Ich komme an dieser Stelle mal aus meiner arbeitsbedingten Versenkung, weil ich einerseits nach zwei Jahren endlich mal wieder Urlaub habe und andererseits als Jurist den Prozess Depp ./. Heard mit einer gewissen morbiden Kuriosität verfolgt habe. Nicht so sehr wegen der Promis, die könnten mir egaler nicht sein. Ich fand es aber wieder einmal faszinierend, wie komisch und unverständlich das amerikanische Rechtssystem für einen kontinentaleuropäischen Juristen wirkt. Allein die Tatsache, dass die Anwälte sich vor dem Prozess darauf geeinigt haben, bestimmte Tatsachen auszuklammern und jeweils eine vorher bestimmte Zeit verhandeln zu dürfen, anstatt die gesamte Beweislage aufzuarbeiten, wirkt für den kontinentaleuropäischen Juristen wirklich abenteuerlich. Die Art und Weise, wie Verhöre durchgeführt werden erst recht. Das aber nur am Rande, weil ich einen Kommentar hier so nicht stehen lassen möchte.
Gleichzeitig zeigt uns dieser Teil, wie einfach es für einen mächtigen Mann ist, den Ruf einer unbequemen Frau komplett zu zerstören
Nämlich den hier. Du hast ja selber gesagt, dass du den Prozess nicht vollständig verfolgt hast, deswegen sehe ich mal davon ab, dich zu fragen, ob du einen anderen Prozess gesehen hast als ich. Ich jedenfalls halte das in drei Punkten für falsch. Erstens mal ist Amber Heard keine „unbequeme“ Frau, sondern - zumindest laut Ausgang des Prozesses - eine Gewalttäterin, die bewusst gelogen hat, um seine Karriere zu zerstören. Das ist jetzt 6 Jahre her und hat ihn eine nicht messbare Menge Vermögen und etliche Rollen gekostet, zu einer teuren Scheidung und einem rechtskräftigen Urteil in Großbritannien geführt, nach dem er als „wife beater“ bezeichnet werden darf. Dann hat er einen sechswöchigen Prozess durchstehen müssen, in dem überaus unschöne Einzelheiten über sein Privatleben und seine Drogenabhängigkeit ans Licht gekommen sind. Ich weiß nicht was deine Definition von „einfach“ ist, aber ich denke ich wäre daran verzweifelt, wäre ich betroffen gewesen.
Mein Hauptproblem an der Aussage ist aber offen gestanden, dass du denkst, es wäre Johnny Depp gewesen, der den Ruf von Amber Heard ruiniert hat. Und das finde ich dann relativ misogyn. Ihren Ruf zerstört hat Frau Heard selbst, da hatte sie keine Hilfe von einem Mann für nötig. Ihr gesamtes Verhalten zwischen 2018 und dem Ausgang des Prozesses vorgestern war so dermaßen unnötig und taktisch unklug, dass man wirklich als Jurist nur den Kopf schütteln kann. 2018 war die Trennung längst vorbei, sie hatte sieben Millionen aus der Ehe mitgenommen, und das mal zumindest als Mittäterin. Darauf hätte sie es beruhen lassen können, aber nein, sie hat nachgetreten und Depp damit erst eine Angriffsfläche geboten. Im Prozess haben sie und ihre Anwälte dann nachweislich gefälschte Fotos als Beweismittel angeboten, ebenso Audioaufnahmen, die Heard während der Beziehung angefertigt hat, offenbar im Versuch Depp zu belasten. Das hat nicht geklappt, denn trotz der stundenlangen Aufnahmen ist Depp kein einziger Gewaltakt nachweisbar - ihr dagegen schon (!). In ihren eigenen Beweisen.
Es hat sicher auch nicht geholfen, dass Frau Heard unter Eid mehrmals nachweislich gelogen hat, etwa im Verweis auf die obigen Beweismittel. Die Frau hätte 2018 einfach nichts sagen können, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie für ihr Verhalten niemals in irgendeiner Weise zur Rechnung gezogen wäre.
Insofern wäre ich mit der Aussage, wie einfach es doch für Männer wäre, solche Anschuldigungen zu widerlegen, sehr vorsichtig. Dementsprechend kann ich auch deinem Punkt 1) nicht zustimmen. Die Hürden für den Erfolg einer Verleumdungsklage liegen in den USA - und übrigens auch in Deutschland - extrem hoch, und das mit dem Blick auf die Meinungsfreiheit auch völlig zurecht meines Erachtens. Depp hat nicht gewonnen, weil er ein Mann ist, sondern weil er das Glück hatte, eine ausgesprochen unklug agierende Gegenseite zu haben. Es wurde hier nicht entschieden, dass die Aussagen nicht belegbar gewesen sind, wie du implizierst. Es wurde bewiesen, dass sie nachweislich falsch waren (!) und mit Schädigungsvorsatz (!) in Verkehr gebracht wurden. Und das haben sieben Juroren einstimmig entschieden. Auch zwei Frauen übrigens. Wenn du dir also selbst kein Bild machen willst, wer gelogen hat, sollte man vielleicht davon ausgehen, dass diese sieben Leute die sich mehr mit dem Prozess beschäftigt haben als wir alle, da eine richtige Feststellung getroffen haben.
„Leicht mundtot machen“ lässt sich da niemand.
Deswegen bin ich übrigens auch ausgesprochen unbesorgt, dass die Sache dem #metoo-Movement wirklich schaden wird. Im Gegenteil dürfte jeder, der an einer vernünftigen und gerechten Aufklärung von Missbrauchsfällen interessiert ist, auch daran interessiert sein, dass erwiesene Lügnerinnen wie Frau Heard aussortiert werden, damit echten Opfern mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. Klar gibt es einige Radikale, die darüber hinaus gleich die Beweislast umkehren und die behaupteten Täter ohne Schuldbeweis verurteilen wollen, und die dürften sich die Haare raufen. Das dürfte aber durchaus in unserem Interesse sein denke ich. Im Allgemeinen kann ich da nur dafür plädieren, der Unschuldsvermutung erst mal Glauben zu schenken - gerade in Fällen wie Depp ./. Heard. Dieser Fall unterscheidet sich ja von fast allen anderen Promi-Missbrauchsfällen vor allem dadurch, dass nach den Anschuldigungen von Frau Heard keine weiteren Opfer aufgetaucht sind sondern sich im Gegenteil alle Frauen aus Depps näherem Umfeld, auch Exfreundinnen, auf seine Seite geschlagen haben - wohlgemerkt im Gegensatz zu Heard, die vorher schon wegen Gewalt in ihrer vorherigen Beziehung verdächtigt wurde.
Und gerade weil seine Exen das getan haben, würde mich auch interessieren, warum genau du Depp jetzt für misogyn hältst. Wie gesagt, ich habe sein Leben nicht verfolgt. Gibt es da abwertende Aussagen gegen Frauen abgesehen von Amber Heard?