Kapitel 1
So sollte ein Morgen definitiv nicht beginnen. Als ich die Augen aufschlug, war das erste, das an mein Ohr drang ein lautes und sehr unangenehmes Geräusch, wie ein Presslufthammer der eine Gummiente malträtierte. Das war natürlich Quatsch. Presslufthammer gab es seit über 400 Jahren nicht mehr und ich wusste auch nur aus einem uralten Film, wie sie klangen. Aber anders konnte ich mir das Geräusch nicht erklären.
Langsam richtete ich mich auf, vorsichtig darauf bedacht, das Gebilde aus Planen und Metallstäben, das mein Bett darstelle, nicht unter mir zusammenbrechen zu lassen. Das war mir schon zweimal passiert und jedes Mal schuldete ich Leo einen riesigen Gefallen, weil ich mir seinen Lötkolben borgen musste, um die Metallstäbe wieder korrekt aufzurichten. Doch kaum war ich aufgestanden, brach der hintere Teil des Bettes weg und riss ein Loch in die hintere Plane. Ja, das war ein richtig beschissener Morgen.
Langsam trat ich aus meiner Wohnungstür. Streng genommen war sie gar keine Wohnungstür, sondern nur ein paar Metallstreben, die von ein paar Nägeln und Schrauben mit dem Rest der Wand verbunden waren. Na gut, genau genommen war es auch keine Wohnung, aus der ich trat, sondern vielmehr eine Ansammlung von allen möglichen Materialien, die Schutz vor Regen gaben. Das Dach bestand aus großen Blättern, die Wände aus Wellblech und Sperrholzplatten, und einen Fußboden gab es nicht; die Hütte war direkt auf den Urwaldboden gebaut.
Draußen ging grade die Sonne über den großen Zedern auf, die New Haven umgaben. Ein selten dämlicher Name, dafür dass die Stadt mitten im Urwald lag. Aber was wollte man machen, die Menschen hatten schon lange keine Entscheidungsgewalt mehr über irgendwas. Na gut, nicht alle. Die Asen in ihren weißen Türmen, die alles überragten, konnten natürlich tun und lassen was sie wollten, aber das waren ja streng genommen auch keine Menschen mehr. Asen, was ein bescheuerter Name. So wurden früher die Götter genannt, in den nördlichen Ländern. Der Typ, der für die Namensgebung verantwortlich war sollte sich definitiv einen neuen Job suchen, in seinem aktuellen war er nämlich richtig schlecht. Aber der Name "Asen" hatte etwas mythisches, eben was die früheren Götter waren. Mythisch. Ich schnaubte verächtlich. In meiner Welt war an Göttern nichts mythisch, sie waren einfach nur nervig.
„Bei den alten Göttern, was tut ihr da?! Wollt ihr wirklich so den allmächtigen Astos begrüßen?!“ Oberaufseher de Vito war wie immer nicht zu überhören. Er trug seine alte Militäruniform von der er behauptete, er hätte sie von seinen Vorfahren geerbt. Doch ich wusste es besser. Ich war dabei gewesen als er sie in einem eingeschweißten Behälter in einem alten Militärbunker gefunden hatte. Mit hochrotem Kopf ging er an den aufgestellten Reihen der Minenarbeiter entlang, musterte sie mit seinen zusammengekniffenen Augen und zuckte verächtlich seinem Schnauzer, der im Gegensatz zu ihm unerlaubt gigantisch war. Dass er sie für Abschaum hielt, war wie immer nicht zu übersehen. Mich behandelte er auch nur wegen meines kleinen Upgrades besser, auch wenn er nicht weniger auf mich herabsah als auf die anderen.
Ja, heute war es mal wieder so weit. Der jährliche Besuch meines allerliebsten Lieblingsfreundes Astos stand an. Als sechster der sieben alten Götter war er Herrscher des Landes, das früher „Südamerika“ hieß. Wie würde er dieses Jahr auftreten? Wieder mit seiner 5 Meter großen Gestalt, deren Haut aus gepanzerten Schuppen bestand? Oder wie letztes Jahr, als er nur mit Blättern bedenkt aufgetaucht war. Uäh, ich hatte heute noch Albträume von diesem Anblick.
Aber dieser jährliche Besuch war auch nur ein Anstandsbesuch, wie immer. Die Götter hatten das, nachdem sie seit fast 400 Jahren suchten, immer noch nicht gefunden, und ich bezweifelte, dass wir es je finden würden. Ironisch dass grade ich der Grund war, warum hier seit 2 Jahren nur umso intensiver gesucht wurde. Aber was solls, da muss ich wohl durch. Seufzend begann ich mit meiner Arbeit.