Ursprünglich für die erste Schreibturnierrunde 2022 verfasst.
Nach langer Zeit kehre ich in mein Elternhaus zurück. Der Grund ist allerdings ein trauriger. Meine alten Herrschaften starben unerwartet bei einem Schiffsunglück. Der Brief, in dem sie mir freudig vom Start der Kreuzfahrt berichtet hatten, befindet sich in meiner linken Hand. Ich halte ihn fest umklammert, noch immer bin ich fassungslos. Um die Gebühren für den gewünschten sechsmonatigen Urlaub aufbringen zu können, hatten sie lange sparen müssen.
„Man möchte sich ja auch mal etwas gönnen“, waren die Worte meines Vaters gewesen. Die letzten, die ich von ihm vernommen habe, bevor er Mutter das Handy übergeben hatte. Kurz darauf hatte der Einlass zum Schiff begonnen. Ich hatte mich für die beiden gefreut und ihnen eine schöne Reise gewünscht. Ehrlich. Auch wenn unsere Treffen mit der Zeit immer seltener geworden waren, weil sich unsere Ansichten und Lebensweisen zunehmend voneinander unterschieden hatten. Obwohl unsere Telefonate nur noch sehr sporadisch stattgefunden hatten, und ich bestimmt zehn Jahre lang nicht mehr persönlich bei ihnen gewesen war, muss ich nun feststellen, dass mein ehemaliges Jugendzimmer noch immer existiert. Aber anders als man annehmen würde, sind weder der Schreibtisch noch die Kommode oder der Schrank mit sonderlich viel Staub bedeckt. Lediglich die Folie, die über mein Bett ausgebreitet worden war, um es vor Staub und Dreck zu schützen, wirkt etwas mitgenommen. Ich muss schlucken und mich zusammenreißen, als ich registriere, was das bedeutet.
Noch habe ich überraschenderweise keine einzige Träne vergossen. Vermutlich „Dank“ des Schocks durch die plötzliche Hiobsbotschaft, die mir in dem Schreiben, welches von meiner rechten Hand beinahe zerdrückt wird, schwarz auf weiß mitgeteilt wird. Vier Wochen ist das Unglück nun her und erst jetzt habe ich den Mut fassen können, mich hierher zu wagen.
Das Gepäck meiner Eltern – oder besser das, was noch davon übrig ist – war von einer freundlichen Nachbarin entgegengenommen worden. Als ich es vorhin abgeholt habe, hat sie mir ein paar tröstliche Worte auf dem Weg mitgegeben, was nett von ihr war, da sie mich noch nie zuvor gesehen hatte. Aber auch die gutgemeinten Zusprüche können die Wunden in meinem Herzen nicht heilen. Nun stehe ich hier in meinem früheren Zimmer mit beiden Briefen in den Händen, daneben auf dem Boden der stark beschädigte Koffer meiner Mutter, der aufgrund des defekten Schlosses nur mit einem dicken Seil zusammengehalten wird.
Es ist viel zu bedrückend, hier zu sein mit dem Wissen, dass nichts mehr so wird, wie es einst war.
Nichts kann die beiden zurückholen, und auch nicht die vergangenen Zeiten, als ich noch bei ihnen gelebt habe. Auch die letzten zehn Jahre kann mir niemand mehr geben, um andere Entscheidungen zu treffen und etwa öfter hierherzukommen. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann wir zuletzt als Familie einen Ausflug unternommen haben, so lange ist das alles her. Die Tatsache, dass wir nie mehr einander sehen werden, ist unerträglich. Ihr Tod kam viel zu plötzlich. Die Beerdigung vor wenigen Tagen war eine Qual gewesen. Aber ich hatte geglaubt, dass es wieder besser wird. Doch nun bin ich hier und die Last auf meinem Herzen droht mich zu erdrücken. Ich lege beide Briefe auf meine alte Kommode, die meine Mutter scheinbar ebenso wie die anderen Möbel regelmäßig entstaubt haben musste, sonst wäre der Staub viel dicker. Und das, obwohl ich doch ewig nicht mehr hier gewesen war, als hätte ich jeden Moment hineinschneien können. Das macht mir einmal mehr bewusst, dass ich mich zu selten habe blicken lassen. Sie haben es nie wortwörtlich gesagt, aber womöglich hatten sie immer die Hoffnung gehegt, dass ich sie wieder besuche.
Bei dem Gedanken läuft es mir eiskalt den Rücken runter und ich versuche, mich abzulenken, indem ich mich einer schweren Aufgabe stelle und das Seil des Koffers löse. Ich lege behutsam Stück für Stück des Inhalts auf dem abgedeckten Bett. Doch was ich sehe, raubt mir die letzte Kraft an Selbstbeherrschung. Die Tränen fließen nun unkontrolliert an meinen Wangen hinab und ich ziehe mir den Schreibtischstuhl heran, auf welchen ich mich erschöpft sinken lasse. Nach einer ganzen Weile hören die Tränen auf, doch die Trauer und das Gefühl der Machtlosigkeit wiegen schwer.
Mein Blick fällt erneut auf die geretteten Habseligkeiten. Etwas Kleidung, ein Notizblock und ein etwa 30 Zentimeter großer, graubrauner Plüschbär, dessen eines Ohr abgerissen war und durch die Feuchtigkeit – er musste einige Tage im beschädigten Gepäckstück gelegen und Wasser aufgesogen haben – an Volumen verloren hatte. Dieser Bär hat einst mir gehört. Ich kann nur rätseln, weshalb Mutter ihn eingepackt hat, eventuell um das Gefühl zu haben, das ich, ihr einziger Sohn, ebenfalls dabei sein würde? Der Gedanke, dass dieser Teddy, den ich damals zur Einschulung bekommen habe, den Urlaub begleitet und das Unglück miterlebt hat, lässt mich nicht los. Zögernd, aber wie magisch gesteuert, nähere ich mich dem Stofftier, dem ein Auge auszufallen droht und der an einigen Stellen dringend geflickt werden müsste. Als ich ihn vom Bett hochhebe und an mich drücke und dabei die Flecken, die er auf meinem Traueranzug hinterlässt, ignoriere und ihn eingehend betrachte, schaue ich ihm in die Augen. Seine Augen haben meine Eltern in den letzten Jahren gesehen und sie bei ihren letzten Stunden beobachtet. In seinen Augen spiegele nur ich mich etwas undeutlich, doch wenn er sprechen könnte, hätte er sicherlich viel zu sagen.
Ich lege den alten Freund aufs Bett und möchte mich abwenden, als ich merke, dass ich mich nicht bewegen kann. Erst denke ich, dass es noch dem Schock verschuldet ist, dann blicke ich ihn nochmals genauer an, meine Augen treffen die seinen – und plötzlich falle ich.
Ich falle aber nicht auf dem Boden, sondern scheine das Gefühl unter den Füßen zu verlieren und überhaupt stehe ich nicht mehr in meinem Zimmer, sondern drehe mich um mich selbst, ohne dies willentlich herbeizuführen. Ich drehe mich immer schneller und habe das eigenartige Gefühl, nicht alleine zu sein. Als ich endlich zu stehen komme, befinde ich mich immer noch in meinem Zimmer, aber es sieht ganz anders aus. Das Bett ist nicht abgedeckt und hat einen anderen Bezug. Der vorher ordentliche Schreibtisch ist übersät mit Buntstiften und Zetteln, die wild bekritzelt sind. Die Schublade der Kommode steht achtlos offen und daneben – ich erstarre – meine Schultüte, die vor einigen Jahren von Motten angefressen und in der Folge darauf entsorgt worden war. Doch jetzt ist sie in einem tadellosen Zustand. Ihr Inhalt – Süßigkeiten und Schreibutensilien für den Schulanfang – befinden sich wohl noch darin. Süßigkeiten, die längst gegessen waren und Schreibsachen, die schon lange ihren Dienst geleistet hatten.
Was war hier los? Irgendwie habe ich den Drang, mich davon zu überzeugen, nun völlig den Verstand verloren zu haben und öffne meinen Schrank, in dem ich eigentlich Spiele, Bücher und Fotoalben aus alten Tagen aufbewahre. Diese sind dort auch aufzufinden, jedoch nicht aus meiner Jugendzeit, nur die aus der Kinderzeit kann ich entdecken. Mir wird das Herz schwer, als ich in das unterste Fach den Plüschbären sehe, den meine Eltern damals als Überraschung dort hingestellt haben, damit ich ihn nach dem ersten Schultag finde. Doch anders als die anderen Gegenstände, scheint er nicht aus der damaligen Zeit zu sein. Denn sein Fell ist abgenutzt und nicht wie damals in einem fröhlicheren Dunkelbraun, sondern Graubraun. Auch fehlt das eine Ohr und das linke Auge hängt nur noch halb daran…
Mir wird wieder eiskalt. Wenn ich wirklich in einer anderen Zeit, in meinem früheren Leben zurück bin, wieso war dieser Bär dann aus der Zukunft – meiner jetzigen Gegenwart - hier? Wie war es überhaupt möglich, dass ich hier war? Spielt mir mein Hirn einen Streich?
„Das ist kein Streich.“
Ich zucke zusammen und suche wild nach demjenigen, der diese Worte in dem leeren Zimmer ausgesprochen hat.
„Ich bin doch genau vor dir, hier unten“, ertönt die Stimme erneut. Entsetzt wird mir klar, dass der kaputte Teddy reden kann. Sein Mund bewegt sich nicht, aber ich weiß es.
„Du bist zurück in deiner Kindheitszeit, auch wenn du nicht jünger geworden bist. Dieser Zustand wird nicht ewig anhalten, also nutze den Moment.“
„W-wofür?“, bringe ich stotternd hervor.
„Du wolltest doch deine Eltern wiedersehen, oder?“, sagt er und ich bilde mir ein, dass dieser unbewegliche Plüschbär lächelt.
„Ich weiß nicht“, gebe ich zögernd zurück. Die ganze Situation ist mir unheimlich. Und was, wenn ich auf mein altes Ich treffe?
„Das wird nicht passieren“, erklärt mir mein ungewöhnliches Gegenüber, als könnte es Gedanken lesen. „Dein jüngeres Ich ist nicht da, weil du in dieser Gestalt anwesend bist.“
Ich nicke langsam, zum Zeichen des Verstehens, auch wenn ich mir ein wenig albern vorkomme, mit einem Stofftier zu kommunizieren.
„Aber sie werden mich nicht erkennen.“
„Doch, das werden sie. Sie werden es nicht begreifen und würden es in deiner Gegenwart auch nicht mehr wissen, wenn sie leben würden.“
Diese Worte treffen mich hart. Dann setze ich mich in Bewegung und bin beinahe aus dem Raum getreten, als ich abrupt – einer plötzlichen Eingebung folgend, kehrtmache und den ramponierten Bären, fest an meine Brust gedrückt, mitnehme, während ich die Treppen zur Küche hinuntersteige, weil ich von dort aus Besteck klappern höre.
Ich stehe schneller in der Küche, als ich überlegen kann, was ich sage. Meine Eltern, die gerade essen, schauen erschrocken hoch, als ein 32-Jähriger mit einem kaputten Teddy vor ihnen steht. Meinem Vater fällt das Besteck auf den Teller zurück und meine Mutter fährt mit einem Schrei hoch.
„Was, wie kann das sein?“, ruft sie mit schriller Stimme.
„Ich bin es, Mama“, bringe ich, kaum lauter als im Flüsterton, hervor.
„Aber du bist so viel älter geworden“, sagt mein Vater. „Und außerdem, außerdem bist du doch-„
„Hör auf!“, fährt meine Mutter dazwischen. „Sei leise. Er scheint es nicht zu wissen.“
„Verstehst du das Ganze etwa?“, fragt er sie verwirrt. Sie schüttelt den Kopf und sieht mich immer noch verstört an, dann eilt sie zu mir und schließt mich in die Arme. „Du wirst ganz dreckig“, wende ich verlegen ein, obwohl ich ihre Umarmung so gut es geht erwidere.
„Um dich ein letztes Mal umarmen zu können, würde ich alles auf mir nehmen“, murmelt sie an meiner Schulter. Ihre zierliche Gestalt lehnt schwer an mir. Auch mein Vater erhebt sich nun vom Tisch und schließt sich der Umarmung an.
Einige Minuten vergehen so, bis wir uns wieder voneinander lösen und uns an den Tisch setzen. Dabei bemerke ich, dass eine schwarze Schleife um meinen Stuhl gebunden ist. Ich kommentiere das nicht und nehme Platz. Meine Mutter serviert mir schweigend etwas von der Gemüselasagne und dem frischen Feldsalat. Weil ich den Bären noch in den Händen halte, schiebt mein Vater einen weiteren Stuhl her, damit ich ihn dort absetzen kann. Dabei hat Vater einen undefinierbaren Gesichtsausdruck. Eine Weile essen wir schweigend, bis ich mein Besteck beiseitelege und mich räuspere. „Was ist hier los? Wisst ihr, was euch passiert ist?“
Die beiden sehen einander an, offensichtlich wissen sie nicht weiter. Schließlich redet Mutter mit schwerer Stimme: „Wir müssen es dir wohl doch sagen.“
„Was?“, frage ich nur und greife zu dem Bären, der mir aus unerfindlichen Gründen Kraft gibt. Auch die Augen meiner Eltern wandern zu ihm. „Du bist auf einmal erwachsen und wir fühlen, dass du unser Sohn bist“, beginnt sie.
„Aber es ist ganz anders. Eigentlich bist du nie erwachsen geworden.“
Der Satz hallt in meinen Ohren. „Wie meinst du das?“, frage ich Vater.
„Auf dem Weg nach Hause, an deinem ersten Schultag - du wolltest unbedingt wie ein ‚großer Junge‘ den kurzen Weg alleine gehen -, wurdest du von einem Auto erfasst, das einfach weitergefahren war. Man fand dich später leblos auf, neben dir deine Schultüte.“ Ich kann kaum glauben, was ich höre und mein Mund wird trocken. „Und der Bär?“ Es ist eine dumme Frage. Aber sie brennt mir auf der Seele.
„Dieser Bär, den du neben dir hast, hast du nie gesehen, denn eigentlich konntest du den erst daheim finden-„
„- im Kleiderschrank“, sagen wir gleichzeitig. Entsetzt schlägt sie die Hände vors Gesicht. „Woher weißt du das?“, fragt mein Vater beunruhigt. „Ich habe den Bären damals glücklich im untersten Schrankfach gefunden, nachdem ich unbeschadet von der Schule heimgekommen bin“, sage ich, obwohl beide traurig die Köpfe schütteln. Ich starre den Bären an, auf der Suche nach Antworten, doch diesmal spricht er nicht.
„Ich bin hier, weil ihr … weil ihr auf einer Kreuzfahrt wart, doch euer Schiff sank aus bisher unerklärlichen Gründen und ihr seid gestorben.“ Diese Worte tun weh, ebenso wie ihre bestürzten Gesichter. „Aber ihr seid meine Eltern“, sage ich mit Nachdruck. „Und du bist unser Sohn.“, geben Mutter und Vater zurück und erneut umarmen wir uns. Mir wird schwindelig und ich kann mich gerade noch am Stuhl abstützen.
„Es ist bald Zeit, sich zu verabschieden.“ Die Stimme des Teddys.
Zu meiner Überraschung sehen wir alle drei ihn an. „Ihr könnt ihn hören?“ Beide nicken.
„Er war bei der Kreuzfahrt dabei.“
„Eine Kreuzfahrt, kaum zu glauben, dass wir dafür das Geld haben sollten“, murmelt Mutter abwesend. „Noch unglaublicher ist, dass du hier als erwachsener Mann stehst, obwohl du dieses Alter nie erreicht hast.“ Vater sieht gequält drein. „Wie lange ist der Unfall her?“, erkundige mich und bin nicht erstaunt, als „Vier Wochen“ die Antwort sind.
„Durch jene zeitliche Überschneidung war es dir möglich, in diese Zeit zurückzukehren, um deine Eltern, die in deiner Gegenwart tot sind, ein letztes Mal zu sehen.“, gibt der alte Bär von sich. Seine Stimme wirkt schwächer. „Und ihr“, richtet er sich an meine Eltern, „hattet so die Möglichkeit, mich an euren Sohn übergeben zu können. Ich habe die Sehnsucht nach eurem Kind immer gehört, aber erst viel später war ich in der Lage, in die Zukunft einer Parallelwelt zu gelangen und ein Wiedersehen zu vereinbaren.“
Einen Augenblick lang spricht niemand, dann kann ich mich nicht zurückhalten und blicke den Bären geradewegs an. „Hast du meine Eltern in meiner Zeit etwa bewusst sterben lassen, damit dieses Treffen zustandekommt?“ Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis er antwortet. „Nein. Solch große Macht besitze ich nicht. Ich habe seit dem Tag deines Autounfalls gewartet, denn ich wusste, was in deiner Parallelwelt geschehen wird.“
„Parallelwelt?“, fragen wir alle wie aus einem Mund. Es hört sich absurd an und ergibt dennoch irgendwie Sinn.
„Ja, von jedem Menschen existiert mindestens ein weiteres Ich in einer anderen Welt, die aber allesamt sehr ähnlich aufgebaut sind. Dennoch war diese zeitliche Überschneidung notwendig, denn normalerweise können Personen aus unterschiedlichen Welten nicht aufeinandertreffen. Im Grunde gibt es auch mich zweimal. Aber da ich hier bin, ist mein anderes Ich nicht hier. Denn ich bin mit dir aus der Zukunft hierher gereist.“ Er macht eine Pause, dann fährt er fort.
„Ich wusste zwar, was geschehen wird, aber leider war ich nicht imstande, die Unglücke zu verhindern. Auch konnte ich zu dem Zeitpunkt keinen Kontakt aufnehmen. Erst als das zweite Unglück entstand und ich quasi mit deinen Eltern gestorben bin, war ich in der Lage, eine Verbindung herzustellen. Ich befinde mich zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, zwischen der Vergangenheit und der Zukunft.“ Verwirrende Worte, die trotzdem einleuchten. Normalerweise hätte ich eine solche Geschichte nie geglaubt, aber da ich sie hier selbst miterlebe, bleibt mir nichts Anderes übrig. Aber es tut ungemein gut zu wissen, dass mein alter Spielkamerad niemanden eigenmächtig sterben ließ.
„Dieser Bär, der plötzlich so alt aussieht“, sagt mein Vater nun langsam, „scheint uns alle immer beschützt zu haben, bis heute. Auch wenn wir das erst jetzt bemerken.“
„Es ist bald Zeit, sich zu verabschieden“, wiederholt sich jenes Stofftier.
„In dieser Zeit hat er euch beschützt, in meiner Zeit ebenfalls. Oder zumindest hat er es da versucht“, sage ich traurig.
„Nun beschützt er dich, da bin ich mir sicher.“ Mutters Worte wirken sehr gedämpft und mir wird schlagartig klar, dass ich gleich wieder aus dieser Zeit gerissen werde. Deshalb drücke ich sie an mich. Dann umarme ich auch Vater. Ein letztes Mal. Wir lächeln uns traurig und bedrückt an. Ein letztes Mal.
Dann falle ich erneut durch die Zeit und befinde ich mich wieder in meinem Zimmer, das nun in seinen ursprünglichen Zustand ist, neben mir der kaputte Plüschbär, den ich nun fassungslos und von Gefühlen überwältigt an mich reiße. „Das hast alles du gemacht, nicht wahr?“
„Ja, das habe ich. Um Eltern und Kind ihren Wunsch zu ermöglichen“, gibt er zurück.
Das war letzte Mal, dass er mit mir geredet hat, danach habe ich seine Stimme nie mehr gehört.
Dennoch fühle ich mich von ihm beschützt und mittlerweile stimmt mich sein Anblick – gewaschen und geflickt – auch nicht mehr traurig, da ich weiß, dass sein anderes Ich in der Vergangenheit über meine Eltern wacht, so wie er es hier tut. Ich bin ihm zutiefst dankbar.
Zwei Jahre ist der Tod meiner Eltern nun her, und ich bin wieder in ihr Haus gezogen. Manchmal bedrückt mich die Erinnerungen an vergangene Zeiten, aber dann beruhigt mich der Gedanke, dass sie noch leben, nur in einer anderen Zeit.