Kapitel 26 ~ Sean!!
„Was sollen wir tun, Ralon?“, rief da Rika, die noch immer verzweifelt ruderte, „Der Schild wird nicht ewig halten!“
„Ich weiß“, erwiderte Ralon und Rika sah ihm die Anstrengung deutlich an, „Wir haben nur eine Chance – wir müssen das Revier der Seedraking verlassen, bevor die Windhose den Schutzschild durchbricht!“
„Und wie weit ist das noch?“, schrie Heros wütend, während Fura hektisch im Boot hin und her rannte, „Wie weit, Ralon?“
„Woher soll er das wissen?“, entgegnete Sean dann und warf Heros einen kalten Blick zu, „Sei ruhig und rudere!“
Zu Rikas Überraschung tat Heros das, was Sean ihm gesagt hatte – er drehte sich wieder nach vorne und ruderte weiter. Rika hingegen blickte kurz zu Caligo. Dieser schien keine Schwierigkeiten zu haben, seine Mondschein-Attacke aufrecht zu erhalten, aber auch mit seiner Unterstützung würde Lumias Kraft nicht mehr lange reichen. Langsam begannen Rikas Arme vom Rudern zu brennen, doch sie wusste, dass sie weitermachen musste, sodass sie die Zähne zusammenbiss und versuchte, den Schmerz zu ignorieren.
Toran und Heros, die vor ihr saßen, ruderten ebenfalls verbissen, doch Rika hatte das Gefühl, als kämen sie nicht voran. Das Boot schien inmitten der aufgewühlten See stehen geblieben zu sein und das schien der riesigen Windhose nicht gewachsen zu sein.
„Wenigstens kommen wir jetzt schneller voran, als es geplant war“, dachte Rika bitter, doch das bedrohliche Getöse der Windhose ließ sie diesen Gedanken verwerfen, „Falls wir überhaupt ankommen.“
Doch als Rika bemerkte, wie sinnlos ihre düsteren Gedanken waren, verdrängte sie diese und konzentrierte sich auf das Rudern.
„Einfach weiter“, murmelte sie, „Rudern, rudern, rudern.“
Eine Weile lang passierte nichts weiter. Die Windhose und die Barriere hielten sich die Waage, Heros, Rika und Toran ruderten schweigend und verbissen und das Boot legte nach und nach eine recht große Strecke zurück. Doch dann geschah es.
Mit einem kaum hörbaren Miauen brach Lumia zusammen. Für einen Moment erschien es Rika, als sei die Welt erstarrt. Wie in Zeitlupe drehte sich die Windhose und wie in Zeitlupe wurde das Wasser durch die Luft gewirbelt. Sean und Lumia lagen völlig entkräftet im hinteren Teil des Bootes, während Rika bemerkte, wie Dyra und Erusia unter enormer Anstrengung versuchten, den Schild aufrecht zu erhalten.
Doch mit einem Mal schien der Schild leicht zu flackern und eine starke Windböe erfasste das Boot, als sei sie ein Vorbote, der die Gewalt der Windhose demonstrieren wollte. Verzweifelt ruderte Rika weiter, obwohl sie wusste, dass es ein sinnloses Unterfangen war, doch einen anderen Ausweg schien es nicht zu geben.
Die Windhose hatte mittlerweile ihre Position verändert und befand sich nun schräg hinter dem Boot, als wolle sie den schwächsten Punkt des kleinen Schiffs finden. Ein letztes Mal flackerte die Barriere, die das Boot geschützt hatte auf, dann verschwand sie mit einem leichten Flimmern und ließ das Boot ungeschützt zurück. Mit einem lauten Tosen kam die Windhose näher, als habe sie nur auf diesen Moment gewartet und bereits als sie noch einige wenige Meter entfernt war, schwappten eisige Wellen über die Reling und das Boot wurde hin und her geschleudert wie eine Nussschale.
Mittlerweile war Rika völlig durchnässt, noch mehr als sie es nach dem Regen gewesen war und durch den Wind fühlte sie sich, als sei sie in einen Eisklotz geraten, doch trotzdem ruderte sie weiter, hielt sich an den letzten Funken Hoffnung.
Kurz bevor die Windhose aufgeschlossen hatte, blieb sie plötzlich auf der Stelle, drehte sich dort und das Boot entfernte sich zunehmend. Entgeistert starrte Rika den gewaltigen Wirbelsturm an, der langsam kleiner wurde und schließlich verschwand.
„Was zum…“, begann sie völlig perplex, doch Ralon stieß ein erschöpftes Lachen aus. „Wir haben es geschafft“, rief er dann, „Das war gute Arbeit..“
Rika war noch völlig außer Atem, als ihr Blick wieder auf Sean fiel. Sofort stand sie auf, um nach ihm zu sehen, doch er setzte sich langsam und scheinbar mühsam wieder auf.
„Es geht schon“, brachte er hervor und Rika wusste, dass er ihr das jedes Mal sagen würde, wenn sie fragte.
Mit einem Kopfschütteln setze sich Rika wieder auf die Ruderbank. Nach einigen Minuten schienen Ralon und Lantis sich wieder halbwegs erholt zu haben, was man von Sean nicht behaupten konnte.
„Lantis und ich werden erst mal rudern, Dyra kann uns außerdem etwas ziehen“, sagte da Ralon, „Ihr anderen solltet erst mal schlafen.“
Rika nahm ihren alten Platz ganz hinten im Boot ein und obwohl sie sich wieder zudeckte, wurde es nicht wärmer. Zitternd lag sie da, bis sie schließlich doch in einen leichten, traumlosen Schlaf fiel.
Sie erwachte durch einen Ruck, der durch das Boot ging. Sie setzte sich auf und bemerkte erleichtert, dass ihre Kleidung mittlerweile zumindest größtenteils wieder getrocknet war. Da bemerkte sie erst die Klippen. Ralon war gerade dabei, das Boot mit einem Seil an einem hervorstehenden Felsen zu befestigen, Rika hingegen blickte entsetzt auf die Steile Felswand.
„Da sollen wir hoch?“, fragte Mila schockiert und sprach damit das aus, was Rika ebenfalls dachte, „Wie sollen wir das denn schaffen?“
„Uns bleibt keine andere Wahl“, sagte Ralon und blickte kurz von seinem Knoten auf, um zu der Felswand zu deuten, „Makiors komplette Westküste besteht aus solchen Klippen, bis auf eine Art Canyon, doch der würde uns direkt in eine größere Hafenstadt führen und das letzte, was wir wollen, ist durch eine Stadt zu spazieren, wo uns jeder sieht.“
„Das heißt, wir müssen hier hoch?“, fragte Heros und Rika seufzte als er schon wieder wütend wurde, „Wieso schippern wir nicht einfach, bis wir einen normalen Strand finden?“
„Weil das zulange dauern würde“, murmelte Rika leise und genervt, während sie aufstand und noch einmal zu der Klippe blickte.
„Ich gehe vor“, bemerkte dann Ralon, als das Boot sicher vertäut war, „Die Wand ist so rau und uneben und voller Vorsprünge, da findet sich ein Weg. Folgt mir.“
Ohne Umschweife begann Ralon damit, die Klippe empor zu klettern und Rika war überrascht, dass er damit kaum Schwierigkeiten zu haben schien, denn schließlich war er nicht mehr der Jüngste. Nach einer Weile, als er etwa eine Höhe von fünf Metern erreicht hatte, schien er zu verschwinden. Verwirrt blickte Rika nach oben, doch nach kurzer Zeit erschien Ralon wieder.
„Hier ist ein großer Felsvorsprung, hier haben mindestens drei von euch Platz“, rief er dann nach unten, „Kommt hoch!“
„Also Los!“, rief Heros da und Rika wusste, dass er das nur tat, um sich aufzuspielen, „Kommt, Leute!“ Toran und Lantis sahen sich kurz etwas unschlüssig an, doch dann folgten sie Heros, der bereits ein gutes Stück hinter sich gebracht hatte. Zu Rikas Überraschung folgte Mila den dreien, während Aro gemeinsam mit Erusia Dyra half, die aus eigener Kraft nicht an der Felswand hätte hochklettern können. Fura erwies sich als überraschend flink und Torans Partner, das Knogga, dessen Namen Rika noch immer nicht kannte, schlug ihre Klauen in den Stein, um sich so Halt zu verschaffen.
Ralon war mittlerweile auf halber Höhe der Klippen, etwa ein Dutzend Meter hoch, angekommen und hatte erneut einen Felsvorsprung gefunden. Rika hingegen blickte zu Sean.
„Nein, du musst mich nicht noch mal fragen“, sagte Sean ruhig und lächelte kurz, „Glaub mir doch einfach, dass alles in Ordnung ist.“
„Du weiß genauso gut wie ich, dass das nicht stimmt“, erwiderte Rika, doch Sean schüttelte nur kurz den Kopf und ging dann zu der Klippe. Als er an ihr vorbeiging, bemerkte Rika, dass er seinen Umhang die ganze Zeit über seltsam um seine Brust gewickelt hatte. Der Umhang wirkte an einer Stelle seltsam dunkel, als sei er nass und Rika musste nicht lange nachdenken, um zu wissen was das war.
„Caligo, das…“, wandte sie sich in Gedanken an das Nachtara, welches bereits auf einem kleinen Felsvorsprung an der Klippe stand, doch Caligo unterbrach sie: „Ja, das war Blut. Ich weiß. Aber hoch kommen müssen wir so oder so. Also komm.“
Rika biss sich auf die Lippe und begann dann mit ihrer Kletterpartie. Ralon hatte Recht gehabt. Die Klippe war so rau und voller Vorsprünge und Vertiefungen, dass man vergleichsweise leicht hinauf gelangen konnte. Zwar protestierten Rikas Arme nach dem Rudern nun gegen das Klettern, doch ohne dass sie allzu oft abrutschte, gelangte sie schließlich auf den Felsvorsprung auf halber Höhe der Klippen.
„Hier oben ist es sicher!“, rief Ralon da von oben herunter, „Beeilt euch!“
Rika schüttelte kurz ihre Arme aus, bevor sie erneut mit dem Klettern begann; der raue Stein scheuerte dabei an ihren Handflächen und Knien. Sean hatte mittlerweile den letzten Felsvorsprung erreicht, der etwa einige Meter unter der Kante der Klippen lag, während alle anderen bereits oben angelangt waren. Auch Caligo und Lumia warteten bereits oben.
Als Rika gerade nach der Kante des Vorsprungs greifen wollte, spürte sie, wie der Stein unter ihrem rechten Fuß nachgab und im letzten Moment gelang es ihr, sich mit der linken Hand an der Kante des Vorsprungs festzuhalten. Vergeblich versuchte sie, mit den Füßen wieder Halt zu finden.
„Rika!“, rief da Ralon von oben, „Rika, halt dich fest!“
In diesem Moment schien auch Sean Rikas Not bemerkt zu haben, während Rika Caligos Verzweiflung spürte. Auch wenn er zu ihr nach unten gekommen wäre, er hätte sie nicht retten können, da er dafür zu klein war.
„Nimm meine Hand, Rika“, rief da Sean, der auf dem Vorsprung kniete und ihr seine rechte Hand hin hielt, „Komm schon!“
Während sie mit der linken Hand den Griff um die Felskante verstärkte, versuchte sie auszuholen, um mit der rechten Hand nach Seans zu greifen, doch sie griff mehrmals ins Leere und jedes Mal glaubte sie mit der linken Hand weiter abzurutschen.
„Rika!“, Caligos sonst so vertraute Stimme wurde zu einem lauten Rufen, das in ihrem Kopf dröhnte und ihre eigene Verzweiflung nur noch größer werden ließ. Rika spürte, wie ihre Kraft sie verließ, hatte das Gefühl, jeden Moment in die Tiefe zu stürzen. Sie war kurz davor, aufzugeben, doch Seans fast schon wütende Stimme riss sie zurück in die Wirklichkeit.
„Greif zu!“
Mit einer letzten Kraftanstrengung gelang es ihr, Seans rechte Hand zu ergreifen, doch gleichzeitig verlor sie den Halt mit der linken Hand, sodass Sean ihr gesamtes Gewicht halten musste. Als sie ihn anblickte, stand der Schmerz so deutlich in sein Gesicht geschrieben, dass Rika entsetzt den Atem anhielt.
„Halt … dich… fest“, sagte Sean durch zusammengebissene Zähne, während er mit der linken Hand Halt an der Felswand suchte, um Rika hochziehen zu können.
Kurze Zeit später spürte Rika etwas Warmes an ihren Fingerspitzen und als sie zu ihrer Hand sah, bemerkte sie das dunkelrote, warme Blut, was fast in Strömen an Seans Arm herunterlief. Sean hingegen hatte begonnen, sie nach oben zu ziehen und sie versuchte wieder und wieder an der Wand Halt zu finden, doch weder mit der linken Hand noch mit den Füßen gelang es ihr, sich irgendwo abzustützen.
Mittlerweile bewirkte das Blut, dass sie zu rutschen begann, sie wusste, dass Sean sie nicht mehr lange halten konnte.
Doch gerade, als sie glaubte, durch das nasse, glitschige Blut den Halt zu verlieren, hatte Sean sie soweit über den Rand des Vorsprungs gezogen, dass sie sich festhalten und hinaufklettern konnte. Schwer atmend verharrte sie kurz auf allen Vieren, während sie Caligos Erleichterung spürte, doch dann blickte sie auf ihre blutverschmierte Hand und schließlich zu Sean.
Dieser war wieder aufgestanden und stand etwas unsicher da, während er sich mit der linken Hand am Felsen abstütze. Von seiner rechten tropfte das Blut auf den Felsvorsprung.
„Danke“, sagte Rika, nachdem sie wieder zu Atem gekommen war, doch Sean winkte nur ab. Rika spürte die Wut in sich aufsteigen.
„Ja, es ist alles in Ordnung, ich weiß“, wiederholte Rika Seans Worte wütend und mit deutlich hörbarer Ironie, „Alles in Ordnung sieht für mich etwas anders aus!“ Sie gestikulierte zu dem Blut, das an seinem Arm herunterlief.
Sean ignorierte sie und begann, die letzten Meter nach oben zu klettern, wobei er eine dicke Blutspur hinterließ. Rika folgte ihm und erreichte schließlich den sicheren Boden. Sie wollte gerade zu Sean gehen, um sich für ihre Reaktion zu entschuldigen, doch mit einem Mal kippte dieser um und blieb am Boden liegen.
„Sean!“, rief Rika eilte, dicht gefolgt von Caligo und Ralon, zu Sean, der bewusstlos am Boden lag und bereits von einer kleinen Blutlache umgeben war.
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Fortsetzung folgt ....
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Ich hab keine Lust, die Liste jedes Mal zu posten, ich editiere sie jetzt in den Startpost xD Btw, das war das erste Kapitel mit mehr als 2000 Wörtern, yay ^^