Hallo Kleines Bambi,
nun habe ich auch mal den Weg in dein düsteres wie verlockendes Atelier gewagt und frage mich rückblickend, wie ich all die Jahre daran vorbeilaufen konnte. Vielleicht liegt es daran, dass ich von Natur aus dazu neige, von dunklen Abgründen Abstand zu nehmen, aber in diesem Fall war die Verlockung dann wohl doch zu groß. Wie dem auch sei, kannte ich bereits ein paar deiner Bilder durch deinen Lyrikband Seelenlast, in dem du das Gedicht Zerschmetterling mit der gleichnamigen Zeichnung sowie Es ist nicht alles Gold, was glänzt mit deinem Werk Hinter goldenen Augen illustriert hast. Und um gleich mal auf eben diese beiden zu sprechen zu kommen: Sie gefallen mir beide sehr. Persönlich fühle ich mich im Morbiden weniger zu Hause, aber Zerschmetterling offenbart für mich eine Ästhetik im Vergänglichen (und gleichzeitig im Neuanfang), die durch die Knospen, die aus den Fingern sprießen, und dem Schmetterling, der sich den Flügel bricht, beeindruckend zur Geltung kommt. Das Bild in Kombination mit der Lyrik hat für mich eine bittersüße Note. Hier wie auch in Hinter goldenen Augen beeindruckt mich deine Fertigkeit im Hinblick auf florale Elemente, für die du offenkundig ein Faible zu haben scheinst. Nun bin ich bei weitem kein Botaniker, meine aber neben Rosen Lilien erkannt zu haben, deren Schönheit im Blumenkranz beinahe von der Anmut des Tieres, das sie trägt, abzulenken weiß. Der eindrückliche Blick des Wolfes, bei dem man wahrhaftig zur Überzeugung kommt, er würde einem mit stoischer Ruhe ganz tief in die Augen schauen, ist dir wunderschön gelungen. Nicht im Traum würde mir bei dieser Illustration der Gedanke kommen, dass sich hinter den goldenen Augen zügellose Wildheit und ungehemmte Gewalt verbergen. Aber wie heißt es nunmal so schön: Der Schein trügt. - Was im Übrigen auch auf deine Malereien zutrifft, die in gedruckter Form im Gedichtband anders wirken als hier in deinen digitalen Veröffentlichungen. Hier wirken die Farben deutlich wärmer, heller, intensiver, während sie im Büchlein kälter, gräulicher, blasser daherkommen.
Was ich in deinem hübschen Atelier hier neben der eigentlichen Kunst, die du mit uns teilst, besonders schön finde, sind die zusätzlichen Texte, die zu deinem Schaffen eine bereichernde Ergänzung darstellen. Ich finde es immer schön zu lesen, welcheine Bedeutung eine Zeichnung für jemanden hat oder worin möglicherweise die Inspiration lag. Außerdem finde ich es faszinierend, dass du mit natürlichen Farbstoffen wie Kaffee und Tee malst und wäre zugleich nie darauf gekommen, wenn du diese Information nicht von dir aus bereitgestellt hättest. Und es stimmt mich irgendwie glücklich, dass dein Werk Der Gott des Waldes nicht nur mich an den Waldgott aus Prinzessin Mononoke denken lässt, wenngleich die Majestätik, die das Tier verkörpert, weit darüber hinausgeht. Vielen Dank auch dafür, dass du noch weitere Aufnahmen zur Verfügung gestellt hast, die es ermöglichen all die kleinen Details aus Blüten und Blättern näher zu betrachten.
Abschließend möchte ich aber noch auf deine Malerei zum Gedicht Federblut eingehen, die mit eben diesem eine wunderbare Symbiose bildet. Es ergänzt die Lyrik treffend, indem die Geschichte rein visuell widergegeben wird. Das Gedicht ist auch eines derer, die mich persönlich am meisten berührt haben, aber das ist ein Thema für ein anderes Mal. Auch hier besticht dein Bild wieder durch eine nahezu fotorealistische Darstellung dreier Vögel, die auf mich als Laien sehr beeindruckend wirkt und an der mir gefällt, dass sich für drei gänzlich verschiedene Vögel entschieden wurde, sodass mir als Betrachter besonders viel Abwechslung geboten wird. Darüber hinaus bildet das Lila der Wasserfarben (?) einen effektvollen Kontrast zum Schwarz-Weiß und die tragische Konsequenz aus der Handlung des Gedichts. So hast du für mich nicht nur lyrisch etwas Berührendes erschaffen, sondern auch gleichzeitig mit Blei- und Ölstift zu Papier gebracht. Und damit verbindet sich schlussendlich meine Hoffnung, auch zukünftig gemalt wie geschrieben von dir Neues zu sehen.
Viele Grüße
Tragosso