch von fremdem Schall.
Das Neue, es umgibt mich überall,
es ist, als wäre dies ein fremdes Leben.
Und langsam dämmert mir, was hier passiert,
wenn alles um mich plötzlich nicht real scheint.
Ich geb' mich allem hin, ganz ungefragt.
Denn mein Empfinden wurde transformiert,
wenn mein Herz nicht mehr von der größten Qual weint,
wenn mein Verstand vor Fühlen ganz versagt.
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Finde, du knüpfst auf eine spannende Weise an Mandelev's Sonette an. Als Leser des ersten Gedichtes habe ich leise aufgeatmet, als es endlich Tag wird und ein - meiner Meinung nach wohltuender und -wirkender Duft die Nacht beendet.
Dein zweites Quartett bringt uns dann aber in eine spannende Richtung, trotz des hereinbrechenden Tages (Tag = "hell") wirkt alles so fremd und dadurch irgendwie weiterhin "dunkel", schleierhaft, bewölkt oder gar von Nebel verschlungen.
Spannend geht es weiter mit deinem ersten Terzett weiter, da es dem Leser eine neue Möglichkeit aufzeigt, vllt ist das lyrische Ich gar nicht in einer fremden Welt, sondern durch das fehlende Erinnerungsvermögen fühlt sich einfach alles - zunächst(?) - fremd an.
Das zweite Terzett rundet das ganze noch perfekt ab, indem es auf die gefühlten Emotionen eingeht, man kann das Leid der Person richtig nachempfinden.
Obwohl du nicht genau wusstest, wo du hin möchtest, gefällt mir die Richtung wirklich wirklich gut.
Wenn mein Verstand vor Fühlen ganz versagt,
wie soll es dann mit mir weitergehen?
Ich hab' keine Lust mehr, Dinge zu verstehen.
- mein Herz als Antwort auf alles, was man mich fragt.
Wie auf einer Wolke schweb' ich dahin,
völlig frei und ohne jeglichen Zwang.
Frag' nicht, wie mein bisheriges Leben gelang,
sondern nur, wer ich jetzt und in der Zukunft bin.
Eine neue und bessere Welt eröffnet sich,
- mein Gott, noch nie fühlte ich mich so gut!
Ich geh' ins warme Lichte, wo ich nicht mehr frier'.
Der Antwort auf die Frage "Was erwartet mich"?
tret' ich entgegen, ohne Angst und voller Mut.
- Ist nun das End' meiner Geschichte hier?
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Das verzweifelte Gefühl, welches Vanchninght da heraufbeschworen hat, ziehst du eindrücklich im ersten Quartett weiter. Das Verweigern der Logik und der Umstände, welches vom eigenen Herz ausgeht, gefällt mir ganz gut.
Im zweiten Quartett aber die Wende: Das lyrische Ich hört auf zu hinterfragen und beginnt, die Welt neu und ohne voreingenommen zu sein, wahrzunehmen.
Dieses unbeschreiblich freie Gefühl zieht sich auch durch die zwei Terzetten durch, dieser Ausruf im zweiten Terzett bei der mittleren Verszeile lässt einen beinahe selbst aufjubeln. Es wird einem sehr warm ums Herz.
Und da komme ich auch gleich zu meinem Problem, für mich wurde der Umstand viel zu schnell akzeptiert, wodurch ich durch den Vers "- Ist nun das End' meiner Geschichte hier?" gerade echt Mühe habe, da irgendwo anzuknüpfen da ich die Geschichte nicht so leicht enden lassen möchte, aber wer weiss, vllt fällt mir dazu noch was ein ;) Ansonsten sehr schön geschrieben, diese Wärme spüre ich als Leser deutlich heraus, es ist beinahe so, als könnte ich all meine Sorgen ebenso vergessen und einfach ab heute ein neues Leben beginnen :D
Sonnenaufgang
Das Dämmerlicht weicht neuem Duft - es tagt,
Die Nacht wird ihrer alten Kraft beraubt,
Und auch das Wunder, das ich einst geglaubt,
Verschwand bei einer ungerechten Jagd.
Wenn mein Verstand vom Fühlen ganz verzagt
Des Tages Licht entdeckt und in sich spürt
Und hofft, dass er des Himmels Blau berührt,
Vergisst er, was die Antwort ihn gefragt.
Ist dies das End' meiner Geschichte?
Lässt dieser Morgen alte Zeit vergeh'n?
Kann das, was war, den Wechsel des Tags übersteh'n?
Oder bleibt nur, was ich berichte?
Bleibt mein Wort für all dies letzte Zier?
Was glaubt der Tag, das er uns hier verspricht?
Ein neues Leben? - Nein, ich glaub' ihm nicht;
Es breitet sich der Himmel über mir.
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Diese Gedicht gefällt mir auch sehr gut, finde es toll, wie du die drei Enden deiner Vorschreiber für eigene Strophen aufgreifst. Ich versuche mich evt. auch bei meiner Fortsetzung des Sonettes daran, einer deiner Verse einzubauen^^
Mir gefällt insbesondere, wie du die ersten zwei Strophen dazu verwendest, den neuen Tag einzuleiten und ebenso die Sorgen etwas in den Hintergrund rücken. Die dritte Strophe umschreibt gut die Ursprungsfrage mit dem Ende der Geschichte, kann man vergangenes einfach vergehen lassen und sich auf das "Hier und Jetzt" konzentrieren, bzw nimmt man nur das weiter mit, welches man selbst weiter verbreitet?
Dann in der 4. Strophe, welches die Frage nach einem Neuanfang verneint und denn Leser dazu bringt, sich selbst eine Sntwort auf die Frage, ob mit einem neuen Tag auch ein völliger Neuanfang möglich ist oder besser gesagt, warum man glauben könnte, das dies nicht möglich ist. am Schluss noch der sich verbreitende Himmel, der mir persönlich wieder das Gefühl gibt, alleine mit meinen Fragen und Gedanken in dieser grossen, grossen Welt zu sein.
Das Gedicht stimmt mich nachdenklich und das mag ich :D Finde es eine interessante Alternative zu Mandelev's Ursprungsgedicht, mal schauen was ich aus diesen zwei Umsetzungen für mein eigenes Gedicht - in Form eines Sonettes, so hoffe ich bei mir - gewinnen kann.
Nachbar am Fenster
Macht heimlich Fotos von mir
oder nur Selfies?
Als Abschluss noch ein Kommentar zum eigenem Gedicht: Ich stand heute gegen Abenddämmerung (was für ein Zufall!) am Rande unseres Gartens. Ich geniesse die Zeit, wo die Sonne langsam aber sicher wieder untergeht. Da kam mein WG-Mitbewohner von seiner Familie, die gleich eins nebendran wohnt zurück. Er erzählte mir davon, wie die Nachbarin etwa 15 Minuten mit dem Handy am Fenster war. Er ging dann genervt zu ihr und klingelte an der Haustüre. Auf die Frage hin, warum sie ihn filmte, meinte sie nur, dass sie das Licht von draussen dafür verwendet hatte, um Selfies zu schiessen. Jetzt kann sich jeder selber fragen, was sie nun wirklich gemacht hat, anscheinend sei sie so 17-18 Jahre alt, daher halte ich Selfies auch für durchaus möglich^^