Aufregende Nacht
Die Nacht war von Stille umhüllt, einzig das Licht des Mondes sowie der Sterne fand ihren Weg in das gemütliche Zimmer einer jungen Trainerin, welche um diese Uhrzeit fest schlief. Einer dieser zarten Lichtstrahlen verirrte sich auf ein Pokémon-Ei, das liebevoll in einem mit weichen Decken ausgestatteten Korb auf einem Tisch nahe des Fensters lag. Das Ei, dessen mysteriöse Herkunft die Pensionsleitung sich nicht erklären konnte und nun bei dem Mädchen ein Zuhause gefunden hatte, war mit diesem schon etliche Tage unterwegs und immerzu gut umsorgt worden. Das Pokémon in seinem Inneren spürte die Liebe und den Schutz. So entstand der Wunsch, endlich zu schlüpfen und die Trainerin zu begrüßen. Dafür bewegte sich das noch ungeborene Wesen immer wieder in dem Ei, um dessen Schale aufzubrechen und von außen hörte man dies auch, wenn man genau horchte. Das Kind jedoch, wenige Meter entfernt in seinem Bett schlafend, bekam die Schlüpfversuche nicht mit. Ebenso wenig bemerkte es die Person, die durch das offene Fenster zum Korb griff und das mit roten und blauen Symbolen verzierte Ei darin entwendete. Obwohl es noch nicht die Außenwelt erblickt hatte, spürte das Pokémon, das gefangen im Ei hilflos war, dass der Mensch, der es gerade mitnahm, von negativen Gefühlen erfüllt war.
Wenige Minuten später erreichte die Person ein Auto, öffnete dessen Kofferraum und legte das Ei zu weiteren Eiern, deren äußerliche Erscheinungen sich allesamt von ihm selbst unterschieden. Der Mann stieg ein und fuhr los, für das Ei begann eine holprige und ganz gar nicht geruhsame Fahrt, nur von den Sternen und dem Mond beobachtet. Als der Fahrer sein Schlafbedürfnis nicht mehr aufhalten konnte, verfiel er in das Land der Träume, noch während das Gefährt, nun führerlos, fuhr. Kurz darauf wurde die nächtliche Stille mit einem Krachen ausgefüllt, als der Wagen gegen eine Wand prallte, die zufällig zu einem Polizeirevier gehörte. Überrumpelt kamen dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus diesem gestürzt und kümmerten sich um den noch bewusstlosen Fahrer. Auf den Gedanken, den Kofferraum zu überprüfen, kam in diesem Moment keiner.
So sah niemand die durch den Aufprall erzeugten Geburten all der gestohlenen Eier. Durch das aufgeregte Stimmengewirr der Menschen gingen auch die Laute der Pokémon unter. Das Ei, welches aus dem Zimmer des Mädchens entwendet worden war, brauchte am längsten, um dem Pokémon darin die Freiheit zu schenken. Eines der anderen frisch geschlüpften Pokémon, ein Pichu, klopfte zaghaft an das Ei, welches kurz darauf einem Togepi das Licht der Welt – oder eher das Dunkel des Kofferraums - erblicken ließ.
Das Togepi verlor die Schalen des Eis und blickte sich ängstlich um. Es sah nicht viel in dem Kofferraum, in dem nur ein schmaler Lichtstreifen fiel, nachdem die Tür des Kofferraums durch den Aufprall einen Spalt aufgegangen war.
Das Pichu blickte erleichtert zu dem Togepi, schon hatte es befürchtet, dass aus diesem Ei aufgrund des Unfalls niemals etwas entschlüpfen würde. Togepi sah durch das dämmrige Licht, dass sich mit ihnen noch ein Elekid, ein Azurill, ein Fluffeluff sowie ein Knospi befanden, inmitten ihrer aufgebrochenen Eiern. Das Elekid wirkte ein verärgert, so unsanft hatte es nicht schlüpfen wollen, da hätte es lieber noch gewartet. Nicht länger jedoch warten wollte es darauf, dass irgendjemand ihnen half. Da mussten sie wohl selbst ran. Elekids Pfoten machten sich an der Kofferraumtür zu schaffen und stießen diese heftig auf.
Noch immer waren die Menschen mit sich selbst beschäftigt, sodass sie nicht bemerkten, wie die Baby-Pokémon dem Wagen entsprangen. Aber was nun? Sie alle kannten nichts von der Welt außer der Zuneigung und Worte der Pensionsleitung oder ihrer Trainerinnen und Trainer, aus deren Obhut sie genommen worden waren. Schließlich ergriff das Fluffeluff die Initiative und leitete seine neuen Freunde dazu an, sich in einen nahegelegenen Wald zu begeben, in dem es sich Schutz erhoffte. Um einander nicht zu verlieren, bildeten die sechs Pokémon Zweierpärchen.
So fanden Knospi und Fluffeluff zueinander, Elekid schloss sich dem Azurill an und Togepi, welches verwirrt aufgrund der sich abrupt geänderten Umstände war, fasste Vertrauen zu Pichu. In Zweierreihen stapften die Kleinen ungelenk von dem Auto fort und hörten gerade noch die Sirenen des Krankenwagens, bevor sie den Wald betraten.
Zum ersten Mal erblickten die sechs Augenpaare die um diese Zeit ruhenden Wildblumen, die am Rande des Waldwegs wuchsen, vernahmen die hohen Bäume, in deren Krone einige Käfer-Pokémon schliefen, sahen staunend mehrere Pflanzen-Pokémon, die sich im hohen Gras verbargen und ebenfalls in Träumen versunken waren, sahen einen mit Moos bedeckten Felsen und daneben ein Folipurba und neben sich dessen Jungen. Menschen waren keine anzutreffen. Im Dunkel des Waldes schritt die kleine Truppe weiter, bemüht, die anderen Pokémon, von denen sie nicht wussten, ob diese ihnen womöglich feindlich gesinnt waren, nicht aufzuwecken. Sie kamen an einem kleinen Teich vorbei, in welchem einige Karpador dösten. Nicht weit entfernt lag ein mausartiges, blaues Pokémon. Verwundert wandte sich Elekid zu Azurill und schob dieses zum Wasser, damit es sich in der Reflexion des Wassers betrachten konnte, wofür es Ladevorgang einsetzte, um eine Lichtquelle zu erzeugen. Azurill bemerkte die Ähnlichkeit zu dem runden Pokémon, welches durch den plötzlichen Lichtschein erwachte. Das Marill starrte irritiert auf die kleinen Pokémon und spürte instinktiv, dass diese unsicher und noch nicht lange ihren Eiern entschlüpft waren. Besonders das Azurill rief in ihm Muttergefühle hervor, weshalb es sich diesem vorsichtig näherte und es zu fragen schien, ob es nicht bei ihm bleiben wollte. Azurill, das ohnehin nur Erinnerungen an eine Pension hatte, stimmte freudig zu.
Nachdem die anderen einige Beeren erhalten hatten, um sich zu stärken, machten sie sich wieder auf den Weg und winkten dem Azurill noch kurz zu, bevor sich die Wege trennten. Elekid entschied sich, gegen der Meinungen der Mitstreiter, sich an ein besonders heimelig wirkendes Plätzchen niederzulassen und ein Nickerchen abzuhalten.
So gingen Fluffeluff und Knospi sowie Pichu und Togepi zu viert weiter. Sie waren nicht weit durch das weiche Gras gegangen, als Knospi stolperte und unsanft auf dem Boden landete. Erschrocken darüber, fing es zu weinen an und weckte somit ein Kapilz auf, das sich seines friedlichen Schlafes beraubt sah und feuerte Samenbomben ab, mit denen es Fluffeluff und das Knospi traf, woraufhin Letzteres dadurch noch lauter weinte. Wütend setzte Pichu Donnerschock ein. Von dem Lärm aufgescheucht, kamen nun noch mehr Pokémon zu ihnen und wirkten alles andere als freundlich. Fluffeluff ergriff das Knospi und eilte blindlings davon. So wurden die zwei von ihren Freunden getrennt, die sich ebenfalls fluchtartig von den angriffslustigen Waldbewohnern versteckten. Als sie endlich weit genug weg waren, schnaufte Fluffeluff auf und tröstete das Knospi sanft. Es sah zum Mond, von dem es sich wie magisch angezogen fühlte. Die Nacht, so finster sie auch war, machte dem flauschigen Pokémon nichts aus. Knospi dachte da ganz anders und wirkte beunruhigt, was nachvollziehbar war, nachdem ihm klargeworden war, dass es in diesem Wald keine Freunde finden würde, obgleich es als Pflanzen-Pokémon hier leben könnte.
Fluffeluff und Knospi entdeckten einen Schrein, mit dem sie nicht viel anfangen konnten, weshalb sie zusammenzuckten, als wie aus dem Nichts ein schwebendes, grünes Pflanzen-Pokémon auftauchte. Das Celebi war nicht minder überrascht, zwei Baby-Pokémon hier mutterseelenalein vorzufinden und schloss insbesondere das andere Pflanzen-Pokémon in sein Herz und versprach, am Morgen mit den anderen Waldbewohnern zu reden, damit Knospi hier leben konnte. Fluffeluff bedankte sich und freute sich für seinen Freund, dass dieser einen Ort für sich gefunden hatte. Es selbst jedoch verabschiedete sich und lief weiter, ziellos vom Mond angezogen, durch die Nacht.
Die beiden anderen Baby-Pokémon waren an einer alten Villa angekommen, welche nicht gerade einladend wirkte. Aber Pichu zog das protestierende Togepi entschlossen mit hinein. Sie erkundeten die Räume, die allesamt ausgestorben waren. In einem davon entdeckten sie ein viereckiges Gerät, von dem eine merkwürdige Aura entwich. Rasch wollte Pichu das Zimmer verlassen, aber Togepis Neugier war geweckt, weshalb es das Gerät berührte. Gleich darauf ertönte ein Zischen und unheimliches Gelächter. Ein Rotom erschien und hüpfte in der Luft um die beiden herum. Togepi brach in Tränen aus, doch Pichu gewann bald seine Fassung zurück, als es erkannte, dass es sich um ein Elektro-Pokémon handelte und damit eine Verbundenheit herstellen konnte. Niemand wartete auf es, also konnte es genauso gut bei Rotom bleiben. Togepis Tränenstrom wurde mit der Zeit weniger. Doch die Traurigkeit, die es umgab, als es sich bewusst wurde, dass es einen weiteren Freund zurücklassen würde, war groß. Der gelbe Nager umarmte das Togepi und begleitete es aus der Villa hinaus, als Elekid und Fluffeluff, die sich über den Weg gelaufen waren, vorbeikamen. Sie wurden über Pichus Entscheidung unterrichtet und erzählten wiederum von Knospis neuen Ort.
Nun waren sie nur noch drei heimatlose Pokémon: Fluffeluff, Elekid, das durch den Lärm vorhin ebenfalls wach geworden war, sowie Togepi. Endlich sahen sie, wie sich der Weg lichtete und nicht viel später waren sie dem düsteren Wald entkommen. Der Morgen graute zwar bereits, allerdings war die Nacht noch immer nicht vorbei. Erschöpft und verunsichert setzten sie ihre unfreiwillige Reise fort. Die Landschaft um sie herum wurde von einzelnen Häusern geziert. Ein Stückchen weiter schien der Mond besonders hell und zog ihre Blicke auf sich. Dort tanzten einige rosafarbene Pokémon im Kreis und hielten eine Art Ritual ab. Fluffeluff hüpfte vorsichtig näher, wodurch die tanzenden Wesen kurz innehielten, es dann aber zum Mitmachen einluden und in ihrem Kreise willkommen hießen.
Togepi und Elekid beglückwünschten den Freund und gingen weiter. Sowohl Azurill als auch Knospi, Pichu und Fluffeluff schienen ohnehin keinen Menschen zu haben, der sie suchen würde. Sie beide dagegen waren eines Tages und eines nachts einem Jungen und einem Mädchen geraubt worden. Sie hegten keine Hoffnung mehr, dass sie diesen Kindern je wiederbegegnen würden und selbst wenn, wussten sie nicht, wie diese aussahen, kannten sie doch lediglich deren Stimmen.
Sie ahnten nicht, dass wenige Stunden später ein Suchtrupp auf der Suche nach einem Ei mit rot-blauen Symbolen sowie einem Ei mit schwarz-gelben Mustern waren und dass der wieder zu Bewusstsein gekommene und verhörte Dieb den Raub der Eier gestanden hatte, sodass deren Besitzerin und Besitzer nun wussten, wie ihre Pokémon, die sich noch in Eiern befanden hatten, ihnen entrissen worden waren. Togepi und Elekid liefen dem Suchtrupp in die Arme, die sie zu zurück zu den Kindern brachten, welche sich angefreundet hatten, während sie gemeinsam ihre Pokémon gesucht hatten. So hatten auch diese Baby-Pokémon endlich ein Zuhause und würden sich nach dieser durchgestandenen Odyssee nicht aus den Augen verlieren. Letztendlich hatte auf dieser ungewöhnlichen Weise jedes der sechs entführten Baby-Pokémon einen Ort für sich gefunden.
Eigentlich sollte dies die Abgabe für die dritte Runde des Schreibturnieres sein, jedoch bin ich ehrlich gesagt nicht ganz zufrieden damit, da es sich ein wenig zu erzählerisch anhört und mir irgendwie Interaktionen fehlen, weshalb ich sie nicht bei einem Wettbewerb einsenden wollte. Funfact: als ich „Fluffeluff“ schreiben wollte, stand mindestens einmal versehentlich stattdessen „Flocon“ da. Aus der Fluffeluff-Nummer kommt er nicht mehr raus, hehe. Beim Schreiben dieses Textes muss dann parallel dazu die Idee zu "Nachtbesuch" (siehe vorherigen Beitrag) entstanden sein, da sowohl hier als im anderen Text ein (wütendes) Kapilz einen Auftritt hat, wenn auch in unterschiedlicher Form.