Mich überraschen die Entwicklungen der letzten Jahre ... Negativ.
Ich habe lange in dem Glauben gelebt, dass Europas jüngste Geschichte uns vor ihrer eigenen Wiederholung bewahren würde. Anscheinend wird aber zu oft übersehen, wie schleichend die Übergänge sind. Der Verlauf der Dinge ist ein Dominospiel. Ein Stein stößt den nächsten um, sofern man die Kette nicht unterbricht.
Der aufkeimende Rechtsextremismus präsentiert sich massentauglich, aber nicht zwingend offen. Während Parteien wie die NPD ihre wahre Position kaum verbergen konnte, kleidet sich eine AfD in ein ganz anderes Gewand, zeigte sich vor allem anfangs intellektuell statt gewalttätig.
Das Problem ist, dass sich die Fronten mehr und mehr verhärten. Keiner will sich auf Kompromisse einigen: Je mehr Merkel betont, dass sie keinen Plan B sieht, desto rigoroser werden die Forderungen der AfD. Für mich ist das vor allem kritisch, weil sich die Situation weiter verschlimmern kann. Die "Mitte" fühlt sich bereits jetzt kaum mehr vertreten und muss sich zurückziehen oder zwischen den Extremen das geringere Übel nehmen. Und da werden viele letztlich sich selbst näher sein, als hinter der humanitären Lösung zu stehen. Denn wie es ist: Probleme sind leichter zu finden, als die Dinge, die gut laufen.
Zudem wünschen sich viele Halt. Fortschritt in Technologie, Politischer Ordnung oder in dem Mindset der jüngeren Generationen dürften viele überfordern. Wer nicht mitgeht, wird nicht abgeholt. Das dürfte vor allem auf ältere Generationen im Osten zutreffen. Die klaren Forderungen der AfD suggerieren verständliche und klare Regeln, zwischen denen man sich zurecht findet. Außerdem darf man nicht vergessen, dass jene Menschen politisch nicht oder anders aufgeklärt wurden als unsere Generation.
So sehr ich derzeit meinen Respekt vor Merkels Vorgehen habe - Ich hoffe, dass man rechtzeitig erkennt, dass sich die "Zehn Prozent" nicht ignorieren oder als "Rand der Gesellschaft" abwerten lassen. Es ist wichtig, abzuholen, wen man abholen kann. Kontakt herstellen, zuhören ... Die eigenen Fehler eingestehen (Organisation der Integration ist da ein großer Punkt), begründen und das angedachte Zukunftsbild zu erklären und belegen. Gleichzeitig aber ist es wichtig die Fehler und Lücken in der Politik von Parteien wie der AfD zu zeigen. Das kann weiterhin nur durch Konfrontation geschehen, nicht indem man vor der Auseinandersetzung zurückschreckt. Und indem man die Partei mit eigenen Waffen schlägt, wie die dortige "Lügenpresse" zu entlarven.
Trotzdem befürchte ich, dass es mittlerweile mehr als schwierig ist, die Menschen zu erreichen. Die AfD wurde zu lange ignoriert, nicht ernst genommen und die Menschen wie in Sachsen zu einer bildungsfernen Minderheit erklärt. Nur ist selbst diese Teil unserer Gesellschaft und wir können sie nicht ignorieren, nur weil sie nicht in unser Schema passt.