Beiträge von TheTic

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    Ich komme an dieser Stelle mal aus meiner arbeitsbedingten Versenkung, weil ich einerseits nach zwei Jahren endlich mal wieder Urlaub habe und andererseits als Jurist den Prozess Depp ./. Heard mit einer gewissen morbiden Kuriosität verfolgt habe. Nicht so sehr wegen der Promis, die könnten mir egaler nicht sein. Ich fand es aber wieder einmal faszinierend, wie komisch und unverständlich das amerikanische Rechtssystem für einen kontinentaleuropäischen Juristen wirkt. Allein die Tatsache, dass die Anwälte sich vor dem Prozess darauf geeinigt haben, bestimmte Tatsachen auszuklammern und jeweils eine vorher bestimmte Zeit verhandeln zu dürfen, anstatt die gesamte Beweislage aufzuarbeiten, wirkt für den kontinentaleuropäischen Juristen wirklich abenteuerlich. Die Art und Weise, wie Verhöre durchgeführt werden erst recht. Das aber nur am Rande, weil ich einen Kommentar hier so nicht stehen lassen möchte.


    Gleichzeitig zeigt uns dieser Teil, wie einfach es für einen mächtigen Mann ist, den Ruf einer unbequemen Frau komplett zu zerstören

    Nämlich den hier. Du hast ja selber gesagt, dass du den Prozess nicht vollständig verfolgt hast, deswegen sehe ich mal davon ab, dich zu fragen, ob du einen anderen Prozess gesehen hast als ich. Ich jedenfalls halte das in drei Punkten für falsch. Erstens mal ist Amber Heard keine „unbequeme“ Frau, sondern - zumindest laut Ausgang des Prozesses - eine Gewalttäterin, die bewusst gelogen hat, um seine Karriere zu zerstören. Das ist jetzt 6 Jahre her und hat ihn eine nicht messbare Menge Vermögen und etliche Rollen gekostet, zu einer teuren Scheidung und einem rechtskräftigen Urteil in Großbritannien geführt, nach dem er als „wife beater“ bezeichnet werden darf. Dann hat er einen sechswöchigen Prozess durchstehen müssen, in dem überaus unschöne Einzelheiten über sein Privatleben und seine Drogenabhängigkeit ans Licht gekommen sind. Ich weiß nicht was deine Definition von „einfach“ ist, aber ich denke ich wäre daran verzweifelt, wäre ich betroffen gewesen.

    Mein Hauptproblem an der Aussage ist aber offen gestanden, dass du denkst, es wäre Johnny Depp gewesen, der den Ruf von Amber Heard ruiniert hat. Und das finde ich dann relativ misogyn. Ihren Ruf zerstört hat Frau Heard selbst, da hatte sie keine Hilfe von einem Mann für nötig. Ihr gesamtes Verhalten zwischen 2018 und dem Ausgang des Prozesses vorgestern war so dermaßen unnötig und taktisch unklug, dass man wirklich als Jurist nur den Kopf schütteln kann. 2018 war die Trennung längst vorbei, sie hatte sieben Millionen aus der Ehe mitgenommen, und das mal zumindest als Mittäterin. Darauf hätte sie es beruhen lassen können, aber nein, sie hat nachgetreten und Depp damit erst eine Angriffsfläche geboten. Im Prozess haben sie und ihre Anwälte dann nachweislich gefälschte Fotos als Beweismittel angeboten, ebenso Audioaufnahmen, die Heard während der Beziehung angefertigt hat, offenbar im Versuch Depp zu belasten. Das hat nicht geklappt, denn trotz der stundenlangen Aufnahmen ist Depp kein einziger Gewaltakt nachweisbar - ihr dagegen schon (!). In ihren eigenen Beweisen.

    Es hat sicher auch nicht geholfen, dass Frau Heard unter Eid mehrmals nachweislich gelogen hat, etwa im Verweis auf die obigen Beweismittel. Die Frau hätte 2018 einfach nichts sagen können, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie für ihr Verhalten niemals in irgendeiner Weise zur Rechnung gezogen wäre.

    Insofern wäre ich mit der Aussage, wie einfach es doch für Männer wäre, solche Anschuldigungen zu widerlegen, sehr vorsichtig. Dementsprechend kann ich auch deinem Punkt 1) nicht zustimmen. Die Hürden für den Erfolg einer Verleumdungsklage liegen in den USA - und übrigens auch in Deutschland - extrem hoch, und das mit dem Blick auf die Meinungsfreiheit auch völlig zurecht meines Erachtens. Depp hat nicht gewonnen, weil er ein Mann ist, sondern weil er das Glück hatte, eine ausgesprochen unklug agierende Gegenseite zu haben. Es wurde hier nicht entschieden, dass die Aussagen nicht belegbar gewesen sind, wie du implizierst. Es wurde bewiesen, dass sie nachweislich falsch waren (!) und mit Schädigungsvorsatz (!) in Verkehr gebracht wurden. Und das haben sieben Juroren einstimmig entschieden. Auch zwei Frauen übrigens. Wenn du dir also selbst kein Bild machen willst, wer gelogen hat, sollte man vielleicht davon ausgehen, dass diese sieben Leute die sich mehr mit dem Prozess beschäftigt haben als wir alle, da eine richtige Feststellung getroffen haben.

    „Leicht mundtot machen“ lässt sich da niemand.


    Deswegen bin ich übrigens auch ausgesprochen unbesorgt, dass die Sache dem #metoo-Movement wirklich schaden wird. Im Gegenteil dürfte jeder, der an einer vernünftigen und gerechten Aufklärung von Missbrauchsfällen interessiert ist, auch daran interessiert sein, dass erwiesene Lügnerinnen wie Frau Heard aussortiert werden, damit echten Opfern mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Klar gibt es einige Radikale, die darüber hinaus gleich die Beweislast umkehren und die behaupteten Täter ohne Schuldbeweis verurteilen wollen, und die dürften sich die Haare raufen. Das dürfte aber durchaus in unserem Interesse sein denke ich. Im Allgemeinen kann ich da nur dafür plädieren, der Unschuldsvermutung erst mal Glauben zu schenken - gerade in Fällen wie Depp ./. Heard. Dieser Fall unterscheidet sich ja von fast allen anderen Promi-Missbrauchsfällen vor allem dadurch, dass nach den Anschuldigungen von Frau Heard keine weiteren Opfer aufgetaucht sind sondern sich im Gegenteil alle Frauen aus Depps näherem Umfeld, auch Exfreundinnen, auf seine Seite geschlagen haben - wohlgemerkt im Gegensatz zu Heard, die vorher schon wegen Gewalt in ihrer vorherigen Beziehung verdächtigt wurde.


    Und gerade weil seine Exen das getan haben, würde mich auch interessieren, warum genau du Depp jetzt für misogyn hältst. Wie gesagt, ich habe sein Leben nicht verfolgt. Gibt es da abwertende Aussagen gegen Frauen abgesehen von Amber Heard?

    Übrigens sprechend, dass die mit angekündigt 20k Teilnehmern nun erlaubt wird, nachdem die Gegen-Rechts Demo in Hanau letztes Wochenende verboten wurde. Sagt alles, was man über das Overton-Fenster wissen muss.

    Hanau hatte letztes Wochenende über 40 Infektionen auf 100000 Einwohner, stand heute liegt die Inzidenz über dem kritischen Richtwert von 50/100000 (50,9). Berlin hat derzeit 10,3 Fälle pro 100000 Einwohner. Die Sachlage ist also eine grundlegend andere. Zusätzlich hat sich der Veranstalter der Berliner Demo eben gerichtlich gewährt, das hätten auch die Veranstalter in Hanau tun können und wahrscheinlich zumindest in Teilen Recht bekommen. Haben sie halt nicht getan. Das könnte natürlich auch daran liegen, dass es nun mal besondere Brisanz hat, wenn eine Demo aufgrund der Gesetze, gegen die gerade demonstriert werden soll, verboten wird.

    In sofern ist dein Vergleich whataboutism at its best und hat mit dem Overton-Fenster nun einfach überhaupt nichts zu tun. Ich rate dir in sofern dringend, da aus der Opferrolle herauszukommen.

    Wohl aber möchte ich hiermit einmal einen Appell an die anderen Leute richten, die das hier lesen. Wenn Leute wie der Berliner Innensenator Geisel oder übrigens auch die rechten Spinner, die sich gegen friedliche, mit Abstand abgehaltene BLM-oder FFF-Demos aussprechen, Corona als Vorwand missbrauchen, um bestimmte Meinungen kleinzuhalten*, sollte man da als Demokrat entschieden entgegentreten - völlig unabhängig davon, ob man die vertretenen Meinungen teilt. Überhaupt finde ich es unglaublich, wie unheimlich dumm sich Herr Geisel da angestellt hat. Mit dem Infektionsschutz hätte man ein Verbot ja eventuell noch begründen können (auch schon schwierig), aber wenn der oberste Chef der Versammlungsbehörde sich vor die Presse stellt und sagt, dass er "Corona-Leugnern, Reichsbürgern und Rechtsextremisten" keine Bühne bieten will, ist absolut offensichtlich, dass da zumindest auch sachfremde Erwägungen mit eingeflossen sind. Und diese beinhalten halt auch noch das Vorgehen gegen eine bestimmte Meinung, was gemäß Art. 5 GG nun einmal absolut untersagt ist. Da ließ sich also auch nichts rechtfertigen, die Demo zu erlauben ist damit leider unumgänglich. In Anbetracht der Leute, die da protestieren, gehe ich aber offen gestanden nicht davon aus, dass das ein besonders langes Vergnügen wird, denn eine Demo aufzulösen, wenn die Auflagen nicht eingehalten werden, ist der Polizei natürlich erlaubt. Mit der Zeit werden sich dann auch die Demoteilnehmer sicherlich mehrheitlich an die Auflagen halten, weil sie eben demonstrieren wollen. Das klappt sogar bei Nazis, ich sehe keinen Grund, warum es hier nicht klappen sollte.



    Bezogen auf die andere Diskussion halte ich Schule - auch Präsenzunterricht - letztlich für alternativlos. Wir haben nach wie vor keine Ahnung, wann ein Impfstoff zugelassen und in ausreichender Menge produziert werden kann. Das können Jahre sein, und Kinder jahrelang in ihrer Entwicklung zurückzuwerfen (und nein, Online-Unterricht ist kein adäquater Ersatz, schon weil Schulen eben auch zur Sozialisierung beitragen sollen, ganz zu schweigen davon, dass wir technologisch Entwicklungsland sind) halte ich zumindest bei so niedrigen Fallzahlen wie derzeit in keinster Weise für verhältnismäßig. Umso enttäuschter bin ich, dass die Politik in Berlin offenbar immer noch lieber über so einen vergleichsweise unwichtigen Quatsch wie deutschlandweit, außer in Sachsen-Anhalt, vereinheitlichte Bußgelder für Maskenverweigerer diskutiert. Währenddessen haben es, wenn ich dem Brandbrief des NRW-Lehrerverbandes glauben schenken darf, Verantwortliche auch nach über einem halben Jahr Pandemie immer noch nicht geschafft, mal Handwerker durch die Schulen zu schicken und zu gucken, ob sich auch alle Fenster öffnen lassen. Oder - wie ich vermute - auch nur die Klos ausnahmsweise mal putzen zu lassen. Wo sind denn die Rechtsgrundlagen, die wie in Skandinavien Unterricht bei passender Witterung auch draußen erlauben würden? Warum testen wir Reiserückkehrer, aber nicht Schüler? Warum schafft es der DfB innerhalb von Tagen ein vernünftiges und vor allem praktikables Hygienekonzept zu entwickeln und die öffentliche Hand über Monate nicht? Ich bin offen gesagt sprachlos, aber derartiges Versagen von Politik und Bildungsträgern darf halt meiner Ansicht nach nicht zu Lasten der Bildung einer ganzen Generation gehen.



    *Und ich meine damit wohlgemerkt Meinungen, nicht Tatsachen. Alleine Corona zu leugnen ist damit also nicht geschützt. Die Demos wenden sich aber halt vor allem gegen ihrer Ansicht nach übertriebene Maßnahmen, und das kann man natürlich so vertreten. Man sollte nicht, aber man kann.

    Ja, das ist natürlich bekannt. Gerade im nahen Osten ließen sich ja offensichtlich alle Probleme lösen, wenn die Wähler nur "besser wählen" würden. Ist ja nicht so, dass die ganze Region da im Wesentlichen Spielball der Russen, Amerikaner, Saudis und Iraner wäre und deswegen die kleineren Staaten da in der Regel gar nicht wirklich entscheiden können, was so mit ihnen passiert...

    Und Bescheinigungen nur von Lungenfachärzten gelten würden, die dann wiederum bei unsachgemäßen Ausstellungen ihre Zulassung verlieren würden...

    Das ist ein Argument, das hier immer mal wieder auftaucht und das ich bis heute nicht verstanden habe. Es gibt doch durchaus eine ganze Reihe von Krankheiten, die eventuell das Tragen einer Maske nicht ermöglichen und die mit der Lunge absolut nichts zu tun haben. Man denke etwa nur an Angststörungen. Warum genau sollen also nur Lungenärzte Befreiungen ausstellen können? Solange der Arzt wirklich fachlich davon überzeugt ist, dass die Person Schwierigkeiten mit der Maske hat, sehe ich ehrlich kein Problem damit, wenn jeder Hausarzt Befreiungen ausstellen kann. Auch zum Beispiel deswegen, weil es etwa in meiner Heimatgemeinde gar keinen Lungenarzt gibt und es für jemanden mit echten Problemen und ohne Auto dann doch verdammt schwierig wäre, eine Befreiung zu kriegen. Ich halte Masken Stand jetzt auch im ÖPNV für absolut angebracht und bin ebenfalls der Ansicht, dass deutlich zu viele Leute ihre Maske nicht oder nicht vernünftig tragen, als dass das alles medizinisch induziert sein könnte. Ich bin aber dringend dagegen, die Hürden an eine Befreiung so hoch zu setzen. Denn der Preis dafür - Menschen mit Problemen mehr oder weniger aus dem gesellschaftlichen Leben auszuschließen - wäre mir dann doch zu hoch. Da ist es mir dann doch lieber, wenn tendenziell etwas zu viele Leute keine Maske tragen.


    Ansonsten möchte ich mich noch einmal zur Diskussion der vergangenen Tage hier äußern, auch wenn Quartilein hiermit meine Meinung zu den Demos in Berlin selbst eigentlich zu 100% getroffen hat.

    Das scheint mir in letzter Zeit immer recht gerne unterschlagen zu werden: Wenn sich Corona-Leugner infizieren, gefährden sie damit nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Hinzu kommen die bereits geschilderten Effekte, dass der R-Faktor bei Corona-Leugnern potenziell nochmal höher ist, da diese sich auch sonst an keine Beschränkungen halten.


    Ob das nun ausreicht, um Demonstrationen dieser Personengruppe pauschal zu verbieten? Sicher nicht, da wären wir dann wieder bei den Grundrechten. Es ist aber aus meiner Sicht auf jeden Fall ausreichend, um diese Demos bei Nichteinhaltung der Hygieneregeln aufzulösen und Strafen gegen die Veranstalter zu verhängen. Da würde ich mir für die Zukunft auch ein schnelleres Eingreifen der Polizei wünschen, damit der Schaden minimiert wird.

    Darüber hinaus möchte ich aber noch davor warnen, das Geschehen zur Zeit jetzt überzudramatisieren. Wenn es wirklich so sein sollte, dass die Fallzahlen wieder exponentiell ansteigen - bewiesen ist das bisher ja noch nicht, auch wenn der Anstieg durchaus besorgniserregend ist - steigen sie jedenfalls deutlich, deutlich langsamer an als im März. Bei dem derzeitigen Tempo wird es noch Wochen bis Monate dauern, bis wir wieder in einer Lage sind, in der den Krankenhäusern Überlastung droht und deshalb Lockdown-Maßnahmen unausweichlich sind. Gleichzeitig kennen wir das Virus und seine Übertragungswege nun deutlich besser als im Frühjahr und können deshalb gezielter da angreifen, wo wirkliche Ergebnisse zu erwarten sind - die Testpflicht für Reiserückkehrer etwa ist da ein erster Schritt und ein deutlich milderes Mittel als ein Grenzschluss. Das heißt, dass wir gerade auf besonnenes, politisches Handeln wert legen sollten, nicht auf panische Überreaktionen.


    Konkret auf die Demo bezogen etwa heißt das für mich: Klar war der Anlass absolut bescheuert und die vorsätzliche Nichteinhaltung der Corona-Regeln durch einige (viele? die Meisten?) Teilnehmer unbedingt kritikwürdig. Ich halte es dennoch für geboten, da auf dem Teppich zu bleiben. Dort haben 20.000 Leute demonstriert. Das sind 0,0002% aller Deutschen. Und die Demo fand auch noch draußen statt, wo meines Wissens bislang noch kein einziges Superspreader-Ereignis bekannt geworden ist*. Wenn alle anderen sich an die Regeln halten würden, gäbe es nun wirklich keine Möglichkeit, dass daraus eine "zweite Welle" entstehen könnte. Vielleicht wäre es daher angebracht, jetzt nicht wie - zugegeben kleine - Teile der CDU und SPD drakonische Maßnahmen zu fordern, sondern die Handlungen dieser vergleichsweise wenigen Deppen mit einem Verweis auf die geltende Rechtslage und gegebenenfalls einem resignierten Kopfnicken abzutun und sich mal auf Maßnahmen zu konzentrieren, die langfristig wohl deutlich mehr Infektionen verhindern könnten. Dass es über sechs Monate nach dem Beginn der Pandemie immer noch keine vernünftigen Hygiene- und Test(!)konzepte für Schulen gibt und Schüler jetzt gezwungen werden, den ganzen Tag lang Maske zu tragen, stört mich offen gestanden viel mehr als so eine Corona-Demo. Auch das Wort "Nahverkehr" ist hier schon gefallen - und der ist zwar notwendig, für mich aber offen gestanden potentiell der Super-Spreader schlechthin. Gibt es also Investitionen, den Nahverkehr auszubauen, damit es da mehr Platz gibt? Vielleicht eine Prämie für Leute, die auf das Fahrrad umsteigen wollen? Absolute Fehlanzeige.

    Stattdessen durften wir in der letzten Woche erfahren, dass die Polizei nunmehr in mehreren Bundesländern die zur Corona-Bekämpfung erhobenen Daten für ihre Ermittlungsarbeit missbraucht, ein Fakt, der sicher nicht dazu beigetragen hat, die Akzeptanz dieser Maßnahmen zu erhöhen.


    Bevor man also sich jetzt auf Mallorcaurlauber und Coronademoteilnehmer einschießt und - mit Verlaub - jede Woche die nächste, unverantwortliche Sau durchs Dorf treibt, sollten wir uns vielleicht eingestehen, dass wir das Verhalten der Menschen in einer freiheitlichen Demokratie nun einmal nicht vollständig überwachen und bestimmen können. Selbst wenn man jetzt - verfassungswidrig - die Versammlungen gar nicht erst erlaubt oder sie - absolut vernünftig - bei der Nichteinhaltung von Schutzmaßnahmen auflöst**, spätestens in ihren Häusern erreicht man die Menschen nun einmal nicht mehr und sie können sich dennoch mit Gleichgesinnten treffen. Was wir jedoch unbedingt beeinflussen können, ist die Politik, die uns alle - hoffentlich vergleichsweise vernünftigen - Menschen schützt und uns gleichzeitig möglichst viele persönliche Freiheiten einräumen soll. Und das tut sie offen gestanden meiner Ansicht nach gerade nicht annähernd so gut, wie sie es könnte. Das hängt meiner Ansicht nach auch wieder mit der Hoffnung auf einen diffusen Impfstoff schon Anfang nächsten Jahres zusammen. Wenn das passiert, mag man ja mit unseren zusammengeschusterten, kurzfristigen Maßnahmen noch gut fahren. Da das aber keine Garantie ist, brauchen wir meiner Ansicht nach langfristige Konzepte, mit der Pandemie umzugehen. Und da macht die Politik ihre Hausaufgaben nicht.



    *Mir ist wohl gemerkt bekannt, dass es zur Anfangszeit der Corona-Pandemie gerade im Zusammenhang mit Fußballspielen zu erheblichen Ansteckungsherden gekommen ist, die etwa die Krise in Bergamo erst möglich gemacht haben. Nicht bekannt ist allerdings meines Wissens, wo genau es dort zu Ansteckungen gekommen ist. Und nach allem, was wir bisher über die Übertragung des Virus wissen, erscheinen da der Eingang, die WCs in der Halbzeitpause und der Nahverkehr hin und zurück als die wahrscheinlichsten Ansteckungsherde, nicht so sehr die Spiele selbst.

    ** Offtopic, aber ich finde, hier schließt sich dann aus juristischer Sicht ein interessantes weiteres Problem an. Ich habe in den letzten Wochen - "inspiriert" durch die BLM-Demo am Alexanderplatz - wirklich vertieft darüber nachgedacht, ob es verhältnismäßig wäre, eine Demonstration wegen Verstoßes gegen das Abstandsgebot aufzulösen, wenn diese Vorschrift aufgrund des begrenzten Raumes und der Anzahl der Teilnehmer gar nicht mehr eingehalten werden kann. Meiner Ansicht nach sticht die Versammlungsfreiheit - die ja gerade auch die Wahl des Ortes schützt - in diesem Fall tatsächlich zumindest solange den Infektionsschutz, bis bei irgendeiner Versammlung mal eine stärkere Verbreitung nachgewiesen werden kann.

    Für mich hat sie einfach richtig gehandelt. Sie wäre/war mit der Strafe des Richters für den Täter nicht einverstanden, deshalb hat sie als Mutter der eigenen getöteten Tocher für das gesorgt, was sie verlangte aber nicht bekam.

    Warum genau postest du das jetzt im Thema Kuscheljustiz? Das einzige, was an diesem Sachverhalt irgendetwas mit "Kuscheljustiz" zu tun hat, ist die lächerlich geringe Haftstrafe, die Frau Bachmann selbst erhalten hat. Sechs Jahre wegen Totschlags (von denen sie drei (!) abgesessen hat), obwohl sie einem Mann sieben (!) Mal in den Rücken geschossen hat. Nachdem sie eine Waffe in den Gerichtssaal geschmuggelt hatte. Ich war nun nicht dabei, aber wie man da nicht Heimtücke bejahen und damit eine lebenslange Freiheitsstrafe aussprechen konnte, ist mir offen gestanden schleierhaft.


    Die Strafe, mit der sie "nicht einverstanden war", hatte der Richter übrigens noch gar nicht ausgesprochen, weil sie den Mann während der Verhandlung erschossen hat. Das heißt nicht nur, dass du hier zum wiederholten Male unqualifizierte Meinungen verbreitest, ohne auch nur den Sachverhalt verstanden zu haben. Es heißt auch, dass die Schuld ihres Opfers bis heute nicht bewiesen ist. Mit anderen Worten hätte nach deiner Meinung jetzt wohl jeder seiner Angehöriger eine Rechtfertigung gehabt, Frau Bachmann zu erschießen, nicht? Weil unser Rechtssystem so blöd und weich ist, weil alles viel besser wäre, wenn wir uns alle wie die Wilden in Blutfehden die Köpfe abhacken würden? Ist dir eigentlich bewusst, wozu es führt, wenn jeder sich durch Selbstjustiz alles holen kann, wenn er nur danach "verlangt"? Hast du The Purge mal gesehen?


    Bitte nicht falsch verstehen: Sicher kann man es absolut verstehen, wenn eine Mutter wegen des Todes ihrer Tochter verzweifelt und wütend ist. Dennoch muss der Rechtsstaat Selbstjustiz mit aller Härte bekämpfen, um zu funktionieren. Auf lange Sicht profitieren wir alle davon. Dass du dann aber wieder hier reinschneist und den Fall instrumentalisierst, um zum x-ten Mal deine blöden Forderungen zu stellen, obwohl du ersichtlich nichts von der Materie verstehst und obwohl fast alle anderen hier dir zum x-ten Mal erklären, dass die Welt und das Recht nicht so einfach sind wie du denkst, verschlägt mir echt die Sprache. Lass es doch einfach mal sein, bevor du dich nicht mal eindringlich mit Strafzwecktheorien auseinandergesetzt hast. Das hier ist schlicht Stammtischniveau und bringt wirklich niemanden weiter.

    Zai Es geht ja nicht darum, dass der Frauenanteil in den Parteien steigt, sondern in den Parlamenten

    Jetzt mal ganz krass gefragt: Warum geht es eigentlich darum? Wenn man mal den Frauenanteil innerhalb der einzelnen Parteien mit dem im Bundestag vergleicht (Quelle 1 Quelle 2 Quelle 3) kommt man auf folgende Daten.


    Union: 51/246 Frauen = 20% Frauenanteil im Parlament. 20,7% Frauen in der CSU, 26,3% Frauen in der CDU. Im letzten Bundestag waren es noch 79/309 Frauen, also 25,5%

    SPD: 65/152 Frauen, also 42% Frauenanteil im Parlament. Frauen in der SPD 32,6%

    AfD: 10/81 Frauen, also 12%. In der Partei sind es 17%

    FDP: 18/80 Frauen, also 22,5%. In der Partei sind es 23,7%

    Linke: 37/69 Frauen, also 53%. In der Partei sind es 36,4%

    Grüne: 39/62 Frauen, also 58%. In der Partei sind es 40,5%


    Ich war jetzt noch nie so gut in Mathe, aber wenn wir jetzt einmal annehmen, dass jedes Parteimitglied sich mit gleicher Wahrscheinlichkeit zur Wahl aufstellen lässt und gleich kompetent ist vermag ich in der Listenwahl außer ganz eventuell bei der AfD schlichtweg keine systematische Beteiligung von Frauen zu erkennen. Bei der FDP und der CSU ist der Anteil annähernd gleich, bei der CDU begründet sich der hohe Männeranteil überwiegend in der Direktwahl in den Wahlkreisen (dazu später). SPD, Linke und Grüne haben in vorauseilendem Gehorsam eine Frauenquote beschlossen, was dazu führt, dass in diesen Parteien das Verhältnis mit Abstand am stärksten auseinanderklafft. Bei den Grünen, wo 60% Männer nur 40% der Plätze besetzen dürfen, ist die Chance einer Frau, gewählt zu werden, gar doppelt so groß. Das entspricht jetzt nicht gerade meinem Verständnis des Gleichheitssatzes*. Ich weise an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass das Grundgesetz Ergebnisgleichheit an keiner Stelle voraussetzt. Gleiches gilt auch für die Verfassung des Freistaates Thüringen.


    Was alle deutschen Verfassungen einhellig voraussetzen, ist dagegen Chancengleichheit. Das gilt umso mehr im Wahlrecht: Jede Stimme ist gleich viel wert, jeder Bürger hat das Recht, jeden möglichen Kandidaten zu wählen. Daraus folgt auch, dass jeder Bewerber grundsätzlich die gleichen Chancen haben muss, für sich zu werben und gewählt zu werden.

    Offen gestanden ist für mich an dieser Stelle schon Schluss. Denn der Grundsatz der freien und gleichen Wahl hat eben nicht nur Verfassungsrang, sondern ist über das Demokratieprinzip sogar von der Ewigkeitsklausel des Art. 79 III geschützt. Mit anderen Worten: Eine wie in Thüringen und Brandenburg beschlossene, alternierende Liste, die gleichzeitig massivst in die Chancengleichheit eingreift und dazu führt, dass Leute gewählt werden, die der Wähler eigentlich nicht haben will, ist meiner Ansicht nach schlicht verfassungswidrig. Der Verstoß ist auch so eklatant, greift so in den Kernbereich des Demokratieprinzips ein, dass er sich nicht rechtfertigen lässt - auch nicht durch Art. 3 II, der ja im Übrigen wieder wohl nur die tatsächliche Gleichstellung bei der Chancengleichheit fordert. Das Urteil war deswegen in keiner Weise überraschend und ist absolut richtig. Es ist zu erwarten, dass auch das Brandenburgische Verfassungsgericht und das Bundesverfassungsgericht in Zukunft nicht anders entscheiden werden.


    Aber weil ich gerade Zeit habe, spielen wir das aus Spaß doch einmal durch. Selbst wenn ein so großer Verstoß gegen die Wahlrechtsgrundsätze sich rechtfertigen lassen würde, müsste diese Rechtfertigung natürlich auch im Einzelfall durchgreifen. Das heißt die Quotierung der Wahllisten müsste als erstes Mal einen legitimen Zweck erfüllen. Es müsste also erst einmal eine Benachteiligung von Frauen bei der Wahl nachgewiesen werden. Das wird mit den Daten da oben zumindest bezogen auf die Listenwahl ziemlich schwierig. Der Frauenanteil über alle Parteien hinweg liegt bei etwa 30 - 40%, der Frauenanteil im Bundestag liegt bei 32%, in der Wahlperiode davor waren es 37%, damit ist zumindest zahlenmäßig keine Benachteiligung festzustellen. Es ist übrigens auch jeder einzelnen Frau unbenommen, in jede beliebige Partei einzutreten, zu kandidieren und einen Listenplatz zu erreichen. Eine Benachteiligung (von Frauen und Männern übrigens) liegt aber natürlich dennoch vor, weil die "linken" Parteien die niedrigeren Frauenanteile der "rechten" Parteien gewissermaßen "überkompensieren". Das heißt, dass bei Grünen und Linken Frauen deutlich bessere Chancen auf eine Wahl haben, bei der AfD und Union dagegen Männer. Beides ist nicht optimal.

    Im nächsten Schritt ist dann aber dringend fraglich, ob eine Quote überhaupt geeignet ist, eine gleichberechtigte Partizipation beider Geschlechter im Parlament zu erreichen. Und hier ist die Antwort dann spätestens eher nein. Denn zumindest bei der Union kommt der hohe Männeranteil vor allem durch die Direktmandate zu Stande, und die werden durch eine Quotierung der Listenwahl schlicht nicht berührt.

    Mit anderen Worten: Selbst wenn man einfach so den Grundsatz der gleichen Wahl aus dem Grundgesetz streichen würde, wäre das Gesetz ziemlich sicher immer noch verfassungswidrig. Für eine Quotelung der Listen besteht schlicht kein Bedarf, weil hier keine Benachteiligung feststellbar ist.

    Also, nächster Schritt. Wenn wir nun festgestellt haben, dass eine Benachteiligung von Frauen in den Direktmandaten besteht, müsste man halt ein Gesetz machen, das das löst. Das ist eigentlich nicht weiter schwierig, ich halte es im Übrigen im Gegensatz zu der Listenquotierung auch für verfassungsgemäß, weil es im Gegensatz zur Liste dem Wähler die Letztentscheidung überlassen würde. Man muss nur alle Parteien verpflichten, für die Wahl zwei Leute aufzustellen, die sich mit verschiedenen Geschlechtern identifizieren (Also übrigens gerade nicht unbedingt Mann und Frau, so könnte man auch Transgender und Genderfluide in der "Quotierung" berücksichtigen). Das Mandat gewinnt dann die Partei, die die meisten Stimmen erhält - und innerhalb der Partei derjenige, der dort die meisten Stimmen erhalten hat. So lässt sich Chancengleichheit wirkungsvoll herstellen, ohne zwangsläufig dem Wähler die Entscheidung zu nehmen.


    Zu guter Letzt möchte ich dann noch einmal erwähnen, dass Frauen in unserer Demokratie eigentlich gar nicht benachteiligt werden können. Denn Demokratie ist Mehrheitsherrschaft und die Mehrheit der Wahlberechtigten sind - genau - Frauen. Demokratische Macht setzt aber halt auch in einem gewissen Maß Partizipation voraus, und es beteiligen sich evident teils aus kulturellen, teils aus biologischen Gründen mehr Männer am politischen Prozess. Dementsprechend möchte ich gerne an alle Frauen, die das hier lesen, appellieren: Wenn ihr euch benachteiligt fühlt, dann tretet in Parteien ein und lasst euch aufstellen. Wenn ihr der Ansicht seid, dass eine Frauenquote im Parlament das wichtigste politische Anliegen ist, dann wählt bitte die Grünen und der Frauenanteil im Parlament wird automatisch steigen. Denn so leid mir das tut: Solange nur 30% der Bewerber auf politische Ämter Frauen sind, wird man halt nicht 50% der Parlamentsplätze mit Frauen besetzen und das dann Gerechtigkeit oder Gleichberechtigung nennen können. Und deswegen ist es der absolut richtige Ansatz, mehr Frauenbeteiligung an der Basis der Parteien anzustreben und eben nicht vorrangig auf die Wahllisten für Parlamente abzuzielen.



    *Ich möchte an dieser Stelle übrigens noch erwähnen, dass ich trotzdem keine Veranlassung sehe, den Grünen die Quotierung ihrer Listen zu verbieten. Denn auch die Parteifreiheit ist ein hohes gut und wenn die Grünen mehrheitlich entscheiden, Frauen stark zu bevorzugen, ist das deren gutes Recht. Es ist dann ja auch Sache des Wählers, diese Entscheidung in der Wahl zu honorieren oder abzustrafen. Gleich skeptisch bin ich aber, wenn man andersherum Parteien in ihren Innenorganisationen vorschreiben will, bestimmte Stellen mit bestimmten, nicht allein durch eine demokratische Entscheidung gewählten Personen zu besetzen.

    Das Problem ist die Institution "Polizei" an sich und wie diese in unserer Gesellschaft eingesetzt wird - und als Institution ist die Polizei nun einmal problematisch af.


    Davon abgesehen ist es eben dasselbe Problem, wie mit "Not all men - yes, all women". Ist jede*r Polizist*in rassistisch und nutzt seine Macht aus und arbeitet dafür den Status Quo der Unterdrückung in unserer westlichen Gesellschaft aufrecht zu erhalten? Nein. Werden Polizist*innen aber dazu angehalten, Racial Profiling zu betreiben und den Status Quo zu erhalten? Ja. Ist Macht korrumpierend und verführt viele Menschen dazu, sie zu missbrauchen? Ja. Und dazu kommt eben dasselbe Ding, wie bei der "Not all Men" Sache: Jede*r Polizist*in, di*er weiß, dass ihre*seine Kollegen Racial Profiling betreiben und nichts macht, ist letzten Endes ein Komplize. Die Polizist*innen, die während dem Tod von Oury Jalloh gearbeitet und nichts gemeldet, um die Täter zu decken, sind Komplizen.


    Es geht letzten Endes darum, dass das System Polizei mittlerweile so kaputt ist, dass die einzige Methode etwas dagegen zu machen ist, sich explizit dagegen zu stellen - das gilt auch für Polizist*innen, die mit dem System so nicht einverstanden sind. Denn es ist halt nun einmal auch bekannt, dass es mittlerweile auch hier soweit ist, dass interne Meldungen meist ignoriert werden.

    Ich möchte jetzt gar nicht groß gegen deine Gründe diskutieren - ich könnte da sicher das ein oder andere Haar in der Suppe finden, aber das wäre wohl an dieser Stelle nicht zielführend.


    Keinesfalls zustimmen kann ich aber deiner Schlussfolgerung, die Lösung wäre, sich explizit gegen das System zu stellen. Du begehst hier schon wieder denselben Denkfehler, auf den ich kürzlich noch in der Diskussion über die Statuen hingewiesen habe. Namentlich suchst du alle Fehler im System, die du finden kannst und führst sie ohne jegliche Abwägung auf, um gegen das System an sich zu argumentieren. Das halte ich aber nicht für logisch, denn kein System ist perfekt.


    Und wenn du einmal abwägst und unser System international vergleichst, wird dir auffallen, dass das System "Polizei" eigentlich allgegenwärtig und universell anerkannt ist. Dir wird auch auffallen, dass man in Deutschland - auch als Angehöriger einer Minderheit - faktisch deutlich sicherer ist als in den meisten anderen Staaten dieser Welt. Und das liegt halt auch vorrangig an unserem Polizei-, Justiz-, und Rechtssystem. Denn selbst wenn es so wäre, dass PoC sich "prinzipiell vor der Polizei fürchten müssen", müssen sich halt immer noch auch diejenigen vor der Polizei fürchten, die Straftaten gegen ebendiese PoC begehen. Ich halte es daher für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass die Existenz der Polizei insgesamt PoC in Deutschland mehr schadet, als sie ihnen nützt. Ich halte es sogar für ausgeschlossen, dass die Existenz des Systems "Polizei" der Gesamtgesellschaft mehr schadet als nützt. Und für jemanden, der mir vor kurzem noch unterstellt hat, dass sich meine Perspektive "ausschließlich auf weiße, mittelständige Cis-Personen, [nicht] auf das Gesamtbild" bezieht, bist du halt manchmal schon bemerkenswert schnell dabei, die Interessen der Gesamtgesellschaft zugunsten eigener Partikularinteressen zu verleugnen.


    Also mal konkret: Was für Veränderungen stellst du dir vor? Um so lächerliche Symbolpolitik wie in den USA, wo Polizeibehörden aufgelöst und dann unter neuem Namen wieder gegründet werden, wird es ja wohl nicht gehen. Du hast ja selbst schon zugestanden, dass unser Polizeisystem besser funktioniert als in den Vereinigten Staaten, weil die Polizisten weniger militarisiert sind. Also, was noch? Genauere Prüfung von Polizeianwärtern, um solche mit rechter Gesinnung zu finden und auszuschließen? Halte ich für dringend notwendig. Eine unabhängige Verwaltungsinstanz, um Beschwerden gegen die Polizei einzulegen? Können wir gerne machen. Bodycams bei Polizeieinsätzen? Mit genauen datenschutzrechtlichen Vorgaben vielleicht möglich. Noch weniger Militarisierung, also zum Beispiel Polizisten grundsätzlich ohne Waffen wie in Norwegen? Halte ich für falsch, solange die Gewalt gegen Polizisten zunimmt und wir teils gravierende Probleme mit Clankriminalität haben. Ein Polizeigesetz wie in Berlin, das Polizisten dazu zwingt, unmögliche Beweise zu erbringen? Ersichtlich absoluter Unsinn.

    Ich möchte auch betonen, dass ich all das für Änderungen "im System" und nicht für Änderungen "des Systems" halte - mit der Konsequenz, dass sie bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen auf politischem Wege erreicht werden können und sollten. Das das möglich ist, hat das neue berliner Polizeigesetz ja zumindest gezeigt.

    Ich möchte auch erwähnen, dass es wohl niemals ein Polizeisystem geben wird, unter dem alle Staatsbürger vollkommen gleichberechtigt sind. Das ist ziemlich unmöglich. Ohne ein gewisses Maß an Staatsgewalt kann kein Staat existieren, und natürlich verleitet Macht zum Machtmissbrauch. Nur: Ganz ohne Staat ginge es uns noch schlechter, auch Minderheiten, denn meines Wissens werden die in Somalia jetzt nicht unbedingt besser behandelt als hier. Menschen sind nun einmal biologisch gesehen Rudeltiere, neigen dazu, sich in Gruppen einzuteilen und die "eigene" Gruppe besser zu behandeln. Eine völlig diskriminierungsfreie Polizei ist daher zwar ein nettes Idealbild, dürfte aber auch für dich kaum wünschenswert sein. Denn eine Polizei ohne Macht ist schlicht nicht mehr in der Lage, die Bürger zu schützen, und Anarchie hilft niemandem weiter. Deswegen ist das ideale "System" eines, das Diskriminierungen möglichst klein hält und dabei noch in der Lage ist, die Bürger möglichst effizient zu schützen. Haben wir dieses Idealsystem erreicht? Nein. Sind wir an dem idealen System näher dran als fast jeder andere Staat der Erde? Meiner Ansicht nach definitiv. Lässt sich das ideale System durch die Modifizierung der Strukturen des bestehenden Systems erreichen? Ich denke ja, ein besseres "System" müsste jedenfalls erst noch gefunden werden.


    Daraus ergibt sich dann auch, dass ich es für völlig falsch halte, Gewalt gegen Polizisten in irgendeiner Weise zu rechtfertigen oder gar zu legitimieren. Ich kann ehrlich gesagt auch die Argumentation nicht wirklich nachvollziehen. Denn dass nicht alle Polizisten rassistisch denken oder handeln, hast du ja gerade erst selbst zugegeben. Dem einzelnen Polizisten kann man wohl selten während einer Polizeikontrolle eine rassistische Handlung vorwerfen. Ob der Polizist gerade racial profiling betreibt oder aufgrund von Indizien begründet "den Schwarzen" kontrolliert - wie etwa in Stuttgart - kann man auch in dem Moment nicht feststellen.. Gerade von Leuten wie dir - oder, um den Bogen zu spannen, der Autor_in der TAZ-Kolumne - die nicht müde werden, in absolut jedem Sachverhalt fast schon krankhaft nach *ismen zu suchen erwarte ich, dass sie denselben Maßstab auch anlegen, wenn es gegen den vermeintlichen "Gegner" geht. Wenn ein Polizist also bei einer absolut berechtigten Polizeikontrolle angefeindet wird, sollte man das schon immer noch verurteilen. Ansonsten macht man sich unglaubwürdig und erweckt den Eindruck, dass es einem nicht um Gleichberechtigung geht, sondern nur darum, die gerade priveiligierte Gruppe gegen die selbst bevorzugte Gruppe auszutauschen. Und das man dafür in einer Demokratie keine Mehrheit finden wird, sollte eigentlich selbsterklärend sein.

    War der Fehler überhaupt menschlich vorhersehbar oder handelte sich es um fahrlässiges oder gar grob fahrlässiges Handeln?

    Klitzekleines Nitpicking meinerseits: Die objektive Vorhersehbarkeit ist gerade Merkmal der Fahrlässigkeit, das "oder" ist da also falsch. Für unvorhersehbare Dinge kann niemand bestraft werden, auch nicht aus Fahrlässigkeit.



    Ansonsten möchte ich diejenigen, die interessiert sind, einmal auf diesen Artikel hinweisen. Ich möchte gleich sagen, dass ich dem Autor im Ergebnis nicht zustimme, aber die Argumentation finde ich ausgesprochen interessant und sie hat mich wirklich zum Nachdenken gebracht. Vielleicht reden wir hier in der Diskussion auch einfach ein wenig daran vorbei.


    So kann Gucky meines Erachtens völlig richtig einwenden, dass der BGH nun einmal die Entscheidungshoheit in der Sache hatte und auf vorsätzlichen Mord entschieden hat. Auch er wird allerdings bei genauerer Betrachtung der Sachlage zugestehen müssen, dass das Urteil eine erhebliche Abweichung von der bisherigen Vorsatzdogmatik des Gerichtshofes bedeutet. Soweit ich das als halbwegs "echter" Jurist beurteilen kann, wurde diese Dogmatik von @bodennaher monarch und @Exabyte auch richtig rekurriert. Es ist aber schon auch darauf hinzuweisen, dass diese "Grenze" zwischen bewusster Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz schon immer ausgesprochen verschwommen und deswegen umstritten ist. Es ist auch erwähnenswert, dass sich das StGB in keinster Weise dazu auslässt, was nun eigentlich "Vorsatz" ist. Letztlich hindert also niemand den BGH daran, seine Vorsatzdogmatik zu ändern. Das Urteil wird sicherlich auch im juristischen Schrifttum in nächster Zeit allerlei Kritik auf sich ziehen. Wie das Gericht etwa eine heimtückische Handlung annimmt, ist für mich schlechterdings nicht nachvollziehbar - "ausnutzen" setzt für mich qualitativ noch einmal deutlich mehr als Eventualvorsatz voraus.

    Die Grundentscheidung aber, Eventualvorsatz auch dann anzunehmen, wenn der Täter völlig abwegig damit rechnet, dass "schon alles gut gehen wird", lässt sich aber zweifelsfrei auch mit guten Argumenten vertreten.


    Offen gestanden wird die Diskussion für mich aber erst aus einem anderen Blickwinkel richtig interessant. Ob das Urteil aus Sicht des positiven Strafrechts nun gefällt werden durfte, ist eine Sache. Der wichtigere Punkt ist aber eigentlich, ob das Urteil so gerecht ist. Und spätestens da haben wir dann auch einen Punkt erreicht, wo man sich - bei allem Respekt vor meiner Zunft - wohl keinesfalls nur auf Juristen, und sei es der BGH, berufen sollte. Gerecht finde ich persönlich das Urteil nicht. Denn unabhängig davon, wie man jetzt zur Vorsatzdefinition steht, finde ich die Täter nur schwerlich vergleichbar mit einem "normalen", fahrlässigen Täter. Denn es geht hier eben nicht nur darum, dass sie ihre Sorgfalt verletzt haben. Vielmehr haben sie sich bewusst und vollkommen rücksichtslos über eine ganze Reihe gesellschaftlicher Normen hinweggesetzt und ein unwahrscheinlich erhöhtes Risiko geschaffen. Das macht sie aber - zumindest nach meinem Verständnis - noch lange nicht vergleichbar mit Mördern. Dort steckt - so sie die "traditionelle" Vorsatzdefinition erfüllen - einfach noch eine ganz andere kriminelle Energie hinter.

    Und da sind wir dann halt eigentlich wieder bei meinem Lieblingsthema, zu dem ich mich hier in Letzter Zeit schon zwei Mal geäußert habe: Dem, dass unsere Tötungsdelikte, und damit insbesondere unser Mordparagraph, schon lange nicht mehr zeitgemäß sind und dringend eine Reform nötig ist, um eben nuanciertere Bestrafungen zu ermöglichen. Und bis das geschehen ist, halte ich in solchen Fällen eine Bestrafung aus Fahrlässigkeit mithilfe der hergebrachten Vorsatzdefinition für deutlich angebrachter. Denn zu meinem Verständnis von "Rechtsstaat" gehört es ehrlich gesagt auch, im Zweifel eher eine zu leichte als eine zu harte Strafe zu verhängen, wenn eine tatsächlich gerechte Strafe durch den Gesetzestext nicht möglich ist.


    Zuletzt möchte ich noch anmerken, dass der Gesetzgeber ja durchaus mittlerweile Abhilfe geschaffen hat - mit dem neuen §315d StGB. Der steht zwar in den Verkehrsdelikten und hat deswegen mit einer Reform der Tötungsdelikte nichts zu tun. Er ermöglicht aber dennoch, nunmehr einen Strafrahmen (ein bis zehn Jahre) festzulegen, der zwischen der fahrlässigen und der vorsätzlichen Tötung liegt und mir daher durchaus angemessen erscheint. Auch deswegen finde ich das BGH-Urteil letztlich schwierig zu verstehen, denn damit hat der Gesetzgeber eigentlich ja noch kürzlich festgestellt, dass er eine Strafbarkeitslücke sieht - also Raser gerade nicht für Mörder hält, denn wenn die eh lebenslang kriegen hätte man sich die Mühe echt auch sparen können. Auch das hätte dafür gesprochen, hier die "leichtere" Strafe auszusprechen und künftig die "traditionelle" Vorsatzdefinition mit dem neuen §315d anzuwenden. Dann hätte man sich auch erspart, für so erhebliche Rechtsunsicherheit zu sorgen. Denn ob die "neue" Vorsatzrechtsprechung jetzt auch in anderen Fällen angewendet werden wird, ist keinesfalls sicher.



    e://

    In allen diesen Fällen wird ein möglicher Tod vorsätzlich in Kauf genommen. Ob es sich bei dem Raserurteil wirklich um Mord gehandelt hat bezweifle ich ehrlich gesagt auch, aber ich denke Totschlag wäre ziemlich sicher gerechtfertigt gewesen.

    Das ist halt gerade nicht so, und das ist das Hauptproblem. Die Frage, ob es sich hier um Mord oder Totschlag handelt, stellt sich überhaupt nicht. Wenn man von Vorsatz ausgeht, wird man zumindest das Merkmal des "gemeingefährlichen Mittels" wohl bejahen müssen. Damit ist nur eine Entscheidung zwischen Mord und fahrlässiger Tötung möglich, der Totschlag - der vom Strafrahmen her deutlich besser passen würde - ist durch die Erfüllung des Mordmerkmals einfach raus. Das ist natürlich in keinster Weise sachgerecht, aber ohne eine Änderung des StGB dürfen Gerichte gar nicht auf Totschlag entscheiden.

    Hmm, vielleicht weil ich sehr viele Artikel von Politik-Wissenschaftlern aus den USA lese, die seit Jahrzehnten vor einem Zerfall der amerikanischen Demokratie warnen.

    Also stimmst du zu, dass deine Behauptung, dass es in den USA seit der Ankunft der Europäer nie Demokratie gegeben hat, Blödsinn war? Denn wo nichts ist, kann ja auch nichts zerfallen.Dann würde ich den Vorwurf der Verschwörungstheorie auch zurücknehmen, denn dass die Demokratie in den USA tatsächlich Probleme hat - vom Gerrymandering über den Ausschluss schwarzer Wähler durch Ausweiserfordernisse bis hin zum Wahlmännerprinzip, durch das die Mehrheitsentscheidung nicht unbedingt auch gewinnen muss - ist absolut klar. Dennoch sind die USA nun mal kein reiner, böser, diktatorischer Unrechtsstaat, sondern eher eine Demokratie mit Defiziten.


    A buttload of privilege. Ja, den Ad-Hominem lasse ich nicht stecken, denn er beschreibt, was hier vor sich geht.

    Gut, da du den nicht stecken lassen kannst, ist die Diskussion mit dir für mich an dieser Stelle beendet. Ich habe das mit Alaiya schon mal ellenlang ausdiskutiert und halte es für müßig, das jetzt noch einmal mit dir zu tun. Das kommt halt immer nur von Leuten, die mit sachlichen Argumenten nicht weiterkommen und deshalb ihren Gegenüber wegen angeblicher "Privilegien" aus der Diskussion hinausdrängen wollen. Dazu passt es dann auch, dass du mir das Leben in einer Scheinwelt unterstellst, die du dann auch noch in deinem Beitrag aufbaust, weil ich nie auch nur annähernd etwas davon gesagt habe. Und dann stellst du fest, dass mein Argument in deiner hypothetischen Scheinwelt keinen Sinn ergibt, weil es das halt auch gar nicht kann, weil ich mich auf unsere, reale Welt bezogen habe. Darüber solltest du dann vielleicht mal differenziert nachdenken.


    Bastet unten: Nur um das klarzustellen, ich fühle mich nicht wirklich beleidigt - ich bin in diesem Fall schließlich privilegiert. Übrigens hauptsächlich deshalb, weil ich eben in Deutschland und nicht in den USA lebe und unsere Demokratie zweifelsfrei deutlich besser funktioniert. Ad-hominem ist halt bloß keine vernünftige Grundlage für eine sachliche Diskussion und wenn man nicht auf sachlicher Ebene diskutieren kann, braucht man meiner Ansicht halt gar nicht zu diskutieren. Erst dann nicht, wenn der ganze folgende Beitrag keinen einziges meiner Argumente anspricht, sondern mir eine "Scheinwelt" in den Mund legt, von der ich noch nie etwas gehört habe.

    Nein. Ich meine dieselbe USA, die die erste moderne, rechtsstaatliche Demokratie waren und bis heute trotz nicht zu verleugnender Probleme sind.

    Dieselbe USA, die seit der Einführung des World-Happiness-Reports durchgehend einen der ersten 20 Plätze einnehmen - wohlgemerkt selbst unter Trump in den letzten Jahren noch.

    Dieselbe USA, die Jahrzehnte lang als "Leader of the free world" agiert hat und unter anderem eine stabile Demokratie in Deutschland installiert hat, für die ich ausgespochen dankbar sind.

    Dieselbe USA, die nach ihrer Gründung fast 200 Jahre lang als "sicherer Hafen" für Auswanderer fungiert hat, die sich aufgrund religiöser oder persönlicher Verfolgung dort niedergelassen haben.

    Dieselbe USA, die als Motor der Weltwirtschaft erheblichen Anteil daran hatte, uns in eine moderne Welt zu katapultieren und unseren Alltag deutlich zu erleichtern.

    Dieselbe USA, die durch ihre Geldmengen und ihre Wirtschaftskraft nachweislich dafür sorgt, dass der Wohlstand nicht nur in den USA, sondern der ganzen Welt stetig ansteigt - lebten im 19. Jahrhundert noch 80% der Welt in absoluter Armut, sind es heute noch 8%.


    Ganz ehrlich, Rosinenpickerei betreiben kann ich selbst.


    Noch einmal, es gibt kein schwarz und weiß, die Fakten in unseren Beiträgen sind zwar bei dir wie üblich maßlos überdramatisiert, aber im Grunde nachweisbar und richtig. Die Kunst liegt halt darin, das gegeneinander abzuwägen. Nicht nur auf der Ebene des Systems, sondern natürlich auch auf der von Personen. Das habe ich oben mehrfach herausgestellt und ich bin dazu absolut bereit. Aber wenn du deine Fakten so darstellst und - das unterstelle ich jetzt einmal - systematisch alles Negative betonst und alles Positive unter den Tisch fallen lässt, hat das wohl leider keinen Sinn. Du betreibst hier Geschichtsrevisionismus in Reinform. White man bad. Black man good. Red man also good. Super.

    Und nein, gut Leben und die USA sind so zwei Sachen, die nicht zusammenpassen. Den große Teile der Bevölkerung in den USA sind systematisch unterdrückt. Zugang zu grundlegenden, eigentlich laut Menschenrechten jedem zustehenden Ressourcen ist für viele Menschen dort eingeschränkt. Demokratie in dem Sinne gibt es dort schon lange nicht mehr (einige Leute zweifeln an, dass es die nach Ankunft der Europäer dort je gab). Und vieles davon hat mit direkten Folgen des Kolonialismus zu tun.

    Lol. Um mal ganz direkt nachzufragen: Wie oft warst du schon in den USA? Und woher beziehst du deine Quellen?


    Jetzt mal ganz im Ernst, zu behaupten, dass die USA (Weithin anerkannt als die Wiege der modernen Demokratie) nie eine Demokratie war, ist in den Bereich der Verschwörungstheorien zu verweisen. Woher kommt dieses gefestigte, antiamerikanische Weltbild denn? Die USA haben einige Demokratiedefizite, aber dennoch sind sie keinesfalls eine Diktatur, Grundrechte und Wahlrecht werden gewährleistet.

    Das klingt irgendwie schon sehr nach dem Kram, den die verbittertsten Bernie-Sanders-Anhänger so verbreiten, wenn der Tag lang ist. Er selbst würde wohl nicht zustimmen. Es klingt aber, und das ist gefährlicher, auch nach dem Blödsinn, der so auf Russia Today verbreitet werden würde und letztlich dazu dienen soll, unsere westlichen Gesellschaftsmodelle zu unterminieren. Leider sind die aber das Beste, was wir uns bis jetzt an Regierungsformen ausgedacht haben, und bei allen Vollzugsdefiziten halte ich so eine Grundlagenkritik daher kaum für angebracht.


    Du wirfst hier einen Haufen Dinge durcheinander. Nochmal: Die Realität ist, dass von Rassismus betroffene Menschen in Protesten Statuen von Tätern zerstören. Wieso sollten heute von Rassismus betroffene PoCs sich darum kümmern, dass irgendein von weißen gefeierter Typ früher weißen Kindern die Schule finanziert hat? Die positiven Handlungen mögen für weiße Leute bis heute nachwirken, aber halt eben nicht für die Leute, deren Familien versklavt und ermordet wurden und die bis heute an den Folgen des institutionalisiertem Rassismus leiden, den genau diese „Wohltäter“ damals in die Wege geleitet haben.

    Ich werfe da nichts durcheinander. Auch das kannst du so nicht einfach behaupten. Sicherlich sind PoCs im Vergleich zu weißen in den USA oft benachteiligt. Allerdings muss man schon auch anmerken, dass eine der Hauptkritiken im Startpost ist, dass die Reservate von Eingeborenen manchmal kein fließendes Wasser haben. Meines Wissens hat von den indigenen Stämmen im Amazonas auch kein einziger fließendes Wasser, und die Gesundheitsversorgung dürfte im Busch auch noch deutlich schlechter sein. Kolonialismus als etwas absolut negatives darzustellen, dürfte deswegen auch in diesen Fällen nicht gerechtfertigt sein. Auch PoC in Großbritannien sitzen in einem post-kolonialistischen Industriestaat und profitieren nicht unerheblich von seiner Existenz. Sie sitzen in einem Industriestaat, der nicht selten das Ziel von anderen PoC ist, die Lebensgefahren auf sich nehmen, um zu uns zu kommen. Und das liegt sicher nicht nur am Kolonialismus und Neokolonialismus, sondern nicht unerheblich auch an kriegerischen Auseinandersetzungen und Diktaturen, die es auch ganz ohne Zutun der Europäer gegeben hätte, weil Menschen eben so sind. SDein ad hominem kannst du also stecken lassen. Auch hier bewegen wir uns nun einmal in Grauzonen.


    Noch einmal: Niemand von uns weiß, wie es ohne die Interventionen der Europäer heute auf der Welt aussehen würde. Sie sind deswegen garantiert kritisch zu würdigen. Verbrechen gegen die indigenen Bevölkerungen anzuerkennen ist richtig, und dass man auf gleichberechtigte Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen hinarbeiten muss ergibt sich schon aus den Menschenrechten. Aber es hier wie Alaiya so darzustellen, als wäre überall auf der Welt bis 1500 Friede, Freude, Eierkuchen gewesen, was die Europäer allein ruiniert haben ist so einfach nicht richtig. Tut mir Leid.



    Deine Karl-Marx-Analogie ist btw absoluter Unsinn, da Marx kein Täter war. Das wäre nur dann eine angemessene Analogie, wenn es hier um die Zerstörung von Denkmälern von Charles Darwin gehen würde, weil der die Evolutionstheorie begründet hat, deren Verzerrung zu rassistischem Gedankengut geführt hat.

    Meinetwegen ziehe ich die Karl-Marx-Analogie damit zurück. Hast du an der Stauffenberg-Analogie auch etwas auszusetzen oder darf ich den grundlegenden Punkt so beibehalten?


    Ansonsten tust du die ganze Zeit so, als gäbe es immer nur einen Zeitgeist, und als hätte damals niemand auf der Welt gewusst oder überhaupt geahnt, dass Sklaverei etwas schlechtes ist. Das ist so als würde man in 100 Jahren, wenn Fleischesserei endlich abgeschafft wurde, sagen, es hätte ja keiner geahnt oder überhaupt ahnen können, dass Fleisch zu essen unmoralisch oder schlecht für die Umwelt wäre. Hätte uns doch wer gewarnt, huh? Sklavenhalterei war damals auch schon umstritten, und wurde nicht erst plötzlich nach ihrer Abschaffung moralisch verwerflich.

    Ich habe nie behauptet, dass es nur einen Zeitgeist gibt. Tatsächlich bin ich eigentlich mit dem Punkt eingestiegen, dass Moral ziemlich wandelbar ist. Dennoch wirst du nicht bestreiten können, dass Sklaverei zumindest bis ins 18., wenn nicht bis ins 19. Jahrhundert gesellschaftlich überwiegend akzeptiert war - übrigens nicht nur in europäischen Gesellschaften. Das Argument mit dem Fleischessen bestätigt daher eigentlich eher meinen Punkt, finde ich. Das ist so eine Sache, die zwar umstritten ist, aber gesellschaftlich überwiegend akzeptiert ist. Ich persönlich esse kein Fleisch, du wenn ich deinen Beitrag richtig verstehe auch nicht. Dennoch ist das nun einmal nur ein Thema, und es ist heutzutage ziemlich normal, Fleisch zu essen. Damals war es ziemlich normal, Sklaven zu besitzen. Ich halte es aber nun einmal für falsch, Helmut Kohl allein deswegen nicht zu ehren, weil sein Lieblingsgericht pfälzer Saumagen war. Und genau so falsch wäre es halt, Statuen von Thomas Jefferson abzureißen, weil er Sklaven gehalten hat.



    Die Taten von Edward Colston (der Sklavenhandel) mögen damals total normal gewesen sein und dass er Schulen und Krankenhäuser unterstützt hat mag was gutes gewesen sein. Das ändert jedoch nichts daran, dass dieses Geld durch Sklavenhandel entstanden ist.

    Damals mag seine Persona "ehrenhaft" gewesen sein, sodass sie mit einer Statue (die Jahrhunderte später scheinbar noch steht) geehrt wurde.

    Aber aus heutiger Sicht und in einer aufgeklärten, Toleranten Gesellschaft gehört es sich mMn nicht, dass ein Sklaventreiber/-händler mit einer Statue geehrt wird, weswegen man auch hinterfragen sollte, ob so eine Statue noch zeitgemäß ist.

    Denn dass man die Nazizeit und deren Denkmäler neu bewertet und entsprechend entfernt steht ja außer Frage, auch wenn es "damals normal" war. Und selbiges sollte auch beim Thema Rassismus und den Statuen von Sklavenhändlern gelten

    Ich werde hier nicht groß über Edward Colston diskutieren, weil ich über ihn einfach nicht genug weiß. Ich stimme dir zu, dass sich die historische Bewertung da auch danach richten sollte, dass er überhaupt erst durch den Sklavenhandel zum Philanthropen werden konnte. In der Pauschalität alle "Statuen von Sklavenhändlern" zu entfernen, halte ich aber nicht für richtig. Denn dann würde man halt zum Beispiel auch die ersten acht US-Präsidenten allesamt nicht mehr würdigen können, obwohl sie zweifelsfrei ziemlich großes vollbracht haben.

    Die Konsequenzen der negativen Taten dieser Personen halten aber bis heute vor. Dein Beitrag liest sich so, als wäre die Vergangenheit abgeschlossen, und als könne man sie in einem Vakuum betrachten. Das ist aber nicht der Fall. Unter anderem deswegen gehen die Leute auf die Straßen, demonstrieren, und zerstören dabei eben zum Teil auch diese Statuen – weil die portraitierten Leute bis heute gefeiert werden, obwohl die katastrophalen Konsequenzen ihrer Taten für viele Menschen immer noch bittere Realität sind. Du lässt die Ursache-Wirkung dieser Realität vollkommen außer acht. Aber ja, die Bevölkerungsgruppen, die seit Jahrhunderten systematisch diskriminiert und auf offener Straße ermordet werden, sollen doch „bitte erstmal nachdenken, bevor sie öffentliches Eigentum zerstören“, … lol.

    Natürlich tun sie das. Das Problem ist halt, dass die Konsequenzen der positiven Taten dieser Personen auch bis heute vorhalten und eine einseitige Betrachtung deshalb absolut unangemessen ist. Sich völlig auf die negativen Konsequenzen ihrer Handlungen zu versteifen, lässt daher ebenso, wenn nicht mehr, Ursache-Wirkungs-Relationen außer acht. Der Mann da aus England hat nicht nur mit Sklaven gehandelt, er hat auch Krankenhäuser und Schulen unterstützt. Kolumbus hat durch seine "Entdeckung" Amerikas zwar mittelbar sicherlich zum Tod von Millionen native americans beigetragen, er hat aber halt auch den Grundstein etwa für die Vereinigten Staaten gelegt, einem Staat, in dem heute über 300 Millionen Menschen im großen und ganzen sehr gut leben können. Der Extremfall Robert Koch hat in Afrika zwar ein paar Menschenexperimente durchgeführt - aus heutiger Sicht sicherlich verachtenswert. Er hat aber halt auch den TBC-Erreger entdeckt und damit dafür gesorgt, dass die Tuberkulose, also eine Krankheit an der vor 100 Jahren noch 1/7 aller Deutschen gestorben ist, hierzulande mittlerweile fast ausgerottet ist. Mit anderen Worten: Bei allen von diesen Personen kann man den Punkt machen, dass die positiven Taten der Personen überwiegen und eine Ehrung deshalb angebracht ist. Das mag bei Colston schwierig zu vertreten sein, bei Kolumbus dagegen deutlich eher, bei Robert Koch kann ich beim besten Willen nicht verstehen, wie man überhaupt zu einem anderen Ergebnis kommen kann.


    Noch einmal anders ausgedrückt: Du hast halt genau so wenig wie ich eine Ahnung, wie die Welt ohne die Taten dieser Personen ausgesehen hätte. Wir wissen nicht, dass die negativen Aspekte überwiegen. Deswegen ist es überaus angebracht, sich kritisch mit den Auswirkungen dieser Taten auseinanderzusetzen. Wenn man aber dabei Rosinenpickerei betreibt, nur die moralischen Maßstäbe der heutigen Zeit anlegt und den Handelnden alle Probleme der Welt anhängt, verlassen wir irgendwann den Bereich der historischen Aufarbeitung und begeben uns in den Bereich der politischen Propaganda.


    Das Nazi-Regime war damals, 1933, auch etwas "vollkommen normales", gegen das niemand was gesagt hätte.

    (Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass wenn Hitler nicht Polen und Frankreich überfallen hätte, dass niemand den Juden zur Hilfe geeilt wäre, weil niemand etwas davon mitbekommen hat)

    Aber Jahre später hat man dann die damals "heutigen, moralischen Maßstäbe" gesetzt und das gesamte Nazi-Regime daran kritisiert (zurecht) und die Menschen für die Taten, die sie damals begangen haben, bestraft. Obwohl sie "damals" vollkommen normal waren.


    Also entweder darf man alle historischen Personen anhand der "modernen, moralischen Maßstäbe" bewerten oder gar keine


    Das ist teilweise tatsächlich nicht falsch und ja auch ein Hauptaspekt, warum die Verurteilungen der NS-Verbrecher in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen auch unter ideologisch völlig unbescholtenen Juristen bis heute durchaus umstritten sind. Ex-post ein Völkerstrafrecht einzuführen und Menschen danach zu bestrafen, stößt sich sehr mit den rechtsstaatlichen "nulla poena"-Geboten. Man konnte sich aber halt immerhin darauf berufen, dass es damals eben mit dem Völkerbund schon eine internationale Instanz gab, die das Ziel hatte, den Frieden zu wahren und Angriffskriege zu unterbinden. Nach dem Krieg von 1914-1918 war es erklärtes oberstes Ziel der Staatengemeinschaft, einen weiteren solchen Krieg zu verhindern. Es lässt sich nun kaum bestreiten, dass die Nazis da gegen gewisse Grundentscheidungen der Weltgemeinschaft eklatant verstoßen haben. Letztlich erfolgte die Bestrafung aufgrund von Völkergewohnheitsrecht, das zwar - problematischerweise - nicht kodifiziert, wohl aber in den Grundzügen zwischen den Staaten anerkannt war.


    Das sah zur Zeit der Kolonialisierung aber halt noch ziemlich anders aus. Da war die oberste Instanz in Europa wohl der christliche Glaube, und der sieht nun einmal in der damaligen Lesart die Bekehrung von Ungläubigen vor. Kriegerische Handlungen waren absolut üblich und weit verbreitet. Und das halt nicht nur in Europa, kriegerische Handlungen bis hin zu großen Feldzügen waren nun einmal auch in Amerika, Afrika und Asien absolut normal.


    Vereinfacht gesagt waren die moralischen Maßstäbe der Weimarer Zeit unseren deutlich näher, und dementsprechend leichter kann eine Beurteilung zumindest angenähert an unsere heutigen Maßstäbe erfolgen. Überzeugte Kolionalisten aus den 1960er-Jahren sind sicherlich noch einmal kritischer zu bewerten als solche aus dem 18. Jahrhundert. Aber tatsächlich ergeben sich noch viel später, auch heute noch, ganz ähnliche Probleme. Die "Mauerschützen" aus der DDR sind so ein Klassiker, wo eine Verurteilung auch unbedingt zu kritisieren ist. Wenn man sein ganzes Leben lernt, dass auf der anderen Seite der "Klassenfeind" sitzt und "Deserteure" nun einmal den Tod verdienen, ist es sehr schwer, dagegen aufzubegehren. Das driftet jetzt aber Richtung offtopic.


    Karl Marx' Vorstellungen des Kommunismus haben auch nichts mit Terrorregimen mit Überwachung und Unterdrückung zu tun

    Stimmt. Und genau deswegen habe ich das Beispiel gewählt, um zu illustrieren, dass die heutige Nachwirkung einer Person halt nicht unbedingt auch ein Totschlagkriterium für die historische Bewertung der Person ist. Denn eine Kausalität wirst du letztlich nicht bestreiten können.

    Ich frage mich gerade, warum solche Menschen überhaupt Denkmäler bekommen haben.

    Denkmäler sollten nur Personen vorbehalten sein, die etwas wichtiges in der Geschichte getan hatten und einen größeren positiven Einfluss als negativen Einfluss hatten.

    Nun, das ist aber gerade im größten Maße eine Interpretationsfrage. Herr Colston zum Beispiel hat in Großbritannien mit Sklaven gehandelt, was zu seiner Zeit etwas völlig normales war. Er hat aber halt auch sehr großzügige Spenden an Schulen, Kirchen, Kranken- und Armenhäuser getätigt, was zu seiner Zeit nicht normal war. Aus Sicht des 18. Jahrhunderts war Colston damit wohl ein guter Mensch und hatte zweifelsfrei eine Statue verdient.

    Ich halte es nicht für besonders glücklich, Bewertungen historisch bedeutsamer Personen allein an unseren heutigen, moralischen Maßstäben vorzunehmen. Das hat auch mit einer geschichtlichen Aufarbeitung wenig zu tun. Als Historiker muss man sich schon in die jeweilige Lebenszeit der betroffenen Person hineinversetzen, um zu einer Bewertung ihres Handelns zu kommen. Moral ist nun einmal keine feststehende Größe, sondern sie ändert sich mit der Zeit und der zugrunde liegenden Kultur. Wir bewegen uns bei der Bewertung historischer Personen daher zwangsläufig immer in Graustufen, niemand ist perfekt, es gibt kein personifiziertes Böse.


    Deswegen ist es nicht hilfreich, die Taten von Menschen wie Christoph Kolumbus über alle Maßen zu glorifizieren. Es ist aber ebenso wenig hilfreich, mangelnde historische Aufbereitung zu beklagen und im selben Atemzug alle Eroberer und Kolonialisten undifferenziert als "Täter", "Sklavenhändler" und "Massenmörder" darzustellen. Denn Kolumbus hat eben auch einen wichtigen Beitrag zur Geschichte Europas geleistet und ist letztlich Gründungsvater aller heute existierenden, amerikanischen Staaten. Und als solcher verdient er zweifelsfrei einen Platz in der Geschichte, und ja, auch eine gewisse Würdigung.

    Um die Taten der Kolonisten richtig zu bewerten, ist es absolut notwendig, festzustellen, dass Dinge wie universelle Menschenrechte, ein Völkerstrafrecht und eine UN, ohne deren Sanktion zumindest theoretisch kein Krieg erklärt werden darf, ausgesprochen neue, zivilisatorische Errungenschaften sind. Landnahme, auch kriegerische, war bis weit in das 18. Jahrhundert hinein in nahezu allen Kulturen der Erde verbreitet und akzeptiert. Vielerorts galt das Recht des Stärkeren - so etwa auch schon vor der Ankunft der Europäer in Südamerika selbst gerade erst einen Großteil des Kontinents erobert, zehntausende Menschen getötet und versklavt und deren Kultur vollständig vernichtet hatten. Ebenso wie die war niemand, der im Rahmen der Conquista an kriegerischen Handlungen auf dem amerikanischen Kontinent beteiligt war, aus damaliger Sicht ein Kriegsverbrecher - eher im Gegenteil.

    Die dahinter stehenden Systeme - das "Recht des Stärkeren", der Sozialdarwinismus - sind in einer zivilisierten Weltgesellschaft nicht gut zu heißen und unbedingt kritikwürdig. Ich tue mich aber ehrlich schwer daran, diese Kritik unreflektiert auch auf Individuen zu erstrecken. Menschen sind nun einmal nicht so individuell, wie wir uns das heutzutage gerne vorstellen. Unsere Gedanken und Taten sind ganz maßgeblich von unserer Umgebung bestimmt. Es ist völlig logisch, dass sich fromme Christen und Monarchisten im 15. Jahrhundert völlig anders verhalten haben als wir vermeintlich aufgeklärte Demokraten heute. Sich aus diesen Zwängen zu lösen, kann für sich eine großartige Leistung sein - deswegen stellen wir Statuen für Galileo Galilei oder für Rosa Parks auf. Es gibt aber nun auch einmal Leistungen in anderen Bereichen, die Anerkennung verdienen, auch wenn die zu ehrenden Menschen in ihrem gesellschaftlichen "Korsett" gefangen geblieben sind, egal wie kritikwürdig letzteres aus heutiger Sicht ist. Kolumbus' Entdeckungsreisen gehören meiner Ansicht nach unbedingt dazu, auch wenn man da sicherlich anderer Ansicht sein kann. Über Herrn Colston weiß ich zu wenig, um da eine Einordnung vorzunehmen. Ein noch extremeres Beispiel stellt meiner Meinung nach die Debatte über die Umbenennung des Robert-Koch-Instituts dar, dessen angebliche kolonialistische Grundhaltung schlicht in keinem Verhältnis zu seinen Verdiensten um die Wissenschaft steht.


    Bevor man also wahllos herumzieht und öffentliches Eigentum zerstört, sollte man sich schon überlegen, wofür die abgebildete Person eigentlich geehrt wird und ob ich tatsächlich die Person an sich kritisiere, nicht das System, unter dem sie gehandelt hat. Ich zum Beispiel würde nie auf die Idee kommen, eine Statue für Karl Marx abzureißen, nur weil er die geistige Vorarbeit für einige der schlimmsten Terrorregimes aller Zeiten geleistet hat. Ich würde auch nie eine von-Stauffenberg-Straße umbenennen, obwohl der Mann bis 1943 ein ausgesprochen überzeugter Nazi war. Kritik an Personen und Systemkritik sind zwei verschiedene Dinge, und auch berechtigte Kritik an Personen sollte nicht dazu führen, die Verdienste dieser Personen abzuerkennen.


    Oh ja, wie schlimm, es werden Statuen von Sklaventreibern zerstört.

    Dass ist genauso schlimm, wie damals in Nürnberg, als die Hakenkreuze von dem Reichsparteitaggelände gesprengt wurden

    Das verdeutlicht übrigens noch einmal meinen Punkt. Es wurde streng genommen nicht die Statue eines Sklaventreibers zerstört, sondern die eines - aus damaliger Sicht - Philanthropen, der mit Sklaven gehandelt hat. Das ist etwas völlig anderes, als die Propaganda eines der größten Unrechtsregimes aller Zeiten zu entfernen. Letzteres ist offensichtlich richtig, bei ersterem muss man positive und negative Punkte schon zumindest miteinander abwägen. Das setzt aber eine gesellschaftliche Debatte voraus, soweit ich die Presse überblicke scheint es ja auch in dem konkreten Fall zwischen tories und konservativen durchaus unterschiedliche Ansichten darüber geben, ob die Statue dort überhaupt noch hätte stehen sollen. Wenn sich aber nun keine gesellschaftliche Debatte entwickelt, muss das nicht daran liegen, dass etwas "unter den Teppich" gekehrt wird. Es kann auch einfach daran liegen, dass es niemanden interessiert. Und das muss auch nicht an strukturellem Rassismus liegen, sondern kann auch darin begründet sein, dass es wohl reine Symbolpolitik ist. Ich wüsste nicht, inwiefern Taubentoiletten, gerade in Verbindung mit einer kritischen Plakette, überhaupt interessant genug wären, um Rassismus in irgendeiner relevanten Weise zu fördern. Wenn man da anderer Ansicht ist, kann man gerne versuchen, das Thema auf die Agenda zu bringen und für den Abriss einer Statue zu werben. Wenn das nicht klappt, bleibt Selbstjustiz aber immer noch völlig verfehlt.

    Erschreckend, aber kaum überraschend:

    Hier muss ich mal kurz dazwischen grätschen. Ohne Kontext kann man aus dieser Grafik selbst nicht wirklich viel ablesen. Das "erschreckendste" an der Grafik ist meiner Meinung nach offen gestanden die Farbgebung. Wenn die Quelle nicht von Statista wäre, die ja wirklich ziemlich neutral sind, hätte ich die ohne weiteres als "manipulativ" bezeichnet. So ist sie zumindest unglücklich. Wenn man die nicht angeklagten Polizisten in signal-roter Warnfarbe darstellt und die tatsächlich verurteilten in ruhigem Blau, impliziert man damit doch, dass Anklagen und Verurteilungen gut und richtig sind? Das wäre nämlich ein Fehler.

    In einem perfekt funktionierenden Polizeiapparat müssten eigentlich alle diese Männchen in der Grafik rot sein, ich bin mir vergleichsweise sicher, dass man bei uns in Deutschland in den Jahren 2013 - 2019 noch ein "erschreckenderes" Verhältnis finden würde, weil kein Polizist wegen eines tödlichen Waffeneinsatzes verurteilt wurde.

    Denn Polizisten, die gerechtfertigt töten - also aus Notwehr oder Nothilfe - werden eben gar nicht angeklagt. Die Fälle bleiben in diesen Verfahren bei der Staatsanwaltschaft "hängen", die nur Anklage erheben darf, wenn ihr eine Verurteilung wahrscheinlich erscheint. Auch die ist aber schon eine von der Polizei unabhängige staatliche Instanz.


    Ein Geschmäckle bekommt die Verurteilungsquote erst dann, weil kaum zu bestreiten ist, dass die USA tatsächlich Probleme mit institutioneller Polizeigewalt haben. Das darf aber nun nicht dazu verleiten, alle nicht angeklagten Polizisten als Problem wahrzunehmen. Auch in den USA werden sicherlich die Situationen, in denen die Polizisten Leute aus (ex ante) berechtigter Notwehr töten, überwiegen. Man muss auch bedenken, dass in den USA die Bevölkerung deutlich stärker bewaffnet und somit das individuelle Risiko für Polizisten größer ist. Zusammengefasst wird man natürlich sagen können, dass durchaus zwei, drei, vielleicht auch Vier von den rot gefärbten Männchen blau gefärbt gehören. Für eine genaue Feststellung reicht diese Grafik aber nicht aus. Da müsste man stattdessen prüfen, wie viele Polizisten trotz hinreichender Indizien von den Staatsanwaltschaften nicht angeklagt oder der Fall erst gar nicht zur Staatsanwaltschaft gegeben wurde oder bei denen gar nicht erst versucht wurde, belastende Tatsachen festzustellen. So eine Statistik dürfte sich leider kaum erheben lassen. Aber da wäre dann tatsächlich jedes rote Männchen erschreckend, und es wären sicher auch noch einige rote Männchen da. Das Verhältnis von rot zu blau wäre aber nicht annähernd so gravierend, wie es in der Grafik dort den Anschein hat.


    Das soll jetzt keine Polizeigewalt rechtfertigen oder relativieren, aber man muss sich schon klar machen, dass im Grunde nicht mehr, sondern weniger Polizisten wegen Gewalttaten verurteilt werden sollten - weil sie gar nicht erst Gründe für eine Verurteilung liefern sollten.



    Habt ihr auch gelesen, dass in den USA die Ausbildung eines Polizisten im Durchschnitt knapp 3 Monate dauert? Schon klar, dass in der kurzen Zeit weder Recht noch Ethik ausreichend gelernt werden kann. In Deutschland dauert es meist 3 Jahre, mit einsatznahen Übungen und Praxis im Dienst. Zum Glück haben wir deswegen durchschnittlich kompetentere Polizisten und weniger Polizeigewalt in Deutschland, bzw. Europa generell, auch wenn Racial Profiling bei uns auch ein Problem ist.

    Ich finde übrigens, dass wir auch bei uns in der Ausbildung noch einiges verbessern können. Ich persönlich bin in Niedersachsen aufgewachsen, wo seit Jahren neue Polizisten nur noch nach einem dreijährigen Bachelorstudium auf die Straße gelassen werden. In Nordrhein-Westfalen, wo ich studiert habe, gibt es noch eine Polizeiausbildung mit Einstellung in den mittleren Dienst. (nicht mehr aktuell, die Aussetzung des mittleren Dienstes erfolgte in NRW allerdings später, siehe den übernächsten Post). Die Unterschiede in der Qualifikation sind im Umgang mit den Polizisten wirklich teilweise frappierend. Meiner Meinung brauchen Polizisten eben nicht nur einsatznahe Übungen und Praxis im Dienst, sondern sie müssen auch die staatstheoretischen Grundlagen hinter ihrer Arbeit verstehen. Es gibt etwa immer noch zu viele Polizisten, die davon ausgehen, dass die Bürger sich ihnen gegenüber für ihr Verhalten rechtfertigen müssten. In Wahrheit ist es grundsätzlich natürlich umgekehrt. Auch bei der Frage nach der Beweislast habe ich durchaus schon Defizite festgestellt. Etwa müssen Polizisten mir, wenn ich mit einem Kopfhörer Fahrrad fahre, nachweisen, das meine Aufmerksamkeit dadurch beeinträchtigt ist. Ich habe schon mit Polizisten gesprochen, die stattdessen immer dann ein Bußgeld nehmen, wenn der Bürger nicht nachweist, dass er nicht beeinträchtigt war - das ist nicht nur technisch unmöglich, sondern auch eines Rechtsstaats absolut unwürdig. Mit Polizeigewalt hat das natürlich noch nicht viel zutun, aber es ist dennoch ein Machtmissbrauch, der überwiegend schlicht auf Unkenntnis basiert und mit einer besseren Ausbildung sicher vermeidbar wäre.

    Das geht jetzt auch in die Richtung dessen, was Bastet sagt. Ethik beibringen ist natürlich schwer, man kann Polizisten aber durchaus vermitteln, dass auch sie sich an Regeln zu halten haben und es bei Nichtbeachtung dieser Regeln nun einmal Konsequenzen gibt.



    Mich würde es aber interessieren, ob besagte 20er wirklich ne Fälschung war

    Ehrlich gesagt interessiert mich das persönlich nicht wirklich. Ich hoffe aber trotzdem inständig, dass es ein echter Schein war. Wenn es eine Fälschung war, würde das nur wieder rechten Spinnern, allen voran dem Oberspinner im Weißen Haus, ermöglichen, den Tod zu rechtfertigen. Auch bei einer Fälschung war das Vorgehen der Polizei aber absolut unverhältnismäßig und durch nichts zu entschuldigen.

    Die aktuelle (deutsche) Definition klingt auch ein wenig mittelalterlich.

    Ich bin mir vergleichsweise sicher, dass man das im Mittelalter besser formuliert gekriegt hätte. Der deutsche Mordparagraph ist im dritten Reich reformiert worden und strotzt von NS-Ideologie. Nennt sich Tätertypenlehre. Es geht schon vom Wortlaut her nicht darum, Menschen individuell nach dem Grad ihrer Schuld zu bestrafen, sondern es gibt halt Menschen, die "der Mörder" sind und allein deswegen hinter Gitter gehören. "Der Jude" war früher übrigens eigentlich immer auch "der Mörder". Die gesamte Vorschrift ist unglaublich misslungen und dürfte eigentlich nicht mehr existieren. Damit die Vorschrift, die das wohl schwerste Vergehen unserer Rechtsordnung in Frage stellt, überhaupt angewendet werden kann, darf man den ersten Absatz eigentlich gar nicht mitlesen und muss bei den Tatbestandsmerkmalen eigentlich ständig Rechtsbeugung betreiben, um nicht zu absolut unfairen Ergebnissen zu kommen.

    Aus der Sicht sehr vieler Juristen ist das letztlich ein unhaltbarer Zustand. Die Vorschrift existiert hauptsächlich deswegen noch, weil die Union der Ansicht ist, dass das Volk der Meinung ist, dass "Mörder halt bestraft gehören". Dass die meisten Menschen eigentlich keine Ahnung haben, was überhaupt ein Mord ist, wird geflissentlich verschwiegen. Wenn ein Mann besoffen seine Frau erwürgt, ist das oft nur Totschlag. Wenn dieselbe Frau stattdessen jahrelang geschlagen wird und sich nicht anders zu helfen weiß, als den Mann im Schlaf zu ersticken, ist sie wegen heimtückischem Mord dran. Mein Gerechtigkeitsempfinden würde da offen gestanden zu einem anderen Ergebnis kommen.

    Der Witz ist ja, dass man eigentlich den ganzen Mordparagraphen nicht braucht, weil in §212 II StGB der "besonders schwere Fall des Totschlags" normiert ist, der auch mit lebenslanger Freiheitsstrafe bewährt ist und unter den man problemlos auch alle Mordmerkmale subsumieren könnte.


    Erfüllen muss man aus dem Katalog des §211 allerdings tatsächlich nur ein Merkmal, um einen Mord zu begehen.


    Aber so rein vom Gefühl her, wirkt ein so unfairer Tod, wo das Opfer wirklich nichts für seine Lage konnte und der Täter sich so grob fahrlässig verhalten hat, eher wie Mord als als was anderes. Und vielleicht sind es nicht so sehr die inhaltlichen Definitionen, die geändert werden sollten, sondern die Begriffe. Strafbestände wie Körperverletzung mit Todesfolge oder grob fahrlässige Tötungen können im Grunde auch eine Stufe von Mord sein.

    Das allerdings ist halt nicht so. Mord setzt juristisch gesprochen Vorsatz voraus, sodass fahrlässige Tötung und Körperverletzung mit (fahrlässiger) Todesfolge halt kein Mord sind. Ich erkenne da auch das Problem nicht, denn für fahrlässige Tötungen haben wir halt auch Begriffe, die überaus praktikabel sind. Das Problem ist denke ich da eher, dass der Begriff "Mord" im allgemeinen Sprachgebrauch viel zu liberal genutzt wird. Das liegt sicher auch an amerikanischen Einflüssen, denn zumindest ich höre dauernd von Leuten, die davon ausgehen dass Mord geplant, Totschlag aber im Affekt geschieht. "Murder" und "Manslaughter" sind halt etwas anderes als "Mord", "Totschlag" und "Fahrlässige Tötung", direkte Übersetzungen sind kaum zielführend, weil sich die Rechtssysteme grob unterscheiden. Bevor man hier groß an den Definitionen rumspielt und, für noch mehr Verwirrung sorgt und sich ggf. sogar einem Rechtssystem, das ich persönlich in dem Gebiet für noch schlechter halte, angleicht, hielte ich es für angebrachter, dass man den Leuten die Grundlagen unseres Rechts- und Strafsystems einmal näher bringt, um eventuell für mehr Akzeptanz zu sorgen.

    Was es braucht ist eine demilitarisierte, wenn nicht sogar komplett entwaffnete Polizei, die nur in Ausnahmesituationen Gewalt einsetzen darf und bei Machtmissbrauch genau so bestraft wird, wie jeder andere. Mit einem eigenen Kontrollorgan außerhalb der Polizei selbst.

    Also an strenge Anforderungen geknüpfte Ermächtigungsgrundlagen und gerichtliche Überprüfbarkeit nach Anrufung durch den Geschädigten, wie es in jedem Rechtsstaat der Fall ist? Haben wir zum Glück. Das, was du da beschreibst, sind Vollzugsdefizite, die letztlich leider in unserem System bis zu einem gewissen Grad unvermeidbar sind. Ich habe offen gestanden nicht den Eindruck, dass Polizeigewalt aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols in Deutschland einfach hingenommen wird.


    Ich muss zugeben, dass ich die Lage in den USA zur Zeit nicht gut genug überblicke, um mir ein Urteil darüber zuzutrauen. Die Bilder von dort sind in jedem Fall alarmierend, sowohl was die von Polizisten ausgehende Gewalt als auch was die Gewalt von "Protestierenden" gegen Polizisten und völlig Unbeteiligte angeht. Was Deutschland angeht, möchte ich deine unverschämte Unterstellung, dass in Deutschland für "marginalisierte Gruppen" "prinzipiell auf alles die Todesstrafe steht" aber nicht unwidersprochen lassen. Erstens einmal, und das ist ein technischer Punkt, löst in Deutschland keine Radarfalle aus, wenn man 3 km/h zu schnell fährt. Zweitens ist mir kein einziger Fall bekannt, bei dem in den letzten Jahren jemand wegen einer Verkehrskontrolle von Polizisten in Deutschland schwer verletzt worden wäre, geschweige denn tödlich. Und drittens kannst du bei insgesamt 11 Toten durch die Polizei im letzten Jahr den ganzen Schritt mit den "marginalisierten Gruppen" auch weglassen. Das Risiko, bei einer Polizeikontrolle in Deutschland zu sterben, ist für alle extrem gering. Es mag für "marginalisierte Gruppen" größer sein, aber ich bezweifle, dass es genau diese Differenz ist, die den Unterschied zwischen einer "Todesstrafe" und einer völlig normalen Alltagssituation ausmacht. Du überdramatisierst da beträchtlich.


    Was in deiner Äußerung bequemerweise auch komplett fehlt, ist das Zugeständnis, dass ein Gewaltmonopol und eine Bewaffnung von Polizisten notwendig sind. Es gibt halt immer auch noch die andere Seite der Medallie. Klar kann man sich wünschen, dass Polizisten unbewaffnet rumlaufen, aber dann würde ich da nicht stoppen und mir gleich noch den Weltfrieden dazu wünschen. Ich weiß nicht, wie viele Polizisten du persönlich kennst, aber ich kenne einige. Und - das mag dich überraschen - bei weitem die Meisten von denen sind sehr vernünftige, nette Menschen. Tatsächlich mag ich einige von denen so gerne, dass ich gar nicht möchte, dass die im Dienst versterben. Einer von meinen Bekannten hat tatsächlich auch schon mal im Dienst einen Menschen erschossen - in einem Standardeinsatz wegen häuslicher Gewalt, weil der geistig verwirrte Täter plötzlich mit einer Machete auf ihn zugerannt ist. Das gesamte Untersuchungsverfahren danach war für ihn übrigens die Hölle, auch wenn es "nur" interner Natur war. Und darüber hinaus hätte er sich auch gerichtlich verantworten können, wenn nicht die Ehefrau des Opfers auch am "falschen" Ende der Machete gestanden und ihn entlastet hätte. Ohne Bewaffnung hätte das noch viel böser enden können, und da die Gewalt gegen Polizisten in Deutschland seit Jahren ansteigt, kommen solche "Vorschläge" absolut zur falschen Zeit.


    Das Gewaltmonopol des Staates ist sicherlich nicht perfekt, aber es ist das beste System das wir haben und für ein vernünftiges Zusammenleben letztlich unumgänglich. Deswegen sind Darstellungen wie deine ziemlich gefährlich. Natürlich muss man die Polizei kritisieren und es gibt immer Verbesserungsbedarf, aber wenn du hier das Gewaltmonopol allen ernstes als etwas schlechtes, ja gefährliches und alle Polizisten als schlechte Menschen darstellst, erst recht auf Grund absolute hanebüchener Unterstellungen, untergräbst du das Vertrauen in den Rechtsstaat und legitimierst die Arschlöcher, die mit Steinen auf Polizisten schmeißen. Und das finde ich ehrlich gesagt nicht okay.

    Ich kenne mich jetzt nicht im Detail mit den Kriterien aus, die eine Person zur Ausübung des Amtes als (Landes-)Verfassungsrichter*in legitimieren, aber nur weil man Mitglied in Partei oder Verein XYZ ist, ist das per se noch kein Ausschlussgrund. Viel wichtiger wird sein, ob die Person sich bei der Ausübung ihres Amtes an das Grundgesetz und die geltenden Rechte hält sowie für den Erhalt und die Stärkung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland einsetzt..

    Naja, zur Tätigkeit als Verfassungsrichterin legitimiert erst einmal eine Wahl. Die hat hier stattgefunden und ist auch formell richtig abgelaufen. Frau Borchardt ist damit zweifelsfrei als Verfassungsrichterin legitimiert. Natürlich ist auch eine Mitgliedschaft in einer beobachteten, aber zugegebenermaßen nicht verbotenen Organisation kein Ausschlussgrund. Etwas anderes ließe sich mit unserer Verfassung, die nun einmal Meinungs- und Vereinigungsfreiheit garantiert, ja auch gar nicht vereinbaren.

    Bloß: Nur weil eine Wahl legitimiert ist, muss das nicht die richtige Entscheidung sein. Alle diese Punkte haben bis vor einem Monat etwa auch auf Bernd Höcke zugetroffen. Wenn die einzige Hürde zur Wahl einer Verfassungsrichterin ist, nicht zufällig gerade Mitglied der NSDAP oder der KPD zu sein, ist das offen gestanden eine sehr geringe Hürde. Zu gering, wenn man bedenkt, wie wichtig die Position zumindest verfassungstheoretisch ist.


    Natürlich kann ich mir nicht zu hundert Prozent sicher sein, dass die Frau ihr Amt als Verfassungsrichterin von nun an nicht im Sinne des Grundgesetzes ausüben wird. Die Mitgliedschaft bei der antikapitalistischen Linken ist aber halt schon ein recht deutliches Indiz. Die politische Richtung dieser Vereinigung wird von Trotzkisten mitgeprägt. Also Leuten, die von der sozialistischen Weltrevolution träumen. Einer Organisation, deren Bundessprecher (!) sich noch im März dahingehend geäußert hat, dass Parlamente nur dazu da seien "Knete und Informationen aus dem Staatsapparat abzugreifen" (!!!). Und wenn die Frau darauf angesprochen wird, sagt sie nicht, dass sie das für falsch hält, sondern sinniert den "Bruch der Eigentumsordnung" herbei. Damit gibt sie den linken Spinnern zumindest einmal ordentlich Zündstoff, und das halte ich für unakzeptabel. Wenn sie damit wirklich bloß eine Vermögenssteuer oder was weiß ich meint, hätte sie das auch sagen und sich ansonsten zu Art. 14 bekennen können. Hat sie aber nicht. Und das ist ein Problem.



    Wenn es nach mir geht gehört der ganze Verfassungsschutz abgeschafft.

    Gut, dann ist es ja nur gut, dass es nicht nach dir geht. Einer Behörde, die vor gerade einmal zwei Monaten die wohl einflussreichste, rechtsextreme Bewegung der deutschen Nachkriegsgeschichte (a.k.a. den Flügel) als verfassungswidrig eingestuft hat, Rechtsextremismus zu unterstellen, halte ich schon für....gewagt. Zumal du nicht einmal ein einziges Argument für deine Behauptung nennst. Denn an den beiden Urteilen zur Gemeinnützigkeit war der Bundesverfassungsschutz, den du gerade angreifst, nun wirklich in keinster Weise beteiligt.


    Größter Witz ist die Sache mit Ende Gelände. Eine Bewegung von Klimaaktivisten als "nimmt Gewalt gebilligt im Kauf" abzustempeln ist eine grobe Fahrlässigkeit wenn man sowas auf einer Stufe mit rechten Terror stellt.

    Und das Argument verstehe ich nicht. Es gab in der Vergangenheit mehrere Demonstrationen von Ende Gelände, bei der militante Aktivisten auf Privatgelände eingedrungen sind. Ich erinnere an die Situationen im Hambacher Forst. Willst du das bestreiten? Von diesen Vorgängen hat sich die Leitung der Organisation soweit ich weiß in keinster Weise distanziert, sondern im Gegenteil die Verläufe der Demonstrationen gebilligt. Wenn du da gegenteiliges weißt, sag es mir bitte. Das Wort "rechter Terror" taucht übrigens in der Begründung des Verfassungsschutzes nicht auf, ich weiß nicht wo du deine Informationen her hast. Es ist auch nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes, Extremisten miteinander zu vergleichen und Hufeisentheorien oder Whataboutism zu betreiben. Es ist Aufgabe des Verfassungsschutzes, nun ja, die Verfassung zu schützen. Und wenn der begründete Verdacht besteht, dass eine Organisation wie Ende Gelände von Linksextremisten unterwandert wird, ist es die Aufgabe des Verfassungsschutzes, diese Organisation zu beobachten und ggf. zu verbieten. Die Begründung zur Beobachtung klingt zumindest für mich übrigens durchaus schlüssig. Denn da heißt es unter anderem:

    Der „Kampf für Klimaschutz“ dürfte auch künftig verstärkt im Fokus der Aktivitäten von Linksextremisten stehen. Dabei ist die Kampagne „Ende Gelände“ zur Umsetzung linksextremistischer Positionen weiterhin von erheblicher strategischer Bedeutung. Vorrangiges Ziel ist es, mithilfe von Aktionsbündnissen tagespolitische Themen aufzugreifen, um damit die Anschlussfähigkeit in das demokratische Spektrum sicherzustellen.

    Für die IL ist die Kampagne „Ende Gelände“ aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und der Verortung im zivilgesellschaftlichen Spektrum von entscheidender Bedeutung. Insbesondere junge Menschen sollen über das populäre Thema „Klimaschutz“ sowie über die Protestaktionen gegen die „Profitmaximierung der Großkonzerne“ angesprochen, politisiert und langfristig an die linksextremistische Szene gebunden werden.

    Mich würde schon interessieren, inwieweit du an dieser Einschätzung zweifelst.


    Auch wenn damit auch das Finanzgericht was zu tun hat, muss das Verfassungsgericht doch klar erkennen, dass diese Organisationen einen Sinn und Zweck haben und natürlich gemeinnützig sind.

    Puh. So funktioniert unser Rechtsstaat nun einmal nicht. Das Verfassungsgericht muss erst einmal gar nichts erkennen - im Gegenteil, es darf nur dann überhaupt Urteile sprechen, wenn es angerufen wird. Und die Frage, was nun "gemeinnützig" ist, ist in der Juristerei ausgesprochen umstritten. Jedenfalls ist das nicht alles, was einen Sinn und Zweck hat, sondern man darf zum Beispiel auch nicht verfassungsfeindlich sein und keine Gewinne erzielen wollen. Das kann man nicht mal einfach eben so entscheiden, sondern das dauert Monate, wenn nicht Jahre.

    Aber da gibt es nichts zu reformieren, das kann man nur noch abschaffen und dann muss es eine komplett neue Form von Schutz der Verfassung und des Staates geben, die wirklich Gefärdungen erkennt und auch strenger gegen extreme Ansichten vorgeht. Dort sind auch Bestrafungen zu lasch. Sehen es ja zurzeit bei den Corona Demos, wie die mit "Ungeimpft" auf den Judenstern rumlaufen. Das ist keine Meinungsäußerung, das ist eine Verharmlosung des schrecklichsten Schicksal unserer Geschichte. Die gehören nicht auf die Straße, sondern in den Knast. Genauso die Reichsbürger, die keinen offiziellen Personalpass besitzen, keinerlei Steuern zahlen..warum zum Geier duldet man das? Die lehnen offiziell behördliche Standards ein und werden noch geduldigt...

    Okay, hier weiß ich dann offen gestanden nicht mehr, wo ich anfangen soll. Deine letzten beiden Beiträge hier haben ja irgendwie schon gezeigt, dass du der Ansicht bist, dass linksextreme Tendenzen nicht so die große Gefährdung sind. Dagegen hältst du die Corona-Demos offenbar für eine so große Gefahr, dass sie nicht "nur" eine Beobachtung rechtfertigen, sondern man die Protestierenden am besten alle wegsperren sollte? Das ist offen gestanden ein Wertungswiderspruch, der so schlicht nicht nachvollziehbar ist. Denn natürlich ist es eine Meinungsäußerung, mit einem Judenstern rumzulaufen, um die Corona-Maßnahmen zu kritisieren. Es ist keine mehrheitsfähige Meinung, ja sogar irgendetwas zwischen unangebracht und verabscheuungswürdig, aber es ist eine Meinung. Und um die Meinungsfreiheit einzuschränken, braucht man einen guten Grund, und der ist nicht, dass die vertretene Meinung Edex nicht passt. Sorry, aber wir werden diese Demonstrationen aushalten müssen. Genau so wird Ende Gelände eine Prüfung durch den Verfassungsschutz aushalten müssen. Beides ist in einer wehrhaften Demokratie alternativlos.

    Also mit Verlaub, aber ich halte es schon für ein ziemlich großes Problem, wenn eine Verfassungsrichterin Mitglied der antikapitalistischen Linken ist.


    Vor nur drei Monaten wurde in Thüringen ein Politiker der FDP (also der Partei, die neben der SPD wie keine andere zur Bildung unserer Grundwerte Demokratie, Grundrechte, Parlamentarismus usw. beigetragen hat) mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Obwohl er sofort jegliche Zusammenarbeit mit den Nazis ausgeschlossen hat, war die Rede von einem "Dammbruch". Wie könne es sein, dass nicht einmal 75 Jahre nach Ende der NS-Diktatur wieder rechte Kräfte zur Wahl eines Ministerpräsidenten beitragen konnten? FDP-Büros wurden vandalisiert, sogar FDP-Bundespolitiker, die nichts mit den Vorgängen in Thüringen zu tun hatten, erhielten Morddrohungen.


    Jetzt, drei Monate später, wurde nur 30 (!) Jahre nach dem Ende der DDR eine Verfassungsrichterin gewählt, die nicht bereit ist, für die Verfassung gegen linksextreme Umtriebe einzutreten. Das Medienecho empfinde ich als absolut bescheiden. Klar, es ist auch irgendwie Corona, aber trotzdem. Letztlich bestätigt diese Wahl und die Berichterstattung schon meine Befürchtung, dass die Corona-Krise auch nachhaltig zu einem Rückgang der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland führen kann.


    Nur zur Erinnerung: Die Frau ist nicht nur mit den Stimmen der Linken, einer Partei, die sich weigert eine klare Abgrenzung zum linksextremen Spektrum vorzunehmen, gewählt worden. Sie ist auch nicht nur - wie etwa Bodo Ramelow - Mitglied dieser Partei, dem man aber sonst durchaus attestieren muss, dass er durchaus mit beiden Füßen auf dem Boden der Verfassung steht. Nein, die Frau ist Mitglied in einer vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuften Splittergruppe der Partei. Nun heißt das natürlich noch nicht, dass sie deswegen gleich selber Verfassungsfeindin sein muss, aber allein die Tatsache, dass sie sich mit ihnen gemein macht und sich auch nach Aufforderung nicht von deren distanzieren will, ist ein gigantisches Warnsignal. Stattdessen schwafelt sie davon, dass "Kapitalismus nicht im Grundgesetz steht", obwohl die freie, auch wirtschaftliche Entfaltung der Persönlichkeit literally die Hauptaussage des Grundgesetzes ist und sich die Prinzipien von Rechts- und Sozialstaat außerhalb einer sozialen Marktwirtschaft wohl nicht verfassungsgemäß verbinden lassen . Sie ist eine Verfassungsrichterin, die eine "Bruch mit klassischen Eigentumsstrukturen" irgendwie okay findet. Klar, damit kann sie Dinge meinen, die auch von Grünen und SPD vertreten werden, öffentliche Vorsorge etc. pp. Sie muss sich als Verfassungsrichterin und langjährige Politikerin aber doch zumindest bewusst sein, dass diese Rhetorik absolut unakzeptabel ist. Denn Linksradikale wie zum Beispiel Tim Fürup, der auch Mitglied in ihrem Verein ist, werden das als Aufforderung zu taten (miss?)verstehen. Ihrer Verantwortung, als Verfassungsrichterin auch für die Verfassung einzutreten, wird sie deshalb in keinster Weise gerecht.


    Das lässt letztlich nur zwei Rückschlüsse zu: Entweder haben wir in Mecklenburg-Vorpommern jetzt eine Verfassungsrichterin, die linksextrem ist und kein Problem mit einer Abschaffung der Verfassung hätte. Oder wir haben eine Verfassungsrichterin, die zu naiv ist, um zu erkennen, mit welchen Menschen sie sich da solidarisiert.


    Beides sind offensichtlich absolute Ausschlusskriterien, die die Frau zweifelsfrei zu einer Fehlbesetzung in ihrem Amt machen. Dass das von der SPD und Teilen der CDU mitgetragen wurde, ist ein gigantischer Skandal, oder, um in der bescheuerten Anti-FDP-Hysterie zu bleiben, ein "Dammbruch". Für Kommunisten und deren Sympathisanten sollte im Staatsapparat einer Demokratie kein Platz sein - und erst recht nicht als oberster Hüter der Verfassung.

    Es würde schon reichen wenn es überall Sauganlagen gäbe. In jeden Geschäft, in jeden Bus und in jeder Bahn. Sauganlagen, weil sie dann sofort die Virenpartikeln aufsaugen und nach draußen oder in einem Filter befördern. So bleibt nichts in der Luft, sondern alles was wir ausatmen wird quasi ausgesaugt. In gleichen Moment muss für genug Frischluft gesorgt werden. Es ist eine Zusammenarbeit. Einerseits soll die Luft weggesaugt werden, die wir so ausatmen und dann soll saubere Luft zugeführt werden. Das ist mit Sicherlichkeit möglich und man kann es ja testen, ob in den Räumlichkeiten die Luft stecken bleibt oder ein ordentlicher Luftaustausch gibt. Es gibt dafür diverse Messgeräte. Dann müssen halt alle Räumlichkeiten, wo mehrere Menschen zusammenkommen es umsetzen als Verordnung für den Schutz der Kunden und auch als Schutz der Mitarbeiter.

    Und du hast zufällig schon vor Jahren ein Patent auf "Sauganlagen" entwickelt und so eine halbe Million davon im Keller rumstehen? Super! Dann rate ich dir doch, morgen durch Kassel zu laufen und jedem Händler so eine gratis anzubieten und in jedem öffentlichen Verkehrsmittel eine zu installieren. Dann müsstest du wohl in der Tat keine Masken mehr tragen und könntest dir den Aufwand sparen. Wie, du hast gar keine Sauganlagen? Die müssten erst entwickelt werden, was Monate dauert? Und dann müssten sie auch aufwendig produziert werden, und wir haben zwei Monate gebraucht, um auch nur die Versorgung mit einfachen Atemmasken sicherzustellen? Klingt irgendwie voll nicht praktikabel.

    Ich kann mich da nur wiederholen. Das ist einfach viel schwieriger umsetzbar, als sich einfach verdammt noch einmal für zehn Minuten eine Maske aufzusetzen, um höchstwahrscheinlich eine ganz ähnliche Wirkung zu erzielen.


    Ganz abgesehen davon, dass, wenn diese Anlagen Luft absaugen, ja auch neue Luft irgendwo herkommen muss. Und das täte sie aus der Umgebung, also wo andere Kunden stehen, wie das Luft nun mal so tut. Das klingt dann doch schon wieder enorm nach einer Klimaanlage, bei denen wie gesagt heillos umstritten ist, ob sie nicht wahre Coronavirenschleudern sind.

    Dann schlage ich doch vor, dass du jetzt mit einem Presslufthammer durch Kassel läufst und jedem Geschäftsbesitzer anbietest, ein paar Wände einzureißen, um für Luftzirkluation zu sorgen. Supermärkte etc. haben nun mal keine Fenster um sie einfach zu belüften, und ob Klimaanlagen nicht sogar zur Verbreitung des Virus beitragen, ist bis heute enorm umstritten.

    Das ist einfach viel schwieriger umsetzbar, als sich einfach verdammt noch einmal für zehn Minuten eine Maske aufzusetzen, um höchstwahrscheinlich eine ganz ähnliche Wirkung zu erzielen.


    Für jemanden, der vor kurzem noch dafür war, alle Deutschen vier Wochen lang einzusperren, stellst du dich wirklich verdammt an, wenn es einmal darum geht, dein eigenes Wohlbefinden ein klitzekleines Bisschen einzuschränken.

    Whataboutism und der x-te Grippevergleich

    Bei PANDEMISCHEN Grippewellen gab es in der Vergangenheit genau so Maskenpflichten. Hier zum Beispiel. Bei der SAISONALEN Grippe ist die Sachlage eine andere, weil wir da 1.) impfen können und 2.) durch die Antikörper in der Bevölkerung die Ansteckungsrate viel geringer ist. Die Grippe wird auch nicht annähernd so oft durch asymptomatische oder präsymptomatische Infizierte übertragen. Warum geht das auch nach zwei Monaten immer noch nicht in deinen Kopf rein?


    Im Übrigen ist das, was du da sagst, viel eher ein Argument für eine Maskenpflicht jeden Winter als es ein Argument gegen eine Maskenpflicht zur Zeit ist. Denn wie du richtig feststellst, ließen sich dadurch auch in anderen Jahren schwere Verläufe der Influenza verhindern und Menschenleben retten. Der Eingriff in Freiheitsrechte durch die Masken ist dagegen offen gestanden vergleichsweise gering und einfach zu rechtfertigen. Zumal man sich, wie Asien eindrucksvoll zeigt, schlicht irgendwann an Masken gewöhnt. Das wirst du auch noch, keine Sorge.