[Partnerpost mit der wunderbaren @Destiny Moon , Teil 1/4]
Die Menschen, die durch das Kaufhaus irrten, hielten Val tatsächlich für eine kleine Weile beschäftigt. Menschen zu beobachten konnte manchmal wirklich faszinierend sein. Erst war da ein Mädchen gewesen, das wirklich etwas verwahrlost ausgesehen hatte, und etwa so fehl am platz in dem Kaufhaus aussah, wie sie Val etwas gefühlt hatte. Vor einigen Minuten war ein Pärchen am Café vorbei gekommen, das zwar augenscheinlich gestritten hatte, aber dabei dennoch fest an den Händen verschränkt geblieben war.
Körpersprache. Wie ihre Mutter früher so gerne gesagt hatte: wie du dich hältst sagt etwas über dich aus. Es veranlasste Val fast zu schmunzeln. Ihre arme Mutter, die es nie geschafft hatte eine ihrer Töchter davon zu überzeugen Ballett zu lernen, das doch ach-so-gut für deren Haltung gewesen wäre.
Vielleicht sollte sie, ehe sie wieder aufbrach und Mittagessen holen würde, noch eine Kleinigkeit für ihre Mutter besorgen und es ihr schicken. Sie war tatsächlich ein bisschen treulos und eine ganze Weile nicht mehr zu Hause gewesen. Ihre Mutter war anstrengend, aber so viel Zuwendung hatte sie sich doch verdient. Vielleicht gab es irgendeinen … einen Schal, oder so was? Blöd, dass ihr die Idee erst kam, nachdem Tyra wieder weg war. Aber ihre Schwester hatte ihr auch einfach keine Zeit gelassen mal nachzudenken.
Mit einem seufzen fischte Val nach der Zigarette, die hinter ihr Ohr geklemmt gewesen war, und schob sie sich zwischen die Lippen. Nur noch die Zigarette rauchen und den mittlerweile erkalteten Schluck Kaffee trinken. Dann noch Mittagessen – war im Eingangsbereich nicht ein Nudelsuppenladen? – und ’ne Kleinigkeit für ihre Mutter und ab nach Hause.
Mit einem kritisch Blick in Richtung des unfreundlichen Kellners dieses Cafes – war hier rauchen erlaubt? – steckte Val sich ihre Fluppe an. Sie inhalierte einmal tief, und schloss für einen Moment die Augen. Dann zog sie ihr veraltetes Mobiltelefon aus der Tasche der Lederjacke und warf einen Blick auf die Uhr. Mehr als die Hälfe des Tages war schon wieder vergangen. Warum vergingen freie Tage eigentlich immer so schnell?
Als Val wieder aufsah, war sie etwas überrascht festzustellen, dass jemand an den Tisch, an dem sie saß, herangetreten war, und sich gerade hinsetze auf den freien Stuhl links von Val. Die junge Frau – Mädchen? Wie alt war sie? Vielleicht Tyras Alter? So, anfang zwanzig? – war zweifellos ein hübsches Ding. Zierlich, wilde braune Locken, große dunkelbraue Augen. Und ein sehr freundliches Lächeln auf dem Gesicht. Das war aber keine Freundin von Tyra, die sie kennen musste, oder? Sie hatte nicht das Gefühl sie schon mal gesehen zu haben.
Als das Mädchen – junge Frau? Ach, irgendwie so was – nach einer Zigarette fragte verstand Val. Ah, das Laster, das Menschen verbindet. Val konnte nicht anders als zu grinsen. Mit dem rechten Zeige- und Mittelfinger verpasste sie der angebrochenen Packung Zigaretten, die neben ihrer nunmehr fast leeren Kaffetasse lag, einen Stoß. Die Packung glitt quer über den Tisch, zu den zierlichen Händen der jungen Frau. „Klar, bediene dich. Sind aber ein bisschen speziell, mit Kakao-Zusatz. Ich find sie ganz nett, aber das ist nicht jedermann’s Geschmack.“
Dann fiel ihr Blick auf den durchsichtigen Plastikbecher, den das Mädchen vor sich auf dem runden Tisch abgestellt hatte. Das Getränk darin hatte unterschiedliche Phasen- von dunklem braun, was vermutlich Kaffee war, zu einer milchigen Schicht, und oben drauf etwas, das Creme oder Sahne sein könnte, und eine große Zahl an Eiswürfeln. Und selbst durch den Plastikdeckel konnte Val etwas von dem Getränk riechen. Wenn Val keine Köchin geworden wäre, dann Barista, und sie konnte sich ihr Interesse kaum verkneifen. „Das sieht gut aus, was du hast. Besser als mein Americano. Ist das ein Mocca?“
Die andere Frau musterte sie aufmerksam und zu Ciaras Zufriedenheit schien sie die Musterung zu deren Zufriedenheit überstanden haben, denn die fast leere Zigarettenpackung kam zu ihr hergeschlittert und blieb vor ihr stehen. Ciara hob eine Augenbraue in die Höhe als sie das mit dem Kakao Zusatz vernahm, aber wer weiß vielleicht schmeckte es ja. Sie lächelte die andere freundlich an und entgegnete ihr:" Danke schön. Bisher kenne ich sowas eher nicht. Interessant was es nicht alles gibt. Die Tabakfirmen sind mittlerweile richtig kreativ geworden." Nur wer genau hinhörte konnte den spöttischen Unterton in ihrer Stimme heraushören. Sie nahm das Päckchen in ihre Hand, holte eine Zigarette heraus, steckte sie in den Mund und holte sich auch noch das Feuerzeug. Danach zündete sie es an und zog die Giftmischung in ihre Lungen. Sie ließ es sich nicht anmerken, dass sie sowas zum ersten Mal tat. Es schmeckte in der Tat nicht schlecht, aber wahrscheinlich war das nur der Zusatz der den eigentlichen Geschmack überdeckte. Ciara konnte es sich nicht vorstellten dass die Leute wirklich Gefallen daran finden können, sowas zu rauchen. Sie setzte die Zigarette ab und blies den Rauch zwischen ihren Lippen hinaus. Sie sagte:" Es schmeckt in der Tat nicht schlecht." Ciara schob das Päckchen und das Feuerzeug der Frau wieder zu.
Sie bemerkte dass die andere Frau ihren Kaffee musterte und sie fragte was das für einer sei. Wieder konnte sich die junge Frau ein Lächeln nicht verkneifen und entgegnete:" Danke schön. Ja das ist mein fettfreier Vanille-Soja-Ice Mokka. Ich habe die Angewohnheit mir jeden Monat einen anderen Lieblingskaffee auszusuchen. Ich liebe es neue Dinge auszuprobieren. Der Americano ist doch auch nicht schlecht." Sie zog wieder an ihrer Zigarette und sagte dann mit einem entschuldigenden Lächeln:" Entschuldigen Sie bitte, ich habe ganz vergessen mich vorzustellen. Immerhin habe mich ganz frech ohne zufragen an ihrem Tisch gesetzt und um eine Zigarette gebettelt, da wäre es nur recht wenn Sie meinen Namen erfahren. Ich bin Ciara Limes."
Vanille-Soja-Ice Mokka. Sie wusste ja, dass Läden wie dieser hier bekannt dafür waren, dass sie einige eher kreative Kaffee-Mischungen anboten, aber das war schon eher speziell. Aber sie konnte sich gut vorstellen, dass Vanille und Soja ganz gut harmonieren mochten im Geschmack. Es gab ein Desert, dass sie mal zubereitet hatte in ihrer Ausbildung, das auch beides kombinierte. War nur vielleicht etwas süßer, als Val ihren Kaffee normalerweise trank. Aber so ein Iced Mokka, ganz allgemein, wäre vielleicht genau das Richtige für auf den Weg.
Als die junge Frau sich dann aber Vorstelle - und junge Frau schien ihr bei der eher gewählten Ausdrucksweise doch passender als Mädchen - erwiederte Val das fast verlegen wirkende Lächeln mit einem kurzen Lachen. "Da ist nichts freches dran. Der Stuhl war frei, und Laster teile ich gerne. Und, überhaup, du kannst mich ruhig duzen, so alt bin ich noch nicht." Val nahm selbst noch einen Zug von ihrer Zigarette, und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. "Freut mich, jedenfalls. Ciara. Schöner Name. Ich bin Val."
Dann fiel ihr Blick über Ciaras Schulter hinweg, auf eine Person, die an ihren Tisch herüber kam. Na wunderbar. Eine der überaus netten Kellnerinnen, mit ihren komischen Blauen Schürzen, mit dem Mond drauf gedruckt. Das Lächeln auf dem Gesicht der Frau, als sie an en Tisch trat, war mehr als offensichtlich erzwungen. "Entschuldigen Sie, meine Damen, aber Rauchen ist hier leider nicht erlaubt. Bitte gehen Sie, oder rauchen sie außerhalb. Unser Kaufhaus verfügt über ausgezeichnete Raucherbereiche."
Für einen Moment zog Val es in Erwägung mit der Frau zu diskutieren, die ihnen gerade im Prinzip nur die Optionen aufgewiesen hatte zu gehen. Sie war ja selbst, mehr oder weniger, in der Gastronomie-Branche tätig. Der Kunder sollte sich wohlfühlen, das hieß es doch immer. Aber ihr Kaffee war eh fast leer. Val seufzte. Nein, auf so eine unnötig Konfrontation hatte sie keine Lust. Allerdings war die Frage, ob sie die Zigarette jetzt ausdrücken sollte, um sich noch etwas mit Ciara zu unterhalten, oder ob sie nicht lieber gehen wollte. Der Kaffee war eh fast leer. Sie sollte eh mal in die Gänge kommen. Andererseits... der Zug lief ja nicht weg. Und Val war nicht gerne unfreundlich.
Val machte eine wegwerfende Handbewegung zu der Kellnerin. "Schon gut, schon gut." Val lehnte sich nach vorne und lies ihre Fluppe in den winzigen rest des Americans fallen, worauf ein leichtes zischen folgte, und ein aufbäumen des Rauches, ehe dieser sich verzog. Sie schob Ciara ihre Tasse ebenfalls zu, wobei sie ihren Blick nicht von der Kellnerin nahm. Diese blinkte, das Lächeln bröckelte. "Sonst noch was?" Die Kellnerin verneinte dies, drehte sich abprubt auf ihren Hacken um, und strakste davon.
Für einen Moment sah Val ihr nach, was sie davon hielt vermutlich deutlich auf ihrem Gesicht geschrieben. Dann sah sie wieder zu Ciara, und bemühte sich um die vorherige Entspanntheit. "Naja, das wars dann wohl mit dem Laster. Die Packung kannst du aber behalten, wenn du willst. Das war ja jetzt nicht wirklich ne gute Kostprobe." Wieder sah sie in die Richtung, in der die Frau verschwunden war, schüttelte leicht den Kopf. "Naja, was solls." Wieder lehnte Val sich auf dem Stuhl zurück. "Bist du von hier?"